Parlament Österreich

 

 

 

 

Stenographisches Protokoll

 

 

 

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109. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XXV. Gesetzgebungsperiode

 

Donnerstag, 10. Dezember 2015

 

 


Stenographisches Protokoll

109. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXV. Gesetzgebungsperiode  Donnerstag, 10. Dezember 2015

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 10. Dezember 2015: 9.05 – 22.36 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Angestelltengesetz, das Gutsangestelltengesetz, das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abferti­gungsgesetz, das Betriebspensionsgesetz, das Arbeitszeitgesetz, das Arbeitsruhe­ge­setz und das Kinder- und Jugendlichen-Beschäftigungsgesetz 1987 geändert werden (Arbeitsrechts-Änderungsgesetz 2015)

2. Punkt: Bericht über den Antrag 575/A der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kol­le­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Angestelltengesetz, das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch, das Gutsangestelltengesetz, das Urlaubs­gesetz und das Arbeitszeitgesetz geändert wird

3. Punkt: Bericht über den Antrag 1190/A(E) der Abgeordneten Mag. Birgit Schatz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Reformbedarf bei All-in Verträgen

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Mutterschutzgesetz 1979 und das Väter-Ka­renzgesetz geändert werden

5. Punkt: Bericht über den Antrag 1025/A(E) der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend Grenzen für die Arbeitszeit­reduktion im Rahmen der Elternteilzeit und Prüfung der Ausweitung auf kleinere Betriebe

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten­Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Freiberuflichen-Sozialversiche­rungsgesetz, das Notarversicherungsgesetz 1972, das Sozialversicherungs-Ergän­zungs­­gesetz, das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Mutterschutzge­setz 1979 und das Väter-Karenzgesetz geändert werden sowie ein Bundesgesetz über die Ent­schädigung für Heeresschädigungen erlassen wird (Sozialrechts-Änderungs­gesetz 2015 – SRÄG 2015), sowie Bericht über den

Antrag 347/A der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen be­tref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Mutterschutzgesetz 1979, das Väter-Ka­renz­gesetz und das Landarbeitsgesetz 1984 geändert werden, und über den

Antrag 990/A(E) der Abgeordneten Mag. Daniela Musiol, Kolleginnen und Kollegen betreffend Elternkarenz für Pflegeeltern


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7. Punkt: Bericht über die Bürgerinitiative (72/BI) betreffend „Keine Kürzung der AMS-Mittel für den (Erwachsenen) AusBildungsbereich“

8. Punkt: Bericht über den Antrag 1418/A(E) der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Restrukturierung der AMS-Leitungs­ebene und Einführung von Leistungskomponenten bei der Entlohnung der AMS-Spitzenmanager

9. Punkt: Bericht über den Antrag 1386/A(E) der Abgeordneten Ing. Waltraud Dietrich, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Österreichweite Flexibilisierung der Unterbrin­gung von Lehrlingen“

10. Punkt: Bericht über den Antrag 1384/A(E) der Abgeordneten Ing. Waltraud Dietrich, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Zuerkennung des Pflegegeldes auch für einen kürzeren Zeitraum als sechs Monate“

11. Punkt: Bericht über den Antrag 132/A(E) der Abgeordneten Mag. Helene Jarmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Behandlung des Nationalen Aktionsplans für Menschen mit Behinderungen im Nationalrat

12. Punkt: Bericht über den Antrag 1345/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Überarbeitung der Definition von „Verwaltungs- und Verrechnungsaufwand“ bei den Sozialversicherungsträgern und im Hauptverband

13. Punkt: Bericht über den Antrag 792/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zusammenlegung Sozialversicherungsträger

14. Punkt: Bericht über den Antrag 1014/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Luxuspensionskürzungen unabhängig von der Entwicklung der Höchstbeitragsgrundlage

15. Punkt: Bericht über den Antrag 1362/A(E) der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend humanen Umgang mit Patienten und Pflegebedürftigen

16. Punkt: Bericht über den Antrag 1381/A(E) der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Wiedereinführung des Heizkostenzuschusses in Wien

17. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Zivildienstgesetz 1986 geändert wird

18. Punkt: Bericht über den Antrag 1338/A(E) der Abgeordneten Peter Wurm, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Dotierung des Vereins für Konsumentenschutzpolitik

19. Punkt: Bericht über den Antrag 1376/A(E) der Abgeordneten Leopold Steinbichler, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sicherstellung der VKI-Finanzierung“

20. Punkt: Bericht über den Antrag 665/A(E) der Abgeordneten Peter Wurm, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend gesetzliche Deckelung der Bank-Überziehungszinsen

21. Punkt: Bericht über den Antrag 560/A(E) der Abgeordneten Peter Wurm, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Gebührenstopp für Bürger bis 2018

22. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Richter- und Staats­anwaltschaftsdienstgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forst­wirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Landesvertragslehrpersonen­ge­setz 1966, das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrpersonengesetz, die Reisegebührenvorschrift 1955, das Bundes-Personalvertretungsgesetz, das Bundes-Bedienstetenschutzgesetz, das Bezügegesetz und das Finanzprokuraturgesetz geän­dert werden (2. Dienstrechts-Novelle 2015)


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23. Punkt: Bericht über den Antrag 1214/A(E) der Abgeordneten Dr. Harald Walser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Übertritt in das LehrerInnendienstrecht Neu für bereits im Dienst befindliche Lehrkräfte

24. Punkt: Bericht über den Antrag 1230/A(E) der Abgeordneten Dr. Harald Walser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Recht auf Neuberechnung des Besoldungs­dienstalters für öffentlich Bedienstete, die gemäß den im Bundesgesetzblatt vom 12.2.2015 veröffentlichten Bestimmungen automatisch ins neue Besoldungsrecht übergeleitet wurden

25. Punkt: Bericht über den Antrag 1438/A der Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Dr. Peter Wittmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Nationalrats-Wahlordnung 1992, das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971, das Wählerevidenzgesetz 1973 und das Europa-Wählerevidenzgesetz geändert werden (Wahlrechtsänderungsgesetz 2015)

26. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesvergabegesetz 2006 und das Bun­desvergabegesetz Verteidigung und Sicherheit 2012 geändert werden

27. Punkt: Bericht über den Antrag 1294/A der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Vergabe von Aufträgen (Bundesvergabegesetz 2006 – BVergG 2006) geändert wird

28. Punkt: Bericht über den Antrag 1297/A der Abgeordneten Michael Pock, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Vergabe von Aufträgen (Bundesvergabegesetz 2006 – BVergG 2006) geändert wird

29. Punkt: Bericht über den Antrag 1420/A(E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Nachhaltige Erneuerung des Vergaberechts

30. Punkt: Bericht über den Außen- und Europapolitischen Bericht 2014 der Bun­desregierung

31. Punkt: Erklärung der Republik Österreich über den Einspruch gegen den Beitritt der Republik Tadschikistan zum Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffent­licher Urkunden von der Beglaubigung

32. Punkt: Bericht über den Antrag 1459/A(E) der Abgeordneten Dr. Josef Cap, Dr. Reinhold Lopatka, Tanja Windbüchler-Souschill, Mag. Christoph Vavrik, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Österreichs Unterstützung für eine rasche, zukunfts­fähige und friedliche Regelung des Syrien-Konflikts

33. Punkt: Bericht über den Antrag 1463/A(E) der Abgeordneten Mag. Aygül Berivan Aslan, Mag. Andreas Schieder, Dr. Reinhold Lopatka, Kolleginnen und Kollegen betreffend ausreichende humanitäre Versorgung und Wiederherstellung der Sicherheit in Shingal und Kobanê

34. Punkt: Bericht über den Antrag 1328/A(E) der Abgeordneten Mag. Alev Korun, Kolleginnen und Kollegen betreffend Wiedereinführung des Botschaftsverfahrens zur Beantragung von Asyl

35. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Rainer Hable, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäfts­ordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert wird (1415/A)

36. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Heinz-Christian Strache, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz – B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, geändert wird


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37. Punkt: Ersuchen des Fernmeldebüros für Wien, Niederösterreich und Burgenland um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Matthias Strolz

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 17

Ordnungsruf ................................................................................................................... 58

Geschäftsbehandlung

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeant­wor­tung 6417/AB gemäß § 92 Abs. 1 der Geschäftsordnung ........................................................................................ 37

Durchführung einer kurzen Debatte gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung ...... 129

Redner/Rednerinnen:

Werner Neubauer .................................................................................................... ... 129

Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter ...................................... ... 132

Mag. Christine Muttonen ........................................................................................ ... 134

Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich ............................................................................. ... 135

Walter Rauch ........................................................................................................... ... 137

Dr. Gabriela Moser .................................................................................................. ... 138

Claudia Angela Gamon, MSc (WU) ....................................................................... ... 139

Leopold Steinbichler .............................................................................................. ... 141

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeant­wortung 6454/AB gemäß § 92 Abs. 1 der Geschäftsordnung ........................................................................................ 37

Durchführung einer kurzen Debatte gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung ...... 142

Redner/Rednerinnen:

Mag. Werner Kogler ................................................................................................ ... 142

Bundesminister Dr. Johann Georg Schelling ..................................................... ... 145

Mag. Karin Greiner ................................................................................................. ... 147

Gabriele Tamandl .................................................................................................... ... 148

Erwin Angerer ......................................................................................................... ... 150

Mag. Bruno Rossmann .......................................................................................... ... 152

Dr. Rainer Hable ...................................................................................................... ... 153

Ing. Robert Lugar .................................................................................................... ... 154

Absehen von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen des schriftlichen Aus­schussberichtes 971 d.B. gemäß § 44 (2) der Geschäftsordnung ...................................................................................... 37

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z 2 der Geschäftsordnung .......................................................................................................... 38

Verlangen auf Durchführung einer namentlichen Abstimmung ..........................  59, 254

Unterbrechung der Sitzung .........................................................................  60, 242, 255


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 5

Fragestunde (15.)

Bundeskanzleramt ....................................................................................................... 17

Mag. Andreas Schieder (172/M); Peter Haubner, MMag. DDr. Hubert Fuchs

Werner Amon, MBA (169/M)

Mag. Gernot Darmann (178/M); Mag. Werner Kogler, Kai Jan Krainer

Dr. Harald Walser (175/M); Mag. Dr. Matthias Strolz, Mag. Elisabeth Grossmann

Mag. Christoph Vavrik (177/M)

Ing. Robert Lugar (180/M)

Otto Pendl (173/M)

Mag. Wolfgang Gerstl (170/M)

Dr. Walter Rosenkranz (179/M)

Mag. Alev Korun (176/M)

Josef Muchitsch (174/M); August Wöginger, Werner Neubauer, Leopold Steinbichler

Brigitte Jank (171/M) (siehe S. 10)

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 17

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................  36, 278, 284

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regie­rungsvorlage (903 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Angestelltengesetz, das Gutsangestelltengesetz, das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, das Betriebspensionsgesetz, das Arbeitszeitgesetz, das Arbeitsruhegesetz und das Kinder- und Jugendlichen-Beschäftigungsgesetz 1987 geändert werden (Arbeitsrechts-Änderungsge­setz 2015) (948 d.B.) ............................. 38

2. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 575/A der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Angestelltengesetz, das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch, das Gutsangestelltengesetz, das Urlaubsgesetz und das Arbeitszeitgesetz geändert wird (949 d.B.) ....................................................... 38

3. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 1190/A(E) der Abgeordneten Mag. Birgit Schatz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Reformbedarf bei All-in Verträgen (950 d.B.) ............................................................................................................................... 38


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 6

Redner/Rednerinnen:

Mag. Birgit Schatz .................................................................................................. ..... 38

Josef Muchitsch ...................................................................................................... ..... 40

Mag. Gerald Loacker .............................................................................................. ..... 41

August Wöginger .................................................................................................... ..... 43

Ing. Waltraud Dietrich ............................................................................................ ..... 44

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein .................................................................... ..... 45

Rupert Doppler ....................................................................................................... ..... 48

Walter Schopf .......................................................................................................... ..... 49

Ing. Mag. Werner Groiß .......................................................................................... ..... 50

Angela Fichtinger ................................................................................................... ..... 52

Bundesminister Rudolf Hundstorfer .................................................................... ..... 52

Gabriel Obernosterer ............................................................................................. ..... 56

Peter Wurm .............................................................................................................. ..... 57

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Überbrückungsgesetz zur unmittelbaren Auszahlung von Ansprüchen an Anspruchsberechtigte nach dem Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz – Ablehnung (namentliche Abstimmung)  47, 59

Annahme des Gesetzentwurfes in 948 d.B. ................................................................... 58

Kenntnisnahme der beiden Ausschussberichte 949 und 950 d.B. ................................. 61

Gemeinsame Beratung über

4. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungs­vorlage (904 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Mutterschutzgesetz 1979 und das Väter-Karenzgesetz geändert werden (951 d.B.) ........................................................................................................................ 61

5. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 1025/A(E) der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend Grenzen für die Arbeitszeitreduktion im Rahmen der Elternteilzeit und Prüfung der Ausweitung auf kleinere Betriebe (952 d.B.)                        62

Redner/Rednerinnen:

Carmen Schimanek ................................................................................................ ..... 62

Ulrike Königsberger-Ludwig ................................................................................. ..... 63

Mag. Christoph Vavrik ............................................................................................ ..... 64

Norbert Sieber ......................................................................................................... ..... 65

Mag. Judith Schwentner ........................................................................................ ..... 66

Johann Hechtl ......................................................................................................... ..... 69

Fritz Grillitsch ......................................................................................................... ..... 70

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Judith Schwentner, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Erleichterung der Inanspruchnahme von Eltern­teilzeit – Ablehnung ......................  68, 72

Annahme des Gesetzentwurfes in 951 d.B. ................................................................... 71

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 951 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend Bagatellgrenze im MSchG und VKG (E 117) ................................................................ 71

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 952 d.B. ........................................................ 72

Gemeinsame Beratung über


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 7

6. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regie­rungsvorlage (900 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversiche­rungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialver­siche­rungsgesetz, das Beamten­Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Freiberuflichen-Sozialversicherungsgesetz, das Notarversicherungsgesetz 1972, das Sozialversicherungs-Ergänzungsgesetz, das Arbeitslosenversicherungs­ge­setz 1977, das Mutterschutzgesetz 1979 und das Väter-Karenzgesetz geändert werden sowie ein Bundesgesetz über die Entschädigung für Heeresschädi­gun­gen erlassen wird (Sozialrechts-Änderungsgesetz 2015 – SRÄG 2015), sowie über den

Antrag 347/A der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Mutterschutzgesetz 1979, das Väter-Karenzgesetz und das Landarbeitsgesetz 1984 geändert werden, und über den

Antrag 990/A(E) der Abgeordneten Mag. Daniela Musiol, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Elternkarenz für Pflegeeltern (953 d.B.) .............................................................................................. 72

7. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Bürger­initiative (72/BI) betreffend „Keine Kürzung der AMS-Mittel für den (Erwach­senen) AusBildungsbereich“ (960 d.B.) ....... 72

8. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 1418/A(E) der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Restrukturierung der AMS-Leitungsebene und Einführung von Leistungskomponenten bei der Entlohnung der AMS-Spitzenmanager (961 d.B.) ........................................................................................................................ 72

9. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 1386/A(E) der Abgeordneten Ing. Waltraud Dietrich, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Österreichweite Flexibilisierung der Unterbringung von Lehrlingen“ (962 d.B.) ...................................................................... 72

10. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 1384/A(E) der Abgeordneten Ing. Waltraud Dietrich, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Zuerkennung des Pflegegeldes auch für einen kürzeren Zeitraum als sechs Monate“ (963 d.B.) ........................................................... 73

11. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 132/A(E) der Abgeordneten Mag. Helene Jarmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Behandlung des Nationalen Aktionsplans für Menschen mit Behinderungen im Nationalrat (964 d.B.) ............................................... 73

12. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 1345/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Überarbeitung der Definition von „Verwaltungs- und Verrech­nungsaufwand“ bei den Sozialversicherungsträgern und im Hauptverband (954 d.B.)          ............................................................................................................................... 73

13. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 792/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zusammenlegung Sozialversicherungsträger (955 d.B.) ........................................................................................................................ 73

14. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 1014/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Luxuspensionskürzungen unabhängig von der Entwicklung der Höchstbeitragsgrundlage (956 d.B.) .................................................... 73


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 8

15. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 1362/A(E) der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend humanen Umgang mit Patienten und Pflegebedürftigen (957 d.B.) ................................................................................... 73

16. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 1381/A(E) der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Wiedereinführung des Heizkostenzuschusses in Wien (958 d.B.) ..................................................................... 73

Redner/Rednerinnen:

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein .................................................................... ..... 74

Dietmar Keck ........................................................................................................... ..... 76

Mag. Judith Schwentner ........................................................................................ ..... 78

August Wöginger .................................................................................................... ..... 79

Mag. Gerald Loacker .............................................................................................. ..... 80

Johann Hell .............................................................................................................. ..... 82

Ing. Waltraud Dietrich ............................................................................................ ..... 82

Mag. Gertrude Aubauer ......................................................................................... ..... 84

Werner Neubauer .................................................................................................... ..... 85

Michael Ehmann ...................................................................................................... ..... 87

Dr. Eva Mückstein ................................................................................................... ..... 88

Bundesminister Rudolf Hundstorfer ................................................................  90, 104

Norbert Sieber ......................................................................................................... ..... 92

Mag. Christoph Vavrik ............................................................................................ ..... 93

Hannes Fazekas ...................................................................................................... ..... 97

Gerhard Schmid ..................................................................................................  98, 104

Martina Diesner-Wais ............................................................................................. ..... 99

Mag. Helene Jarmer ................................................................................................ ..... 99

Ing. Manfred Hofinger ............................................................................................ ... 100

Mag. Birgit Schatz .................................................................................................. ... 101

Dr. Angelika Winzig ................................................................................................ ... 102

Rupert Doppler ....................................................................................................... ... 103

Dr. Marcus Franz .................................................................................................... ... 103

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Eva Mückstein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Richtlinien und Programme für notärztliche Tätigkeit und Paramedics – Ablehnung  89, 106

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Christoph Vavrik, Kolleginnen und Kollegen betreffend Strukturreform des FLAF statt Gefährdung des Ent­schuldungspfades – Ablehnung  94, 106

Annahme des Gesetzentwurfes in 953 d.B. ................................................................. 106

Kenntnisnahme der zehn Ausschussberichte 960, 961, 962, 963, 964, 954, 955, 956, 957 und 958 d.B.              ............................................................................................................................. 107

17. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regie­rungs­vorlage (842 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Zivildienstgesetz 1986 geändert wird (959 d.B.) ............. 108

Redner/Rednerinnen:

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein .................................................................... ... 108

Franz Kirchgatterer ................................................................................................ ... 108

Ing. Mag. Werner Groiß .......................................................................................... ... 109

Tanja Windbüchler-Souschill ................................................................................ ... 110


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 9

Bundesminister Rudolf Hundstorfer .................................................................... ... 111

Fritz Grillitsch ......................................................................................................... ... 111

Annahme des Gesetzentwurfes in 959 d.B. ................................................................. 112

Gemeinsame Beratung über

18. Punkt: Bericht des Ausschusses für Konsumentenschutz über den An­trag 1338/A(E) der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Dotierung des Vereins für Konsumentenschutzpolitik (913 d.B.) ...................................................................................................................... 112

19. Punkt: Bericht des Ausschusses für Konsumentenschutz über den An­trag 1376/A(E) der Abgeordneten Leopold Steinbichler, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sicherstellung der VKI-Finanzierung“ (914 d.B.)     ............................................................................................................................. 112

Redner/Rednerinnen:

Peter Wurm ........................................................................................................  112, 123

Angela Lueger ......................................................................................................... ... 114

Mag. Aygül Berivan Aslan ..................................................................................... ... 115

Angela Fichtinger ................................................................................................... ... 115

Bundesminister Rudolf Hundstorfer .................................................................... ... 116

Leopold Steinbichler .............................................................................................. ... 117

Ing. Markus Vogl ..................................................................................................... ... 121

Rupert Doppler ....................................................................................................... ... 122

Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA .................................................................... ... 122

Entschließungsantrag der Abgeordneten Leopold Steinbichler, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Qualitätsgütesiegel-Gesetz“ – Ablehnung ..........................................................  119, 124

Kenntnisnahme der beiden Ausschussberichte 913 und 914 d.B. ............................... 124

20. Punkt: Bericht des Ausschusses für Konsumentenschutz über den An­trag 665/A(E) der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betref­fend gesetzliche Deckelung der Bank-Überziehungszinsen (915 d.B.) ...................................................................................................................... 124

Redner/Rednerinnen:

Peter Wurm ........................................................................................................  124, 157

Walter Bacher .......................................................................................................... ... 125

Mag. Aygül Berivan Aslan ..................................................................................... ... 126

Mag. Gertrude Aubauer ......................................................................................... ... 127

Bundesminister Rudolf Hundstorfer .................................................................... ... 128

Rupert Doppler ....................................................................................................... ... 129

Leopold Steinbichler .............................................................................................. ... 156

Gerhard Schmid ...................................................................................................... ... 158

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einräumung eines Überziehungsrahmens inklusive Zins- und Gebührenfreistellung bei Bankinstituten im Rahmen eines IESF-Verfahrens für den Kreis der Anspruchsberechtigten – Ablehnung          157, 159

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 915 d.B. ...................................................... 159

21. Punkt: Bericht des Ausschusses für Konsumentenschutz über den An­trag 560/A(E) der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gebührenstopp für Bürger bis 2018 (916 d.B.)          ............................................................................................................................. 159

Redner/Rednerinnen:

Peter Wurm .............................................................................................................. ... 159

Konrad Antoni ......................................................................................................... ... 160


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 10

Rupert Doppler ....................................................................................................... ... 161

Johann Rädler ......................................................................................................... ... 161

Bundesminister Rudolf Hundstorfer .................................................................... ... 162

Mag. Aygül Berivan Aslan ..................................................................................... ... 163

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 916 d.B. ...................................................... 164

Gemeinsame Beratung über

22. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (902 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Landesver­tragslehr­personengesetz 1966, das Land- und forstwirtschaftliche Landesver­trags­lehrpersonengesetz, die Reisegebührenvorschrift 1955, das Bundes-Per­sonal­vertretungsgesetz, das Bundes-Bedienstetenschutzgesetz, das Bezüge­gesetz und das Finanzprokuraturgesetz geändert werden (2. Dienstrechts-Novelle 2015) (940 d.B.)                       164

23. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 1214/A(E) der Abgeordneten Dr. Harald Walser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Übertritt in das LehrerInnendienstrecht Neu für bereits im Dienst befindliche Lehrkräfte (941 d.B.) .................................................................................. 164

24. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 1230/A(E) der Abgeordneten Dr. Harald Walser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Recht auf Neuberechnung des Besoldungsdienstalters für öffentlich Bedienstete, die gemäß den im Bundesgesetzblatt vom 12.2.2015 veröffentlichten Bestimmungen automatisch ins neue Besoldungsrecht übergeleitet wurden (942 d.B.) ...................... 165

Redner/Rednerinnen:

Christian Lausch ...............................................................................................  165, 190

Otto Pendl ..........................................................................................................  166, 191

Dr. Harald Walser .................................................................................................... ... 180

Mag. Wolfgang Gerstl ............................................................................................. ... 181

Mag. Gerald Loacker .............................................................................................. ... 183

Staatssekretärin Mag. Sonja Steßl ........................................................................ ... 183

Angela Lueger ......................................................................................................... ... 184

Christoph Hagen ..................................................................................................... ... 185

Mag. Dr. Matthias Strolz ......................................................................................... ... 186

Entschließungsantrag der Abgeordneten Otto Pendl, Mag. Dr. Beatrix Karl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Absicherung der Bundesbediensteten bei längerdauernden Krankenständen aufgrund besonderer beruflicher Belastungs­situationen – Annahme (E 119 ) ......................................  179, 192

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Dr. Matthias Strolz, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Aufwertung des Berufsbildes der Lehrerinnen und Lehrer – Ablehnung ............  188, 192

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Dr. Matthias Strolz, Kollegin­nen und Kollegen betreffend umfassende personelle Autonomie der Schulen und Überführung des Lehrerdienstrechtes in einen Rahmen-Kollektivvertrag – Ablehnung ..............................................................................  189, 193

Annahme des Gesetzentwurfes in 940 d.B. ............................................................. ... 192


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 11

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 940 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend Teilzeitmöglichkeit für Richterinnen und Richter (E 118) ............................................ 192

Kenntnisnahme der beiden Ausschussberichte 941 und 942 d.B. ............................... 192

25. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 1438/A der Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Dr. Peter Wittmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Nationalrats-Wahlord­nung 1992, das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971, das Wählerevidenz­ge­setz 1973 und das Europa-Wählerevidenzgesetz geändert werden (Wahlrechts­ände­rungsgesetz 2015) (943 d.B.)                  193

Redner/Rednerinnen:

Mag. Harald Stefan ................................................................................................. ... 193

Elmar Mayer ............................................................................................................. ... 195

Mag. Wolfgang Gerstl ............................................................................................. ... 196

Mag. Daniela Musiol ................................................................................................ ... 198

Dr. Walter Rosenkranz ........................................................................................... ... 199

Dr. Johannes Jarolim ............................................................................................. ... 200

Johann Singer ......................................................................................................... ... 201

Annahme des Gesetzentwurfes in 943 d.B. ................................................................. 201

Gemeinsame Beratung über

26. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (776 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesvergabegesetz 2006 und das Bundesvergabegesetz Verteidigung und Sicherheit 2012 geändert werden (944 d.B.) .......................................................................................... 202

27. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 1294/A der Ab­geordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen be­tref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Vergabe von Auf­trägen (Bundesvergabegesetz 2006 – BVergG 2006) geändert wird (945 d.B.)           ............................................................................................................................. 202

28. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 1297/A der Abgeordneten Michael Pock, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Vergabe von Aufträgen (Bundes­vergabegesetz 2006 – BVergG 2006) geändert wird (946 d.B.) ... 202

29. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 1420/A(E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Nachhal­tige Erneuerung des Vergaberechts (947 d.B.)     ............................................................................................................................. 202

Redner/Rednerinnen:

Mag. Birgit Schatz .................................................................................................. ... 202

Mag. Andreas Schieder .......................................................................................... ... 205

Dr. Nikolaus Scherak .............................................................................................. ... 206

Mag. Michaela Steinacker ...................................................................................... ... 208

Ing. Waltraud Dietrich ............................................................................................ ... 209

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein .................................................................... ... 210

Dr. Gabriela Moser .................................................................................................. ... 211

Dr. Peter Wittmann ................................................................................................. ... 212

Jakob Auer .............................................................................................................. ... 212

Bundesminister Dr. Josef Ostermayer ................................................................ ... 220

Peter Wurm .............................................................................................................. ... 221

Josef Muchitsch ...................................................................................................... ... 225

Ing. Manfred Hofinger ............................................................................................ ... 226


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 12

Johannes Schmuckenschlager ............................................................................. ... 227

Rupert Doppler ....................................................................................................... ... 227

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Birgit Schatz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Weiterentwicklung des Vergaberechts, um die Wirksamkeit des Bestbieterprinzips zu erhöhen – Ablehnung     204, 229

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend: Faires Vergaberecht und Bestbieterprinzip umsetzen – Ablehnung  222, 229

Annahme des Gesetzentwurfes in 944 d.B. ................................................................. 228

Kenntnisnahme der drei Ausschussberichte 945, 946 und 947 d.B. ........................... 229

30. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Außen- und Europapolitischen Bericht 2014 der Bundesregierung (III-220/924 d.B.) ........................................................................ 229

Redner/Rednerinnen:

Dr. Johannes Hübner ................................................................................................. 229

Werner Amon, MBA ................................................................................................... 233

Dr. Andreas F. Karlsböck .......................................................................................... 234

Dr. Josef Cap .............................................................................................................. 236

Dr. Reinhard Eugen Bösch .................................................................................... ... 237

Tanja Windbüchler-Souschill ................................................................................ ... 238

Dr. Jessi Lintl .......................................................................................................... ... 242

Mag. Christoph Vavrik ............................................................................................ ... 243

Christoph Hagen ..................................................................................................... ... 245

Bundesminister Sebastian Kurz ........................................................................... ... 246

Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich ............................................................................. ... 247

Mag. Christine Muttonen ........................................................................................ ... 248

Claudia Durchschlag .............................................................................................. ... 250

Mag. Gisela Wurm ................................................................................................... ... 251

Hermann Krist ......................................................................................................... ... 252

Dr. Harald Troch ..................................................................................................... ... 253

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Johannes Hübner, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Aufhebung der Wirtschaftssanktionen gegen die Russische Föderation – Ablehnung (namentliche Abstimmung) .......................................................................................................  231, 254

Entschließungsantrag der Abgeordneten Tanja Windbüchler-Souschill, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aufstockung der multilateralen und bilate­ralen Entwicklungszusammenarbeit angesichts der derzeitigen Solidaritäts­krise – Ablehnung ............................................................  240, 256

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Josef Cap, Dr. Reinhold Lopatka, Kolleginnen und Kollegen betreffend 70 Jahre Vereinte Nationen – verstärktes Engagement für den Frieden – Annahme (E 120)               249, 256

Kenntnisnahme des Berichtes III-220 d.B. ................................................................... 254

31. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regie­rungs­vorlage (780 d.B.): Erklärung der Republik Österreich über den Einspruch gegen den Beitritt der Republik Tadschikistan zum Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Beglaubigung (925 d.B.)                     256

Rednerin:

Mag. Dr. Beatrix Karl .................................................................................................. 257


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 13

Genehmigung des Staatsvertrages in 925 d.B. ........................................................... 257

Gemeinsame Beratung über

32. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Antrag 1459/A(E) der Abgeordneten Dr. Josef Cap, Dr. Reinhold Lopatka, Tanja Windbüchler-Souschill, Mag. Christoph Vavrik, Kolleginnen und Kollegen betreffend Öster­reichs Unterstützung für eine rasche, zukunftsfähige und friedliche Regelung des Syrien-Konflikts (926 d.B.) ........................................................................................... 257

33. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den An­trag 1463/A(E) der Abgeordneten Mag. Aygül Berivan Aslan, Mag. Andreas Schieder, Dr. Reinhold Lopatka, Kolleginnen und Kollegen betreffend ausreichen­de humanitäre Versorgung und Wiederherstellung der Sicherheit in Shingal und Kobanê (927 d.B.) ...................................................................................................................... 257

Redner/Rednerinnen:

Dr. Reinhold Lopatka ............................................................................................. ... 258

Mag. Andreas Schieder .......................................................................................... ... 259

Dr. Johannes Hübner ............................................................................................. ... 260

Tanja Windbüchler-Souschill ................................................................................ ... 261

Mag. Christoph Vavrik ............................................................................................ ... 262

Christoph Hagen ..................................................................................................... ... 263

Dr. Franz-Joseph Huainigg ................................................................................... ... 264

Anton Heinzl ............................................................................................................ ... 265

Mag. Aygül Berivan Aslan ..................................................................................... ... 265

Ing. Robert Lugar .................................................................................................... ... 266

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 926 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend Österreichs Unterstützung für eine rasche, zukunftsfähige und friedliche Regelung des Syrien-Konflikts (E 121) .......................................................................................................................... 267

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 927 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend ausreichende humanitäre Versorgung und Wiederher­stel­lung der Sicherheit in Shingal und Kobanê (E 122)     ............................................................................................................................. 268

34. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Antrag 1328/A(E) der Abgeordneten Mag. Alev Korun, Kolleginnen und Kollegen betreffend Wieder­einführung des Botschaftsverfahrens zur Beantragung von Asyl (928 d.B.) ................................................................................. 268

Redner/Rednerinnen:

Mag. Alev Korun ..................................................................................................... ... 268

Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller ................................................................ ... 269

Dr. Josef Cap .............................................................................................................. 270

Dr. Johannes Hübner ................................................................................................. 270

Mag. Christoph Vavrik ............................................................................................ ... 272

Christoph Hagen ..................................................................................................... ... 272

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 928 d.B. ...................................................... 272

35. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Rainer Hable, Kollegin­nen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geän­dert wird (1415/A) .......................................... 273

Redner/Rednerinnen:

Dr. Rainer Hable ...................................................................................................... ... 273

Kai Jan Krainer ....................................................................................................... ... 274

Johannes Schmuckenschlager ............................................................................. ... 274


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 14

Mag. Gernot Darmann ............................................................................................ ... 275

Mag. Werner Kogler ................................................................................................ ... 276

Zuweisung des Antrages 1415/A an den Geschäftsordnungsausschuss .................... 278

36. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz – B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, geändert wird (1417/A) ................................................................................................. 278

Redner/Rednerinnen:

Mag. Gernot Darmann ............................................................................................ ... 278

Dr. Peter Wittmann ................................................................................................. ... 279

Mag. Dr. Beatrix Karl .............................................................................................. ... 280

Mag. Günther Kumpitsch ....................................................................................... ... 281

Mag. Daniela Musiol ................................................................................................ ... 282

Dr. Nikolaus Scherak .............................................................................................. ... 284

Zuweisung des Antrages 1417/A an den Verfassungsausschuss ............................... 284

37. Punkt: Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen des Fern­meldebüros für Wien, Niederösterreich und Burgenland (GZ BMVIT-631.540/0759-III/FBW/2015) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Matthias Strolz (971 d.B.) ........... 284

Redner/Rednerinnen:

Dieter Brosz, MSc ................................................................................................... ... 285

Dr. Nikolaus Scherak .............................................................................................. ... 286

Annahme des Ausschussantrages in 971 d.B. ............................................................. 286

Eingebracht wurden

Anträge der Abgeordneten

Dr. Johannes Jarolim, Mag. Michaela Steinacker, Christoph Hagen, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäfts­ordnungsgesetz 1975), das Verfassungsgerichtshofgesetz 1953, die Strafprozeßord­nung 1975 (StPO), das Bundesgesetz über die Wahl des Nationalrates (Nationalrats-Wahlordnung 1992 – NRWO) sowie das Bundesgesetz über die Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments (Europawahlordnung – EuWO) geändert werden (1470/A)

Mag. Dr. Matthias Strolz, Kolleginnen und Kollegen betreffend umfassende personelle Autonomie der Schulen und Überführung des Lehrerdienstrechtes in einen Rahmen-Kollektivvertrag (1471/A)(E)

Mag. Dr. Matthias Strolz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aufwertung des Berufsbildes der Lehrerinnen und Lehrer (1472/A)(E)

Mag. Helene Jarmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schutz und Unterstützung von Menschen mit Behinderungen im Katastrophenfall (1473/A)(E)

Mag. Birgit Schatz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Weiterentwicklung des Vergaberechts, um die Wirksamkeit des Bestbieterprinzips zu erhöhen (1474/A)(E)

Mag. Nikolaus Alm, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfas­sungs­gesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) geändert wird, sowie betref-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 15

fend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert wird (1475/A)

Dr. Johannes Hübner, Kolleginnen und Kollegen betreffend keine EZA-Leistungen für bei der Rücknahme ihrer Staatsbürger unkooperative Entwicklungsländer (1476/A)(E)

Dr. Peter Pilz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schutz vor Terroristenwaffen (1477/A)(E)

Ulrike Weigerstorfer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Multiprofessionelle und multimodale Behandlung akuter und chronischer Schmerzen“ (1478/A)(E)

Ulrike Weigerstorfer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Streichung von Braun­bären und Wölfen aus der Positivliste der 2. Tierhaltungsverordnung“ (1479/A)(E)

Ulrike Weigerstorfer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Absolutes Verbot des Verkaufes von Hunde- und Katzenwelpen in Zoofachhandlungen“ (1480/A)(E)

Ing. Waltraud Dietrich, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Separate monatliche Bekanntgabe der Zahl der anerkannten Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigten in der Arbeitslosenstatistik“ (1481/A)(E)

Christoph Hagen, Kolleginnen und Kollegen betreffend „IG-Luft-Geschwindigkeits­beschränkungen auf Bundesstraßen – Verlagerung in Bundeskompetenz“ (1482/A)(E)

Carmen Schimanek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Herausnahme der Volks­anwaltschaft aus dem Artikel 22a Abs. 2 B-VG der Regierungsvorlage 395 der Beilagen (1483/A)(E)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Leistungsbericht der Krankenversicherungsträger (1484/A)(E)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einräu­mung eines Überziehungsrahmens inklusive Zins- und Gebührenfreistellung bei Bank­instituten im Rahmen eines IESF-Verfahrens für den Kreis der Anspruchsberechtigten (1485/A)(E)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einräu­mung eines Überziehungsrahmens inklusive Zins- und Gebührenfreistellung bei Bank­instituten im Rahmen eines IESF-Verfahrens für den Kreis der Anspruchsberechtigten (1486/A)(E)

Tanja Windbüchler-Souschill, Kolleginnen und Kollegen betreffend 70 Jahre Vereinte Nationen – verstärktes Engagement für den Frieden (1487/A)(E)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Über­brückungs­gesetz zur unmittelbaren Auszahlung von Ansprüchen an Anspruchs­berech­tigte nach dem Insolvenzentgelt-Sicherungsgesetz (1488/A)(E)

Mag. Michaela Steinacker, Dr. Johannes Jarolim, Kolleginnen und Kollegen betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Handelsvertretergesetz geändert wird (1489/A)

Anfragen der Abgeordneten

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesund­heit betreffend Auswirkungen des Psychologengesetzes 2013 auf die Ausbildungs­situation (7311/J)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 16

Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend die Unterbringung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge und deren Altersfeststellung in Österreich (7312/J)

Ing. Robert Lugar, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend „Kosten der Errichtung des Grenzzaunes zwischen Österreich und Slo­wenien“ (7313/J)

Hermann Krist, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend „vom BMF beauftragtes Expertenpapier zur Pensionsentwicklung“ (7314/J)

Andrea Gessl-Ranftl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Situation in Leoben – im Speziellen rund um die vorübergehende Unter­bringung von Menschen auf der Flucht in der ehemaligen BAUMAX-Halle (7315/J)

Dr. Marcus Franz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit betreffend Umgang mit in Österreich legal abgetriebenen Embryonen und Föten (7316/J)

Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Transit-Flüchtlingslager im ASFINAG-Gelände Salzburg (7317/J)

Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Evaluierung der Transparenzdatenbank durch die Länder/Streichung des Wirkungsziels „Effizienteres Förderwesen im Bundesstaat“ (7318/J)

Petra Bayr, MA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit betreffend Anklage der Staatsanwaltschaft wegen Einhalten der Safer Sex Regeln (7319/J)

Petra Bayr, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Anklage der Staatsanwaltschaft wegen Einhalten der Safer Sex Regeln (7320/J)


 


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 17

09.05.21 Beginn der Sitzung: 9.05 Uhr

Vorsitzende: Präsidentin Doris Bures, Zweiter Präsident Karlheinz Kopf, Dritter Präsident Ing. Norbert Hofer.

*****

 


Präsidentin Doris Bures: Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete, ich eröffne die 109. Sitzung des Nationalrates.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Ecker, Katzian, Weninger, Wimmer, Höfinger, Jank, Mag. Zakostelsky, Ing. Hackl, Hafenecker, MA, Mag. Hauser, Ing. Höbart, Kickl, Mag. Brunner, Köchl und Dr. Pirklhuber.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

 


Präsidentin Doris Bures: Für diese Sitzung hat das Bundeskanzleramt über Ver­tretung von Mitgliedern der Bundesregierung, welche sich in einem anderen Mitglied­staat der Europäischen Union aufhalten, folgende Mitteilung gemacht:

Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Andrä Rupprechter wird durch den Bundesminister für Justiz Wolfgang Brandstetter und der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Alois Stöger durch den Bun­desminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer ver­treten.

*****

Ich gebe bekannt, dass diese Sitzung von ORF 2 bis 11 Uhr und von ORF III in voller Länge live übertragen wird.

09.06.35Fragestunde

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen zur Fragestunde.

Ich begrüße den Herrn Bundeskanzler in unserer Mitte.

Die Fragestellungen durch die Damen und Herren Abgeordneten werden von den beiden Rednerpulten im Halbrund aus vorgenommen. Die Beantwortung durch den Herrn Bundeskanzler erfolgt vom Rednerpult der Abgeordneten aus.

Für die Anfrage- und Zusatzfragesteller ist jeweils 1 Minute Redezeit vorgesehen. Die Beantwortung der Anfragen durch den Herrn Bundeskanzler soll 2 Minuten, der Zusatzfragen jeweils 1 Minute nicht überschreiten. Ich werde wenige Sekunden vor Ende der jeweiligen Redezeit auf deren Ablauf aufmerksam machen.

Bundeskanzleramt

 


Präsidentin Doris Bures: Wir kommen zur 1. Anfrage, jener des Herrn Abgeordneten Mag. Schieder. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Mag. Andreas Schieder (SPÖ): Frau Präsidentin! Schönen guten Morgen, Herr Bundeskanzler! Das Wirtschaftswachstum ist in Europa und auch in Österreich infolge der Finanz- und Wirtschaftskrise ja ein sehr niedriges, und daher


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 18

wird ja überall auch darüber nachgedacht, welche Maßnahmen man setzen kann, um das Wirtschaftswachstum wieder anzukurbeln, um zu erreichen, dass das Wirtschafts­wachstum gestärkt wird.

Ein wesentlicher Faktor in diesem Zusammenhang ist, die private Konsumnachfrage zu stärken. Das österreichische Parlament und die Bundesregierung haben ja im heurigen Jahr eine Steuerreform genau mit dem Ziel vorgelegt, auch wirtschaftspolitische Im­pulse zu setzen.

Daher lautet meine Frage an Sie, Herr Bundeskanzler:

172/M

„Mit welchen wirtschaftspolitischen Impulsen rechnet die Bundesregierung durch die Steuerreform?“

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Frau Präsidentin! Herr Klubobmann! Verehrte Abgeordnete! Das Entlastungsvolumen von mehr als 5,2 Milliarden € der von Ihnen erwähnten Steuerreform soll in einer Zeit, in der wir mehr Wachstum benötigen, die Kaufkraft ankurbeln. Das Wifo spricht davon, dass das Haushaltseinkommen bis 2019 real um 2,3 Prozent steigen wird – also doch eine deutliche Steigerung der Kaufkraft, die mehr als 6,4 Millionen Menschen betrifft.

Alleine die Prognosen der Oesterreichischen Nationalbank für das nächste Jahr signalisieren im Vergleich zum heurigen Jahr einen Anstieg von 1,9 Prozent. Das zeigt, dass da die Steuerreform und die Steuersenkung einen sehr wesentlichen Anteil haben.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Mag. Andreas Schieder (SPÖ): Sie haben, Herr Bundeskanzler, ja auch die Nationalbank erwähnt. Jetzt ist es in der politischen Diskussion oft so, dass sich die Wirtschaftspolitik Impulse erwartet. Aber meine Frage ist eben auch:

Ist es wissenschaftlich durch Wirtschaftsforscher und andere auch untermauert? Stützt sich die Arbeit genau auch auf solche Expertisen?

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Sowohl die Oesterreichische Nationalbank als auch das Wifo haben sehr genau überprüft, ob das, was wir uns gemeinsam an Ent­lastung erwarten, auch ausrechenbar und umsetzbar ist, auch betreffend Fragen der Arbeitsplätze, auch betreffend Fragen der Auswirkungen auf die Finanzen der Re­publik, und sie haben das mit ihren Zahlen und Studien untermauert.

 


Präsidentin Doris Bures: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Haubner.

 


Abgeordneter Peter Haubner (ÖVP): Guten Morgen, Herr Bundeskanzler! Jedes Unternehmen muss in Österreich mindestens 1 200 Vorschriften beachten. Das lähmt natürlich die Wirtschaft und gefährdet auch Arbeitsplätze. Internationale Studien zeigen ja, dass wir ein überbordendes Maß an Bürokratie haben und dass auch der öffentliche Sektor einiges dazu beiträgt, dass die österreichische Wirtschaft nicht wachsen kann.

In diesem Zusammenhang meine Frage:

Welche Entbürokratisierungsschritte planen Sie im Bereich der Sozialversicherung und der Arbeitsinspektorate, um mehr Wachstum und mehr Arbeitsplätze schaffen zu können?

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 19

Präsidentin Doris Bures: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen unseres Landes hängen davon ab, dass es viel Sicherheit gibt. Es ist auch europaweit eine ernst zu nehmende Diskussion, dass Sicherheit für Investoren auf der einen Seite, aber natürlich auch rechtsstaatliche Sicherheiten und Kontrollen andererseits eine Vor­aus­setzung für Stabilität sind. Dass sich in der Summe Vorschriften überlagern können, wissen Sie, nachdem die Interessenvertretungen und Interessenvereinigungen seit Jahrzehnten durch die Sozialpartnerschaft eingebunden sind. Der Herr Wirt­schafts­minister hat eine Reihe von Initiativen zur Entbürokratisierung gesetzt.

Es wird nie einen Tag oder eine Stunde geben, wo man sagt, das genügt, das reicht aus, jetzt sind wir fertig, sondern tatsächlich müssen einzelne Vorschriften, die die rechtsstaatliche Sicherheit erhöhen, die die Umsetzung von vielen notwendigen Normen ermöglichen und erst schaffen, immer wieder überprüft werden: ob sie sich überschneiden, ob sie noch gültig sind, ob sie noch in der Form notwendig sind. Daher ist dieser Prozess der Entbürokratisierung und damit Verbesserung von Kriterien unseres Wirtschaftsstandortes einer, der nie abgeschlossen sein wird.

 


Präsidentin Doris Bures: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter DDr. Fuchs.

 


Abgeordneter MMag. DDr. Hubert Fuchs (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundes­kanz­ler! Wenn jemand unternehmerisch tätig sein möchte, dann wird er das entweder in der Rechtsform eines Einzelunternehmens machen oder in der Rechtsform einer GmbH. Durch die Erhöhung der Kapitalertragssteuer ab 1. Jänner 2016 ist eine GmbH ab dem ersten Euro mit fast 46 Prozent belastet.

Warum glauben Sie immer, dass Einkünfte aus Kapitalvermögen günstiger besteuert sind als Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit?

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Prinzipiell gilt es, in unseren Steuersystemen auch europaweit dafür zu sorgen, dass Arbeit und Arbeitskosten entlastet werden. Wir wissen, dass es unterschiedliche Formen von Besteuerung von Kapital und Kapital­er­trägen gibt. Dass aber die europaweite Diskussion einer Entlastung von Arbeitseinkom­men und einer stärkeren Belastung von Kapital, Kapitalvermögen, Kapitalerträgen und vielem mehr, vermögensbezogenen Steuern, gilt, hat einen ganz einfachen Grund: weil es natürlich in vielen Bereichen ein Auseinanderklaffen gerade der Betriebe selbst gibt, zwischen jenen, die mit hohem Einsatz von Arbeitskräften arbeiten, und jenen, die mit geringerem Einsatz von Arbeitskräften arbeiten. Ich halte also diese Diskussion, die wir auch bei der Steuerreform beachtet haben, für eine, die erst am Anfang ist, die aber ihre Berechtigung hat.

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen zur 2. Anfrage, jener des Abgeordneten Amon. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Werner Amon, MBA (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Angesichts der schrecklichen Terroranschläge in Paris vom 13. No­vember dieses Jahres hat die französische Regierung gemäß Art. 42 Abs. 7 des Ver­tra­ges der Europäischen Union die Beistandspflicht ausgerufen.

Meine Frage an Sie, Herr Bundeskanzler, ist daher:

169/M

„Mit welchen Maßnahmen hat Österreich die von der französischen Regierung gemäß Art. 42 Abs. 7 EU-Vertrag ausgerufene Beistandspflicht erfüllt?“

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 20

Präsidentin Doris Bures: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Wie Sie zu Recht, Herr Abgeordneter, ansprechen, ist es eine Selbstverständlichkeit für Österreich, die Beistandspflicht wahrzunehmen. Wir haben das daher auch der französischen Regierung so angeboten. Es gibt eine Reihe von Vorschlägen, die wir gemacht haben, von der Entsendung von Cobra-Beamten bis zur Unterstützung von UNO-Missionen, in denen Frankreich tätig ist – natürlich unter Beachtung unserer Neutralität, Beachtung unserer Rechtsvorschriften. Das haben wir getan, und es ist meiner Meinung nach in enger Koordination, in einer einheitlichen Vorgangsweise mit Frankreich und mit den Ländern der Europäischen Union darüber hinaus notwendig, sich in einen internationalen Pakt gegen den Terrorismus einzuordnen. Angeboten haben wir das, weil es für uns eine Frage der Haltung ist.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Werner Amon, MBA (ÖVP): In diesem Zusammenhang, Herr Bundeskanzler: Inwieweit sehen Sie für diese Erfüllung der Beistandspflicht im Sinne des EU-Vertrags eine Notwendigkeit vorangehender Beschlüsse der Vereinten Nationen?

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Es gibt eine Reihe von Entsendungen, etwa im Bereich der Polizei von Cobra-Beamten, verstärkte Kooperationen und Unterstüt­zun­gen im Bereich der Aufklärung, die keine zusätzlichen Beschlüsse notwendig machen. Es gibt aber im internationalen Kampf gegen den Terror durchaus eine Reihe von Eingriffen und Handlungen, die ein UNO-Mandat notwendig machen, auch für Öster­reich, um einerseits eine politisch erwünschte Breite zu erreichen im Kampf gegen den Terror, andererseits um uns überhaupt das Mandat zu geben, etwa in einer Friedens­mission dann auch dementsprechend aktiv werden zu können.

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen zur 3. Anfrage, jener des Abgeordneten Mag. Darmann. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Mag. Gernot Darmann (FPÖ): Frau Präsident! Guten Morgen, Herr Bundeskanzler! Guten Morgen, geschätzte Damen und Herren! Der parlamentarische Untersuchungsausschuss in der Causa Hypo hat insbesondere in den letzten Wochen erschütternderweise feststellen müssen, und zwar aufgrund der Aktenlage und aufgrund der Befragungen der Auskunftspersonen, dass die Republik Österreich im gesamten Jahr vor der Verstaatlichung bis hin zur Verstaatlichung trotz Recht auf Buchprüfung darauf verzichtet hat, in die Bücher der Hypo-Bank Einsicht zu nehmen, um sich ein Zahlenfundament für die Verhandlungen zu erarbeiten und zu schaffen.

Herr Bundeskanzler, daher meine Frage:

178/M

„Welche Rolle spielten Sie bei der Hypo-Verstaatlichung, zumal Nationalbank-Gou­verneur Nowotny im Untersuchungsausschuss ausgesagt hat, sich mit Ihnen unmit­telbar vor der Verstaatlichung beraten zu haben?“

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Das stimmt, ich habe das auch immer öffentlich klargestellt, dass sowohl die Oesterreichische Nationalbank als auch die EZB als auch die Aufsichtsorgane des Finanzministeriums mich unmittelbar in diesen Tagen informiert haben, welche Argumente es für die eine und für die andere Vorgangsweise


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 21

gibt. Das hat Herr Gouverneur Nowotny sehr ausführlich, sowohl öffentlich, als dann auch öffentlich im Untersuchungsausschuss, klargestellt.

Es ist für mich klar, dass es ohne die Haftungen Kärntens, die eine wesentliche Rolle in der Diskussion gespielt haben – das muss man noch einmal unterstreichen –, wahr­scheinlich auch für die Oesterreichische Nationalbank und für das Finanzminis­terium eine andere Ausgangslage der Diskussion gegeben hätte.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Mag. Gernot Darmann (FPÖ): Herr Bundeskanzler, Sie wissen, dass sowohl bei der Verstaatlichung der Kommunalkredit als auch bei der Teilverstaat­lichung der Volksbank Haftungen niemals eine Rolle gespielt haben, und trotzdem ist dort eine Verstaatlichung durchgeführt worden. Auch die sogenannte Systemrelevanz bei der Hypo Alpe-Adria-Bank hat klar zutage gebracht, dass die Haftungen des Lan­des Kärnten eine Nebensächlichkeit waren und es vielmehr darum gegangen ist, den Balkan, das europäische Bankensystem, ja Ihre Bankenrettungspolitik in den Vorder­grund zu stellen und diese entsprechend darzulegen. (Zwischenruf des Abg. Krainer.)

Herr Bundeskanzler, Fakt ist, dass die österreichische Bundesregierung sehenden Auges auf eine detaillierte Risikoprüfung in der Causa Hypo verzichtet hat, noch bevor sie – und das ist ja das Schlimme – dem Steuerzahler diese Bank umgehängt hat.

Daher meine Zusatzfrage: Wollen Sie wirklich weiterhin behaupten, dass es vernünftig war, eine Bank vom Freistaat Bayern zurückzukaufen, ohne vorweg das Zahlenfun­dament für diesen Kauf erarbeitet zu haben?

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Zu den Fragen der Prüfungen haben sich die Vertreter der Nationalbank, aber natürlich auch des Finanzministeriums bereits öffent­lich und in vielen Stellungnahmen geäußert. Dass man bei rund 18 Milliarden € Haf­tung eines Bundeslandes von einer „Nebensächlichkeit“ sprechen könnte, diese Meinung teile ich überhaupt nicht. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

 


Präsidentin Doris Bures: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Mag. Kogler.

 


Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Bundeskanzler, haben Sie vor dem Hintergrund der Argumente, dass, erstens, die 18 Milliarden € in Kärnten niemals zu holen gewesen wären, zweitens, der Bund für das Land Kärnten nach der Verfassung gar nicht haftet, drittens, insbesondere die Bayern selber 6 bis 8 Milliarden € – Zitat Griss-Bericht – zu verlieren hatten, ernsthaft angenommen, dass die Bayern selber riskieren, aus ihrem Budget in ihrer Bank 8 Milliarden € zu verlieren, nur weil wir zwar auf dem Papier 18 Milliarden € Haftungen für Kärnten haben, diese aber maximal eine knappe Milliarde Euro wert sind?

Wer hat Ihnen das eingeredet? (Rufe bei der FPÖ: Herr Professor Krainer! Krainer!)

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Die Nationalbank, die Europäische Zentralbank, aber auch das Finanzministerium haben ihre Risikoeinschätzungen dargelegt, auch die Konsequenzen, auch die Szenarien im Falle einer schlagend werdenden Haftung durch das Land Kärnten und welche weiteren Schritte und Vorgangsweisen es auslöst, wenn das Land Kärnten das nicht aus eigenen Mitteln bedecken kann. Daher gehe ich auch heute davon aus, dass diese Szenarien, die in der damaligen Situation von den Institutionen der Republik dargestellt wurden, sachlich korrekt sind.

 


Präsidentin Doris Bures: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Krainer.

 



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Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Guten Morgen, Herr Bundeskanzler! Ich verstehe nicht, wieso manche Kollegen, die mit mir seit mehr als einem halben Jahr im Untersuchungsausschuss sind, dort so wenig dazulernen. (Ruf bei der FPÖ: War das jetzt die Frage?) Man hat ja dort gelernt, dass das Risiko der Bayern bei der Notver­staatlichung zirka 5,5 Milliarden € war und das Risiko von Österreich deutlich über 20 Milliarden € (Abg. Kogler: Falscher Vorhalt!); der weitaus größte Teil davon waren die Haftungen.

Daher meine Frage: Welche Rolle haben denn die Landeshaftungen bei Ihrem Ge­spräch mit Gouverneur Nowotny beziehungsweise bei der nachfolgenden Notverstaat­lichung gespielt? (Abg. Darmann: Überraschende Frage aus der SPÖ!)

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Die Frage der Haftungen, die untrennbar mit der Hypo und der Geschichte der Hypo verbunden ist, beschäftigt uns ja bis heute. Das heißt, wenn man diese mit irgendeinem Federstrich wegstreichen oder mit irgendeinem Schwamm auslöschen könnte, hätte man das sicher über viele Jahre hinweg getan. Auch in der heutigen Situation beschäftigt uns diese Haftung, sonst wären ja all die Konstruktionen, die es seither gegeben hat, nicht notwendig. Sie sind deshalb notwendig geworden, weil es diese Haftung gibt; gäbe es sie nicht, hätten wir der Republik und damit den Steuerzahlern viel erspart. (Abg. Darmann: … Un­ter­suchungsausschuss …!)

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen zur 4. Anfrage, jener des Abgeordneten Dr. Walser. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Dr. Harald Walser (Grüne): Herr Bundeskanzler! Nach der Diskussion über die Altlasten und die Vergangenheit eine Frage zur Zukunft Österreichs: Am 17. November wurde das Bildungsreformpaket präsentiert. Es ist bei vielen Fachleuten nicht auf große Begeisterung gestoßen; es hat unterschiedliche Interpretationen gege­ben, was denn da wirklich von der Regierung gewollt wird.

Meine Frage an Sie lautet:

175/M

„Halten Sie Modellregionen zur Gemeinsamen Schule für sinnvoll, wenn gleichzeitig mit einer sogenannten ‚15-Prozent-Regelung‘ für jedes Bundesland versucht wird, eine echte Gemeinsame Schule schon im Ansatz zu verhindern?“

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Sehr verehrter Herr Abgeordneter, Sie wissen, dass ich ein Anhänger der Idee der Gemeinsamen Schule bin, weil ich sie auch lang­fristig aus vielen gesellschaftspolitischen Überlegungen heraus für die Zukunft unseres Landes für richtig halte. Diese Diskussion war ja eine sehr lange und sehr ausführliche, und die Vorschläge, die ja ohnehin hier im Parlament ausführlich zu beraten sein werden – immerhin braucht man ja Zweidrittelmehrheiten, und das alleine verlangt schon eine besonders breite Basis der Beratungen –, sind unter Einbeziehung der Bundesländer zustande gekommen.

Das heißt, es waren auch die Bundesländervertreter – auch jene, die sich besonders für eine Gemeinsame Schule einsetzen – der Meinung, dass dieses Ergebnis, das Sie ja kennen, durchaus dazu geeignet ist, so etwas wie einen Startschuss für diese Gemeinsame Schule zu erreichen. Es wird aber sicher ausreichend Gelegenheit sein,


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hier im Hohen Haus genau diese Vorlage und genau diese Basis ausführlich zu beraten.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Walser.

 


Abgeordneter Dr. Harald Walser (Grüne): Herr Bundeskanzler, ich kann Sie in einem Punkt beruhigen: Für eine Zweidrittelmehrheit für echte Reformen stehen die Grünen sehr gerne zur Verfügung, wenn es wirklich in Richtung einer modernen Schule geht.

Nun gibt es in meinem Heimatbundesland Vorarlberg bereits entsprechende Vorar­beiten. Es ist ein ganzes Bundesland dafür, alle im Vorarlberger Landtag vertretenen Parteien haben sich klar dafür ausgesprochen, dass das ganze Bundesland in eine Modellregion umgewandelt wird.

Werden Sie das unterstützen, dass ein ganzes Bundesland in eine Modellregion umgewandelt werden kann?

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Ich werde auch in Zukunft den Weg der Gemein­samen Schule immer politisch unterstützen, auch der ganztägigen, auch Modelle des verschränkten Unterrichts, weil ich es gesellschaftspolitisch hinsichtlich der Verbes­serung der Qualität der Bildung, der Chancengleichheit, der Fairness und des Kampfes gegen Segregation für den richtigen Weg, für absolut richtig halte.

Ich muss nur eines erwähnen: Es freut mich sehr, dass es Bundesländer gibt, die so einheitliche Meinungen vertreten; aber auch der Landeshauptmann von Vorarlberg war bei diesen Gesprächen dabei, und diese haben – in Absprache mit allen anderen Landeshauptleuten gemeinsam – dazu geführt, dass dieses Ergebnis zustande gekom­men ist. Da richten Sie die Frage wahrscheinlich besser direkt an ihn, denn das wurde mit den Landeshauptleuten gemeinsam erarbeitet. Das war also nicht eine berühmte Arbeitsgruppe, in der sich Vertreter des Bundes darüber einig sind, dass alles mög­lichst zentral sein soll, sondern das erfolgte unter Einbeziehung jener im Föderalismus, die nicht diese stark zentralistische Meinung vertreten, wie sie wahrscheinlich auch hier im Parlament eine gewisse Unterstützung hätte.

 


Präsidentin Doris Bures: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Klubobmann Dr. Strolz.

 


Abgeordneter Mag. Dr. Matthias Strolz (NEOS): Herr Bundeskanzler! Ich halte diese 15-Prozent-Regelung für problematisch. Ich teile mit der Sozialdemokratie das Anliegen, dass wir die Neuneinhalbjährigen nicht in zwei Gruppen sortieren sollten; das verbiegt Lebensläufe, das führt zu keiner Chancengerechtigkeit. Gleichermaßen halte ich diese ideologische Diskussion – Gesamtschule: ja, nein? –, die wir in diesem Land seit hundert Jahren führen, auch nicht für zielführend. Ich bin für eine Gemeinsame Schule im Sinne von gemeinsamen Zielen, einer mittleren Reife, und vielfältigen Wegen dorthin – dann führt das nicht mehr zu einer dichotomen Methode, zu einer Zweiteilung.

Meine Frage dahin gehend lautet: Wie stehen Sie zu dem Vorschlag, finanziell, per­sonell und pädagogisch autonome Pionierschulen inklusive mittlerer Reife als gemein­sames Ziel im öffentlichen Schulwesen zu ermöglichen und damit mehr Freiheit und Verantwortung für alle Betroffenen zu ermöglichen.

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Auch diese Vorlage berücksichtigt eine Reihe von Vorschlägen, die zu mehr Autonomie und damit Entscheidungsmöglichkeiten am Schul­standort führen – ich halte das für völlig richtig. Für mich ist auch die Frage, ob etwas Gesamtschule oder Gemeinsame Schule heißt, nicht die entscheidende. Es


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kann bei einem Weg, den man gehen will, auch über Modellregionen länger dauern, bis man zum gemeinsamen Ziel kommt – wie Sie gesagt haben: eine vielfältigere Vorgangsweise. Mir wäre nur wichtig, dass es zum Schluss eine Schule ist, die österreichweit eine gewisse Einheitlichkeit aufweist: an Gemeinsamkeit, an Förderung innerhalb der Schule, an Stärkung der Schulautonomie, aber auch an Ganztägigkeit.

Ich sehe die Erreichung der Bildungsziele sehr stark verbunden nicht nur mit der Frage der Gemeinsamkeit und der Schulautonomie, sondern auch damit, die Schüler nicht in zwei Gruppen zu trennen: jene, deren Eltern es sich leisten können, Nachhilfelehrer zu bezahlen, und jene, die das nicht haben. Das ausreichende Angebot an ganztägigen Schulen mit verschränktem Unterricht hat eine besonders große Bedeutung, neben der von Ihnen angesprochenen Schulautonomie.

 


Präsidentin Doris Bures: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Mag. Gross­mann.

 


Abgeordnete Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ): Herr Bundeskanzler! Gestatten Sie mir, dass ich zunächst die Maturaklasse 8B des BRG Waidhofen an der Ybbs mit Mag. Reinhold Hinterplattner ganz herzlich hier im Hohen Haus begrüße und ihr alles Gute für die bevorstehende Matura wünsche! (Allgemeiner Beifall.)

Herr Bundeskanzler, meine Frage: Welche Erwartungen verknüpfen Sie generell mit der Einführung von Modellregionen?

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Ich sehe den Vorteil bei Modellregionen darin, das gute Beispiel zu setzen, das bei genauer Beobachtung und Evaluierung zeigen wird, dass eine Schule, die so aufgebaut ist, Kinder nicht in einem sehr frühen Alter zu trennen, in der Lage ist, mehr zu leisten, und sowohl im Bereich von Kreativitäts­förderung und Leistungsförderung als auch in gesellschaftspolitischer Hinsicht zeigen wird, dass darauf Rücksicht genommen wird, was bei Kindern an Unterschieden, an Voraussetzungen existiert.

Gerade soziale Nachteile, Benachteiligungen auszugleichen und auf der anderen Seite spezielle Fähigkeiten zu fördern, die weit über die Wissensvermittlung hinausgehen – eine Fähigkeitsförderung –, scheint mir, wenn es Modellregionen gibt, die das vorzeigen, das beste Beispiel zu sein, wie man sich in der Politik durchsetzen kann. Wie wir wissen, hat in diesem Haus ja nicht eine Partei die Mehrheit (Ruf bei der FPÖ: Auch zwei nicht!), die ausreichende absolute Mehrheit, um das durchzusetzen, wovon sie überzeugt ist, sondern es geht um gute Beispiele – und auch die Modellregionen sollen auf dem Weg dorthin überzeugend sein.

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen zur 5. Anfrage, jener des Abgeordneten Mag. Vavrik. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Mag. Christoph Vavrik (NEOS): Guten Morgen, Herr Bundeskanzler! Herr Bundeskanzler, die Kommission hat am 24. November die sogenannte Flücht­lingsfazilität für die Türkei beschlossen. Ziel ist – ich zitiere –, „die Steigerung der Wirksamkeit und Komplementarität der Unterstützung für die Flüchtlinge und Aufnah­me­gemeinschaften in der Türkei“. Zu diesem Zweck werden der Türkei über den Zeitraum 2016/17 3 Milliarden € zur Verfügung gestellt, von denen 2,5 Milliarden von den Mitgliedstaaten einbezahlt werden müssen.

Die Staats- und Regierungschefs, also auch Sie, Herr Bundeskanzler, haben einige Tage später im Schlusskommuniqué ihrer Beratungen mit der Türkei diese Flücht­lingsfazilität noch einmal befürwortet und bestätigt. Artikel 9 des Beschlusses sieht vor, dass die Mitgliedstaaten der EU spätestens bis 21. Dezember – das ist in weniger als


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zwei Wochen – der Kommission den Zeitplan für die Einzahlung dieser 2,5 Milliarden € mitteilen.

Meine Frage an Sie, Herr Bundeskanzler, lautet daher:

177/M

„Wie hoch wird der Beitrag Österreichs zur sogenannten ‚Flüchtlingsfazilität für die Türkei‘ sein, und wann wird dieser Beitrag ausbezahlt werden?“

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Werter Abgeordneter, wenn es so wäre, dass 2,5 Milliarden € aus bilateralen Beiträgen zu leisten sind, dann wäre laut Europäischer Kommission der Anteil Österreichs 57 Millionen €. Das entspricht dem Anteil, der üblicherweise auf Österreich entfällt, und das wären bei dieser Durchrechnung eben 57 Millionen €, wenn man den üblichen Schlüssel annimmt. So weit sind wir aber nicht.

Wir sind in einer Phase, die gerade aktuell auch von den Finanzministern diskutiert wurde: ob es nicht möglich ist, einen höheren Anteil als diese 500 Millionen € aus dem gemeinsamen europäischen Budget – sei es aus nicht verbrauchten Mitteln oder durch andere Möglichkeiten, durch Umschichtung – zustande zu bringen. Je höher dieser gemeinsame Einsatz von Mitteln ist, umso geringer ist dann der Anteil von bilateralen Beiträgen. Es wäre jetzt nicht seriös, Ihnen zu sagen, es sind 57 Millionen €, weil es noch nicht so weit ist.

Gerade gestern hat auf Sherpa- und Expertenebene wieder eine Besprechung statt­gefunden, wie weit die Europäische Union ihren Anteil – in der Diskussion hat man mit 500 Millionen €, wie Sie gesagt haben, begonnen; über zwei Jahre je 250 Millionen € – erhöhen kann, damit der Beitrag, der bilateral zu erfolgen hat, weniger wird. Erst dann wird der genaue Prozentsatz für die jeweiligen Länder noch einmal ermittelt, und dann kann ich Ihnen die Frage auch konkret beantworten.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Vavrik.

 


Abgeordneter Mag. Christoph Vavrik (NEOS): Also ich entnehme Ihrer Antwort, dass der höchstmögliche Beitrag Österreichs ungefähr 57 Millionen € sein werden – womöglich weniger, wenn diese halbe Milliarde Euro aufgestockt wird. Der Beschluss wurde zeitgleich mit der Beschlussfassung des Budgets 2016 hier in diesem Haus gefasst.

Meine Zusatzfrage an Sie, Herr Bundesminister, lautet – egal, wie hoch genau der Beitrag sein wird –: Wie erfolgt die budgetäre Bedeckung und Abwicklung dieser Zah­lungen?

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Es gibt im Rahmen des Budgets eine Reihe von Annahmen, die zum Zeitpunkt der Budgeterstellung deshalb nicht logisch und ein­rechen­bar sind, weil sie noch nicht feststehen. Theoretisch könnte sich der Verteilungs­schlüssel im Vergleich zu dem von mir ausgerechneten üblichen Verteilungsschlüssel verändern. Theoretisch könnte der Anteil für bilaterale Beiträge insgesamt sinken. Auf der anderen Seite gibt es bei den Einnahmen aber auch berechenbare Faktoren oder unberechenbare Faktoren, die mehr werden.

Das ist tatsächlich vom Finanzminister aus dem Budget zu bedecken – vorher nicht genau festlegbar, weil es noch nicht feststeht. In der Regel steht das Spielräumen im Budget gegenüber, die dazu geführt haben, dass in den letzten Jahren der Budget­vollzug trotz unvorhersehbarer, noch nicht konkret kalkulierbarer Ausgaben so war,


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dass das Parlament, wie ich glaube, mit der Einhaltung des Budgets zufrieden sein konnte – vielleicht nicht mit den Eckpunkten, aber mit der Einhaltung. Und ich gehe davon aus, dass wir bei diesen Beiträgen auch so vorgehen werden. (Abg. Vavrik: Danke!)

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen zur 6. Anfrage, jener des Herrn Klubobmann Lugar. – Bitte.

 


Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Herr Kanzler! Die Türkei steht im Verdacht, den IS unterstützt zu haben, um eigene politische Ziele zu erreichen. Auch was die Flüchtlingswelle Richtung Griechenland betrifft, hat die Türkei jahrelang zugesehen und nichts unternommen, um illegale Schlepper aufzuhalten. Jetzt gibt es von Ihrer Seite ein Abkommen mit der Türkei, wonach laut Timmermans auch eine Umsiedlung von bis zu einer halben Million Menschen geplant ist; das heißt, dass die Türkei eine halbe Million Flüchtlinge auswählt, die dann in Europa verteilt werden.

Meine konkrete Frage lautet daher:

180/M

„Welche Absprachen gibt es mit der Türkei bezüglich der Eindämmung des Flücht­lingsstroms?“

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Da ich den Vizepräsidenten der Europäischen Kommission Frans Timmermans sehr gut kenne und er nicht die Gelegenheit hat, hier selbst zu sagen, wofür er ist, muss ich ihn vor Ihnen ein bisschen in Schutz nehmen: Er hat nie davon gesprochen, dass 500 000 Menschen auf Europa verteilt werden; das entspricht Ihrer Art, sich Fakten auszudenken. Er hat das nie getan, im Gegenteil, er führt die Verhandlungen hinsichtlich Vorbereitungen mit der Türkei.

Wir sind in einem Stadium, in dem wir uns darüber klar werden müssen, ob wir bereit sind, unseren Anteil zu leisten, dass jene 2,5 Millionen Flüchtlinge, die es in der Türkei gibt – die Türkei hat etwa die Einwohnerzahl von Deutschland –, die täglich mehr werden, indem von Syrien Menschen in die Türkei kommen, in der Türkei menschen­würdig untergebracht werden können. Es ist so, dass die Türkei das von sich aus zu einem Teil sehr gut macht, wie der Präsident des Parlaments hier bestätigt hat – aber eben nur für einen Teil. Ein Großteil der Flüchtlinge in der Türkei ist nicht in Flücht­lingslagern, Camps untergebracht, hat daher nicht ausreichend Unterkünfte, Schulen et cetera zur Verfügung, und mit diesen finanziellen Mitteln und diesen Vereinbarungen soll die Situation der Flüchtlinge vor Ort, in der Türkei verbessert werden.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Lugar.

 


Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Herr Timmermans hat aber aus­drücklich gesagt, dass Teil der Vereinbarung eine sogenannte Umsiedlung ist. Er hat, da haben Sie recht, die halbe Million in Abrede gestellt – davon hat er selbst aus Medien erfahren –, aber Sie versuchen, uns hier einzureden, Sie wüssten nichts von einer Umsiedlung.

Meine konkrete Frage an Sie, Herr Bundeskanzler, ist deshalb: Wie viel ist geplant, was ist Teil dieses Abkommens? Sie können uns nicht erzählen, dass Sie nicht wissen, was die Gegenleistung dafür sein wird, wenn Sie 3 Milliarden € geben. Wie viele Menschen sollen konkret umgesiedelt werden?

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundeskanzler, bitte.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 27

Bundeskanzler Werner Faymann: Sie haben ja schon in Ihrer ersten Frage bewie­sen, dass Sie gerne etwas vermischen; von den 500 000 – das hat sich jetzt heraus­gestellt – hat Timmermans nicht gesprochen.

Die zweite Sache, die sich herausstellen wird, ist, dass die 3 Milliarden € über einen Fonds über viele Monate, vielleicht auch mehrere Jahre zu investieren sind. Zur Ver­bes­serung der Flüchtlingssituation in der Türkei wird immer dann etwas freigegeben, wenn man sich einig ist, dass diese infrastrukturelle Maßnahme vor Ort richtig ist. Da kann man also nicht irgendetwas einreichen, sondern da muss man etwas einreichen, was der Infrastruktur für Flüchtlinge in der Türkei zugutekommt – für solche Maß­nahmen muss die Europäische Union das Geld in diesem gemeinsamen Fonds auch freigeben. Es handelt sich also nicht um andere Themen, die da direkt von diesen Beiträgen erfasst sind. – Das ist das eine Kapitel.

Das zweite Kapitel ist die Grenzsicherung: Wir haben großes Interesse daran, dass 14 000 Kilometer Küste gemeinsam kontrolliert werden, auch die Schlepper gemein­sam bekämpft werden. (Präsidentin Bures gibt das Glockenzeichen.)

Der dritte Teil ist die Frage betreffend UNHCR – aber nicht nur hinsichtlich der Türkei, sondern auch anderer Länder –: ob es uns gelingen kann, vor Ort legale Einreise­möglichkeiten zu schaffen; das ist das, was Sie Umsiedlungen nennen. Diese Diskus­sion ist voll im Gange und setzt ein Funktionieren der Grenzkontrollen, funktionierende und bessere Bedingungen für Flüchtlinge vor Ort voraus, um sich mit dem, was Sie Umsiedlung nennen oder was man auch legale Einreise nennen könnte, überhaupt näher zu beschäftigen. (Abg. Bösch: Es wird umgekehrt sein! – Abg. Lugar: Wie viele?)

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen zur 7. Anfrage, jener des Herrn Abgeordneten Pendl. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Otto Pendl (SPÖ): Herr Bundeskanzler! Eine der wichtigen Fragen ist derzeit – leider, muss man sagen – die internationale Flüchtlingssituation, und das beschäftigt uns natürlich auch national. Daher meine Frage:

173/M

„Welche Schritte hat die Bundesregierung national wie international gesetzt, um in der Flüchtlingsfrage zu einer gesamthaft besseren Situation in Europa zu kommen?“

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Ich bin davon überzeugt, dass es direkt an die Wurzel des Problems geht, wenn wir vor Ort tätig werden, sei es politisch durch die internationale Gemeinschaft in Syrien oder im Kampf gegen Terrorismus wie im Kampf gegen den IS.

Ich bin zweitens davon überzeugt, dass jene Flüchtlinge – und das scheint mir doch der weit überwiegende Teil zu sein –, die in dieser Region leben möchten, dort auch bleiben werden, wenn sie besser behandelt werden, weil wir mithelfen – über UNHCR, über verschiedene Programme, auch stärker als in der Vergangenheit, auch Österreich stärker als in der Vergangenheit –, dass sich die Bedingungen in diesen Regionen verbessern. Wir werden damit zwar noch nicht den Krieg in Syrien beseitigen – das sind zwei Kapitel, die beide zu lösen notwendig ist –, aber für die Zeit, die die Men­schen in dieser Region verbringen und darauf warten, ob sie in ihr Land zurückkönnen, ob sie in ihre Heimat zurückkehren können, sind die zur Unterstützung bereitgestellten Mittel gut angelegte Mittel, im menschlichen und im finanziellen Sinn.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 28

Dafür sind verschiedenste Vereinbarungen zwischen der Europäischen Union und mehreren betroffenen Ländern, die eine besonders hohe Anzahl an Flüchtlingen ha­ben, notwendig. Dafür sind Vereinbarungen notwendig dort, wo es sich um Außengren­zen der Europäischen Union handelt, hinsichtlich der bereits genannten Grenzsiche­rung. Es sind aber auch viele gemeinsame politische Aktivitäten notwendig, die dazu führen, eine Reduktion der Anzahl der Flüchtlinge zu erreichen. Diese wird nicht erreicht werden, indem man die Augen schließt und hofft, dass es weniger werden, oder sich skurrile Maßnahmen ausdenkt, sondern eine Reduktion wird nur durch tatsächliche Qualitätsverbesserung an der Wurzel erzielt werden können.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Otto Pendl (SPÖ): Welche Maßnahmen, Herr Bundeskanzler, wird die Bundesregierung setzen, um jene, die einen positiven Asylbescheid bei uns in Öster­reich bekommen, möglichst rasch und effizient in Österreich, in der österreichischen Gesellschaft zu integrieren?

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Wir haben sowohl im Bereich der Schule als auch bereits vorgelagert bei den Kinderbetreuungseinrichtungen natürlich einen erhöhten Bedarf, Kinder, Jugendliche, die zu uns kommen, die – wie Sie, Herr Abgeordneter, zu Recht gesagt haben – einen positiven Bescheid haben, auch möglichst früh bei uns zu integrieren; am besten schon in der Zeit während der Prüfung der Anträge; durch Deutschkurse auf der einen Seite, aber auch durch Übermittlung unserer Wertehaltung als Gesellschaft. Je früher wir in der Lage sind, Integrationsmaßnahmen in der Bildung, in der Ausbildung, im Bereich der Beschäftigung, aber auch des Wohnens umzu­setzen, umso besser ist die Voraussetzung für die Integration, um das zu verhindern, was wir alle nicht wollen, nämlich Segregation und Ghettoisierung.

Erst dann Maßnahmen zu setzen, wenn es schon zu einer Ghettoisierung gekommen ist, ist ungleich schwieriger. Und das ist auch gesellschaftspolitisch mit deutlich mehr negativen Auswirkungen begleitet, sowohl für die Betroffenen als auch für das ganze Land. Daher sind Integrationsmaßnahmen wie kurzfristig bereitgestellte zusätzliche Mittel für den Arbeitsmarkt, die wir mit 70 Millionen bedacht haben, ein Integrations­sondertopf, der schwerpunktmäßig für die Sprachförderung eingesetzt werden soll, sowie ein Spielraum für Länder und Gemeinden, die ja besonders betroffen sind, im Ausmaß von 345 Millionen €, die wir aus den Defizit- beziehungsweise Schulden­regelungen ausgenommen haben, Maßnahmen, die wir jetzt ergreifen müssen, weil dafür am Anfang der Integration genau der richtige Zeitpunkt ist.

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen zur 8. Anfrage, jener des Herrn Abgeordneten Mag. Gerstl. – Bitte.

 


Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Guten Morgen, Herr Bundeskanzler! Die Bundesregierung hat am 23. Juni einen Reformdialog zur Verwaltungsvereinfachung abgehalten und dabei 24 Maßnahmen vorgestellt. Sie haben dabei – wenn ich Sie persönlich zitieren darf – davon gesprochen, dass viele Tausende kleine Maßnahmen wichtiger seien als eine große Maßnahme, oder, anders gesagt, dass vielleicht eine große Reform in der Verwaltung immer nur durch viele kleine Maßnahmen geschehen kann.

Seit diesem Zeitpunkt ist ungefähr ein halbes Jahr vergangen. Daher möchte ich Sie Folgendes fragen, Herr Bundeskanzler: Wie sehen die weiteren Umsetzungsschritte


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aus? Was ist in der Zwischenzeit geschehen? Worauf können wir uns in Zukunft vorbereiten?

*****

Die schriftlich eingereichte Anfrage, 170/M, hat folgenden Wortlaut:

„Wie sehen die weiteren Umsetzungsschritte für die im Reformdialog Verwal­tungs­vereinfachung präsentierten Maßnahmen der Verwaltungsvereinfachung und Entbüro­kratisierung aus?“

*****

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Herr Abgeordneter, die automatische Arbeitneh­merver­anlagung, die antragslose Familienbeihilfe, das einheitliche Gewerbeinfor­ma­tions­system, die Entbürokratisierungsschritte im Bereich der Gewerbeordnung durch Genehmigungsfreistellungen, die Reduktion von Arbeitszeitaufzeichnungen sowie auch gewisse Entlastungen im Bereich des Arbeitsschutzrechtes sind von uns als Entbüro­kratisierungsmaßnahmen ja gemeinsam beschlossen worden, von den verantwort­lichen Ministern vorgelegt und dann auch durchgeführt worden.

Das ist natürlich überhaupt nicht das Ende dieser Initiative, sondern es sind – wie Sie auch gesagt haben – Hunderte Schritte in jedem Bereich der öffentlichen Verwaltung vonnöten, um zu einer Entbürokratisierung, einer Vereinfachung von Arbeitsschritten im Interesse der Bürgerinnen und Bürger, aber auch der Unternehmerinnen und Un­ter­nehmer dieses Landes zu kommen, wobei darauf zu achten ist, dass wir die Erlangung von sinnvollen Vorschriften, die der Sicherheit und vielen anderen Inter­essen der Repu­blik dienen, in Einklang bringen mit dem, was einem Unternehmen beziehungsweise einem Bürger nicht nur zumutbar, sondern für diese auch wün­schenswert ist.

Das ist tatsächlich eine Aufgabe, die nie endet, die täglich notwendig ist, und ich habe mit diesen paar Beispielen jene aufzeigen wollen, die wir auch gemeinsam auf den Weg gebracht haben.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Herr Bundeskanzler, Sie haben die wichtigen Maßnahmen, die wir hier im letzten halben Jahr beschlossen haben, sehr gut und kurz skizziert. Daneben gab es auch noch die Aufgabenreform- und Deregu­lierungskommission unter der Leitung des Präsidenten Thienel, der selbst in einem 300-seitigen Bericht, ich glaube, fast 250 Vorschläge dazu gebracht hat; also viele dieser angesprochenen kleinen Maßnahmen. Im September sprach er davon, dass schon rund 20 Prozent davon in der Umsetzungspipeline sind.

Können Sie uns sagen, wie der weitere Stand der Umsetzung dieser vielen kleinen Maßnahmen ist? Können Sie uns dazu auch ein paar Beispiele nennen?

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Vor allem kann ich Ihnen die Vorgangsweise sagen. Ich bin sehr dankbar für diese Arbeit, die wir, die Bundesregierung, auch ein­geleitet und dankbar entgegengenommen haben. Die Ministerien wurden sehr genau informiert, für welche Bereiche diese Vorschläge existieren. Wir versuchen auch über zentrale Koordinierungen, gemeinsam zu überprüfen, ob Vorschläge umgesetzt werden, um das zu begleiten.

Ich glaube, dass, wenn man sowohl den Rechnungshof als auch Kommissionen beauftragt, dazu Vorschläge zu machen, es in der Ministerverantwortlichkeit liegt,


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möglichst viel davon umzusetzen. Man muss aber manchmal auch zur Kenntnis nehmen, dass nicht alle Ziele zugleich erreicht werden können. Man muss auch manchmal sagen, dass der eine oder andere Vorschlag in der vorgesehenen Form nicht umsetzbar ist. Aber ich bin vollkommen Ihrer Meinung: Das ist eine wichtige Arbeit!

Und das ist eine Arbeit, die begleitet werden muss und über die wir durchaus in angemessener Zeit auch einen Bericht legen sollten, nämlich darüber, was sich aus diesen Vorschlägen heraus entwickelt hat.

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen zur 9. Anfrage, jener des Herrn Abgeordneten Dr. Rosenkranz. – Bitte.

 


Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ): Guten Morgen, Herr Bundeskanzler! Wir haben nach dem 13. November noch einige Bilder vor uns aus Paris, aus Brüssel, die alle unter dem Titel „Ausnahmezustand“ gelaufen sind: gepanzerte Wagen, gesperrter öffentlicher Verkehr, Schulen geschlossen, Einkaufsstraßen, Geschäfte geschlossen.

Jetzt ist in dieser Debatte auch von der Innenministerin, also einem Mitglied Ihrer Regierung, aufgezeigt worden, dass in Österreich gesetzliche Regelungen für einen derartigen Ausnahmezustand fehlen, die sogenannte 7er-Lage. Das heißt, Ministerien plus Bundeskanzler seien für solche Fälle nicht oder nicht ausreichend mit Kom­petenzen ausgestattet.

Daher meine Frage:

179/M

„Welche gesetzlichen Maßnahmen und Eingriffe in die Grund- und Freiheitsrechte wird die von der Bundesregierung geplante Regierungsvorlage zur Umsetzung der Möglichkeit der Einführung eines Ausnahmezustandes beinhalten?“

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Werter Herr Abgeordneter, Sie wissen, dass dafür ja nicht nur eine Zweidrittelmehrheit im Parlament notwendig ist, sondern auch – wie Sie es selbst angesprochen haben – eine Regierungsvorlage. Um eine Regierungs­vorlage überhaupt bearbeiten zu können, muss sie vorliegen. – Sie liegt nicht vor! Es gibt keinerlei konkrete Pläne darüber, die in der Regierung beraten wurden. Es ist eine Idee in einer Diskussion – Ideen darf man äußern –, aber eine diesbezügliche Regie­rungsvorlage gibt es nicht, und es ist daher von mir aktuell auch keine in Arbeit und daher auch von mir nicht zu kommentieren. Eine solche würde natürlich eine ausführ­liche Diskussion hier im Hohen Haus und eine Zweidrittelmehrheit erforderlich machen.

Es gibt andere Möglichkeiten, die wir zur Stärkung der sogenannten 7er-Lage, die Sie angesprochen haben, geschaffen haben. Zu erwähnen ist hier das von Ihnen im Hohen Haus ermöglichte Durchgriffsrecht, das zwar ein Problem natürlich auch nicht völlig ungeschehen machen kann, nämlich das Fehlen von ausreichend Quartieren, wodurch es aber doch möglich war, zusätzliche Plätze für die Unterbringung zur Verfügung zu stellen. Die sogenannte 7er-Lage und dementsprechend das zuständige Innenminis­terium können Maßnahmen setzen, um in die Situation der Unterbringung dort, wo die Länder ihre Verpflichtung nicht einhalten, im Sinne des von Ihnen mehrheitlich fest­gelegten Schlüssels einzugreifen.

Diese zentrale verfassungsrechtliche Möglichkeit haben Sie geschaffen; eine andere liegt nicht auf meinem Schreibtisch.

 



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Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ): Ich habe jetzt einen aktuellen Fall, der heute durch die Medien geistert, und zwar: dass das Grundrecht auf Eigentum es verhindert, dass Österreich seine Grenzen mit einem Zaun sichert, weil ein Grund­eigen­tümer an der steirischen Grenze gesagt hat: Nein, auf meinen Grund kommt kein Zaun! Vielleicht bedeutet das ja auch, dass aufgrund von Streifen oder Polizeikon­trollen auf diesem Grundstück die Republik Österreich mit Besitzstörungsklagen oder Ähnlichem zu rechnen haben wird.

Wir wird das in einem konkreten Fall aussehen? – Sie haben bereits ein Durch­griffsrecht erwähnt; das wäre unter Umständen ein derartiges. Wie schätzen Sie angesichts der Tatsache, dass Österreich aufgrund des Grundrechts auf Eigentum nicht einmal seine Grenze mit einem Zaun schützen kann, die Notwendigkeit einer derartigen gesetzlichen Regelung – mit Zweidrittelmehrheit beschlossen, selbstver­ständlich –, um eben in einem Ausnahmezustand entsprechende Maßnahmen setzen zu können?

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Herr Abgeordneter, jene Baulichkeiten, die wir in Spielfeld durchführen wollen, um die Kontrolle zu verstärken, sind derzeit Gegenstand von Verhandlungen des Innenministeriums. Würde sich ergeben, dass das Innen­ministerium in der Umsetzung auf Schwierigkeiten stößt, dann ist einmal zu klären, ob das zu regeln nicht mit den vorhandenen rechtlichen Möglichkeiten denkbar ist. Es ist ja durchaus möglich, dass jemand etwas nicht möchte, aber dass trotzdem zur Klärung vorhandene Instrumente ausreichen. Gerade Sie als Jurist wissen ja, dass es eine Reihe von Möglichkeiten auch der öffentlichen Hand gibt, im Interesse der Öffentlich­keit etwas durchzusetzen.

Ich kann Ihnen noch nicht sagen, ob es stimmt, dass dort, wo eine Baulichkeit notwen­dig wäre, tatsächlich ein Grundstückseigentümer eine Baulichkeit, die der Kontrolle dienen soll, verhindern könnte. Wir wissen beide, dass ein polizeilicher Einsatz zur Schaffung von Ordnung natürlich überall möglich ist, aber ob das von Ihnen ange­sprochene Recht des Eigentümers konkret einer Baulichkeit entgegenstehen kann, das werden wir sehr genau beobachten.

Jedenfalls liegt mir kein Vorschlag vor, auch aus dem betreffenden Ressort nicht, eine neue gesetzliche Basis zu schaffen. So etwas kann man im Leben nie ausschließen, aber derzeit liegt kein Vorschlag vor.

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen zur 10. Anfrage, jener der Frau Abgeordneten Mag. Korun. – Bitte.

 


Abgeordnete Mag. Alev Korun (Grüne): Guten Morgen, sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Heute ist ja der internationale Tag der Menschenrechte, ich möchte daher auch uns allen einen schönen Tag unserer Menschenrechte, unserer geteilten Menschenrechte wünschen!

Auch meine Hauptfrage hat maßgeblich mit Menschenrechten zu tun.

Sie haben vorhin die Situation angesprochen, dass die EU überlegt, der Türkei rund 3 Milliarden € für die Flüchtlingshilfe und die Unterbringung der Flüchtlinge zukommen zu lassen.


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176/M

„Mit welchen konkreten Maßnahmen vonseiten der österreichischen Regierung und der EU-Kommission soll sichergestellt werden, dass die in Aussicht gestellten EU-Unter­stützungszahlungen an die Türkei zur spürbaren Verbesserung der konkreten Lebens­bedingungen der Flüchtlinge in der Türkei führen?“

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Frau Abgeordnete, Sie haben recht, das ist keine einfache Aufgabe, weil die Situation vor Ort für Flüchtlinge natürlich verschiedenste Facetten hat. Es geht um die Fragen: Inwieweit ist das Verfahren fair? Inwieweit ist der Status eines Flüchtlings vergleichbar mit dem, was wir, die wir uns den Men­schenrechten verpflichtet fühlen, auch als angemessen betrachten? Wie sieht es mit Möglichkeiten aus, bei einem positiven Asylbescheid auch arbeiten zu können? Das heißt, es gilt hier, sicher eine Fülle von offenen Fragen sowohl mit der Türkei, aber auch mit anderen Ländern, die besonders viele Flüchtlinge haben, zu klären.

Die Auszahlung der 3 Milliarden € soll laut Frans Timmermans, der das für uns orga­nisiert und uns gegenüber mehrfach klargestellt hat, eine Art Fondslösung sein, wo wir über die konkrete Auszahlung dieser Mittel, die etappenweise, schrittweise erfolgen soll, in der Zusicherung von baulichen Maßnahmen die Rechtfertigung für das vorlegen können, wofür dieses Geld eingesetzt wird.

Ich gebe Ihnen aber recht, dass mit dem Einsatz dieses Geldes die Verbesserung der Situation der Flüchtlinge noch nicht erledigt ist, sondern die Absicht der Europäischen Kommission ist die Kontrolle der eingesetzten Mittel ist – das hat der Vizepräsident der Kommission mehrfach klargestellt –, und das ist aus meiner Sicht auch Teil unseres Beschlusses.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte.

 


Abgeordnete Mag. Alev Korun (Grüne): Danke für Ihre Antwort, Herr Bundeskanzler! Justizminister Brandstetter hat am Dienstag einen Vorschlag gemacht, auch gegen­über der Kommission offensichtlich, betreffend einheitliche EU-Asylregeln und einheit­liche Asylverfahren. Diese würden natürlich auch bedeuten, dass es eine einheitliche EU-Asylbehörde gibt, zumal wir ja leider das absurde Problem haben, dass bestimmte Flüchtlingsgruppen beispielsweise in Schweden eine Anerkennungsrate von 80 Pro­zent haben, in Griechenland eine Anerkennungsrate von 1 Prozent, was nicht hin­nehm­bar ist.

Werden Sie die Vorschläge von Justizminister Brandstetter, aber auch Schritte in Richtung einer einheitlichen EU-Asylbehörde konkret unterstützen?

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Ich unterstütze das sehr, begrüße diese Initiative auch sehr. Der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes hat hier auch sehr viel an Arbeit geleistet, auch auf europäischer Ebene bereits vorgelegt, wie denn so eine Vereinheitlichung aussehen müsste. Ich bin politisch vollkommen der Überzeugung, dass ein Verteilungsschlüssel nur dann funktionieren kann – neben der Bereitschaft dazu, überhaupt verteilen zu wollen –, wenn auch die Asylverfahren, wenn auch die Behandlung während des Asylverfahrens so vereinheitlicht werden kann, dass es nicht eine Art Glücksspiel wird, wo man zugeteilt wird. Ich bin politisch hundertprozentig dieser Überzeugung.

Sie wissen aber, dass es in der Europäischen Union von anderen Parteien vehemente Widerstände gibt, irgendeine Art von gemeinsamer Flüchtlingspolitik im Hinblick auf


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Vereinheitlichung und Verbesserung der Situation zu schaffen. Diese Widerstände sind deutlich spürbar, und ich würde uns zur Stunde als eine klare Minderheit betrachten, die sich diese Vereinheitlichung wünscht. Ich bin aber fest davon überzeugt, dass ein Funktionieren, so wie wir uns das politisch vorstellen, nur dann gewährleistet ist, wenn es uns auch gelingt, Schritt für Schritt diese Maßnahmen umzusetzen, die Sie auch mit der Vereinheitlichung und den damit gemeinsamen europäischen Lösungen angesprochen haben.

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen zur 11. Anfrage, jener des Herrn Abgeord­neten Muchitsch. – Bitte.

 


Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Seit ges­tern ist das Thema „Pensionen Neu entflammt.

In diesem Zusammenhang meine Frage:

174/M

„Wie beurteilen Sie das Pensionsgutachten der Pensionskommission?“

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, ich habe in den prognostizierten Zahlen doch gesehen, dass bis 2019 die Ausgaben für das Pensions­system um mehr als 4 Milliarden € geringer ausfallen. Das heißt, dass in den Unter­lagen, die für dieses Pensionsgutachten zur Verfügung stehen, im Vergleich zu den letztjährigen Schätzungen – und das sind ja immer Schätzungen – etwas Positives zu vermerken ist, auch wenn wir alle wissen, dass die Frage der Sicherung der Pensionen nie ein ausschließlich positives Thema sein wird im Sinne von „längst alles erledigt“, sondern mit der Anhebung des faktischen Pensionsalters, mit der Schaffung der Möglichkeit, Arbeitsplätze überhaupt zur Verfügung zu haben, mit der Schaffung der Möglichkeit, dass ältere Arbeitnehmer überhaupt einer Beschäftigung nachgehen können, eine Fülle von Aufgaben auf uns wartet. Es ist aber positiv zu sehen, dass etwa das Ziel – das im Regierungsprogramm festgeschrieben worden ist – von 60,1 Jahren bereits im ersten Halbjahr 2015 erreicht werden konnte.

Ich sehe daher in den Fakten, die vorliegen – neben der politischen Diskussion –, einen Fortschritt, und diesen Fortschritt wollten wir, den gehen wir auch, und ich glaube, dass es der Pensionsdiskussion sehr gut tut, diesen möglichst basierend auf diesen Fakten zu gehen.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): In Ergänzung dazu: Herr Bundeskanzler, wie sehen Sie die Ergebnisse im Kontext der gemeinsamen Regierungspläne zur Erhöhung des faktischen Pensionsantrittsalters?

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Der notwendige Monitoringbericht wird mit 29. Februar 2016 zeigen, wo wir stehen, und auch da wünsche ich mir, dass nicht jeder das einbringt, was er ohnehin schon immer gesagt hat, sondern dass diese Diskussion faktenbasiert abläuft, sodass man allfällige Fortschritte hinsichtlich der Erhöhung des faktischen Pensionsalters sieht, die wir vereinbart haben, aber auch Veränderungen hinsichtlich der Arbeitsmarktlage und der Möglichkeiten gerade für ältere Beschäftigte, einen Arbeitsplatz vorzufinden, denn auch in diesem Bereich möchten wir für Arbeit­nehmerinnen und Arbeitnehmer Maßnahmen setzen. Der Monitoringbericht wird im Rahmen dieser Diskussion zeigen, wo wir stehen, damit wir auch kontrollieren können,


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ob das, was wir uns zu erreichen vorgenommen haben, erreicht werden kann. Die beiden Zahlen, die ich Ihnen genannt habe, die um 4 Milliarden € geringere Schätzung der Ausgaben bis 2019, aber auch das Erreichen von 60,1 Jahren beim Pensions­antrittsalter, zeigen, dass es Faktoren gibt, die in die richtige Richtung zeigen.

 


Präsidentin Doris Bures: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Wöginger.

 


Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Aus meiner Sicht ist der Entwurf des Gutachtens der Pensionskommission lückenhaft. Ich erkläre auch kurz, warum: Man geht ohne Erklärung von anderen Annahmen aus. Es fehlt zum Beispiel das Rehab-Geld, es ist das kürzlich beschlossene Budget aus meiner Sicht nicht abgebildet, es gibt eine Abweichung vom Gutachten des vorigen Jahres um mehr als einer Milliarde Euro, und Faktum ist – und darum geht es mir –: Es steigt der Bundesbeitrag jährlich an, und zwar nicht nur nominell, das ist ja erklärbar, sondern auch prozentuell, gemessen am Bruttoinlandsprodukt. Da gibt es diese Marke der 3 Prozent. Wir überschreiten jetzt die 3,5 Prozent. Das heißt, es fehlt aus meiner Sicht eine gewisse Nachhaltigkeit in unserem Pensionssystem, das ich nicht schlecht­rede, und ich betone auch, dass die Maßnahmen greifen, die wir gemeinsam gesetzt haben, aber das System ist aus meiner Sicht zu wenig nachhaltig.

Meine Frage daher, Herr Bundeskanzler: Werden Sie sich dafür einsetzen, dass ein neuer Entwurf ausgearbeitet wird, in dem auch die genannten Punkte abgebildet werden?

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Herr Abgeordneter, im Zusammenhang mit dem Pensionsgutachten ist es natürlich am besten, wenn jene Rede und Antwort stehen, die es gemacht haben. Es waren ja nicht mein Haus oder die bei mir zuständigen Beamten, die das gemacht hätten; da würde ich jetzt dafür Rede und Antwort stehen.

Ich gehe daher davon aus, dass man zwar trefflich über Gutachten streiten und verschiedener Meinung sein kann, auch etwas nachfordern oder etwas Zusätzliches verlangen kann, dass diese Einschätzungen aber doch – so war das ja in der Ver­gangenheit auch – in den Aspekten, die ich genannt habe, nämlich in der Entwicklung der Ausgaben und in der Entwicklung des Pensionsantrittsalters, auf Fakten beruhen. Dass es zusätzliche Aspekte gibt, hat uns ja veranlasst, diesen Monitoringbericht zu vereinbaren, der am 29. Februar 2016 kommt, und auf dessen Basis haben wir genau die Fragen zu erörtern, die Sie angesprochen haben: Sind die Maßnahmen, die wir gesetzt haben, auf gutem Weg und ausreichend? Sind zusätzliche, vertiefende Maß­nahmen notwendig? Gibt es vielleicht auch eine, die in die falsche Richtung läuft und die zu überarbeiten ist? Wo stehen wir?

Besonders möchte ich aber Ihren Satz unterstreichen, dass wir unser Pensionssystem nicht schlechtreden, und das, was wir erreicht haben, klarstellen sollten. Dafür bin ich Ihnen sehr dankbar.

 


Präsidentin Doris Bures: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Neubauer.

 


Abgeordneter Werner Neubauer (FPÖ): Herr Bundeskanzler, ich bin schon seit mehreren Jahren Mitglied der Pensionskommission, die sich ja für die Sicherung der Pensionen in der Zukunft einsetzen soll. Wir haben in den letzten Jahren leider erleben müssen, dass diese Kommission eigentlich sachlich nicht mehr zusammengefunden hat, sondern dass ein politisches Hickhack entstanden ist, wenn es darum ging, die Parameter festzulegen, die mein Vorredner gerade angesprochen hat. Das hat dazu geführt – weil Sie von Fakten gesprochen haben, die uns ab 1. Jänner 2016 zeigen werden, wohin der Weg führen wird –, dass das Gutachten in breiter Form abgelehnt wurde.


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Das heißt, wir stehen eigentlich vor einem Neubeginn, und deshalb meine Frage: Sind Sie der Überzeugung, dass die Pensionskommission in der jetzigen Zusammen­setzung noch handlungsfähig ist? Und: Wäre nicht eine Neukonzipierung dieser Pen­sions­kommission erforderlich, um wirklich einmal Ziele herauszuarbeiten, mithilfe derer sich einerseits die Jugend, aber auch jene, die vor der Pension stehen, und auch diejenigen, die bereits in Pension sind, orientieren können?

Als Ergänzungsfrage erlauben Sie mir nur die Frage, ob …

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter, ich muss Sie auf die Zeit aufmerksam machen.

 


Abgeordneter Werner Neubauer (fortsetzend):  die Vorschläge, die von der ÖVP kürzlich auf den Tisch gelegt wurden, mit Ihnen akkordiert sind.

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Da ich selbst nicht der Pensionskommission angehöre so wie Sie, möchte ich hier auch nicht einfach sagen, man soll etwas anders zusammensetzen, ohne einen besseren Vorschlag zu haben. Ich selbst würde mir wünschen, dass die Kommission und die Experten, die dort die Vorbereitung und Aufbereitung machen, zu einem gemeinsamen Ergebnis kommen, weil die öffentliche Diskussion natürlich davon bestimmt ist und man sonst ja nicht wissen kann, welchen Fakten man in der öffentlichen Debatte trauen kann.

Da mir an einer geordneten, sinnvollen Diskussion auch für den Monitoringbericht, der im Februar 2016 kommen soll, gelegen ist, hoffe ich, dass es der Kommission und den Experten gelingt, zueinanderzufinden, die vorliegenden Fakten außer Streit zu stellen und eine gemeinsame Vorgangsweise zu erreichen. Das würde uns sehr helfen, denn es sind, wie auch Sie, Herr Abgeordneter, wissen, gerade Pensionen ein sehr sensibles Thema – nicht nur für jene, die in Pension sind, sondern auch für jene, die vor der Pension stehen. Diese Menschen haben doch auch ein Recht, nicht ununter­brochen mit verschiedenen Aspekten konfrontiert zu werden, die in der Öffentlichkeit auf den Tisch gelegt werden, sondern mit einer einheitlichen Meinung.

Mein Ziel wäre es, zu erreichen, dass alle, die da tätig sind, zusammenfinden und eine gemeinsame öffentliche Einschätzung vornehmen. Das würde der Sache sehr nützen.

Hinsichtlich der Vorschläge, die in der Öffentlichkeit diskutiert wurden, der Vorschläge, die basierend auf der Studie diskutiert wurden, hat gestern der Herr Vizekanzler gesagt, dass es sich dabei nicht um Vorschläge der ÖVP handelt. Daher ist es auch nicht so weit, dass ich etwas zur Kenntnis nehmen müsste. Ich bleibe daher auf meiner Linie.

 


Präsidentin Doris Bures: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Stein­bichler.

 


Abgeordneter Leopold Steinbichler (STRONACH): Frau Präsident! Sehr geehrter Herr Kanzler! Du hast gerade selber gesagt, die Pensionen sind ein sehr sensibles Thema. Ich glaube, auch die Sicherheit und die Ausgewogenheit der Pensionen ist sehr wesentlich, für den sozialen Frieden und für die Kaufkraft.

Wenn man jetzt die Entwicklung seit 2006 anschaut, dann sieht man, wir haben eine besonders hohe Steigerung bei den Pensionen ab 5 000 € – da haben wir eine gewaltige Steigerung! –, leider nicht so bei den Pensionen darunter. (Der Redner hält eine Statistik mit dem Titel „Pensionsbezieher nach Pensionshöhe“ in die Höhe.)

Es gibt eine neue Studie der Akademie Stronach über die Sicherheit der Pensionen. (Der Redner hält ein Exemplar der genannten Studie in die Höhe.) Die Entwicklung ist


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folgende: Wir haben zurzeit auf eintausend aktive Arbeitnehmer 280 Pensionisten, und im Jahr 2050 werden wir auf eintausend aktive Arbeitnehmer 480 Pensionisten haben. (Zwischenruf des Abg. Wöginger.– Herr Kollege Wöginger, ich werde dir das zur Verfügung stellen, weil ich merke, dass du da ein großes Defizit hast.

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter (Abg. Steinbichler: Er hat ja gefragt!), Sie müssen jetzt die Frage formulieren. – Bitte.

 


Abgeordneter Leopold Steinbichler (fortsetzend): Meine Frage ist eine ganz konkrete: Wie verträgt sich das mit dem aktuellen Sozialplan der Post, wenn es stimmt, dass man ab 50 in Frühpension gehen kann, mit 55 Monatsgehältern Bonifikation?

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Sehr verehrter Herr Abgeordneter, es gibt tat­säch­lich im Zusammenhang mit den Pensionen immer wieder Sonderrechte, die sich aus vielen historischen Entwicklungen als Rechte der einzelnen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer abgeleitet haben, auch sehr betriebsunterschiedlich. Es gibt ja auch in der Privatwirtschaft Betriebspensionen, die andere, die auch in der Privatwirtschaft arbeiten, nicht haben.

Es ist tatsächlich so, dass unser Pensionssystem sehr viele Unterschiede kennt. Es wurde ja in der Vergangenheit von Ihnen im Hohen Haus einiges gerade zu diesen Pensionssonderrechten gemeinsam beschlossen, weil eben diese Unterschiede, die sich historisch entwickelt haben, existieren. Ich kenne diese Akademie, die Sie genannt haben, jetzt nicht direkt, aber das Sozialministerium beziehungsweise der Sozialminis­ter haben immer wieder sehr zu Recht Vorschläge gemacht, wie wir sowohl eine stärkere Angleichung als auch eine Erhöhung des faktischen Pensionsalters zustande bringen.

Ich möchte das aber nicht nur von der Pensionshöhe und den Sonderrechten her diskutieren, sondern auch von der Frage her, ob es entsprechende Beschäftigung und Arbeitsplätze gibt, sodass jemand, der älter ist als 50 oder 55 oder – Männer – 60, auch einen Arbeitsplatz findet. Tatsächlich besorgt macht mich, dass in der derzeitigen Arbeitslosenstatistik gerade für jene Gruppe, von der wir gerne hätten, dass sie nicht nur im öffentlichen Bereich, sondern in allen Bereichen stärker auf dem Arbeitsmarkt integriert ist, die Arbeitsplätze oft nicht vorhanden sind. Ich sehe dieses Thema daher als Einheit, und es ist wichtig, auch für ältere Arbeitnehmer Beschäftigungsprogramme weiter zu forcieren.

 


Präsidentin Doris Bures: Da die Anfragestellerin, Frau Abgeordnete Jank, der 12. Anfrage für die heutige Sitzung entschuldigt ist, entfällt diese Anfrage.

Damit sind alle Anfragen zum Aufruf gelangt. Ich bedanke mich bei Ihnen, Herr Bundeskanzler, für die Auskunft und erkläre die Fragestunde für beendet. (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Vavrik.)

10.11.18 Einlauf und Zuweisungen

 


Präsidentin Doris Bures: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

Schriftliche Anfragen: 7311/J bis 7320/J


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B. Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Gesundheitsausschuss:

2. EU-Berufsanerkennungsgesetz Gesundheitsberufe 2016 – 2. EU-BAG-GB 2016 (939 d.B.).

*****

10.11.37Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 6417/AB sowie die Anfragebeantwortung 6454/AB

 


Präsidentin Doris Bures: Vor Eingang in die Tagesordnung teile ich mit, dass das gemäß § 92 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vorliegt, eine kurze Debatte über die Beantwortung 6417/AB der Anfrage 6686/J der Abgeordneten Neubauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Geheimnisse um den Euratom-Vertrag durch den Herrn Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft abzuhalten.

Diese kurze Debatte findet gemäß § 57a Abs. 4 der Geschäftsordnung nach Erledi­gung der Tagesordnung, jedoch spätestens um 15 Uhr statt.

Vor Eingang in die Tagesordnung gebe ich weiters bekannt, dass das gemäß § 92 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vorliegt, eine weitere kurze Debatte über die Beantwortung 6454/AB der Anfrage 6656/J der Abgeordneten Mag. Rossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Briefing für Ex-Finanzminister Grasser vor der Aussage im Untersuchungsausschuss durch den Herrn Bundesminister für Finanzen abzuhalten.

Diese kurze Debatte findet im Anschluss an die erste kurze Debatte statt.

Absehen von der 24-stündigen Aufliegefrist

 


Präsidentin Doris Bures: Um Punkt 37 der Tagesordnung in Verhandlung nehmen zu können, ist es gemäß § 44 Abs. 2 der Geschäftsordnung erforderlich, von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen des Ausschussberichtes abzusehen.

Dabei handelt es sich um den Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen des Fernmeldebüros für Wien, Niederösterreich und Burgenland um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Matthias Strolz, in 971 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die der Abstandnahme von der Aufliegefrist für diesen Ausschussbericht ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig so angenommen.

Behandlung der Tagesordnung

 


Präsidentin Doris Bures: Es ist vorgeschlagen, die Debatte über die Punkte 1 bis 3, 4 und 5, 6 bis 16, 18 und 19, 22 bis 24, 26 bis 29 sowie 32 und 33 der Tagesordnung jeweils zusammenzufassen.

Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Das ist nicht der Fall.

Damit gehen wir in die Tagesordnung ein.


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Redezeitbeschränkung

 


Präsidentin Doris Bures: Zwischen den Mitgliedern der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer der Debatten erzielt. Demgemäß wurde eine Tagesblockzeit von 8 „Wiener Stunden“ vereinbart, sodass sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ und ÖVP je 108, FPÖ 100, Grüne 84 sowie NEOS und Stronach je 44 Minuten.

Gemäß § 57 Abs. 7 der Geschäftsordnung beträgt die Redezeit für die gesamte Tagesordnung von jenen Abgeordneten, die keinem Klub angehören, im Rahmen dieses Beschlusses je 22 Minuten. Darüber hinaus wird die Redezeit von Abgeord­neten, die keinem Klub angehören, auf 5 Minuten je Debatte beschränkt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über die eben dargelegten Redezeiten.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die diesem Vorschlag zustimmen, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

10.15.24 1. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (903 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungs­ge­setz, das Angestelltengesetz, das Gutsangestelltengesetz, das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, das Betriebspensionsgesetz, das Arbeitszeit­gesetz, das Arbeitsruhegesetz und das Kinder- und Jugendlichen-Beschäfti­gungs­gesetz 1987 geändert werden (Arbeitsrechts-Änderungsgesetz 2015) (948 d.B.)

2. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 575/A der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Angestelltengesetz, das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch, das Gutsangestelltengesetz, das Urlaubsgesetz und das Arbeits­zeit­gesetz geändert wird (949 d.B.)

3. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 1190/A(E) der Abgeordneten Mag. Birgit Schatz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Reform­bedarf bei All-in Verträgen (950 d.B.)

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen nun zu den Punkten 1 bis 3 der Tagesord­nung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Schatz. Freiwillige Redezeitbe­schränkung: 6 Minuten. – Bitte.

 


10.16.27

Abgeordnete Mag. Birgit Schatz (Grüne): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vor wenigen Wochen noch hat Herr Abgeordneter Katzian, der, so wie viele SPÖ-Abgeordnete, nicht im Saal ist, in seiner Funktion als GPA-Chef verkündet: Wir wollen eine Arbeitszeitverkürzung! (Abg. Königsberger-Ludwig: Er ist entschuldigt!)


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Die SPÖ hat insgesamt zum Beispiel erst vor wenigen Tagen oder Wochen ihr Industriekonzept präsentiert, und namentlich Abgeordneter Wimmer und Klubobmann Schieder forderten in diesem Zusammenhang: Wir brauchen eine Arbeitszeitver­kürzung! Und nicht zuletzt Bundesminister Hundstorfer verspricht uns mittlerweile seit Jahren einen offensiven Kampf gegen die Millionen von Überstunden, die in Österreich gemacht werden.

Meine Damen und Herren, wir Grüne unterstützen das, wir wollen unbedingt eine andere Verteilung der Arbeitszeit. Wir wollen, dass die, die sehr lange arbeiten müssen, weniger arbeiten können, und die, die ungewollt in Teilzeit arbeiten oder gar keinen Job haben, einen Job haben können, von dem sie auch wirklich leben können.

Meine Damen und Herren, wir Grüne wollen den Einstieg in die Arbeitszeitverkürzung für mehr Lebensqualität und auch für weniger gesundheitliche Belastung durch überlange Arbeitszeiten.

Meine Damen und Herren von der SPÖ, Ihre Gewerkschafter, Sie als Partei, der Herr Minister sprechen vom Einstieg in die Arbeitszeitverkürzung, aber was machen Sie konkret mit dem heute hier vorliegenden Paket? – Sie verlängern die Arbeitszeiten für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen. Und ich frage mich schon: Wie geht das? Wie kann man diesen Spagat überhaupt noch schaffen? Was sagt das über Ihre Glaub­würdigkeit aus?

Schauen wir es uns konkret an: Sie alle wissen, müssten wissen, dass ab der siebten Arbeitsstunde nicht nur die Leistungsfähigkeit rapide sinkt, sondern auch das Unfallrisiko massiv ansteigt – in einer steilen Kurve ab der siebten Arbeitsstunde. Und was tun Sie konkret? – Sie ermöglichen künftig, dass jemand, der auswärts einen langen, anstrengenden Arbeitstag hatte, dann am Abend auch noch mit dem eigenen Auto nach Hause fahren kann (ironische Heiterkeit bei der ÖVP), dass jemand, der an einem Tag insgesamt bis zu zwölf Stunden arbeiten muss, die letzten, sagen wir, drei Stunden davon in der Nacht im Auto sitzt. (Abg. Wöginger: In der Nacht? Wann fängt der leicht an?)

Sie lachen. Ich finde das absolut nicht zum Lachen, weil wir wissen, dass schon jetzt die überwiegende Anzahl der Berufsunfälle Verkehrsunfälle sind, und alle Experten sagen uns – schauen Sie sich auch die Begutachtungen an! –, die Zahl der beruflich bedingten Verkehrsunfälle wird durch diese Maßnahme rapide ansteigen.

Sie lachen und gefährden mit dieser Maßnahme Leben (Abg. Rädler: Autofahren ver­bieten!), nicht nur die der betroffenen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die erschöpft am Abend Auto fahren müssen, sondern auch die der anderen Verkehrs­teilnehmer.

Meine Damen und Herren, wir Grüne wollen das nicht, und ich finde es sehr bedau­er­lich, dass Sie das lächerlich finden. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Neubauer. – Abg. Rädler: Sie sind weltfremd!)

Schauen wir uns den nächsten Punkt an: Sie erhöhen die tägliche Arbeitszeit von jungen Menschen auf bis zu zehn Stunden, von acht auf zehn Stunden, wenn es auch mit einer Fahrzeit in Verbindung steht. Ihr Argument ist, dass Lehrlinge, speziell auf Montage, sonst diese Ausbildung nicht machen können. Aber, meine Damen und Herren, ab dem 16. Lebensjahr ein 10-Stunden-Arbeitstag, das ist nicht nur für einen jungen Menschen, der am Bau arbeitet, körperlich extrem anstrengend. Das ist auch eine wichtige Entwicklungsphase. Stellen Sie sich vor: zehn Stunden Arbeit! Da bleibt für sonst nichts mehr Zeit – und das wollen Sie? (Abg. Rädler: Was haben Sie gelernt? Haben Sie jemals gearbeitet?) – Ja, zum Beispiel im Gastgewerbe, darum kenne ich mich da so gut aus. (Ruf: Wie lange denn?)


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Meine Damen und Herren, 10-Stunden-Arbeitstage für junge Menschen, weil sonst die Ausbildung gefährdet ist, so laut Ihrer Argumentation. Das fängt jetzt in diesem Bereich an. Wann kommt die nächste Branche? Wann kommt eben das Gastgewerbe und sagt: Unsere Ausbildung kann nicht vollständig erfolgen, wenn wir den Lehrling nicht länger als bis zehn Uhr am Abend im Betrieb haben!? Er muss bis um zwölf bleiben, denn sonst kann das Berufsbild nicht abgedeckt werden! Das ist die nächste Branche. Wann kommt dann die übernächste, wann die überübernächste?

Warum sind Sie bereit, den Jugendschutz scheibchenweise aufzumachen? Wir können das sicher nicht akzeptieren!

Schließlich noch der dritte Punkt; ich habe das Gastgewerbe schon angesprochen. Sie ermöglichen, dass künftig der Ausgleich für die verkürzte Ruhezeit nicht so wie bisher nach zehn Tagen abgebaut werden muss, sondern erst am Ende der Tourismussaison. Meine Damen und Herren! Acht Stunden Ruhezeit während der gesamten Saison, zum Beispiel von Mai bis September, das bedeutet eine massive körperliche Belastung durch Schlafmangel, durch viel Stress, das bedeutet, dass kaum die Möglichkeit besteht, ordentliche soziale Kontakte zu haben – und das alles in einer Niedrigstlohn­branche! Und jetzt verschieben Sie den Ausgleich für die verkürzte Ruhezeit ans Saisonende! Also bitte, das ist eine unverantwortliche Maßnahme, und wir werden dem sicher nicht zustimmen! (Beifall bei den Grünen.)

Schade, dass die kleinen arbeitsrechtlichen Verbesserungen, die in dieser Novelle auch enthalten sind, dieses Belastungspaket nicht ausgleichen können. Es gibt sicher eine begrüßenswerte Regelung zum Thema All-in-Verträge in Richtung mehr Trans-parenz: Künftig sind Grundlöhne klarer zu definieren. Aber ein offensiver Kampf, nämlich der von den Regierungsparteien versprochene offensive Kampf gegen All-in-Verträge ist das leider auch nicht.

Meine Damen und Herren! Wir werden dieser weiteren Ausdehnung der Belastung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, vor allem auch zeitlichen Belastung von Arbeit­nehmern und Arbeitnehmerinnen, sicher nicht zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

10.23


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Muchitsch ist als Nächster zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


10.23.39

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Sehr geschätzte Frau Bundesministerin! Sehr geschätzter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zu Beginn klarstellen: Unser Kollege Wolfgang Katzian befindet sich im Krankenhaus und ist für heute entschuldigt. Deswegen bitte ich um etwas mehr Sensibilität! Wir wünschen ihm auf diesem Wege alles Gute, gute Besserung und dass er bald wieder bei uns ist. (Allgemeiner Beifall.)

Werte Kollegin Schatz, man kann Äpfel mit Birnen vermischen. Fakt ist: Wir stellen gewisse Dinge klarer dar, indem wir den Bereich Arbeitszeiten inklusive Reisezeiten neu regeln. Sie haben recht, wir haben einen Passus mit zehn Stunden Arbeitszeit inklusive Reisezeit für Jugendliche drinnen. Ich habe den Lehrberuf Maurer erlernt, ich war zwölf Stunden, 14 Stunden mit dem Bus unterwegs. (Abg. Rädler: Haben ja keine Ahnung, die Grünen!) Fakt ist, wir werden keine Betriebe finden, die Lehrlinge im handwerklichen Bereich ausbilden, wenn Reisezeiten mitzuberücksichtigen sind, der Weg vom Betrieb zur Baustelle und von der Baustelle zurück. Und Fakt ist, wenn wir zwei Stunden Reisezeit haben, dann sind das zwei Stunden aktive Reisezeit und die


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werden als Arbeitszeit zugerechnet. Das ist die Wahrheit und das sind die Fakten! (Beifall des Abg. Doppler sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Aber ich möchte Ihnen jetzt, nachdem Sie auch erwähnt haben, dass es einige Punkte gibt, die durchaus positiv zu sehen sind, noch Folgendes sagen: Mit dieser Regie-rungs­vorlage des Arbeitsrechts-Änderungsgesetzes werden wesentliche Verbesse-rungen und mehr Transparenz für die Arbeitnehmer beschlossen. Das bedeutet letztendlich mehr Fairness für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer untereinander in ihrem Wettbewerb am Arbeitsmarkt, aber auch mehr Fairness für die Arbeitgeber.

Lassen Sie mich noch vier Punkte herausgreifen!

Dass am Dienstzettel künftig der Monatslohn ausgewiesen werden muss und sich die Dienstnehmerin oder der Dienstnehmer nicht mehr auf die Reise machen muss, um den für ihn geltenden Kollektivvertrag mit der richtigen Lohngruppe und dem Stunden­lohn zu finden, ist eine wesentliche Verbesserung. Der Arbeitnehmer hat jetzt am Dienstzettel schwarz auf weiß seinen Monatslohn ausgewiesen, und das ist wichtig für die Transparenz.

Der zweite Punkt: Transparenz bei den All-in-Verträgen. – Ja, wir sagen, es ist da dementsprechend auch der Lohn für die Normalarbeitszeit bei zum Beispiel 40 Stun­den pro Woche auszuweisen. Wir setzen damit einen wichtigen Schritt bei den All-in-Verträgen, der dafür sorgen wird, dass die Möglichkeit der Unterentlohnung nicht weiter genutzt wird.

Der dritte Punkt: die Einschränkung der Konkurrenzklausel durch die Anhebung der Entgeltgrenze. Mit dieser Anhebung von 2 635 € auf 3 100 € haben wir ganz klar eine Regelung geschaffen, mit der in Zukunft weniger Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unter diese Konkurrenzklausel fallen werden, was auch den Wechsel des Dienstgebers für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erleichtern wird. Das Konkurrenzverbot wird somit auf Spitzenpositionen beschränkt.

Und der letzte Punkt, den ich auch erwähnen möchte: Die Informationspflicht für Teilzeitbeschäftigte über freie Vollzeitstellen ist auch eine wichtige Sache, weil wir damit Teilzeitbeschäftigten die Chance geben, von einer Teilzeitbeschäftigung zu einer Vollzeitbeschäftigung zu kommen, wenn im Betrieb eine ausgeschrieben ist.

Zusammenfassend: Mit diesen Änderungen im Arbeitsrecht setzen wir wichtige Schritte für mehr Fairness am Arbeitsmarkt, im Interesse aller Beteiligten, im Interesse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, aber auch der Arbeitgeber. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

10.27


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster: Herr Abgeordneter Mag. Loacker. – Bitte.

 


10.27.39

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Zuerst ein Wort zur Kollegin Schatz: Mit Ihrem Arbeits­zeitverkürzungsschmus werden Sie es nicht schaffen, den Wohlstand zu erhöhen! Wir werden nicht mit weniger Leistung den Wohlstand erhöhen. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenrufe bei den Grünen.)

Die Regierungsvorlage hat keine klare Richtung. Sie bringt ein bisschen Flexibilisie­rung, aber sie geht an den wirklichen Veränderungen in der Arbeitswelt total vorbei. Es geht halt um einen typischen Sozialpartnerschaftskompromiss, den Sie uns hier vorlegen. Man hat den Eindruck, wenn man kurz draufschaut, die Regierung begreift, wir brauchen Flexibilisierung, aber wenn man ins Detail geht, sieht man, die Arbeits­zeitflexibilisierung bezieht sich auf die Reisebewegung, und die generelle Flexibilisie-


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rung tritt nicht ein. Die Menschen wollen heute dann arbeiten, wenn sie dran sind, wenn sie im Fluss sind, und dafür ein anderes Mal freihaben. Sie wollen nicht in starre Regelungen gezwängt werden, und sie wollen nicht von ihrem Chef nach Hause geschickt werden, wenn sie gerade an einer Arbeit dran sind, nur weil schon die 10-Stunden-Grenze erreicht worden ist.

Wir haben eine Erleichterung für die Tourismusbetriebe drinnen, aber wieder nur dann, wenn es sich um Saisonbetriebe handelt. Was wir brauchen, sind flexiblere Rahmen­bedingungen, nicht nur in speziellen Sonderfällen, sondern generell. Die Arbeitswelt hat sich einfach gewandelt, die Menschen arbeiten viel dynamischer als früher.

Was Sie auch geschafft haben mit dem, was Sie uns da vorlegen, ist, dass es für Arbeitgeber noch unattraktiver wird, in die Weiterbildung der Mitarbeiter zu investieren, da haben Sie ökonomisch einen Schuss ins Knie fabriziert. Wir begrüßen es, dass die Konkurrenzklauseln erschwert werden, dass die Mitarbeiter flexibler wechseln können zu einem anderen Arbeitgeber, aber wenn heute ein Arbeitgeber in Weiterbildung der Mitarbeiter investiert, muss er schon vor Beginn der Ausbildung eine Rückzahlungsver­einbarung mit diesem Mitarbeiter abschließen, in der drinsteht, wie viel die Ausbildung kostet, wie viel die Arbeitszeit kostet, wie viel die Reisekosten ausmachen, damit er dann, wenn der Mitarbeiter das Unternehmen verlässt, die Kosten der Ausbildung zurückverlangen kann. Und jetzt verkürzen Sie noch diese Frist, in der man das zurückverlangen kann.

Das heißt, die Unternehmen, die in Ausbildung investieren, riskieren, dass sie den Mitarbeiter für den Konkurrenten ausbilden, und damit wird Ausbildung für die Firma unattraktiver. Das ist schlecht, und deswegen sind wir dagegen.

Eine besondere Glanzleistung von sinnlosen Gesetzen beinhaltet dieses Paket auch, nämlich die Informationspflicht für Teilzeitbeschäftigte. Wenn ein Unternehmen einen Job ausschreibt, einen Vollzeitjob, muss ich als Unternehmer künftig nachweisen, dass ich die Teilzeitkräfte über diese Vollzeitstelle informiert habe.

Für wie dumm halten Sie eigentlich die Unternehmer, und für wie dumm halten Sie die Personalisten?! Jeder Unternehmer, der in seiner Firma eine fähige Teilzeitkraft hat, wird froh sein, wenn diese Teilzeitkraft auf die Vollzeitstelle wechselt. Er wird froh sein, und er wird sich die Personalsuchkosten ersparen, er wird sich die Zeit der Per­sonalsuche ersparen. Sie schreiben jetzt in ein sinnloses Gesetz hinein, dass man die Teilzeitkräfte informieren muss, ob sie für die offene Position qualifiziert sind oder nicht. Und mit einer Strafsanktion wird das Ganze gleich auch noch belegt.

Jetzt zu den All-in-Verträgen: Da haben Sie wieder eine besondere legistische Glanzleistung vollbracht, weil Sie eine neue Art von Mindestlohn geschaffen haben. Es gibt für alle in Österreich den kollektivvertraglichen Mindestlohn, aber wenn jemand eine All-in-Vereinbarung im Vertrag hat, muss zusätzlich eine „branchen- und orts­übliche Überzahlung“ gegeben sein. – Ja, was ist denn das? Sie schaffen wieder neues Material für arbeitsgerichtliche Prozesse. Wirklich ein „großartiges“ Gesetz, das Sie da fabriziert haben. (Ruf bei der SPÖ: Ja, stimmt!)

Abschließend noch zu den ÖVPlern, die immer so laut hupen, wenn es um die Pension geht. Die ÖVP hat wieder komplett geschlafen bei diesem Gesetz. Grundsätzlich posaunt die Bundesregierung, auch der Herr Bundesminister, wir wollen unterscheiden zwischen Rehabilitation, vorübergehender Berufsunfähigkeit und Pension. Aber in diesem Gesetz stellen Sie jemanden, sobald er sechs Monate berufsunfähig ist, gleich mit jemandem, der nie mehr zurückkommt in die Firma. Der bekommt die Abfertigung, der bekommt die Betriebspension, auch wenn er nur befristet berufsunfähig ist. Damit haben Sie das konterkariert, was Sie immer sagen, dass wir zwischen vorübergehen­der Berufsunfähigkeit und einer dauerhaften Pension unterscheiden.


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Sie rufen immer laut, aber wenn es um die legistische Feinarbeit geht, dann sind die Pensionsreformer in der ÖVP alle weg vom Fenster. Da höre ich keinen Asdin El Habbassi und da höre ich keinen August Wöginger, wenn es dann wirklich an die Kleinarbeit geht. Die Drecksarbeit bei den Pensionen, die dürfen andere machen. So werden wir nie eine gescheite Reform zusammenbekommen. (Beifall bei den NEOS.)

10.32


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Wöginger, Sie sind der Nächste. – Bitte.

 


10.32.40

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Herr Kollege Loacker, der Ausdruck „Drecksarbeit“ ist in diesen Räum­lichkeiten nicht angebracht, das möchte ich gleich einmal zurückweisen! (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)

Meine Damen und Herren, wir setzen hier eigentlich den dritten Teil des Arbeitsmarkt- und Konjunkturgipfels vom 30. Oktober um. Das ist jetzt sechs Wochen her, und wir schließen mit diesem Arbeitsrechts-Änderungsgesetz sozusagen das gesamte Maß­nah­men­paket ab. Wir haben mit dem Budget für die Unternehmungen eine Lohn­nebenkostensenkung von rund einer Milliarde Euro in den nächsten Jahren und ein Bonus-Malus-System, um die Beschäftigung älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh­mer zu garantieren, mitbeschlossen. Wir haben gestern die Einrichtung einer Wohn­bauinvestitionsbank beschlossen. 30 000 neue Wohnungen und 20 000 neue Arbeits­plätze sollen dadurch in diesem Bereich geschaffen werden. Und heute beschließen wir wichtige Punkte im Arbeitsrechts-Änderungspaket.

Ich darf einige Punkte kurz herausstreichen:

Zur Transparenz bei All-in-Verträgen: Herr Kollege Loacker, der Grundlohn muss ausgewiesen werden, und wenn der Grundlohn ausgewiesen wird, kann man sich das ersparen, was Sie hier angesprochen haben.

Zum Informationsrecht für Teilzeitbeschäftigte: Wenn Sie sagen, das passiert in den Unternehmungen sowieso, dann verstehe ich nicht, was schlecht daran ist, wenn man es ins Gesetz schreibt. Wenn es von den Personalisten und von den Unternehmungen bereits gemacht wird, dann begrüßen wir das, das ist positiv. Wir wollen aber sicherstellen, dass das auch wirklich in allen Bereichen gemacht wird, weil das extrem wichtig ist, gerade für die vielen Frauen, die in Teilzeitberufen beschäftigt sind.

Ich komme aus einem solchen Betrieb, in dem einige Hundert Frauen im Pflegeberuf tätig sind, und da ist es ganz wichtig, dass die Frauen informiert werden, wenn neu ausgeschrieben wird, und dass sie gefragt werden, ob sie eventuell aufstocken können. Das ist für viele Frauen wichtig, denn wenn die Kinder größer sind, dann gibt es vermehrt den Wunsch, wieder mehr Stunden zu arbeiten. Daher schaffen wir dieses Informationsrecht – ein wichtiger Punkt in diesem Gesetz, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir schränken auch die Konkurrenzklauseln und die Ausbildungskostenrückerstattung im Sinne der Dienstnehmer ein. Das ist aus meiner Sicht nicht überbordend, sondern dem angepasst, was wir tagtäglich in Österreich erleben. Wir haben in der Privat­wirtschaft eine durchschnittliche Verweildauer von drei Jahren, daher bin ich der Meinung, dass es angebracht ist, wenn wir die Frist für die Ausbildungs­kostenrück­erstattung von fünf auf vier Jahre absenken.

Ein weiterer Punkt: Es gibt einen Rechtsanspruch auf eine schriftliche Lohn­abrech­nung. Das ist wohl notwendig, dass ein Dienstnehmer, der arbeiten geht, am Ende des Monats eine schriftliche Lohnabrechnung bekommt.


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Jetzt zur höheren Flexibilität bei den Dienstreisen und bei den Montagen: Frau Kollegin Schatz, Ihr Bemühen in Ehren, aber wir müssen schon auch der Praxis und dem, was die Menschen in diesem Land wollen, gerecht werden, und es wollen viele Menschen, gerade jene, die zum Beispiel bei Energieversorgungsunternehmen arbeiten, nach der zehnten Stunde zurück zu ihren Familien, und sie wollen, dass die Reisezeit dazu­gerechnet wird. Das ist eine Maßnahme, die sich viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wünschen. (Beifall bei der ÖVP.)

Da Sie hier von Lehrlingen sprechen: Ich kenne keinen 16-jährigen Lehrling, der selber Auto fährt, er soll aber bei der Montage mit dabei sein (Beifall bei der ÖVP), denn wenn er seine Kollegen nicht auf Montage begleiten kann, macht die Lehrlingsausbildung, zum Beispiel in einer Tischlerei, keinen Sinn, weil er dann nämlich sein Handwerk nicht im entsprechenden Ausmaß erlernen kann. (Zwischenruf der Abg. Schatz.)

Zur Ruhezeit bei Saisonbetrieben: Frau Kollegin Schatz, Sie werden ja auch schon ab und zu einmal in einem Hotel oder in einem Gasthof genächtigt haben. Dort ist die Situation so, dass das Kellnerpersonal meistens bis 22 Uhr tätig ist. Jetzt ist es nicht möglich, dass in der Früh die gleiche Person, die am Abend diensteingeteilt war, das Frühstück zubereiten kann, weil die Ruhezeit von 11 Stunden eingehalten werden muss. Das ist doch praxisfremd! Daher schaffen wir hier eine Möglichkeit, dass schon nach acht Stunden Ruhezeit eine Wiederaufnahme der Arbeit möglich ist. (Abg. Schatz: Aber Sie verschieben den Ausgleich an das Saisonende!) Die schlafen ja zum Großteil auch in diesen Betrieben. Das ist aus meiner Sicht eine wichtige Maßnahme, auch für die Hotellerie und für unsere Saisonbetriebe, die wir in diesem Bereich voll und ganz unterstützen. (Beifall bei der ÖVP.)

Das ist also ein Paket, das viele Verbesserungen bringt und wirklich die Zustimmung verdient.

Herr Bundesminister, zu guter Letzt möchte ich ein Thema ansprechen, das uns sehr am Herzen liegt – Sie wissen das, wir haben es Ihnen auch schriftlich übermittelt –: Es geht um die Mindestsicherung. Wir haben bei der Mindestsicherung einen dringenden Handlungsbedarf. Wir haben Ihnen die Punkte übermittelt, was die Deckelung anbe­langt, was die Umstellung auf Sachleistungen anbelangt, auch was eine Muss-Bestim­mung anbelangt. Wir wissen – Sie erwähnen das auch immer –, dass das die Länder und vor allem die BHs und die Magistrate bereits machen können. Es wird auch dort und da gemacht. Wir wollen aber, dass es gemacht werden muss, dass hier gekürzt wird, vor allem auch bei Arbeitsunwilligkeit und bei Integrationsunwilligkeit. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Machen! Machen!)

Die Mindestsicherung ist eine gute Maßnahme, eine Maßnahme, zu der wir uns auch bekennen, weil es notwendig ist, dass wir dieses Auffangnetz für Menschen, die diese Unterstützung unbedingt brauchen, haben, aber wir müssen alles dazu tun, dass die Mindestsicherung nachhaltig ist und dass sie auch in der angespannten Situation, in der wir uns momentan befinden, finanzierbar bleibt. Daher fordern wir ein, dass diese Punkte auch umgesetzt werden. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Machen! Machen!)

Ich ersuche Sie nachdrücklich, Herr Bundesminister – wir sind diesbezüglich auch im Gespräch –, dass wir diese Punkte ehestmöglich beschließen können. (Beifall bei der ÖVP.)

10.38


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Dietrich. – Bitte.

 


10.38.19

Abgeordnete Ing. Waltraud Dietrich (STRONACH): Geschätzte Frau Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Wir beschließen heute das Arbeitsrechts-


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Änderungsgesetz. Wenn man sich die Beiträge der Vorredner angehört hat, sieht man, wie unterschiedlich die Standpunkte sind, und der Standpunkt macht es auch aus, was man sieht und ob man daher das Arbeitsrechts-Änderungsgesetz positiv oder negativ bewertet.

Wir vom Team Stronach bewerten diese Novelle sehr positiv, weil mit dieser Novelle viele Punkte für Arbeitnehmer positiv gestaltet werden, aber sie ist auch aus der Sicht des Arbeitgebers sehr positiv.

Lassen Sie mich zu der von den Grünen so stark kritisierten Verlängerung der täglichen Arbeitszeit für Lehrlinge kommen: Es wird ab nun möglich sein, dass Lehrlinge bis zu zehn Stunden – nämlich dann, wenn die passive Reisezeit inkludiert wird – arbeiten können, das heißt acht Stunden plus passive Reisezeit. Ich glaube, es war höchst an der Zeit, dass dieser Schritt gesetzt wurde, denn wenn man sich die Praxis ansieht, wenn man schon Baufirmen, Zimmereifirmen beauftragt hat, dann weiß man, dass die Arbeiter oft eine Anreisezeit haben und dass die Lehrlinge am Bau tätig sein wollen und wieder gemeinsam mit ihren Kollegen nach Hause fahren wollen. Wie würde die Praxis ausschauen, wenn die Firma den Lehrling nicht einsetzen kann, weil sie ihn um 14 Uhr in den Bus setzen und nach Hause schicken muss?

Wenn wir das so wie bisher handhaben, dann laufen wir Gefahr, dass sich der Trend, der eh schon stattfindet, nämlich dass Firmen sagen: Wir nehmen keinen Lehrling mehr, weil wir ihn am Bau, dort, wo wir ihn brauchen, nicht einsetzen können!, weiter fortsetzt. (Beifall beim Team Stronach.)

Aus diesem Grund werden wir dieser Novelle zustimmen: Weil sie sinnvoll ist und weil sie praxisgerecht ist, da sie Menschen von der Praxis mitgestaltet haben.

Lassen Sie mich einen anderen Punkt ansprechen! Bei den arbeitsrechtlichen Ver­änderungen wird es zu mehr Transparenz kommen. Das begrüßen wir. Aus unserer Sicht ist die verpflichtende Ausstellung eines Lohnzettels sinnvoll. Auch dass All-in-Verträge schriftlich fixiert werden müssen, ist sinnvoll, wenngleich wir gerade bei dieser All-in-Klausel noch Handlungsbedarf sehen. Sie soll wirklich nur Einkommen im höheren Bereich betreffen.

Meine geschätzten Damen und Herren, auch die Anhebung der Entgeltgrenze bei der Konkurrenzklausel ist der richtige Schritt.

In Summe gesehen sind die Änderungen, die hier vorgenommen werden, sinnvoll. Daher werden wir das auch mittragen und unterstützen. (Beifall beim Team Stronach und bei Abgeordneten der ÖVP.)

10.41


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Dr. Belakowitsch-Jenewein. – Bitte.

 


10.41.46

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Frau Kollegin Dietrich, Sie waren zwar als Kontrarednerin einge­tragen, haben aber gesagt, Sie sehen das Gesetz sehr positiv. Wir sind Proredner, sehen es nicht ganz so positiv, aber doch als einen Schritt in die richtige Richtung, der durchaus Verbesserungen enthält, vor allem auch deshalb, weil das Gesetz unseres Erachtens praxisnäher ist und sich insgesamt sowohl im Sinne der Arbeitgeber als auch im Sinne der Arbeitnehmer vor allem an der Praxis orientiert.

Zu den Ausführungen des Kollegen Loacker, was die Rückzahlung von Ausbildungs­kosten betrifft, möchte ich schon Folgendes sagen: Ganz ehrlich, wenn ich jetzt Mitarbeiter so unter Druck setze, dass ich sage, sie müssen die Ausbildungskosten


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zurückzahlen, dann ist dieser finanzielle Druck für einen Mitarbeiter vielleicht ein Grund dafür, dass er in der Firma bleibt, an einem Arbeitsplatz bleibt, der ihm möglicherweise gar keinen großartigen Spaß macht (Zwischenruf des Abg. Loacker), und die Folgekosten dessen können dann noch viel, viel größer sein.

Also ich glaube, man muss das schon auch ein bisschen mit Augenmaß betrachten. Es ist ja jetzt nur um ein Jahr versetzt, das heißt, das ist jetzt keine großartige Änderung; ganz so ist es ja jetzt nicht. Daher habe ich die Kritik, die Sie geübt haben, nicht ganz verstanden.

Herr Bundesminister, im Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz ist ja auch das Insol­venz-Entgeltsicherungsgesetz enthalten. Sie wissen – wir haben es auch schon im Ausschuss gesagt –, leider Gottes haben wir jetzt eine Insolvenzwelle erleben müssen, und das kurz vor Weihnachten, ausgehend von Zielpunkt, wo über 2 500 Mitar­beiterInnen jetzt sowohl das Novembergehalt als auch das 14. Gehalt, nämlich das Weihnachtsgeld, nicht bekommen haben. Wir haben von Anfang an darauf hinge­wiesen, und zwar schon in den letzten Sitzungen, dass es die Möglichkeit geben soll, dass für diese MitarbeiterInnen der Bund – sprich: Ihr Ressort – das Geld vorschießt und sich dann das Geld vom Insolvenz-Entgelt-Fonds zurückholt.

Das Problem daran ist nämlich: Wir stehen kurz vor Weihnachten, das ist eine Zeit, in der sich viele Leute eigentlich nicht nur das tägliche Leben nicht leisten können, son­dern auch die Weihnachtsgeschenke für ihre Kinder nicht mehr kaufen können, weil sie das Geld dafür nicht haben. Und das Geld, von dem wir sprechen, wird erst irgendwann nach Weihnachten überwiesen werden. Sogar Wolfgang Pfabigan vom Insol­venz-Entgelt-Fonds hat gesagt, dass es sich vor Weihnachten nicht mehr ausgehen wird.

Sie, Herr Bundesminister Hundstorfer, sind jetzt hergegangen und haben mit den vier größten Banken Österreichs einen Kulanzweg beschlossen beziehungsweise be­sprochen. Das mag sein. Offen bleibt in diesem Zusammenhang aber: Was ist mit den Mitarbeitern bei Zielpunkt, die bereits jetzt ihr Konto überzogen haben, die gehofft haben, dass mit dem Weihnachtsgeld ihr Konto wieder abgedeckt wird? Das alles ist ja irgendwie in Schwebe.

Außerdem gibt es sehr viele Menschen, die nicht bei den vier großen Banken Kunden sind, sondern die sonst wo – zum Beispiel bei der Sparkasse Melk – ihr Konto haben. Das heißt, das ist nicht unbedingt so ein großartiger oder toller Weg. Vor allem stellt sich schon auch die Frage: Was bleibt denn zinsfrei? Dürfen diese Leute jetzt nur zwei Gehälter überziehen und diese bleiben zinsfrei? Für alles andere, was überzogen wird, werden dann Zinsen eingehoben? Also das alles ist sehr eigenartig.

Dazu kommt noch, dass diese Menschen möglicherweise noch andere Probleme ha­ben wie etwa einen Privatkonkurs. Wir kennen ja all diese Geschichten. Also es funktioniert so nicht. Ich glaube, der einfachere Weg wäre gewesen, wenn Sie, Herr Bundes­minis­ter, da wirklich in einer sozialen Art und Weise kurz vor Weihnachten eingesprungen wären.

Es ist ja deswegen so eine – ich sage jetzt einmal – unangenehme Geschichte, weil es unmittelbar vor Weihnachten passiert ist. Gott sei Dank passieren nicht alle Insol­venzen wenige Wochen vor Weihnachten.

Im Hinblick darauf bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Überbrückungsgesetz zur unmittelbaren Auszahlung von Ansprüchen an Anspruchs­berechtigte nach dem Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 47

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Vor dem Hintergrund der Zielpunkt-Insolvenz wird die Bundesregierung aufgefordert, dem Nationalrat“

(Bundesminister Hundstorfer: Das ist ja alles erledigt!) –

„eine Regierungsvorlage zum Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz (IESG) zuzuleiten, die zum Inhalt hat, dass für den BM für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz eine Rechtsgrundlage geschaffen wird, um im Falle einer Insolvenz offenkundig bestehende Ansprüche von Arbeitnehmern im Wege von Überbrückungszahlungen rasch und unbürokratisch vorzufinanzieren. Des Weiteren soll die Regierungsvorlage eine Gegen­verrechnungsgrundlage zu Lasten des Insolvenzentgeltfonds beinhalten.“

*****

Herr Bundesminister, Sie sagten jetzt hinter mir auf der Regierungsbank, es sei erledigt. – Nein, das ist es nicht! Es ist nicht erledigt. (Bundesminister Hundstorfer: Oja!) Nein, es ist nicht erledigt! Zum einen haben die MitarbeiterInnen das Geld vom Insolvenz-Entgelt-Fonds noch nicht, und selbst wenn sie es noch kurz oder wenige Tage vor Weihnachten bekommen, muss man sagen: Wissen Sie eigentlich, wie viele Menschen jetzt schon nicht mehr wissen, wie sie Weihnachtsgeschenke einkaufen sollen? Am 24. Dezember ist es für diese Leute leider zu spät. Daher wäre es ja so notwendig gewesen, das schon viel früher zu machen, anstatt sich jetzt hinzustellen und zu sagen: Es ist eh alles auf Schiene! – Und wie viele Leute werden dann das Geld Ende Dezember/Anfang Jänner bekommen?

Ich weiß schon, dass die Menschen nicht prinzipiell ums Geld umfallen, aber wissen Sie, wir stehen kurz vor Weihnachten, und vielleicht sollten Sie einmal ein bisschen nachdenken und Folgendes mit überlegen: Das sind ja nicht Leute mit einem großen Einkommen, die haben nicht die Möglichkeit, dass sie Geld auslegen, dass sie jetzt alles so locker vorfinanzieren.

Genau da gilt es meines Erachtens anzusetzen, und daher halten wir diesen Weg für so wichtig. (Beifall bei der FPÖ.)

10.47


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Peter Wurm und weiterer Abgeordneten betreffend Überbrückungsgesetz zur unmittelbaren Auszahlung von Ansprüchen an Anspruchsberechtigte nach dem Insolvenzentgelt-Sicherungsgesetz

eingebracht in der 109. Sitzung des Nationalrates am 10. Dezember 2015 im Zuge der Debatte zum Tagesordnungspunkt 1: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (903 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertrags­rechts-Anpassungsgesetz, das Angestelltengesetz, das Gutsangestelltengesetz, das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, das Betriebspensionsgesetz, das Ar­beits­zeitgesetz, das Arbeitsruhegesetz und das Kinder- und Jugendlichen-Beschäfti­gungsgesetz 1987 geändert werden (Arbeitsrechts-Änderungsgesetz 2015) (948 d.B.)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 48

Das laufende Insolvenzverfahren der Firma Zielpunkt und die Abwicklung der An­sprüche der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zeigt wieder einmal auf, dass sich die Betroffenen einem Verfahren, das mehrere Wochen und Monate dauern kann, zu unterziehen haben, bis sie schlussendlich ihre ausstehenden Gehälter, Weihnachts- und Urlaubsgelder durch den Insolvenzentgeltfond ausbezahlt bekommen.

Der überwiegende Teil dieser Anspruchsberechtigten wird durch ausstehende Zahlun­gen so in eine finanziell existenzgefährdende Lage gebracht, und kann oft die Bedürf­nisse des täglichen Lebens, wie Miete, Betriebskosten oder Nahrungsmittel nicht mehr finanzieren.

Auch die auf dem „Kulanzwege“ zwischen Bundesminister Rudolf Hundstorfer und den österreichischen Banken ausgehandelte Regelung der Einräumung von Überziehungs­rahmen auf ihren Bankkonten für die Betroffenen, ist hier keine entsprechende Lösung, da sie vom ausschließlichen Wohlwollen des Bankensektors und der individuellen Handhabe durch die jeweiligen Bankinstitute bzw. Bankfilialen abhängt.

Um eine für die Betroffenen entsprechend zufriedenstellende Regelung zu treffen, die ihrer ökonomischen und sozialen Stellung entspricht, sollte das Insolvenz-Entgeltsiche­rungsgesetz (IESG) dahingehend novelliert werden, dass für den BM für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz eine Rechtsgrundlage geschaffen wird, um im Falle einer  Insolvenz offenkundig bestehende Ansprüche von Arbeitnehmern im Wege von Überbrückungszahlungen  rasch und unbürokratisch vorzufinanzieren. Des Weiteren soll die Regierungsvorlage eine Gegenverrechnungsgrundlage zu Lasten des Insol­venzentgeltfonds beinhalten.

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Vor dem Hintergrund der Zielpunkt-Insolvenz wird die Bundesregierung aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zum Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz (IESG) zuzuleiten, die zum Inhalt hat, dass  für den BM für Arbeit, Soziales und Kon­sumentenschutz eine Rechtsgrundlage geschaffen wird, um im Falle einer  Insolvenz offenkundig bestehende Ansprüche von Arbeitnehmern im Wege von Überbrückungs­zahlungen rasch und unbürokratisch vorzufinanzieren. Des Weiteren soll die Regie­rungsvorlage eine Gegenverrechnungsgrundlage zu Lasten des Insolvenzentgeltfonds beinhalten.“

*****

 


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Doppler. – Bitte.

 


10.47.28

Abgeordneter Rupert Doppler (ohne Klubzugehörigkeit): Frau Präsidentin! Herr Minister! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Insgesamt werden mit dem vorliegenden Arbeitsrechts-Änderungsgesetz 2015 acht Gesetze geändert. Im Kon­kreten dürfen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer künftig die tägliche Höchst­arbeitszeit um bis zu zwei Stunden überschreiten – außer Berufskraftfahrer, wenn es sich um eine aktive Reisezeit handelt. Frau Kollegin Schatz, ich glaube, du hast das nicht ganz richtig verstanden. (Abg. Schatz: Doch, habe ich!)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 49

Auch Lehrlinge über 16 Jahre können in Zukunft unter bestimmten Umständen länger arbeiten, nämlich dann, wenn passive Fahrzeiten, etwa aufgrund von Montagearbeiten, anfallen.

Dieses Gesetz hat sehr gute Ansätze, denn bisher verhielt es sich folgendermaßen: Wenn ein Maurer, ein Tischler, ein Zimmerer oder ein Schlosser auf Montage war und einen Lehrling mithatte, musste der Lehrling zusehen, bis der Arbeiter die Arbeiten fertig gemacht hat, wenn es notwendig war, und dann fuhren sie gemeinsam mit dem Firmenfahrzeug wieder zurück.

Wichtig dabei ist, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass das Arbeitszeit ist. Das ist Arbeitszeit! Das hat auch Kollege Wöginger gesagt. Das ist gescheit, denn auf dem Land – und das weißt du, Frau Kollegin Schatz, selbst ganz genau – geht nicht von der Baustelle ein öffentliches Verkehrsmittel weg, sodass der Lehrling früher heim­fahren könnte, sondern er muss warten, bis der Geselle fertig ist, und anschließend fahren sie dann gemeinsam wieder zur Firma zurück. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Schatz.)

Sehr geschätzte Frau Kollegin Schatz, so ist es, und das müsstest du eigentlich wis­sen, denn soweit ich weiß, kommst du aus Salzburg, und du weißt, dass auf dem Land nicht überall sehr gute Verbindungen vorhanden sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, meiner Meinung nach enthält dieses Gesetz sehr gute Ansätze. Gute Ansätze sind auch bei den All-in-Verträgen zu erkennen. Ich glaube daher, dass sich dieses Gesetz in dieser Form durchaus sehen lassen kann. – Herzlichen Dank. (Beifall beim Team Stronach und bei Abgeordneten von SPÖ und ÖVP.)

10.49


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Schopf. – Bitte.

 


10.49.39

Abgeordneter Walter Schopf (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Liebe Kollegin­nen und Kollegen! Ich möchte auf ein paar Vorredner und Vorrednerinnen eingehen.

Zum Ersten: Herr Loacker, Sie sprechen über Arbeitszeitregelungen, über Flexibilisie­rung, haben aber in Wirklichkeit keine Ahnung – keine Ahnung! Es gibt eine Menge von Regelungen in den verschiedensten Kollektivverträgen, wo Flexibilisierungsmöglich­keiten gegeben sind, die Sie anscheinend nicht kennen.

Ich glaube, auch viele Arbeitgeber kennen sie nicht. Wir wissen genau, in welchen Unternehmungen diese Regelungen angewendet werden. Und ich sage Ihnen: Es sind relativ wenige Betriebe. Wir haben viele Möglichkeiten der Flexibilisierung in den Kollektivverträgen. Wir haben vor wenigen Wochen im Bereich der Metallindustrie wieder eine große Regelung der Flexibilisierung mit den Arbeitgebern vereinbart, die in Ordnung ist.

Wofür wir von der Sozialdemokratie aber nicht stehen, Herr Loacker, ist das, was Sie wollen. In Wirklichkeit sind Sie nämlich quasi der Interessenvertreter der Arbeitgeber – nur der Arbeitgeber! Arbeitnehmeranliegen sind Ihnen ja nicht wichtig. (Zwischenruf des Abg. Loacker.) Sie wollen, dass die Menschen länger arbeiten, Sie wollen, dass keine Überstundenzuschläge bezahlt werden. Das ist Ihr Interesse, und das lehnen wir von der Sozialdemokratie entschieden ab! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, zum Antrag der FPÖ, mit dem quasi eine neue Überbrückungsmöglichkeit geschaffen werden soll, dass Insolvenzen schneller oder besser abgewickelt werden: Ich denke, das Problem dabei ist, dass da eine zweite,


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 50

eine Parallelschiene zum Insolvenzfonds gelegt werden müsste, die eine Menge Geld kostet. Ich sehe dazu keinen Anlass, weil das heutige System ohnehin gut funktioniert. Es gibt dafür viele Beispiele in dieser Republik. Ich bin selbst jahrzehntelang bei Insolvenzabwicklungen dabei gewesen. Wir sind als Gewerkschaften, als Betriebsrätin­nen und Betriebsräte oder als Arbeiterkammer eigentlich tagtäglich bei den Betriebs­versammlungen, ob das die Alpine, ob das kleinere Unternehmungen, ob das FMT oder jetzt Zielpunkt betrifft – aber von den Freiheitlichen sehen wir dort niemanden! Niemanden! (Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Es sind die Betriebsräte/Betriebsrätinnen und Gewerkschafter/Gewerkschafterinnen, die jetzt bei Zielpunkt versuchen, für über 2 700 Kolleginnen und Kollegen vorerst einmal die Unterschrift zu kriegen. (Anhaltende Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ, das ist sehr kompliziert und schwierig. Denn: Es sind Kolleginnen und Kollegen in Karenz, es befinden sich auch einige Kolleginnen und Kollegen im Urlaub, einige sind im Krankenhaus oder im Krankenstand. Man muss jedem Einzelnen beistehen, ihn über sämtliche Dinge beraten und dann auch dafür sorgen, dass die rechtlichen Voraussetzungen gegeben sind. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Und wenn der Antrag gestellt ist, dann arbeiten die Kolleginnen und Kollegen im Fonds, und zwar vorzüglich – ein herzliches Dankeschön! In wenigen Tagen, in wenigen Wochen – in Oberösterreich ist die Frist zurzeit 28 Tage – werden die Ge­hälter aus dem Fonds ausbezahlt. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Da ist Weihnachten schon vorbei!)

Und jene Maßnahmen, die unser Herr Minister in den letzten Wochen vereinbart hat, sind großartig. Danke, Herr Minister! Die Kolleginnen und Kollegen von Zielpunkt danken Ihnen, dass es möglich geworden ist, dass die Gelder nicht nur unbürokratisch, sondern vor allem auch schnell ausbezahlt werden. (Weiterer Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wissen aufgrund der heutigen Informationen, dass die Löhne beziehungsweise die Gehälter und auch das Weihnachtsgeld deutlich vor dem Heiligen Abend ausbezahlt werden. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: In zwei Wochen ist Heiliger Abend! Was heißt da „davor“!)

Ein Punkt, auf den die Freiheitlichen nicht eingegangen sind, den wir als Sozial­demo­kraten aber als ein großes Problem ansehen, gerade auch bei Zielpunkt, ist folgender: Es geht um 69 junge Menschen, um 69 Lehrlinge, die keine Chance mehr haben, ihren Lehrberuf bei Zielpunkt fertig zu lernen. Es war wieder Minister Hundstorfer, der zu anderen Handelsunternehmungen – und ich nenne sie beim Namen: REWE, Spar, Hofer, Lidl – mit der Bitte gepilgert ist, diese 69 Lehrlinge zu übernehmen. (Neuerliche Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Meine Damen und Herren, es ist mit gestrigem Tag gelungen, dass alle 69 Lehrlinge von Zielpunkt in Zukunft die Möglichkeit haben, in diesen Betrieben ihren Lehrberuf fertig zu lernen.

Herr Minister, dafür ein herzliches Dankeschön! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

10.54


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Groiß. – Bitte.

 


10.54.15

Abgeordneter Ing. Mag. Werner Groiß (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörer auf der Galerie, insbesondere


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 51

jene vom Seniorenbund Gars am Kamp! Ich freue mich, dass ihr mich heute besuchen gekommen seid. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Loacker.)

Wenn man, so wie ich, regelmäßig Betriebsbesuche macht und mit den Unternehmern und ihren Mitarbeitern spricht, dann muss man sagen: Ich glaube, ich lebe in einer Parallelwelt von jener der Frau Kollegin Schatz, denn in den Betrieben hören wir regelmäßig Klagen, regelmäßig Beschwerden, warum das Recht nicht so gestaltet wer­den kann, wie Arbeitgeber und Arbeitnehmer das gemeinsam wollen. Wir haben diese Beschwerden eingesammelt, weitergeleitet, in die Verhandlungen eingebracht, und in dem Arbeitspaket sind jetzt sehr viele Punkte für die Arbeitgeber, aber auch für die Arbeitnehmer zustande gekommen. Auch wenn das nicht alles sein soll, wie Kollege Loacker gerade deutet, aber es geht massiv in die richtige Richtung.

Als KMU-Vertreter freut es mich ganz besonders, dass die Arbeitszeitflexibilisierung im Zusammenhang mit Montagen erweitert worden ist, und zwar auch für Lehrlinge, denn es wäre für ein Waldviertler Unternehmen unmöglich, eine Montage in Wien durch­zuführen, wenn man nur für acht Stunden, in die die Fahrzeiten miteingerechnet sind, einchecken kann. Dadurch würde eine ganze Region vom Arbeitsmarkt abgeschnitten werden.

Auch die Flexibilisierung in der Gastronomie entspricht den Wünschen von Arbeit­nehmern und Arbeitgebern, denn die Leute wollen geblockt arbeiten, damit sie nachher auch geblockt mehr Freizeit konsumieren können. Wenn wir danach im Sozialrechts-Änderungsgesetz die Vorziehung des Wegfalls der täglichen Geringfügigkeitsgrenze beschließen – auch das ist ein Wunsch von Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Das heißt, wir haben heute bei der Beschlussfassung sehr viele Punkte, die beiden Seiten massiv helfen.

Auch die Wünsche der Arbeitnehmer wurden berücksichtigt. 99 Prozent der Unter­nehmen stellen jetzt schon einen Lohnzettel aus. Die Frage, ob wir für 1 Prozent der Unternehmen eine gesetzliche Regelung brauchen, stellt sich hier zwar, aber es stört nicht, weil es im Prinzip ohnehin alle machen. Aber auch die Konkurrenzklausel für eine Flexibilisierung des Arbeitsmarktes ist okay und ist im Paket mitzutragen. Ich bedanke mich für dieses Gesetzespaket, weil es für beide Seiten sinnvoll ist. Deshalb hat es auch unsere Unterstützung.

Wenn man aber in die Bevölkerung hineinhorcht, so hört man von den Leuten, von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, das, was Kollege Wöginger schon gesagt hat, nämlich: Das Thema Mindestsicherung wurmt massiv! Es muss möglich sein, Arbeit so zu gestalten, dass beide Seiten es wollen, es muss aber so sein, dass es sich wesent­lich mehr auszahlt, zu arbeiten, als dem Arbeitsmarkt nicht zugänglich zu sein. Daher sollte man die Unterstützung des ÖVP-Papiers zur Änderung der Mindestsicherung unbedingt vorantreiben.

Als letzten Punkt möchte ich aber noch im Zusammenhang mit den Insolvenzen danke sagen. Minister Hundstorfer hat sich wirklich massiv ins Zeug gelegt, dass da etwas weitergeht. Es muss sein, dass es vor allem dann, wenn es um Sanierungsverfahren geht, wenn da etwas weitergehen soll, wenn die Arbeitsplätze erhalten werden sollen, zu raschen Auszahlungen kommt, dass die Arbeitnehmer rasch zu den ihnen zuste­henden Löhnen kommen, damit die Unternehmen weitergeführt werden können und die Arbeitsplätze erhalten bleiben. Für diese Aktion bei den Unternehmen, die jetzt ge­rade aktuell stattfindet, bedanke ich mich herzlich und freue mich, dass wir in dieser Richtung weiterarbeiten können. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Muchitsch.)

10.57



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 52

Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete Fichtinger gelangt als Nächste zu Wort. – Bitte.

 


10.58.14

Abgeordnete Angela Fichtinger (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minis­ter! Sehr geehrte Besucher auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Das uns vorliegende Arbeitsrechts-Änderungsgesetz sieht Anpassungen und Maßnahmen vor, welche eigentlich im Regierungsprogramm eingearbeitet wurden. Ein ganzes Bündel an Maßnahmen und Änderungen wird mit diesem Gesetz beschlossen, und es wird speziell auf die Bedürfnisse der Arbeitnehmer und der Unternehmer abgestimmt.

Kollege Wöginger hat schon die ziffernmäßige Ausweisung des Grundlohnes bei All-in-Verträgen erwähnt. Das wird auf jeden Fall zur Verbesserung der Transparenz beitragen, um Unrechtmäßigkeiten zu verhindern.

Weil Herr Kollege Loacker angesprochen und ein bisschen belächelt hat, dass Aus­schreibungen, in denen es um Vollzeitbeschäftigung geht, jetzt im Betrieb wirklich bekanntgemacht werden müssen und dass auch Teilzeitbeschäftigte davon informiert werden müssen: Das ist gut so, denn speziell bei größeren Unternehmen ist es immer schwierig, dass alle die Information bekommen. Speziell für Frauen ist es wichtig, dass sie darüber informiert werden, denn vielleicht überlegen sie sich, doch in ein Vollzeit­beschäftigungsverhältnis einzusteigen.

Was die Flexibilisierung der Arbeitszeit betrifft, so hat schon Kollege Groiß betont: Es wäre unmöglich, wenn die Arbeitszeit nicht flexibler wäre. Wir erleben es jetzt schon: Es ist schwierig für Lehrlinge, Lehrstellen zu finden, es ist aber noch viel schwieriger für Unternehmer, Lehrlinge zu finden, und wenn wir nicht ein bisschen offener auf diese Sache zugehen, dann wird es nicht einfacher für die Wirtschaft.

Ein kurzes Wort auch noch zum Thema Mindestsicherung – Kollege Wöginger hat es schon besonders deutlich angesprochen –: Wir müssen in Zukunft mehr darauf schauen – das erwartet sich die Bevölkerung ganz einfach –, dass diese Deckelung erfolgt und dass der Unterschied zwischen dem, was jemand bekommt, wenn er in der Mindestsicherung ist, und dem, was jemand bekommt, der arbeiten geht, etwas größer wird. Sonst würden viele fragen: Warum gehe ich überhaupt noch arbeiten?

Es wird in Zukunft auch Anreize geben müssen, den Wiedereinstieg zu erleichtern. Etwas in dieser Richtung zu tun ist einfach notwendig. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

11.00


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister Hundstorfer gelangt als Nächster zu Wort. – Bitte.

 


11.00.59

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Frau Präsidentin! Meine werten Damen und Herren! Liebe Abgeordnete! Ich möchte auf ein paar Dinge eingehen und diese klarstellen.

Frau Abgeordnete Schatz, wir verlängern nicht die Arbeitszeit, wir verlagern sie. Nichts anderes. Und dieses Verlagern ist auch ein massiver Wunsch der betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Sie sollten einmal in die Praxis von Montagen gehen und mit den dort Beschäftigten reden. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und NEOS. – Abg. Schatz: Sie verlängern die tägliche Höchstarbeitszeit!)

Sie sollten einmal mit den Beschäftigten reden und ihnen erklären, warum man, wenn man nur eine Dreiviertelstunde nach Hause hat, nicht nach Hause fahren darf, weil man sonst seine tägliche Höchstarbeitszeit überschreitet. Ich habe mit vielen dieser


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 53

Leute geredet, nicht nur mit den Arbeitgebern, sondern auch mit vielen betroffenen Montage-Partien. (Präsident Kopf übernimmt den Vorsitz.)

Bei den Lehrlingen machen wir in Wirklichkeit nichts anderes – ich sage das hier in aller Offenheit –: Wir legalisieren einen Zustand, wir legalisieren etwas, was de facto vielfach schon stattgefunden hat. (Abg. Schatz: Ein bisschen ein Armutszeugnis, oder?) – Es geht nicht darum, ob etwas ein Armutszeugnis ist, sondern es geht darum, wie jemand als Lehrling eine Teilhabe am Erwerbsleben haben kann, wenn seine Firma im tiefsten Asparn an der Zaya ist und er in Wien auf einer Baustelle arbeitet. (Demonstrativer Beifall des Abg. Doppler.)

Dieser Lehrling kommt halt nicht mit einem Öffi heim, weil es kein Öffi gibt, das dorthin fährt. Das ist ein solches Beispiel, ich kann Ihnen hier viele aufzählen. Es ist halt ein Unterschied, ob man im Ballungsraum tätig ist, denn da kann ich den Lehrling in den Bus setzen, in die S-Bahn setzen, in die U-Bahn setzen. Oder man ist ein Lehrling aus einer Baufirma irgendwo aus dem Burgenland, aus Niederösterreich, und man arbeitet in Wien auf einer Baustelle. Das Gleiche gilt für Oberösterreich, nach Linz und so weiter. Da können wir jedes Bundesland durchspielen.

Darum geht es! Es geht schlichtweg darum, dass auch Lehrlinge ganz legal mitge­nommen werden, ganz legal ihre Ausbildung machen und auch entsprechend nach Hause fahren können.

Folgendes möchte ich schon auch festhalten, Herr Abgeordneter Loacker: Dass von Ihnen eine gewisse Kaltschnäuzigkeit kommt, weil die neoliberale Grundeinstellung nicht zu verheimlichen ist, das verstehe ich ja noch, aber erklären Sie den 120 000 Teil­zeitbeschäftigten, die eine Vollzeitstelle suchen, dass das, was wir hier machen, eine angebliche Überbürokratisierung ist! Es geht schlichtweg darum, dass wir nicht nur das, was wir bei ein paar großen Handelsfirmen haben, machen. Bei ein paar großen Handelsfirmen haben wir natürlich zwischenzeitlich Betriebsvereinbarungen, dass intern zuerst ausgeschrieben wird und dann erst extern gesucht wird. Das gibt es bei ein paar großen Handelsfirmen.

Aber wir wollen das in allen Strukturen haben. Da geht es nicht um Bürokratie, sondern da geht es per Knopfdruck, ein E-Mail, oder ein Aushang, und die Sache ist erledigt. Das ist doch in der heutigen Zeit keine Bürokratie, dass man ein E-Mail versendet. Das kann es doch nicht sein!

Es geht auch schlichtweg darum, dass wir das, was wir bei den Saisonbetrieben – Frau Schatz, für Sie als Antwort – machen, auch da machen. Das ist ein massiver Wunsch beider Seiten. Bei mir war die Gewerkschaft, bei mir war die Wirtschaftskammer. Wissen Sie, was der Riesenunterschied ist? Die sind gemeinsam gekommen und haben gesagt: Du, wir haben da ein Problem! – Ich bin durch Zufall mit allen per Du, sowohl als auch.

Die haben gesagt: Du, wir haben ein Problem, und dieses Problem wollen wir für die Saisonbetriebe lösen, da wollen wir es lösen! – Das haben wir gemeinsam gemacht, gemeinsam zusammengebracht, und heute liegt es auf dem Tisch. (Abg. Schatz: Ruhezeitenausgleich am Ende der Saison! Also bitte!) – Und heute liegt es auf dem Tisch. Sie haben sich gemeinsam geeinigt, alle Beteiligten, und ich glaube, es wird auch ein gutes Modell werden.

Betreffend Mindestsicherung, so glaube ich, sind wir uns einig. Da gibt es viele Termine. Es ist ja nicht so, dass ich auf einen ÖVP-Brief warte – das wäre lächerlich –, sondern ihr wisst ganz genau, dass wir mit den Ländern verhandeln, ihr wisst ganz genau, dass wir mit den Ländern im Gespräch sind. Und ihr wisst auch ganz genau, dass das, was heute schon alles möglich ist, nur gemacht werden muss.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 54

Das ist einer der Punkte, wo wir natürlich auch innerhalb der Länder wissen müssen, was geschieht. In Oberösterreich hat zum Beispiel das AMS heuer schon 769 Mal ein AMS-wertiges Vergehen an die Bezirksverwaltungsbehörden gemeldet. 769 Mal! Aber ich garantiere euch, das Land Oberösterreich weiß nicht, was die Bezirkshauptmann­schaften X, Y und Z daraus gemacht haben, weil das in deren Wirkungsbereich ist, weil das die BH in ihrem Wirkungsbereich alleine machen kann. Das Einzige, wo wir alles wissen, ist Wien, denn das ist eine Bezirkshauptmannschaft, ein Magistrat; da ist nur ein Knopfdruck notwendig, und wir wissen, was los ist. Übrigens: 6 300 Mal hat die – heute – MA 40 heuer schon die BMS gesperrt; einen Prozentsatz davon auf ewig. (Zwischenruf des Abg. Peter Wurm.)

Jetzt kommen wir zum „Zielpunkt“. Meine Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei, ich verstehe natürlich die Sorge, die Sie haben, auch um die Menschen. Das verstehe ich schon. Aber was bedeutet der Vorschlag, den Sie hier machen? – Dieser Vorschlag bedeutet – das wurde Ihnen schon erklärt (Abg. Kitzmüller: Das haben wir Ihnen auch schon erklärt!) – zusätzliche Bürokratie, denn man braucht, ob man will oder nicht, von jedem Betroffenen eine Unterschrift. Von jedem! Um ihm Steuergeld vorzufinanzieren, braucht man eine Unterschrift. Von jedem!

Wir haben zum Beispiel jetzt die Situation, dass wir beim „Zielpunkt“ erst von 2 500 Men­schen eine Unterschrift haben, obwohl es 2 788 Betroffene sind. – Das ist einmal Punkt eins.

Punkt zwei: Ich brauche eine Prüfung der Lohnunterlagen. In diesem Fall ist ja alles vorhanden, weil es zum Glück eine sehr, sehr gut funktionierende Lohnverrechnung ist. Ich brauche eine Prüfung der Lohnunterlagen: Ist es dieser Mensch? Das brauche ich.

Demzufolge haben wir einen anderen Weg gewählt. Wir haben den Weg gewählt, dass das mit allen Banken, auch mit der kleinsten Bank in Buxtehude, ausgemacht wurde, denn die Banken, die Sparkassen sind in einer Gruppe organisiert, und wenn man sich mit der Obersparkasse etwas ausmachst, ist das für alle gültig. Beim Raiffeisensektor ist das etwas komplizierter, aber auch da geht es.

Demzufolge haben wir mit allen Bankinstituten vereinbart, dass es, wenn Mitarbeiter von „Zielpunkt“ kommen, etwas gibt. Das hat auch zu 99,9 Prozent funktioniert. Ich selber habe am dritten Tag der Aktion sogar eine Bankdirektion angerufen und habe gesagt: Bitte, macht etwas!

Wir haben folgendes Problem – das ist aufgetaucht; Sie haben das angeschnitten –: einen Privatkonkurs. Beim Privatkonkurs darf die Bank jemandem gar nichts mehr auszahlen. Wenn er im Abschöpfungsverfahren ist oder im Zahlungsplan – ist es wurscht –, die Bank darf ihn nicht überziehen lassen.

Was haben wir gemacht? – Der Betriebsratsfonds ist mit einer Vorlage eingesprungen. Die Menschen haben sich an den Betriebsratsfonds gewendet, haben alles vereinbart, haben dort eine gewisse Vorlage bekommen, ohne ihre Privatkonkursvereinbarungen zu konterkarieren. Ich verletze jetzt nicht den Datenschutz, aber in dieser Gruppe von Menschen sind auch Menschen enthalten, die sogenannte Vormerkungen haben. Ich glaube, die anwesenden Insider wissen, was ich meine. Auch da darf das Lohnbüro gar nicht den vollen Betrag auszahlen, weil es diese Vormerkung gibt. Demzufolge müsste man, muss man auch bei jedem prüfen: Was heißt das? Was tut sich da? Wo ist der Bescheid? Und, und, und.

Um all das zu umgehen, haben wir das so gewählt: Die Banken zahlen einstweilen aus. Das hat auch zu 99,9 Prozent funktioniert. Die ganz wenigen Fälle – es ist leider nicht nur ein Privatkonkursfall darunter, sondern es sind leider einige – wurden über den Betriebsratsfonds abgefedert, wenn es notwendig war. Selbstverständlich ist das,


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 55

was überzogen wird, ohne Zinsenbelastung. Wenn jemand bereits im Minus war, dann hat er davon ohnehin schon Zinsen bezahlt, aber das, was dazukommt, wird nicht mehr belastet. (Beifall bei der SPÖ.)

Was wir noch tun, ist: Gas geben! Meine sehr geehrten Damen und Herren von den Freiheitlichen, ich mache jetzt keinen politischen Schmäh, wirklich nicht, aber Sie haben gerade gesehen, dass ich einen Zettel bekommen habe (ein Blatt Papier in die Höhe haltend): Der Masseverwalter hat jetzt alles anerkannt. (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ sowie Beifall bei der ÖVP.)

Ich sage es Ihnen gleich: Das ist keine Show-Partie, sondern wir sind … (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch-Jenewein.– Nein. Wurscht, Ihr Antrag oder nicht, sondern es geht schlichtweg darum – und das war vom ersten Tag an unsere Prämisse –, dass die Menschen das ausständige Geld, das wir jetzt ad hoc auszahlen müssen, vor Weihnachten bekommen. Die Menschen bekommen ja noch einmal Geld von uns, nämlich jene 560, die in der Abfertigung Alt drinnen stecken. Alle Zeitguthaben werden erst abgerechnet, alle Urlaubsabfindungen werden erst abgerechnet, auf Fach­chine­sisch: sämtliche Beendigungsansprüche. Die können erst abgerechnet werden, wenn das Unternehmen beendigt ist, und das Unternehmen ist noch nicht beendigt, denn alle Filialen sind offen und bleiben es auch bis Ende des Jahres. Dann wird man sehen, wie es weitergeht.

Demzufolge werden wir bis Ende nächster Woche an alle auszahlen, von denen wir Anträge haben – damit es da jetzt ja kein Missverständnis gibt –: Wir haben 2 479 An­träge. Die Differenz auf 2 788 sind unter anderem 200 Karenzen. Die bekommen ja nichts, haben ja keinen Entgeltanspruch, haben nur Beendigungsansprüche – aber das ist eine andere Geschichte. Und dann steckt noch etwas drinnen, wo wir nicht genau wissen, warum sich die noch nicht gemeldet haben. Das heißt: Rund 2 500 Menschen haben spätestens Ende nächster Woche ihr Geld. Dann ist das in einer Blitzaktion erledigt – dank der tollen Arbeit des ISA, dank der tollen Arbeit der Betriebsräte, dank der tollen Arbeit des Masseverwalters und auch von der Gruppe des Masseverwalters, der die Personalangelegenheiten abwickelt, und auch dank der tollen Arbeit des Insolvenzentgeltfonds. Alle haben zusammengearbeitet und tun das natürlich auch weiterhin.

Das muss ich auch sehr offen sagen: Wir haben Riesenglück, dass die Lohnverrech­nung in einem hervorragenden Zustand ist. Das muss man auch dazusagen, bei aller Kritik, die wir sonst an der Gruppe haben, aber die Lohnverrechnung ist okay.

Wir haben bei Schirnhofer das Gleiche gemacht. Bei Schirnhofer sind es 287 Mitarbei­terinnen und Mitarbeiter, die auch kein Geld bekommen haben. Auch da ist in der Steiermark vereinbart worden, dass mit den Raiffeisenbanken, Volksbanken und allem, was es da so gibt in der Steiermark – es sind ja alles nur Steirer, noch dazu relativ in einem Gebiet –, Zusammenarbeit besteht und dass die Menschen das auch alles von den Banken so bekommen. Bei Schirnhofer brauchen wir ein bisschen länger, denn da fand erst gestern die Betriebsversammlung statt, wurden gestern Unterschriften ein­kassiert, und, und, und. Das wird um eine Spur länger dauern. Aber auch da bekom­men die Menschen vor Weihnachten über diesen Weg ihr Geld.

Die dritte Insolvenz betrifft die Firma AGO. Ich sage Ihnen ganz offen – Sie werden es schon fünfmal gelesen haben –, dass die sagt: Wir sind in Insolvenz! Aber wenn Sie zum Handelsgericht Wien gehen, werden Sie draufkommen, da ist noch nichts abge­geben. Da wissen wir zwar, um wen es geht, aber wir können überhaupt nichts tun. Ich hoffe, dass die Firma heute die Erklärung abgibt. Das hat sie medial schon zweimal angekündigt. Ich hoffe, dass sie das wirklich tut, denn ohne das kann man schon gar nichts machen. Bei der Firma AGO sind wir auch dabei, das Gleiche zu vereinbaren.


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Es sind auch dort über 200 Menschen, die natürlich einen Anspruch auf die aus­stehenden Zahlungen haben.

Das heißt: Wir versuchen, hier sehr, sehr rasch zu sein. Wenn die Lohnverrechnungen gut funktionieren, dann sind wir sehr rasch. Bei vielen Insolvenzen können wir deshalb nicht rasch sein, weil ganz einfach gewisse Unterlagen nicht vorliegen. Das ist zum Glück bei den jetzigen Insolvenzen nicht der Fall, da ist alles vorhanden.

Langer Rede kurzer Sinn: Versuchen wir, den Menschen dahin gehend zu helfen, dass wir das, was wir tun können, schnell machen, nämlich die Menschen so rasch wie möglich unterstützen! Das haben wir auch getan. Ich darf jetzt keine Werbung für „Zielpunkt“ machen, aber bis 31. Dezember haben die Geschäfte auf alle Fälle noch offen. Etliche werden danach noch offen haben, weil es Interessenten für die Standorte gibt. Ich hoffe, dass von den 229 Standorten so viele wie möglich gehalten werden können.

Bei der bauMax-Übergabe hat es geklappt: Von den über 4 000 bauMax-Mitarbeitern sind zur Stunde 86 arbeitslos, der Rest ist voll in das österreichische Erwerbsleben integriert. Ich hoffe, dass das auch bei „Zielpunkt“ in hohem Ausmaß funktionieren wird. Wir können nur hoffen! Warum können wir nur hoffen? – Weil es natürlich, gerade auf dem Wiener Markt, einen sehr starken Konzentrationsprozess gibt, wo auch die Bundeswettbewerbsbehörde ein sehr legitimes Mitspracherecht hat. Ich hoffe, dass auch von der Bundeswettbewerbsbehörde der Faktor Arbeitsplatz entsprechend beachtet wird. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

11.16


Präsident Karlheinz Kopf: Nun gelangt Herr Abgeordneter Obernosterer zu Wort. – Bitte.

 


11.16.26

Abgeordneter Gabriel Obernosterer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren auf der Galerie und zu Hause vor den Fernsehschirmen! Es geht um die Änderung des Arbeits­zeitgesetzes, schwerpunktmäßig spreche ich jetzt über den Tourismus. Es wird die gesetzliche Voraussetzung dafür geschaffen, die nächtliche Ruhezeit von elf auf acht Stunden zu verkürzen, je nach Bedarf. Jeder, der die Tourismusbranche und gerade die Ferienhotellerie kennt, weiß, dass der Schwerpunkt der Arbeit in den Hotels natürlich beim Frühstück und beim Abendessen liegt und tagsüber nichts los ist.

Das heißt: Wenn ein Arbeitnehmer in der Früh um 7 Uhr zu arbeiten anfängt, mittags um 11 Uhr aufhört, wenn das Frühstück fertig ist, am Abend um 18 Uhr wieder zu arbeiten anfängt, um bei der Abwicklung des Abendessens mithelfen zu können, und um 22 Uhr aufhört, so wäre das nach der jetzigen Gesetzeslage nicht möglich, weil er die elfstündige Nachtruhezeit nicht einhalten könnte. Deshalb wird die gesetzliche Voraussetzung dafür geschaffen, diese auf acht Stunden zu verkürzen.

Das ist ein wichtiger Schritt für das Tourismusland Österreich, natürlich im Einver­nehmen mit der Gewerkschaft. Das muss noch in die Kollektivverträge eingearbeitet werden. Ich glaube, dass die Mitarbeiter zum größten Teil sehr viel weiter sind. Sie wollen arbeiten, wenn Arbeit da ist, entsprechend entlohnt werden (demonstrativer Beifall des Abg. Loacker) und nicht nur eingesetzt werden, wenn es das Gesetz eigentlich zulässt.

Diese Liberalisierung ist wichtig und ein ganz wesentlicher Schritt für den Tourismus, damit wir international konkurrenzfähig bleiben können. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.)

11.18



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 57

Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Wurm. – Bitte.

 


11.18.24

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! In aller gebotenen Kürze zum Arbeitsrechts-Änderungsgesetz: Das ist zur Abwechslung einmal ein wirk­lich sinnvolles Gesetz – wir werden auch zustimmen – und enthält überwiegend sehr pragmatische Dinge, die sowohl Arbeitgebern als auch Arbeitnehmern entgegenkom­men.

Ein Thema hat sich ein bisschen hineingeschmuggelt, und da scheint für mich doch wieder Ideologie durchzuschlagen. Das ist die ominöse Informationspflicht bei Teilzeit­kräften. Da bin ich einmal ausnahmsweise mit Herrn Loacker einer Meinung. In der Praxis funktioniert das so: 90 Prozent der Betriebe haben weniger als neun Mitarbeiter. Da gibt es kein Geheimnis, ob ein neuer Mitarbeiter eingestellt wird. Selbstverständlich wird man versuchen, aus einer Teilzeitkraft eine Ganztagskraft zu machen.

Dieser Punkt im Gesetz ist wieder ein bürokratischer Aufwand. Das wäre meiner Meinung nach vermeidbar gewesen, weil er das Problem der vielen Zehntausenden, Hunderttausenden Teilzeitarbeitskräfte, das Sie, Herr Minister, haben, natürlich nicht lösen wird. Der Grund dafür, warum so massiv Teilzeitkräfte entstanden sind, ist, weil es sich die Betriebe nicht leisten können und die Lohnnebenkosten zu hoch sind.

Zweiter Themenkomplex: „Zielpunkt“. Auch ganz klar! Herr Minister, ich bin gespannt, wann die Mitarbeiter ihr Geld auf dem Konto haben werden. (Bundesminister Hundstorfer: Nächste Woche!) – Sie haben gesagt, nächste Woche. Das haben Sie aber letzte Woche auch schon gesagt, Herr Minister! (Abg. Schieder: Nein!)

Herr Minister, ganz kurz noch einmal: Was wäre der Ansatz gewesen und was wäre selbstverständlich möglich gewesen, Herr Minister? (Bundesminister Hundstorfer: Gar nichts!)

Herr Minister! Sie haben die Lohnunterlagen von diesen 3 000 Mitarbeitern. Als Sozialminister hole ich mir die, da stehen auch alle Kontendaten drauf. Ich überweise das Novembergehalt plus Weihnachtsgeld, und danach mache ich mir Gedanken über die Sonderfälle, Herr Minister, denn wenn Sie da hundert Sonderfälle haben, dann lösen Sie die danach, aber 2 900 Mitarbeiter hätten ihr Geld gehabt, Herr Minister! (Abg. Schieder: Ahnungslos!) Das haben die Leute nicht. Die 3 000 Mitarbeiter haben kein Geld auf dem Konto. (Abg. Schieder: Sie sind ahnungslos, wirklich ahnungslos!)

Herr Minister, sagen Sie doch die Wahrheit! Diese Mitarbeiter haben das Geld heute noch nicht auf dem Konto. Sie hätten das Geld in die Hand nehmen müssen, hätten das den Mitarbeitern auszahlen müssen und sich danach darum kümmern müssen, wie das rechtlich korrekt abzuwickeln ist. „Zielpunkt“ wird uns noch länger beschäf­tigen, das ist ja nur ein exemplarischer Fall.

Zum Abschluss noch, weil es mich gewundert hat, dass von ÖVP-Seite plötzlich jeder Redner die Mindestsicherung zum Thema gemacht hat.

Liebe ÖVP! Seit zwei Jahren reden wir Freiheitlichen hier am Rednerpult über das Thema Mindestsicherung. Das Erste, was von euch gekommen ist, war der Begriff Hetzer. Sie sagten, wir stiften Unruhe, wir treiben einen Keil in die Bevölkerung.

Man muss hier einmal sagen: Das Problem der Mindestsicherung ist seit mindestens zwei Jahren evident. Herr Minister Hundstorfer, in der letzten Ausschuss-Sitzung haben Sie mir auf mein Ersuchen, dass ich gerne offizielle Zahlen zur Mindest­sicherung hätte, geantwortet, dass wir diese Zahlen nicht bekommen. Sie machen aus


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 58

der Mindestsicherung ein großes Geheimnis. Die Zahlen, die wir haben, Herr Minister, müssen wir mühsam von Bundesland zu Bundesland erfragen. – So.

Die Wahrheit ist: Die Mindestsicherung ist weder für den Bund noch für die Länder noch für die Gemeinden finanzierbar. Das hat jetzt offensichtlich auch die ÖVP nach zwei Jahren Verspätung erkannt. Nur: Wie wollen Sie gegensteuern?

Das nächste Thema – um wieder als „Hetzer“ gebrandmarkt zu werden? –: Wir alle wissen, dass der Flüchtlingsstrom von 100 000 Asylwerbern natürlich zu 90 Prozent in der Mindestsicherung landen wird. Das sage ich hier seit zwei Jahren. Das will nur keiner hören. Die ÖVP hat es jetzt offensichtlich realisiert. Was machen Sie mit diesen Zehntausenden zusätzlichen Mindestsicherungsbeziehern? (Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.) Wer soll das zahlen, Herr Wöginger? Wer soll das zahlen?

Die Wahrheit ist diesem Haus zumutbar. Und das hat nichts mit Hetzen zu tun, sondern ich muss pragmatisch eine Lösung finden. Und die Mindestsicherung ist so leider Gottes, Herr Minister, ein Thema, das uns alle noch beschäftigen wird. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich komme zum Schluss und möchte noch sagen: Herr Minister Hundstorfer, als Abgeordneter muss ich erwarten, dass Sie mir als zuständiger Sozialminister sagen können, wie viele Mindestsicherungsbezieher wir pro Bundesland haben, wie sich das entwickelt hat, was das kostet, aus welchen Herkunftsländern diese Bezieher kommen. (Abg. Strache: Das wollen die Herrschaften ja gar nicht sichtbar machen!) Das wäre das Mindeste, was ich erwarten könnte. Aber hier im Parlament wird das nicht ver­öffentlicht. (Zwischenrufe des Abg. Matznetter.) – Herr Matznetter, Sie wollen die Wahrheit nicht hören. Denn: Die Wahrheit tut Ihnen weh! – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

11.23

11.23.10

 


Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. (Abg. Jarolim: Das war jetzt eine selten dümmliche Rede!)

*****

Herr Abgeordneter Jarolim, das war jetzt ziemlich überflüssig. Ich muss Ihnen einen Ordnungsruf erteilen, weil das eine Bemerkung war, die völlig unangebracht ist. Ich bitte Sie, das zu unterlassen! Sie bekommen dafür einen Ordnungsruf. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, sich jetzt wieder der Würde des Hauses entsprechend zu verhalten und von solchen Unmutsäußerungen Abstand zu nehmen.

 

*****

11.23.50

Wir kommen zur Abstimmung, die etwas länger dauern wird.

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 1: Entwurf betreffend Arbeitsrechts-Ände-rungs­gesetz 2015 in 948 der Beilagen.

Hiezu liegt ein von der Abgeordneten Mag. Schatz eingebrachtes Verlangen auf getrennte Abstimmung vor.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 59

Ich werde daher zunächst über die vom erwähnten Verlangen auf getrennte Abstim-mung betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Getrennte Abstimmung über Artikel 6 Ziffern 1, 9, 10a und 14a sowie Artikel 8 Ziffer 2 in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes.

Wer spricht sich dafür aus? – Das ist die Mehrheit, somit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung dem vorliegenden Ge­setzentwurf zustimmen wollen, um ein Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Überbrückungsgesetz zur unmittel­baren Auszahlung von Ansprüchen an Anspruchsberechtigte nach dem Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz.

Es ist hiezu namentliche Abstimmung verlangt worden.

Da dieses Verlangen von 20 Abgeordneten gestellt wurde, ist die namentliche Abstimmung durchzuführen.

Für diese Abstimmung können ausschließlich die amtlichen Stimmzettel verwendet werden.

Gemäß der Geschäftsordnung werden die Abgeordneten namentlich aufgerufen, den Stimmzettel in die bereitgestellte Urne zu werfen.

Ich ersuche jene Abgeordneten, die für den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Belakowitsch-Jenewein stimmen, „Ja“-Stimmzettel, jene, die dagegen stimmen, „Nein“-Stimmzettel in die Urne zu werfen.

Ich bitte nunmehr die Frau Schriftführerin Abgeordnete Lueger mit dem Namensaufruf zu beginnen; Herr Abgeordneter Buchmayr wird sie später dabei ablösen. – Bitte, Frau Schriftführerin.

*****

(Über Namensaufruf durch die Schriftführerin Lueger beziehungsweise den Schrift­führer Buchmayr werfen die Abgeordneten ihren Stimmzettel in die Wahlurne.)

*****

 


Präsident Karlheinz Kopf: Die Stimmabgabe ist beendet.

Die damit beauftragten Bediensteten des Hauses werden nunmehr unter Aufsicht der Schriftführerin und des Schriftführers die Stimmenauszählung vornehmen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 60

Die Sitzung wird zu diesem Zweck für einige Minuten unterbrochen.

*****

(Die zuständigen Bediensteten nehmen die Stimmenzählung vor. – Die Sitzung wird um 11.30 Uhr unterbrochen und um 11.33 Uhr wieder aufgenommen.)

*****

 


Präsident Karlheinz Kopf: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und gebe das Abstimmungsergebnis bekannt.

Abgegebene Stimmen: 145; davon „Ja“-Stimmen: 45, „Nein“-Stimmen: 100.

Der Entschließungsantrag ist somit abgelehnt.

Gemäß § 66 Abs. 8 der Geschäftsordnung werden die Namen der Abgeordneten unter Angabe ihres Abstimmungsverhaltens in das Stenographische Protokoll aufgenom­men.

Mit „Ja“ stimmten die Abgeordneten:

Angerer;

Belakowitsch-Jenewein, Bösch, Brosz, Brückl;

Darmann, Deimek, Doppler;

Fuchs;

Glawischnig-Piesczek;

Haider, Hübner;

Jannach, Jarmer;

Karlsböck, Kassegger, Kitzmüller, Korun, Kumpitsch;

Lausch;

Maurer, Mölzer, Moser, Mückstein, Mühlberghuber, Musiol;

Neubauer Werner;

Rauch Walter, Riemer;

Schatz, Schellenbacher, Schimanek, Schmid Gerhard, Schmid Julian, Schrangl, Schwentner, Steinhauser, Strache;

Walser, Willi, Windbüchler-Souschill, Winter, Wurm Peter;

Zanger, Zinggl.

Mit „Nein“ stimmten die Abgeordneten:

Alm, Amon Werner, Antoni, Aubauer, Auer;

Bacher Walter, Bayr, Becher Ruth, Berlakovich, Buchmayr, Bures;

Cap;

Diesner-Wais, Dietrich, Durchschlag;

Ehmann, El Habbassi, Ertlschweiger, Eßl;

Fazekas, Feichtinger Klaus Uwe, Fekter, Fichtinger Angela, Franz;


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Gahr, Gerstl, Gessl-Ranftl, Greiner Karin, Grillitsch, Groiß, Grossmann, Gusenbauer-Jäger;

Hagen, Hakel Elisabeth, Hammer Michael, Haubner, Hechtl, Heinzl, Hell, Himmel­bauer, Hofinger Manfred, Holzinger-Vogtenhuber, Huainigg;

Jank, Jarolim;

Karl, Keck, Kirchgatterer, Knes, Königsberger-Ludwig, Kopf, Krainer Kai Jan, Krist, Kucharowits, Kucher, Kuntzl;

Lettenbichler, Lipitsch, Loacker, Lopatka, Lueger Angela;

Matznetter, Mayer, Muchitsch, Muttonen;

Nachbaur Kathrin;

Obernosterer, Ofenauer, Ottenschläger;

Pendl, Pfurtscheller, Preiner, Prinz;

Rädler, Rasinger, Rauch Johannes;

Schenk, Scherak, Schieder, Schittenhelm, Schopf, Schultes, Sieber Norbert, Singer Johann, Spindelberger, Steinacker, Steinbichler, Strasser;

Töchterle, Troch;

Unterrainer;

Vavrik, Vetter, Vogl;

Weigerstorfer, Winzig, Wittmann, Wöginger, Wurm Gisela;

Yilmaz.

*****

 


Präsident Karlheinz Kopf: Meine Damen und Herren, wir sind noch mitten in einem Abstimmungsvorgang! Das gilt auch für die Parlamentsmitarbeiter!

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 2: Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 949 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen. – Das ist mit Mehr-heit angenommen.

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 3: Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 950 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen. – Das ist die Mehr­heit, somit angenommen.

11.35.07 4. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (904 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Mutterschutzgesetz 1979 und das Väter-Karenzgesetz geändert werden (951 d.B.)


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5. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 1025/A(E) der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Grenzen für die Arbeitszeitreduktion im Rahmen der Elternteilzeit und Prüfung der Ausweitung auf kleinere Betriebe (952 d.B.)

 


Präsident Karlheinz Kopf: Nun kommen wir zu den Punkten 4 und 5 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Schimanek. – Bitte.

 


11.35.56

Abgeordnete Carmen Schimanek (FPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Werte Kollegen! Der Herr Minister ist jetzt nicht hier. Wir haben im Jänner das Fortpflan­zungs­medizingesetz trotz vieler massiver Gegenstimmen und unserer Gegenstimmen im Hohen Haus beschlossen. Damals hat meine Kollegin Dagmar Belakowitsch-Jenewein zu Recht von einem schwarzen Tag für die Republik gesprochen. Viele Österreicherinnen und Österreicher haben dann der ÖVP den Vorwurf nicht erspart, dass sich diese als Familienpartei verabschiedet hat. Sehr viele Kommentare, die in diese Richtung gingen, waren zu lesen und zu hören, und viele haben sich gefragt: Was kommt als Nächstes?

Nun, meine Damen und Herren, als Nächstes kommt, dass wir das Väter-Karenz­gesetz ändern müssen. Dieses wird auf Frauen in gleichgeschlechtlichen Partner­schaften ausgeweitet. Aufgrund der Änderung des Väterkarenz-Gesetzes können künf­tig auch Frauen, deren eingetragene Partnerinnen oder Lebensgefährtinnen durch medizinisch unterstützte Fortpflanzung ein Kind bekommen, Elternkarenz nach dem Väterkarenz-Gesetz in Anspruch nehmen. Das heißt, eine Frau, die selbst kein Kind bekommt, geht in Väterkarenz. (Zwischenruf bei der ÖVP.) – Aber die Frau geht in Väterkarenz, eine Frau, die selbst keine Kinder bekommt.

Liebe Kollegen von der ÖVP! Es ist von Ihrer Seite wirklich sehr konsequent, dass Sie das Gesetz jetzt so mittragen, aber ich bitte Sie, das auch Herrn Außenminister Kurz mitzuteilen, damit er das in seine achtstündigen Werteschulungen unbedingt mit hineinnimmt, sodass es nicht zu Verwechslungen kommt. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir werden der Gesetzesvorlage somit nicht als Ganzes zustimmen, wir werden aber Teilen zustimmen. Deshalb haben wir auch eine getrennte Abstimmung gefordert. Ich finde es sehr sinnvoll, dass Pflegeeltern jetzt auch ohne Adoptionsabsichten in Karenz gehen können. Auch der Kündigungsschutz für freie Dienstnehmer für vier Monate ist sehr wichtig und richtig und wird von uns unterstützt.

Ein besonderes Anliegen meinerseits ist natürlich auch die Einführung des vier­wöchigen Kündigungsschutzes für Frauen, die eine Fehlgeburt erlitten haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Das ist eine langjährige Forderung von uns. Viele Frauen sind nach einer Fehlgeburt schwer betroffen und traumatisiert, und wir schaffen jetzt Rechtssicherheit für jene Frauen, die diesen Schutz auch brauchen. Es liegen einige Fälle vor, in denen Frauen nach einer Fehlgeburt gekündigt worden sind, und es gibt auch OGH-Urteile, die bestätigen, dass das nicht rechtens ist. Wir schaffen diesbezüglich Rechtssicherheit.

Ich glaube, mit dieser Änderung schaffen wir es, ein wenig Druck von den betroffenen Frauen zu nehmen. Das ist wichtig und richtig. (Beifall bei der FPÖ.)

11.39



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 63

Präsident Karlheinz Kopf: Frau Abgeordnete Königsberger-Ludwig gelangt als Nächste zu Wort. – Bitte.

 


11.39.23

Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zu­seher! Heute ist ein guter Tag für ArbeitnehmerInnen, und heute ist ein sehr guter Tag im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

In Tagesordnungspunkt 1 wurde bereits eine Reihe von Verbesserungen für Arbeit­nehmerinnen und Arbeitnehmer beschlossen. So haben wir gehört, dass bei den All-in-Verträgen Verbesserungen durchgeführt werden, bei den Konkurrenzklauseln und – was mir auch besonders wichtig ist –: Es wird Klarheit geschaffen bei der Rückforde­rung von Ausbildungskosten. Ich denke mir: ein gutes Maßnahmenpaket für Arbeitneh­merinnen und Arbeitnehmer, auf das man durchaus stolz sein kann und auf das man nicht oft genug hinweisen kann.

Bei diesem Tagesordnungspunkt, den wir jetzt gerade besprechen, und dem nächsten, dem Sozialrechts-Änderungsgesetz, wird ein ganzes Bündel von Maßnahmen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf beschlossen. Ich möchte auf diese vier Punkte kurz eingehen.

Zum einen wird heute beschlossen, dass freie DienstnehmerInnen, die bereits jetzt Anspruch auf Wochengeld haben, in Zukunft auch im Mutterschutzgesetz einen Frei­stellungsanspruch bekommen werden, das heißt also nicht nur eine Geldleistung, sondern tatsächlich auch einen Freizeitanspruch erhalten. Auch ein abgeschwächter Kündigungsschutz wird geschaffen – ein ganz wichtiger Punkt im Mutterschutzgesetz.

Von Frau Kollegin Schimanek wurde schon der vierwöchige Kündigungsschutz nach Fehlgeburten angesprochen. Auch ich befürworte es sehr, dass nach einer Fehlgeburt ein Entlassungs- und Kündigungsschutz beschlossen wird. Das ist eine ganz wichtige Maßnahme für Frauen, die sowieso in einer schwierigen und psychisch belastenden Situation sind. Mit dem Beschluss des heutigen Gesetzes wird zumindest die exis­tenzielle Belastung ein wenig hintangestellt – eine ganz wichtige Forderung, über deren Umsetzung ich mich auch sehr freue.

Der dritte Punkt ist der sogenannte Zweitmeldezeitpunkt für die Karenzanmeldung, auch ein ganz wichtiger Schritt. Bis jetzt ist es ja so, dass Karenz vom zweiten Eltern­teil nur im Anschluss an den Mutterschutz oder an die Ausbezahlung des Karenz­geldes angemeldet werden kann. Jetzt wird das dahin gehend neu geregelt, dass der zweite Elternteil auch zu einem späteren Zeitpunkt Karenz beantragen kann, wenn der andere Elternteil keinen Karenzanspruch hat – also eine ganz wichtige Maßnahme, vor allem wahrscheinlich auch für Väter, damit diese in Karenz gehen können. Es gibt dann nur mehr die Frist, dass diese Karenz drei Monate vor Inanspruchnahme der Karenzzeit angemeldet werden muss. Ich denke mir, auch das ist ein wichtiger Beitrag, wenn sich Mütter und Väter die Familienarbeit teilen wollen.

Der vierte Punkt ist, dass wir eine Bandbreitenregelung beim Anspruch auf Eltern­teilzeit schaffen – auch eine wichtige Forderung. Sie wissen, es gibt schon jetzt den Anspruch auf Elternteilzeit, wenn zwei Bedingungen erfüllt werden: Es muss das Dienstverhältnis drei Jahre bestanden haben, und es müssen Betriebe mit mindestens 20 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sein. Das ist vielleicht ein kleiner Wermuts­tropfen, aber die gesetzliche Regelung ist im Moment so. Jetzt kommt eine dritte Vor­aussetzung dazu, nämlich die sogenannte Bandbreitenregelung, wonach die wöchent­liche Normalarbeitszeit um mindestens 20 Prozent verringert werden muss, zwölf Wochenstunden aber nicht unterschritten werden dürfen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 64

Ich denke mir, das ist auch eine wichtige Regelung, um Elternarbeit, Familienarbeit und Erwerbsarbeit gut verbinden zu können, ein wichtiger Beschluss, den wir heute fassen werden.

Im Rahmen des Sozialrechts-Änderungsgesetzes, das als nächster Tagesord­nungs­punkt behandelt wird, erfolgt eine ganz wichtige Regelung, die ich noch kurz an­sprechen möchte. Es wird nämlich eine Karenzmöglichkeit für Pflegeeltern geschaffen, sodass auch Pflegeeltern, die keine Adoptionsmöglichkeit oder kein Adoptionsrecht haben, die Möglichkeit erhalten werden, in Karenz zu gehen. Auch das ist eine wichtige Neuerung, weil Pflegeeltern meiner Meinung nach in der Erziehungsarbeit und Fami­lien­arbeit einen ganz wichtigen Beitrag leisten. Deswegen freue ich mich sehr, dass wir diesen Antrag heute beschließen.

Frau Kollegin Schimanek, abschließend eine Anmerkung zu Ihrem Einleitungsstate­ment: Ich denke mir, es handelt sich bei der von Ihnen angesprochenen Regelung einfach um einen weiteren Beitrag, der die Entwicklung unserer Gesellschaft wider­spiegelt – und ein wenig tolerant sollte man im 21. Jahrhundert auch bei den Frei­heitlichen schon sein. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei den Grünen: Genau! – Abg. Schimanek: Minderheitengesetz! – Abg. Zanger: Genau! Für Randgruppen! – Zwi­schen­ruf der Abg. Schwentner sowie Gegenrufe des Abg. Zanger.)

11.43


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Vavrik. – Bitte.

 


11.43.55

Abgeordneter Mag. Christoph Vavrik (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Die Regierungsvorlage bringt unseres Erachtens eine Reihe von Verbesserungen und neuen Regelungen. Ganz besonders betonen möchte ich unsere Unterstützung im Bereich der Eltern­teilzeit. Für uns ist damit auch ein wichtiger Teil unseres Antrags abgedeckt.

Bisher fehlte nämlich ein Rahmen, der definiert, welches Stundenausmaß eine Eltern­teilzeit betragen muss, also um wie viel die Normalarbeitszeit reduziert werden muss und darf. Diese gesetzliche Lücke hat die Unternehmen oft vor innerbetriebliche Heraus­forderungen gestellt. Das habe ich auch persönlich in meinem früheren Brotberuf als Geschäftsführer erfahren müssen.

Die neue Regelung, dass die Elternteilzeit mindestens zwölf Stunden pro Woche, aber maximal 80 Prozent der Normalarbeitszeit betragen muss, schließt daher diese Lücke und bringt den Unternehmen eine höhere Planungssicherheit. Wir sehen allerdings, dass diese Regelung nicht nur Vorteile für die Unternehmen hat – auch die Arbei­tnehmer profitieren davon. Das Ziel der Elternteilzeit ist ja nicht nur die Vereinbarkeit von Beruf und Familie: Die Elternteilzeit hat auch zum Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt beizutragen. Sie soll auch die Erwerbschancen von Eltern, insbesondere von Müttern, entsprechend absichern.

So gesehen wären die Ziele des Wiedereinstiegs und der besseren Erwerbschancen aus unserer Sicht nicht gewährleistet, wenn ein Mitarbeiter, eine Mitarbeiterin nur vier Stunden pro Woche im Betrieb ist, wogegen die nunmehr erfolgende gesetzliche Veran­kerung von zwölf Stunden dies gewährleistet. Auf der anderen Seite wird mit der Obergrenze von maximal 80 Prozent der Normalarbeitszeit auch gewährleistet, dass man sich mit einer Reduktion der Arbeitszeit um ein oder zwei Stunden nicht den Kündigungsschutz erkaufen kann. Auch das habe ich schon erlebt.

Abschließend möchte ich noch sagen, dass die Schaffung dieser neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen die Diskussion über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf


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nicht abschließt. Noch immer ist unseres Erachtens die Situation im Bereich der Kin­derbetreuungseinrichtungen stark verbesserungswürdig, und gleichzeitig sollte man auch darüber nachdenken, in welchem Rahmen Elternteilzeit auch in Betrieben mit weniger als 20 Mitarbeitern eingeführt werden kann. Ich glaube, der Ausschuss wird sich damit noch befassen müssen. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei den NEOS.)

11.46


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Sieber. – Bitte.

 


11.46.47

Abgeordneter Norbert Sieber (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Österreich hat, was Karenz­regelung, Mutterschutz und auch die Väterkarenz betrifft, ein im internationalen Ver­gleich umfassendes und großzügig ausgestattetes Angebot an die jungen Familien, ein Angebot, das sich im internationalen Vergleich durchaus sehen lassen kann.

Wenn wir den Blick einmal auf die internationale Vergleichbarkeit richten, dann ist es doch so, dass uns in vielen Diskussionen die Schweizer Eidgenossenschaft als Beispiel vorgehalten wird. Und ja – in vielen Bereichen könnte uns das Schweizer Modell durchaus als Richtschnur dienen. Aber wie ist das nun beim vorliegenden Thema?

Die Schweiz hat vor einiger Zeit nach langer Diskussion ihr Mutterschutzgesetz angepasst. Einige Passagen davon würde ich Ihnen gerne hier vorstellen.

Einer Schwangeren, die in der Schweiz länger als zwei Monate vom Arbeitsplatz fernbleibt, darf der Arbeitgeber in entsprechendem Ausmaß den Urlaub kürzen. – Das ist eine Maßnahme, die für uns undenkbar ist.

Eine Frau hat für die Zeit, die sie nicht arbeitet, kein Anrecht auf einen Lohn, außer dann, wenn sie ein ärztliches Attest vorlegen kann. Und für die Zeit nach der Geburt wurde im Zuge dieser Novellierung der Mutterschaftsurlaub – also bei uns die Karenz – von acht auf vierzehn, aber, meine Damen und Herren, nicht Monate, sondern Wochen erhöht. Wenn die Familie beschließt, dass die Frau danach noch länger bei den Kindern bleiben soll, bekommt sie dafür keine Unterstützung mehr vonseiten der öffentlichen Hand.

Ich glaube, bei diesem Vergleich schneidet Österreich doch recht gut ab. Es ist nicht so, dass ich dieses Schweizer System kritisieren möchte, denn es erfreut sich bei der Schweizer Bevölkerung einer hohen und großen Akzeptanz, aber mir geht es darum, die Unterschiede zu unserem System herauszuarbeiten.

Wir haben mit unserem Stufenmodell, bei dem in der Langform beide Elternteile zusammen 36 Monate bei ihrem Kind bleiben können, eine sehr großzügige und familienfreundliche Regelung. Dennoch bemühen wir uns alle, immer wieder Verbes­serungsmöglichkeiten herauszuarbeiten und diese auch umzusetzen. So haben wir nun beim Mutterschutzgesetz beziehungsweise Väter-Karenzgesetz einige wichtige Punkte auf der Tagesordnung.

Eine Frau, die eine Fehlgeburt erleiden musste und durch diese Traumatisierung Schwie­rigkeiten am Arbeitsplatz hatte, hatte bisher keinen Kündigungsschutz. Dies wird durch eine Änderung auf vier Wochen Kündigungsschutz nach einer Fehlgeburt verbessert. Auch für freie DienstnehmerInnen wurde ein Kündigungsschutz von vier Monaten nach der Geburt eingeführt.


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Mehr Flexibilität bringt auch die Ermöglichung eines zweiten Meldezeitpunkts bei Karenzabwechslung der Eltern. Der Kündigungsschutz bei der Elternteilzeit bleibt wie bisher bis zum siebenten Lebensjahr des Kindes bestehen. Für den Rechtsanspruch auf eine Arbeitszeitreduktion zur Kinderbetreuung wird ein Mindestmaß von 20 Prozent Arbeitszeitreduktion beziehungsweise zwölf Wochenstunden Arbeitszeit eingeführt.

Natürlich bleibt es Arbeitgebern und Arbeitnehmern auch in Zukunft vorbehalten, freiwillig eine andere Vereinbarung abzuschließen. Um aber Problemen vorzubeugen, wird mit einem Entschließungsantrag betreffend die Bagatellgrenze ein Monitoring eingeführt, das für den Fall einer wesentlich erhöhten Inanspruchnahme von gering­fügigen Änderungen der Lage der Arbeitszeit eine gesetzliche Einführung einer Baga­tell­grenze vorsieht.

Alles in allem handelt es sich dabei um eine wichtige Abrundung eines, wie ich gehört habe, im internationalen Vergleich hervorragenden Systems. Ich bitte um Ihre Unter­stützung. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Schimanek: Ein Aspekt hat mir gefehlt, Herr Sieber! Ein Aspekt hat mir jetzt gefehlt!)

11.49


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Mag. Schwentner zu Wort. – Bitte.

 


11.50.25

Abgeordnete Mag. Judith Schwentner (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ja, es ist ein großes Paket, das wir jetzt beschließen, und vieles daran ist gut. Eines möchte ich hervor­heben, weil es ein Anliegen von uns Grünen war, auch schon von meiner Vorgängerin als Familiensprecherin Daniela Musiol: Pflegeeltern, die keine Adoptionsabsicht haben, können in Zukunft auch in Karenz gehen. Das ist sicher eines der ganz positiven Dinge.

Trotzdem muss ich ein bisschen widersprechen, Frau Kollegin, was die Vereinbarkeit anbelangt, nämlich gerade betreffend die Elternteilzeit. Wir haben in der Debatte zum vorigen Tagesordnungspunkt über Arbeitszeitreduktion gesprochen. Eines der wesent­lichen Dinge, was Arbeitszeit auf der einen Seite anbelangt, ist Familienzeit auf der anderen Seite. Alle hier im Saal und alle Zuschauerinnen und Zuschauer und alle, die Kinder haben, wissen, dass man Kinder nicht nur hat, sondern mit Kindern auch Zeit verbringen möchte. Eine der Möglichkeiten, Familienzeit zu verbringen, ist die Eltern­teilzeit.

Ich kann deshalb nicht ganz nachvollziehen, warum man jetzt zusätzlich zu drei, vier Punkten, die es ohnehin schon sehr schwierig machen, Elternteilzeit in Anspruch zu nehmen, noch eine weitere Erschwernis einführt. Das ist zum einen – wie schon erwähnt – das Erfordernis, dass der Betrieb mindestens 20 ArbeitnehmerInnen, also MitarbeiterInnen, haben muss. Wir wissen, dass mehr als 80 Prozent, fast 90 Prozent, der Unternehmen in Österreich unter zehn MitarbeiterInnen haben. Das heißt, das schränkt die Möglichkeit schon einmal ziemlich ein.

Das andere ist, dass man drei Jahre durchgehend, ununterbrochen, ein Dienst­ver­hältnis in einem Betrieb haben musste. Das zeigen Sie mir, gerade bei jungen Men­schen, die neu im Erwerbsleben sind, dass die wirklich drei Jahre durchgehend in einem Unternehmen arbeiten! – Das heißt, auch das ist ein Ausschlussgrund bezie­hungsweise verhindert die Möglichkeit, das in Anspruch zu nehmen.

Dann ist es noch so, dass nicht beide Elternteile gleichzeitig Anspruch haben. Ist zum Beispiel die Mutter in Karenz und der Vater würde gerne Elternteilzeit in Anspruch nehmen, so geht das auch nicht.


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Jetzt gehen Sie her und machen es noch ein bisschen schwieriger, indem Sie nämlich vorschreiben, die Arbeitszeit so weit zu reduzieren, nämlich um mindestens 20 Pro­zent, und auf nicht weniger als zwölf Stunden. Wenn man jetzt aber davon ausgeht, dass sehr viele Frauen – leider, muss man dazusagen – Teilzeit arbeiten, und die müssen noch einmal um 20 Prozent reduzieren, dann halte ich das im Gesamten für sehr überschießend und nicht für einen wirklich adäquaten Beitrag dazu, dass mehr Männer und Frauen, Väter und Mütter Elternteilzeit in Anspruch nehmen können. (Beifall bei den Grünen.)

Was ich auch nicht nachvollziehen kann, Herr Minister: Sie haben vor zwei Jahren eine Anfrage der Kollegin Haubner, die nicht mehr im Hohen Haus ist, beantwortet und da eigentlich genau gesagt, dass das Erfordernis, dass man drei Jahre ununterbrochen in einem Betrieb gearbeitet haben muss, überflüssig sei, ebenso die erforderliche Anzahl von mindestens 20 ArbeitnehmerInnen im Betrieb. Sie haben also alles das dargestellt, das wir jetzt wollen und auch in einem eigenen Antrag, den ich jetzt einbringen werde, formuliert haben. Sie haben auch gemeint, Sie würden das unterstützen. Ich frage mich: Woher nun dieser Sinneswandel? – Vielleicht können Sie mir das noch erklären.

Jedenfalls bringe ich jetzt folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Judith Schwentner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erleichte­rung der Inanspruchnahme von Elternteilzeit

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, das Mutterschutzgesetz und das Väter-Karenzgesetz ehestens dahingehend zu überarbeiten

dass die Voraussetzung eines ununterbrochenen 3-Jährigen Dienstverhältnisses zum Zeitpunkt des Antritts der Teilzeitbeschäftigung entfällt bzw. reduziert wird.

dass die Voraussetzung zur Inanspruchnahme von Elternteilzeit künftig bei einer Betriebsgröße von mehr als 10 ArbeitnehmerInnen angesetzt wird.

dass Elternteilzeit und Elternkarenz gleichzeitig von beiden Elternteilen in Anspruch genommen werden kann.

dass ein Rechtsanspruch auf Karenz und Elternteilzeit unabhängig vom gemeinsamen Wohnsitz mit dem Kind bzw. der von den Eltern vereinbarten Obsorge besteht und

dass die Arbeitszeitreduktion in einem Mindestausmaß von 10% der Wochenarbeitszeit zu erfolgen hat.“

*****

Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen um Unterstützung. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

11.54


Präsident Karlheinz Kopf: Der von Frau Abgeordneter Schwentner eingebrachte Ent­schließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 68

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Judith Schwentner, Freundinnen und Freunde

betreffend Erleichterung der Inanspruchnahme von Elternteilzeit

eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (904 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Mutter­schutzgesetz 1979 und das Väter-Karenzgesetz geändert werden (951 d.B.)

Begründung

Im Mutterschutzgesetz sowie im Väter-Karenzgesetz ist im Sinne einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie der Anspruch auf Elternteilzeit geregelt. Es handelt sich dabei (seit 2004) um einen gesetzlichen Anspruch auf Herabsetzung der bisherigen Arbeitszeit bzw. eine Änderung der Lage der Arbeitszeit bis zum 7. Geburts­tag des Kindes. Der damit verbundene Kündigungsschutz gebührt längstens bis zu 4 Wochen nach dem 4. Geburtstag des Kindes.

Für die Inanspruchnahme der Elternteilzeit gelten folgende Bedingungen, die in der Praxis einschränkend wirken: eine ununterbrochene Dauer des Dienstverhältnisses von drei Jahren, eine Beschäftigung in einem Betrieb mit mehr als 20 Dienst­nehmerInnen, ein gemeinsamer Haushalt mit dem Kind oder Obsorgepflicht für das Kind sowie keine gleichzeitige Karenz des anderen Elternteils.

Die Vorgabe, einer mindestens 3-jährigen Betriebszugehörigkeit, stellt für viele Jung-Eltern eine unüberbrückbare Hürde dar. Gerade ArbeitnehmerInnen in der Familien­gründungsphase sind häufig erst in ihren ersten Arbeitsjahren in einem Unternehmen. Dazu kommt die zunehmende Prekarisierung von Arbeitsverhältnissen am Beginn der Berufslaufbahn, die es jungen Menschen überhaupt erschwert längere Betriebszuge­hörig­keit aufzubauen.

Weiters einschränkend wirkt die Mindestgröße des Betriebs von mehr als 20 Arbeit­nehmerInnen zum Zeitpunkt des Antritts der Elternteilzeit. All jene ArbeitnehmerInnen die in kleineren Betrieben arbeiten sind folglich benachteiligt.

Die Voraussetzung, dass beide Elternteile mit dem Kind in einem gemeinsamen Haushalt leben müssen oder geteilte Obsorge für das Kind übernehmen, ist angesichts zunehmender Trennungs- und Scheidungsraten nicht mehr zeitgemäß. Trennt sich ein Paar bereits im Laufe der Schwangerschaft, oder aber nach der Geburt, so hat der getrennt lebende Elternteil nur Anspruch auf Elternteilzeit wenn er zumindest obsorge­pflichtig ist. Diese Regelung verhindert, dass sich Eltern auch nach einer Trennung ihrer elterlichen Verantwortung bewusst sind und sich gegenseitig in der Familienarbeit unterstützen.

Weiters gibt es eine Einschränkung für die Inanspruchnahme der Elternteilzeit, die in § 8b des Väter-Karenzgesetzes bzw. § 15j des Mutterschutzgesetzes geregelt ist. Demnach ist die Voraussetzung für die Inanspruchnahme einer Teilzeitbeschäftigung, neben den bereits erwähnten Bedingungen, nur gegeben, wenn sich der zweite Elternteil nicht gleichzeitig in einer Karenz gemäß Mutterschutzgesetz und Väter-Karenzgesetz befindet. Im konkreten Fall bedeutet das: Ist ein Elternteil zu einem Kind in Karenz, kann der zweite Elternteil zur selben Zeit für dasselbe Kind keine Eltern­teilzeit und auch eine Veränderung der Lage der Arbeitszeit in Anspruch nehmen. D.h. wenn der Vater seine Kinderbetreuungsgeld-Monate in Anspruch nimmt und sich in Karenz befindet, hat die Mutter während dieser Monate keinen Rechtsanspruch auf Elternteilzeit und somit auch keinen erweiternden Kündigungsschutz. Möglich ist lediglich die gleichzeitige Konsumation der Elternteilzeit durch beide Elternteile.


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Im Mutterschutzgesetz sowie im Väter-Karenzgesetz ist kein Rahmen der Arbeits­zeitreduktion vorgesehen. Es gibt folglich keine Höchst- und Mindestgrenzen, die ArbeitnehmerInnen vorgegeben werden. Mit der vorliegenden Novelle soll eine Bandbreite zur Arbeitszeitreduktion eingeführt werden. ArbeitnehmerInnen sollen künftig ihre wöchentliche Normalarbeitszeit um mindestens 20% reduzieren und dürfen dabei die Untergrenze von 12 Stunden nicht unterschreiten. Für ArbeitnehmerInnen, die bereits vor der Inanspruchnahme der Elternteilzeit in Teilzeit gearbeitet haben, ist eine nochmalige Reduktion um 20% überschießend.

Die Geburt eines Kindes verändert vieles und stellt Eltern vor eine vielfältige Heraus­forderung. Viele junge Frauen sind heute nicht mehr bereit ihren Beruf der Familie zu opfern und viele Männer nicht mehr bereit die Familie gänzlich dem Beruf unterzu­ordnen. Familien brauchen neben finanzieller und sozialrechtlicher Absicherung vor allem Zeit. Folglich müssen Angebote wie die Elternteilzeit, die Familien mehr Gestal­tungs­spielraum für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie verschaffen, so gestaltet sein, dass diese von möglichst vielen in Anspruch genommen werden können.

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, das Mutterschutzgesetz und das Väter-Karenzgesetz ehestens dahingehend zu überarbeiten

dass die Voraussetzung eines ununterbrochenen 3-Jährigen Dienstverhältnisses zum Zeitpunkt des Antritts der Teilzeitbeschäftigung entfällt bzw. reduziert wird.

dass die Voraussetzung zur Inanspruchnahme von Elternteilzeit künftig bei einer Betriebsgröße von mehr als 10 ArbeitnehmerInnen angesetzt wird.

dass Elternteilzeit und Elternkarenz gleichzeitig von beiden Elternteilen in Anspruch genommen werden kann.

dass ein Rechtsanspruch auf Karenz und Elternteilzeit unabhängig vom gemeinsamen Wohnsitz mit dem Kind bzw. der von den Eltern vereinbarten Obsorge besteht und

dass die Arbeitszeitreduktion in einem Mindestausmaß von 10% der Wochenarbeitszeit zu erfolgen hat.

*****

 


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hechtl. – Bitte.

 


11.55.00

Abgeordneter Johann Hechtl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Wir beschließen heute wesentliche Punkte, die sich sehr, sehr positiv auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeit­nehmer, und im konkreten Fall auf Mütter und Väter, auswirken. Es ist wirklich ein Meilenstein, dass heute Verbesserungen bei der Elternteilzeit geschaffen werden, ebenso wie in jenen Fällen, wo Frauen leider eine Fehlgeburt erleiden, nämlich insofern, als diese nun auch einen besonderen Kündigungs- und Entlassungsschutz von vier Wochen bekommen. Das war nicht immer so, sondern das wird mit dem heutigen Beschluss erstmals so geregelt. Ich finde, das ist ein wesentlicher Punkt einer sozialen Absicherung, der heute für die Mütter beschlossen wird.

Ein weiterer Punkt ist natürlich auch jener, dass freie Dienstnehmer, die in ihrem „Arbeitsverhältnis“ – unter Anführungszeichen – oder in ihrer sozialen Stellung im Be-


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trieb ja den klassischen Dienstnehmerinnen und Dienstnehmern nicht gleichgestellt sind, nunmehr neben dem Anspruch auf Wochengeldbezug auch einen Anspruch auf Freizeit für diesen Zeitraum bekommen. Ich denke, das ist ein wesentlicher sozialpoliti­scher Fortschritt.

Geschätzte Damen und Herren, ein weiterer Punkt ist die Schaffung des „zweiten Meldezeitpunktes“. Mit diesem zweiten Meldezeitpunkt wird ermöglicht, dass ein Elternteil die Karenz erst zu einem späteren Zeitpunkt in Anspruch nehmen kann, nachdem der andere Partner die Kinderbetreuung bereits in einem früheren Zeitraum übernommen hatte und keinen Anspruch auf Karenzurlaub hat.

Die Bandbreite zur Arbeitszeitreduktion wurde schon angesprochen, und es wurde auch Kritik daran geübt. Kollegin Schwentner, ich verstehe diese Kritik sehr gut, ich möchte aber hinzufügen, dass wir dahin gehend Gespräche geführt haben, dass dieses Thema aber leider jetzt in dieser Form nicht umsetzbar ist.

Geschätzte Damen und Herren, meiner Überzeugung nach sind diese Geset­zesmaterien, die sich sehr weitreichend auf die Arbeitsverhältnisse und sehr positiv auf das soziale Gefüge auswirken, wichtige Materien. Das sind eben die Änderungen des Mutterschutzgesetzes und des Väter-Karenzgesetzes, und natürlich werden – wie auch schon angesprochen worden ist – auch mit dem Arbeitsrechts-Änderungsgesetz 2015 ebenso wie mit dem Sozialrechts-Änderungsgesetz 2015 wesentliche Meilensteine beschlossen, die mehr Vereinbarkeit von Beruf und Familie bringen.

Mit diesen Gesetzesbeschlüssen wird auch ein Teil des Regierungsübereinkommens umgesetzt. Ich bin überzeugt, dass diese Bestimmungen wesentlich zu einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie beitragen werden. (Beifall bei der SPÖ.)

11.57


Präsident Karlheinz Kopf: Nun gelangt Herr Abgeordneter Grillitsch zu Wort. – Bitte.

 


11.57.56

Abgeordneter Fritz Grillitsch (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Mit diesem Bundesgesetz werden gesetzliche Unklarheiten bei Stellung eines Teilzeitan­trages bei Karenz beseitigt. Ich finde das gut. Das Gesetz beinhaltet einen verbes-serten Kündigungs- und Entlassungsschutz für Frauen bei Fehlgeburten. Des Weiteren wird eine Arbeitszeitbandbreite bei Elternteilzeit geschaffen, und auch die Schaffung eines zweiten Meldezeitpunktes für Elternkarenz ist, glaube ich, gut.

Wir haben aus meiner Sicht aber dann in der wirtschaftlichen Praxis noch viel Spiel-raum für die Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Das muss unser Ziel sein, dass das besser vereinbar wird, meine Damen und Herren. Die Eltern sollten jedoch die Wahlfreiheit haben, ob sie nach der Geburt so schnell wie möglich wieder ins Berufsleben einsteigen oder ganz oder auch nur teilweise zu Hause bleiben und die Kindererziehung übernehmen. Unsere Aufgabe wird es sein, faire Regelungen für die Anrechnung der Karenzzeit bei den Pensionszeiten zu finden.

Lassen Sie mich zum Schluss nur noch einen Vorschlag hier in diesem Hohen Haus einbringen: Wir sollten uns wirklich gründlich damit auseinandersetzen und uns an-schauen, dass österreichische Frauen im Schnitt 1,46 Kinder – Stand 2014 – bekom­men, während in Frankreich Frauen durchschnittlich 2,0 Kinder haben. Ich denke, das hängt auch damit zusammen, dass in Frankreich die Kinderanzahl im Steuermodell entsprechend berücksichtigt wird. (Abg. Schimanek: Das haben wir ja immer beantragt, Herr Kollege!) Wir sollten uns grundsätzlich in Österreich auch damit be-schäftigen. Vereinfacht dargestellt: Je mehr Kinder, desto weniger Steuer wäre zu zah-


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len. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Schimanek: Ja, Sie brauchen nur unserem Antrag zuzustimmen! Danke!)

11.59

11.59.40

 


Präsident Karlheinz Kopf: Es ist dazu niemand mehr zu Wort gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vor­nehme.

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 4:

Zunächst kommen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Mutterschutzgesetz und das Väter-Karenzgesetz geändert werden, in 951 der Beilagen.

Hiezu liegen ein Verlangen auf getrennte Abstimmung der Abgeordneten Mag. Schwent­ner sowie ein Verlangen auf getrennte Abstimmung der Abgeordneten Schimanek, Kolleginnen und Kollegen vor.

Ich werde daher zunächst über die von den erwähnten Verlangen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abge­stimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Wir kommen zunächst zu den Verlangen auf getrennte Abstimmung der Abgeordneten Mag. Schwentner und Schimanek, Kolleginnen und Kollegen, die jeweils Art. 1 Z 10 hinsichtlich § 15h Abs. 1 Z 3, Art. 1 Z 11, 15, 16 und 18, Art. 2 Z 4 hinsichtlich § 8 Abs. 1 Z 3 sowie Art. 2 Z 5 und Z 7 bis 11 in der Fassung des Ausschussberichtes betreffen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Nun kommen wir zu den restlichen Teilen des Verlangens auf getrennte Abstimmung der Abgeordneten Schimanek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Art. 1 samt Titel und Eingang sowie Z 1 bis 9, die restlichen noch nicht abgestimmten Teile der Z 10, Z 12 bis 14, 17 und 19 bis 21 sowie Art. 2 Z 2 und 3, die restlichen noch nicht abge­stimmten Teile der Z 4 sowie Z 6 und 12 bis 14 in der Fassung des Ausschussbe­richtes.

Wer sich dafür ausspricht, der gebe bitte ein Zeichen. – Das ist die Mehrheit und somit angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschuss­berichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür ihre Zustimmung erteilen, um ein beja­hendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen. – Das ist in dritter Lesung wiederum mit Mehrheit angenommen.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 951 der Beila­gen angeschlossene Entschließung betreffend Bagatellgrenze im Mutterschutzgesetz und Väter-Karenzgesetz.


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Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen. (E 117.)

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Schwentner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erleichterung der Inanspruch­nahme von Elternteilzeit.

Wer spricht sich dafür aus? – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 5: Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 952 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dafür ist, möge ein Zeichen geben. – Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

12.03.386. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (900 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversiche­rungsge­setz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Freiberuflichen-Sozialversicherungsgesetz, das Notarversicherungsgesetz 1972, das Sozialver­sicherungs-Ergänzungsgesetz, das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Mutterschutzgesetz 1979 und das Väter-Karenzgesetz geändert werden sowie ein Bundesgesetz über die Entschädigung für Heeresschädigungen erlassen wird (Sozialrechts-Änderungsgesetz 2015 – SRÄG 2015), sowie über den

Antrag 347/A der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Mutterschutzgesetz 1979, das Väter-Karenzgesetz und das Landarbeitsgesetz 1984 geändert werden, und über den

Antrag 990/A(E) der Abgeordneten Mag. Daniela Musiol, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Elternkarenz für Pflegeeltern (953 d.B.)

7. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Bürgerinitiative (72/BI) betreffend „Keine Kürzung der AMS-Mittel für den (Erwachsenen) AusBil­dungs­bereich“ (960 d.B.)

8. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 1418/A(E) der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Restrukturierung der AMS-Leitungsebene und Einführung von Leis­tungskomponenten bei der Entlohnung der AMS-Spitzenmanager (961 d.B.)

9. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 1386/A(E) der Abgeordneten Ing. Waltraud Dietrich, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Österreichweite Flexibilisierung der Unterbringung von Lehrlingen“ (962 d.B.)


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10. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 1384/A(E) der Abgeordneten Ing. Waltraud Dietrich, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Zu­erkennung des Pflegegeldes auch für einen kürzeren Zeitraum als sechs Monate“ (963 d.B.)

11. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 132/A(E) der Abgeordneten Mag. Helene Jarmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Be­handlung des Nationalen Aktionsplans für Menschen mit Behinderungen im Nationalrat (964 d.B.)

12. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 1345/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Über­arbeitung der Definition von „Verwaltungs- und Verrechnungsaufwand“ bei den Sozialversicherungsträgern und im Hauptverband (954 d.B.)

13. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 792/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend menlegung Sozialversicherungsträger (955 d.B.)

14. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 1014/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Luxus­pensionskürzungen unabhängig von der Entwicklung der Höchstbeitrags­grund­lage (956 d.B.)

15. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 1362/A(E) der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend humanen Umgang mit Patienten und Pflegebedürftigen (957 d.B.)

16. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 1381/A(E) der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Wiedereinführung des Heizkostenzuschusses in Wien (958 d.B.)

 


Präsident Karlheinz Kopf: Wir kommen nun zu den Punkten 6 bis 16 der Tagesord­nung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erste gelangt Frau Abgeordnete Dr. Belakowitsch-Jenewein zu Wort. – Bitte.

 



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12.04.01

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Tagesordnungspunkt 6 betrifft eine Regierungsvorlage betreffend das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Ge­werb­liche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und so weiter und so fort – das erspare ich Ihnen jetzt alles.

In dieser Änderung sind durchaus positive Verwaltungsvereinfachungen zu sehen, Adaptierungen zu sehen, aber – und das ist eben etwas, was wir auch schon im Ausschuss sehr stark kritisiert haben – wir haben hier wieder einmal den Fall, dass durchaus positive Änderungen mit etwas gekoppelt sind, dem wir unsere Zustimmung überhaupt nicht geben können, in dem Fall nämlich der Änderung des Arbeitszeit­gesetzes.

Vor wenigen Monaten, Herr Bundesminister, haben wir hier herinnen – und zwar ein­stim­mig – eine Änderung des Arbeitszeitgesetzes beschlossen. Im Übrigen war das Ganze auch eine Vorgabe der EU, aber unabhängig davon war es in diesem Fall eine sehr sinnvolle Änderung im Arbeitszeitgesetz. Diese Änderung bewirkte, dass eben die Arbeitszeit von Ärzten begrenzt wird. Mit der jetzigen Änderung hebeln Sie das wieder aus, indem Sie sagen: Die Tätigkeit als Notarzt wird jetzt verselbständigt und zählt daher nicht mehr zur Gesamtarbeitszeit. – Das halte ich für einen verkehrten Weg, dann hätten wir uns das alles sparen können.

Die Problematik dahinter ist mir schon klar, Herr Bundesminister: Ihnen gehen die Ärzte aus. Diese Bundesregierung hat nichts dazu beigetragen, dem drohenden Ärzte­mangel entgegenzuwirken, indem sie diesbezüglich irgendetwas getan hätte.

Die Änderung des Arbeitszeitgesetzes für Ärzte haben wir auf die lange Bank ge­schoben und sozusagen zehn vor zwölf noch schnell beschlossen, und da gab es oder gibt es jetzt eben einige Länder, in denen es wirklich zu einem Engpass und zu Problemen kommt – unter anderem auch in Wien –, wo auch groß gejammert wurde, dass man jetzt keine Notärzte mehr hat. Deswegen versuchen Sie da, eine gute und sinnvolle Gesetzesänderung hinterrücks wieder auszuhebeln. Das ist der Grund, warum wir da nicht mitstimmen werden. (Beifall bei der FPÖ.)

Aber eines zeigt der Fall schon, nämlich dass dieses gesamte Sozialversiche­rungs­gesetz bereits so kompliziert ist, dass es sinnvoll wäre, es vielleicht auch einmal ein bisschen zu durchforsten und ein bisschen mehr aufzugliedern. Es gibt nämlich immer wieder verschiedenste Änderungen, die Sie wie – ich sage es jetzt einmal so – Kraut und Rüben zusammenmischen, wobei manche Dinge durchaus positiv wären, aber anderes eben nicht. Das ist eigentlich das ganz große Problem bei all diesen Geset­zes­materien.

Dann komme ich noch zu meinen beiden Anträgen. – Ein Antrag davon, Herr Bundes­minister, richtet sich an Sie. Da geht es darum, dass im Zuge der derzeit stattfindenden Verhandlungen betreffend eine Artikel-15a-Vereinbarung, in denen auch die Mindest­sicherung, die ja heute schon so viel bemüht wurde – vor allem von der ÖVP –, neu verhandelt wird, im Bundesland Wien der sogenannte Heizkostenzuschuss wieder ein­geführt werden soll.

Jetzt haben wir das im Ausschuss diskutiert, und ich habe die Argumente noch gut im Ohr, vor allem das Argument des grünen Kollegen Willi, der heute nicht hier ist, aber erklärt hat, welch großartige Geschichte das denn sei, dass Wien jetzt einen ganz anderen Weg geht, indem es in Wien eben keinen Heizkostenzuschuss, sondern eine Energieberatung gebe.


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Das sehe ich jetzt natürlich ein bisschen anders, denn eines sage ich Ihnen schon: Es geht da um Menschen, die sich im Winter das Heizen nicht leisten können. Wenn der Kühlschrank zu viel Strom verbraucht, ist das eine Geschichte, aber wenn ich es mir nicht leisten kann, dass ich meine Wohnung warm halte, dann ist das die andere Seite – und das muss man schon auch unterscheiden. Das jetzt alles sozusagen in einen Topf zu werfen und zu sagen: Das ist eh alles ganz supertoll!, das, Herr Bundesminister, ist für mich nicht ganz nachvollziehbar.

Ich habe hier eine Stellungnahme der MA 40, die sie an einen Betroffenen geschrieben hat, warum sie denn keinen Heizkostenzuschuss mehr ausbezahlen würde, und in dieser Stellungnahme steht dann drinnen, dass vorgesehen sei, dass es eben kein Geld oder keine Sachleistungen gibt.

„Das Bundesland Wien geht (…) mit der Wiener Energieunterstützung einen anderen Weg und möchte individuell helfen. Ein sozial schwacher Haushalt, konfrontiert mit einer Nachzahlung aus der Jahresabrechnung in der Höhe von z.B. über € 1000,-, wird mit einem (…) Heizkostenzuschuss (…) nicht das Auslangen finden (…). Auch ist es wichtig, die Ursache eines hohen Energieverbrauches zu finden, um das Haushalts­budget durch geringere laufende Energiekosten weiter zu entlasten.“

Es muss auch der Verursacher gesucht werden, dazu gibt es „eine kostenlose Energie­beratung im Haushalt (…). Wird dabei z.B. ein altes, nicht energieeffizientes Haushaltsgerät“ entdeckt und so weiter und so fort.

„Die laufenden Energiekosten (…) sind (…) von der Mindestsicherung erfasst. Da es jedoch bei der jährlichen Energieabrechnung trotz Begleichung der vorgeschriebenen Teilbeträge zu einer Nachforderung wegen eines höheren Energieverbrauches (…) kommen kann, besteht die Möglichkeit, für diese Nachzahlung um finanzielle Unter­stützung anzusuchen.“

Das heißt im Klartext: Wenn beispielsweise mein Stromverbrauch oder auch mein Gasverbrauch so hoch ist, dass ich eine enorme Nachzahlung bekomme, dann wird das von der MA 40 übernommen. Das heißt, für mich ist das eine Aufforderung, dass die Menschen vielleicht nicht mehr den Holzofen einheizen, den sie haben, sondern das Backrohr aufmachen, ihre kleinen Wohnungen damit heizen, und dann warten und hoffen, dass sie eine Nachzahlung bekommen. Das kann, bitte schön, nicht der richtige Weg sein, also diese Argumentation ist wirklich nicht nachvollziehbar. (Beifall bei der FPÖ.)

Des Weiteren geht die MA 40 da offensichtlich davon aus, dass alle Menschen, die wenig Geld haben, Mindestsicherung beziehen. Ich sage Ihnen, es gibt auch noch Mindestpensionisten, Ausgleichszulagenbezieher – all das sind Menschen, die sich mit dem Heizen schwertun. Und es nützt ihnen nichts, wenn sie dann einen neuen Kühl­schrank bekommen, denn die Wohnung bleibt trotzdem kalt. Das sollte man hier auch einmal bedenken, und daher, Herr Bundesminister, wäre das schon ein sehr sozialer Aspekt. Wenn ich bedenke, dass der Heizkostenzuschuss, als es ihn in Wien noch gab, 6 Millionen € im Jahr ausgemacht hat, dann ist das angesichts des Wiener Budgets ein Betrag (Zwischenruf der Abg. Lueger), der wirklich nicht zu groß ist. Das muss man schon sagen, dass das im Promillebereich des gesamten Wiener Budgets ist.

Im zweiten meiner Anträge, die hier vorliegen, geht es um den Fall einer alte Dame, die einige Zeit Pflege in Anspruch genommen hat, aber nicht darüber aufgeklärt wurde, welche Kosten ihr dabei entstehen würden. Wir haben diesen Fall auch schon im Ausschuss durchgekaut, und Ihr einziges Argument war, dass das ein Einzelfall ist und ich solle nicht jeden Einzelfall hereinbringen, denn der Erbe – in dem Fall der Sohn der


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verstorbenen Dame – hätte ohnehin genug geerbt und außerdem die erste Rate an-stands­los bezahlt.

Jetzt kann ich nicht beurteilen, ob das stimmt, aber ich möchte das jetzt einmal so zur Kenntnis nehmen. Das eine hat nur mit dem anderen nichts zu tun. Da wird wirklich so vorgegangen: Da wurden – obwohl bestätigt wurde, dass die Dame gar nicht dorthin, sondern lieber nach Hause wollte – der Dame Zettel vorgelegt, die sie zu unter­schreiben hatte. Die inzwischen verstorbene hochbetagte Frau hatte keine Ahnung, was da wirklich – auch an Kosten – auf sie zukommen würde.

Dieser Antrag zielt eben genau darauf ab, dass man ordentlich aufklärt, und wenn man merkt, dass es da um sehr alte Menschen geht oder um Menschen, die vielleicht nicht mehr alles so ganz verstehen, dass man dann auch bereits die Angehörigen in die Aufklärung miteinbezieht. All das ist in diesem Fall nicht passiert.

Dabei ist es aber nicht so, dass es sich wirklich um einen Einzelfall handelt, sondern das passiert öfter; es sind nur nicht alle Angehörigen so, dass sie sich auch auf die Hinterfüße stellen und sich einmal gegen Ungerechtigkeiten wehren, Herr Bundes­minister.

Dieser Antrag zielt einzig darauf ab, dass man solche Dinge abstellt, dass das eben in Zukunft nicht mehr vorkommt und dass Angehörige nicht gezwungen sind, vor Gericht zu ziehen, sondern dass vorher – auch über die Kosten, die entstehen können – aufgeklärt wird.

Das wäre nämlich einmal eine sehr menschliche und eine sehr soziale Entscheidung, und genau so soll dieser Antrag verstanden werden. (Beifall bei der FPÖ.)

12.12


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Keck zu Wort. – Bitte.

 


12.12.29

Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Zuallererst möchte ich die Lehrlinge des ersten Lehrjahres der voestalpine Linz mit ihren Aus-bildnern und ihrem Lehrlingsbetriebsrat recht herzlich auf der Galerie begrüßen! (Allgemeiner Beifall.)

Meine Damen und Herren! Wir haben im Sozialrechts-Änderungsgesetz wieder wich­tige und vor allem sozial gerechte Maßnahmen getroffen, die einerseits für Verwal­tungsvereinfachungen sorgen, andererseits soziale Schieflagen wieder ausgleichen werden. Ich denke, in diesem Sozialrechts-Änderungsgesetz sind so viele Punkte, die wir heute beschließen werden, dass ich sie wirklich noch einmal einzeln aufzählen möchte.

Punkt 1 ist die Neuordnung der Pflichtversicherung von Personen, die bei Berufsver­tretungsbehörden und bei internationalen Organisationen beschäftigt sind.

Punkt 2 ist die Normierung, dass Einkünfte aus nebenberuflicher notärztlicher Tätigkeit eine Beitragspflicht nach dem Freiberuflichen-Sozialversicherungsgesetz begründen.

Punkt 3 ist die Statuierung der Anlagesicherheit als zentrale Vorgabe im Bereich der Vermögensveranlagung.

Punkt 4 ist die Einordnung der Teilpflichtversicherungszeiten in der Pensionsversiche­rung für Zeiten der Kindererziehung und andere ehemalige Ersatzzeiten in den Katalog der Beitragszeiten.

Punkt 5 ist die Neugestaltung der Beitragsbemessung für die Neuen Selbstständigen.


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Als Punkt 6 haben wir die Änderung des Beitragsrechtes nach dem Bauern-Sozial­versicherungsgesetz im Zusammenhang mit der Neufeststellung der Einheitswerte des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens beschlossen.

Punkt 7: Ermöglichung der freiwilligen Weiterversicherung in der Pensionsversicherung trotz Pflichtversicherung in einem anderen Staat.

Punkt 8: Übernahme der Amtlichen Verlautbarung der Sozialversicherung in das Rechtsinformationssystem des Bundes.

Punkt 9 – und das ist wirklich ein ganz wichtiger Punkt – ist das gesetzliche Sonder­krankengeld für Menschen, die ausgesteuert sind und noch ein aufrechtes Dienst­verhältnis haben.

Punkt 10 ist die Klärung, dass bei der Berechnung von Rehabilitationsgeld nur auf Einkommen, die über der Geringfügigkeitsgrenze liegen, zurückgegriffen wird. Das führt bei manchen Rehabilitationsgeld-Beziehern zu einem weit höheren Reha­bilita­tions­geld.

Punkt 11 ist die breitere Einbeziehung der Laienrichter in den Schutz durch die Unfallversicherung.

Punkt 12: Schaffung breiterer Möglichkeiten der Selbstversicherung für pflegende Angehörige.

13. Punk: Senkung des UV-Betrages in der VAEB analog der Beitragssenkung in der AUVA.

14. Punkt: Schaffung einer Satzungsermächtigung, sodass ausgesteuerte Personen für die Dauer eines notwendigen stationären Krankenhausaufenthaltes auch das Kran­kengeld bekommen könnten.

Punkt 15: Ruhen des Anspruchs auf Umschulungsgeld.

16. Punkt: kein Weiterbildungsgeld, wenn aus dem Ausbildungsverhältnis Einkünfte in Höhe von mehr als dem Eineinhalbfachen der Geringfügigkeitsgrenze erzielt werden.

17. Punkt: Verschiebung des Zeitpunktes des Inkrafttretens aller im Zusammenhang mit der Einführung der monatlichen Beitragsgrundlagenmeldung stehenden Bestim­mungen um ein Jahr.

Punkt 18: Elternkarenz für Pflegeeltern ohne Adoptionsabsicht.

19. und letzter Punkt ist der Zweite Meldezeitpunkt für Pflegeeltern.

Meine Damen und Herren, das ist eine ganze Liste voll mit Punkten, die, wie ich eingangs erwähnt habe, zu mehr sozialer Gerechtigkeit führen werden. Ich möchte aber noch auf zwei Punkte, die mir persönlich sehr am Herzen gelegen sind, eingehen. Das eine ist die Änderung des Sonderkrankengeldes, das andere die Änderung im Krankengeldwesen.

Ausgangspunkt sind Personen, die ein aufrechtes Dienstverhältnis haben, deren Krankengeldanspruch jedoch ausgesteuert wurde und die dann eine Pension beantragt haben, aber vom PV-Träger abgelehnt wurden. Sie mussten über den zweiten Instan­zenweg, über den Weg des Arbeits- und Sozialgerichtes, Beschwerde einlegen und warten, bis das Arbeits- und Sozialgericht ein Urteil gefällt hat. In dieser Zeit haben sie kein Einkommen gehabt. – Das wird mit diesem Sozialrechts-Änderungsgesetz jetzt geändert: Diese Personen bekommen Sonderkrankengeld, bis ein rechtmäßiger Spruch des Arbeits- und Sozialgerichtes vorhanden ist. Diese Lücke ist mit dem gegenständlichen Gesetz geschlossen worden.


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Der zweite Punkt ist, dass eine Satzungsermächtigung geschaffen wird, sodass aus­gesteuerte Personen für die Dauer eines notwendigen stationären Aufenthaltes Krankengeld bekommen. – Auch das war in der Vergangenheit nicht der Fall, und diese Möglichkeit wird mit diesem Sozialrechts-Änderungsgesetz geschaffen.

Meine Damen und Herren, all das sind Maßnahmen, die zur Entbürokratisierung, zu einer Vereinfachung, aber auch zu mehr sozialer Gerechtigkeit beitragen, und das Ganze wäre ohne unseren engagierten Sozialminister Rudi Hundstorfer sicherlich nicht möglich gewesen. (Zwischenruf des Abg. Deimek.) Ich möchte mich bei dir, lieber Minister Hundstorfer, recht herzlich für dein Engagement und für deinen Einsatz für dieses Sozialrechts-Änderungsgesetz bedanken. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Bravoruf des Abg. Heinzl.)

12.17


Präsident Karlheinz Kopf: Nun gelangt Frau Abgeordnete Mag. Schwentner zu Wort. – Bitte.

 


12.17.15

Abgeordnete Mag. Judith Schwentner (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Kollege Keck hat jetzt sehr anschaulich versucht, die Fülle an Änderungen im Sozialrechts-Änderungsgesetz, die wir nicht einmal im Aus­schuss entsprechend diskutieren konnten, aufzuzählen.

Eine Geschichte, nämlich dass diese Lücke zwischen Krankengeld und Rehabilita-tionsgeld geschlossen wird, begrüßen wir absolut. Das war ganz wichtig und notwen­dig. – Ich möchte aber dann vor allem noch eine andere Sache hervorheben, sie mit Leben erfüllen und damit aufzeigen, was sie bedeutet: Aufgrund eines OGH-Urteiles war es notwendig, dass auch eine andere Lücke geschlossen wird, nämlich jene, was die Gleichstellung von Beitragszeiten und Versicherungszeiten bei der Anwartschaft für Pensionen anbelangt – und das betrifft sehr viele Frauen.

Das, was ich aber nicht nachvollziehen kann, und deswegen erwähne ich es hier jetzt noch einmal – Sie wissen, was ich meine; Sie nicken, Herr Kollege Wöginger –, ist, dass man diese Änderung jetzt nicht zum Anlass genommen hat, in Bezug auf eine – wie ich meinen würde – dringend zu schließende Lücke weiterzugehen, nämlich die, die aufgrund der Pensionsreform entstanden ist. Diese bedeutet, dass Frauen – es sind vor allem Frauen betroffen –, die vor 2005 ihre Kinder bekommen haben, teilweise nicht genügend Beitragsjahre zusammenbekommen. Diese Frauen melden sich jetzt zunehmend bei uns, und wir kommen drauf, dass es sehr wohl einige sind. Diese Frauen haben keine entsprechende Anzahl an Beitragsjahren zusammen, um dann auch Pensionsansprüche zu haben.

Da geht es oft darum, dass eine Frau 14 Jahre gearbeitet hat, aber ein Jahr nicht – eine Frau, die sich dazu entschlossen hat, bei ihren Kindern zu Hause zu sein –, und aufgrund dieser Lücke, die, wie ich meine, dringend geschlossen werden muss, keinen Pensionsanspruch hat.

Es gibt auch einen entsprechenden Antrag von uns, der bislang nicht unterstützt, sondern leider nur vertagt wurde – mit dem Versprechen, dass sich da etwas ändert. Ich frage mich nur, wann sich etwas ändert, denn seit Mai wird versprochen, dass genau auf diese Frauen geschaut wird. Es melden sich immer mehr Frauen, und ich denke mir – jetzt ist ein Dreivierteljahr verstrichen, und Sie haben zwar im Ausschuss wieder gemeint, da kommt eine Änderung –, dass jene Frauen, die jetzt tatsächlich in der Luft hängen und keinen Pensionsanspruch haben, dringend und schnell unterstützt gehören.


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Zum einen wundert es mich, weil die ÖVP immer betont, dass sie familienpolitisch sehr bedacht und ihr die Familie ein großes Anliegen ist, zum anderen verstehe ich nicht, warum in der SPÖ diesbezüglich nichts weitergeht, weil, wie auch ich meine, alle Personen und auch Frauen, die zu einem guten Teil auf ihre Arbeit verzichtet haben und zu Hause bei ihren Kindern geblieben sind, ein Recht auf eine eigenständige Pension haben – und dieses Recht muss durchgesetzt werden.

Daher bitte ich – und da bitte ich um Unterstützung –, diese Lücke, die viele Frauen betrifft, möglichst bald zu schließen und zu ermöglichen, dass die Frauen auf ihre Beitragszeiten und damit auch zu einer eigenständigen Pension kommen.

Wir haben auch den Vorschlag gemacht, dass das nur angerechnet wird, aber nicht pensionserhöhend wirkt. Insofern wäre das auch kein großer Kostenpunkt, sondern es würde den Frauen einfach nur ermöglichen, zu einer eigenständigen Pension zu kom­men. Ich glaube, das sollten wir dringend angehen. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

12.20


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Wöginger. – Bitte.

 


12.21.01

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Schwentner, ich darf gleich auf Ihre Ausführungen eingehen: Ja, die ÖVP steht dazu, und wir wollen diese Änderung herbeiführen. Ich habe das auch im Ausschuss betont. Es geht jetzt darum, dass festgestellt wird, um wie viele Frauen es sich handelt, und dass wir da auch einen Kostenrahmen festlegen können. Das ist notwendig.

Frau Kollegin Schwentner, Sie haben gesagt, es melden sich einige Frauen. Das ist richtig, auch bei uns melden sich diese Frauen, und wir wollen, dass die Kindererzie­hungszeiten auch im Altrecht so behandelt werden, wie wir es im Allgemeinen Pen­sionsgesetz bereits verabschiedet haben, nämlich dass einfach die Kindererzie­hungszeit pensionsbegründend wirkt, damit die 180 Monate erreicht werden, da diese Frauen für die Gesellschaft insgesamt einen sehr wesentlichen Beitrag geleistet haben. Unser Wort haben Sie, wir wollen das in diesem Sinn erledigen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Vavrik.)

Sie haben es angesprochen, es ist da aufgrund des OGH-Urteils ein Schritt in diese Richtung gemacht worden, aber wir haben das noch nicht im Altrecht, da dort ja Beiträge sozusagen als Hintergrund vorhanden sein müssen. Das fehlt uns da noch, das müssen wir noch erledigen.

Zum Sozialrechts-Änderungsgesetz: Kollege Keck hat eindrucksvoll geschildert, dass das eine umfassende Novelle in diesem Bereich ist. Ich darf nur kurz vier Punkte herausgreifen.

Der erste Punkt: Die fünfjährige Wartefrist zur Sozialversicherung in der Krankenver­sicherung entfällt für Personen, die ein behindertes Kind oder nahe Angehörige pflegen. Das ist eine sehr wichtige sozialpolitische Maßnahme. (Beifall der Abg. Aubauer.) Und ich bedanke mich bei all jenen Menschen, die diesen Angehörigen und Kindern ihren unermüdlichen persönlichen Einsatz entgegenbringen. Das ist eine ganz tolle Leistung, die da in vielen Familien erbracht wird. (Beifall bei der ÖVP.)

Der zweite Punkt ist, dass Beschäftigten, die zumindest zwölf Monate in Österreich pflichtversichert waren, die Möglichkeit einer freiwilligen Weiterversicherung in der Pensionsversicherung geboten wird.

Der dritte Punkt: Die Abschaffung der täglichen Geringfügigkeitsgrenze wird vorge­zogen. Das heißt, der Sozialminister erhält die Ermächtigung, dass er das per Verord-


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nung machen kann. Wir sind sehr stolz darauf, dass wir das insgesamt zustande gebracht haben, weil das eine Erleichterung und Vereinfachung sowohl für die Dienst­geber als auch für jene Menschen ist, die geringfügig arbeiten. Die tägliche Gering-fügigkeitsgrenze ist oftmals eine bürokratische Hürde, sie ist auch in der Praxis nicht nachvollziehbar und schwer administrierbar. Daher ersuchen wir, das so bald wie möglich zu machen. Gesetzlich verankert ist es jetzt mit 1. Jänner 2017, und wir er­suchen, dass das bereits früher gemacht wird, weil es im Sinne der betroffenen Menschen ist.

Ein Punkt, der mir als Betriebsrat und Mitarbeiter des Roten Kreuzes ganz besonders am Herzen gelegen ist, ist die Lösung des durch die neue Ärztearbeitszeit ent­standenen Arbeitszeitproblems bei nebenberuflichen Notärzten. Worum geht es dabei? – Es geht um unser Notarztsystem, das in den meisten Bundesländern von Spitalsärzten durchgeführt wird, also von Ärzten, die sowohl Bedienstete eines Krankenhauses sind, als auch als Notärzte zur Verfügung stehen und im Rahmen des Notarztsystems unterwegs sind.

Es wäre wirklich, und das möchte ich hier schon betonen, das gesamte System gefährdet gewesen – ein sehr erfolgreiches System –, weil wir die Arbeitszeit richtiger­weise auf 48 Stunden beschränkt haben, was notwendig ist, mit einer sehr langen Übergangsfrist. Wir müssen für diesen Bereich aber auch eine praxisgerechte Möglich­keit schaffen. Daher ist die Kritik am Sozialminister nicht gerechtfertigt. Ich bedanke mich ausdrücklich beim Herrn Sozialminister – auch als Mitarbeiter des Roten Kreu­zes –, dass dieses sehr gut funktionierende System aufrechterhalten wird, da das in Zukunft eine nebenberufliche Tätigkeit ist und sozusagen die Zeit nicht zusam­mengerechnet wird. Daher ist es möglich, das Notarztsystem, das hervorragend funk­tioniert, weiterzubetreiben.

Ich bedanke mich auch bei all jenen, die da mitwirken, mitarbeiten und in Minu­tenschnelle jenen Menschen zur Verfügung stehen, die in Not geraten sind und diese Unterstützung sowie ärztliche Betreuung brauchen.

Herr Minister, ich danke Ihnen dafür, dass Sie uns da unterstützt haben, dass Sie dieser Forderung nachgekommen sind. Insgesamt ist das eine Regelung, die wir sehr begrüßen und die uns in der Sozialpolitik wieder weiterbringt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

12.25


Präsident Karlheinz Kopf: Herr Abgeordneter Mag. Loacker ist der nächste Redner. – Bitte.

 


12.25.36

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Das ist ein riesiges Gesetz, und das in einer Debatte zu elf Tages­ordnungspunkten – 6 bis 16.

Ich möchte gleich an den Kollegen Wöginger und die Notärzte anschließen. Da ging es um die Frage, ob die jetzt unselbständig oder als Freiberufler beschäftigt sind. Das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz, das mit der neuen Regelung in Bezug auf die Notarzttätigkeit jetzt ausgehebelt wird, ist das eine, aber das andere ist die Mehrfach­versicherung. Es ging auch darum, ob diese grundsätzlich freiberuflich tätigen Ärzte in ihrer Notarzttätigkeit Angestellte sind und damit für im Grunde dieselbe Tätigkeit auch einem anderen Versicherungszweig unterliegen. Jetzt haben wir es umgekehrt, jetzt sind die Notärzte Freiberufler; und wenn sie sonst angestellte Ärzte sind, dann sind sie halt mit ihrer Notarzttätigkeit Freiberufler.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 81

In Wirklichkeit haben wir da ein Mehrfachversicherungsproblem, das eben aufgrund der komplexen Struktur der österreichischen Sozialversicherung besteht. Aber diese vielen Versicherungsträger – wahrscheinlich wird mir nachher entweder Abgeordneter Schopf oder Kollege Muchitsch oder jemand anderer aus der Gewerkschaftsrunde erklären, warum es die alle braucht –, die sind natürlich super, denn die Verwal­tungskosten sind natürlich super niedrig.

Die Verwaltungskosten, die Sie in Österreich berechnen, sind so super niedrig, weil Sie sie anders rechnen als andere Länder, da Sie nicht nach betriebswirtschaftlichen Standards rechnen. Die österreichischen Krankenversicherungsträger rechnen sich die Verwaltungskosten schön; und mit unseren Anträgen, die jetzt zur Debatte stehen, wollen wir das verhindern und abstellen, dass sich die Versicherungsträger ihre Verwal­tungskosten kleinrechnen.

In Österreich zählen weder die Abschreibungen noch Gerichtskosten, noch die ausgelagerte Gesellschaft ITSV zu den Verwaltungskosten. Das sind jene Kosten, von denen Kollege Abgeordneter Schopf immer sagt, diese kämen direkt den Patienten zugute. Das sind natürlich Verwaltungskosten, aber eben nicht in der österreichischen Logik. Wir brauchen diese vielen Sozialversicherungsträger, damit die rot-schwarzen Freunde mit diversen Posten und Pöstchen versorgt werden können; und mit dieser Struktur kann man auf diesem Weg auch ein paar Millionen Euro in der Hoffnung versickern lassen, dass es der Steuer- und Sozialversicherungsbeitragszahler nicht bemerkt.

Dazu kommen – und damit bin ich bei einem weiteren Punkt – die Zusatzpensionen, die in diesen Sozialversicherungsträgern gezahlt werden und die die Spitzenkräfte der Sozialversicherungsträger beziehen; das ist das, was man gemeinhin als Luxuspen­sion bezeichnet.

Die Bezieher solcher Luxuspensionen profitieren von Ihren Gesetzen, denn immer dann, wenn die Höchstbeitragsgrundlage angehoben wird, wird auch der Betrag ange­hoben, ab dem eine Pension gekürzt wird. Und in diesem Jahr heben Sie die Höchst­beitragsgrundlage der Sozialversicherung außertourlich noch einmal an. Das heißt, die Kürzung der Luxuspensionen fällt kleiner aus. Die großen Profiteure in diesem Jahr sind die Bezieher von Luxuspensionen.

Man wehrt sich aber auch noch gegen die Kontrolle in den Sozialversicherungsträgern und gegen die Transparenz. Deshalb haben wir auch einen Antrag auf die Sicht­barmachung der Vermögensverwaltung in den Sozialversicherungsträgern einge­bracht; von diesen werden nämlich teilweise Rücklagen angehäuft, dass einem schwindlig werden könnte.

Die Unfallversicherung hat mehr Rücklagen, als die Beitragseinnahmen eines Jahres ausmachen. Die Beamtenversicherung hat 700 Millionen € an Rücklagen. Da fragt man sich, wieso es das braucht, denn mit den Beamten hat sich eine ohnedies bereits privilegierte Gruppe aus dem Solidarsystem verabschiedet, eine eigene Versicherung aufgemacht (Abg. Neubauer: Warum sind die privilegiert?), die höhere Leistungen bietet, als sie den Versicherten der anderen Krankenkassen zustehen. Das ist das von Ihnen so oft gelobte System der Solidarität! (Abg. Neubauer: Warum sind die privilegiert?)

Für diese Rücklagen, die da angehäuft werden, gibt es weder eine Obergrenze noch eine Zweckwidmung, dass man sagt, man kann Rücklagen nur für bestimmte Zwecke bilden, sondern die können frei entscheiden, wann und wie viele Rücklagen sie bilden. Diese Absurditäten müssen ein Ende finden.


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Wir glauben zwar nicht, dass wir unter dieser Bundesregierung zu einem Ende der Absurditäten im rot-schwarzen Sozialversicherungssumpf kommen werden, aber die Hoffnung stirbt zuletzt. (Beifall bei den NEOS.)

12.30


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hell. – Bitte.

 


12.30.20

Abgeordneter Johann Hell (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Bevor ich mich mit den Tagesordnungspunkten 7 und 8 auseinandersetze, darf ich die Schülerinnen und Schüler der HLW St. Pölten recht herzlich begrüßen. Herzlich willkommen hier im Hohes Haus! (Allgemeiner Beifall.)

Die beiden Tagesordnungspunkte, über die ich sprechen möchte, betreffen Anliegen aus dem Bereich des AMS. Tagesordnungspunkt 7 befasst sich mit einem Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Bürgerinitiative betreffend „Keine Kür­zung der AMS-Mittel für den (Erwachsenen) AusBildungsbereich“. Diese Bürgerinitia­tive wurde bereits im Ausschuss für Bürgerinitiativen und Petitionen behandelt und dann dem Ausschuss für Arbeit und Soziales zugewiesen.

Das Anliegen der Bürgerinitiative besteht darin, in Zeiten der steigenden Arbeitslo­sigkeit mehr Mittel für Ausbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen zur Verfügung zu stellen.

Meine Damen und Herren! Mit der Beschlussfassung des Budgetbegleitgesetzes 2016 vor wenigen Wochen wurden wesentliche Forderungen der Bürgerinitiative, etwa eine Flexibilisierung und Aufstockung des Mitteleinsatzes für die Zielgruppe 50plus, für Langzeitbeschäftigungslose und Asylberechtigte, erfüllt und umgesetzt. So werden für 2016 insgesamt bis zu 300 Millionen € und ab 2017 jährlich bis zu 350 Millionen € aus dem Budgetansatz für Leistungen nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz bereit­gestellt. Von diesen Mitteln können 2016 150 Millionen € und ab 2017 175 Millionen € für die Zielgruppe 50plus, und zwar auch dann, wenn die Personen kürzer als 180 Tage vorgemerkt sind, verwendet werden. Für Langzeitarbeitslose stehen 2016 bis zu 100 Millionen € und ab 2017 jährlich 120 Millionen € zur Verfügung.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren, bei all diesen wichtigen Maßnahmen, die hier gesetzt wurden, auch hinsichtlich der Ausbildungs- und Qualifizierungs­maßnah­men, brauchen wir aber auch die Bereitschaft von Unternehmen, ältere Arbeitneh­merinnen und Arbeitnehmer zu beschäftigen.

Dem Antrag unter Tagesordnungspunkt 8 werden wir nicht die Zustimmung geben. Ich bin überzeugt davon, dass eine organisatorische Zusammenlegung der AMS-Län­derorganisationen negative Auswirkungen auf die Arbeit des Arbeitsmarktservice haben würde. Auch der Vorschlag, Arbeitsmarkt- beziehungsweise Beschäftigungsent­wicklungen als Eckpunkte von Leistungskomponenten für AMS-Manager einzubauen, finden wir nicht durchdacht und werden dem auch nicht die Zustimmung geben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.33


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Ing. Dietrich zu Wort. – Bitte.

 


12.33.48

Abgeordnete Ing. Waltraud Dietrich (STRONACH): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Immer wieder sind es Experten, die der Regierung Empfehlungen geben, und die Regierung handelt da-


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nach. Und oftmals werden Experten als politisches Instrument verwendet, damit die Meinung, die man haben will, dem Partner beziehungsweise dem Volk transportiert wird.

Wahrscheinlich waren es auch Experten, die vor 16 Jahren die damalige Ministerin Gehrer dazu angehalten haben, einen Brief an alle Maturanten und Maturantinnen zu schreiben, in dem sie ihnen davon abgeraten hat, das Ärztestudium anzugehen. Man hat damals von einer Ärzteschwemme gesprochen, man hat davon gesprochen, dass es keine Chance gibt, diesen Beruf jemals auszuüben. Und damit, wie sehr sich diese Experten geirrt haben – und damit die Frau Minister –, sind wir heute konfrontiert. Wir haben ein Ärzteloch, und die Regierung tut aus meiner Sicht nicht das, was sie sollte, nämlich junge Menschen motivieren, Ärzte zu werden, sondern sie macht genau das Gegenteil: Sie schafft Rahmenbedingungen, dass es sich viele, auch schon fertige Ärzte, überlegen, ins Ausland zu gehen oder den Job zu wechseln. (Beifall beim Team Stronach sowie der Abgeordneten Doppler und Gerhard Schmid.)

Ich sage Ihnen, meine geschätzten Damen und Herren, es wäre höchst verantwor­tungsvoll, dieses Problem endlich ernsthaft zu diskutieren und zu schauen, dass dieser Ärztemangel, den wir jetzt haben, nicht weiter verlängert wird. Aber was machen wir mit dem heutigen Gesetz, dem Sozialrechts-Änderungsgesetz? – Wir machen eine Mogelpackung. Wir haben auf der einen Seite die Arbeitszeit, die aufgrund der EU-Richtlinie eine Vorgabe war, diesen Deckel bei der Arbeitszeit mit 48 Stunden, und auf der anderen Seite haben wir zu wenig Ärzte. Und jetzt schauen wir halt, dass der Notarztdienst eine freiberufliche Tätigkeit ist und die Arbeitszeit im Spital nicht dazu addiert wird. Das heißt, in Wirklichkeit arbeiten die Ärzte viel, viel länger, aber auf dem Papier gibt es dann doch die Einhaltung dieser Arbeitszeitbegrenzung.

Herr Minister, wir werden diesem Sozialrechts-Änderungsgesetz nicht zustimmen, weil wir der Meinung sind, der Patient und der Arzt haben ein Recht darauf, dass die Ärztearbeitszeit eingehalten wird und damit die Qualität für den Patienten gewährleistet ist. (Beifall beim Team Stronach. – Abg. Wöginger: Dann kommt aber niemand mehr!)

Herr Kollege Wöginger, du hast es ja selbst gesagt: Mit dieser Regelung schaffen wir es, dass die Ärzte länger arbeiten können! Ich sage dir ganz ehrlich, das wollen wir nicht. Wir wollen eine faire Entlohnung für die Ärzte, und wir wollen auch, dass sie Arbeitszeiten haben, die menschengerecht sind. (Abg. Wöginger: Dann fährt er nicht mehr aus!) Es ist aus meiner Sicht einfach nicht zumutbar, dass sie rund um die Uhr arbeiten (Abg. Wöginger: Das ist ja nicht wahr!) und am Ende des Tages nicht viel bleibt. (Abg. Wöginger: Das ist nicht wahr, schon gar nicht bei den Notärzten!)

Wenn wir nun schon bei diesen Experten sind: In den letzten Tagen gab es die Diskussion um die Pension, in der auch wieder die ÖVP Experten als Instrument verwendet, um Druck auf den Koalitionspartner auszuüben.

Meine geschätzten Damen und Herren! Dass wir bei den Pensionen etwas tun müs­sen, hat jeder in Österreich, glaube ich, mittlerweile schon begriffen. Die Fakten sprechen eine ganz, ganz klare Sprache: Im Jahr 2000 haben wir 2,3 Prozent des BIP für Pensionen aufgewendet, 2020 werden es bereits 3,35 Prozent sein. Da ist es nur fair und richtig, in diesem Zusammenhang von einem Deckel zu sprechen (Abg. Neubauer: Den haben wir ja eh alle auf!); einem Deckel, der berücksichtigt, wie viel wir als Staat leisten können, wie viel wir dafür ausgeben wollen.

Einen Deckel, meine geschätzten Damen und Herren, wollen wir endlich bei den Luxuspensionen, denn das, was da passiert, ist eine jährliche Vergoldung der Luxus­pensionen, nämlich von Pensionen, für die nie eingezahlt wurde! (Beifall beim Team Stronach sowie der Abgeordneten Doppler und Gerhard Schmid.)


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Zeigen wir doch endlich Fairness den jüngeren Generationen gegenüber, und greifen wir dieses Thema an! Greifen wir dieses Thema so an, dass es nachhaltig gelöst ist!

Es kann nicht sein, dass in der Nationalbank die Durchschnittspension noch immer über 6 000 € ist, dass es Spitzenpensionen mit 33 000 € gibt, meine geschätzten Damen und Herren, während auf der anderen Seite der Staat bis 2016 150 Millionen € zuschießen muss. Das ist nicht akzeptabel! Auf der anderen Seite der Skala gibt es 900 000 Menschen, die gerade einmal 858 € haben.

Meine geschätzten Damen und Herren! Dieses System ist äußerst unfair geworden, und es hilft nicht, ständig am System zu reparieren. Wir brauchen eine generelle Neu­aufstellung des Systems. Wir müssen ein faires System, nachhaltig auch für jüngere Generationen schaffen.

Nicht umsonst sagt Robert Holzmann, ein anerkannter Ökonom, wir haben in Österreich eines der weltweit teuersten Pensionssysteme und gleichzeitig eines der ungerechtesten. Da haben doch wir hier im Parlament größten Handlungsbedarf, endlich für mehr Gerechtigkeit zu sorgen!

Wir haben noch immer Privilegien, und die müssen wir angehen. Da hilft kein Herumdrehen. Wir wollen, dass die prozentuelle Erhöhung der Pensionen nur bis zum ASVG-Höchstbeitrag vorgenommen wird. Darüber besteht lediglich ein Sockel, der weitergegeben wird, da sonst die Schere zwischen unten und oben immer weiter auseinander geht und Menschen am unteren Ende immer weniger haben. Sie wissen gar nicht, wie sie es schaffen sollen, während die oben mit jeder prozentuellen Erhöhung gleichzeitig eine Vergoldung erhalten.

Meine geschätzten Damen und Herren! In diesem Zusammenhang ist es wohl mehr als legitim, die Sozialversicherungen generell zu diskutieren, zu schauen, ob wir uns als kleines Land Österreich 22 Sozialversicherungsanstalten leisten können und wollen – Versicherungsanstalten, in denen, wie wir gehört haben, viele, viele Privilegien zu finden sind.

Herr Minister, ich weiß, Sie vertreten eine völlig andere Linie, aber wenn Sie Trans­parenz zuließen, wenn Sie das System ordentlich durchleuchten ließen, dann könnten Sie vielleicht auch andere Fraktionen davon überzeugen; aber da ständig ein Mantel des Stillschweigens darübergelegt wird, keine Transparenz herrscht, sind wir alle der Meinung, da passt etwas nicht.

In diesem Sinne fordere ich Sie auf, die Anträge anzunehmen und für mehr Trans­parenz und Fairness zu sorgen. (Beifall beim Team Stronach.)

12.42


Präsident Karlheinz Kopf: Frau Abgeordnete Mag. Aubauer gelangt als Nächste zu Wort. – Bitte.

 


12.42.48

Abgeordnete Mag. Gertrude Aubauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ich möchte ein wichtiges Thema vor Weihnachten ansprechen: 50plus und arbeitslos. Dieses ganz bittere Los trifft heuer besonders viele ältere Menschen. Ich bin daher sehr froh, dass der Arbeitsmarkt- und Konjunkturgipfel Ende Oktober zu guten Lösungen gekommen ist. Bereits 2016 werden wir 300 Millionen € in die aktive Arbeitsmarktpolitik investieren, 2017 werden es 350 Millionen € sein.

Was können wir uns davon erwarten? (Ruf: Gar nichts!) Wir können uns davon 16 000 neue Arbeitsplätze in den nächsten zwei Jahren durch innovative Projekte und längerfristige Wiedereingliederungsbeihilfen erwarten. Wir wollen alles tun, was


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möglich ist, um die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Deshalb ist es gut, dass wir heute auch schon einige Punkte des Arbeits- und Konjunkturgipfels beschließen können.

Uns ist dabei auch der rasche Entfall der täglichen Geringfügigkeitsgrenze wichtig, der ursprünglich für 2017 geplant war. Neu ist nun die Ermächtigung des Sozialministers, diesen Termin vorzuziehen.

Warum ist das so wichtig? – Ich möchte dazu ein Beispiel bringen: Ein Student oder ein Pensionist, die jeweils zwei Mal im Monat in einem Gasthaus aushelfen und deren Verdienst pro Tag 72 € ausmacht, liegen über der täglichen Geringfügigkeitsgrenze. Für den hilfsbereiten Pensionisten bedeutet dies einen teilweisen Entfall der Pension. Das ist kontraproduktiv. Wir brauchen keine Hemmnisse. Wir wollen nicht Menschen, die leistungswillig sind, Prügel vor die Füße werfen, wir wollen weniger Bürokratie und mehr Leistungsanreize. (Beifall bei der ÖVP.)

Da es sich beim Entfall der täglichen Geringfügigkeitsgrenze um eine Streichung handelt, ist es ja technisch rasch umsetzbar. Nach Auskunft des Hauptverbandes wäre das schon im Februar möglich, spätestens jedenfalls zum 1. Juli 2016.

Sehr geehrter Herr Bundesminister, mein Appell an Sie: Bitte sehen Sie diesen Zeit­punkt so rasch wie möglich vor! Das bringt Impulse für die Wirtschaft und für die Beschäftigung. Wir können das gerade jetzt sehr dringend brauchen.

Da wir von Umsetzung sprechen: Was leider heuer noch nicht beschlossen wird, ist die Aufschubbonuspension, wie sie im Regierungsprogramm vorgesehen ist. Jeder, der nach dem Regelpensionsalter länger arbeitet, sollte eine deutlich höhere Pension bekommen. Auch das sollte rasch verwirklicht werden. Gehen wir es an! – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

12.44


Präsident Karlheinz Kopf: Herr Abgeordneter Neubauer gelangt als Nächster zu Wort. – Bitte.

 


12.44.54

Abgeordneter Werner Neubauer (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Vorrednerin Mag. Aubauer, ich bin nicht so optimis­tisch, was das Ergebnis des Arbeitsgipfels anbelangt. Wir haben hier gehört, dass es zum Thema Bonus-Malus-System eine Lösung geben soll, nur steckt diese Lösung in den Kinderschuhen. Wir haben bis heute keine Lösung bezüglich der tatsächlichen Finanzierung. Wir debattieren jetzt ein Bonus-Malus-System, aber wer es zahlen soll, ist bis heute nicht geklärt und wird bis zum 1. Jänner 2016 wahrscheinlich weiterhin einer Klärung bedürfen, denn der Familienlastenausgleichsfonds ist jetzt schon mit 3,5 Milliarden € belastet. Diesen Fonds noch weiter zu belasten und Geld daraus zu entnehmen, um einen Bonus zu bezahlen, halte ich ehrlich gesagt für sehr fragwürdig. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn wir heute auch von den Pensionen sprechen, dann muss ich leider, Herr Minis­ter, darauf zurückkommen, dass die Art und Weise, wie die Pensionskommission mit den aktuellen Themenbereichen der Pension umgeht, eigentlich ein Skandal ist.

Wir haben Jahre auf dieses Gutachten gewartet. Es wurde sogar einmal von der Tagesordnung genommen und ist dann doch noch einmal debattiert worden. In der Folge hat eine Mehrheit in der Pensionskommission das Gutachten abgelehnt. Die Frage, was diesbezüglich zukünftig geschehen soll, ist offen geblieben. Die Pension ist einmal mehr ein Themenbereich, bei dem Pensionisten, aber auch die Jugend und alle, die dafür jetzt schon in Vorleistung gehen müssen, leider zum Spielball der Politik werden.


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Es gäbe viele Möglichkeiten, sehr geehrter Herr Bundesminister, wie wir die Pensionen und auch die Zahlungen bereits jetzt entsprechend entlasten könnten. Wir brauchen die gut gemeinten Ratschläge des Herrn Bundesministers Schelling eigentlich nicht, die er offensichtlich unabhängig von der ÖVP erteilt – denn die ÖVP hat mir heute durch Herrn Bundeskanzler Faymann ausrichten lassen, mit den Vorschlägen des Herrn Schelling nichts zu tun zu haben. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Es ist bemer­kenswert, dass ein Minister ohne Rückmeldung seiner eigenen Partei solche Vor­schlä­ge auf den Tisch legen kann. Der ÖVP sei dennoch unbenommen, hier Vorstellungen zu entwickeln, die in der Folge eine wirkliche Belastung des Pensionssystems und der Menschen darstellen werden.

Wir sind gegen eine Pensionsautomatik. Sie, Herr Minister Hundstorfer, haben uns mitteilen lassen, dass Sie das auch sind. Wir wollen keine frühere Angleichung des Frauenpensionsantrittsalters, solange die Rahmenbedingungen für Frauen in Öster­reich nicht endlich auch wirklich angepasst sind. (Beifall bei der FPÖ.) Wir wollen keine Einfrierung der Bundeszuschüsse, die dies bei der Pensionsautomatik automatisch zur Folge hätten.

Also, Herr Bundesminister, man hört von Ihnen nichts. (Ruf bei der SPÖ: Zeitungen lesen!) Warum sind Sie hier auf Tauchstation gegangen und nehmen die Forderungen des Herrn Bundesministers Schelling nicht auf, um dagegen einmal dementsprechend aufzutreten und wirklich etwas zu tun? (Bundesminister Hundstorfer zeigt ein Schrift­stück und blättert demonstrativ darin. – Heiterkeit der Abgeordneten Belakowitsch-Jenewein und Kassegger.)

Darüber hinaus ist es möglich, die Pensionen bei einer Harmonisierung – nach dem ASVG-System – zu reparieren und eine Zusammenlegung der Sozialversicherungs­träger herbeizuführen. Wir haben in der letzten Woche gehört, alleine bei den Sozial­versicherungsträgern, ohne Zusammenlegung und damit finanzielle Einsparungen, werden 160 Dienstwagen gefahren, fallen 140 Millionen € an Mehrkosten für die EDV an. (Abg. Kassegger: Das haben die Grünen mitunterstützt!) Auch bei den Luxus­pensionen, sehr geehrter Herr Bundesminister – und das wissen Sie ganz genau –, und bei den Arbeitsmarktinitiativen ist immer noch Platz nach oben.

Wenn Sie dann bei der bedarfsorientierten Mindestsicherung sagen – das haben wir heute schon diskutiert –, das ist alles optimal, und alle, die hier eine Änderung wollen, also insbesondere die Freiheitliche Partei, würden die Menschen spalten, dann darf ich Ihnen sagen, dass vor zwei Tagen in Oberösterreich der Landesparteigeschäftsführer der ÖVP Dr. Wolfgang Hattmannsdorfer eine Aussendung gemacht hat, in der er feststellt, dass vor zwei Jahren 11 000 Menschen die bedarfsorientierte Mindestsiche­rung in Anspruch genommen haben und es mittlerweile beinahe 18 000 sind. Er fordert deshalb nicht nur – und das ist schon bemerkenswert –, dass man bei Flüchtlingen endlich eine außerordentliche Maßnahme setzt, sondern sogar eine eigene bedarfs­orientierte Mindestsicherung nur für Flüchtlinge.

Das ist etwas, das wir Freiheitliche noch nicht gefordert haben, diese Forderung ist der ÖVP als Ihr Regierungspartner geschuldet. Hattmannsdorfer fordert eine Deckelung in der Höhe von 1 500 €, alles Darüberliegende soll in Naturalien abgedeckt werden – soweit, Herr Bundesminister, zu Ihrem Koalitionspartner; das sind keine Forderungen der Freiheitlichen Partei! (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Wöginger: Das begrüßt ihr aber, Herr Kollege Neubauer! Das wird eh begrüßt vonseiten Ihres Kollegen in Linz! Das steht ja dort schon drinnen …!)

12.50


Präsident Karlheinz Kopf: Herr Abgeordneter Ehmann gelangt als Nächster zu Wort. – Bitte.

 



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12.50.46

Abgeordneter Michael Ehmann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich hoffe, viele Versicherte in Österreich und auch Mitarbeite­rinnen und Mitarbeiter der Sozialversicherung, sofern sie die Möglichkeit dazu haben, verfolgen diese Debatte.

Sozialversicherungsbashing ist wieder angesagt, diesmal querbeet bei sämtlichen Oppositionsparteien und vordergründig bei den NEOS. Ich würde einmal empfehlen, statt ständig politisch motivierte Zerstörungsanforderungen zu erheben, tatsächlich einmal über Verbesserungen in einem bereits wirklich guten System zu sprechen. Ich glaube das wäre zielführender als dieses Schlechtmachen, das hier ständig betrieben wird.

Im Antrag der NEOS betreffend die Zusammenlegung der Sozialversicherungsträger wird wieder einmal sehr populär klingend gefordert, den Leistungskatalog zu vereinheitlichen. Aber was würde das denn vor dem Hintergrund der Geisteshaltung der NEOS bedeuten? – Kollege Loacker hat den Antrag eingebracht, er ist jetzt leider nicht da, aber ich will es für ihn ein bisschen bildlicher beschreiben, gemäß seiner Herkunft aus Vorarlberg. Seine Intention ist offensichtlich ein Einheitsbrei als Mindest­grundversorgung, von der Wasseroberfläche bis zum Grund des Bodensees; oberhalb des Wasserspiegels wäre alles privat als Zusatzforderungen zu stellen und für die Versicherten privat zu bezahlen.

Es wird dadurch weder die Versichertennähe verbessert, noch die Qualität gesteigert. Es werden dadurch auch keine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingespart, wie das oft vorgegeben wird, außer Sie wollen sich von der Versichertennähe verabschieden und Arbeitslose produzieren. Das wäre auch möglich, wenn Sie das in den Vordergrund stellen; das denke ich aber nicht. In Wirklichkeit wollen Sie die Versicherten in die Privatversicherung drängen, das ist Ihr vorrangigstes Ziel. Es geht Ihnen wie immer um das Gleiche: Gewinne privatisieren, Risiken sozialisieren.

Die Vertretung von Versicherten leisten Versicherte am besten selbst, Stichwort Selbstverwaltung. Ich glaube, die hat sich in Österreich absolut bewährt. Und der Verwaltungsaufwand bei SV-Trägern in Österreich, der angesprochen wurde, liegt tatsächlich deutlich unter 3 Prozent und nicht so wie bei Privaten über 10 Prozent. Also auch diese Voodoo-Berechnungen, die hier angegeben werden, können Sie getrost zu Hause lassen.

Eine Zusammenlegung der Sozialversicherungen bringt insgesamt tatsächlich nicht zwingend eine Einsparung mit sich. Natürlich können wir in einzelnen Bereichen, wie schon zuvor angesprochen, Optimierungen erreichen. Das passiert auch ständig und trägerübergreifend, gesteuert durch den Hauptverband, beispielsweise bei der e-card, bei Standardprodukten et cetera und in vielen anderen Bereichen. Dort, wo Fusionen zielführend sind, sind sie bereits durchgeführt worden. Denken wir an die Pen­sions­versicherung, denken wir an die Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau!

In letzter Konsequenz ist dieser Antrag selbstverständlich von uns entschieden abzulehnen, da es Ihnen offensichtlich nicht um eine Optimierung des bestehenden Systems geht, sondern um den Systembruch in Richtung privatwirtschaftlicher Interessen, NEOS-liberal eben. Das lehnen wir entschieden ab. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Aubauer.)

12.54


Präsident Karlheinz Kopf: Nun gelangt Frau Abgeordnete Dr. Mückstein zu Wort. – Bitte.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 88

12.54.17

Abgeordnete Dr. Eva Mückstein (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Ich möchte auch noch einmal zum Thema Notärzte sprechen und darüber, dass nebenberufliche Notärzte und -ärztinnen künftig freiberuflich geführt werden sollen.

Herr Kollege Wöginger kommt jetzt gerade rechtzeitig wieder – ich finde nämlich, dass diese Umstellung wirklich kein Grund ist, um sich zu bedanken. Im Gegenteil, ich finde statt bedanken ist eigentlich bedenken angesagt, denn: Was passiert da? – Es gibt ein Arbeitszeitgesetz zum Schutz von Ärztinnen und Ärzten vor Arbeitsüberlastung und von Patienten vor übermüdeten Ärzten und Ärztinnen. Es wurde, weil es die EU so vorgesehen hat, ganz zurecht eingeführt.

Jetzt ist man auf die glorreiche Idee gekommen, die notärztliche aus der spitals­ärztlichen Versorgung herauszunehmen, weil es hinten und vorne nicht mehr passt. Jahrelang haben einige Bundesländer die Umstellung komplett verschlafen, mittler­weile gibt es überdies einen Ärztemangel, der wirklich gravierend ist. Nun gilt es, eine Notoperation für beide Systeme vorzunehmen, nämlich für das Spitalssystem bezie­hungsweise das Spitalswesen und gleichzeitig auch für das notärztliche System.

Begrüßen kann man das nicht. Ich finde es bedenklich, dass, anstatt strukturelle Verän­derungen anzupeilen, die im Gesundheitswesen dringend notwendig wären, ständig Husch-Pfusch-Aktionen über die Bühne gebracht werden, die immer zulasten der PatientInnen gehen.

Vermuten kann man auch, dass das notärztliche System, das relativ viel kostet, viel­leicht sogar durch ein System ersetzt werden sollte, das in Zukunft von günstigeren Paramedics betrieben wird. Ich sehe auch das relativ bedenklich, vor allem dann, wenn es um schwerere Beeinträchtigungen und um Notsituationen geht, wie bei Herz­infarkten und Schlaganfällen, wo rasche und kompetente Hilfe sehr, sehr wichtig ist.

Man kann sich auch vorstellen, dass Ärzte, die ohnehin schon sehr belastet sind, weil sie den Krankenhausalltag bewältigen müssen, wenn sie zusätzlich noch die Last von Freiberuflichen – das Risiko und den Verwaltungsaufwand von Freiberuflichen – haben, diese Tätigkeit vielleicht noch weniger gerne ausführen und es dann noch weni­ger Notärzte gibt.

Vermutlich wird es aber zu dieser Regelung kommen, und vermutlich werden wir es nicht abwenden können, deswegen möchte ich einen Entschließungsantrag einbrin­gen, der zumindest gewisse Standards zur Qualitätssicherung mitbedenkt.

Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Eva Mückstein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Richtlinien und Programme für notärztliche Tätigkeit und Paramedics

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, folgende Richtlinien zu erlassen und Program­me auszuarbeiten:

eine Richtlinie, wie viele Stunden für freiberufliche notärztliche Tätigkeit zusätzlich zur krankenhausärztlichen Tätigkeit fachlich und arbeitsrechtlich vertretbar sind

Programme, um die notfallärztliche Ausbildung und Tätigkeit zu attraktivieren, um Per­sonalverknappung zu beseitigen und mehr NotärztInnen zur Tätigkeit zu motivieren


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bundesweit einheitliche Richtlinien, nach welchen Paramedics anstelle von bezie­hungs­weise im Vorfeld von NotärztInnen eingesetzt werden dürfen.

*****

Danke. (Beifall bei den Grünen.)

12.58


Präsident Karlheinz Kopf: Der von Frau Abgeordneter Mückstein eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Eva Mückstein, Freundinnen und Freunde

betreffend Richtlinien und Programme für notärztliche Tätigkeit und Paramedics

eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über ein Bundesgesetz (900 d.B.), mit dem das Allgemeine Sozialver­sicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-, Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Freiberuflichen-Sozialversicherungsgesetz, das Notarversicherungsgesetz 1072, das Sozialversicherungs-Ergänzungsgesetz, das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Mutterschutzgesetz 1979 und das Väter-Karenzgesetz geändert werden sowie ein Bundesgesetz über die Entschädigung für Heeresschädigungen erlassen wird (SozialrechtsÄnderungsgesetz 2015 – SRÄG 2015)

Begründung

ÄrztInnen, die neben ihrer Tätigkeit im Krankenhaus auch als NotärztInnen arbeiten, werden für diese Tätigkeiten ab kommendem Jahr als freiberuflich Tätige geführt und nach dem Freiwilligen-Sozialversicherungsgesetz pflichtversichert. Durch die geplante Regelung wird jedoch eine Umgehung der arbeitsrechtlichen Schutzbestimmungen des Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetzes befürchtet. Pläne, das gut funktionierende Notarztsystem sukzessive zu verkleinern und die NotärztInnen durch günstigere Paramedics zu ersetzen sind offen zu diskutieren. Im Zuge dessen sind notwendige Qualitätsstandards zu schaffen.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, folgende Richtlinien zu erlassen und  Pro­gramme auszuarbeiten:

eine Richtlinie, wie viele Stunden für freiberufliche notärztliche Tätigkeit zusätzlich zur krankenhausärztlichen Tätigkeit fachlich und arbeitsrechtlich vertretbar sind.

Programme, um die notfallärztliche Ausbildung und Tätigkeit zu attaktivieren, um Per­sonalverknappung zu beseitigen und mehr NotärztInnen zur Tätigkeit zu motivieren


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 90

bundesweit einheitliche Richtlinien, nach welchen Paramedics anstelle von bzw. im Vorfeld von NotärztInnen eingesetzt werden dürfen.

*****

 


Präsident Karlheinz Kopf: Herr Bundesminister Hundstorfer hat sich zu einer Stel­lung­nahme zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.

 


12.58.43

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Herr Präsident! Werte Damen und Herren! Liebe Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie und vor dem Bildschirm! Ich möchte auf ein paar Punkte eingehen und einige Punkte ein bisschen „geradebiegen“ beziehungsweise auch zusätzliche Realitäten einmal herausarbeiten. (Präsident Hofer übernimmt den Vorsitz.)

Punkt eins: Im Rahmen dieses Tagesordnungspunktes machen wir heute 19 verschie­dene Änderungen bei Gesetzesbestimmungen. Sollte jemand von Ihnen meinen, die Regierung schlafe, dann schauen wir uns nur diesen Tagesordnungspunkt an.

Punkt zwei: Herr Loacker – er ist wie immer nicht da … (Zwischenrufe bei NEOS und FPÖ.) – Na ja, ein bisschen untergriffig bin ich jetzt auch einmal.

Noch einmal – seien Sie mir nicht böse –: Einer stellt da etwas her, behauptet etwas, und dann geht er. Das habe ich gemeint, wenn ich sage, man sollte zumindest so lange dableiben, bis das abgearbeitet ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Noch einmal: Ich mache jetzt etwas, was man mir normalerweise nicht zutraut. Frau Belakowitsch-Jenewein stellt sich da her, behauptet etwas und bleibt wenigstens da, bis die Antwort kommt. (Ruf bei der FPÖ: Genau!) Das möchte ich … (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Doppler.) – Dass ihr die Antwort dann nicht gefällt, ist ja eine andere Geschichte (allgemeine Heiterkeit), aber es geht schlichtweg auch um eine gewisse innere Disziplin zu diesem Tagesordnungspunkt.

Ich wollte nämlich sagen, dass in der Sozialversicherungswelt die Zeit der Luxus­pensionen in Abschaffung ist. (Zwischenruf des Abg. Steinbichler.) Sie sind alle auslaufend, alle Dienstordnungen sind umgestellt et cetera. Alle, die noch aus dem alten System kommen, haben Sicherungsbeiträge et cetera.

Wenn dann das Thema Transparenz kommt, kann ich alle nur einladen, bitte die Rechnungshofberichte zu lesen, weil nichts in diesem Land so vom Rechnungshof zerlegt ist wie die Sozialversicherung. Ich lade Sie wirklich dazu ein! Sie brauchen sich nur die Rechnungshofberichte der letzten zehn Jahre zur Hand zu nehmen. Da haben Sie alle Transparenz auf Erden drinnen. Alle Fakten, von denen der Rechnungshof meint, dass es Fakten sind, haben Sie da drinnen. Demzufolge ist Transparenz über­haupt nicht unser Thema. Und die von Ihnen periodisch gestellten Anfragen sind die Zusatzgarnierung zur Transparenz. Das ist einmal Punkt eins. (Zwischenruf des Abg. Steinbichler.)

Dazu, sich hier herzustellen und zu sagen, dass die BVA irgendetwas total Privile­giertes ist: Die BVA ist eine Krankenversicherung von öffentlich Bediensteten – ganz egal, welcher Einstufung, welcher Qualifikation et cetera. Sie müssen nur beim Bund, beim Land oder bei Gemeinden mit Ausnahme von Stadt Wien, Magistrat Linz und Magistrat Graz – Innsbruck ist, glaube ich, auch draußen – beschäftigt sein. Egal, wer die Person ist, ob sie 1 500 €, 2 000 € oder 3 000 € hat, sie ist bei dieser Kranken­versicherung versichert. Das ist zudem eine Krankenversicherung, bei der es nicht gerade eine kleine Zahl an Selbstbehalten gibt, die auch intern immer wieder zu Debatten führen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 91

Frau Belakowitsch-Jenewein, zum Heizkostenzuschuss sage ich heute nichts mehr, denn das habe ich ohnehin schon lang und breit im Ausschuss beantwortet. Es gibt ja diese Energieberatung, da fließt auch nicht unwesentlich Geld. Das sind auch ein paar Millionen Euro, die da an die Menschen fließen.

Aber ich hätte eine wirkliche Bitte: Ich weiß nicht, aus welchem Grund Sie einen Einzelfall des Fonds Soziales Wien hier in den Nationalrat bringen. Ich weiß es nicht, aber irgendein Motiv werden Sie schließlich haben. Nur sagen Sie dann bitte dazu, dass die betroffene, leider schon verstorbene Frau und der betroffene Sohn bei Bera­tungsgesprächen waren – wie dokumentiert ist – und dass der Sohn in der Etappe eine Rechnung von 7 000 € Pflegegeld schon bezahlt hat. Dadurch wusste er, dass es Geld kostet, weil er sonst ja die Rechnung nicht gezahlt hätte. Das ist ja eine einbezahlte Rechnung. Sich danach hinzustellen und zu sagen, alles war anders, weil 22 000 € noch offen sind – sagen Sie die zweite Seite dazu, und erwähnen Sie auch, dass das von der Volksanwaltschaft sowie von der Patientenanwaltschaft schon geprüft ist und dass es sehr wohl gerichtsanhängig ist! Ich würde Sie wirklich darum bitten!

Ich weiß nicht, was Sie dazu treibt, diesen Einzelfall hier so zu dokumentieren. Ich weiß es nicht, aber sagen Sie bitte auch die zweite Seite dazu! Die Familie hat schon anerkannt, dass es etwas kostet, denn sonst hätte sie die zirka 7 300 € nicht einbezahlt. Es wird ja auch von der Familie nicht bestritten, dass das einbezahlt wurde. Darum würde ich dringend bitten, dass wir alles machen.

Herr Kollege Neubauer, wenn Sie sich da herstellen – bei Pensionen sind Sie natürlich in der Populismuskeule, das ist mir schon klar (Zwischenruf des Abg. Neubauer) – und sagen, dass Hundstorfer zu den gestern im „Ö1 Morgenjournal“ aufgetauchten Ideen geschwiegen hat, dann schenke ich Ihnen den Pressespiegel meines Hauses, denn da (ein Schriftstück in die Höhe haltend) werden Sie, glaube ich, ungefähr 20 Artikel dazu finden, wie ich geschwiegen habe. – Punkt eins.

Punkt zwei: Ich schenke Ihnen das „Ö1 Journal um fünf“, Radiosendungen et cetera. Das schenke ich Ihnen alles! (Abg. Neubauer: Sagen Sie lieber, was Sie gesagt haben!) – Na, sehen Sie, Herr Abgeordneter, und das finde ich niveaulos von Ihnen! (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei Abgeordneten der Grünen.) Sie wissen ganz genau … (Abg. Neubauer: Es steht Ihnen nicht zu, mir Niveaulosigkeit vorzuwerfen!) Sie kennen ganz genau meine Stellungnahme dazu.

Sie wissen auch, dass ich einmal eine öffentliche Debatte führe, mich ansonsten in Verhandlungen begebe und dass das nicht weiterhin öffentlich von meiner Seite her ausgeschlachtet wird. Jeder weiß, dass das Einfrieren des Bundeszuschusses nicht wirklich von einer politischen Partei gemeint sein kann, denn das heißt nämlich nie mehr Erhöhung der Pensionen – das kann nicht gedacht sein. (Abg. Neubauer: Eben, das habe ich nicht gesagt!)

Demzufolge habe ich nicht geschwiegen, denn das habe ich gestern laut gesagt – das ist zwanzigmal geschrieben. Für mich ist das jetzt einmal erledigt, weil ich das Papier nicht kenne, ich habe es nicht. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Fragen Sie bitte denjenigen, der meint, er hat eines schreiben lassen, nicht mich! Somit ist die Sache für mich fürs Erste abgeschlossen. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Abgeordneter Neubauer, wenn Sie da jetzt die Kosten der Verwaltung der Sozialversicherung ansprechen (Zwischenrufe der Abgeordneten Gisela Wurm und Peter Wurm): Es gibt eine gemeinsame ITSV. Diese gemeinsame ITSV betreut alles, ja. Und ja, eine gemeinsame ITSV, die alles betreut, verursacht Kosten. Natürlich ver­ursacht sie Kosten, weil Zigtausende Menschen damit arbeiten. Millionen Menschen müssen betreut werden et cetera, es entsteht ein Sicherheitsaufwand und so weiter – ich will das alles nicht in die Breite treten.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 92

Ja, bei diesen höchst sensiblen Daten über uns alle sind natürlich Kosten da. Und dass die Kosten teilweise sogar um eine Spur höher sind, das sage ich Ihnen auch ganz offen. Ich bin sehr froh, dass es so ist, weil allein die Sicherheitsaufwendungen, die angewandt werden müssen – es geht schließlich um alle unsere Daten –, es mir ehrlich gesagt wert sind, dass das vielleicht sogar um eine Spur mehr kostet. (Abg. Neubauer: Aha, da ist der Rechnungshof wieder egal!) – Das hat sogar der Rech­nungshof anerkannt, weil der Rechnungshof auch anerkennt, dass die sehr sensiblen Daten, die im Sozialbereich gesammelt werden, die Grundlage unseres ganzen SV-Systems sind und dass die auch etwas wert sind.

Zum Thema Mindestsicherung habe ich schon vorher etwas gesagt, vielleicht noch eine kleine Botschaft: Die Grenze von 1 500 €, die der Deckel werden soll, das alles wird in Verhandlungen entschieden, von den Bundesländern gemeinsam mit der Koali­tion, denn die Mindestsicherung ist und bleibt in erster Linie eine Angelegenheit der Länder. Wir haben ja nur einen gemeinsamen Rahmen zur Verfügung gestellt bezie­hungsweise geschaffen. Das möchte ich nur festhalten. Das betrifft derzeit 7 Prozent aller Mindestsicherungsbezieher. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

13.07


Präsident Ing. Norbert Hofer: Besten Dank, sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich muss fairerweise ergänzen, dass Herr Kollege Loacker zu jenem gar nicht so kleinen Kreis von Mandataren gehört, die ein hohes Maß an Anwesenheit zu verzeichnen haben, und dass die große Mehrheit der Mandatare hier im Haus mit großem Einsatz hervorragende Arbeit leistet. (Beifall bei FPÖ, ÖVP und NEOS. – Abg. Steinbichler: Herr Präsident, haben wir eine Versammlung der Sozialversicherungsträger?)

Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Sieber zu Wort. – Bitte.

 


13.08.24

Abgeordneter Norbert Sieber (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Kollege Kickl hat in seiner Rede sehr eindrücklich vorgetragen, wie umfangreich dieses Sozialrechts-Änderungsgesetz ist. (Rufe: Keck!) – Kollege Keck, Entschuldigung!

Ich möchte nun einen Punkt herausnehmen, und zwar Punkt 19. Hier geht es also um – ich zitiere –:

„Anpassung der Rechtsgrundlage für den Datenfluss zwischen den Finanzbehörden und der Sozialversicherungsanstalt der Bauern an die Änderungen der Hauptfest­stellung nach dem Bewertungsgesetz 1955“.

Das klingt sehr kompliziert und ist es auch, wie so vieles in diesem Sozialgesetz. (Abg. Steinbichler: Bist du noch nicht im Ausschuss drinnen?!)

Worum geht es nun, meine Damen und Herren? – Es geht darum, einer sozialen Schieflage, in die gerade kleinere Landwirte in der Zukunft gekommen wären, frühzeitig vorzubeugen und sie abzuwehren.

Worum es im Detail geht, möchte ich an einem Beispiel festmachen: Wenn ein Land­wirt im Jahr 2017 seinen Mehrfachantrag im Frühjahr stellt und aus diesem Mehrfach­antrag heraus eine Förderzusage von 4 500 € bekommt, dann am 1. November zeitgerecht seinen Pensionsantrag stellt, in diese wohlverdiente Pension geht und seinen Betrieb verpachtet, dann ist es so, dass er bedingt durch diese Neuerhebung der Einheitswerte mit Vieh- und Größenzuschlägen in Summe auf einen Einheitswert von über 1 500 € im Jahr 2018 kommen wird und damit die Versicherungspflicht über­schreitet. (Abg. Steinbichler: Luxuspensionen!)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 93

Das hätte wiederum zur Folge, dass dieser Landwirt, der bereits in Pension ist, seine Pension verliert und auch rückwirkend seine Pensionsansprüche verlieren würde. (Abg. Steinbichler: Wer hat denn das beschlossen? – Ich glaube, das war die Regie­rung!)

Mit diesem Gesetz wird nun verhindert, dass das passieren kann. Wir von den Regierungsparteien handeln eben zeitgerecht, während Herr Leo Steinbichler nur dazwischenrufen kann. – Danke. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Stein­bichler.)

13.10


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Mag. Vavrik zu Wort. – Bitte. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

 


13.10.31

Abgeordneter Mag. Christoph Vavrik (NEOS): Herr Präsident! Hohes Haus! Mit dieser Regierungsvorlage sollen unter anderem auch die pflegenden Angehörigen krankenversichert werden. Grundsätzlich begrüßen wir dieses Ansinnen selbstver­ständlich. Wir unterstützen allerdings nicht, dass diese Versicherung aus Mitteln des Familienlastenausgleichsfonds getragen werden soll. Dem FLAF wird damit wieder eine nur bedingt familienrelevante Leistung umgehängt.

Der FLAF ist bekannterweise hoch verschuldet. Wir haben gerade vor ein paar Wochen eine Beitragssenkung zum FLAF beschlossen, die den Entschuldungspfad so vollkommen aus der Bahn wirft. Und statt endlich im Sinne einer Zusammenführung von Finanzierungs- und Ausgabenverantwortung die Finanzierung bestimmter Leis­tungen aus dem FLAF den Stellen zuzuordnen, wo diese Ausgaben auch gelenkt werden, wird dem FLAF nur eine neue Maßnahme zur Finanzierung umgehängt.

Es geht nicht um sehr viel Geld, aber es geht um das Prinzip, erstens, weil offen­sichtlich das Familienministerium überhaupt nicht eingebunden wurde. Das geht klar aus der Stellungnahme des Familienministeriums hervor, das das klar ablehnt. Das Familienministerium schreibt, Herr Bundesminister – ich zitiere –:

„Die Beitragstragung durch den FLAF wird strikt abgelehnt.“

Des Weiteren spricht Ihre Kollegin von einem „nicht nachvollziehbaren Systembruch“.

Ich gebe Ihnen das (auf ein Schriftstück verweisend), Herr Bundesminister, nach meiner Rede. Ich werde mich hinsetzen und noch bis zum Ende der Debatte warten. Vielleicht wollen Sie kommentieren, warum Sie da Ihre Kollegen überstimmt haben? Ich bleibe hier im Saal, Herr Minister! (Der Redner überreicht Bundesminister Hundstorfer ein Schriftstück.)

Zweitens ist es auch eine Prinzipienfrage, weil eindeutig positive Wirkungsziele, die gerade mit dem Familienbudget beschlossen worden sind, wieder über Bord geworfen werden. Im Familienbudget wurde als eine wesentliche Maßnahme zur Sicherstellung ausreichender Mittel des FLAF klargestellt, dass bedingt beziehungsweise teilweise familienrelevante Leistungen nicht mehr durch den FLAF getragen werden sollen.

Diese Maßnahme bewirkt genau das Gegenteil, weshalb wir auch dezidiert gegen die Finanzierung abstimmen werden. Wir glauben, es ist wichtig, dass der FLAF nicht mehr als Geldautomat anderer Ministerien missbraucht wird.

Deshalb bringe ich folgenden Antrag ein:


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 94

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Christoph Vavrik, Kolleginnen und Kollegen betreffend Struk­tur­reform des FLAF statt Gefährdung des Entschuldungspfades

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, im Hinblick auf die Beitragssenkung zum Familienlastenausgleichsfonds eine finanzielle Entlastung des FLAF zu erreichen, in dem die Finanzierung bedingt beziehungsweise teilweise familienrelevante Leistungen aus dem FLAF ausgelagert wird und dadurch eine Vereinfachung der Finanzierungs­ströme erreicht wird, in dem jene Stellen, die Leistungen aus dem FLAF schon bisher steuerten, auch die finanzielle Verantwortung dafür übernehmen.“

*****

Ich bitte um Unterstützung. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei den NEOS.)

13.13


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhand­lung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Christoph Vavrik, Kollegin und Kollegen

betreffend Strukturreform des FLAF statt Gefährdung des Entschuldungspfades

eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (900 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversiche­rungsgesetz, das Freiberuflichen-Sozialversicherungsgesetz, das Notarversicherungs­gesetz 1972, das Sozialversicherungs-Ergänzungsgesetz, das Arbeitslosenver­siche­rungsgesetz 1977, das Mutterschutzgesetz 1979 und das Väter-Karenzgesetz geän­dert werden sowie ein Bundesgesetz über die Entschädigung für Heeresschädigungen erlassen wird (Sozialrechts-Änderungsgesetz 2015 – SRÄG 2015) sowie über den Antrag 347/A der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Mutterschutzgesetz 1979, das Väter-Karenzgesetz und das Landarbeitsgesetz 1984 geändert werden und über den Antrag 990/A(E) der Abgeordneten Mag. Daniela Musiol, Kolleginnen und Kollegen betreffend Elternkarenz für Pflegeeltern (953 d.B.) – TOP 6

Mit der Erhöhung der Familienbeihilfe und der Erhöhung an Ausgaben (75% statt 72% der Pensionsbeiträge für Kindererziehungszeiten) verlangsamt sich die Entschuldung des Familienlastenausgleichsfonds. Bereits für 2015 kann die ursprünglich geplante Entschuldung von 465 Mio Euro nicht eingehalten werden können – die Reduktion des Schuldenstandes wird nur bei knapp 305 Mio Euro liegen. Für 2016 wird die Entschuldung aber noch geringer ausfallen und nur 317 Mio Euro betragen. Der Schuldenstand soll mit Ende 2016 also noch knapp 2.375 Mio Euro betragen – eigentlich hätte der Schuldenstand mit Ende 2015 auf einem ähnlichen Niveau sein sollen. Damit fällt der FLAF am Entschuldungspfad innerhalb von zwei Jahren um fast


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 95

ein Jahr zurück und die Ausgabensteigerungen die beschlossen worden sind, werden diesen Pfad auch die nächsten Jahre nachhaltig verlangsamen.

Problematisch daran ist, dass gerade der FLAF verwendet werden wird, um eine umfangreiche Lohnnebenkostensenkung zu erreichen. Verlangsamt sich die Entschul­dung, wird auch eine LNK-Senkung im FLAF in absehbarer Zeit nicht möglich sein. Doch gerade dies wurde im Budgetbericht 2016 und auch in der Budgetrede des Finanzministers festgehalten. 2017 soll es eine Senkung der Lohnnebenkosten (lt. Budgetbericht soll dies über den FLAF geschehen) geben. Endgültig mit dem Arbeits­marktgipfel vom 30. Oktober 2015 wurde diese Senkung des Dienstgeberbeitrages zum FLAF endgültig beschlossen.

Der aktuelle Stand der Verschuldung und die Entwicklung (ohne vereinbarte Beitrags­senkung) zeigt, dass eine Beitragssenkung auf Schulden gebaut ist (Angaben in Mio, Quelle: derStandard, BMFJ):

Jahr

Auszahlungen

Einzahlungen

Differenz

Schuldenstand

Erfolg 2014

6.359,30

6.723,28

380,41

-2.996,08

Vorschau 2015

6.565,01

6.869,92

304,91

-2.691,17

Vorschau 2016

6.675,60

6.992,49

316,89

-2.374,28

Vorschau 2017

6.630,26

7.205,53

575,28

-1.799,00

Vorschau 2018

6.749,21

7.447,90

698,68

-1.100,31

Vorschau 2019

6.775,56

7.711,86

936,30

-164,02

 

Der Umfang der Beitragssenkung ist dementsprechend ohne konkrete Maßnahmen kritisch zu sehen. Es wird von 790 Mio Euro Entlastung im FLAF gesprochen. Doch gerade die hohe Verschuldung und vor allem auch die verlangsamte Entschuldung (durch geringere Überschüsse) des FLAF erlauben so eine LNK-Senkung nicht. Es ginge nur über die weitere Verschuldung bzw. verlangsamte Entschuldung des FLAF – es würde Geld ausgegeben, das nicht da ist. Aufgrund der geringeren Entlastung wird der FLAF damit frühestens 2020 bzw. 2021 entschuldet werden – weit davon entfernt, was am Beginn des Beschlusses der Entschuldung das Ziel war. Im Budgetausschuss merkte Familienministerin Karmasin an, dass der Schuldenstand 2019 noch immer 2,7 Milliarden betragen wird und es damit zwischen 2015 und 2019 zu keiner weiteren Entschuldung des FLAF kommen wird. Zudem führen die geringeren Einnahmen des FLAF aufgrund der Beitragssenkung in den Jahren nach 2019 zu einer weiteren Verlangsamung der Entschuldung. Einen Zeithorizont für die endgültige Entschuldung des FLAF konnte die Familienministerin keine Auskunft geben.

Die Ankündigung ist zusätzlich kritisch zu sehen im Zusammenhang mit den Aussagen der Familienministerin. Vor allem weil am 23. Juni 2015 im Familienausschuss Fa­mili­en­ministerin Karmasin nicht von einer Entschuldung des FLAF vor 2019 ausgegangen ist (http://www.parlament.gv.at/PAKT/PR/JAHR_2015/PK0706/index.shtml) und dies nur möglich ist, wenn es die Konjunktur und die Geburtenrate zulassen würden. Die Parlamentskorrespondenz zeigt zusätzlich weshalb die Ankündigung Bundesregierung einen Wortbruch der Familienministerin darstellt: „Dezidiert schloss sie [Anm.:


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 96

Bundesministerin Karmasin] aus, dass es vor der FLAF-Entschuldung zu einer Senkung der diesbezüglichen Lohnnebenkosten kommen kann.“

Die Senkung des Dienstgeber-Beitrages ist damit einzig und allein möglich, wenn man eine langsamere Entschuldung bzw. eine weitere Verschuldung des FLAF zulassen würde. Die Regierung würde dann aber Geld „ausgeben“ das sie nicht hat. Es würde in Kauf genommen, dass es für die Reduktion dieser Lohnnebenkosten zu einer höheren Schuldenlast im Familienbereich kommt. Zudem wirkt sich dies auch negativ auf das Budgetdefizit aus.

Aus diesen Gründen kann man eine solche DG-Beitragssenkung nicht einfach hinnehmen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass eine steigende Geburtenrate das Ziel sind sollte – und ein solcher Anstieg auch politisch gewollt und angekündigt wird. Eine steigende Geburtenrate führt aber auch zu höheren Ausgaben aus dem FLAF.

Um tatsächlich eine Reduktion des DG-Beitrages zum FLAF und damit eine umfassende LNK-Senkung zu ermöglichen, wäre ein relativ starker Umbau des Leistungskataloges des FLAF nötig. Aus dem FLAF wird nämlich gegenwärtig eine Vielzahl an Leistungen finanziert, die in erster Linie nicht als familienpolitische Leistungen zu klassifizieren sind. Eine ambitionierte Reform des FLAF würde auf diese Entwicklungsmöglichkeiten Rücksicht nehmen.

Eine umfangreiche Übersicht über Handlungsspielräume und mögliche Reform­optionen bietet ein Working Paper des Finanzministeriums aus dem Jahr 2010: (https://www.bmf.gv.at/services/publikationen/BMF-WP_5_2010-Der_Familienlastenausgleichsfond_FLAF.pdf?4xf6eo)

Gerade dort wird deutlich hervorgehoben, dass die wesentliche Möglichkeit zu einer Lohnnebenkostensenkung über den FLAF durch eine Umgestaltung der Finanzierung von familienfremden Leistungen ist. Nur wenn man über solche Umschichtungen auch diskutiert und diese auch ankündigt, wäre eine Diskussion über eine LNK-Senkung im FLAF möglich.

Eine Umgestaltung der Finanzierung scheint auch aus einer finanzwissenschaftlichen Perspektive sinnvoll. Denn gegenwärtig werden aus dem FLAF Maßnahmen finanziert für die das Familienministerium keine Steuerungskompetenz hat, und der FLAF somit nur als Finanzierungsquelle gesehen wird. Ein wesentliches Ziel einer modernen Budgetpolitik muss es sein, dass die Finanzierungs- und Ausgabenverantwortung in allen Bereichen größtmöglich zusammenfallen. Dies ist beim Großteil der Leistungen aus dem FLAF nicht der Fall.

Gerade mit der vorliegenden Regierungsvorlage zum Sozialrechts-Änderungsge­setzes – SRÄG 2015 wird dem FLAF eine weitere nur bedingt familien-relevante Leistung zur Finanzierung umgehängt. Auch wenn es sich nur um geringe finanzielle Mehraufwendungen handelt, so ist eine weitere finanzielle Belastung des FLAF durch nur bedingt familienrelevante Leistungen nicht diskutabel. Auch das Familienminis­terium kritisiert im Begutachtungsverfahren die vorliegende Regierungsvorlage scharf: "Die Übernahme der Kosten für die Selbstversicherung in der Krankenversicherung für Zeiten der Pflege naher Angehöriger durch den FLAF stellt … einen nicht nachvoll­ziehbaren Systembruch dar. Zudem wird auf die Studie „Familienlastenausgleich in Österreich. Rückblick, Status-quo und Zukunftsperspektiven“ vom Institut für Höhere Studien verwiesen, in der explizit gefordert wird, bedingt familienrelevante Ausgaben­kategorien in geeignete andere Budgetkapitel zu verlagern. Die Neuübernahme durch den FLAF von Ausgaben, die nur bedingt familienrelevant sind, widerspricht dieser Intention. Eine Regelung, die eine Kostenüberwälzung der Beiträge für die kostenlose Selbstversicherung in der Krankenversicherung für Zeiten der Pflege naher Angehöriger auf den FLAF vorsieht, wird auch aus budgetären Gründen abgelehnt."


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 97

Gerade auch im Hinblick auf das Bundesfinanzgesetz 2016 ist diese neuerliche Kostenübernahme äußert kritisch zu sehen. Denn im BFG 2016 ist als ein wesentliches Wirkungsziel die „Bereitstellung von Mitteln des FLAF für FAMILIENRELEVANTE Leistungen“ genannt. Dieses Ziel soll verfolgt werden in dem bedingt bzw. teilweise familienrelevante Leistungen nicht mehr durch den FLAF getragen werden und damit eine Verringerung der Kostentragung des FLAF erreicht wird. Diese Neuregelung bewirkt genau das Gegenteil und konterkariert neuerdings die Ankündigungen und Beschlüsse im Rahmen der Budgetverhandlungen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert im Hinblick auf die Beitragssenkung zum Familienlastenausgleichsfonds, eine finanzielle Entlastung des FLAF zu erreichen, in dem die Finanzierung bedingt bzw. teilweise familienrelevante Leistungen aus dem FLAF ausgelagert wird und dadruch eine Vereinfachung der Finanzierungsströme erreicht wird, in dem jene Stellen, die Leistungen aus dem FLAF schon bisher steuerten, auch die finanzielle Verantwortung dafür übernehmen.“

*****

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Fazekas. – Bitte.

 


13.13.37

Abgeordneter Hannes Fazekas (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Anlässlich des Umstandes, dass heute sehr viele junge Menschen im Hohen Haus sind – Lehrlinge und Schülerinnen und Schüler –, möchte ich mich einem Thema widmen, zu dem es im Ausschuss einen Antrag vom Team Stronach gegeben hat, der abgelehnt wurde.

Es geht um einen Kostenersatz von 95 € für die Unterbringung – und damit verbunden die Flexibilisierung der Unterbringung – von Lehrlingen. Ich bin davon überzeugt, dass das nicht der richtige Ansatz ist, weil – wie all jene unter uns, die sich sehr viel mit jungen Menschen auseinandersetzen, ganz genau wissen – junge Menschen, die gerade von zu Hause losstarten und die Freiheit genießen, selten die Bereitschaft haben, weit über ihre Landesgrenzen hinweg einen Ausbildungsplatz in Anspruch zu nehmen, sondern naturgemäß die Ausbildung in der Nähe suchen, um nicht aus ihrem Freundeskreis und ihrer sozialisierten Lebensweise ausscheren zu müssen.

Nichtsdestotrotz ist es aber wichtig, sich mit diesem Thema sehr intensiv auseinan­derzusetzen. Das gibt mir auch die Gelegenheit, noch einmal darauf zu verweisen, wie viel Budgetmittel seitens des Ministeriums und des Bundesministers für die Sicherheit und Zukunft unserer jungen Menschen ausgegeben werden: Meine sehr geehrten Damen und Herren, das sind fast 800 Millionen €, wir sind bald bei 1 Milliarde €!

Durch das Konjunkturpaket im Herbst sind noch einmal 10 Millionen € dazugekommen, bei denen es ausschließlich darum geht, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, wie es gelingen mag, junge Menschen zu einer Ausbildungsstätte zu bringen, die vielleicht etwas weiter weg von ihrem Wohnort ist. Wir wissen nämlich ganz genau, dass es bei uns Gegenden gibt – vor allem im Westen –, wo man ein Problem hat, die Ausbildungsplätze entsprechend auffüllen zu können.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 98

Daher ist es zu begrüßen, dass es entsprechende Projekte gibt. Ein Projekt wird im Jänner 2016 gemeinsam mit dem AMS, dem Wirtschaftsministerium und dem Sozial­ministerium begonnen, wo es vor allem darum geht, die Kompetenzen bei den jungen Menschen festzustellen – die wichtige Orientierungsphase –, darüber zu diskutieren, welche Chancen sie in der Zukunft haben und welche Qualifikationen sie sich erwer­ben können, über die individuelle Betreuung und Begleitung vor Ort, die Begleitung von Lehrlingen im Betrieb und im Rahmen ihrer Ausbildung, aber auch über die Unter­stützung bei der Wohnsituation und natürlich – weil es da auch immer wieder Schwie­rig­keiten gibt, was keine Frage ist bei jungen Menschen – über Nachhilfe und Unter­stützung in den Berufsschulen.

Ich glaube, es ist wichtig, dass wir da dranbleiben, gerade auch jetzt in dieser Phase, wo wir die Möglichkeit und die Chance haben, viele junge unbegleitete Minderjährige, die in unser Land geflüchtet sind, ausbilden zu lassen, damit es da auch weitere Möglichkeiten gibt, diese Menschen genau in jenem Bereich unterzubringen, wo ein großer Bedarf besteht und die entsprechenden Platzverhältnisse da sind.

Ich bitte darum, dass wir im Sinne dieser jungen Menschen, im Sinne der Zukunft unserer Jugend weitertun. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.17


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Schmid zu Wort. – Bitte.

 


13.17.09

Abgeordneter Gerhard Schmid (ohne Klubzugehörigkeit): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Zum Thema Unterbringung von Lehrlingen: Die Wahl eines Lehrberufes ist für den weiteren Lebensweg maßgeblich. Eine Abhängigkeit von Wohnort, Lehrstelle sowie der schulischen Ausbildung sollte sich nicht nachteilig auf die Berufswahl auswirken. Die Gleichheit der Bundesländer und deren Bewohner ist ein Grundrecht.

Angeboten werden sowohl Lehrberufe mit wöchentlichen Schultagen als auch mit einer sogenannten Blockschulzeit. Die Schulzeit entspricht der Arbeitszeit, sodass Wegekos­ten ebenso wie die Unterbringung in einem Lehrlingsheim für den Auszubildenden einen nicht unerheblichen Aufwand darstellen beziehungsweise die Lehrlingsent­schädi­gung als nicht kostendeckend zu bezeichnen ist.

Die Lehrlingsentschädigung stellt für den Auszubildenden einen wesentlichen Bestand­teil seines Wertigkeitsgefühls dar und ist in zahlreichen Berufsgruppen gerade in den ersten Lehrjahren extrem unterschiedlich. Nicht außer Acht zu lassen ist, dass Eltern von Auszubildenden nicht immer über ausreichende Finanzmittel verfügen, um die Differenzbeträge zum Unterbringungsaufwand aus der eigenen Tasche finanzieren zu können.

Im Zuge der Asylproblematik werden nur unbegleitete minderjährige Fremde mit einem Tagessatz von 95 € unterstützt. Die Fahrt- und Unterbringungskosten sind, bezogen auf die monatlichen Aufwendungen, weit vom angesprochenen Tagessatz entfernt, sodass eine monatliche Lehrlingsunterstützung für Fahrtkosten sowie Unterbringung zu befürworten ist. – Danke. (Beifall beim Team Stronach sowie des Abg. Doppler.)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 99

13.19


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Diesner-Wais zu Wort. – Bitte.

 


13.19.10

Abgeordnete Martina Diesner-Wais (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wir haben schon gehört: Im Sozialrechts-Änderungsgesetz sind eine Fülle von Gesetzen enthalten, die alle wichtig und gut sind.

Ich möchte über die Abschaffung der täglichen Geringfügigkeitsgrenze sprechen, die jetzt bei 31,17 € liegt und deren Aufhebung vorgezogen wird, denn sie war ursprünglich erst 2017 vorgesehen, und jetzt ist es eben möglich, wenn die technischen Voll­ziehungsvoraussetzungen für den Hauptverband gegeben sind.

Ich denke, das ist ein sehr guter Schritt für die Arbeitnehmer sowie für die landwirt­schaftlichen und die gewerblichen Betriebe, denn oft, wenn man gerade jemanden braucht in der Erntezeit oder in der Gastronomie, wenn ein Autobus kommt, geht es sich zwar mit dem monatlichen Grenzbetrag gut aus, aber der tägliche Grenzbetrag war ein Hindernis. So ist das jetzt für alle Beteiligten eine sinnvolle, praktikable Lösung.

Besonders freue ich mich aber über die Regelung betreffend die Notärzte, denn Österreich verfügt über ein wirklich gutes Notärzte- und Rettungssystem. Damit das auch in Zukunft so bleibt und vor allem auch im ländlichen Raum so bleiben kann, muss natürlich immer wieder an gewissen Stellschrauben gedreht werden. Wir haben es ja heute schon gehört: Die Notärzte waren jahrzehntelang auf Werkvertragsbasis bei den Rettungsorganisationen tätig. Seit 2010 ist eben die 48-Stunden-Regelung zum Tragen gekommen, wobei sie hauptberuflich im Krankenhaus arbeiten und das zusammengezählt worden ist. Daher ist es gerade im ländlichen Raum – und aus meinem Heimatbundesland Niederösterreich weiß ich es – oft schon sehr schwierig geworden, die Notarztdienste lückenlos zu besetzen.

Ich möchte noch einen Aspekt beleuchten. Kollegin Dietrich und Kollegin Mückstein haben angesprochen, dass es zu wenige Ärzte gibt. Wir haben 4,8 Ärztinnen und Ärzte pro 1 000 Einwohner, und damit liegen wir eigentlich schon noch wesentlich über dem OECD-Schnitt von 3,2 Ärzten; wir haben allerdings ein Verteilungsproblem zwischen städtischem und ländlichem Raum.

Mit diesem Gesetz wird jetzt eben ermöglicht, dass die Arbeitszeiten nicht mehr zusammengezählt werden, sondern das eine ist ein Dienstverhältnis und das andere eine freiberufliche Tätigkeit. Das hilft uns natürlich im ländlichen Raum besonders. Es haben auch unsere Landeshauptleute angesprochen, dass vor allem sie diese Geset­zesänderung wollen. Auch für den Einzelnen ist es sehr gut, wenn er klinisches Personal zur Verfügung hat. Die Notfallmediziner können das wirklich auch bestens und können sich dabei auch weiterbilden und lernen.

In diesem Sinne bedanke ich mich für das Gesetz und denke, es ist ein guter Schritt in die richtige Richtung. (Beifall bei der ÖVP.)

13.22


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Jarmer. – Bitte.

 


13.22.42

Abgeordnete Mag. Helene Jarmer (Grüne) (in Übersetzung durch einen Gebärden­sprachdolmetscher): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen und Zuschauer auf der Galerie! Sie wis­sen, heute ist ein wichtiger Tag – der Internationale Tag der Menschenrechte. Und ich hätte eine Frage in die Runde hier im Haus: Gibt es hier jemanden, der eventuell im Rollstuhl sitzt oder bereits einmal eine Zeit lang gesessen ist? Gibt es hier jemanden, der etwas schlechter hört? Gibt es hier jemanden, der eine Brille trägt? Gibt es hier jemanden, der Kontaktlinsen trägt, auch oben auf der Galerie? Hatten Sie schon


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 100

einmal einen schweren Knochenbruch, eine schwere Operation, irgendein Implantat, das in Ihrem Körper ist? Diabetes? – Ich denke, ja; es ist jeder von irgendetwas betrof­fen. Und das war auch der Grund, warum Österreich die Konvention der Menschen­rechte ratifiziert hat, um genau jenen Menschen, die in diesen Situationen leben, ein gerechtes und faires Leben zu gewährleisten, ein barrierefreies Leben, sodass alle Menschen gleich leben können.

Im Jahre 2012 wurde der Nationale Aktionsplan ins Leben gerufen, und dieser besagt, dass das Sozialministerium auf der einen Seite und alle anderen Ministerien Verant­wortung übernehmen müssen. Das Verkehrsministerium zum Beispiel: Das Verkehrs­minis­terium muss darauf achten, dass der Verkehr barrierefrei gestaltet wird für Menschen, die Barrierefreiheit brauchen. Das Unterrichtsministerium achtet auf die Bildung, gewährleistet, dass Menschen mit Behinderungen Zugang, einen gerechten Zugang zur Bildung haben. Andere Ministerien müssen darauf achten, dass Arbeit und barrierefreie Arbeitsplätze zur Verfügung stehen.

Das sind die Ziele der Ministerien, aber die Berichte der Ministerien, die Umsetzungen sind nicht transparent. Sie sind nicht transparent! Das heißt, es wird kein Licht ins Dunkel gebracht; man lebt im Dunkeln. Und oftmals, Sie wissen, heißt „Licht ins Dunkel“, man soll spenden und Almosen geben. Diese Menschen sind ja Almosen­empfänger. – Diesen Gedanken sollte man verwerfen.

Herr Sozialminister, Sie wissen, man muss die Dinge klar zeigen. Ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen tun sehr vieles, es gibt viele Maßnahmen, viele Sitzungen, viele Gremien und Arbeitsgruppen, ganz, ganz viele, Bund, Land und, und, und. Fakt ist jedoch, dass keine Transparenz herrscht. Es ist wichtig, dass Sie für Transparenz sor­gen, damit transparent klargelegt werden kann, ob die Ziele erreicht worden sind oder nicht, statt wieder einmal in der Schublade zu landen. Die Bürger und Bürgerinnen haben das Recht auf Transparenz, um zu erfahren, was und wie viel Österreich bereits erreicht hat, und nicht, was in der Schublade gelandet ist.

Ich denke, liebe Bürgerinnen und Bürger, wir werden, wenn es so weitergeht, weiter im Dunklen sitzen. – Danke sehr. (Beifall bei den Grünen.)

13.26


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Ing. Hofinger. – Bitte.

 


13.26.14

Abgeordneter Ing. Manfred Hofinger (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Hohes Haus! Ich darf die Besuchergruppe aus Aspach im schönen Inn­viertel recht herzlich bei uns begrüßen! (Allgemeiner Beifall.)

Ja, mein Redebeitrag gilt natürlich auch diesen vielen Änderungen im Sozialrecht. Ich möchte hier nur einen wichtigen Punkt für den ländlichen Raum herausgreifen. Er wurde zwar schon mehrmals erwähnt, aber ich möchte darauf hinweisen, dass für uns das Notarztsystem ein ganz wichtiger, wesentlicher Teil der Versorgung am Wochen­ende ist und sehr gut funktioniert. Durch die Änderung des Ärztezeitgesetzes kann die Tätigkeit des Notarztes als freiberufliche Tätigkeit angesehen werden.

Ich möchte den Bogen spannen zur momentanen Arbeitsmarktpolitik: Wir sehen gerade jetzt im November, dass die Arbeitslosenzahlen ziemlich gestiegen sind mit 8,3 Prozent österreichweit und mit 16,6 Prozent in Wien – ein negativer Ausreißer. Gott sei Dank gibt es im Westen eine leichte Erholung. In Tirol sind die Arbeitslosenzahlen um 2 Prozent zurückgegangen. Wir haben diesbezüglich beim Arbeits- und Wirt­schaftsgipfel im Oktober sehr viel getan, und wir haben im Budget und im Budget-


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begleitgesetz schon sehr viele Maßnahmen umgesetzt beziehungsweise schon einiges für Standortbelebung und Arbeitsmarktbelebung getan.

Ich möchte aber auch kurz die Mindestsicherung streifen, denn wir müssen unbedingt den Anreiz, den Arbeitsanreiz schaffen, um wirklich mehr Leute in Beschäftigung zu bringen. 55 Prozent der Mindestsicherungsbezieher leben in Wien, obwohl nur 20 Pro­zent der Bevölkerung dort wohnen. Das ist wirklich bedenklich. Wir müssen da massiv handeln und die richtigen Signale setzen.

Wir von der ÖVP haben hiezu ein Konzept vorliegen, das wirklich die Schere etwas weiter auseinandergehen lässt zwischen Mindestsicherung und tatsächlichem Er­werbs­einkommen. Es kann nicht sein, dass eine Frisörin im ersten Lehrjahr laut Kollek­tivvertrag 920 € verdient und ein Mindestsicherungsbezieher, der zudem noch Erleich­terungen bei den ORF-Rundfunkgebühren und bei Medikamenten hat, 850 € bekommt. Diese Schere muss unbedingt auseinandergehen.

Natürlich müssen wir auch noch das eine berücksichtigen: Mit der Flüchtlingswelle werden wir 40 000 positive Asylbescheide haben. Und diese Menschen drücken natürlich auch auf den Arbeitsmarkt, denn sie werden voraussichtlich in den Arbeits­markt kommen oder die Mindestsicherung beziehen.

Darum glauben wir, dass wir gerade bei der Mindestsicherung unbedingt Handlungs­bedarf haben, um sie gerechter zu machen. Und vor allem: Ich bin für die Mindest­sicherung, und für jene Leute, die sie wirklich brauchen, bin ich sehr dafür, dass wir sie so erhalten. Damit wir sie aber auch in Zukunft erhalten können, müssen Änderungen stattfinden. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

13.29


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Schatz. – Bitte.

 


13.29.58

Abgeordnete Mag. Birgit Schatz (Grüne): Jetzt muss ich noch bei meinem Vorredner kurz nachfragen: Ich bin nicht sicher, ob ich Sie richtig verstanden habe. Ihr Beispiel mit dem Lehrling im ersten Lehrjahr und der Höhe der Mindestsicherung, der Differenz war Argumentation wofür? Sie wollen die Mindestsicherung noch senken? (Abg. Hofinger: Die Schere muss weiter aufgehen!) – Sie wollen also den Lehrlingen mehr zahlen. Das würde ich auf jeden Fall unterstützen und auch die Mindestsicherung anheben, und dann können wir die Schere weiter oben ansiedeln, sodass beide eine ordentliche existenzielle Grundlage haben. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren, eigentlich hat meine Kollegin Mückstein schon sehr aus­führlich erläutert, warum wir diese Notarzt-Regelung widersinnig finden. Ich muss aber noch einmal darauf eingehen. Wir beschlossen vor nicht allzu langer Zeit ein Ärzte­arbeitszeitgesetz, das eine Kürzung der Ärztearbeitszeiten vorgesehen hat. Warum? – Weil diese überlangen Arbeitszeiten für die Ärzte und Ärztinnen selbst, aber auch für die Patienten und Patientinnen eine Gefahr darstellen. Und was machen Sie jetzt? – Jetzt hebeln Sie diese Regelung auf dem Umweg über die Selbständigkeit aus und ermöglichen derart wieder überlange Arbeitszeiten, und das noch dazu im Notarzt­wesen, in dem man quasi permanent in einer akuten Krisensituation ist, hoch kon­zentriert arbeiten muss, unter enormem Stress steht, sehr oft in der Nacht arbeitet. Das ist total widersinnig!

Wenn Sie hier damit anfangen, wie geht es denn dann weiter mit dem Argument, wir können sonst die Versorgung nicht sicherstellen? Gliedern Sie im Krankenhaus die Chirurgie aus, nur weil wir derzeit einen Engpass bei den Chirurgen haben und daher


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 102

das Ärztearbeitszeitgesetz umgangen wird? (Abg. Wöginger: Sie kennen sich da ja gar nicht aus!) – Das ist aber eine sehr schwache Argumentation, Herr Abgeordneter Wöginger. Würden Sie vielleicht auf die Argumente eingehen? (Abg. Wöginger: Das ist Ihr Problem, dass Sie sich da nicht auskennen!)

Ich kann auch die Auffassung nicht teilen, dass man ja, wie die SPÖ sagt, sozusagen auch eine private Praxis neben dem Spitalsdienst hat. Das ist nicht dasselbe, ob ich ein- oder zweimal am Nachmittag selbst gesteuert eine private Praxis führe oder eben in einer Krisensituation schnelle Entscheidungen treffen und höchst riskante Situa­­tionen bewältigen muss. Wir können also nicht nachvollziehen, warum Sie dieses Risiko wieder eingehen.

Ansonsten sind unter diesen zehn Tagesordnungspunkten leider noch viele, die zu kommentieren wären. Ich finde es schade, dass wir die Bürgerinitiative rund um die AMS-Mittel nicht ausführlicher diskutieren konnten, weil es dringend notwendig wäre, das AMS mit mehr Mitteln auszustatten. Ja, die Mittel werden nicht gekürzt, wie die Initiative das auch verlangt, aber im Verhältnis zum Anstieg der Zahl der Ar­beitsuchenden steigen sie einfach zu wenig. Von Jahr zu Jahr haben wir weniger Geld für den einzelnen Arbeitsuchenden zur Verfügung, und das ist höchst bedauerlich. Wir Grüne fordern eine stärkere Erhöhung der Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik. (Beifall bei den Grünen.)

13.33


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Dr. Winzig. – Bitte.

 


13.33.17

Abgeordnete Dr. Angelika Winzig (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Ich beziehe mich auf den Antrag von Kollegin Dietrich zur Lehrlingsmobilität. Ja, aus Sicht der Wirtschaft ist es wünschenswert, dass die Lehr­linge mobil sind, aber ich weiß aus eigener betrieblicher Erfahrung, dass das nicht das Allheilmittel für das angesprochene Problem ist. Frau Kollegin Dietrich, es wäre wirklich einfach, wenn man das so machen könnte. Wir haben in Oberösterreich 2 000 offene Lehrstellen. Schön wäre, wenn wir jetzt 2 000 Lehrstellensuchende von Wien nach Oberösterreich übersiedeln könnten. Leider funktioniert das nicht, obwohl natürlich die Mittel dafür zur Verfügung stehen würden. Unser Wirtschaftslandesrat, aber auch die in Frage kommenden Betriebe würden sofort bereit sein, das zu unterstützen, ohne dass wir das gesetzlich verankern müssten.

Woran scheitert es? – Es scheitert an der Mobilitätsbereitschaft der Lehrlinge. Ich habe das gleiche Problem. Für meinen Lehrberuf ist die Berufsschule in Ferlach, und da haben schon einige deshalb die Lehre abgebrochen, weil eben der Freundeskreis in den acht Wochen dann anscheinend verlorengeht, wenn sie nicht zu Hause sind. Wir fordern dies auch von arbeitslosen Erwachsenen nicht ein. Da diskutieren wir auch dauernd über die Zumutbarkeit von gewissen Distanzen.

Es scheitert aber natürlich auch an der Qualifikation und an der sozialen Kompetenz.

Da ja dieser Lehrlingsmangel aufgrund der demografischen Entwicklung auch in ande­ren Bundesländern noch auftreten wird, halte ich es für wichtiger, dass wir die Lehre weiterhin attraktivieren durch Vergleichbarkeit und Gleichwertigkeit mit dem schuli­schen System, durch eine Verstärkung der Potenzialanalyse für alle Jugendlichen, um ihre beruflichen Stärken zu erkennen, aber auch durch Erreichen der Bildungsstan­dards in der achten und neunten Schulstufe.

Was mir in Ihrem Antrag nicht gefallen hat, ist das Gegeneinander-Ausspielen der österreichischen Lehrstellensuchenden und der Flüchtlinge, denn die gesellschaftliche


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 103

Integration ist für beide Gruppen sehr wichtig. Beide müssen eine ordentliche Lehr­ausbildung absolvieren, denn sonst enden sie als lebenslange Sozialfälle, und das können und wollen wir uns auch nicht leisten. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Stein­bichler: Noch einmal lesen!)

13.35


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Doppler. – Bitte.

 


13.35.48

Abgeordneter Rupert Doppler (ohne Klubzugehörigkeit): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Tagesordnungspunkte 6 bis 16 – ich nehme Stellung zu Punkt 10. Was Kollegin Ing. Dietrich vorhin vergessen hat: Die Zuerkennung des Pflegegeldes für einen kürzeren Zeitraum als sechs Monate wäre wünschenswert, Herr Minister, weil das für betroffene Menschen nach einem Schenkelhalsbruch oder dergleichen mehr oft auch eine sehr große Hilfe wäre. Wir wissen ja auch aus der Praxis des täglichen Lebens, und das wird in diesem Antrag auch richtig angeführt, dass ältere Menschen sich bei einem Sturz oft einen Schen­kelhals brechen. Dieser sogenannte Oberschenkelhalsbruch bereitet den Menschen oft sehr große Probleme, vor allem, was die Pflege betrifft. Gott sei Dank ist die Medizin heute so weit, dass es vielen Menschen nach einer solchen Operation, nach solch einer schweren Verletzung nach einiger Zeit wieder gut geht, dass es ihnen wieder besser geht. In diesen Fällen wäre ein Anspruch auf Pflegegeld für unter sechs Monate notwendig. Herr Minister, man könnte das auch finanzieren, wenn man die ver­schiedenen Sozialversicherungsanstalten zusammenlegen würde.

Noch einen Satz, meine sehr geehrten Damen und Herren, zu den Ärzten in den Spitälern und was das Notarzt-System betrifft. Die Ärztinnen und Ärzte in den Spitälern leisten Großartiges. Ich weiß das selbst als betroffener Betriebsrat vor Ort. Und auch das Notarzt-System, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist ein hervorragendes. Und jeder, der schon einmal einen Notarzt oder eine Notärztin gebraucht hat, das System in Anspruch genommen hat, weiß, dass wir dieses System mit allen Mitteln in dieser Form aufrechterhalten müssen. – Herzlichen Dank. (Beifall des Abg. Gerhard Schmid sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Team Stronach.)

13.37


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Franz. – Bitte.

 


13.37.48

Abgeordneter Dr. Marcus Franz (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Einige Sätze und einige Richtigstellungen zum Notarztgesetz, zur neuen Notarzt-Regelung.

Hier reden viele Blinde von der Farbe. Ich selbst war sieben Jahre lang Notarzt; ich weiß, wovon ich spreche. Und ich kann nur sagen: Die neue Regelung ist gut, wenn nicht sogar ausgezeichnet, weil sie genau jetzt, in einer prekären Situation, eingreift und eine Sache wieder ins Machbare bringt, die ansonsten gefährdet wäre. Und bitte, meine Damen und Herren, wir dürfen eines nicht vergessen, wenn wir ständig von der Ärztearbeitszeit reden und davon, dass die armen Ärzte so ausgebeutet werden: Arzt sein heißt viel arbeiten, und ein guter Arzt kann nur der sein, der sich der vielen Arbeit auch stellt und die viele Arbeit auf sich nimmt.

Das sind lauter Damen und Herren, die freiwillig Medizin studieren und Ärzte und Ärztinnen werden. Denen ist es also schon zuzumuten, sehr viel zu arbeiten. Das ist uns auch im ärztlichen Berufsbild ein wirkliches und wesentliches Anliegen.

Dazu darf ich eine Studie aus den USA anführen. Die haben nämlich die gleiche Problematik schon vor zehn Jahren zu lösen versucht. In den USA arbeiten die Ärzte


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 104

noch viel mehr als bei uns. Nicht zuletzt deswegen ist das amerikanische Gesund­heitssystem beziehungsweise die amerikanische Medizin wissenschaftlich führend auf der Welt. In den USA wurde im Jahre 2003 die Ärztearbeitszeit auf 80 Stunden wöchent­lich begrenzt, 2011 noch einmal etwas reduziert und dann eine landesweite Studie quer durch alle Staaten der USA durchgeführt, um zu evaluieren, was dabei herausgekommen ist.

Und man höre und staune: Durch die Reduktion der Arbeitszeit ist die ärztliche Qualität am Krankenbett schlechter geworden und die ärztliche Lebensqualität ist ebenfalls schlechter geworden! – Das kann man alles nachlesen in einer sehr validen und breit und gut durchgeführten amerikanischen Studie.

Daher ist es jetzt gut, wenn durch diese Sonderregelung der freie Arztberuf gestärkt wird. Und ich glaube, dass wir insgesamt von dieser durch die EU oktroyierten Arbeits­zeitregelung, die den Ärzten sehr eng und sehr korsettartig übergestülpt wird, eines Tages wieder weggehen müssen, hin zu mehr Flexibilisierung, zu mehr Stärkung des freien Berufes Arzt, zu mehr Freiwilligkeit, zu mehr Sonderlösungen für Regionen, Spitäler und Bezirke in Österreich. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

13.39


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Schmid. – Bitte.

 


13.40.05

Abgeordneter Gerhard Schmid (ohne Klubzugehörigkeit): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Zum Thema Zusammenlegung von Sozialversicherungsträgern: Der Einwand hoher Lohnnebenkosten bezieht sich überwiegend auf die Sozialversiche­rungs­beiträge sowie Mehrfachversicherungen, wobei lediglich ein Leistungsanspruch besteht. Das System ist dringend reformbedürftig. Neben einer teilweise nach Berufs­gruppen orientierten Vielfalt an Sozialversicherungsträgern sind Leistungsunterschiede für den Pflichtversicherten besonders nachteilig. In Einzelfällen sind Leistungsunter­schiede sogar abhängig vom Bundesland.

Ein sozialbezogenes Versicherungssystem hat für jeden Versicherten Gleichheit in Leistung und Beiträgen bezogen auf das Einkommen zu gewährleisten. Die Zusam­menfassung einzelner Versicherungsträger führt zu einer nicht unwesentlichen Kosten­einsparung. Einsparungen, welche aus einer Verschlankung der Verwaltungsstrukturen resultieren, sind dem Versicherten gutzuschreiben, oder der Leistungsumfang ist zu erhöhen.

Es ist keinesfalls nachvollziehbar, dass im medizinischen Sektor Einsparungen bezie­hungsweise Rückbauten diverser Strukturen von der Bevölkerung hinzunehmen sind und im Gegenzug Versicherungsträger nicht in der Lage sind, einen nachhaltigen Beitrag zur Entlastung der Versicherten zu leisten, beziehungsweise österreichweit nicht zu einheitlichen Leistungen bereit sind. – Danke. (Abg. Ehmann: … den Verfas­ser tauschen!)

13.41


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer abschließenden Stellungnahme hat sich Herr Bundesminister Hundstorfer zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.

13.41.38

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Damen und Herren auf der Be­sucher­galerie! (Das Mikrofon fällt kurz aus.) – Der Saft ist weg – nein, er ist schon wieder da.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 105

Ich möchte nur auf zwei Punkte zurückkommen. Noch einmal: Eine Neugestaltung der bedarfsorientierten Mindestsicherung ist im tiefen Einvernehmen mit allen österreichi­schen Bundesländern seit zwei Monaten in Verhandlung. Ich würde dringlich bitten, das zur Kenntnis zu nehmen. – Das ist einmal Punkt eins.

Sie wissen selbst, dass die Artikel-15a-Vereinbarung – auch gemeinsam beschlos­sen – so lange gilt, solange die Finanzausgleichsverhandlungen nicht abgeschlossen sind. Ich möchte das nur noch einmal in Richtung des Koalitionspartners wiederholen: Es ist ein gemeinsamer Beschluss der Bundesregierung, die Artikel-15a-Vereinbarung gilt so lange, solange der Finanzausgleich nicht abgeschlossen ist. Das haben wir alles gemeinsam ausgemacht – alles, ganz streng gemeinsam –, und all das, was an Strafen, an Sanktionen gefordert wird, liegt heute schon in der Hand der österreichi­schen Bezirkshauptmannschaften und Magistrate.

Noch einmal: Die Muss-Bestimmung bräuchte ja ein Verfassungsgesetz, nur damit wir uns das einmal klarmachen. Ich weiß, wie gerne wir in die Autonomie der österreichi­schen Bundesländer eingreifen, meine Damen und Herren! Ich weiß, wie gerne wir eingreifen. Ich wünsche uns allen viel Vergnügen (Zwischenruf des Abg. Wöginger), ich glaube, wir sollten uns bewusst machen, wer wofür zuständig ist. Natürlich liegt es bei den Ländern, die Bezirkshauptmannschaften aufzufordern, diesbezüglich ent­sprechend tätig zu werden.

Darauf sollten wir uns konzentrieren, denn es ist für mich auch nicht immer nachvoll­ziehbar, dass es im Bundesland A – ich sage jetzt einen Namen: Steiermark – BHs gibt, die grundsätzlich nur auf drei Monate befristet vergeben, und es im gleichen Bun­desland BHs gibt, die sagen: Da hast du es für zwölf Monate. Genauso gibt es nur zwei Bundesländer, die grundsätzlich zwölf Monate festgelegt haben, das sind Wien und Niederösterreich. Alle anderen haben gar nichts drinstehen. Das können wir mit den Ländern gemeinsam weiterentwickeln. Das ist der eine Punkt.

Ob jetzt ein Bundesland mehr oder weniger zahlt, ist Angelegenheit des Bundeslandes. Bei der Idealfamilie – zwei Erwachsene und zwei Kinder – zahlt derzeit das Bundes­land Oberösterreich am meisten, das Bundesland Burgenland am wenigsten, und alle anderen liegen dazwischen, wobei die Differenz zwischen Wien und Oberösterreich – denn ihr habt ja Wien so gerne – bei der Idealfamilie 4 000 € im Jahr beträgt. Ober­öster­reich zahlt um 4 000 € mehr als Wien – nur damit wir das auch einmal ein bisschen in Relationen vor uns haben. (Zwischenruf des Abg. Wöginger.)

Darum würde ich dringlich bitten zur Kenntnis zu nehmen: Ja, wir führen die Debatte, wir tun es, wir werden natürlich schauen, dass aus der Kann-Bestimmung etwas Stär­keres wird. Ich möchte das nur noch einmal sagen.

Nun zum Antrag betreffend Pflegegeld, meine Damen und Herren, auch ein sehr offenes Wort: Wir sind Weltmeister beim Pflegegeld. Zur Stunde beziehen 5,29 Prozent der österreichischen Bevölkerung Pflegegeld, das sind 454 527 Menschen. In keinem Land der Welt werden Sie so eine Zahl finden. Das System ist auch deshalb so, weil wir das einzige Land der Welt sind, das ein siebenstufiges Pflegegeldsystem hat –sieben Stufen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich würde wirklich dringlich bitten: Um das jetzige System so zu erhalten, wie es ist, müssen wir pro Jahr 190 000 ärztliche Gutachten machen – 190 000 ärztliche Gutach­ten jedes Jahr. Wir machen das natürlich gerne, aber wir brauchen im Schnitt 58 Tage, um 190 000 Gutachten machen zu können. Und jetzt bitte, bleiben wir bei allem Ver­ständnis für sozialpolitische Diskussionen realistisch und lassen wir die Sechsmonats­frist so, wie sie ist, denn sie hat ja eine Logik, sie hat einen Sinn. Wenn heute etwas passiert, und wir nächste Woche draufkommen, dass das länger dauern könnte, und


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 106

ich einen Antrag stelle, dann dauert die Bearbeitung 58 Tage, und dann ist man in vielen Fällen schon wieder gesund – das kann es ja nicht gewesen sein.

Darum würde ich wirklich dringlich bitten: Das System ist sehr gut entwickelt worden und ausgereift. Wir haben vieles dazu getan, dass es auf dem heutigen Niveau ist, aber lassen wir diese Frist so, wie sie ist. Ich glaube, wir sind gut beraten, und ich würde dringlich appellieren: Sehen wir das System als das Positivste, das es in diesem Segment auf der Welt gibt, denn – ich sage es noch einmal – Sie werden kein Land der Welt finden, in dem 5,29 Prozent der Bevölkerung Pflegegeld bekommen.

Das sollte, glaube ich, im Vordergrund stehen, und darum bitte ich, diesem Antrag hier nicht die Zustimmung zu geben. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abge­ordneten der ÖVP.)

13.48

 


13.48.08

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 6: Entwurf betreffend Sozialrechts-Änderungsgesetz 2015 in 953 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Mag. Schwentner, Kolleginnen und Kollegen ein Verlangen auf getrennte Abstimmung eingebracht.

Ich werde daher zunächst über die vom erwähnten Verlangen auf getrennte Abstim­mung betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Wir kommen daher zur getrennten Abstimmung über Art. 1, Teil 1 (BMASK) Z 9 sowie Art. 5 Z 1 in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesen Teilen des Gesetzentwurfes ihre Zustim­mung geben, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschuss­berichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung erteilen, um ein beja­hendes Zeichen. – Auch das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Ge­setzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ord­neten Dr. Mückstein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Richtlinien und Program­me für notärztliche Tätigkeit und Paramedics.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 107

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Mag. Vavrik, Kolleginnen und Kollegen betreffend Strukturreform des FLAF statt Gefährdung des Entschuldungspfades.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist abgelehnt.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 7: Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 960 der Beilagen zur Kenntnis zur nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 8: Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 961 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 9: Antrag des Aus­schusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 962 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 10: Antrag des Aus­schusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 963 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 11: Antrag des Ausschus­ses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 964 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 12: Antrag des Aus­schusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 954 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Auch das ist mehrheitlich angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 13: Antrag des Ausschus­ses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 955 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Weiters kommen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 14: Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 956 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Jetzt gelangen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 15: Antrag des Aus­schusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 957 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 108

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 16: Antrag des Ausschus­ses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 958 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Auch das ist mehrheitlich angenommen.

13.52.5217. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (842 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Zivildienstgesetz 1986 geändert wird (959 d.B.)

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen zum 17. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Belakowitsch-Jenewein. – Bitte.

 


13.53.18

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Hier geht es um eine Änderung des Zivildienst­gesetzes. Wir werden dieser Gesetzesänderung keine Zustimmung geben. Lassen Sie mich erklären, warum.

Zunächst einmal sind wir der Meinung, dass diese Gesetzesmaterie im Innen­aus­schuss zu behandeln ist. Ich glaube nicht, dass es besonders sinnvoll ist, dass wir jetzt über den Sozialausschuss sozusagen von hinten herum versuchen, das Zivildienst­gesetz auszuhöhlen. Ich denke, der Zivildienst hat einen sehr wichtigen Anteil an unserer Gesellschaft, ist eine sehr wichtige Leistung, die der Gesellschaft zugute­kommt.

Wenn man jetzt versucht, auf dem Weg über den Sozialausschuss sozusagen quer­zuschießen, halte ich das nicht für den richtigen Weg. Es ist auch nicht in unserem Sinne beziehungsweise unserer Intention entsprechend, dass Zivildiener bei NGOs arbeiten, diese NGOs vielleicht auch aufblasen. Ich glaube, dass man diese wertvolle Tätigkeit schlicht und einfach nicht in irgendeiner Art und Weise abwerten sollte beziehungsweise dass man auch wirklich schauen sollte, dass man die Wertigkeit des Zivildienstes erhält.

Daher, Herr Minister, glaube ich nicht, dass die aufgeblasenen NGOs sinnvoll sind. Wir werden hierbei nicht zustimmen. Noch einmal: Ich bin der Meinung, man sollte diese Materie auch wirklich im Innenausschuss behandeln. (Beifall bei der FPÖ.)

13.54


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kirchgatterer. – Bitte.

 


13.54.41

Abgeordneter Franz Kirchgatterer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Bei der Budgetdebatte, dem Budgetbegleit­gesetz haben wir den ersten Teil des „Gedenkdienstes neu“ beschlossen. Heute geht es um die Teile, die eine Zweidrittelmehrheit erfordern. Es geht vor allem um die Anrechnung des Gedenkdienstes – zehn Monate – für den Zivildienst.

Die große demokratiepolitische Bedeutung des Gedenkdienstes steht außer Frage, er wird international sehr geschätzt und hat ein sehr, sehr gutes Echo. Ich denke auch, dass es gerade 70 Jahre nach Ende der NS-Herrschaft sehr, sehr wichtig ist, dass sich junge Menschen mit diesem Thema beschäftigen. Die Zeitzeugen werden immer weni-


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ger, und daher ist es mehr als angebracht, dass Ursachen und Folgen der Ver­folgungs- und Vernichtungspolitik beleuchtet werden.

Der „Gedenkdienst neu“ bringt zwei sehr, sehr wichtige neue Punkte, zwei Forde­rungen werden damit erfüllt. Die eine ist der gleiche Zugang für Frauen durch das Freiwilligenjahr und die andere die finanzielle Absicherung, was vor allem auch beim Freiwilligenjahr den Lehrlingen zugutekommt. Beim Zivildienst ist auch besonders wichtig, dass man neben der finanziellen Absicherung auch die Information im Lehr­lingsbereich wesentlich verstärkt.

Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, ob es allen bewusst ist, die hier heute, in diesem Jahrzehnt in diesem Parlament sitzen. Im ersten Parlament nach dem Zweiten Weltkrieg, 1945, gab es über 80 Prozent der Frauen und Männer, Abgeordnete der drei Parteien zu dieser Zeit, die während der Zeit des Austrofaschismus, des National­sozialismus verfolgt beziehungsweise inhaftiert worden waren, die in KZ gewesen waren. Die hatten einen anderen Zugang zur Demokratie. Sie haben die Demokratie erkämpft.

Auch für uns ist es wichtig, dass wir uns bewusst sind, wie brüchig auch heute noch eine Gesellschaft ist und wie wichtig es ist, beste Voraussetzungen für eine positive demokratische Weiterentwicklung zu erreichen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.57


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Groiß. – Bitte.

 


13.57.29

Abgeordneter Ing. Mag. Werner Groiß (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Der Zivildienst ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Kultur geworden. Seit ich meinen Zivildienst geleistet habe, hat sich dieser massiv geändert.

Damals musste man noch eine Gewissensprüfung machen. Ja, man musste vor einer Kommission beweisen, nicht mit der Waffe dienen zu dürfen oder zu können. Man hat sich aber dazu durchgerungen und hat den Zivildienst gemacht, und ich bin sehr stolz darauf, diesen beim Roten Kreuz geleistet zu haben. Wer hat schon die Möglichkeit gehabt, bei der Geburt eines Kindes dabei zu sein oder jemanden zu reanimieren, den man Monate und Jahre später noch immer trifft und dem man Hallo sagen kann? Oder wer hat schon die Möglichkeit gehabt, alte Menschen bei ihren beschwerlichen Wegen Tag für Tag, Woche für Woche zu unterstützen?

Der Zivildienst war damals etwas Außergewöhnliches. Auf dem Land ist man noch schief angeschaut worden, wenn man Zivildienst gemacht hat. In der Zwischenzeit ist der Zivildienst ein sehr wichtiger Aspekt. Ja, auch die Volksabstimmung für unsere Wehrpflicht wäre ohne den Zivildienst vielleicht nicht so ausgegangen, und heute sind wir froh, dass wir die Wehrpflicht haben, dass wir den Zivildienst haben, denn beide helfen uns, unser Schutzbedürfnis, unseren zivilen Gedanken, unsere Verteidigung nach außen und nach innen nach vorne zu treiben.

Wir entwickeln nun dieses Zivildienstgesetz weiter. Mit dem Budgetbegleitgesetz haben wir eigentlich sehr unspektakulär schon die wichtigsten Schritte eingeleitet. Es ist untergegangen, dass wir hier die Fristen von zwölf auf zehn Monate verkürzt haben. Es ist untergegangen, dass Auslandsfreiwilligendienste zusammengefasst worden sind und dass viele Dienste neu geschaffen wurden.

Mit diesem Gesetz beschließen wir heute die Vereinfachung und die Bündelung dieser Auslandsdienste beim Bundesministerium für Soziales und Arbeit. Das Freiwillige Sozialjahr, das Freiwillige Umweltschutzjahr, der Gedenkdienst sowie der Friedens- und Sozialdienst werden so vereinfacht, vereinheitlicht und finanziell durch das Budget-


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begleitgesetz richtig- und sichergestellt. Ich hoffe auf breite Zustimmung, denn diese Dienste sind sehr wertvoll für Österreich. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Muchitsch.)

13.59


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Windbüchler-Souschill. – Bitte.

 


14.00.04

Abgeordnete Tanja Windbüchler-Souschill (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Groiß, ein wesentlicher Bestandteil unserer Kultur ist nicht nur der Zivildienst, sondern vor allem die Auf­arbeitung der Geschichte und die Aufarbeitung der Gräuel des Nationalsozialismus – und das ist Teil unserer Kultur.

Heute beschließen wir hier mit dieser Regierungsvorlage, dass eben genau diese Auslandsdienste tatsächlich finanziell und sozialrechtlich abgesichert werden – für alle Menschen, die einen solchen Auslandsdienst gerne machen würden. Ein Jahr für die Aufarbeitung der Gräuel, ein Jahr für Erinnerungspolitik, ein Jahr des Gedenkens. Darum geht es hier heute in erster Linie, meine sehr verehrten Damen und Herren, und nicht um eine Zivildienstdebatte.

In der Vergangenheit war es ja so, dass Gedenkdienste, Sozial- und Friedensdienste ausschließlich für wehrpflichtige Männer finanziert wurden. Vor allem Frauen, aber auch nicht wehrpflichtige Männer hatten keine Möglichkeit, einen finanzierten Auslandsdienst über die Trägervereine machen zu können.

Seit Jahren pochen wir Grünen darauf, eine Neuregelung zu implementieren, eine Neuregelung, die die Trägervereine, aber auch die Auslandsdiener und Auslandsdiene­rinnen finanziell absichert für dieses tolle Jahr, das sie leisten. Das gelingt mit diesem vorliegenden Vorschlag.

Frau Belakowitsch-Jenewein, es tut mir leid, dass Sie diese Gesetzesvorlage nicht verstanden haben. Es geht da nicht um die Aushöhlung des Zivildienstgesetzes, sondern es geht darum, den Gedenkdienst abzusichern und Frauen und Männer unabhängig von der Wehrpflicht nach Israel zu entsenden, nach Miami zu entsenden, ins Anne Frank Haus nach Amsterdam zu entsenden, um dort tatsächlich Erin­nerungsarbeit zu leisten. Ich verstehe Ihre Ablehnung ganz und gar nicht. (Beifall bei den Grünen.)

Es wirkt eher so, als wäre es eine fadenscheinige Begründung, den Zivildienst herzu­nehmen, aber eigentlich geht es Ihnen anscheinend nur darum, den Gedenkdienst nicht unterstützen zu wollen. Das finde ich mehr als bedenklich, meine sehr verehrten Damen und Herren – mehr als bedenklich.

Die Gedenkdienste, wie schon gesagt, leisten einen Beitrag von unschätzbarem Wert für die Aufarbeitung der Gräuel des Nationalsozialismus. Bei Sozialdiensten geht es darum, in Mittel- und Südamerika, in Afrika und in Asien Bildungsprojekte, Kinder­projekte – also zum Beispiel Projekte mit Straßenkindern – zu unterstützen. Friedens­diener engagieren sich für die Sicherung des Friedens in Krisengebieten, wie zum Beispiel am Tian’anmen-Platz in China.

Das Verständnis für diese so wichtigen Einsätze zieht heute hier in das Hohe Haus und auch in das Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz ein. Nur zur Erinnerung: Im Zuge der Zivildienstgesetze wurde ein diesbezüglicher Antrag ein­stimmig beschlossen, auch gemeinsam mit den Freiheitlichen. Es ist ein klares Zeichen


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der Freiheitlichen Partei, sich hier gegen Gedenkdienste auszusprechen, und das ist mehr als bedenklich. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Scherak.)

14.03


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Bundesminister Hundstorfer zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


14.03.36

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Herr Präsident! Ich mache es ganz, ganz kurz: Meine Damen und Herren der FPÖ! Ich verstehe Ihre Haltung nicht, außer es liegen dem wirklich jene Argumente zugrunde, die meine Vorrednerin erwähnt hat.

Wir haben uns in der Regierung darauf verständigt, dass Auslandsdienste im Frei-willigengesetz gesetzlich verankert und finanziell abgesichert werden sollen. Das war ein gemeinsamer Beschluss dieser Regierung, und diesen gemeinsamen Beschluss setzen wir um, demzufolge ist diese Bestimmung jetzt im Freiwilligengesetz drinnen.

Im Budgetbegleitgesetz haben Sie ja schon einen Teil zur Beschlussfassung gehabt, und offen und ehrlich gesagt kann ich es nicht nachvollziehen, warum Sie dieser Verwaltungsvereinfachung – die es nämlich in Wahrheit ist – nicht zustimmen können, wo Sie doch so für Verwaltungsvereinfachungen eintreten. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

14.04


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Grillitsch. – Bitte.

 


14.04.41

Abgeordneter Fritz Grillitsch (ÖVP): Herr Bundesminister! Herr Präsident! Diese Novellierung stellt tatsächlich eine reine Kompetenzverschiebung dar. Derzeit basieren ja die Freiwilligendienste auf unterschiedlichen Rechtsgrundlagen und unterliegen unterschiedlichen Bedingungen.

Der Herr Bundesminister hat es gerade ausgeführt, daher verstehe ich es auch nicht, warum Sie dem nicht zustimmen. Es ist eine Verwaltungsvereinfachung durch Bün­delung der Freiwilligendienste im Sozialressort, eine Verbesserung der Auslandsfrei­willigendienste inklusive Berücksichtigung europarechtlicher Vorgaben, finanzielle Auswirkungen durch mittel- und langfristige Synergieeffekte. (Zwischenruf des Abg. Neubauer.)

Die Vorteile für die Zivildiener sind da auch festgeschrieben: Verkürzung der Frei­willigentätigkeit von zwölf auf zehn Monate – egal ob Freiwilliges Sozialjahr, Frei­williges Umweltschutzjahr, Gedenkdienst, Friedens- oder Sozialdienst im Ausland – sowie Anrechnung eines mindestens zehn Monate dauernden Jugendfreiwilli­gen­dienstes, zum Beispiel des „Erasmus+“-Programms der EU.

Alle weiteren Rahmenbedingungen für freiwillige Auslandsdienste bezüglich Familien­beihilfe und Taschengeld sind im Freiwilligengesetz geregelt. Es würde daher guttun, meine ich, wenn auch Sie diesem Gesetz zustimmen würden. (Beifall bei der ÖVP.)

14.05

14.05.10

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 842 der Beilagen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 112

Da der vorliegende Gesetzentwurf Verfassungsbestimmungen enthält, stelle ich zu­nächst im Sinne des § 82 Abs. 2 Z 1 der Geschäftsordnung die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeord­neten fest.

Ich bitte nunmehr jene Damen und Herren, die diesem Gesetzentwurf zustimmen, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist ebenfalls die Mehrheit. Wiederum stelle ausdrücklich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

14.07.0818. Punkt

Bericht des Ausschusses für Konsumentenschutz über den Antrag 1338/A(E) der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend Dotierung des Vereins für Konsumentenschutzpolitik (913 d.B.)

19. Punkt

Bericht des Ausschusses für Konsumentenschutz über den Antrag 1376/A(E) der Abgeordneten Leopold Steinbichler, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sicherstellung der VKI-Finanzierung“ (914 d.B.)

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen nun zu den Punkten 18 und 19 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Peter Wurm. – Bitte.

 


14.07.39

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Herr Minister Hundstorfer, es wird Sie wenig überraschen, wenn ich Ihnen vorwerfe, dass Sie als Minister, aber auch die Sozialdemokratie als Ganzes sich bereits vor Jahren vom Konsumentenschutz verabschiedet hat. Das war ja früher einmal, vor Jahrzehn-ten, eine Kernaufgabe der Sozialdemokratie, aber das ist leider Gottes schon lange, lange Geschichte.

Ich sehe da eine Bankrotterklärung der Sozialdemokratie, und, Frau Lueger, ich bin schon gespannt darauf, was Sie mir da entgegnen wollen, denn die letzten Jahre ist da Ihrerseits gar nichts gekommen. (Beifall bei der FPÖ.)

Für die ÖVP war der Konsumentenschutz immer ein ungeliebtes Kind, sage ich einmal. Sie von der ÖVP haben aber auch nie verstanden, dass Konsumentenschutz unsere KMUs in Österreich schützt und unterstützt, wenn er richtig funktioniert. Das heißt, das Thema, das es früher war, dass die Wirtschaft dem kritisch gegenübergestanden ist, das finden Sie heute nicht mehr, weil die KMUs mit einem funktionierenden Konsumen­tenschutz kein Problem haben. Internationale Großkonzerne haben allerdings mit dem Konsumentenschutz schon ein Problem, das ist auch mit ein Grund, warum da nichts mehr passiert.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 113

Die Grünen sind beim Konsumentenschutz leider Gottes immer nur dann da, wenn es um Randgruppen geht. Wir verstehen unter Konsumenten alle in Österreich, nicht nur gewisse Randgruppen, da würde ich mir von den Grünen ein etwas breiteres Spektrum erwarten. (Zwischenrufe der Abgeordneten Moser und Brosz.)

Die NEOS müssen sich im Bereich Konsumentenschutz erst finden, das ist, glaube ich, nicht Kernthema der NEOS.

Was ich hervorheben möchte, ist, dass Leo Steinbichler als Obmann des Ausschusses für Konsumentenschutz da doch sehr viel Leben hineingebracht hat.

Herr Minister! Da leider Gottes parlamentarisch, aber auch von Ihnen als Minister keine Aktivitäten im Konsumentenschutz gesetzt werden, ist der eigentliche Konsumenten­schutz in Österreich der VKI, der Verein für Konsumenteninformation – das ist eigentlich der Konsumentenschutz in Österreich. Da möchte ich vielleicht kurz erklären, wer der VKI ist. (Abg. Moser: Das wissen wir doch schon längst!)

Gegründet wurde er 1961, in den goldenen Jahren der Sozialdemokratie, das heißt, er ist jetzt 55 Jahre alt. Der VKI war eine der ersten NGOs, sage ich einmal, und diese NGO nehmen wir auch gerne an. Das war damals wirklich eine Premiere, und der VKI hat in Österreich sehr, sehr viel für die Konsumenten erreicht. Knapp über hundert Mitarbeiter sind beim VKI beschäftigt.

Der VKI finanziert sich zu 75 Prozent selbst – zu 75 Prozent! – über diverse Ein-nahmen, Publikationen und Ähnliches mehr. Was macht der VKI? – Der VKI gibt sehr erfolgreich seine Monatszeitschrift „Konsument“ heraus, macht zahlreiche Produkt-tests, über 50 000 persönliche, schriftliche und mündliche Beratungsgespräche, 160 juris­tische Verfahren und so weiter – das heißt, der VKI ist wirklich extrem erfolgreich im Dienste der Konsumenten.

Die letzten Jahre wurde der VKI – ich sage einmal – mutwillig finanziell ausgehungert, über Jahre hinweg. Der VKI war wirklich knapp davor, seine Aufgaben nicht mehr wahrnehmen zu können. Sie haben jetzt im Budget 1 Million € extra locker gemacht und 2017 dann noch einmal 1 Million €, aber das wird den VKI mittel- und langfristig nicht sichern, denn die Aufgabenstellungen des VKI sind heute andere als vor vielen Jahren. Die Gegnerschaft der Konsumenten und des VKI sind heute Konzerne mit einer großen Anzahl an teuren Anwälten, da kann der VKI finanziell kaum noch mithalten.

Wir als Freiheitliche haben deshalb die Idee geboren – und auch versucht, das im Ausschuss durchzubringen –, dass der VKI einen Anteil der Strafzahlungen an die Bundeswettbewerbsbehörde erhält. Unser Ansatz wäre gewesen – ich sage es hier noch einmal deutlich –, dass 25 Prozent der Strafzahlungen der VKI bekommt, 25 Prozent die Bundeswettbewerbsbehörde, und 50 Prozent können in Gottes Namen beim Justizminister bleiben.

Sie haben die Latte für sich selbst ohnehin schon sehr niedrig gelegt, Sie wollten nämlich 15 Prozent für den VKI erreichen, und sind da – wie leider auch bei vielen anderen Projekten – gescheitert, das heißt, der VKI bekommt genau null Prozent Anteil an den Strafzahlungen.

Kurz zur Erklärung: Die letzten Jahre betrugen diese Strafzahlungen zwischen 20 und 25 Millionen €, heuer sind es doch knapp 35 Millionen €. Würden wir diese Straf­zahlungen aliquot auf die Bundeswettbewerbsbehörde und auf den VKI aufteilen, dann hätten wir auch zukünftig eine schlagkräftige Organisation für die Konsumenten in Österreich.


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Man kann das jetzt relativ lang ausführen, ich möchte einfach Folgendes festhalten: Für uns als Freiheitliche funktioniert Konsumentenschutz dann, wenn es einen Wett­bewerb gibt, wenn viele Anbieter da sind. Das ist die beste Garantie für Konsumenten, dass auch das Verhältnis fair abläuft. In sehr, sehr vielen Branchen haben wir das leider nicht mehr, und das möchte ich zum Schluss noch eindeutig festhalten: Wir werden spätestens nach den nächsten Nationalratswahlen sicherstellen, dass der Konsumentenschutz in Österreich eine Bedeutung bekommt, darauf können Sie sich verlassen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

14.13


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Lueger. – Bitte.

 


14.13.29

Abgeordnete Angela Lueger (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Wurm, Sie stellen sich hier ans Rednerpult, Sie berichten von Ihrem Antrag, Sie berichten von Ihren Ideen – aber Sie haben nicht zu Ihrem Antrag geredet, denn in Ihrem Antrag steht nicht drinnen, dass Sie die Bußgelder haben wollen.

Das steht nicht in diesem Antrag drinnen, den wir auch ablehnen wollen – das war auch der Grund, warum wir gesagt haben, wir lehnen diesen Antrag ab. Wir haben beim Budget bereits darüber gesprochen, was Sie selbst auch erwähnt haben, dass es 2016 und 2017 diese Million zusätzlich gibt, das wird hoffentlich auch ins Regelbudget weiter übergehen.

Es gibt auch diese Besprechungen mit dem Justizminister die Bußgelder betreffend, dass man sagt: Untergrenze mindestens eine Million – der Minister hat uns ver­sprochen, dass er Verhandlungen aufnehmen wird. (Abg. Peter Wurm: Es kommt aber nicht!)  Wenn Sie von vornherein schon so unzufrieden damit sind, dann kann ich Ihnen leider nicht helfen. Der Grund, warum wir Ihren Antrag hier jetzt ablehnen, ist, dass wir ihn eigentlich schon beim Budget fertig behandelt haben.

Außerdem haben Sie eigentlich diese Gelegenheit hier nur dazu genutzt, zu einem Rundumschlag gegen alles andere auszuholen, bis das Lämpchen aufgeblinkt hat – aber über den VKI selbst haben Sie dann nur die letzte halbe Minute gesprochen. Es dürfte ihnen also doch nicht so wichtig sein – auch wenn Sie dann meinen, er bekommt letztendlich eine gute Bedeutung. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch-Jenewein.)

Wenn Sie das gerne so haben möchten, dann werden wir das in Zukunft im Ausschuss auch so machen: die Anträge diskutieren und dann letztendlich ablehnen. (Zwischenruf des Abg. Darmann.) Viel wichtiger ist mir aber, dass der VKI in seiner Arbeit jetzt einmal gesichert ist, und natürlich ist er auch gefordert, sich den neuen Realitäten anzupassen.

Ein zusätzlicher Aspekt, bevor es einmal zum VKI kommt, wäre für mich eigentlich eine schulische Verbraucherbildung – eine schulische Verbraucherbildung, sodass wir den VKI letztendlich vielleicht gar nicht brauchen. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Sagen Sie das halt den Parteigenossen!)

Wenn die jungen Leute – Schüler, Kinder – mit ihrem Geld nicht umgehen können oder vielleicht in Verträge hineintappen, die sie nicht wollen, denke ich, ist es eine sen­sationell gute Ergänzung, Kinder, Jugendliche und auch junge Erwachsene – und Erwachsene, denn man lernt ja bekanntlich nie aus – vorzubilden. Durch diese Vorbildung braucht man dann vielleicht die Arbeit des VKI – die gut, wichtig und richtig ist! – letztendlich in den ganzen Verhandlungen nicht mehr so stark. Ein Schwerpunkt muss die Verbraucherbildung sein. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Belakowitsch-Jenewein.)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 115

Nichtsdestotrotz kann ich Ihnen bestätigen, Herr Wurm: Der Verbraucherschutz ist uns sehr wichtig (Abg. Peter Wurm: Wo?!), der Verein für Konsumenteninformation ist uns enorm wichtig, und wir werden weiter daran arbeiten und wir vertrauen auf das Wort des Herrn Ministers, dass er mit dem Herrn Justizminister weiter verhandelt. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Peter Wurm.)

14.16


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Aslan. – Bitte.

 


14.16.33

Abgeordnete Mag. Aygül Berivan Aslan (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuschauerinnen und Zu­schauer vor den Bildschirmen zu Hause! Ich habe es das letzte Mal schon gesagt und wiederhole mich noch einmal: Österreich braucht einen starken und unabhängigen Konsumentenschutz, aus diesem Grund sind auch viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des VKI auf die Straße gegangen, um gegen den Sparkurs zu protestieren.

Es ist in Wirklichkeit traurig, dass die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, dass Bürgerin­nen und Bürger überhaupt auf die Straße gehen müssen für einen Verein, der ja enorm viel und hervorragende sozialpolitische Arbeit leistet. (Beifall bei Grünen und FPÖ sowie des Abg. Steinbichler.)

Gut, dass die Menschen nicht einfach zugeschaut haben, sage ich, gut, dass sie aufgeschrien haben. Der Protest hat natürlich auch Früchte getragen: Jetzt haben sie zumindest eine finanzielle Absicherung bis Dezember 2016. Was jedoch danach passiert, ist noch offen, das bedeutet, der VKI muss jedes Jahr rechnen, ob er überhaupt noch existieren kann oder nicht.

Ein anderes Problem betrifft die Unabhängigkeit des VKI. Ich will das insofern betonen, weil wir das auch beim VW-Skandal bemerkt haben, wo sich die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit den Interessen der Konsumentinnen und Konsumenten, die ja vom VKI vertreten wurden, vermischt haben. Die Arbeiterkammer ist ja auch Geldgeberin des VKI, und da haben wir das Problem gesehen, dass natürlich der VKI schon den Druck gespürt hat, die Rechte und die Vertretung der Konsumentinnen und Konsumenten sozusagen in diesem Sinne nicht wahrzunehmen.

Ich denke, es ist sehr leicht machbar, die Unabhängigkeit des VKI zu sichern, indem da eine gescheite Zweckwidmung stattfindet. Mit einer kurzfristigen Budgetpolitik sozu­sagen den VKI an der Leine zu halten, lässt jedoch fast den Verdacht aufkommen, dass man den VKI einfach systematisch mit der Zeit schwächen will.

Ich appelliere noch einmal an die Bundesregierung, nach finanziell nachhaltigen Lösungen zu suchen und stark zu einem unabhängigen Konsumentenschutz zu stehen. – Danke sehr. (Beifall bei den Grünen.)

14.19


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Fichtinger. – Bitte.

 


14.19.25

Abgeordnete Angela Fichtinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Kollegen! Sehr geehrte Zuschauer vor den Fernsehschirmen! Herr Kollege Peter Wurm hat es ja schon ausgeführt, das kann man nur bestätigen: Der Verein für Konsumenteninformation ist ein wichtiges Instrument, das die Konsumenten informiert. (Abg. Peter Wurm: Freut mich, wenn die ÖVP das auch so sieht!) – Ja, es ist so!


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Der VKI informiert sie über alles, das notwendig ist, über alles, das sie wissen müssen. Er hilft, wenn es Probleme gibt – ob das Rechnungsprobleme sind, Vertragsprobleme oder Probleme im Versicherungs- oder Bankenbereich. Die Konsumenten wissen, wo sie hingehen können, wo die Fragen beantwortet werden. Danke an alle Mitarbeiterin­nen und Mitarbeiter, die dort arbeiten und diese Arbeit immer wieder gut bewältigen!

Im Ausschuss ist auch über die Finanzierung diskutiert worden. Wir wissen, dass die Basissubvention aus dem Ministerium kommt, und wir wissen auch, dass in Zukunft sicherlich Überlegungen notwendig sein werden.

Der Bereich Konsumentenschutz bietet eine große Vielfalt, aber auch große Heraus­forderungen. Ich appelliere deshalb auch, diese Herausforderungen nicht zum Wech­seln von politischem Kleingeld zu verwenden, sondern sich wirklich aktiv zu beteiligen und immer wieder die bestmöglichen Lösungen für unsere Konsumenten und Konsu­mentinnen zu finden.

Herr Kollege Wurm, ich darf noch auf einen Punkt kommen, auch wenn er jetzt noch nicht Thema ist: Später wird es noch um den Gebührenstopp gehen, und da ich selbst Bürgermeisterin und daher angesprochen bin, muss ich das einfach erwähnen.

Ich sage es noch einmal: Es ist unverantwortlich, den Gemeinden zu sagen, sie sollen die Gebühren stoppen. Überlegen wir uns, was eine Gemeinde leistet: Kanal, Wasser, Winterdienst, Schulbau und -betreuung, das Rote Kreuz. Die Gemeinde ist verant­wortlich für alles, das rundherum notwendig ist. Es sind also sehr viele Gebühren, die übernommen werden, damit für den Bürger und den Konsumenten alles gesichert ist. (Zwischenruf des Abg. Peter Wurm. – Abg. Belakowitsch-Jenewein: Es geht um die Erhöhung!)

Wenn das nicht mehr sein würde, wäre eine Gemeinde in zwei, drei, maximal vier Jahren kaputt. Ich denke, das wollen wir alle nicht, denn die Gemeinden sind die großen Auftraggeber und beleben auch die Wirtschaft. Letzten Endes sind wir alle davon abhängig. Damit eine Gemeinde gut funktionieren kann, ist das einfach notwen­dig. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.22


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Bundesminister Hundstorfer zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.

 


14.22.12

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Herr Präsident! Meine werten Damen und Herren! Nur zur Klarstellung: Der VKI ist über das Jahr 2016 hinaus abgesichert, denn diese Basissubvention ist ja unbefristet. Gleichzeitig gibt es natürlich weiterhin Verhandlungen mit dem Justizressort. Das ist ja gar keine Frage.

Ich möchte aber noch einmal feststellen, dass die Einladung zu Konsumenten­schutz­ausschüssen nicht der Minister steuert, sondern Sie. (Abg. Peter Wurm: Ich habe Ihnen nichts vorgeworfen!) – Ich sage es nur. Sie steuern das. Ich bin nicht der, der steuert, ich bin nur der, der zu erscheinen hat, wenn Sie mich einladen. Das möchte ich klarstellen.

Ich möchte noch um etwas bitten: Wenn Sie alle mit der tollen Zeitung „Konsument“ so zufrieden sind – das ist nämlich wirklich eine tolle Zeitung –, dann hätten wir mehr Abos. Das sage ich noch dazu, denn eines der Probleme des VKI ist der mangelnde Kauf des „Konsumenten“. Wenn wir nicht die Arbeiterkammer Tirol hätten, die die Zeitung für alle Tiroler automatisch einkauft und sie ihnen zuschickt, dann würde es relativ schlecht ausschauen. Ich möchte das nur klarstellen. Ich kann nur bitten und ersuchen: Werben … (Abg. Tamandl: Ein schwarzer Präsident!) – Ja, das ist ja schwer


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in Ordnung, der Herr Präsident Zangerl ist in dieser Frage äußerst zu schätzen. Das ist ja nicht das Thema. (Abg. Peter Wurm: Ein ÖVP-Mann!)

Ich möchte nur klarstellen: Wenn es uns allen so wichtig ist, dann bemühen wir uns, dass wir alle gemeinsam mehr Abos verkaufen können! – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

14.23


Präsident Ing. Norbert Hofer: Ich schließe mich dieser Bitte an und bitte Herrn Abgeordneten Steinbichler zum Rednerpult. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Zwischenrufe der Abgeordneten Holzinger-Vogtenhuber und Belakowitsch-Jenewein in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Steinbichler. – Abg. Steinbichler  auf dem Weg zum Rednerpult –: Das muss sein! – Bundesminister Hundstorfer: Heute kriegen wir Butter! – Abg. Steinbichler stellt eine Tafel auf das Rednerpult, auf der ein Containerschiff zu sehen ist, und legt eine Packung Margarine auf dem Rednerpult ab.)

 


14.24.11

Abgeordneter Leopold Steinbichler (STRONACH): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Herzlichen Dank für deinen positiven Vorschlag! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseher auf der Tribüne und vor den Fernsehgeräten! (Abg. Walter Rosenkranz: Warum sind da so viele rote Container und so wenig blaue drauf?)

Ich darf mich Peter Wurm anschließen. Herr Minister, ich denke, man spürt das auch bei allen Kolleginnen und Kollegen: Wir sollten es eigentlich schaffen, dass der Aus­schuss für Konsumentenschutz einer der wichtigsten, wenn nicht überhaupt der wichtigste Ausschuss in diesem Haus wird! Warum? – Ich möchte das begründen: Von der Geburt, von der Wiege über das tägliche Leben, das Arbeitsleben, das Freizeitleben bis hin zur Pension und zur Pflege besprechen wir in diesem Ausschuss alle Themen. Wir sehen das auch heute auf der Tagesordnung. Alle Themen von Gebührenstopp über Heizkostenzuschüsse bis hin zu Bank-Überziehungszinsen werden behandelt.

Ich bin besonders stolz darauf und habe einige Beispiele mitgenommen, die bestätigen, dass großer Handlungsbedarf da ist.

Warum habe ich wieder das berühmte Fährschiff mitgenommen? – Zurzeit steht die Klimakonferenz in Paris im Finale. Die wie vielte ist das seit 1978? Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass wir da endlich einmal Ergebnisse verlangen müssen, die auch eingehalten werden und Wirkung zeigen. Wie bei so vielen Beispielen ist es möglich, wirksame Sofortmaßnahmen zu setzen, die nichts kosten und sofort etwas bringen.

Jeder dieser Container auf diesem Schiff (auf die Tafel am Rednerpult zeigend) begegnet uns auf der Autobahn auf einem Sattelzug. Wir haben einen wahnsinnigen Schwerverkehr. Ich war am Dienstag in München – da war kein Feiertag –, und es ist gewaltig, wie viele Waren auf der Straße sind. Ich werde in einem der nächsten Kon­sumentenschutzausschüsse ein Beispiel bringen, anhand dessen wir sehen werden, was alleine bei dem kleinen Warenbereich Kalbfleisch im Hinblick auf internationalen Verkehr, Konsumententäuschung und letztlich auf Regenwaldhandel – in der Marga­rine, die ich später ansprechen werde, ist Palmfett drinnen, das das wahre Milchfett ersetzt – geschieht.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich denke an die aktuellen Wildwochen. Dreieinhalb Millionen Tonnen Wildfleisch im Ganzen werden nach Österreich impor­tiert. Wir haben überall die Plakate: Wild aus heimischen Revieren. Das entspricht in etwa 50 000 importierten Hirschen, zum Großteil aus neuseeländischer Gatterhaltung,


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die gemästet werden. Diese Hirsche kommen dann als Wild auf die Teller. Wir sprechen da nicht von Wildpasteten, die dazukommen. Wir sprechen da nicht von Teilstücken. Ich sage immer: Wenn man in jedem Gasthof Hirschbeiried bekommt, dann muss es in Österreich irgendwo einen Hirsch geben, der 36 Kilometer lang ist. (Beifall beim Team Stronach. – Abg. Vogl: Und zum VKI?) – Jetzt komme ich zum VKI, Herr Kollege! Danke, das war zum richtigen Zeitpunkt, du hast offensichtlich mitge­dacht.

Schau her (eine Packung Margarine in die Höhe haltend)! Dieses Biogütesiegel habe ich das letzte Mal auch gezeigt – zertifiziert mit österreichischem Biogütesiegel, Qualität aus Österreich. Ich habe das an den VKI weitergeleitet. Warum? – Weil dasselbe Gütesiegel bei uns in der Cafeteria auf der Speisekarte ist (eine Speisekarte in die Höhe haltend), mit derselben Zertifizierungsnummer. Und wie es der Herrgott so wünscht, treffe ich gestern die Küchenhilfe, wie sie mit dem benützten Geschirr wegfährt. Sie hat auch die Kartoffelkroketten, die es zum Mittagsmenü gegeben hat, am Wagerl, und ich sage: Darf ich schauen? – Ja, selbstverständlich, sagt sie. Dann haben wir geschaut.

Wissen Sie, was in den Kartoffelkroketten der Parlamentscafeteria mit österreichi­schem Qualitäts-Biogütesiegel drinnen ist? Bei Gott, wir haben in Eferding so viele Erdäpfel! Wir haben die „Eferdinger Landl-Erdäpfel“ in bester Qualität. Wir haben im Vorjahr einen Supermarkt kritisiert, weil zu dem Zeitpunkt, als wir ausreichend Eferdin­ger Erdäpfel gehabt haben, äthiopische Erdäpfel nach Österreich importiert worden sind – sind ja nur 12 000 Kilometer. Aber wir haben auch in der Parlamentscafeteria unter dem österreichischen Biogütesiegel einen holländischen Lieferanten: Aviko (ein Schild mit dem Logo der genannten Firma in die Höhe haltend).

Geschätzte Freunde, warum hat das etwas mit dem Klimagipfel in Paris zu tun? (Abg. Vogl: Und mit dem VKI?) Ist es notwendig, dass man alleine bei den Kartoffeln die fünffache Kilometerstrecke zurücklegt? Wien–Eferding sind 200 Kilometer, Wien–Holland sind 1 150. (Beifall beim Team Stronach.) Ist das notwendig? Ist das Klima­schutz? Kostet es Geld, wenn wir diesen Wahnsinn unterbinden? Kostet es Geld, oder ist das eine Sofortmaßnahme, die hilft? (Abg. Strolz: Wie löst man das dann?)

Das ist das Wesentliche, und deshalb herzlichen Dank dem VKI! Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wurde bereits gedankt. Ich möchte mich diesem Dank anschließen, es ist großartig. Sie haben bereits mit … (Abg. Strolz: Wie löst man das dann?) – Lieber Kollege Strolz, die haben sich bereits mit diesem Biogütesiegel beschäftigt.

Ich lese nur einen Absatz von der Firma Senna zum „Bio-Austria Gütezeichen“ in Wien vor:

„(…) dabei nicht um ein Gütezeichen handelt und auch kein Bezug auf eine allfällige Herkunft besteht. Vielmehr ist dieses Zeichen das Signet der Austria Bio Garantie GmbH, der österreichweit führenden Zertifizierungsgesellschaft für Bioprodukte. Gemäß den Vertragsbestimmungen der Austria Biogarantie darf dieses Logo für alle von Austria Biogarantie GmbH zertifizierten Produkte, unabhängig von deren Herkunft, verwendet werden.“

So, Freunde, jetzt sind wir dort! (Abg. Auer: Ja! Was sagt denn da der …?) – Da können wir extra fragen. Aber jetzt sind wir dort, Herr Kollege Auer. Wisst ihr, wie viele Leute bei der Austria Bio Garantie GmbH arbeiten? Da arbeiten 80 Leute! Ich habe gleich einen Vorschlag! Die geben wir sofort zum VKI, die brauchen Unterstützung. Ich verstehe es, wenn die Austria Bio Garantie GmbH in Enzersfeld in Niederösterreich und in Lebring bei Graz eine Niederlassung hat. Aber warum hat sie Niederlassungen in Rumänien, in Kroatien, in Bulgarien? – Ah, Bio International! Bio passt überall, außerdem sagt es nichts über die Herkunft.


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Deshalb, lieber Kollege Auer, sage ich: Wir kontrollieren nicht die Kühlschränke, wir kontrollieren die industrielle Verarbeitung, wir kontrollieren die Kennzeichnung. Ich denke, das ist ganz wesentlich. Deshalb darf ich dann einen Entschließungsantrag betreffend Qualitätsgütesiegel-Gesetz einbringen. Ich bitte alle hier Anwesenden in allen zuständigen Ausschüssen um Unterstützung dafür, denn dieser Missstand zeigt, dass es dringend notwendig ist, dass wir etwas tun.

Ich möchte noch einen kleinen Hinweis zum ORF anbringen: Dass der Dokumentarfilm „The True Cost“ am Sonntag um 23.10 Uhr gesendet wird, entspricht nicht dem Bildungsauftrag des ORF. (Der Redner stellt eine Tafel auf das Rednerpult, auf der eine Szene aus dem genannten Film zu sehen ist.) Wir müssen uns seit 30 Jahren am Sonntag im Hauptabendprogramm „Tatort“ anschauen. Ich meine, das genügt. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch-Jenewein.) Jetzt können wir schon Doku-Sen­dungen vorziehen! Wer diesen Film gesehen hat, kann nicht mehr schlafen. Was mit diesen indischen Wanderarbeiterinnen und Wandernäherinnen in den indischen Leder­fabriken und bei den indischen Baumwollbauern passiert, das ist ein Skandal, und wir verursachen diesen Skandal mit.

Kolleginnen und Kollegen! Deshalb brauchen wir eine faire Kennzeichnung. Wo Österreich draufsteht, muss auch Österreich drinnen sein. Beschließen wird endlich dieses Qualitätsgütesiegel-Gesetz, das seit 2009 vertagt wird! Räumen wir den Sau­stall zu Hause auf! Helfen wir alle zusammen, er ist groß genug!

Herr Minister! Ich denke, wir können diesen Ausschuss noch vor den Wahlen 2018 zum wichtigsten erheben.

Deshalb bringen wir betreffend Einführung des Qualitätsgütesiegel-Gesetzes folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Steinbichler, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Qualitätsgüte­siegel-Gesetz“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt- und Wasserwirtschaft, wird aufgefordert, in Einvernehmen mit den in der gegenständlichen Angelegenheit relevan­ten Ressorts dem Nationalrat einen Gesetzesentwurf vorzulegen, der geeignet ist, die Einführung eines rechtlich verbindlichen, einheitlichen Qualitätssiegels für alle in Österreich angebotenen Lebensmittel zu ermöglichen.“

*****

Ich bitte alle um ehrliche, aufrichtige Unterstützung. – Danke. (Beifall beim Team Stronach und der FPÖ.)

14.33


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Antrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht daher mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Steinbichler, Kolleginnen und Kollegen


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betreffend „Qualitätsgütesiegel-Gesetz“

Eingebracht in der 109. Sitzung des Nationalrats am 10.12.2015 im Zuge der Debatte zum Bericht des Ausschusses für Konsumentenschutz über den Antrag 1376/A(E) der Abgeordneten Leopold Steinbichler, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sicherstellung der VKI-Finanzierung“ (914 d.B.)

Wie in der Presse vom 14.02.2015 berichtet, hat der Verein für Konsumenten­infor­mation (VKI) einen Leitfaden mit 105 verschiedenen Gütezeichen veröffentlicht und analysiert. Auf Grund der aktuellen finanziellen Situation des VKI ist allerdings zu befürchten, dass in der Zukunft derartige Berichte nicht mehr möglich sind, da solche Studien aufwendig und kostspielig sind.

Die Arbeit für den VKI ist wichtig für die Vorbereitung für das Gütesiegel-Gesetz, welches dringend notwendig ist. Die hohe Anzahl der Gütezeichen im Bericht bestätigt unser Anliegen ein einheitliches System zu schaffen – sprich ein Gütesiegel für alle Produkte.

Seit Jahren wird die Realisierung und rechtliche Verbindlichkeit eines einheitlichen Gütesiegels für die Lebensmittelkennzeichnung in Österreich diskutiert. In Österreich sind Produktion und Handel von Nahrungsmittel durch eine Vielzahl von Vermerken, Aufdrucken, Gütesiegel, Biosiegel und anderer rechtlich nicht einheitlich geregelter Kenn­zeich­nungen geprägt. Die Konsumenten sehen sich einer Kennzeichnungs­inflation ausgeliefert, die statt Anleitung zum sicheren Einkauf von Lebensmittel Verwirrung und Unsicherheit stiftet. Verarbeiter und Endverbraucher können nicht 100%ig sicher gehen, woher die von ihnen bezogenen Lebensmittel tatsächlich stammen, wie und wo sie verarbeitet wurden und unter welchen Bedingungen die Auf­zucht bzw. der Anbau erfolgt ist. Die in Österreich kursierenden Kennzeichnungen sind untereinander nicht vergleichbar und haben damit für die Konsumenten keine Aussagekraft über tatsächliche Qualität und fairen Preis der angebotenen Produkte.

Und auch bei so Alltäglichem wie Kartoffel gibt es negative Beispiele. Im Frühjahr bot eine renommierte österreichische Supermarktkette heurige Kartoffel aus Ägypten an, obwohl zu diesem Zeitpunkt mit der Sorte „Eferdinger Landl“ ausreichend inländische Kartoffel höchster Qualität vorhanden waren. Solche Vorgehensweisen führen dazu, dass heimische Ware nicht konkurrenzfähig angeboten werden kann und vernichtet wird. Ausländische Ware ist trotz tausender, klimaschädigender Transportkilometer und fehlender Umweltstandards sowie fragwürdiger Produktionsweisen (Kinderarbeit etc.) in Österreich billiger zu haben, als die heimische Qualitätsproduktion vor Ort. Den österreichischen Konsumenten wird dabei tunlichst verheimlicht, wieviel Klimaschädi­gung und soziales Leid mit dem Angebot solcher Produkte verursacht wird. Solche Beispiele ließen sich für alle Bereiche der Lebensmittelproduktion fortsetzten.

Wir brauchen daher eine rechtlich verbindliche Regelung, die garantiert, dass auf allen angebotenen Lebensmitteln wo Österreich drauf steht, auch Österreich drinnen ist. Es muss Schluss sein mit Produkten, die sich als „österreichisch“ ausgeben dürfen, obwohl lediglich die Schlachtung bzw. die Verpackung in Österreich erfolgt. Österreich braucht ein transparentes Qualitätsgütesiegel-Gesetz für alle in Österreich angebo­tenen Lebensmittel, das Herkunft, Erzeugungsart, Verarbeitung, Transport und Lage­rung ausweist, um den Konsumenten den fairen Vergleich von Qualität und Preis zu ermöglichen. Nur so kann den österreichischen Konsumenten Lebensmittelwahrheit garantiert werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachstehenden


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Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt- und Wasserwirtschaft, wird aufgefordert, in Einvernehmen mit den in der gegenständlichen Angelegenheit relevan­ten Ressorts dem Nationalrat einen Gesetzesentwurf vorzulegen, der geeignet ist, die Einführung eines rechtlich verbindlichen, einheitlichen Qualitätssiegels für alle in Öster­reich angebotenen Lebensmittel zu ermöglichen.“

*****

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Ing. Vogl. – Bitte.

 


14.33.08

Abgeordneter Ing. Markus Vogl (SPÖ): Meine Damen und Herren, ich werde mich bemühen, wieder ein bisschen mehr auf den Verein für Konsumenteninformation einzugehen. Ich denke, in den Vorreden ist schon deutlich geworden, wie wichtig dieser Verein für den Konsumentenschutz in Österreich ist. Sehr erfreulich ist, dass es uns gelungen ist, die Finanzierung für 2016 und 2017 zu sichern. Der Minister hat das schon aufgezeigt. Es ist aber auch wichtig, sich über die Zukunft und die zukünftige Finanzierung des Vereins und wie sie richtig erfolgen soll Gedanken zu machen. Auch das ist bereits richtig aufgezeigt worden.

Kollegin Aslan hat ganz richtig aufgezeigt, dass es beim Verein für Konsumenten­infor­mation wichtig ist, dass die Unabhängigkeit dieser Institution auch in Zukunft gewahrt ist. Darum ist es auch wichtig, woher die Mittel kommen. Der Verein für Konsumenten­information verfügt derzeit über rund 10 Millionen € im Jahr. Davon wird etwas mehr als die Hälfte für Personalkosten aufgewendet.

Wir wissen, dass eines der Probleme, die entstanden sind, daraus resultiert, dass die Wirtschaftskammer und die Landwirtschaftskammer Ende 2014 ihren Vertrag aus­laufen haben lassen. Dadurch ist sozusagen einer der Financiers ausgefallen. (Abg. Peter Wurm: Da ist die ÖVP schuld, oder wie?) Kollege Wurm, es geht nicht um Schuldzuweisungen. Es geht darum, dass wir diskutieren, wie ein Verein für Konsu­men­teninformation, an den wir die gemeinsame Forderung haben, dass er unabhängig sein soll, in der Finanzierung aufgestellt sein sollte: Soll diese Finanzierung rein seitens des Staates erfolgen, oder wollen wir eine breitere Finanzierung?

Aus meiner Sicht wäre es sinnvoll, wieder zu versuchen, eine breitere Finanzierung zu erreichen. Arbeiterkammer und ÖGB sind auf der einen Seite dabei. Wir kennen das Problem, dass die Beiträge seit Jahren oft nicht im Ausmaß der Inflationsrate erhöht worden sind. Wir sollten aus meiner Sicht versuchen, wieder mehr Partner mit ins Boot zu bekommen, was die Finanzierung betrifft. Das wäre auch gut für die Glaubwür­digkeit des VKI.

Das zweite große Problem des VKI liegt im geänderten Verhalten der Konsumentinnen und Konsumenten selbst. Das hat der Minister bereits angesprochen. Immer weniger Menschen greifen zur Zeitung, und eine der Haupteinnahmequellen des VKI ist die Zeitschrift „Konsument“. Immer mehr Konsumentinnen und Konsumenten informieren sich im Internet über Vergleichsstudien und Bewertungen. Wir sehen, dass die KonsumentInnen kaum bereit sind, Geld für diese Serviceleistungen zu bezahlen. Das ist auch ein Hauptproblem des VKI.

Darum sollten wir diese zwei Jahre nützen, um die Finanzierung des VKI auf neue Beine zu stellen. Die Probleme liegen nicht auf einer Seite, weil ein Financier ausge-


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fallen ist, sondern wir haben ein breites Spektrum an Themenfeldern, die wir behandeln sollten. Das heißt: Wie können wir den VKI langfristig finanziell absichern, sodass die Unabhängigkeit gewahrt bleibt – sprich: sodass er planbare Einnahmen generiert? Wir haben jetzt zwei Jahre Zeit, eine Lösung zu finden. Ich bin davon überzeugt, dass wir diese Zeit gut nutzen werden, um wirklich eine vernünftige Lösung im Sinne der Konsumentinnen und Konsumenten und – wie Sie es auch richtig angesprochen haben – im Sinne der Beschäftigten zu finden. (Beifall bei der SPÖ.)

14.36


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Doppler. – Bitte. (Ruf bei der SPÖ: Bitte sachlich! – Abg. Doppler – auf dem Weg zum Rednerpult –: Ich bin immer sachlich!)

 


14.36.00

Abgeordneter Rupert Doppler (ohne Klubzugehörigkeit): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Sicherstellung der VKI-Finanzierung ist eine wichtige und richtige Angelegenheit. Das haben wir heute schon mehrmals gehört.

Herr Minister, 2 Millionen € sind zusätzlich unbedingt notwendig, um den Betrieb des Vereins für Konsumenteninformation einigermaßen aufrechtzuerhalten. Verhängte Bußgelder sind auch nicht dem VKI zugekommen, obwohl das sogar im Regierungs­programm 2013 so festgeschrieben ist.

Die zahlreichen Bewertungen im Internet sind zweifelsohne eine neue Herausforde­rung für den VKI.

Das Gesamtbudget der Verbraucherorganisation beträgt im Jahr zirka 10 Millionen €. Das haben wir gerade von meinem Vorredner gehört. 2014 wurden insgesamt 30 Mil­lio­nen € erstritten. 85 Prozent der abgeschlossenen Verfahren wurden im Sinne der Konsumentinnen und Konsumenten entschieden. Ich denke, dieses Ergebnis kann sich sehen lassen.

Herr Minister, setzen wir alles daran, um den Konsumentenschutz in dieser Form für die Bevölkerung aufrechtzuerhalten! – Herzlichen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

14.37


Präsident Ing. Norbert Hofer: Frau Abgeordnete Holzinger-Vogtenhuber gelangt zu Wort. – Bitte.

 


14.37.00

Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA (SPÖ): Herr Präsident! Ge­schätzte Bürgerinnen und Bürger, die via Fernsehen oder Internet dabei sind! Sehr geehrte Gäste! Liebe KollegInnen! Wie wir schon gehört haben, ist mit der Gründung des VKI im Jahre 1961 auf Initiative der Sozialpartner eine wirklich wichtige Einrichtung ins Leben gerufen worden, die auch Weitblick gezeigt hat.

Kurz zum VKI und der Palette an Initiativen, die von diesem geleistet werden: Rund 30 Millionen € sind allein im Jahr 2014 vom VKI für falsche Zinsberechnungen erkämpft worden. Es gab eine Rückerstattung von zu Unrecht bezahlten Beiträgen im Rahmen von Zusatzgebühren für Zahlungen per Zahlschein. Für VerbraucherInnen sind rund 66 Millionen € durch die Initiative Energiekosten-Stop eingespart worden. Es werden Preisvergleiche, Warentests, KonsumentInnenberatungen, Rechtsauskünfte und vieles mehr angeboten. Diese ganze Palette zeigt, wie enorm wichtig diese Einrichtung ist und wie wichtig die Initiative ist, diese zu unterstützen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 123

Schade finde ich natürlich, wie auch der Kollege bereits erwähnt hat, dass die Mit­gliedschaften und Mitgliedsbeiträge der Landwirtschaftskammer und der Wirtschafts­kam­mer an den VKI 2014 eingestellt worden sind. Mich hat es dann aber nicht mehr so sehr gewundert, als ich am vergangenen Sonntag die Sendung „Hohes Haus“ gesehen habe und das Interview mit Kollegin Fichtinger hören durfte. Auf die Frage, ob der Verein für Konsumenteninformation zu unbequem geworden sei, ist dann die Antwort gekommen, man müsse natürlich schon schauen, dass die Wirtschaftsbetriebe nicht so viele Probleme bekommen, da müsse man auch immer die andere Seite sehen. Das alleine hat mir den Grund gezeigt, warum zum Beispiel die Wirtschaftskammer und die Landwirtschaftskammer als Mitglieder ausgetreten sind.

Trotz allem ist unsere Initiative und unsere Stoßrichtung, den VKI unabhängig zu finanzieren und eine nachhaltige Dotierung und nachhaltige Finanzierung durch den Bund zur Verfügung zu stellen. Das wird auch gemacht und ist auch vor zwei Wochen so im Budget beschlossen worden. Es gibt eine Basisförderung von 1,6 Millionen € und eine Zusatzförderung von 1 Million € für die nächsten zwei Jahre. Diese zusätzlichen Beiträge werden dann noch durch höhere Beitragszahlungen der Sozialversicherungs­träger und eine Aufstockung der Mittel durch die Arbeiterkammer ergänzt.

Für die Jahre nach 2017 ist aber eine Zweckbindung eines Teiles der Strafen und Bußgelder aus meiner Sicht unerlässlich, um eine nachhaltige und langfristige Finan­zierung gewährleisten zu können.

Es liegt im Zuständigkeitsbereich des Justizministers, eine Novelle des Kartellgesetzes vorzulegen. Das steht auch so im Regierungsübereinkommen. Und nur dann, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist eine nachhaltige und langfristige Finanzierung des unabhängigen VKI gewährleistet. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

14.40


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Peter Wurm. – Bitte.

 


14.40.18

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Frau Kollegin Lueger, zwei Dinge ganz kurz. Erstens: Sie sind Konsumentenschutzsprecherin der SPÖ. Ich habe Sie vorhin gefragt, ob Sie hier referieren könnten, was in den letzten Jahren die Leistung der Sozialdemokratie zum Konsumentenschutz war. Sie haben dazu genau gar nichts gesagt. (Abg. Heinzl: Das haben Sie falsch verstanden! – Zwischenruf der Abg. Lueger.) Das ist bezeichnend, weil eben nichts passiert ist.

Zweitens: Frau Kollegin Lueger, Sie haben kritisiert, dass unser Antrag zu unkonkret ist. Für die, die es nicht wissen, muss man es vielleicht erklären: Bei so einem Ent­schließungsantrag bietet man der Regierung normalerweise an, ein Thema zu lösen, und fixiert nicht alle Regeln. Ich mache es aber anders: Da Sie eindeutig gesagt haben, Sie würden einen Vorschlag, der konkret ist, unterstützen, werden wir einen Antrag einbringen, dass 25 Prozent der Bußgelder an den VKI gehen und 25 Prozent der Bußgelder an die Bundeswettbewerbsbehörde. Und ich werde Sie daran erinnern, was Sie davor versprochen haben, dass Sie diesem Antrag dann zustimmen werden. – Danke. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Abg. Kuntzl.)

14.41

14.41.10

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 124

Wir kommen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vor­nehme.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 18: Antrag des Aus­schusses für Konsumentenschutz, seinen Bericht 913 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 19: Antrag des Aus­schus­ses für Konsumentenschutz, seinen Bericht 914 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Steinbichler, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Qualitätsgütesiegel-Gesetz“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist abgelehnt.

14.42.2720. Punkt

Bericht des Ausschusses für Konsumentenschutz über den Antrag 665/A(E) der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend gesetzliche Deckelung der Bank-Überziehungszinsen (915 d.B.)

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen nun zum 20. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zum Wort gemeldet hat sich der Antragsteller, Herr Abgeordneter Peter Wurm. – Bitte.

 


14.42.52

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Ja, hier hätten wir – Frau Lueger, bitte aufpassen! – eine konkrete Maßnahme für Konsumenten, und zwar die Deckelung der Überziehungszinsen. Ich kann es vielleicht kurz erklären, sehr kompliziert ist es nicht.

Wir alle wissen: Es gibt in Österreich leider Gottes Hunderttausende Menschen, die ihr Konto von Fall zu Fall, von Monat zu Monat oder teilweise längerfristig überziehen müssen. Und die machen das ja bitte nicht, weil es so lustig ist, sondern weil die Lebenshaltungskosten zu hoch sind, weil das Einkommen zu gering ist oder weil eine Arbeitslosigkeit gerade eingetreten ist oder weil die Waschmaschine kaputt ist oder die Kinder Ausrüstung oder Kleidung brauchen oder was auch immer. Das heißt, die Leute machen ja das nicht freiwillig, dass sie ihr Konto überziehen müssen. Hunderttausende Österreicher betrifft das. Das ist an sich nichts Neues.

Welche Situation haben wir derzeit? – Die Überziehungszinsen und die Sollzinsen betragen zwischen 12 Prozent und 15 Prozent. Das hat im Übrigen auch der VKI so bestätigt, auch die Arbeiterkammer. Ich glaube, das können wir als gegeben betrach­ten. Und jetzt muss man schon einmal erklären: Die Banken verlangen Überziehungs­zinsen zwischen 12 Prozent und 15 Prozent. Was zahlen die Banken selbst für ihre Finanzierung? – Nahezu gar nichts. (Abg. Loacker: Sie wissen nicht, was Überzie­hungszinsen sind!)

Und da ist meiner Meinung nach der Punkt erreicht, wo die Banken an einer Not­situation einer breiten Bevölkerungsgruppe wirklich, ich sage es bewusst, unanstän-


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dige Spannen verlangen und die Notsituation von Österreicherinnen und Österreichern ausnützen. Und das kann man so nicht stehen lassen. (Beifall bei der FPÖ.)

Um das ein bisschen plausibel zu machen – die ÖVP sollte gut aufpassen –: Wir sprechen hier wirklich von Spannen von – bitte aufpassen! – bis zu 20 000 Prozent! Um das ein bisschen plastisch zu machen, kann ich es Ihnen auch anhand eines einfachen Beispiels noch einmal erklären: Nehmen wir 1 Million € her. Das heißt, wenn eine Bank in Österreich sich 1 Million € bei der Nationalbank oder der EZB finanziert, dann kostet das die Bank übers Jahr gesehen zirka 500 €. 1 Million € finanziert von der EZB kostet eine Bank 500 € im Jahr.

Jetzt schätzen Sie einmal oder rechnen Sie hoch – wir werden ja ein paar haben, die gut kopfrechnen können –, was die Bank, wenn sie diese Million in Form von Überziehungen an Kunden vergibt, in diesem Jahr an Überziehungszinsen verdient! Schätzen Sie einmal! – Ich kann es Ihnen genau sagen: Die Bank verdient daran 132 000 €. 500 € Einsatz – 132 000 € Nutzen, Gewinn daraus! Diese Rechnung hat auch der VKI aufgestellt. Hier sieht man auch, wie wichtig der VKI ist. Aber das muss man sich einmal vorstellen: 500 € Einsatz – 132 000 € Profit für die Banken! (Abg. Loacker: Sie haben von Bankbilanz keine Ahnung! Sie wissen nicht …! Keine Ahnung!)

Noch einmal: Seit zwei Jahren versuchen wir Freiheitlichen, bei den Überziehungs­zinsen einen Deckel einzuziehen. Das heißt, die Bank kann durchaus profitieren, das ist ja ihr Geschäft, wir haben einen freien Wettbewerb, freien Markt, kein Thema – aber bitte keine Wucherzinsen! Unser Vorschlag, der ganz konkret vorliegt, ist, einen Deckel einzuziehen, damit die Menschen in Österreich nicht 12, 14, 15 Prozent Zinsen zahlen müssen, sondern in Gottes Namen vielleicht 3 oder 5 Prozent Zinsen.

Was ich schon sagen muss, Herr Minister Hundstorfer: Sie haben das immer abge­lehnt, Sie haben gesagt, Sie führen Gespräche mit den Banken, das ist alles ganz schwierig, Sie können keinen zwingen. Und jetzt haben wir den Zielpunkt-Fall. Und jetzt plötzlich bei den 3 000 Zielpunkt-Mitarbeitern – wir haben es heute Vormittag gehört – wird dem Minister klar: Hoppala, da haben wir ein Problem! Plötzlich haben 3 000 Mitarbeiter kein Geld auf dem Konto und fallen in dieses Überziehungsthema hinein. Und jetzt plötzlich ruft der Minister die vier Großbanken in Österreich an und sagt: Du, schönen Gruß, ich bin der Rudi! Bitte für die 3 000 Mitarbeiter keine Soll­zinsen verlangen! (Zwischenruf des Abg. Prinz. – Abg. Tamandl: Das ist ja auch eine Sondersituation! – Rufe und Gegenrufe zwischen den Abgeordneten Kucharowits und Belakowitsch-Jenewein.) Die vier Banken machen das für den Herrn Minister. Nur, ich frage mich schon: Was ist mit den anderen Österreicherinnen und Österreichern, die auch ihre Arbeit verloren haben oder dieses Sollzinsenproblem haben? (Abg. Tamandl: Da geht’s um Leute, die gar keine Zinsen zahlen!)

Uns geht es darum, hier eine Regelung zu erzielen, und ich verstehe bis heute nicht – bei der ÖVP vielleicht noch ein bisschen –, warum die SPÖ hier nicht mitmacht und diesen äußerst sinnvollen und durchaus regulären Vorschlag unsererseits unterstützt. Und da sage ich Ihnen schon, Herr Minister: Schande über Sie und Schande über die SPÖ! – Danke. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Prinz: Ein bisserl mehr Respekt wäre hie und da angebracht! – Abg. Peter Wurm: Was war da respektlos?)

14.47


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Bacher. – Bitte.

 


14.47.57

Abgeordneter Walter Bacher (SPÖ): Herr Kollege Wurm, das Wort „Schande“ in den Mund zu nehmen, muss, glaube ich, nicht unbedingt sein. Ich glaube, dass Über­zie-


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hungszinsen eine sehr große Belastung für die Menschen in Österreich sind. (Beifall bei der SPÖ.) Das steht außer Streit. Darüber sind wir uns einig, und darüber müssen wir nicht länger diskutieren. Wir haben das Thema ja hier schon öfter gehabt, die Rechtslage hat sich inzwischen aber nicht geändert. Deshalb muss man den vorlie­genden Antrag nicht zuletzt wegen der Gewerbefreiheit und auch wegen Basel III ablehnen.

Meiner Ansicht nach stellt sich die Frage: Welche Rahmenbedingungen können wir schaffen, damit die Menschen gar nicht erst in die schwierige Lage kommen, ihr Konto überziehen zu müssen? Was können wir hier beitragen, damit die Menschen so viel auf dem Konto haben, dass sie sich ihr Leben leisten können, ohne überziehen zu müssen? Die Lohnsteuerreform ist ein erster Schritt dazu. Ab 1. Jänner 2016 haben unsere Leute mehr Geld im Börsel.

Ein anderer Zugang ist, dass die Menschen für ihre Arbeit entsprechend bezahlt werden. Das ist ein wesentlicher Eckpfeiler der Sozialdemokratie. Leiharbeit, gering­fügige Beschäftigungsverhältnisse, schlecht bezahlte Teilzeitarbeit, die Generation Praktikum, wo junge Menschen für wenig Geld ihre hohe Qualifikation einbringen sollen: Diese Dinge und auch die Arbeitslosigkeit sind die Ursachen dafür, dass die Men­schen im Alltag oft finanziell überfordert sind.

Wir müssen im Rahmen unserer Möglichkeiten alles tun, damit die Menschen mit ihrem Einkommen auskommen. Die Überziehungszinsen zu deckeln ist ein Ansatz. Dafür zu sorgen, dass die Leute generell genug zum Leben haben, ist ein anderer und, wie ich meine, ein besserer. Wir Gewerkschafter werden jedenfalls darum kämpfen, und ich lade Sie ein, uns dabei zu unterstützen, dann können wir mehr für die Menschen in Öster­reich erreichen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Neubauer: Mitglieder­schwund habt ihr beide!)

14.49


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Aslan. – Bitte.

 


14.50.01

Abgeordnete Mag. Aygül Berivan Aslan (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuschauerinnen und Zu­schauer vor den Bildschirmen zu Hause! Meiner Überzeugung nach sind Überzie­hungszinsen wirklich ein sehr veraltetes Abschreckungsinstrument, das heutzutage nicht mehr zeitgemäß ist, denn ich frage mich: Was will die Bank wirklich machen? Auf der einen Seite will sie quasi die Kundinnen und Kunden bestrafen, die in einem Minusrahmen sind, und auf der anderen Seite gewährt sie ihnen einen neuen Kredit. Das passt irgendwie nicht zusammen. (Abg. Loacker: Die sind eben nicht mehr im Rahmen! – Zwischenrufe der Abgeordneten Belakowitsch-Jenewein und Tamandl.)

Wir haben im Mai 2014 auch einen Antrag gestellt, und zwar nicht nur wegen Deckelung, sondern wirklich für Abschaffung der Überziehungszinsen, weil es dafür einfach keinen rechtfertigbaren Grund gibt, weder aus betriebswirtschaftlicher noch aus volkswirtschaftlicher Sicht. Es gibt einfach kein einziges Argument, warum wir immer noch an den Überziehungszinsen festhalten sollten. Und es ist mir lieber, die Banken verzichten auf diesen Service, als sie bieten ihn an. Das ist ein Service von 14 Prozent, wo Menschen, die eh schon in einer Schuldenspirale drinnen sind, noch mehr in eine Schuldenspirale gedrängt werden. Das ist für mich nichts anderes als Wucher, das ist eine moderne Ausbeutung, die heutzutage einfach nicht akzeptabel und aus sozio­politischen Gründen nicht nur nicht in Ordnung ist, sondern es ist auch nicht fair, Menschen, die sich in einer finanziell schwachen Situation befinden, noch mehr in eine Schuldenfalle zu drängen.


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In Deutschland haben die Banken es schon vorgemacht. Viele Banken haben schon im letzten Jahr damit begonnen, die Überziehungszinsen zu reduzieren beziehungsweise abzuschaffen. Aber bei uns tut sich immer noch nichts, weil die Banken wahrscheinlich ein Interesse an den lukrativen Mehreinnahmen haben, die immer noch andauern.

Also insofern liegt die Entscheidung bei Ihnen: Stellen Sie sich auf die Seite der Banken oder auf die Seite der Menschen? – Danke sehr. (Beifall bei den Grünen.)

14.52


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Aubauer. – Bitte.

 


14.52.34

Abgeordnete Mag. Gertrude Aubauer (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Kollegen und Kolleginnen! Kollegin Aslan, niemand zahlt gerne Gebühren, die Frage ist aber doch: Wie gerechtfertigt ist eine Gebühr? Sie soll anfallende Kosten abdecken, aber niemand soll sich ein Körberlgeld machen.

Wie schaut das denn bei den Überziehungszinsen der Banken wirklich aus? Der EU-Vergleich zeigt: Österreichische Banken bieten Kontodienstleistungen zu einem ver­gleichsweise günstigen Preis-Leistungs-Verhältnis an. Und, Kollege Wurm, das sind in der Regel Produktbündel, da kann man eine Leistung mit der anderen nicht so leicht vergleichen. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: O ja, kann man schon!) Damit wir Konsu­menten aber besser den Preis und die Leistungen vergleichen können, ist ja gerade derzeit ein neues Verbraucherzahlungskontogesetz in Begutachtung. Und das bringt transparente Information über die einzelnen Entgelte und auch darüber, wie man unkompliziert das Konto wechseln kann. (Abg. Peter Wurm: Aber, Frau Kollegin, Information allein hilft ja nicht!)

Frau Kollegin Aslan, ich bin nicht bei Ihnen, wenn Sie sagen, die Banken sollten lieber auf diesen Service verzichten. Denn was wollen wir Konsumenten? – Wir wollen hohe Flexibilität auf dem Girokonto und möglichst wenig Bürokratie. Für uns ist es wichtig, dass Menschen, die plötzlich eine Reparatur zahlen müssen, das auch tun können. (Abg. Aslan: … aber sie sollen nicht doppelt so viel zahlen!) Die können nicht bis zum nächsten Ersten warten, und selbstverständlich zahlt die Bank trotzdem die Daueraufträge weiter, zum Beispiel die anfallende Miete. Das ist doch etwas, was wir unbedingt haben wollen. (Abg. Steinbichler: Nein! Nein! Nein!) Für die Banken bringt das Refinanzierungskosten, Risikokosten und auch die notwendige Eigenmittel­unter­legung. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: In welcher Welt leben Sie?!)

Das Verbraucherpreis-Kreditgesetz, auf das möchte ich noch hinweisen, das sieht auch entsprechende Informationen und Warnungen vor anfallenden Kosten vor. Eine weitere gesetzliche Regelung sehen wir daher nicht als notwendig an.

Als Seniorenvertreterin noch einen Schlusssatz: Ich würde mir wünschen, dass auch die Konten der Pensionisten überzogen werden können, denn auch dort gibt es oft Engpässe. Und es sollten zum Beispiel auch ganz junge Berufseinsteiger und auch Senioren die Möglichkeit haben, günstige Kredite zu bekommen. Hier bräuchte man mehr Hilfe für Junge und für Ältere. Das liegt aber nicht an den Banken, das liegt an den internationalen Sicherheitsregeln. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

14.55


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Bundesminister Hundstorfer zu Wort gemeldet. – Bitte.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 128

14.55.04

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wurde von Frau Aubauer schon einiges ausgeführt. Ich möchte das vielleicht nur noch ergänzen. Derzeit haben wir für Über­ziehungen mit 13,25 Prozent den höchsten Zinssatz. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Ja, und das ist okay?) Genau diese Bank, die das derzeit verrechnet, bietet gleichzeitig ein sogenanntes gesplittetes Konto an, wo man eine höhere Grundgebühr zahlt, dafür die Überziehungszinsen dann nur 8,5 Prozent betragen – zur Stunde.

Durch die Zahlungskontenrichtlinie, die wir ja derzeit dabei sind umzusetzen, gibt es neue Spielregeln. Der von Frau Abgeordneter Aubauer zitierte Gesetzentwurf ist ja derzeit in Begutachtung. Dabei sind wir uns vollkommen klar: Im Falle einer Über­ziehung, die länger als drei Monate dauert, ist der Kunde von der Bank einzuladen, um ihm einen sogenannten Ratenkreditvertrag anzubieten, damit diese Überschreitung abgedeckt werden kann, und er ist entsprechend darüber aufzuklären. Der Kunde ist auch dann einzuladen, wenn das Eineinhalbfache der durchschnittlichen regelmäßigen monatlichen Eingänge überstiegen wird. Und der Zahlungsdienstleister muss der Entgeltaufstellung, wie ich schon gesagt habe, einen Ratenkreditvertrag anfügen und so weiter.

Natürlich haben wir uns auch mit der Deckelung beschäftigt, ist ja keine Frage. Wir haben auch dort hingeschaut, wo es sie schon gibt. Und, ehrlich gesagt, die fran­zösische Deckelung möchte ich nicht haben, weil die französische Deckelung … (Abg. Belakowitsch-Jenewein: … österreichische …!) Ja, schauen Sie, wir brauchen immer ein Gemeinsames. (Abg. Peter Wurm: Wir bieten uns an, Herr Minister!) In dem Fall sind Sie mir zu wenig, sage ich Ihnen ganz offen. (Abg. Peter Wurm: Ausreichend viele!) Ich muss ein bisschen nach Europa schauen, ich muss ein bisschen ins Europarecht schauen. Es ist natürlich klass, sich herzustellen und zu sagen: So, jetzt machen wir 3 Prozent. (Abg. Peter Wurm: Na, es muss ja nicht 3 Prozent sein! – Abg. Belakowitsch-Jenewein: Aber 13, … ist schon viel!)

Schauen wir ein bisschen nach Europa, schauen wir uns das Europarecht ein bisschen an, fragen wir uns, warum die Franzosen 16 Prozent als Deckel haben, fragen wir uns, warum das so ist. Da gibt es auch europarechtliche Hintergründe, und ich kann Sie nur einladen – ich meine, ich lade Sie nicht ein –, sich das wirklich in aller Ruhe einmal anzuschauen. Sie haben, glaube ich, auch selber genügend Möglichkeiten.

Langer Rede kurzer Sinn: Wir haben uns an und für sich für diesen Weg entschieden, diesen Weg gehen wir jetzt. Und dass die Banken weiterhin Überziehungszinsen ver­rechnen, dazu stehe ich. Es gibt weiterhin Überziehungen, es gibt auch Verein­barun­gen über einen Rahmen, und, und, und. Jeder von uns, der eine Visa-Karte hat, hat einen Einkaufsrahmen. Jeder, der Diners Club hat, hat einen Einkaufsrahmen. Jeder, der MasterCard hat, hat einen Einkaufsrahmen. Das ist ja in Wahrheit nichts anderes, das sind alles Rahmen, wo einem ein bestimmter Betrag quasi zur Verfügung steht, den man nach gewissen Vereinbarungen dann auch wieder abzudecken hat.

Ich glaube, das, was wir derzeit im Entwurf zum Verbraucherzahlungskontogesetz haben, ist der richtige Weg, weil wir in diesem Entwurf auch in Umsetzung haben, dass jeder Bürger Anspruch auf ein Haben-Konto hat. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Aubauer.)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 129

14.58


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt der sehr disziplinierte Abgeordnete Doppler; er wird die 2 Minuten ganz genau einhalten. – Bitte.

 


14.58.52

Abgeordneter Rupert Doppler (ohne Klubzugehörigkeit): Herr Präsident! Herr Minis­ter! Hohes Haus! Frau Kollegin Aubauer, ich habe geglaubt, Sie sind das Sprachrohr der Pensionistinnen und Pensionisten. – Ich habe mich geirrt: Sie sind das Sprachrohr der Banken.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Deckelung der Banken-Überziehungszinsen: Mehr als 13 Prozent verlangen heimische Banken seit Jahren an Überziehungszinsen. Im Gegensatz dazu liegen die Habenzinsen nur mehr knapp über der Wahrnehmungs­grenze. Was wir dringend brauchen, Herr Minister, sind klare gesetzliche Regelungen, was die Überziehungszinsen betrifft.

Oft ist es auch so, dass Banken den Kunden einen Überziehungsrahmen einräumen, ohne dass die Kunden entsprechend aufgeklärt werden. Ich glaube, das ist nicht ganz richtig. Besser wäre es, wenn die Kunden von den Bankern dementsprechend aufge­klärt würden. Und was diesen Überziehungsrahmen mit 13 Prozent und mehr betrifft: Da wäre ein kurzfristiger Kredit besser, da würden die Kundinnen und Kunden oft besser aussteigen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der FPÖ sowie der Abg. Schenk.)

15.00


Präsidentin Doris Bures (den Vorsitz übernehmend): Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen über den 20. Tagesordnungspunkt.

15.00.09Kurze Debatte über die Anfragebeantwortung 6417/AB

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen nun zur kurzen Debatte über die Anfrage­beantwortung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Was­serwirtschaft mit der Ordnungszahl 6417/AB.

Die erwähnte Anfragebeantwortung wurde bereits verteilt, sodass sich eine Verlesung durch den Schriftführer/die Schriftführerin erübrigt.

Ist der Herr Bundesminister im Haus? (Abg. Moser: … Rupprechter in Paris!) – Er ist im Kommen. (Bundesminister Brandstetter betritt soeben den Sitzungssaal.) Ich be­grüße Herrn Bundesminister Brandstetter, der – wie auch zu Beginn der Sitzung bekannt gegeben – Herrn Bundesminister Andrä Rupprechter vertritt. Herzlich will­kommen!

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich mache Sie darauf aufmerksam, dass gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung kein Redner/keine Rednerin länger als 5 Minuten sprechen darf, wobei dem Erstredner zur Begründung eine Redezeit von 10 Minuten zukommt.

Herr Abgeordneter Neubauer, Sie sind am Wort. – Bitte.

 


15.01.41

Abgeordneter Werner Neubauer (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Diese kurze Debatte zur Anfrage EURATOM sollte nicht nur das Thema EURATOM an sich und meine beiden dazu eingereichten Anfragen beinhalten, sondern für dieses Hohe Haus insgesamt eine Frage aufwerfen, nämlich inwieweit Anfragebeantwortungen in der letzten Zeit eine inhaltliche Substanz aufweisen. Wir sind der Meinung, dass wir als frei gewählte Mandatare der Republik Österreich das Recht haben, auf entsprechende Anfragen auch entsprechende Antworten zu erhalten. (Beifall bei der FPÖ.)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 130

Das ist eine grundsätzliche Diskussion, die wir vielleicht in der Zukunft auch einmal im Rahmen einer Präsidiale beraten sollten, Frau Präsidentin! (Zwischenruf der Abg. Moser.)

Es geht also um das Thema EURATOM, um den EURATOM-Vertrag. Ich habe hier in diesem Haus schon mehrmals festgehalten, dass Österreich sich bereits 1978 mit der Volksabstimmung in Zwentendorf gegen die Nutzung der Kernenergie ausgesprochen hat. Seither kam es in der gesamten Welt immer wieder zu Super-GAUs, zu Atomkraft­werksunfällen unglaublichen Ausmaßes. Wir kennen die wichtigsten, nämlich die Super-GAUs von Tschernobyl und in jüngster Zeit den Super-GAU von Fukushima.

Wir haben im Hohen Haus einen größtmöglichen Konsens, was die Frage der Errichtung von Atomkraftwerken und auch grenznahen Atomkraftwerken anlangt, das ist bekannt. Doch wenn es um die Grundlage für all diese Atomkraftwerke und Atomrestmülllager geht, um den EURATOM-Vertrag, dann trennt uns doch einiges.

Der EURATOM-Vertrag wurde nach dem Zweiten Weltkrieg geschlossen – einerseits als Grundlage für die Schaffung neuer Energiemöglichkeiten, andererseits aber auch als Ausdruck eines Machtstrebens nach 1945 und der Technologiegläubigkeit in die­sem Bereich. Wir wissen, welche Auswirkungen es damals wie heute geben kann. Die erste Atombombe ist noch allen in Erinnerung. Welches Ausmaß der Zerstörung sie verursacht hat, ist bis heute sichtbar.

Wenn wir als Österreich an diesem EURATOM-Vertrag, der eigentlich das Grundübel für die Atomkraft Europas ist, so krampfhaft festhalten, obwohl wir selbst kein Atomkraftwerk besitzen, dann muss man doch die Frage stellen dürfen: Woran liegt es, dass wir heute mit den Geldern aus EURATOM den Ausbau von Atomkraftwerken finan­zieren, dass wir heute die Weiterentwicklung von Atomkraftwerken – wie in Temelín bei den Reaktoren 3 und 4 – mitfinanzieren, dass wir die Sanierung von Atomkraftwerken mit diesen Geldern mitfinanzieren und damit auch in Kauf nehmen, dass die Laufzeitverlängerung bei diesen Kraftwerken immer wieder rechtlich durch­gesetzt wird, wodurch das Gefahrenpotenzial der Atomkraft gegenüber den letzten Jahrzehnten noch ansteigt?

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben bei Temelín über 200 Störfälle zu verzeichnen, wir haben vor wenigen Wochen Störfälle in Dukovany gehabt, im Zuge derer bei Reaktoren Schweißnähte aufgebrochen sind, atomarer Stoff in die Kühl­flüssigkeit hineingekommen ist und alles verschwiegen wurde. Die Republik Öster­reich wurde – als Nachbar – erst verspätet in die gesamte Thematik eingebunden.

Ja, meine sehr geehrten Damen und Herren, das sind Gefahrenpotenziale nahe der österreichischen Grenze, und all das auf der Grundlage eines EURATOM-Vertrages. Demgegenüber fordern wir natürlich: Wir müssen aus diesem EURATOM-Vertrag aussteigen! Die Möglichkeit dafür gibt es. Es gibt ein Rechtsgutachten der Bundes­regierung, das besagt, dass der Ausstieg nicht möglich wäre. Dieses Rechtsgutachten ist aber datiert vor dem Lissabon-Vertrag. Vor dem Lissabon-Vertrag wäre ein Ausstieg tatsächlich – da gebe ich all jenen recht, die sich darauf beziehen – nicht möglich gewesen. Der Lissabon-Vertrag sagt nun: Wir können aus dem EURATOM-Vertrag aussteigen, ohne gleichzeitig aus der Europäischen Union aussteigen zu müssen.

Ich darf Ihnen namhafte Vertreter nennen, die ein Rechtsgutachten zu diesem Thema erstellt haben: Universitätsprofessor Dr. Bernhard Wegener, Universitätsprofessor Dr. Geistlinger, Universitätsprofessor Dr. Rotter, Universitätsprofessor Dr. Waldemar Hummer und Universitätsprofessor Dr. Franz Leidenmühler – sie alle haben sich mit diesem Thema erst vor kurzer Zeit auseinandergesetzt und sie alle kommen zur Rechtsauffassung, dass ein Ausstieg möglich ist.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 131

Wenn nun aber behauptet wird, dass es nicht geht, dann muss man sich als Oppositionspolitiker eigentlich die Frage stellen: Was sind oder was können die Grün­de dafür sein, warum die Bundesregierung derartig mauert? Es müsste doch im Interesse eines neutralen Österreichs, das stolz darauf ist, die erneuerbaren Energien zu fördern, sein, dass wir von den fossilen Energieträgern wegkommen, dass wir, auch was dieses Anliegen angeht, Vorreiter in Europa sind.

Nun haben wir gehört, dass es sein könnte, dass man einen zweiten Fonds für erneuerbare Energien gründet und gleichzeitig den EURATOM-Vertrag belässt. Glau­ben Sie wirklich, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass es in Europa auch nur ein Land geben wird, das in zwei Töpfe gleichermaßen einzahlt? Das ist doch in sich ein performativer Widerspruch! Es kann ja wohl nicht sein, dass ich als Gegner der Atomkraft in diesen Topf für die Atomkraft einzahle und gleichermaßen in einen Topf für alternative, erneuerbare Energien. Kein Land wird das tun. Es kann nur ein Entweder-oder geben, aber nicht beides gleichzeitig. (Beifall bei der FPÖ.)

Unser Vorschlag und auch der Vorschlag vieler in diesem Hohen Haus war es schon vor einem Jahr, als wir den Gesamtantrag mit 25 Punkten eingebracht haben, eine europaweite Konferenz abzuhalten. Ergebnis dieser Konferenz sollte es sein, einen Alternativfonds für alternative Energien in Europa zu schaffen und nicht einen zweiten Fonds zusätzlich zum bestehenden EURATOM-Vertrag. (Beifall bei der FPÖ.)

Aus diesem Grund wollten wir vom zuständigen Bundesminister wissen, wie dieser EURATOM-Vertrag überhaupt funktioniert. Keiner in diesem Haus konnte mir sagen, was dieses Gremium überhaupt ist und wie es funktioniert. (Abg. Moser: Steht eh auf der Homepage!)

Wir haben deshalb ganz einfache Fragen gestellt. Wir haben zum Beispiel gefragt: In welchen Gremien werden welche Beschlüsse gefasst? – Der Herr Bundesminister konnte oder wollte mir das nicht beantworten. (Abg. Moser: Steht eh auf der Homepage …!) Welche Entscheidungen wurden in den letzten fünf Jahren im Rahmen des EURATOM-Vertrages getroffen? – Niemand konnte mir das sagen. (Abg. Moser: Weil es auf …!)

Welche Vertreter Österreichs sitzen im EURATOM-Gremium? – Niemand konnte oder wollte mir das beantworten. Von wem werden diese Menschen, diese österreichischen Vertreter, entsandt? – Auch das wurde mir nicht beantwortet. Auf welcher Basis, auf welcher Rechtsgrundlage sitzen diese Vertreter in diesem Gremium?

Es handelte sich also, sehr geehrte Damen und Herren, um ganz einfache Fragen, und sie wurden nicht beantwortet! (Abg. Moser: Ja, weil sie …!) Das soll und mag verstehen, wer will. Ich als frei gewählter demokratischer Parlamentarier der Republik Österreich habe den Menschen draußen zu erklären, warum diese Fragen nicht beant­wortet werden. (Abg. Moser: Ja, weil so viel …!)

Es gibt derzeit eine Petition einer Anti-Atom-Bewegung aus Oberösterreich, die hier im Hohen Haus auch schon behandelt wurde, nämlich zur Einsetzung einer Enquete zum EURATOM-Vertrag, Ziel und Zweck: der Ausstieg aus diesem Vertrag.

Ich wurde gefragt, warum diese Fragen nicht beantwortet wurden. Ich habe gesagt: Von zehn Fragen wurden neun gar nicht beantwortet, und bei einer Frage wurde ich auf zehn Internetseiten verwiesen. Diese Internetseiten sind gespickt mit atomphysi­kalischem Fachenglisch. Das ist nicht zumutbar, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass man eine Anfrage beantwortet, indem man sagt: Jemand soll sich das irgendwo im Internet selber suchen!

Die Bürger dieses Landes, die wir hier vertreten sollen, haben ein Anrecht darauf, dass die Anfragebeantwortungen sachlich und transparent gestaltet werden. Sie müssen auf


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 132

Knopfdruck in Erfahrung bringen können, wie es sich mit diesen Anfragebeantwortun­gen verhält, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist der Hintergrund dieser Debatte. (Zwischenruf des Abg. Amon.) Wir wollen damit bewirken, dass sich zwei Dinge in Zukunft bessern: einerseits, dass die Anfragebeantwortungen besser, inhalt­lich substanzieller, nachvollziehbar und transparenter gestaltet werden, und anderer­seits und vor allem, dass die einzelnen Fraktionen zu Themen, die ihnen ein Anliegen sind, tatsächlich mehr Informationen erhalten. (Beifall bei der FPÖ.)

15.12


Präsidentin Doris Bures: In Vertretung des Herrn Bundesministers Rupprechter hat sich Herr Bundesminister Brandstetter zu Wort gemeldet. Herr Bundesminister, Ihre Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte.

 


15.12.26

Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Ich darf heute meinen Freund und Regierungskollegen Andrä Rupprechter vertreten. Da er der zuständige Bundes­minis­ter ist, hat mich sein Team – er hat, so wie ich, ein hervorragendes Team in seinem Haus – mit den entsprechenden Informationen versorgt. Ich hoffe, ich kann damit zur Aufklärung der Fragen des Abgeordneten Neubauer beitragen.

Der EURATOM-Vertrag war hier bereits wiederholt Gegenstand kontroverser Debatten. Für die Bundesregierung ist auch juristisch hinreichend geklärt, dass ein einseitiger Austritt aus dem EURATOM-Vertrag nicht möglich ist. Mir ist schon bewusst, dass es immer wieder unterschiedliche Rechtsauffassungen geben kann, aber das ist einfach der Standpunkt der Bundesregierung, und sie hat bisher keinen Grund gesehen, davon abzugehen.

Österreich würde sich durch den Ausstieg aus dem EURATOM-Vertrag auch kein Geld sparen, weil es schon seit Jahrzehnten kein eigenes EURATOM-Budget gibt. Es gibt auch keinen Ministerrat oder irgendein anderes Gremium auf politischer oder adminis­trativer Ebene, das sich ausschließlich mit EURATOM befassen würde. Das gibt es gar nicht. Was die Gremien, die in Verbindung mit dem EURATOM-Vertrag stehen, betrifft, wurde dies in der Beantwortung 4862/AB der parlamentarischen Anfrage 5324/J ausführlich erklärt.

Ich habe mir das angeschaut, Herr Abgeordneter Neubauer, ich habe es hier vor mir. Da ist eigentlich schon eine sehr ausführliche Antwort dazu vorhanden, zum Teil auch mit Verweisen auf Internetadressen. Es würde den zeitlichen Rahmen, den ich jetzt habe, bei Weitem sprengen, wenn ich das wiederholen würde, was Kollege Rupprech­ter in dieser Anfragebeantwortung alles mitgeteilt hat.

Die Bundesregierung verfolgt weiterhin – das ist bekannt – eine konsequente Anti-Atom-Politik, und zwar auf bilateraler, europäischer und internationaler Ebene in allen relevanten Gremien. Das Ziel bleibt ein atomkraftfreies Europa, dennoch muss man realistisch bleiben. Bedauerlicherweise haben weder Tschernobyl noch Fukushima zu einem tiefgreifenden Umdenken geführt. Im Gegenteil, die Auseinandersetzungen um die zukünftige Rolle der Kernenergie werden wieder härter, und die Nuklearlobby hat sich nach dem Schock von Fukushima offenbar wieder neu formiert.

Solange es noch Kernkraftwerke gibt, sind daher vor allem zwei Dinge zu tun: zum einen auf politischer Ebene mit guten Argumenten gegen die Kernenergienutzung an sich aufzutreten und auch auf Kostenwahrheit zu drängen, zum anderen auf die ständige Verbesserung der nuklearen Sicherheit zu drängen, indem Österreich kom­petent und gut begründet Schwachstellen aufzeigt.


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Dazu zählt auch die aktive Mitwirkung im Rahmen des EURATOM-Vertrages im Sinne der österreichischen Anti-Atom-Politik. Es sei hier beispielhaft auf die von Österreich initiierten Stresstests für europäische Kernkraftwerke oder auf die revidierte Richtlinie „Nukleare Sicherheit“ verwiesen – alles wichtige Beiträge zur Entwicklung eines gesamt­europäischen Nuklearsicherheitssystems.

Die Bundesregierung verwahrt sich gegen jegliche Sonderstellung der Kernenergie; im Sinne der Entschließung des Nationalrates vom Mai dieses Jahres kämpfen wir aktiv dagegen an.

Wie die Dinge heute stehen, zeigt unsere Nichtigkeitsklage betreffend die Ent­schei­dung der Europäischen Kommission zur staatlichen Förderung für das Kernkraftwerk Hinkley Point ganz klar. Österreich wird von Luxemburg unterstützt. Auf der Seite der Europäischen Kommission finden wir das Vereinigte Königreich und Frankreich sowie die Visegrád-Staaten Ungarn, Slowakei, Tschechische Republik und Polen. Auch Rumänien hat erklärt, sich dem Verfahren als Streithelfer der Europäischen Kommis­sion anschließen zu wollen.

Es bleibt das Ziel der Bundesregierung, ganz im Sinne der Entschließung des National­rates vom Mai 2015 eine Reform des EURATOM-Vertrages zu erreichen. Um wieder Bewegung in die Sache zu bringen, haben der Umweltminister und der Wirtschafts­minister einen Energiewendevertrag vorgestellt. Moderne und verantwortungsvolle Klimaschutzpolitik kann nur eine sein, die auf Energieeinsparung, den Einsatz erneuer­barer Energien und Energieeffizienz setzt.

Zur Erreichung des globalen Zwei-Grad-Ziels und zur Reduktion der CO2-Emissionen muss auch der Energieverbrauch massiv gesenkt werden. (Zwischenruf des Abg. Lugar.) Das heißt: Umstieg auf alternative Energieformen. Nur durch eine solche Ener­giewende lässt sich auch eine Reduktion der CO2-Emissionen langfristig erreichen. Zudem sollte man als Alternative zur Nuklearenergie auch einen positiven Beitrag in der Diskussion zur Energiefrage leisten.

Die Weichenstellung für eine Energiewende muss vor allem im Großen und gemein­sam auf europäischer Ebene erfolgen, und dafür müssen alle rechtlichen Rahmen­bedingungen geschaffen werden.

Es ist ungerecht und nicht der Zeit entsprechend, dass zur Förderung der Nuklear­energie der EURATOM-Vertrag nach wie vor existiert, jedoch Investitionen in zukunfts­fähige und innovative Energieformen EU-rechtlich gerechtfertigt werden müssen. Daher wollen wir die Energiewende auf europäischer Ebene primärrechtlich als gemeinsames Ziel festlegen. Dazu hat das Ressort mit Unterstützung von Rechts­experten einen Entwurf für ein europäisches Energiewendeprotokoll ausarbeiten lassen.

Dieses Energiewendeprotokoll soll die europäischen Vertragswerke ergänzen, um die Umsetzung der energiepolitischen Ziele hinsichtlich erneuerbarer Energien, Energie­effizienz und Energieeinsparung zu verwirklichen. Ein zukünftiges eigenständiges Protokoll sollte die folgenden drei Eckpunkte erfassen: eine primärrechtliche Veranke­rung der energiepolitischen Ziele; die Förderung von Forschung und Investitionen auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien, der Energieeffizienz und Energieeinsparung; die Anpassung der Beihilferegelungen, um Förderungen seitens der Mitgliedstaaten abzusichern beziehungsweise freizustellen.

Als nächsten Schritt möchten wir mit den Partnern auf europäischer Ebene, der Euro­päischen Kommission, den anderen Mitgliedstaaten und dem Europäischen Parlament in Kontakt treten, um die Stimmungslage in Brüssel und den Hauptstädten zu son­dieren. Wir werden auch weiterhin Gespräche im Sinne unserer Ziele führen und hof-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 134

fen auf weitere Fortschritte auf dem Weg in Richtung Energiewende. – Das darf ich Ihnen auf Basis der mir vom Kollegen Rupprechter übermittelten Informationen mitteilen.

Meiner Meinung nach sind damit im Wesentlichen alle Fragestellungen abgedeckt, und ich freue mich darüber, dass ich einen Beitrag dazu leisten darf, zumal ich, ohne ihn zu kennen, gemeinsam mit Kollegen Rupprechter seinerzeit in der Au gewesen bin. – Sie (in Richtung der Abg. Moser) werden noch wissen, was das war. Als junge Menschen waren wir dort natürlich mit dabei (Abg. Walter Rosenkranz: Hab’ Sie gar nicht gesehen!), und wie man sieht, hat sich das auch von den grundsätzlichen Einstellun­gen her entsprechend ausgewirkt. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeord­neten der SPÖ.)

15.19


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Muttonen. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

 


15.19.22

Abgeordnete Mag. Christine Muttonen (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Meine Damen und Herren! In einem Punkt gebe ich meinem parlamentarischen Vorredner recht: Der Stil der vorliegenden Antworten wirkt etwas kurz angebunden. Aber des­wegen gleich den Vorwurf der Geheimniskrämerei zu erheben, halte ich dann doch für etwas überzogen. Einen großen Teil der Information kann man eben – wie Sie selbst gesagt haben – im Internet finden, und auch die Zusammensetzung von Räten und Ratsarbeitsgruppen der EU ist kein Geheimnis, sondern sehr transparent.

Außerdem bin ich mir sicher, dass der Bundesminister immer ausreichend informiert wurde und informiert wird und er uns das auch immer weitergegeben hat. Und sollte es dann noch Fragen geben, dann denke ich, wird er sie sicher in einem der nächsten Ausschüsse auch beantworten. (Ruf bei der FPÖ: Na eben nicht!)

Der Vorwurf der Geheimniskrämerei greift deswegen auch zu kurz und ist verwun­derlich, weil wir doch in den letzten Jahren eine ganze Reihe von intensiven und offenen Diskussionen zum Thema EURATOM und Atomenergie im Allgemeinen hatten, sowohl hier im Plenum als auch im Umweltausschuss, der dafür zuständig ist. Erst im Mai haben wir ausführlich darüber geredet, es fand sogar ein Hearing mit ExpertInnen statt. Dort wurden die politischen und die rechtlichen Möglichkeiten debattiert, wie wir eine Neuausrichtung des EURATOM-Vertrages vorantreiben kön­nen.

So soll sich die Europäische Atomgemeinschaft auf die Sicherheitsaspekte konzen­trieren und die Mitgliedstaaten vor allem beim Ausstieg aus der Atomkraft unterstützen, was wir ja alle befürworten. Wir waren uns alle einig, dass es keine Bevorzugung von Kernenergie in der EU geben darf.

Sowohl letztes Jahr im Oktober als auch in diesem Mai haben wir im Plenum alle gemeinsam eindeutig Position bezogen und den europaweiten AKW-Ausstieg gefor­dert. In einem gemeinsamen Antrag haben wir uns darauf geeinigt, erstens alles zu unternehmen, um einen weiteren Ausbau der Atomenergie in Europa zu verhindern, zweitens den europaweiten Atomausstieg voranzutreiben, so gut wir das können, mit aller Kraft, und drittens die Arbeit der entsprechenden Gremien weg von der Atom­energie hin zur erneuerbaren Energien auszurichten.

Was unsere Position im Parlament angeht, kann von Geheimnissen keine Rede sein, und auch die Position der Bundesregierung ist eindeutig. (Abg. Neubauer: Dann sagen Sie doch, wer die Delegierten … sind, wenn Sie eh alles wissen!) In den vergangenen Jahren hat es eine klare Haltung Österreichs auf allen Ebenen gegeben – das hat der


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 135

Herr Minister auch schon teilweise erwähnt –: für eine Neuausrichtung des EURATOM-Vertrages, für einen raschen Ausstieg aus der Atomenergie, für eine klare Ablehnung der Förderungen von Hinkley Point C und für die Förderung und das Vorantreiben erneuerbarer Energien.

Ich möchte an dieser Stelle auch den Ausstieg beziehungsweise die Ablehnung von Nuklearwaffen erwähnen, wozu Österreich einen ganz wesentlichen Beitrag leistet. Sie sehen, wir konnten bisher immer auf einen breiten Konsens in der Regierung, hier im Parlament und auch in der Bevölkerung bauen, und das, denke ich mir, ist unsere Stärke, denn Österreich hat einen guten Ruf in Europa, weil wir ganz klar und eindeutig als Gegner der Atomkraft auftreten.

Ich verstehe deswegen nicht, werte Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ, warum Sie diesen Konsens hier verlassen wollen, gerade jetzt, wo sich in Europa hoffentlich energiepolitisch etwas bewegt. Und ich glaube, wir sollten all unsere Kraft verwenden, um zu einer neuen Energiepolitik in Europa zu kommen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Wöginger.)

15.23


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Berlakovich. – Bitte.

 


15.23.45

Abgeordneter Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Meine Herren Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie Frau Kollegin Muttonen gesagt hat, wir haben das Thema EURATOM eigentlich schon jahrelang hier im Hohen Haus in diversen Ausschüssen intensiv diskutiert. Die Lage ist eindeutig. Es gaben alle anerkannten Experten – Völkerrechtsbüro, Außenamt, Verfas­sungsdienst Bundeskanzleramt – eine eindeutige Stellungname ab (Abg. Neubauer: Einer, einer sagt das!), wie es Bundesminister Brandstetter auch gesagt hat (Abg. Schimanek: Sie müssen es wissen!), dass wir bei EURATOM nicht aussteigen kön­nen, nur insgesamt aus der Europäischen Union austreten können. Daher ist die Position klar. (Abg. Neubauer: Aber warum kann er von zehn Fragen neun nicht beantworten?)

Es bringt nichts, wenn man immer wieder versucht, das Ganze zu untergraben. Das ist kein Fortschritt. Es ist ja auch das Interesse in Ihrer Fraktion enden wollend. Als Sie das Thema vorgetragen haben, sind ganze sechs Kollegen Ihrer Fraktion hier geses­sen, und das zeugt ja nicht unbedingt von großem Interesse. Ich meine, wir haben in diesem Bereich andere Anliegen als den EURATOM-Vertrag. (Zwischenruf des Abg. Neubauer.)

Das österreichische Ziel war und ist es immer, dort die Gelder dafür zu verwenden, dass in Richtung Sicherheit von Atomkraftwerken und, und, und investiert wird und dass sich vor allem der EURATOM-Vertrag ändert. Dafür ist bisher noch keine Mehr­heit zustande gekommen. Aber es ist allemal sinnvoller, am Verhandlungstisch dabei­zusitzen, als wenn von außen her Entscheidungen getroffen werden, die wir nicht beeinflussen können.

Aber wichtiger und aktueller sind bei diesem Thema andere Dinge.

Erster Punkt: Paris, Weltklimakonferenz. Hoffentlich kommt ein Legally Binding Agree­ment zustande, also ein bindendes Abkommen. Das wurde vor vier Jahren auf den Weg gesetzt, und es wurde damals vereinbart, dass es 2015 ein derartiges Abkommen geben soll. Und auch das wird zur Stunde in Paris diskutiert, ob man nicht sozusagen Klimaschutz über die Atomkraft machen kann. Sie verursacht keine CO2-Emissionen und ist sozusagen rückstandsfrei.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 136

Das war nie österreichische Position, wir haben das immer abgelehnt. Wir halten es für völlig widersinnig, dass man auf Atomkraft setzt. Das Sicherheitsrisiko ist enorm, und vor allem gibt es nirgendwo auf der Welt ein Restmülllager für den hoch radioaktiven Atommüll. Also ist das keine Zukunftstechnologie, und deswegen sagen wir Nein dazu.

Aber wir erleben nicht nur in Paris, sondern auch weltweit eine Renaissance der Atomkraft. Getrieben wird das durch den Energiehunger oder den steigenden Energie­bedarf, aber auch durch Bestrebungen der Europäischen Union, in Richtung Energie­union zu gehen. Das heißt, prinzipiell ist das ein guter Ansatz. Wir wollen die Energie in der eigenen Region, auf dem eigenen Kontinent erzeugen und wir wollen nicht abhängig sein von Krisenregionen. Die Idee ist gut. Dass man auf erneuerbare Energie setzt, Energieeinsparung, Energieeffizienz, bringt auch etwas. Aber viele in der Euro­päischen Union verstehen das auch so, mittels Atomkraft dorthin zu kommen, und das halten wir schlicht und einfach für den falschen Weg.

Völlig pervers ist der Ansatz, der auch gelegentlich auf europäischer Ebene diskutiert wird, dass man in Richtung einer Low Carbon Economy geht, also in Richtung einer kohlenstoffarmen Wirtschaftsweise, und dann den Weg auch in Richtung Nachhaltigkeit mittels Atomkraft sieht – völlig falsch. Und spätestens seit Tschernobyl und auch Fukushima muss allen klar sein, dass Atomkraft keine nachhaltige Energie­form ist, dass sie teuer ist, dass sie ineffizient ist und eben die Rückstände enorm sind, die überall auf der ganzen Welt irgendwo zwischengelagert werden und nicht end­gelagert sind.

Der Gipfel der Debatte in der Europäischen Union ist, dass all die Bestrebungen, die wir jahrelang gemacht haben, dazu geführt haben, dass die Errichtung eines Atom­kraftwerkes enorm aufwendig und sehr teuer ist. Und jetzt kommen manche auf die Idee, dass die Atomkraft staatlich gefördert werden sollte, damit sie sozusagen konkur­renzfähig ist. Das verschlüsselte Zauberwort ist dabei „Technologieneutralität“, dass sozusagen Atomkraft technologisch gleichgesetzt wird mit erneuerbaren Energien.

Wir haben das immer abgelehnt, und man muss die Wahrheit sagen: Keine Tech­nologieneutralität, sondern Atomkraft ist eine unsaubere Energie. Die Idee, die dahinter steht, bei Hinkley Point zum Beispiel, ist, dass es nicht nur einen garantierten Tarif für ein derartiges Atomkraftwerk geben soll, sondern auch Garantien des Staates, nämlich Großbritanniens. Man schätzt das in etwa auf 18 Milliarden Pfund, und das ist natürlich völlig aberwitzig. Da ist es richtig, dass es jetzt einen Ansatz gibt, und die österreichi­sche Bundesregierung hat das genutzt, nämlich eine Nichtigkeitsklage einzubringen. Das Verfahren läuft. Das ist ein richtiger Weg, denn erstmals findet sich ein derartiger Ansatz, und das muss auch gemacht werden.

Abschließend: Wir haben hier, als ich noch Umweltminister war und Fukushima passiert ist, im Hohen Haus den Beschluss gefasst: Raus aus der Atomkraft, hinein in erneuerbare Energien! Das ist ein Weg, der aufzeigen soll, dass es auch ohne Atomkraft geht. Österreich zeigt das. Es gibt in etwa elf Staaten in der Europäischen Union, die keine Atomkraft haben. Wir haben damals nach Fukushima eine Anti-Atom-Allianz in Europa gebildet. Aber leider – Fukushima aus den Augen, aus dem Sinn – haben auch einige andere Staaten dann aufgehört, ein Interesse an dem Thema zu haben – leider, denn es kann doch keinen Sinn haben, dass wir darauf warten, dass wieder etwas passiert, und man dann erst draufkommt, dass das das Falsche ist.

Daher ist der europäische Weg richtig, in Richtung erneuerbare Energien zu gehen. Der österreichische Weg ist auf jeden Fall ein solcher. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

15.29


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Rauch. – Bitte.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 137

15.29.20

Abgeordneter Walter Rauch (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Frau Kollegin Muttonen, wir verlassen keine konsens­orientierte Klimapolitik, da sind Sie weit, weit weg. Wir suchen den Konsens in diesem Bereich.

Herr Kollege Berlakovich, Ihre Rede war ja bezeichnend: Sie wollen nicht aussteigen aus dem EURATOM-Vertrag, das ist nicht Ihr Ziel; Sie wollen einfach nicht. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Berlakovich: Verändern!)

Herr Bundesminister, ich weiß schon, das ist nicht in Ihrem Ressort, nicht in Ihrem Zuständigkeitsbereich, Sie haben das heute vorgetragen, aber anscheinend haben wir da ein Kommunikationsproblem, ein Kommunikationsproblem in der Anfragebeant­wor­tung, das sind mehrere Bereiche. Auch ich habe im Landwirtschaftsbereich das gleiche Problem in einem anderen Themenfeld.

Der Herr Bundesminister ist da sehr liederlich in den Anfragebeantwortungen und schmeißt einfach so Floskeln hinein, die mit dem Inhalt im Endeffekt meistens nichts zu tun haben. Das Interpellationsrecht an sich sagt ja schon aus, dass man dement­sprechend nicht nur – wie sagt man so schön? – mit Internetverweisen arbeiten soll, sondern definitiv auf eine Frage auch eine Antwort erhalten soll. Davon gehen wir aus, dass wir diese in Zukunft vom Herrn Bundesminister Rupprechter auch erhalten. (Beifall bei der FPÖ.)

Zur Transparenz bei den EURATOM-Verhandlungen: Leider bleiben Sie in allen Punkten alle Antworten schuldig. Auch auf Nachfrage blieben sie unbeantwortet. Das ist definitiv eine Geheimniskrämerei, Frau Kollegin Muttonen, denn nicht nur dass man falsche Rechtsauskünfte erhält, sondern es ist auch festzustellen, dass es offenbar bei diesem Gremium wirklich schwierig ist, die Entscheidungsträger klar zu definieren und namhaft zu machen. Es ist nicht herauszulesen, wer genau Entscheidungen trifft und wer definitiv da drinnen sitzt.

Für uns ist klar, dass wir aus EURATOM aussteigen müssen. Österreich hat vor Jahrzehnten diesen Atomenergiebereich verlassen oder ist nie eingestiegen, und es ist für uns klar, dass wir keinem Atomlobby-Verein diesbezüglich Gelder zufließen lassen. (Beifall bei der FPÖ.)

Es gibt dazu eine Petition, das wurde vom Kollegen Neubauer auch schon gesagt, und auch Landtage haben diesbezüglich schon einstimmige Beschlüsse gefasst, unter anderem Vorarlberg, für den Ausstieg aus EURATOM.

Auch ohne EURATOM-Mitgliedschaft hat man die Möglichkeit, über grenzüber­schrei­tende Umweltverträglichkeitsprüfungen auch Einsicht zu nehmen und eine Partei­stellung zu erreichen. Auch da ist es für Österreich natürlich möglich mitzusprechen, wenn wir aussteigen werden oder würden.

Atommülllager: Es gibt eine EURATOM-Richtlinie 2011/70, da muss Österreich einen Aktionsplan umsetzen, der bis 2030 gesetzt ist. Österreich ist außerdem auch Mitglied der Europäischen Endlager-Entwicklungsorganisation, Kurzbezeichnung ERDO, deren Hauptaugenmerk darauf liegt, möglichst regionale Endlager für radioaktive Abfälle zu finden. Derzeit sind von keinem ERDO-Mitgliedstaat ernsthafte Bemühungen wahrzu­nehmen, einen Standort für ein Endlager zu finden, nicht einmal in den ehemaligen Ostblockländern. Österreich ist dafür bekannt, dass wir immer brav alle EU-Vorgaben, ohne Rücksicht auf Verluste, ohne Widerrede, brav umsetzen. Da kann fast davon ausgegangen werden, dass wir künftig den Atommüll von halb Europa beherbergen dürfen, wobei wir selbst wenig problematische Stoffe erzeugen.


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Für uns Freiheitliche steht fest, dass wir aus EURATOM aussteigen müssen. Das Geld dafür wäre wesentlich besser in den Ausbau erneuerbarer Energien investiert, anstatt in die Kassen eines Atom-Lobby-Fördervereines zu fließen.

Sehr geehrter Herr Bundesminister – das betrifft jetzt nicht Sie direkt, es ist gerichtet an den zuständigen Bundesminister Rupprechter –, es wäre höchst an der Zeit, sich für erneuerbare Energien einzusetzen. Aber leider fehlt es dem zuständigen Minister an Mut und auch an Einsatzbereitschaft. Also: Ausstieg aus EURATOM und erneuerbare Energien fördern! (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Rädler: Es gab schon bessere Reden! – Zwischenrufe bei der FPÖ. – Abg. Glawischnig-Piesczek: Nur objektiv: Das stimmt!)

15.34


Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete Dr. Moser ist als Nächste zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


15.35.00

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Minister! Werter Herr Finanzminister! Vielleicht waren Sie auch in der Au, dann waren wir zu dritt dort und können jetzt den Dialog von damals fortsetzen, denn natürlich ist für uns Grüne auch klar: Raus aus EURATOM! Das ist ein Verein, der Atomkraft unterstützt, wenn er auch – unter Anführungszeichen – „für Sicherheit von Atom­kraftwerken“ sorgen soll. (Ruf bei der FPÖ: Richtig!)

Herr Minister, da haben Sie auch ganz korrekt geantwortet, es gibt unterschiedliche Expertenmeinungen. Sie als Justizminister oder als exzellenter Jurist wissen ja, bei jedem Thema gehen die juristischen Meinungen oft sehr breit auseinander, und es könnte durchaus eine Art Revision der juridischen Meinungsbildung auch beim Ver­fassungsdienst stattfinden. (Beifall der Abgeordneten Neubauer und Glawischnig-Piesczek.) Das Hearing im Mai im Umweltausschuss war dazu auch eine kleine Möglichkeit, ein kleiner Anlauf, könnte man sagen.

Die Diskussion um Atomkraft-Gegnerschaft, um Ausstieg und um alternative Energien zieht sich ja durch dieses Parlament schon jahrelang. Ich sehe da zum Teil gewisse Fortschritte, zum Teil gewisse Rückschritte. Am Anfang haben wir uns echt schwer getan, Kampf gegen Temelín, das war Hardcore. Ich erinnere an das Melker Abkommen, das hat uns den Kampf gegen Temelín nicht erleichtert, sondern nur Schwierigkeiten gebracht.

Auch jetzt, glücklicherweise, das ist der Fortschritt, ziehen wir an einem Strang im Kampf gegen die Subvention von Atomenergie, Hinkley Point. Da gibt es unglück­licherweise – das betone ich noch einmal – auf europäischer Seite – wie soll man denn sagen? – nur einen einzigen Partner. Da gibt es aber glücklicherweise Österreich, das massiv rechtliche Schritte unternommen hat, mit all dieser Expertise, mit all dieser juridischen Kompetenz, die an sich in diesem Land vorhanden ist, die nur nicht vorangetrieben wird bei EURATOM, dort fehlt es halt, dort will man nicht.

Gut, Hinkley Point, das große Problem. Aus Oberösterreich kommend muss ich noch einmal hervorheben, dass der erste Schritt für diese Klage vonseiten der Grünen durch Oberösterreichs Landesrat Anschober erfolgte, dass dies glücklicherweise auf frucht­baren Boden fiel und jetzt im Zentrum der Auseinandersetzung stehen sollte.

Deswegen sage ich, die Anfragebesprechung heute ist zum Teil überflüssig, zum Teil sehr wohl berechtigt, überflüssig deswegen – der Herr Minister Rupprechter ist ja nicht da, aber da hat Herr Minister Brandstetter völlig recht –, denn es ist ja schon beant­wortet worden in einer Anfragebeantwortung vor der jetzt diskutierten. Da haben Sie durchaus recht.


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Ich möchte auch dem EDV-Dienst des Parlaments einmal ausdrücklich einen Dank aussprechen für die ausgezeichnete EU-Datenbank (Beifall bei den Grünen sowie der Abgeordneten Scherak und Grossmann), die hier im Parlament uns Abgeordneten zur Verfügung steht. Es gibt auch Schulungen. Herr Kollege Neubauer, nehmen Sie vielleicht einmal so eine Schulung wahr, wie gehe ich um mit EU-Dokumenten, damit ich das Richtige finde! (Abg. Auer: Nachhilfestunde!)

Ich sehe es durchaus ein, dass man zehn Jahre lange Verfahrensschritte bezie­hungs­weise Diskussionsentwicklungen nicht in einer Anfragebeantwortung wiedergeben kann, sondern dass man da Links und so weiter in die Anfragebeantwortung mit ein­schließt.

Insofern halte ich es für nicht ganz notwendig, das zu diskutieren. Noch dazu ist es ein bisschen ungeschickt, wenn Herr Minister Rupprechter nicht da ist, der an sich die Speerspitze im Kampf gegen Atomkraft sein sollte. (Abg. Walter Rosenkranz: Sie wissen aber schon, dass Anfragebeantwortungen verfristen! – Abg. Glawischnig-Piesczek: Das kann ja nicht die einzige Anfrage sein, die Sie gestellt haben!) – Ja, das ist mir durchaus klar, Herr Kollege. (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von Grünen und FPÖ.) Aber andererseits finde ich es durchaus sinnvoll, dass wir darüber diskutieren, wie der Kurs der österreichischen Regierung auf europäischer Ebene ist, gerade im Hinblick auf die Energiewende.

Da komme ich jetzt zu einer Abrundung: Herr Minister Brandstetter, Sie haben gewisse Schritte positiv dargestellt, auch Ihr Ex-Kollege Berlakovich hat aus seiner Vergan­genheit hier einiges durchaus positiv angeführt. Nur: Die Energiewende in Österreich sollte in erster Linie bei den Haushalten und bei der Verkehrsszene ansetzen. Das sage ich in Reminiszenz an meine frühere Tätigkeit.

Herr Finanzminister, damit ich ein bisschen Ihr Interesse wecke: Schauen Sie sich das Öko-Steuer-Konzept an, wie wir da energiepolitisch eine Wende erreichen könnten, wenn Sie es aufgreifen! Sie sind ja durchaus Experten zugänglich, vielleicht sind Sie doch wieder einmal so freundlich und bringen die Diskussion in diese Richtung, statt in Richtung Änderung der Pensionssysteme. (Beifall bei den Grünen.) Das wäre aus meiner Sicht der Sinn der heutigen Debatte. – Danke schön auch an die Minister. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Wöginger.)

15.39


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Gamon. – Bitte.

 


15.40.02

Abgeordnete Claudia Angela Gamon, MSc (WU) (NEOS): Sehr geehrte Frau Prä­sidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Ich glaube, dass diese immer wiederkehrende Euratom-Debatte auch ein bisschen die schwierige Beziehung der FPÖ zur Euro­päischen Union zeigt. (Abg. Wöginger: Das ist richtig!)

Wie schon mehrfach festgestellt worden ist, ist ein Euratom-Ausstieg nicht möglich, ohne aus der EU auszusteigen. Ich weiß, dass für Sie dieses Detail womöglich irrelevant ist, weil Sie einen Juristen gefunden haben, der das Gegenteil behauptet, aber die am meisten respektierten Verfassungsexperten in unserem Land – Heinz Mayer, Bernd-Christian Funk – wie auch der Rechtsdienst der Regierung sehen das anders. – Na ja. (Zwischenruf des Abg. Walter Rosenkranz.)

Anfragen sind auch nicht dazu da, eine eigene Internetrecherche oder ein kurzes Googeln zu ersetzen. Ich empfehle Ihnen die Website „Let me google that for you“.

Ihre Anfrage betrifft „die Geheimnisse um den EURATOM-Vertrag“. – Die gibt es nicht, genauso wenig wie Chemtrails Klimawandelverschwörung oder Ähnliches bedeutet! Minister Rupprechter hat die Anfrage schon einmal beantwortet, hat klar Stellung dazu


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bezogen – das muss man schon einmal aussprechen – und hat auch seine Kritik dazu geäußert und die Punkte, die er ändern möchte, genannt. Ich bin schon dafür, dass wir hier bei den Fakten bleiben und nicht Kritik erfinden, wo sie nicht angebracht ist. (Beifall bei den NEOS, bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Steinbichler.)

Ich bin, wie schon gesagt, wirklich der Meinung, dass Sie Ihr wahres Gesicht in dieser Debatte nicht zeigen wollen. Geben Sie doch zu, dass Sie unter anderem über diese Schiene, oft auch medial, mit dem Austritt aus der Europäischen Union spielen! Sie bringen das über mehrere Ecken und untergraben unterschiedliche Grundideen der Europäischen Union, und zwar jedes Mal. 2013 haben Sie die Nationalratswahl zur Volksabstimmung über den Euro erklärt, bei der EU-Wahl 2014 haben Sie die Renationalisierung von Kompetenzen gefordert, eine Abstimmung über den Austritt aus dem Schengen-Abkommen und eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit von EU-BürgerInnen. Dabei vergessen Sie gerade bei diesem Thema auch auf ein Prinzip, das Sie ja gut finden sollten: Subsidiarität.

Im Sinne einer europäischen Energiepolitik und auch eines gemeinsamen europä­ischen Forschungsraums macht es einfach keinen Sinn, auch nur einen Schritt zurück in eine kleingeistige Nationalstaatlichkeit zu machen. Sie haben ja offensichtlich auch kein Interesse an gemeinsamer Forschung in Großforschungsanlagen in Europa, die ein einzelner Staat schlichtweg nicht betreiben könnte. (Abg. Walter Rosenkranz: Das stimmt doch gar nicht!)

Wie Kollege Berlakovich schon gesagt hat, das EURATOM-Programm beinhaltet auch Sicherheitsaspekte und Forschungsaspekte. Kennen Sie zum Beispiel die Forschungs­anlage in Cadarache? – Das ist eine gewaltige Chance auch für österreichische Wissenschaftler. (Abg. Walter Rosenkranz: Sie müssen einmal anfangen, seit Sie hier herinnen sind, die Protokolle nachzulesen! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Also wenn Sie mir jetzt dazwischenreden, sagt das, glaube ich, mehr über Sie als über mich. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Neubauer: Sie haben keine Ahnung!)

Österreich ist zum Beispiel auch an CERN beteiligt, genauso an der Europäischen Südsternwarte, ist ein erfolgreiches Mitglied der Europäischen Weltraumorganisation und auch am Programm ITER in Cadarache beteiligt, und das ist eine Chance, die man nicht aus populistischen Gründen wegwerfen sollte.

Aus meiner Sicht haben Sie jetzt zwei Möglichkeiten: Entweder Sie fordern wirklich den Ausstieg aus Euratom und damit auch den Ausstieg aus der Europäischen Union und stehen dazu oder Sie setzen sich konstruktiv dafür ein, dass man den Euratom-Vertrag dahin gehend lebt, dass man die Zielsetzung ändert und eben den Ausstieg aus der Kernenergie fördert, dadurch sauberen Strom fördert, die Sicherheit der Bürger_innen voranstellt und auch Forschung im Kernfusionsbereich unterstützt.

Wenn es Ihnen wirklich um die Sicherheit der österreichischen Bürgerinnen und Bürger geht, müssten Sie wissen, dass dieses Problem ja nicht weg ist, wenn wir aus Euratom aussteigen. Wir hätten dann auch kein Mitspracherecht mehr, und ich glaube, es ist auch in Ihrem Sinne, dass man sagt, es ist wichtig, dass die Europäische Union hier gemeinsam an einem Strang zieht. Wir haben es hier zum Beispiel auch mit Altlasten aus osteuropäischen Beständen zu tun, und die sind ja nicht weg, wenn wir aussteigen. Ich glaube, es ist auch im Sinne eines gesamteuropäischen Energie­mark­tes einfach logisch und sinnvoll, wenn wir das gemeinsam diskutieren und nicht auf Nationalstaatlichkeit zurückgehen. (Abg. Walter Rosenkranz: Wir sind an sich eh gemeinsam beim Diskutieren hier!)

Das ist einfach keine sachliche Politik, ich finde, das ist angstgesteuerte Polemik. Wenn wir faktenbasiert vorgingen und gemeinsam als gemeinsames Europa über


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einen Ausstieg aus der Atomenergie redeten, würden wir womöglich auch einmal dazu kommen.

Österreich ist die Anti-Atombewegung, Sie müssen nicht einmal sagen, es gibt in Oberösterreich eine Anti-Atombewegung, wir sind die Anti-Atombewegung, und das ist auch gut so. Aber wenn wir eine starke Stimme in Europa haben wollen, dann geht das nicht, indem wir aus Euratom und der Europäischen Union austreten. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

15.44


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Steinbichler. – Bitte.

 


15.44.56

Abgeordneter Leopold Steinbichler (STRONACH): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Herren Minister auf der Regierungsbank! Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte junge ZuseherInnen auf der Tribüne und vor den Fernsehgeräten zu Hause! Ja, ich denke, das ist ein ganz wichtiges Thema, wir haben es bei den Vorrednern gehört. Und wenn Herr Minister Rupprechter jetzt in Paris kämpft, dann hoffe ich, dass er auch mit Ergebnissen und nicht nur mit einem Bild mit Gouverneur Schwarzenegger nach Hause kommt. Wir werden dann bewerten, was herauskommt. (Beifall beim Team Stronach sowie des Abg. Doppler.)

Der ehemalige Minister Berlakovich hat hier von Energieeffizienz gesprochen, die natürlich ganz, ganz wesentlich ist, und von Alternativenergien, was ich voll unter­stützen kann.

Kollege Neubauer hat einleitend gefragt, wie schnell wir vergessen, wie schnell wir zum Beispiel die Katastrophe von Tschernobyl vergessen. Ich kann mich noch gut erinnern: Wir haben damals am 1. Mai bei strömendem Regen musiziert, und dann hat man die Warnungen gehört. Ich kann mich erinnern an die Katastrophe Dukovany oder an Fujijama (allgemeine Heiterkeit), Fukushima, Entschuldigung, in Japan, und ich weiß, wie schnell wir das verdrängen. Und eigentlich, Kolleginnen und Kollegen, bin ich ein bisschen enttäuscht, wenn das zu allzu viel Gelächter bei den Abgeordneten der Regierungsfraktionen führt, denn wir sollten das wirklich ernster nehmen. Ich glaube, das ist das Wesentliche.

Kollege Berlakovich, wenn wir von alternativer Energie sprechen, dann reden wir auch gleich von einem Fehler, der hier begangen wurde, nämlich mit den Biogasanlagen! Das muss man in diesem Zusammenhang erwähnen, denn wir wollen Biogasanlagen, aber in zweiter Reihe; nicht mit den Futtermitteln unserer Tiere, sondern mit ge­brauchten Ölen, mit Gülle, also nur bei Verwertung von Stoffen in zweiter Reihe, aber bitte nicht auf Kosten der Futterflächen unserer Tiere, noch dazu bei gleichzeitigem Plakatieren und Inserieren: Stopp dem Baulandverbrauch!, weil jetzt zugegeben wird, dass wir keine Überschüsse, sondern eine Unterversorgung haben, worüber wir vorhin in der Diskussion zum Konsumentenschutz noch gar nicht gesprochen haben.

Das ist auch ein Thema des Konsumentenschutzes, nämlich die Sicherheit der Bevöl­kerung und die Gleichstellung der Energieversorger. (Abg. Glawischnig-Piesczek: Warum gibt es heute keine Taferl?) Ich frage mich, Frau Kollegin Glawischnig: Warum haben wir nicht schon lange so wie von jedem Mopedfahrer, so wie von jedem Auto­fahrer, so wie von jedem Firmenchef auch für die Atomkraftwerke eine Haft­pflicht­versicherung mit Nachhaftung gefordert? Jeder Firmenchef hat zehn Jahre Nach­haftung, muss geradestehen mit seiner Firma für seine Bauwerke, für seine Un­ter­neh­mungen!


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Warum, Kolleginnen und Kollegen, haben wir denn nicht schon längst eine Haftpflicht­versicherung für die Endlager? Warum schaffen wir es nicht, dass wir in Bezug auf eine Gleichstellung der Energieversorger zum Schutz der Bevölkerung in einer fairen Diskussion auf den Boden der Realität kommen und nicht zu einem ungleichen Wett­bewerb? Damit wären wir genau in der Lebensmitteldiskussion: zu Hause die Vor­schriften, anderswo die Produktion.

Deshalb, glaube ich, sollten wir auch diese Diskussion aus Sicht des Konsumen­ten­schut­zes, auch aus Sicht der Sicherheit führen, dass man in Zukunft eine faire Versicherungslösung einfordert. Ich glaube – weil gerade auch der Herr Finanzminister da ist –, das wäre eine gute Möglichkeit, bei den Finanzen ein faires System einzu­führen. – Danke. (Beifall beim Team Stronach.)  

15.48


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

15.48.40Kurze Debatte über die Anfragebeantwortung 6454/AB

 


Präsidentin Doris Bures: Somit gelangen wir zur zweiten kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung des Bundesministers für Finanzen, 6454/AB.

Die erwähnte Anfragebeantwortung ist bereits verteilt worden, sodass sich eine Ver­lesung durch den Schriftführer beziehungsweise die Schriftführerin erübrigt.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass jeder Redner in dieser Debatte 5 Minuten Rede­zeit zur Verfügung hat; der Erstredner zur Begründung 10 Minuten.

Ich erteile Ihnen, Herr Abgeordneter Mag. Kogler, das Wort. – Bitte.

 


15.49.36

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wir haben hier eine Anfragebeantwortung vorliegen, die wir jetzt deshalb gerne in der nächsten halben Stunde besprechen wollen, weil sich da mehrere Facetten an nachgeradezu abenteuerlichen Unvereinbarkeiten zusammen­finden.

Der Reihe nach! – Zunächst einmal: Herr Abgeordneter Rossmann – und das wird er dann ausführen –, der diese hier zu besprechende Anfrage dankenswerterweise einge­bracht hat, ist schlicht und ergreifend – und das ist gleich einmal das Erste – seines Rechts auf klare Ausübung der Interpellation – ich möchte fast sagen – beraubt worden, wenn auch auf eine Weise, die Ihnen vielleicht so gar nicht bewusst war, Herr Minister! (Bundesminister Schelling: Weil’s auch falsch ist!) – Das weiß ich noch nicht, wir werden es hier diskutieren. Sie wissen ja, dass ich sehr viel von Ihnen halte, weshalb ich auch Ihre Zwischenrufe aufnehme. Deshalb diskutieren wir jetzt ja, schauen wir, was richtig und falsch ist.

Hier liegt – wahrscheinlich hat Ihnen das auch jemand anderer untergejubelt; man sollte sich vielleicht überhaupt überlegen, wer in Ihrem Ministerium so Briefing-verant­wortlich und -tauglich ist – jedenfalls etwas vor, das für das Parlament, in dem wir uns hier befinden, nicht hinnehmbar ist. (Beifall bei den Grünen.) – Die grüne Fraktion applaudiert schon, noch bevor die Pointe kommt. (Allgemeine Heiterkeit.)

Es wird hier nämlich behauptet, dass die Anfragesteller das schon wissen müssten. Von Ihrem Mitarbeiter, der mittlerweile seines Postens als Generalsekretär enthoben wurde – in dieser Funktion antwortet er noch –, wird – auch die Frau Präsidentin in


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Ihrer Funktion als Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, also es kommt schon ein bisschen Wäsche in die Trommel – mein Kollege Rossmann einfach abgewimmelt: „Mit dem Ihnen inzwischen bekannten Schreiben vom (…).“

Nein, ihm ist gar nichts bekannt! Das wird automatisch in den Korb der Untersuchungs­ausschuss-Post geworfen, und dort – wir haben jetzt mit Sicherheit eine verbesse­rungswürdige Verfahrensordnung – ist gleich einmal alles nicht vertraulich. Also würde ich Kollegen Rossmann davon erzählen, würde ich mich irgendwie schon einmal, wenn schon nicht großartig, strafrechtlich schuldig machen, zumindest doch irgendwie gegen die hier von uns aufgestellten Regeln verstoßen. Sie haben aber auch gegen Regeln ver­stoßen, weil Sie offensichtlich selbst Opfer der Falschbriefer sind, die bei Ihnen sehr verbreitet zu sein scheinen; so auch gegenüber dem Vorvorvorvorvorgänger Bun­desminister Grasser! Jedenfalls wird hier so vorgegangen, dass Kollege Rossmann das wissen müsste.

Dazu sage ich Folgendes: Jeder Abgeordnete/jede Abgeordnete hier müsste tatsäch­lich den Inhalt kennen; insofern ist eine gewisse Weisheit in dem Schreiben, nur recht­lich und faktisch ist es anders. Jeder Abgeordnete hier müsste wissen, wie – und jetzt kommen wir der inhaltlichen Geschichte schon näher – dieser Herr Bundesminister Grasser von den Mitarbeitern Ihres Hauses, bis hinauf an die Spitze der Pyramide – da waren ja viele eingebunden; nebenbei: Was kostet das?, Haben die sonst nichts zu tun? –, behandelt wurde, wie die arbeiten.

Das, meine ich, muss allen zugänglich gemacht werden. Deshalb ist es jedenfalls sinnvoll und notwendig, eine „Sanierung“ dieser Anfragebeantwortung vorzunehmen und das auf kürzestem Wege dem Hause und allen Abgeordneten zur Verfügung zu stellen. Wir haben heute schon Teile davon öffentlich gemacht, nämlich genau aus dem Grund: weil das nicht sein kann! Und es muss auch Ihr Interesse sein, wurscht ob Regierung oder Opposition, dass die Abgeordneten volle Auskunft erlangen. Da stehen nämlich lauter Dinge drin, die die Abgeordneten etwas angehen, die voll vom Interpellationsrecht umfasst sind.

Drehen wir doch den Spieß einmal um, Herr Bundesminister! Worum geht es da? – Abgeordneter Rossmann frägt, was Ihr Ministerium in Vorbereitung des Herrn Grasser getan hat.

Würde sich das so ergeben, wie Sie das hier ausgeführt haben, dann müsste das eine Privatveranstaltung im Ministerium gewesen sein; wenn es kein Verwaltungsakt war. Es war aber wohl ein Verwaltungsakt – hoffen wir wenigstens; wenn auch mangelhaft und kritisierenswert, dazu kommen wir noch –, und wenn es ein Verwaltungsakt war, dann müssen Sie das hier auch vorlegen und beantworten und nicht Herrn Kollegen Rossmann die lange Nase zeigen und sagen, er soll in den Untersuchungsausschuss gehen und dort nachschauen, wo dann die Präsidentin darüber wacht, dass ich Rossmann ja nichts gebe! – Das hat ja schon etwas von Nestroy.

Aber jetzt retten wir die Sache, und in einem Akt der Notwehr werden wir hier einmal den Herrn Bundesminister und die Frau Präsidentin, die hier indirekt eine Rolle spielt, nämlich dann wieder als Vorsitzende im Ausschuss, in die Sache einbinden, um voran­zukommen.

Erstens würde ich einmal alle auffordern, auch Sie, Frau Präsidentin, auf den Herrn Minister einzuwirken, dass man alles bekommt, was hier vorliegt, und ich sage Ihnen auch, warum das so interessant ist, und das richtet sich an beide Adressen. Es ist nicht so, dass ein Minister keine kalendarischen Eckdaten bekommen soll, wer wann was war, dass er keine bestimmten Inhalte bekommen soll, denn wieso soll sich jemand nach zehn Jahren an alles erinnern. Ich habe das sehr wohlwollend betrachtet, ich habe überhaupt nicht aufgejault oder irgendetwas, auch andere unserer Fraktion nicht.


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Wieso nicht auch ein Minister vor seiner Befragung gewisse Unterstützung bekommen soll, das ist nicht das Thema, die Frage ist nur: Was bekommt er? – und da gibt es zahlreiche Grenzüberschreitungen, die weit in das Unzulässige hineinragen!

Erstens einmal, und das muss ja schon aus dem – ich weiß nicht – Hausverstand heraus, den Grasser ja früher auch immer strapaziert hat, einsichtig sein: dass man einen Minister nicht brieft, und zwar sehr sensibel und ausführlich und politisch intendiert – wir werden gleich ein paar Schmankerl hören –, zu einer Zeit, in der er gar nicht mehr Minister war. Was soll denn das? Wie kommt der Generalsekretär Ihres Hauses, dem Sie sogar noch ursprünglich ein Pouvoir gegeben haben – allerdings muss ich zu Ihrer Ehrenrettung sagen, im Rahmen des rechtlich Zulässigen; haben Sie so geschrieben, das geht aus der Korrespondenz hervor; dann hat er halt über die Stränge geschlagen –, dazu?

Das ist jener Kramer, der in einer Sektion fuhrwerkt, der im Übrigen in einer Einheit mit anderen den Untersuchungsausschuss – das muss man noch einfügen – schon mit hat auflaufen lassen und sich monatelang damit beschäftigt hat, wie, entgegen der neuen Verfassungslage und der Geschäftsordnung und Verfahrensordnung dieses Hauses, Akten zu schwärzen sind. Der ist ja schon grundverdächtig, dem kann man das ja gar nicht geben. Die haben sich – und das hat auch einen Haufen Geld gekostet, sie haben Gutachten eingeholt; alles unter Ihren Augen oder ohne dass es Ihnen gesagt wurde; das bleibt ja so wie immer offen – schon in die völlig falsche Richtung betätigt, immer Anti-Aufklärung, immer Anti-Untersuchungsausschuss – und so jemandem überlässt man das Briefing! Das ist nämlich ein alter Spezi von Grasser, muss man wissen. Grasser hat ihn damals in sein Kabinett geholt. Ich will jetzt nicht sagen, Trojanisches Pferd, dazu fehlt ihm die Kompetenz – aber immerhin: ein Vorgang, den man so nicht hätte machen dürfen.

Was macht dieser Kramer? Was machen die Beamten, auch Herr Lejsek? – Der ist nicht inkompetent, er ist zumindest wichtig. Jahrelang betreut er die Dinge, um die es hier geht. Jahrelang ist er für das Ministerium zuständig, wie die Bankenaufsichten zu funktionieren haben, wie die Kontakte zur Notenbank, zur FMA – lauter Stammgäste mittlerweile im Ausschuss, Lejsek selbst auch – laufen. Und Lejsek ist sich auch nicht zu blöd – das sieht man in dieser ganzen Korrespondenz –, dass er den Herrn Minister brieft in einer Angelegenheit, zu der er selbst dauernd befragt wird. Das geht sogar so weit, dass Lejsek dem Minister wesentlich klarere Antworten gibt in eine bestimmte Richtung: dass eigentlich die Notenbank niemals hätte quasi non-distressed schreiben sollen, denn eigentlich haben wir von ihr ja sound, also gesund, oder notleidend verlangt. Das schreibt er hier ganz einfach so salopp hinein, aber im Ausschuss kann man ihm noch eine Stunde nachrennen, damit er überhaupt zu einer Aussage fähig ist. – Das nur am Rande. (Abg. Tamandl: Was hat das mit dem Herrn Minister zu tun?)

Das hat sehr viel mit ihm zu tun, weil der Herr Minister es zulässt, dass genau diese Beamten einen seiner Vorgänger briefen, zum Beispiel zu Zeiten, in denen er gar nicht mehr Minister war. Das geht überhaupt nicht, Stichwort Hausverstand! (Beifall bei den Grünen.)

Setzen wir da gleich fort: Es geht auch darum, dass hier Unvereinbarkeiten zusam­menkommen, wie ich ja angekündigt habe, und da hört sich der Spaß jetzt wirklich auf! Genau an der Grenze, als Grasser noch aktiv war, fragt er nach, wann – und das war nachher – die Bayern gekauft haben. Das war nachher, das war nach Grassers Amtszeit, aber er weiß, warum, und Kramer spielt mit, und Sie haben es nicht ver­hindert!

Der Herr Bundesminister für Finanzen außer Dienst Grasser hat sich in den letzten Wochen seiner aktiven Amtszeit – und ich sage es hier so, wie es ist – von einem Tilo


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Berlin – Sie wissen genau, wer der ist – anfüttern lassen, in einen Deal einzusteigen, wo gegen die Interessen der Steuerzahler an dem ganzen Hypo-Elend damals schon noch mitverdient wurde. (Abg. Rädler: Hallo! Hallo! – Abg. Wöginger: Das ist ja kein Gerichtssaal hier!) Das wissen Sie ganz genau.

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter, ich würde Sie bitten, bei Ihren Formulie­rungen von verletzenden und herabwürdigenden Äußerungen abzusehen, die haben hier im Hohen Haus keinen Platz!

 


Abgeordneter Mag. Werner Kogler (fortsetzend): Ich erkläre Ihnen gerade die Unver­einbarkeit – und das hätten Sie ja mitverfolgen können im Untersuchungsausschuss, deshalb verstehe ich die Intervention umso weniger –, dass dieser Tilo Berlin einen Zwischenschnitt organisiert hat – er nennt das im Übrigen selbst Deal –, wodurch eine ganze Reihe von Betuchten noch einmal am Elend der Steuerzahler verdient hat. Ich wiederhole das!

Und wer ist mitten drin, anstatt das zu verhindern? – Unser Herr Bundesminister für Finanzen außer Dienst! Ich kann Ihnen das vorlesen – an die Mail-Adresse des Meischi gesendet –: Sehr geehrter Herr Minister Grasser, im Auftrag von Dr. Berlin schicke ich Ihnen die Zeichnungsscheine. – Zitatende.

Damit er schnell noch mitschneiden darf, der Herr Bundesminister in Amt und Würden! Ein paar Wochen später war er es nicht mehr, aber er frägt – und das ist völlig unvereinbar (Präsidentin Bures gibt das Glockenzeichen) – Ihre Mitarbeiter, wie sich das später im Bayern-Deal verhalten hat. Unvereinbarer geht es nicht mehr! Sie sind alle ertappt, und jetzt erklären Sie sich! (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der NEOS sowie der Abg. Dietrich.)

15.59


Präsidentin Doris Bures: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Bundesminister Dr. Schelling. Herr Minister, Ihre Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte.

 


16.00.26

Bundesminister für Finanzen Dr. Johann Georg Schelling: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Also, Herr Abgeordneter Kogler, wenn ich Ihnen hier zuhöre, bin ich zum ersten Mal wirklich überzeugt der Meinung von Frau Griss, die sie heute bekannt gegeben hat. Denn: So aufzutreten und damit auch den Untersuchungsausschuss zu desavou­ieren, das ist schon eine eigenartige Vorgangsweise. (Abg. Kogler: Wer desavouiert den Untersuchungsausschuss?)

Wenn Sie sich hier herstellen und anderen unterstellen, dass sie sich nicht rechts­konform verhalten haben, dann frage ich Sie, wie Sie aus sogenannten nichtöffent­lichen Akten – wie Sie es selbst nennen – Transkripte anfertigen und den Medien übergeben. (Oh-Ruf des Abg. Rädler.) Sie können einmal erklären, ob das rechts­konform ist oder nicht! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Kogler. – Abg. Tamandl: … lächerlich, was ihr da macht!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Frage hat die Vorsitzende des Unter­suchungsausschusses zu beleuchten und ist nicht Gegenstand dieser Anfragebeant­wortung.

Mir war es von Anfang an wichtig, dass die Unterstützung des Untersuchungsaus­schus­ses so umfassend wie rechtlich möglich erfolgt. Der Bundesminister außer Dienst Mag. Karl-Heinz Grasser hat am 12. Mai ein Schreiben an mich geschickt mit der Bitte um Unterstützung bei seiner Vorbereitung auf die Befragung im parlamentarischen Untersuchungsausschuss und mit dem Hinweis, dass er sonst aufgrund der Tatsache, dass er schon lange nicht mehr im Amt ist, möglicherweise keine Aussagen tätigen kann.


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Am 29. Mai wurde dieses Schreiben beantwortet: „Das Bundesministerium für Finan­zen und ich sind bemüht, dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Aufklärung“ – und so weiter.

Weiters: „In diesem Sinn unterstützen wir auch alle Auskunftspersonen so weit wie möglich. Gerne können Sie sich zu diesem Zweck“ an eine Auskunftsperson im Minis­terium wenden – und das ist der zitierte Sektionschef Kramer –, der als Aus­kunfts- und Kontaktperson zur Verfügung stand.

Ziel war es – und das ist auch ganz klar zum Ausdruck gebracht worden –, ihn im Rahmen des gegebenen Rechtsrahmens bei der Sammlung von Zahlen, Daten und Fakten aus seiner Amtszeit zu unterstützen, um ihm eine umfassende Aussage im Untersuchungsausschuss zu ermöglichen. Ich glaube, dass die Kritik, wenn er dort gesagt hätte: Ich kann mich daran nicht mehr erinnern, ich habe keine Unterlagen!, von der anderen Seite gekommen wäre (Ruf bei der ÖVP: Genau!) und man uns dann möglicherweise unterstellt hätte, dass wir diese Unterstützung nicht gewähren. (Abg. Tamandl: Keine Unterlagen!)

Zum Zeitpunkt der Befragung von Mag. Grasser im Untersuchungsausschuss lagen mir keine Informationen über ihm übergebene Unterlagen vor. Nachdem ich davon erfahren habe, habe ich angeordnet, diese Unterlagen selbstverständlich dem Unter­suchungsausschuss zu übermitteln, was auch erfolgt ist.

Die Frage der Unterlagen, die an den Untersuchungsausschuss übermittelt wurden, ist nämlich genau das, was Sie anders darstellen – mit einer Art von selektiver Wahr­nehmung. Ihr Kollege Rossmann hat sie in seiner parlamentarischen Anfrage gestellt; ich zitiere Punkt 11 seiner Anfrage:

„Haben Sie die Antworten an Karl-Heinz Grasser an den Hypo-U-Ausschuss über­mittelt?“ – Ja. (Zwischenrufe der Abgeordneten Tamandl und Rossmann.) – Herr Rossmann, Sie kommen dann ohnehin zu Wort. (Zwischenruf des Abg. Brosz.)

Frage 24: „Werden Sie die Fragen von Karl-Heinz Grasser an Hans-Georg Kramer dem Parlament, insbesondere den Mitgliedern des Hypo-U-Ausschusses, zur Verfü­gung stellen?“ – Ja.

Frage 32: „Werden Sie die Antworten von Hans-Georg Kramer an Karl-Heinz Grasser dem Parlament, insbesondere den Mitgliedern des U-Ausschusses, zur Verfügung stellen?“ – Ja. (Zwischenrufe der Abgeordneten Rädler und Tamandl.)

Sie sehen, wir haben nicht das gemacht, was Sie, Herr Rossmann, hier unterstellen, nämlich dass wir die Unterlagen nicht zur Verfügung stellen. Sie selbst fordern in Ihrer Anfrage, dass wir diese Unterlagen dem Untersuchungsausschuss zur Verfügung stellen (Zwischenrufe der Abgeordneten Wöginger und Rossmann), stellen sich dann vor die Medien und behaupten, Sie hätten diese Unterlagen nicht, die wir dem Untersuchungsausschuss zur Verfügung gestellt haben. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Wöginger.)

Herr Rossmann, zumindest seit heute haben Sie sie; Sie haben sie bei der Presse­konferenz selbst verteilt. Das sind die Unterlagen, die Sie heute verteilt haben (der Redner hält ein Schriftstück in die Höhe – Zwischenruf des Abg. Rossmann); das sind Transkripte aus dem Akt, der ja offensichtlich ein nichtöffentlicher ist. (Abg. Kogler: Sie hätten …! – Rufe und Gegenrufe zwischen den Abgeordneten Tamandl und Brosz.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich verstehe daher den Vorwurf des Herrn Rossmann, der sich beschwert, dass ihm die Unterlagen nicht bekannt wären und dass er – wie Sie es ausdrücken – sich seines Interpellationsrechts beraubt fühlt, nicht, wenn er gleichzeitig diese Unterlagen bei einer Pressekonferenz verteilt.


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Wenn die Anfrage so gestellt wird – wann stellen wir die Unterlagen dem Unter­suchungsausschuss zur Verfügung? –, dann darf ich noch darauf hinweisen, dass diese Unterlagen, bevor die Anfragebeantwortung erfolgt ist, dem Untersuchungsaus­schuss zur Verfügung gestellt wurden. Sollten weitere Anfragen von ehemaligen Finanz­ministern in meinem Ressort einlangen, dann werde ich genauso handeln und werde gleichzeitig der Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses schriftlich mit­teilen, dass diese Anfrage bei uns eingelangt ist. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Kogler: Sie schreiben ja im ersten Absatz, Abgeordneter Rossmann müsse das schon ken­nen! – Abg. Wöginger: … einem Satz! – Bundesminister Schelling: Ja, redet ihr nichts miteinander? – Abg. Kogler: Ich darf sie ihm ja nicht …! – Bundesminister Schelling: Heute bei der Pressekonferenz …!)

16.05


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Greiner. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

 


16.05.27

Abgeordnete Mag. Karin Greiner (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bun­desminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich eines feststellen: Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier eine Theoriedebatte geführt wird, nämlich betreffend UsA – Untersuchungsausschuss – als Minderheitsrecht, und Interpellationsrecht; aber das sei einmal dahingestellt.

Lieber Kollege Kogler, ich habe auch den Eindruck, dass man Sie, wenn man nicht unmittelbar mit dem Untersuchungsausschuss befasst ist, nicht wirklich verstanden hat. Ich werde mich bemühen, den Zusehern das jetzt verständlich darzulegen. Ich darf Ihnen versichern, lieber Kollege Kogler, auch heute werde ich sagen, was ich möchte.

Seitens der sozialdemokratischen Fraktion darf ich festhalten, dass das Verhalten des Sektionschefs Hans-Georg Kramer, des ehemaligen Mitarbeiters des Finanzministers Grasser, auch für uns sehr eigentümlich ist und auch für uns nicht den ureigensten Aufgaben eines Kabinettsmitarbeiters entspricht. (Zwischenrufe der Abgeordneten Moser und Kogler.)

Weil wir gerade beim damaligen Finanzminister Grasser sind: Lassen Sie mich dazu neue Erkenntnisse aus dem Untersuchungsausschuss bringen! Das darf ich jetzt auch an Frau Dr. Griss richten, die heute gemeint hat, der Untersuchungsausschuss bringe keine Erkenntnisse. Lassen Sie mich jetzt eine Erkenntnis bringen und dann noch eine weitere! Ich beziehe mich auf eine Intervention des damaligen Finanzministers Grasser im Zusammenhang mit einem Geschäftsleiterenthebungsverfahren.

Worum ging es dabei genau? – Es ging dabei darum, dass die Vorstände der Finanz­marktaufsicht – das waren damals die Herrn Pribil und Traumüller – gegen Kulterer in seiner Funktion als Vorstand der Bank ein Geschäftsleiterenthebungsverfahren angestrebt haben. Dann schrieb der damalige Landeshauptmann Haider einen netten Brief an Herrn Finanzminister Grasser. Und was macht dieser? – Finanzminister Gras­ser schaltet sich in die Materie ein. (Ruf bei der ÖVP: Was wird das jetzt?) – Das wird jetzt eine Ausführung über eine neue Erkenntnis aus dem Untersuchungsausschuss. (Zwischenruf des Abg. Lugar.)

Man muss schon sagen: Eine Intervention, wenn es um ein Geschäftsleiterent­he­bungs­verfahren geht, und dann schaltet sich ein Finanzminister ein (Zwischenruf des Abg. Lugar), das ist einzigartig in der Geschichte und – und das darf ich jetzt auch an die Adresse der Freiheitlichen richten – ein politischer, ein blauer politischer Skandal. Das hat es vorher überhaupt noch nicht gegeben. (Zwischenruf beim Team Stronach.)


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Weil wir gerade bei Finanzminister Grasser sind (Abg. Walter Rosenkranz: Wann war denn das, vom Jahr her?): eine weitere Erkenntnis aus dem Untersuchungsausschuss. 2001 gab es eine Bank … (Zwischenruf des Abg. Walter Rosenkranz.– Sind Sie Mitglied im Untersuchungsausschuss? Darf ich das vielleicht berichten? Ich möchte es auch Ihnen näherbringen. (Abg. Walter Rosenkranz: … im Vorsitz! … im Internet nachlesen! – Abg. Rädler: Sie bringen’s nicht rüber!)

Der damalige Herr Finanzminister hat 2001 bezüglich einer Bankenprüfung bei der Hypo interveniert. Die Bankenprüfung war konzipiert, sollte stattfinden. Was geschah dann? – Der Finanzminister hatte den Eindruck, dass diese Bankenprüfung nicht ausreichend umfangreich ist, und änderte den Prüfauftrag zur Bankenprüfung. Auch das ist ein einzigartiger Vorgang in der Polithistorie, auch das hat es noch nicht gegeben. (Abg. Lugar: Was hat das mit der Anfragebeantwortung zu tun?)

Das sind Erkenntnisse aus dem Untersuchungsausschuss. (Abg. Lugar: … Themen­verfehlung!) Frau Präsidentin Griss hat während der Gespräche, die sie geführt hat, Aufzeichnungen gemacht, Protokolle angefertigt, Herr Kollege Lugar (Abg. Kogler: Kramer hat damals mitgemischt …!), und vorige Woche hat der Untersuchungs­aus­schuss beschlossen – Sie müssten das wissen (Zwischenruf des Abg. Rädler) –, dass diese Gesprächsaufzeichnungen und Protokolle dem Untersuchungsausschuss zur Verfügung gestellt werden. Wir freuen uns schon darauf; auch diese werden wir sehr, sehr aufmerksam lesen. (Zwischenrufe der Abgeordneten Rädler und Kitzmüller.)

Ich darf noch kurz an Kollegen Rossmann appellieren und festhalten, dass die Präsidentin in ihrer Funktion als Vorsitzende des Untersuchungsausschusses völlig korrekt gehandelt hat. (Abg. Kogler: Ja, eh!) – Ich sage das zum Kollegen Rossmann. (Abg. Rossmann: Ich habe nichts Gegenteiliges behauptet!) Sie hat die Unterlagen als Vorsitzende des Untersuchungsausschusses erhalten. Der Untersuchungsausschuss verfügt über die Unterlagen, und wir alle wissen, der Untersuchungsausschuss ist ein parlamentarisches Instrument. Wenn Sie das fraktionsintern nicht besprechen oder sich nicht austauschen (Abg. Rossmann: Ich habe eine Anfrage an den Herrn Minister gestellt!), dann ist das Ihre Sache.

Abschließend: Es wurde hier bei der Übermittlung der sogenannten Briefing-Unter­lagen korrekt gehandelt. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

16.10


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Tamandl. – Bitte. (Abg. Walter Rosenkranz: Frau Kollegin Tamandl, können Sie das jetzt toppen?)

 


16.10.37

Abgeordnete Gabriele Tamandl (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Sehr geehrte Damen und Herren an den Fernsehschirmen – wahrscheinlich hat ohnehin schon jeder abgedreht! (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Werte Kolleginnen und Kollegen! Es ist interessant, dass Herr Kollege Kogler, der offen­sichtlich im Untersuchungsausschuss unter den zahlreichen, den Millionen von Unterlagen die Smoking Gun nicht findet (Abg. Kogler: Da raucht’s ja überall raus!), immer wieder versucht, den Untersuchungsausschuss über Politspektakel ins Plenum oder in die Presse zu bringen. (Zwischenruf des Abg. Rädler.)

Ich weiß nicht, was heute dem Herrn Bundesminister vorgeworfen wird. Es gab heute eine Pressekonferenz – das wurde schon angesprochen –, und bei dieser Presse-konferenz hat besagter Herr Rossmann, der die schriftliche Anfrage gestellt hat, ein Dokument vorgelegt – der Herr Finanzminister hat es schon vorgezeigt –, das abge­tippt ist. Jeder Klub kann das mit einem Faksimile des jeweiligen Klubs versehene Exemplar jederzeit einsehen und Abgeordnete oder Mitarbeiter nennen, die Zugang zu


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den Akten haben und somit auch Zugang zu den Akten, welche an Herrn Bundes­minister außer Dienst Grasser übermittelt worden sind. Das geht innerhalb von zwei Minuten. Das hätte man machen können, aber offensichtlich redet Kogler nicht mit Rossmann, denn sonst wäre das nicht passiert. (Abg. Kogler: Nein, es geht ja um die Öffentlichmachung! Eine Anfragebeantwortung ist öffentlich!)

Kollege Rossmann hat heute gemeint, die Anfragebeantwortung sei nicht korrekt erfolgt. – Das stimmt überhaupt gar nicht, weil in einigen Punkten, beispielsweise in Punkt 44, drinnen steht – da geht es wieder um diese besagten Unterlagen –: wenn ja, werden diese Unterlagen auch dem Parlament, insbesondere den Mitgliedern des Untersuchungsausschusses, mit der Information, dass Karl-Heinz Grasser diese Unterlagen erhalten hat, zur Verfügung gestellt.

Kollege Rossmann, das ist erfolgt, das ist korrekt erfolgt (Abg. Rossmann: Habe ich die Unterlage jemals bekommen?), und Frau Präsidentin Bures als Vorsitzende des Untersuchungsausschusses hat genauso korrekt gehandelt. (Abg. Rossmann: Habe ich die Unterlage jemals bekommen?)

Der Klub kann Ihnen die Möglichkeit geben, Zugang zu den Unterlagen zu erhalten – ich habe Ihnen das gerade erklärt: § 12 des Informationsordnungsgesetzes. (Abg. Rossmann: Ich habe eine Anfrage gestellt …!) Die Grünen haben im Übrigen die Verfahrensordnung und das Informationsordnungsgesetz mitbeschlossen (Zwischen­rufe der Abgeordneten Wöginger und Rädler), und Sie haben hier auch mitgestimmt, daher sollten Sie wissen, unter welchen Voraussetzungen Sie zu diesen Unterlagen kommen können. (Abg. Kogler: Eine Anfragebeantwortung ist generell öffentlich!) Das heißt: Der Herr Finanzminister hat ganz korrekt geantwortet.

Ich halte das wirklich für ein Politspektakel, das Herr Kogler da abführt (Zwischenruf des Abg. Rädler), und ich muss ganz ehrlich sagen: Wir haben Bundesminister Grasser im Ausschuss gehört, er hat unter Wahrheitspflicht ausgesagt. Er hat auch ganz offen gesagt, dass er Unterlagen bekommen hat. (Abg. Kogler: Habe ich nicht infrage gestellt!) Ob uns das jetzt gefällt, wie sich Herr Sektionschef und General­sekretär außer Dienst Kramer da verhalten hat, das ist eine andere Sache (Abg. Kogler: Um das geht es jetzt aber!); aber dem Herrn Finanzminister kann man da überhaupt keine Vorwürfe machen.

Der Herr Finanzminister hat auch ganz klar dargelegt, wie er mit der Sache umge­gangen ist. Er hat gesagt, er hat Kramer das übergeben, Kramer hat das gemacht. Die Unterlagen liegen dem Untersuchungsausschuss vor (Abg. Kogler: … der war ja vorher schon verhaltensauffällig, der Kramer! – Ruf bei der ÖVP: Du bist kein Richter!), und Herr Rossmann kann sie jederzeit einsehen, wenn der Klub ihn nominiert, dass er die Unterlagen sehen kann. Ja, der Herr Kollege Kramer war auch schon einmal im Untersuchungsausschuss.

Weil die Schwärzungen heute angesprochen worden sind (Zwischenruf des Abg. Kogler): Der Finanzminister war der Erste, der den Verfassungsgerichtshof angerufen hat, ob diese Schwärzungen rechtlich notwendig oder möglich sind oder nicht. Der Herr Finanzminister hat dem Untersuchungsausschuss ständig alle Informationen zur Verfü­gung gestellt. Wir haben eine Fraktionsführersitzung gehabt, der Herr Finanzminister war anwesend – er hat das sogar selbst initiiert –, und er hat gesagt: Ja bitte, stellt mir Fragen, wir können über alles sprechen! – Was haben die Fraktionen dann gemacht? Der Herr Finanzminister ist eineinhalb Stunden dort gesessen, und keiner der Frak­tionsführer aus der Opposition hat dem Herrn Finanzminister eine Frage gestellt.

Wie kann man das also zusammenfassen? – Das kann man folgendermaßen zusam­menfassen: alle paar Wochen eine Debatte über die Verfahrensordnung, alle paar Wochen ein Sturm im Wasserglas, weil ganz einfach dieser Untersuchungsaus-


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schuss – auch dir, lieber Werner Kogler – nicht aufgehen will. Und jetzt brauchst du noch Kollegen Rossmann dazu, dass er hier eben dieses Politspektakel für dich mitge­staltet und organisiert.

Ich muss ganz ehrlich sagen: Ich bin nicht mit Frau Griss einer Meinung, dass der Untersuchungsausschuss sofort abgestellt oder eingestellt werden soll, aber angesichts dessen, was sich hier heute abspielt, kann man nur sagen: Dem ist dann nichts mehr hinzuzufügen, wenn wir uns nur damit beschäftigen, wer irgendwann welche Informationen bekommen hat. Ich kann mich an Debatten erinnern, in denen es geheißen hat: Warum hat der Finanzminister da nicht sichergestellt, dass Unterlagen zur Verfügung gestellt werden? Hätte Grasser sich hingestellt und gesagt: Ich habe keine Unterlagen gekriegt, ich kann überhaupt keine einzige Frage beantworten! (Abg. Kogler: Zu seiner Amtszeit!), na da hätte ich dich sehen wollen, wie du dann reagiert hättest.

Der Herr Finanzminister hat korrekt agiert, der Herr Finanzminister hat alle Fragen korrekt beantwortet. Die Unterlagen liegen vor, und, Kollege Rossmann, wenn du immer noch der Meinung bist, du hättest die Unterlagen nicht oder du hättest sie nicht bekommen, dann frage vielleicht die Journalisten, die heute bei deiner Pressekon­fe­renz anwesend waren, ob sie sie dir zur Verfügung stellen – sie haben sie nämlich! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Rossmann. – Abg. Kogler: Das wird immer absurder!)

16.15


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Angerer. – Bitte.

 


16.16.05

Abgeordneter Erwin Angerer (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Frau Kollegin Tamandl, in der Sache muss ich den Grünen schon ausnahmsweise einmal recht geben, dass nämlich die Art und Weise der Antworten und der Handlungen des Herrn Ministers in der Causa Hypo schon immer hinterfragenswürdiger werden. – Schauen wir uns das einmal an!

Das Briefing von Herrn Grasser: Herr Grasser schreibt einen netten Brief an den Herrn Finanzminister, da steht drinnen: Lieber Herr Finanzminister, es wird ja wohl auch in Ihrem Interesse und im Interesse Ihres Hauses sein, dass man die Zeit 2000 bis 2007 und darüber hinaus möglichst gut darstellt. Also das war schon einmal der Aus­gangspunkt (Abg. Rädler: Na, „gut darstellt“ steht nicht da! – Ruf bei der FPÖ. Weißt du das?), dass es wohl auch im Interesse des Ministeriums sein müsse, dass man das im Untersuchungsausschuss möglichst positiv darstellt.

Dann geht es um das Briefing: Wenn man sich die Herren und Damen, die in den Untersuchungsausschuss kommen, anhört, dann merkt man, sie sind perfekt gebrieft. Herr Minister, mir kommt vor, die Stellungnahmen, die die Damen und Herrn jedes Mal vorlesen, schreibt auch jemand vor; ich weiß nicht, ob Sie die dann auch freigeben.

Vertuschungen haben wir auch schon angesprochen, Aktenschwärzungen – zuerst war der Untersuchungsausschuss durch Aktenschwärzungen behindert –, Lobbying: Das sind offensichtlich alles Themen, die in der ÖVP sehr groß geschrieben werden. (Abg. Tamandl: Was soll das? Was soll das?) – Ich komme schon noch darauf zurück, ich erzähle es Ihnen gleich.

Da kommt heute wieder der ominöse Brief von Herrn Haider zur Sprache. 2006 schreibt Herr Haider einen Brief an Herrn Finanzminister Grasser, beschwert sich über die Finanzmarktaufsicht und sagt, er werde den Rechtsstaat einschalten. (Abg. Wöginger: War leicht der Haider ein Schwarzer?) Nichts anderes steht in diesem Brief. Und jetzt haben wir im Untersuchungsausschuss ein Dokument von einer gewis-


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sen Firma Publico gefunden, die von der Hypo einen Auftrag erhalten hat, um gegen die Finanzmarktaufsicht zu lobbyieren und für die ÖVP Wahlkampf zu betreiben. (Zwischenrufe bei FPÖ und ÖVP.)

In diesem Lobbying-Auftrag an das Unternehmen Publico stehen ganz interessante Namen drinnen: Herr Matznetter, Herr Molterer, Herr Pröll, Herr van Staa, Herr Pühringer – also ganz interessante Namen (Abg. Wöginger: Nur der Haider nicht!), Personen, bei denen lobbyiert werden sollte und die auch lobbyiert haben. (Abg. Strasser: Beim Haider war’s nicht notwendig!) Und das Schöne an dem Ganzen ist: Wem gehörte die Firma Publico zu diesem Zeitpunkt, und wer war der Geschäfts­führer? – Herr Staatssekretär Mahrer! (Ruf bei der FPÖ: Ei, ei, ei!) Der heutige Herr Staatssekretär Maher lobbyierte für die Hypo gegen die Finanzmarktaufsicht und machte Wahlkampf für die ÖVP.

Da stellt sich schon die Frage, Herr Minister, ob das heute auch noch so ist, wenn das in der ÖVP so üblich ist. Sie werden das vielleicht noch brauchen, denn schauen wir uns die Verstaatlichung an, was da abgelaufen ist und die ja jetzt gerade behandelt wird: Die Bayern waren höchst professionell beraten, auf der österreichischen Seite sitzen die österreichischen Beamten, denen ich nicht unterstellen will, dass sie nicht fachkundig sind, aber die Bayern waren eben wesentlich besser beraten. (Zwischen­rufe der Abgeordneten Wöginger und Strasser.)

Was kommt heraus? – Die Bayern holen sich einen Gewährleistungsverzicht, die Bayern holen sich die Kredite aus der Bank zurück, die wir brav zurückzahlen, die Bayern holen sich ein Mitspracherecht. Herr Nowotny sagte uns, der Sinn der 100-Prozent-Übernahme der Bank war, dass man alleine in der Bank regieren kann. Was tut man? – Man übernimmt die Bank, und dann muss man die Bayern fragen, wenn man irgendetwas in der Bank tut. Also das ist ja wirklich eine „Leistung“, die da vollbracht worden ist, die unvorstellbar ist! (Beifall bei der FPÖ.)

Man muss sich einmal anschauen, was heute in der Bank abgeht: Nach der Verstaat­lichung hat Herr Almunia Frau Fekter, die leider gerade nicht hier ist, ermahnt, endlich tätig zu werden, denn sie war jahrelang untätig, hat nicht dafür gesorgt, dass die Bank abgewickelt wird, hat keine Abwicklungsbank eingerichtet, keine entsprechen­den Maßnahmen gesetzt, sodass ihr von der EU Maßnahmen angedroht wurden. Aber trotzdem ist nichts passiert, bis zum Schluss, bis dann endlich Herr Schelling die Not­bremse gezogen hat, natürlich viel zu spät. Und heute müssen unter großem Druck die gesamten Assets dieser Bank zu einem minderen Preis verkauft, um 30, 40 Pro­zent unter dem realen Wert, unter dem Ertragswert, der sowieso schon am Boden ist.

Das passiert heute in der Bank. Das heißt, die Bank wird noch einmal ausgeräumt. – Das ist die „Erfolgsgeschichte“ der Bank, Ihrer Politik, vor allem jener des Finanzminis­teriums. (Abg. Wöginger: Glaubst du das noch, was du da erzählst? Und das ist ein Kärntner Freiheitlicher!)

Herr Minister, Sie sind mit der Ansage gekommen, der Minister zu sein, der ein Macher in der Politik ist – der Finanzminister als Macher! (In den ÖVP-Reihen wird eine Tafel mit der Aufschrift „Hypo-Kärnten Danke, FPÖ“ in die Höhe gehalten.) Sie müssen aufpassen, dass Sie nicht als der Vertuscher aus der Regierung ausscheiden! (Beifall bei der FPÖ. Abg. Wöginger: Zuerst zünden Sie die Hütte an, und dann lassen Sie die Feuerwehr nicht dazu! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)


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16.20


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Mag. Rossmann zu Wort. – Bitte.

 


16.20.10

Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Minister! Hohes Haus! Na ja, Frau Kollegin Tamandl, ich verstehe schon, dass Sie das tun, was Sie immer tun: Sie verteidigen den Finanzminister und sagen, er habe korrekt ge­handelt. (Abg. Auer: Und Sie tun das, was Sie immer tun: Sie phantasieren!) Ich sage, der Herr Finanzminister hat zum Teil korrekt gehandelt, aber nur in dem Punkt, wo er auf meine Frage geantwortet hat, ob er die Dokumente an den Untersuchungs­ausschuss übermittelt hat. – Das hat er getan. (Zwischenruf der Abg. Tamandl.)

Was der Herr Finanzminister aber nicht getan hat – und da hat er nicht korrekt gehandelt –, ist zum Beispiel, in seiner Anfragebeantwortung die Fragen 5 bis 8 zu beantworten, die ich gestellt habe, in denen es nämlich mir als Anfragesteller, nicht als Mitglied des U-Ausschusses, sondern als Anfragesteller, darum geht, zu erfahren, erstens, welche Fragen Karl-Heinz Grasser gestellt hat, und zweitens, was die Antwor­ten des Ministeriums auf diese Fragen waren. – Dazu habe ich bis heute aus dem Finanzministerium nichts erfahren!

Das heißt, Herr Finanzminister, Sie haben schlicht und einfach eine Reihe von Fragen überhaupt nicht beantwortet. Und es ist ja so, dass Sie mit der Übermittlung dieser Akten auf dem Weg eines E-Mails durch Ihren Herrn Sektionschef Kramer doch genau wissen mussten, dass diese Unterlagen, die Sie an die Frau Präsidentin in ihrer Funktion als Vorsitzende des Untersuchungsausschusses übermitteln, nicht öffentlich sind und daher für mich nicht zugänglich.

Jetzt ist es aber so, dass ich ein Interesse hatte, genau zu erfahren, was da drinnen steht und was geantwortet worden ist. (Abg. Kogler: Auch die Öffentlichkeit!) Und wenn ich ein Recht habe, hat damit – und damit gebe ich Herrn Kollegen Kogler recht – natürlich die gesamte Öffentlichkeit ein Recht darauf, zu erfahren, was da drinnen steht, und nicht nur die Herren und Damen Abgeordneten des Untersuchungs­ausschusses! (Beifall bei den Grünen. Abg. Tamandl: Das ist total peinlich, was Sie da aufführen! Abg. Wöginger: Haben Sie keinen Klub?!) Die gesamte Öffentlichkeit, alle haben ein Recht darauf, und das enthalten Sie mir vor, Herr Finanzminister! Genau damit tun Sie das, was Werner Kogler gesagt hat: Sie nehmen mir das Interpellations­recht! Und das, Herr Finanzminister, werde ich mir nicht nehmen lassen! Ich halte das für einen unerhörten Fehltritt, Herr Kollege! (Abg. Wöginger: Gehen Sie zur Klub­obfrau!)

Und weil ich darauf beharren werde, habe ich natürlich bereits eine Folgeanfrage vorbereitet (Bundesminister Schelling: Gerne, Herr Rossmann!), und glauben Sie mir: Wenn Sie mir in den nächsten zwei bis drei Tagen – und dazu fordere ich Sie auf – diese Unterlagen nicht zukommen lassen, die wir heute teilweise in einer Notwehr­aktion der Öffentlichkeit – einer beschränkten Öffentlichkeit – zur Verfügung gestellt haben, dann werde ich nicht lockerlassen und immer wieder auf Sie zukommen, und zwar so lange, bis ich an die Dokumente dieses Grasser-Briefings herangekommen bin. (Abg. Wöginger: Weil sie es dir nicht geben, die Eigenen! Abg. Tamandl: … illegal, Kollege Rossmann! Abg. Wöginger: Gehören Sie dem grünen Klub noch an?)

Und zweitens: Wer hat denn die Briefings vorgenommen? Sie schreiben mir in Ihrer Anfragebeantwortung, Sie haben damit Ihren damaligen Generalsekretär beauftragt, den heutigen Sektionschef Kramer. (Abg. Kogler: … der Lejsek!) Allein das ist ja schon reichlich seltsam, denn man muss ja die Vorgeschichte dieses Herrn Kramer kennen. Herr Kramer war damals, als Grasser Minister war, ein Mitarbeiter im Kabinett, aber er war nicht nur ein Mitarbeiter im Kabinett, nein, er war damals im Banken-Untersuchungsausschuss auch die Vertrauensperson von Karl-Heinz Grasser. Ich kann mich noch genau daran erinnern, ich saß damals ja selbst im Banken-Unter-


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suchungs­ausschuss, und als jemand, der in diesem Banken-Untersuchungsausschuss gesessen ist, verstehe ich überhaupt nicht, wie Sie den Herrn Sektionschef und dama­ligen Generalsekretär mit so sensiblen Fragen der Beantwortung und Erstellung dieser Dokumente beauftragen können.

Da ich jetzt aufgrund dieser Notwehraktion von heute eine Reihe von Informationen zur Verfügung habe, muss ich feststellen, dass darin tendenziöse Fragestellungen ent­halten sind, aber nicht nur das: Wenn man sich das durchliest, hat man ja durchaus auch den Eindruck, dass sich die Auskunftspersonen, die diese Dokumente teilweise erstellt haben, die teilweise dafür verantwortlich waren, dass diese zustande gekom­men sind, namentlich Herr Lejsek und Herr Sektionschef Kramer, gegenseitig aus der Patsche helfen wollen – und das ist natürlich völlig absurd!

Ich werde daher darauf beharren, dass diese Dokumente wirklich der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden können, weil die Öffentlichkeit sehen soll, welche Spiele hier von ehemaligen Grasser-Vertrauten, die heute noch in ihrer Sektion an leitender Stelle sitzen, gespielt werden. In seiner Funktion als Generalsekretär haben Sie Herrn Kramer zwar abberufen, aber noch nicht in seiner Funktion als Sektionschef der Sektion IV.

Ich fordere Sie aufgrund dieser Briefings, aufgrund der Tatsache, dass hier äußerst tendenziös vorgegangen wurde, und aufgrund der Tatsache, dass er Sie offensichtlich bei der Zurverfügungstellung der Dokumente an Grasser übergangen hat, auf, ihn sofort auch aus seiner Funktion als Sektionschef abzuberufen. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen. Bundesminister Schelling: … völlig daneben!)

16.26


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Dr. Hable gelangt als Nächster zu Wort. – Bitte.

 


16.26.47

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Herr Finanz­minister! Geschätzte Bürger und Bürgerinnen! Ich will gar nicht weiter auf die Frage eingehen, wie das prozedural abgelaufen ist, ob über das Interpellationsrecht oder ob über den Untersuchungsausschuss. Viel interessanter finde ich den Inhalt dieser Brie­fings, die dem ehemaligen Finanzminister Grasser für seine Aussagen vor dem Unter­suchungsausschuss zur Verfügung gestellt worden sind. Der Inhalt ist viel interessan­ter als das Prozedere, meine ich.

Das Procedere finde ich gar nicht so problematisch. Herr Finanzminister, Sie haben darauf hingewiesen und die Frage in den Raum gestellt, ob denn das rechtskonform wäre, dass diese Informationen an die Öffentlichkeit geraten. Wenn man sich das anschaut: Das sind Dokumente der Vertraulichkeitsstufe 1. Nun wissen wir alle, dass solche Dokumente mit dieser Stufe 1 im Untersuchungsausschuss schon längst medienöffentlich debattiert werden. Das heißt, das ist schon längst ausgestritten, durchgefochten und von uns im Untersuchungsausschuss erreicht, dass Dokumente dieser Art medienöffentlich debattiert werden und natürlich auch die Inhalte der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden.

Es ist ja auch durchaus interessant, was man da in diesem 20-Seiten-Briefing für den Ex-Minister Grasser lesen kann. Da erfahren wir zum Beispiel, dass nicht nur über den Landeshauptmann Haider im Finanzministerium Interventionen zur Abberufung der FMA-Vorstände gesetzt worden sind, sondern – das haben wir noch nicht gewusst – dass auch Karl-Heinz Moser, CONFIDA-Chef, langjähriger Wirtschaftsprüfer der Hypo, damals Aufsichtsratschef der Hypo, im Finanzministerium eben auch gegen diese FMA-Vorstände interveniert hat und diese kritisiert hat.


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Ich frage mich: Wie geht das überhaupt? Wieso kriegt der überhaupt einen Termin im Finanzministerium, um die Vorgehensweise einer offiziell weisungsfrei gestellten Be­hörde zu kritisieren? Wie kann denn das überhaupt sein?

Aber es zeigt halt auch das Sittenbild unseres Landes. Es zeigt das Sittenbild dieser Republik, dass nicht die offiziellen Linien verfolgt werden, dass nicht die rechtsstaatlich zulässigen Instrumente verwendet werden, sondern dass überall hintenherum inter­veniert wird (Beifall bei Abgeordneten der FPÖ – Abg. Kogler: Richtig!), und in diesem Fall auch im Finanzministerium. Das ist ein erschreckendes Sittenbild! – zu lesen im Briefing an Finanzminister Grasser.

Was ist noch interessant? – Ich würde nachvollziehen können, wenn man einem ehemaligen Finanzminister Zahlen, Daten und Fakten zur Verfügung stellt, die er vielleicht nicht mehr alle parat haben wird und die für seine Aussage hilfreich sind. Das kann ich nachvollziehen, aber nicht, was man ihm da sonst noch alles mitgibt. Man gibt ihm Informationen, man gibt ihm sozusagen Argumente für sein Einleitungsstatement mit, also nicht nur Zahlen, Daten und Fakten, sondern man sagt dem Ex-Minister Grasser: Das könntest du doch bei deinem Einleitungsstatement sagen, du könntest zum Beispiel auf das immer knappe Budget hinweisen – das ist ja die Standard­ausrede –, zum Beispiel darauf hinweisen, dass doch die FMA-Vorstände längere Amtsperioden haben sollten beziehungsweise dass ihnen solche zuzusichern seien! Das wird ihm mitgegeben – und nicht nur für sein Einleitungsstatement, nein, es werden ihm auch Argumente mitgegeben, welche Lehren denn der Untersuchungs­ausschuss aus dem ganzen Desaster ziehen sollte, neue Gesetze zum Beispiel, und auch da erfolgt wieder der Ruf nach mehr Budget.

Ja, neue Gesetze werden das Hypo-Desaster nicht verhindern, wenn man schon die alten Gesetze nicht gelebt und eingehalten hat! Und dass mehr Budget auch nicht helfen wird, sieht man daran, dass da ja politisch motiviert gehandelt wird. Was da dahintersteckt, das ist glasklar politische Motivation. Das sind eben nicht Zahlen, Daten und Fakten, die man einem Ex-Minister zur Verfügung stellt, wofür ich Verständnis hätte, sondern das sind politisch motivierte Aussagen. Das sind keine Fakten, das sind politische Botschaften. (Abg. Rädler: Eine emotionale Rede!) Das ist Propaganda, die man einem Ex-Minister mitgibt, damit er diese Propaganda in einem Untersuchungs­ausschuss verbreitet. Das ist alles andere als zulässig. Herr Minister, das ist völlig inakzeptabel! (Beifall bei NEOS und Grünen. Abg. Rädler: Das war jetzt eine von Emotionen getragene Rede!)

16.31


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Klubobmann Lugar. – Bitte.

 


16.31.56

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Herr Bundesminister, Sie haben heute etwas ganz Richtiges gesagt, und zwar, dass man einer Auskunftsperson selbst­verständlich die Möglichkeit geben muss, sich Daten und Fakten wieder ins Gedächtnis zu rufen, die mitunter ja 15 Jahre zurückliegen.

Wir haben ja auch im Ausschuss erlebt, was passiert, wenn das nicht der Fall ist. Da kommt dann die Auskunftsperson, und jeder zweite Satz ist: Das liegt so lange zurück, ich kann mich nicht erinnern! – Dass wir das nicht wollen, ist auch klar. Deshalb sehe ich Ihre Argumentation völlig ein, wenn Sie sagen, es ist sinnvoll, Daten und Fakten wieder ins Bewusstsein zu rufen und jemandem, der schon so lange von diesen Entscheidungen weg ist, nochmals eine Erinnerungsstütze zu geben. Keine Frage!


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 155

Was wir aber hier vorliegen haben, ist eindeutig etwas ganz anderes, und zwar: Der Herr Grasser schreibt ja an Sie: Ich gehe davon aus, dass es auch in Ihrem Interesse ist, die Arbeit des BMF in diesem Zeitraum als kompetent darzustellen. – Zitatende.

Erklären Sie mir das einmal, Herr Minister! Warum ist es in Ihrem Interesse, die Arbeit Grassers von damals im BMF als möglichst kompetent darzustellen? Da geht es ja nicht darum, zu sagen, sie war kompetent, sondern sie muss als solches dargestellt werden! Erklären Sie mir das einmal! (Bundesminister Schelling: Ich kann ja nicht …, was der Herr Grasser schreibt, Herr Lugar! Da müssen Sie den Herrn Grasser fra­gen!) – Okay, touché. Sie sagen, Sie können nichts dafür, was der Herr Grasser schreibt. – Okay! Dann bleibt die Frage: Wofür können Sie etwas?

Was ist, wenn dann Ihr Mitarbeiter nicht nur Daten und Fakten hergibt, was er auch gemacht hat, sondern Herrn Grasser auch strategische Hinweise gibt? Es wird in diesen Unterlagen gesagt, dass man den Ball von der Aufsicht wegspielen muss, und zwar soll man den Ball in Richtung Eigentümer spielen. Das heißt: Ihr Mitarbeiter sagt Herrn Grasser nicht, wie das damals gelaufen ist, sondern er sagt, wie er sich strategisch verhalten soll. Er soll nämlich den Ball von der Aufsicht wegspielen hin zu den Eigentümern – damals Land Kärnten und wie sie alle heißen. Ist das die Aufgabe Ihres Mitarbeiters? Können Sie mir das sagen? – Da haben Sie Einfluss! Auf das, was Grasser schreibt und was er will, haben Sie keinen Einfluss, aber was Sie dann machen, darauf haben Sie Einfluss. Ist das in Ordnung, dass es solche Hinweise gibt?

Oder: Es wird hier vonseiten Ihres Mitarbeiters gesagt, man muss Gerechtigkeit einfor­dern, und zwar sei es weder fair noch zielführend, die Referenten und Staatskom­missäre anzupatzen. – Das heißt, man muss sozusagen den Verdacht von den Staatskommissären weglenken – und das ist die Intention Ihres Mitarbeiters. Ist das in Ordnung? Ist das etwas, von dem Sie wollen, dass es Ihr Mitarbeiter tut? Oder dass man auch eine Wertung vornimmt, dass man den Ball sozusagen der Aufsicht übergibt, dass man sagt, die Aufsicht hat nicht korrekt beziehungsweise zu spät gehandelt. – Auch das wurde Herrn Grasser gesagt. Und der Anwalt von Herrn Grasser sagt dann, als er damit konfrontiert ist, die Anregungen sind teilweise eingeflossen. – Also es wird sogar zugegeben, dass diese Anregungen eingeflossen sind – nicht die Daten und Fakten, das ist eh Hausverstand, sondern die Anregungen, die Ihr Mitarbeiter Herrn Grasser mit auf den Weg gegeben hat.

Die Frage ist jetzt, warum Sie da mitmachen, wenn Grasser sagt, er will das möglichst positiv darstellen und Sie sollen ihm helfen, das möglichst positiv darzustellen, was damals passiert ist. Das ist ja die zentrale Frage! Können Sie uns das beantworten? Können Sie uns beantworten, warum Sie da mitmachen, warum Sie Ihren Mitarbeiter etwas tun lassen, das aus meiner Sicht gegen jede Transparenz im Ausschuss gerichtet ist? Im Ausschuss wollen wir ja Daten und Fakten hören. Wir wollen Wahr­nehmungen des Herrn Ministers darüber hören, wie das damals gewesen ist. Wir wollen aber nicht die Wertung oder die strategischen Überlegungen Ihres Mitarbeiters hören, um das möglichst positiv darzustellen. (Beifall bei Team Stronach und Grünen.)

Genau darum geht es, Herr Minister, und da bitte ich Sie, sich noch einmal zu er­klären, denn das ist wirklich ein Skandal, und das hätten Sie abstellen müssen. (Beifall bei Team Stronach und Grünen. Abg. Rädler: Das war ja ein Schuss ins Knie!)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 156

16.36


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen. – Ich danke dem Herrn Bundesminister.

16.36.47Fortsetzung der Tagesordnung

 


Präsidentin Doris Bures: Ich nehme die Verhandlungen über den 20. Tagesord­nungs­­punkt wieder auf.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Steinbichler. – Bitte.

 


16.36.48

Abgeordneter Leopold Steinbichler (STRONACH): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Besucher auf der Galerie und vor den Fernsehgeräten! Wir haben heute im Plenum eine sehr positive Diskussion gehabt, was die Zukunft des VKI und die Zukunft des Konsumen­ten­schutzausschusses betrifft, und, Herr Minister, vielleicht wollen wir das gleich positiv fortsetzen. Ich denke, wenn du mit Präsident Spenger vom VKI Gespräche führst, wird es Zustimmung finden, dass alle Kolleginnen und Kollegen hier im Haus das Magazin „Konsument“ bekommen. Ich glaube, das wäre ein brauchbarer Vorschlag, um die Informationen auf Augenhöhe zu bekommen und um die Kooperation zu verbessern. Ich würde daher darum bitten. (Beifall beim Team Stronach.)

Vielleicht auch noch zu Kollegin Lueger, die mit der Einbindung der Schulen einen sehr guten Ansatz gebracht hat: Ich glaube, das ist ganz besonders wesentlich, dass wir wieder bis hinunter in die Pflichtschulen die Kinder in das tägliche Konsumverhalten einbinden. Was wir damit bewirken, erlebe ich gerade in Regau. Da war es ja, weil wir den Baulandverbrauch stoppen, notwendig, den BILLA in die freie Natur hinaus­zubauen. Jetzt haben wir die Kinder auch noch auf der Straße. Da sieht man, welche Auswirkungen das alles hat: bis zum täglichen Straßenverkehr, aber natürlich bis zur Diskussion über Paris.

Aber zurück zu den Bankgebühren: Frau Kollegin Aubauer, es ist eben nicht so, wie du es dargestellt hast. Du beurteilst das aus einer sehr gut situierten Situation heraus. Da hat man keine Probleme, da hat man natürlich auch die MasterCard und sämtliche Einkaufskarten, aber wir müssen ja davon ausgehen, dass es in Österreich über 900 000 Pensionistinnen und Pensionisten gibt, die unter 900 € Pension haben. Diese haben einen winzig kleinen Mini-Kreditrahmen. Da hat man sofort eine Sperre, einen roten Punkt – und man kann die Bank nicht wechseln. Man ist gefesselt, und man hat dann ein anderes Problem, nämlich ein Versicherungsproblem, wenn Überweisungen nicht getätigt werden und man aber glaubt, die Prämie ist bezahlt.

Das sind schon sehr weitreichende Auswirkungen, die auch den Konsumentenschutz betreffen. Da müssen wir jene Bürgerinnen und Bürger wesentlich stärker berück­sichtigen, die nicht so gut situiert sind, die um das tägliche Überleben kämpfen. Wir wissen, wie viele an der Grenze zur Armut sind, und die sind wirklich in der Gefangen­schaft der Banken.

Weil wir darüber gesprochen haben: Der Herr Minister hat richtigerweise gesagt, 13,25 Prozent ist bei uns die Deckelung – aber das ist ein immenser Zinssatz! Da gibt es sehr viele, die dann bei der Rahmenüberschreitung diese 13,25 Prozent verrechnet bekommen. Da gehört angesetzt! Wir brauchen da mehr Fairness und müssen für die Bürgerinnen und Bürger wirklich eintreten, damit sie nicht weiterhin in der Gefangen­schaft der Banken sind. – Danke. (Beifall beim Team Stronach.)

16.39


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Peter Wurm. – Bitte.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 157

16.40.11

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Ich habe im Eifer des Gefechtes bei meiner letzten Rede vergessen, einen Entschließungsantrag einzu­bringen, der sich aktuell auf die „Zielpunkt“-Situation bezieht, und das möchte ich jetzt nachholen.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Einräumung eines Überziehungsrahmens inklusive Zins- und Gebührenfrei­stellung bei Bankinstituten im Rahmen eines IESF-Verfahrens für den Kreis der Anspruchsberechtigten

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz und der Bundesminister für Finanzen werden aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die die Einräumung eines Überzie­hungs­rahmens inklusive Zins- und Gebührenfreistellung bei Bankinstituten im Rahmen eines IESF-Verfahrens für den Kreis der Anspruchsberechtigten zum Inhalt hat. Dieser Überziehungsrahmen soll für den Zeitraum der Abwicklung der Ansprüche der Arbeit­nehmer gegenüber dem IESF bei allen in Österreich tätigen Bankinstituten eingeräumt werden. Die für diesen Zeitraum bei den Bankinstituten entstehenden Zins- und Gebührenansprüche aus diesem Überziehungsrahmen für die den einzelnen Arbeit­nehmern jeweils zugeordneten Gehaltskonten sollen mit dem IESF gegenverrechnet werden.“

*****

Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

16.42

 


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Peter Wurm und weiterer Abgeordneter betreffend Einräumung eines Überziehungsrahmens inklusive Zins- und Gebührenfreistellung bei Bankinstituten im Rahmen eines IESF-Verfahrens für den Kreis der Anspruchsberechtigten

eingebracht in der 109.Sitzung des Nationalrates am 10. Dezember 2015 im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 20: Bericht des Ausschusses für Konsumen­tenschutz über den Antrag 665/A(E) der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend gesetzliche Deckelung der Bank-Überziehungszinsen (915 d.B.)

Im Zuge der aktuellen Zielpunktpleite, rechtfertigte der für den Insolvenzentgeltsiche­rungsfonds(IESF) zuständige Arbeits- und Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) seinen Widerstand gegen eine vorzeitige Auszahlung der Ansprüche an die betrof­fenen Arbeitnehmer im Zuge eines Überbrückungsgesetz zur unmittelbaren Auszah­lung von Ansprüchen an Zielpunkt-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter (Novemberge­hälter und Weihnachtsgeld 2015) damit, dass er mit den Banken auf „freiwilliger Basis“


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 158

ohnehin großzügige Überziehungsrahmen inklusive Zins- und Gebührenfreistellungen verhandelt hätte.

Durch diese Vereinbarungen mit den Bankinstituten Bank Austria, BAWAG, Erste Bank und Sparkassensektor sowie Raika-Sektor wäre eine vorzeitige Auszahlung der Ansprüche in einem Vorgriff auf die durch den IESF daher nicht notwendig. Mit dieser Vorgangsweise werden die betroffenen Mitarbeiter jedoch dem Wohlwollen und schlussendlich auch der Willkür der einzelnen Bankinstitute ausgesetzt. Gleichzeitig begibt sich auch der Arbeits- und Sozialminister als Teil der Bundesregierung in eine Abhängigkeit gegenüber einzelnen Banken bzw. dem Bankensektor insgesamt. Dies könnte in weiterer Folge dazu führen, dass notwendige gesetzliche oder verwaltungs­rechtliche Maßnahmen gegenüber einzelnen Banken bzw. dem Bankensektor insgesamt nicht oder nicht im sachpolitisch erforderlichen Ausmaß gesetzt werden.

Um diese Schieflage zu Lasten der Mitarbeiter und Anspruchsberechtigten aus dem IESF bzw. gegenüber dem Arbeits- und Sozialminister zu beheben, wäre deshalb insge­samt eine gesetzliche Regelung notwendig, um die Einräumung eines Überzie­hungsrahmens inklusive Zins- und Gebührenfreistellung im Rahmen eines IESF-Verfahrens für Anspruchsberechtigte allgemein einzuführen. Die daraus entstehenden Kosten für die Banken sollten dann aus den Mitteln des IESF beglichen werden um hier eine für alle Beteiligten faire und transparente Regelung zu schaffen. Durch eine rasche Abwicklung der Ansprüche durch den IESF hätte es dieser dann auch in der Hand, die Kosten für den IESF gering zu halten.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz und der Bundesminister für Finanzen werden aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die die Einräumung eines Überzie­hungsrahmens inklusive Zins- und Gebührenfreistellung bei Bankinstituten im Rahmen eines IESF-Verfahrens für den Kreis der Anspruchsberechtigten zum Inhalt hat. Dieser Überziehungsrahmen soll für den Zeitraum der Abwicklung der Ansprüche der Arbeitnehmer gegenüber dem IESF bei allen in Österreich tätigen Bankinstituten eingeräumt werden. Die für diesen Zeitraum bei den Bankinstituten entstehenden Zins- und Gebührenansprüche aus diesen Überziehungsrahmen für die den einzelnen Arbeitnehmern jeweils zugeordneten Gehaltskonten soll mit dem IESF gegenverrech­net werden.“

*****

 


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Gerhard Schmid. – Bitte.

 


16.42.11

Abgeordneter Gerhard Schmid (ohne Klubzugehörigkeit): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Konsumentenschutz und Überziehungszinsen: Unbe­stritten ist, dass Kreditzinsen derzeit sehr günstig angeboten werden. Zeiten einer anhaltenden Flaute der Wirtschaft, flankiert mit einer zunehmenden Zahl an Insol­venzen, stellen für Dienstnehmer insolventer Betriebe, abgesehen von etwaigen Leis­tungen des Insolvenz-Entgelt-Fonds, eine besondere Belastung dar.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 159

Es kann nicht angenommen werden, dass Bankinstitute von sich aus für jene Kunden aktiv werden, welche kurzfristig zur Überbrückung von finanziellen Engpässen eine Kontoüberziehung beziehungsweise einen Kredit benötigen. Folge ist die Überziehung eines allfälligen Kreditrahmens.

Dem Konsumenten ist die Möglichkeit einzuräumen, Fremdfinanzierung so günstig wie möglich zu gestalten. Regulierungen sind vielfach Gangart eines finanziellen Kon­zeptes. In Zeiten einer unsicheren Wirtschaftslage ist dem Konsumenten ein finanzier­bares Konzept anzubieten. Überziehungszinssätze bis zu 13 Prozent sind weder vertretbar noch finanzierbar. Die derzeit gültige Gesetzeslage ist daher zugunsten einer Finanzierbarkeit entsprechend zu ändern. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

16.43

16.43.20

 


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Somit kommen wir jetzt zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Konsumentenschutz, seinen Bericht 915 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Dr. Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einräumung eines Überziehungsrahmens inklusive Zins- und Gebührenfreistellung bei Bankinsti­tuten im Rahmen eines IESF-Verfahrens für den Kreis der Anspruchsberechtigten.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

16.45.00 21. Punkt

Bericht des Ausschusses für Konsumentenschutz über den Antrag 560/A(E) der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gebührenstopp für Bürger bis 2018 (916 d.B.)

 


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir nun zum 21. Punkt der Tagesord­nung. – Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass voraussichtlich auch hierüber bald die Abstimmung stattfinden wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Peter Wurm. – Bitte.

 


16.45.38

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Auf ein Neues: Gebührenstopp bis 2018, das war im Ausschuss ein großes Thema, weil die Befürch­tung, vor allem bei der ÖVP, der Bürgermeister-Fraktion, geäußert wurde, dass die Gemeinden dann in Konkurs gehen müssten. Das befürchte ich nicht, vielleicht kann ich es noch einmal kurz erklären.

Hintergrund dessen ist, dass sehr, sehr viele Kosten laufend auf die Bevölkerung übergewälzt werden, in Form von Gebühren, Kanalgebühren, Müllgebühren, Wasser­gebühren, diverse andere Gebühren. Wir sind daher der Meinung, dass gerade in der derzeitigen Situation, wo die meisten Leute mit ihrem Einkommen nicht das Auskom­men finden, Bund, Länder und Gemeinden gemeinsam einen Schulterschluss machen und einen Gebührenstopp, das heißt keine Erhöhungen, bis 2018 veranlassen sollten.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 160

Ich möchte schon kurz erklären, was in unserem Antrag steht, und zwar: „Der ent­sprechende Entfall der Gebühreneinnahmen soll durch eine Reduktion der EU-Nettobeiträge nach Brüssel sowie Verwaltungseinsparungen bedeckt werden.“

Das hat natürlich schon seinen Hintergrund, denn als Nettozahler könnten wir einmal versuchen, das Geld im Land zu lassen und nicht nach Brüssel zu schicken. Momentan würde das bei der Bevölkerung, glaube ich, sehr große Zustimmung erfahren. Und der andere Hintergrund ist: Diese Verwaltungsreform, von der seit Jahrzehnten immer gesprochen wird, könnte hier wirklich einer Nagelprobe unterzogen werden. Ich glaube nämlich schon, dass alles, was so an Gebühren in unserem Land entsteht, eigentlich vermeidbar wäre, wenn man in der Verwaltung endlich wirkliche, echte Reformen angehen würde.

Noch kurz ein Hinweis, der zeigt, so ganz unmöglich ist es offensichtlich nicht: Minister Schelling von der ÖVP hat das zumindest bei einem Teil der Bundesgebühren gemacht, und zwar 2015. Der Gebührenstopp betrifft sämtliche Eingaben an Bundes­behörden; inkludiert sind darin alle Verfahren bei Behörden, egal, ob es sich zum Beispiel um Baubewilligungen oder um Gewerbeanmeldungen handelt. Auch die Bean­tragung von Scheckkarten-Führerscheinen, Reisepässen und Namensänderungen sind da mit umfasst. Finanzminister Schelling hat in all diesen Bereichen auf eine Gebüh­renerhöhung, die er gesetzlich machen könnte, verzichtet, man sieht also, es geht schon.

Auch die SPÖ hat den Wiener Wählern einen Gebührenstopp, zumindest für 2016, soweit ich es in Erinnerung habe, in Wien versprochen und hält das anscheinend nächstes Jahr auch ein. Das heißt, auch die SPÖ in Wien hat das Problem durchaus erkannt und wird die Gebühren 2016 in Wien nicht erhöhen. Was dann 2017 oder 2018 in Wien passiert, werden wir sehen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

16.48


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Antoni ist als Nächster zu Wort ge­meldet. – Bitte.

 


16.48.45

Abgeordneter Konrad Antoni (SPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundes­minister! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Wurm, bevor Sie den Plenarsaal verlassen, möchte ich Ihnen noch mitgeben: Ich denke, ein populistischer Antrag wie dieser wird nicht wirklich besser, auch wenn Sie in den letzten Minuten versucht haben, ihn zu erläutern. Ich muss Ihnen mitteilen, Sie haben uns mit Ihrer Erläuterung diesbezüglich nicht überzeugen können. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP, Grünen und NEOS. – Abg. Schimanek: Das überrascht uns jetzt aber!)

Nun zum Antrag selbst, zu der Forderung der Freiheitlichen Partei nach einem völligen Gebührenstopp auf Bundesebene und in weiterer Folge im Zuge einer Artikel-15a-Vereinbarung auch auf Landes- und auf kommunaler Ebene. Ich denke, zu diesem Antrag kann man nur sagen, dass er grundsätzlich sehr pauschal gehalten ist und dass dabei auch nicht zu Ende gedacht wurde, was denn dieser völlige Gebührenstopp an weiteren Folgemaßnahmen auslösen könnte. Deshalb ordne ich diesen Antrag in den Bereich des Populismus ein.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren, ja, es ist richtig, wir haben in Österreich einen sehr hohen Standard bei den öffentlichen Dienstleistungen. Ja, es ist auch richtig, dass dieser hohe Standard natürlich etwas kostet. Ein Gebührenstopp bis zum Kalenderjahr 2018 würde sich natürlich negativ auf diese hohe Qualität der Dienst­leistung auswirken.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 161

Wir haben es heute schon einmal gehört: Gebühren und Einnahmen aus Leistungen sind wesentliche Einnahmequellen im Bereich der Kommunalpolitik. Und wenn wir jetzt von einem völligen Gebührenstopp sprechen, dann sprechen wir auch von Gebühren im Bereich der Müllbeseitigung, im Bereich der Abwasserentsorgung, der Müll­gebüh­ren, der Parkgebühren und noch von vielen anderen Bereichen. (Abg. Schimanek: In Wien bringen sie es ja auch zusammen!)

Was die Freiheitliche Partei mit diesem Antrag fordert, würde natürlich die Einnahmen auf der kommunalen Ebene gefährden. (Abg. Rädler: So ist es! – Abg. Schimanek: Das ist das Gleiche, was sie in Wien machen!) Und in weiterer Folge – das wurde wohl nicht durchdacht – würde es durch weniger Einnahmen auf der kommunalen Ebene in der Gemeindepolitik zu einem totalen Investitionsstopp kommen. Dadurch wären viele tausend Arbeitsplätze in Österreich gefährdet, wenn nicht überhaupt verloren.

Daher, meine sehr geschätzten Damen und Herren, möchte ich abschließend fest­halten: Wir wollen den hohen Standard der öffentlichen Dienstleistung nicht in Frage stellen, aber auf gar keinen Fall wollen wir mit einem populistischen Antrag Tausende Arbeitsplätze in Österreich gefährden. Daher werden wir aus den bereits genannten Gründen von unserer Seite dem negativen Ausschussbericht unsere Zustimmung geben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP, Grünen und NEOS.)

16.52


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Doppler. – Bitte.

 


16.52.29

Abgeordneter Rupert Doppler (ohne Klubzugehörigkeit): Frau Präsidentin! Herr Minister! Hohes Haus! Herr Kollege Antoni, ich glaube, du hast die wahre Situation in Österreich noch nicht erkannt: Wir sind ein sehr teures Land, vor allem was die Ausgaben betrifft, und ich glaube, das wird auch in deiner Gemeinde, in deinem Bun­desland so sein.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn wir uns anschauen, wie sich die Löhne und Gehälter der vielen fleißigen Leute, die Einkommen der kleinen und mittleren Betriebe entwickelt haben, und dem im Vergleich dazu die Teuerung gegenüberstellen, dann sieht man, das steht einfach in keinem Verhältnis zueinander. Die Teuerung der letzten 20 Jahre bis 25 Jahre hat sicher um die 70 bis 80 Prozent ausgemacht. Die Löhne und Gehälter sind nicht ansatzweise in diesem Ausmaß gestiegen. Diese massive Teuerung bedeutet einen enormen Kaufkraftverlust.

Es stimmt schon, dass 2016 die Steuerreform in Kraft tritt, nur werden die kalte Progression und die massive Teuerung von dieser Steuerreform längerfristig nicht viel übrig lassen. Von dieser Sichtweise her wäre ein Gebührenstopp schon angebracht. Man müsste sich auch überlegen, ob man die kalte Progression nicht überhaupt abschafft, damit die Menschen mehr Geld zur Verfügung haben. – Herzlichen Dank. (Beifall bei Abgeordneten von FPÖ und Team Stronach.)

16.54


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Rädler ist als Nächster zu Wort ge­meldet. – Bitte.

 


16.54.02

Abgeordneter Johann Rädler (ÖVP): Frau Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren an den Fernsehgeräten, die noch nicht abgeschaltet haben nach der Rede des Herrn Abgeordneten Wurm! Die Besucher auf der Galerie haben ja nach dieser Rede fluchtartig dieselbige verlassen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 162

Ich habe in 13 Jahren Parlamentstätigkeit schon viel erlebt, aber, Herr Abgeordneter Wurm, das ist nicht der Höhepunkt des Populismus, das ist einfach unseriös, was Sie da jetzt gesprochen und mit Ihrem Antrag gefordert haben.

Ich sage Ihnen eines: Im Jahr 1998 hat einer Ihrer Vorgänger, der Herr Abgeordnete Haider, der damalige Oppositionsführer, maßgeblich gefordert, dass die Politiker­ge­hälter gekürzt werden. Es ist dann die Gehaltspyramide gekommen. (Abg. Neubauer: Manche verdienen eh zu viel!) Manche Kommentare damals in den Zeitungen haben sich mit den Auswirkungen beschäftigt – und heute kriegen wir sie anscheinend zu spüren. Damals hat es geheißen, man wird keine guten Leute mehr fürs Parlament finden, und das hat sich heute bei Ihrer Rede gezeigt. (Heiterkeit bei ÖVP, SPÖ, Grünen, NEOS und Team Stronach.) Aber das ist halt so. Das haben die Freiheitlichen damals nicht bedacht, aber jetzt ist es so. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Lieber Herr Abgeordneter Wurm, schon bei der Budgetdebatte hat die Opposition Forderungen in der Höhe von 3 Milliarden eingebracht. Die Ausgaben hätten sich bei Umsetzung all dieser Forderungen von 77 Milliarden auf 80 Milliarden erhöht, die auch den Gemeinden geholfen hätten. Da ist ja der Abgeordnete Hauser – er ist heute nicht da – einer, der immer mehr Geld für die Gemeinden fordert.

So, und jetzt wollen Sie einen Gebührenstopp machen. (Abg. Schimanek: Der weiß halt, von was er redet!) – Ja, der weiß wirklich, was er redet! (Abg. Schimanek: Der weiß genau, was er redet!) Ich sage Ihnen gleich, wovon der reden sollte. – Wissen Sie überhaupt, was das bedeutet für die Gemeinden, für die Daseinsvorsorge, die wir als Bürgermeister zu tragen haben? Kennen Sie überhaupt die gesetzlichen Grundlagen, wonach wir in den Gemeinden in unseren Buchhaltungen kostendeckend bilanzieren müssen? Und das machen wir auch als Bürgermeister! (Abg. Walter Rosenkranz: Schön wär’s!) Da ist von Gebührenstopp keine Rede.

Wenn ich nur an das Land Niederösterreich denke: 50 Prozent unseres Budgets geben wir für Gesundheitsvorsorge und für Soziales aus. Und wenn wir jetzt hergehen und sagen, wir kürzen da noch und wir kürzen dort noch, um ja keine Gebühren erhöhen zu müssen, dann möchte ich sehen, wie es in dem Land ausschaut.

Aber ich habe schon den Eindruck, die FPÖ weiß ja gar nicht mehr, was sie fordern soll. Anscheinend waren Sie damals auch mit in Nordkorea mit der sozialistischen Dele­gation. (Abg. Neubauer: Jetzt reicht es aber!) Einer der FPÖler oder Ihr Reden­schreiber muss dabei gewesen sein, denn das, was Sie da wollen, ist Wirtschafts­kapitalismus, der nicht einmal in Nordkorea stattfindet. Auf Wiederhören! (Beifall bei der ÖVP.)

16.56


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster hat sich Herr Bundesminister Hundstorfer zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister. (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von FPÖ und ÖVP.)

Zu Wort gelangt der Herr Bundesminister!

 


16.57.06

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf von Bad Erlach auf die gesamte österreichische Kommunalpolitik umschwenken. (Heiterkeit.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren der Freiheitlichen Partei, ich spreche Sie jetzt nicht nur als Bundesminister an, sondern auch als langjähriger Vorsitzender der Ge­werk­schaft der Gemeindebediensteten Österreichs. Gestatten Sie mir eine Bemerkung! Ich habe das schon im Ausschuss gesagt und werde das jetzt wiederholen, weil das,


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 163

was Sie hier machen, natürlich Populismus ist, das ist doch nichts anderes. (Abg. Hübner: Jedes Mal fangen Sie an mit „Populismus“!) – Hören Sie jetzt einmal zu, Herr Dr. Hübner!

Was bedeutet ein Gebührenstopp auf drei Jahre, auch angesichts dessen, dass unge­fähr 50 Prozent der kommunalen Dienstleistungen an Privatfirmen ausgelagert sind? Ich sage nur ein Beispiel: Saubermacher. Erklären Sie dieser Firma, dass sie drei Jahre keinen Cent dazukriegt, alle Gehaltserhöhungen schlucken muss – und, und, und! Erklären Sie das! Sie haben ja angeblich auch Wirtschaftstreibende in Ihren Kreisen, so wie Sie angeblich auch einer sind. Erklären Sie das einmal einer Firma, wieso sie drei Jahre nichts dazubekommt! (Präsident Kopf übernimmt den Vorsitz.)

Und dann erklären Sie bitte auch der österreichischen Bauwirtschaft, dass sie keine Investitionsaufträge mehr von den Gemeinden bekommt, zur Erhaltung der Daseins­vorsorge, zur Erhaltung der Infrastruktur! Was Sie hier machen, ist Vernichtung von Arbeitsplätzen! Sie fördern nicht etwas, Sie vernichten! Das wissen Sie ganz genau. (Abg. Kassegger: Und das ist jetzt nicht populistisch?!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ob Sie es hören wollen oder nicht: Das, was Sie im Rahmen von Anträgen meinem Ressort zugedacht haben, bedeutet 12 Milliar­den € an Mehrausgaben. Das ist das, was Sie nur meinem Ressort zugedacht haben! Das ist die Summe der Anträge Ihrer Partei der letzten drei Jahre. Und Sie wollen sich hierherstellen und sagen, mit einer Verwaltungsreform ist das alles finanzierbar?!

Ich kann nur sagen: Lernen Sie bitte wirklich rechnen, bevor Sie sich hierherstellen und einen Gebührenstopp für drei Jahre verlangen! (Beifall bei SPÖ und NEOS sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Das heißt nämlich, dass es drei Jahre keine Investitionen gibt. Das wiederum heißt, dass Anlagen verschludern, dass Anlagen nicht mehr instandgesetzt werden. Das ist das, was Sie von der FPÖ hier verlangen! Und das wollen wir der österreichischen Bevölkerung nicht zumuten.

Wir wollen eine moderate Gebührenerhöhung, eine moderate Vorgangsweise – aber nicht das, was Sie von der FPÖ der österreichischen Bevölkerung zumuten wollen! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

17.00


Präsident Karlheinz Kopf: Nun gelangt Frau Abgeordnete Mag. Aslan zu Wort. – Bitte.

 


17.00.20

Abgeordnete Mag. Aygül Berivan Aslan (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! (Anhaltende Rufe und Gegenrufe zwischen FPÖ und ÖVP.)

 


Präsident Karlheinz Kopf: Meine Damen und Herren! Könnten Sie Ihre Aufmerk­samkeit wieder der Rednerin zuwenden? (Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Herr Abgeordneter Darmann, bitte! (Bundesminister Hundstorfer – in Richtung FPÖ –: Rechnen Sie Ihre Anträge zusammen! Tut mir leid! – Zwischenruf bei der FPÖ. – Bun­desminister Hundstorfer: Danke schön, Herr Abgeordneter! Sehr „nett“!) Herr Bundes­minister, das gilt auch für Sie! (Abg. Rädler: Der Herr Minister hat schon recht!)

Frau Abgeordnete Aslan, bitte, Sie sind am Wort.

 


Abgeordnete Mag. Aygül Berivan Aslan (fortsetzend): Ich werde meine Redezeit natürlich nicht ausschöpfen, denn es ist wirklich schade um die Zeit, denke ich, denn dieses Thema haben wir schon im Ausschuss diskutiert und über die Sinnlosigkeit dieses Antrages gesprochen. Ich denke, diesen Antrag haben Sie irgendwie im Wirtshaus ausgefertigt (Abg. Rädler: Genau!), ohne ihn gescheit zu durchdenken.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 164

Natürlich gibt es Bereiche, wo man sich fragt: Was rentiert sich, was rentiert sich nicht? Da wären wirklich ein gutes Beispiel die Gerichtsgebühren, denn die Gerichtsgebühren sind de facto viel höher als der Betrag, der zur Kostendeckung notwendig ist. Die österreichischen Gerichte kassieren um die 189 Millionen € dafür, dass sie sehr wenig … (Unruhe im Saal.)

 


Präsident Karlheinz Kopf: Meine Damen und Herren! Einen Moment! Die Adventzeit ist eigentlich eher eine stille Zeit, aber ich weiß nicht, was hier heute los ist. Aus Respekt vor der Rednerin – vor allen Rednern! – bitte ich um etwas mehr Ruhe im Saal!

 


Abgeordnete Mag. Aygül Berivan Aslan (fortsetzend): Ja, zuhören ist die schwie­rigste Kommunikationsform, Herr Präsident (Beifall bei den Grünen), vor allem bei den Freiheitlichen, denke ich.

Wie gesagt, ich werde meine Redezeit wirklich nicht für einen derartig populistischen Antrag, der nur eine sehr schöne Überschrift hat und überhaupt nicht durchdacht ist, opfern.

Ich finde es einfach peinlich, dass Sie sich dann noch hierherstellen und von effektiver freiheitlicher Konsumentenschutzpolitik reden und uns mit derartigen Anträgen be­schäf­tigen. Es ist, wie gesagt, schade um unsere Arbeitszeit, schade um unsere Lebenszeit, wenn wir uns dem widmen! (Beifall bei Grünen, SPÖ, ÖVP, NEOS und Team Stronach sowie Bravoruf des Abg. Rädler.)

17.02

17.02.46

 


Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Konsumen­tenschutz, seinen Bericht 916 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

17.03.07 22. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (902 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehalts­gesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Richter- und Staatsan­waltschaftsdienstgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Landesvertragslehr­personengesetz 1966, das Land- und forstwirtschaftliche Landesver­trags­lehr­personengesetz, die Reisegebührenvorschrift 1955, das Bundes-Personalvertre­tungsgesetz, das Bundes-Bedienstetenschutzgesetz, das Bezügegesetz und das Finanzprokuraturgesetz geändert werden (2. Dienstrechts-Novelle 2015) (940 d.B.)

23. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 1214/A(E) der Abgeord­neten Dr. Harald Walser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Übertritt in das LehrerInnendienstrecht Neu für bereits im Dienst befindliche Lehrkräfte (941 d.B.)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 165

24. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 1230/A(E) der Abgeord­neten Dr. Harald Walser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Recht auf Neu­berechnung des Besoldungsdienstalters für öffentlich Bedienstete, die gemäß den im Bundesgesetzblatt vom 12.2.2015 veröffentlichten Bestimmungen auto­matisch ins neue Besoldungsrecht übergeleitet wurden (942 d.B.)

 


Präsident Karlheinz Kopf: Wir kommen nun zu den Punkten 22 bis 24 der Tages­ordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Lausch. – Bitte.

 


17.04.11

Abgeordneter Christian Lausch (FPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Ja, jährlich „grüßt das Murmeltier“, und ein Jahr ist es noch nicht einmal her, da haben wir diese Reform am 21. Jänner 2015 repariert, und jetzt reparieren wir nach. Man muss sagen: Wir haben dazumal schon davor gewarnt, dass diese Dienstrechtsreform beim EuGH wieder nicht standhalten wird – eigentlich alle Oppositionsparteien –, und die Regierungsparteien haben Mark und Bein darauf geschworen, dass es dieses Mal klappen wird. Man hatte das mehr oder weniger von irgendwoher abgekupfert und hat gesagt, das wird jetzt vor dem Europäischen Gerichtshof halten.

Und siehe da, es hat nicht einmal ein Jahr gehalten, denn am 15. September wurden Teile dieses Gesetzes vom Bundesverwaltungsgerichtshof aufgehoben und sind jetzt wieder nachrepariert worden. Ich denke, das ist eigentlich einer Bundesgesetzgebung unwürdig. Das muss man schon sagen. Wir haben dazumal gewarnt, und das wurde uns vorgeworfen. Otto Pendl macht das immer recht schön und sagt, eigentlich kritisieren wir gar nicht so sehr die Regierungsparteien, eigentlich werden die Beamten von der Frau Staatssekretärin hier in die Ziehung genommen.

Nein, das ist nicht so! Wir haben nämlich dazumal schon gesagt: Warum diese Eile? Man hat dieses Gerichtsurteil am 11. November 2014 unbedingt innerhalb weniger Wochen – nicht einmal innerhalb weniger Monate, muss man sagen – umsetzen wollen. Hätten die Beamtinnen und Beamten mehr Zeit gehabt, dann hätten sie das besser machen können. Aber die politische Vorgabe war ja von euch eine andere. Das musste unbedingt schnell repariert werden, und jetzt haben wir wieder das Gleiche.

Wir werden dieser Reparatur der Reparatur abermals nicht zustimmen, denn es haben die Bundesbediensteten in Österreich nicht verdient, dass sie seit der Aufhebung durch das EuGH-Urteil im November 2014 eigentlich in Rechtsunsicherheit leben müssen, weil man nicht fähig ist, sich die Zeit zu nehmen, um hier wirklich ein gescheites Gesetz auf Schiene zu bringen, und das dem Verfassungsausschuss rechtzeitig vorzulegen. So kann das natürlich nicht funktionieren. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir haben dazumal einen eigenen Antrag eingebracht. Dieser Antrag 898/A wurde damals abgelehnt, dem wurde nicht nähergetreten. Dieser Antrag hätte, glaube ich, Rechtssicherheit bringen können. Er hätte eine Gehaltserhöhung von rund einem Prozent gebracht. Dieser Antrag hätte keine Schlechterstellung für die Bundesbediens­teten bewirkt. Diesem Antrag hätte man nähertreten können. Dieser Antrag hätte zwar Kosten von 120 Millionen € verursacht, das geben wir schon zu, aber ich glaube, diese Herumrepariererei, wobei man wieder mit einer eventuellen Aufhebung durch den EuGH rechnen muss, dieses Herumgemurkse wird die Republik und den Steuerzahler noch viel teurer kommen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 166

Zu den negativen Ausschussberichten betreffend die Anträge des Kollegen Walser: Ich habe schon im Ausschuss gesagt, dass wir diesen Anträgen nähertreten könnten. Wir werden diese negativen Ausschussberichte ablehnen. Wir würden diese Anträge gerne umgesetzt haben. Das sind gute Anträge, dagegen kann man überhaupt nichts ein-wen­den. Sie sind sachlich begründet. Man kann dagegen nichts sagen.

Aber es ist immer so: Wenn Anträge von der Opposition kommen, dann geht man darüber hinweg, seien sie noch so gut. Da wird einfach gesagt: Das lehnen wir ab, dem treten wir nicht bei! Das müsste nicht so sein, man könnte es ja im Sinne des Erfinders oder der Erfinder abändern. Das tut man aber nicht. Die Arbeit macht man sich nicht, man lehnt es einfach ab oder vertagt es, schubladisiert es.

Mit dieser Vorgangsweise wird man natürlich nichts Gescheites auf Schiene bringen, und das ist für die Lehrerinnen und Lehrer, generell für die Bundesbediensteten, ein trauriges Schauspiel, das man hier veranstaltet. Aber es ist halt leider so. Wir können immer nur sagen, wir würden es besser machen: Wir würden mehr Rechtssicherheit bringen, und wir würden für die Bundesbediensteten mehr eintreten. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

17.08


Präsident Karlheinz Kopf: Nun gelangt Herr Abgeordneter Pendl zu Wort. – Bitte.

 


17.08.55

Abgeordneter Otto Pendl (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mir fehlt wirklich die Zeit, mich den Einwänden der FPÖ zu widmen. Das ist sinnlos, denn wenn wir für 300 000 Leute – und das haben wir was weiß ich wie oft erklärt – nicht sehr rasch Rechtssicherheit hergestellt hätten, dann hätte ich mir angeschaut, wer das administriert und was das noch gekostet hätte. Daher: Jede Erklärung ist sinnlos! Die Zeit dafür gibt es nicht, daher halte ich mich damit gar nicht auf. (Abg. Lausch: Sie haben nichts zu sagen, das ist das Problem!)

Ich möchte mich gleich zu Beginn – das gehört so bei einer Dienstrechtsnovelle – bei den öffentlich Bediensteten unserer Republik persönlich und namens meines Klubs sehr herzlich bedanken. Ich möchte mich, Frau Staatssekretärin, bei dir und deinen Mitarbeitern sehr … (Abg. Zanger: Das klingt wie eine Schallplatte!) Das macht ja nichts. Wenn ihr euch nicht bedankt, müsst ihr euch selber damit auseinandersetzen. Wir machen es. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ich möchte aber diese Gelegenheit, weil es die letzte Sitzung in diesem Jahr ist, auch dazu wahrnehmen, mich bei den Bediensteten der Parlamentsdirektion, bei den Klubbediensteten und bei den PaMis zu bedanken, weil das für uns eine Selbst­verständlichkeit ist. Herzlichen Dank, liebe Kolleginnen und Kollegen! So viel Zeit muss immer sein. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Heiterkeit bei der FPÖ.) Ich lache über so etwas nicht, weil ich glaube, die haben es sich verdient, es sind nämlich gute Mitar-beiterinnen und Mitarbeiter.

Ich möchte aufgrund der vorgeschrittenen Zeit meine Redezeit nicht unnötig aus­dehnen. Wir haben ja mehrmals ausführlich erklärt, worum es bei dieser Novelle geht. Ich habe das letzte Mal zu Gesprächen eingeladen. Wir könnten ja zwischen den Parteien viele Gespräche über die Zukunft des öffentlichen Dienstes führen, entweder in einem Ausschuss oder außerhalb eines Ausschusses. Das alles zu wiederholen erspare ich mir jetzt. (Abg. Lausch: Du kannst nichts erklären! Ich sehe es eh: Die Reparatur nach der Reparatur!) Du kennst dich ja nicht einmal bei deiner Gruppe aus, geschweige denn beim öffentlichen Dienst. Lass dir das einmal gesagt sein!


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 167

Ich möchte hier jetzt einen Abänderungsantrag der Abgeordneten Pendl, Dr. Karl, Kolleginnen und Kollegen zur Dienstrechts-Novelle einbringen. Ich darf die Eckpunkte dieses Abänderungsantrages zur 2. Dienstrechts-Novelle 2015 (902 der Beilagen) erläutern.

Die wesentlichen Inhalte sind technische Anpassungen, die sich aufgrund der Besol­dungsreform ergeben. Die wichtigsten Punkte sind: Sicherstellung, dass sich im Falle einer Überstellung eines Universitätsassistenten zum Universitätsdozenten keine Ver­luste ergeben; Klarstellung, dass für die Berechnung der Urlaubsersatzleistungen im Lehrerbereich anstelle des Kalenderjahres das Schuljahr herangezogen wird sowie Nachbesserung der Beträge im Zusammenhang mit der Verwendungszulage.

Ich möchte auch dazusagen: Ich habe mich das letzte Mal hier klar positioniert. Jeder ist eingeladen, sich die Arbeit jener Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anzuschauen, die mit den vielen Berufsgruppen immer unter hohem Tempo einen Rechtsbestand her­stellen müssen. Daher verwahre ich mich dagegen, dass das dann kritisiert wird. (Abg. Lausch: Da muss man sich eben mehr Zeit nehmen!) Die Politik zu kritisieren ist einfach, das verstehe ich schon. Ich sage nur: Diese Leute leisten eine hervorragende Arbeit! Und seien wir froh, dass sie diese Arbeit leisten! (Abg. Lausch: Aber ihr nicht!) Du könntest dich um die Wache kümmern.

Ich möchte jetzt einen weiteren Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Otto Pendl, Mag. Dr. Beatrix Karl, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Absicherung der Bundesbediensteten bei längerdauernden Krankenständen aufgrund besonderer beruflicher Belastungssituationen

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, im Rahmen der bevorstehenden Gespräche für ein neues Dienstrecht sozialpartnerschaftliche Gespräche auch zum Thema länger­dauernde Krankenstände aufgrund außergewöhnlich großer psychischer dienstlicher Belastungssituationen von Polizistinnen und Polizisten zu führen.“

*****

Ich habe das letzte Mal schon darauf hingewiesen (Zwischenruf des Abg. Hagen) – ihr müsst es wissen, wenn ihr ehrlich seid –, dass wir dieses Mal eine technische Novelle haben, dass wir im Frühjahr eine inhaltliche Novelle haben und dass wir als Signal auch für die Polizei diesen Antrag hier einbringen werden. Ich freue mich schon auf die konstruktiven Diskussionen in den Organen für unsere öffentlich Bediensteten in der Zukunft.

Ich lade Sie ein, diesen Anträgen Ihre Zustimmung zu geben. (Beifall bei der SPÖ.)

17.13


Präsident Karlheinz Kopf: Der von Herrn Abgeordnetem Pendl eingebrachte Abän-derungsantrag wurde von ihm in den Eckpunkten erläutert und steht mit in Verhand­lung. Er wird in der Folge im Saal verteilt werden.

Auch der Entschließungsantrag der Abgeordneten Pendl, Karl, Wittmann, Amon, Kolle­ginnen und Kollegen, der von Herrn Kollegen Pendl ordnungsgemäß eingebracht wurde, steht mit in Verhandlung.

Die beiden Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 168

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Otto Pendl, Dr. Beatrix Karl und Kolleginnen und Kollegen

zum Bericht des Verfassungsausschusses (940 d.B.) betreffend die Regierungsvorlage eines Bundesgesetzes, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehalts­gesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Richter- und Staats-anwalt­schaftsdienstgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forstwirt­schaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Landesvertragslehrperso­nengesetz 1966, das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrpersonengesetz, die Reisegebührenvorschrift 1955, das Bundes-Personalvertretungsgesetz, das Bundes-Bedienstetenschutzgesetz, das Bezügegesetz und das Finanzprokuraturgesetz geän­dert werden (2. Dienstrechts-Novelle 2015) (902 d.B.)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzentwurf wird wie folgt geändert:

1. In Art. 1 wird nach Z 3 folgende Z 3a eingefügt:

„3a. In § 170 wird nach Abs. 3 folgender Abs. 3a eingefügt:

„(3a.) Wird eine Beamtin oder ein Beamter, die oder der nach § 169c Abs. 1 GehG übergeleitet wurde, nach Erreichen der Zielstufe gemäß Abs. 2 überstellt, so verbes­sert sich ihr oder sein Besoldungsdienstalter mit dem Tag der Wirksamkeit der Überstellung um zwei Jahre (eine Gehaltsstufe).““

2. In Art. 1 Z 6 erhält in § 284 Abs. XX die bisherige Z 5 die Ziffernbezeichnung „Z 6“.

3. In Art. 1 Z 6 wird in § 284 Abs. XX nach Z 4 folgende neue Z 5 eingefügt:

„5. § 170 Abs. 3a mit 1. Jänner 2016,“

4. In Art. 2 erhalten die bisherigen Ziffern 1a bis 1d die Ziffernbezeichnungen 1b bis 1e.

5. In Art. 2 wird nach Z 1 folgende neue Z 1a eingefügt:

„1a. In § 13e Abs. 7 erhalten die bisherigen Z 1 und 2 die Ziffernbezeichnungen „Z 2“ und „Z 3“ und vor der neuen Z 2 wird folgende Z 1 eingefügt:

„1. An die Stelle des Kalenderjahres tritt das Schuljahr.““

6. In Art. 2 Z 3 lautet die den § 34 Abs. 1a betreffende Novellierungsanordnung lit. c:

„c) erhält die Tabelle in Abs. 1a in der Fassung nach lit. a mit 1. Jänner 2016 folgende Fassung:

 

in der

Gehalts-

stufe

in der Verwendungsgruppe

A 2

A 3

A 4

A 5

A 6

A 7

Euro

1

216,8

92,2

19,2

16,2

17,2

17,2

2

193,5

96,2

24,3

18,2

20,3

20,3

3

208,7

100,3

29,4

20,3

22,3

22,3

4

222,9

105,4

33,4

21,3

25,3

25,3

5

254,3

109,4

38,5

23,3

28,4

27,4

6

322,1

115,5

43,6

23,3

31,4

30,4

7

344,4

162,1

53,7

24,3

35,5

32,4

8

365,7

207,7

64,8

24,3

10em; padding:0cm .35em 0cm .35em;height:1.275em'>

38,5

34,4

9

387,0

253,3

75,0

26,3

42,5

37,5

10

410,3

298,8

85,1

27,4

45,6

40,5

11

433,6

343,4

95,2

29,4

48,6

43,6

12

447,7

392,0

110,4

30,4

51,7

45,6

13

462,9

439,6

124,6

29,4

57,7

48,6

14

508,5

450,8

146,9

28,4

63,8

50,7

15

552,1

462,9

148,9

26,3

90,2

53,7

16

596,7

473,1

153,0

23,3

117,5

56,7

17

641,2

483,2

157,0

20,3

143,8

58,8

18

662,5

553,1

182,3

20,3

146,9

62,8

19

662,5

553,1

182,3

20,3

146,9

62,8“

 

7. In Art. 2 wird nach Z 4e folgende Z 4ee eingefügt:

„4ee. In § 49

a) wird mit 12. Februar 2015 Abs. 2 durch folgende Abs. 2 und 2a ersetzt:

„(2) Der Universitätsassistentin oder dem Universitätsassistenten, die oder der eine tatsächliche Verwendungsdauer von mehr als sechs Jahren als Universitätsassistentin oder Universitätsassistent aufweist, gebührt eine ruhegenussfähige Dienstzulage. In diese Frist sind Zeiten als Vertragsassistentin oder Vertragsassistent bei Vollbe­schäftigung zur Gänze und bei Teilbeschäftigung zu 75 v.H. einzurechnen. Ab Erlangung der Lehrbefugnis als Universitätsdozent oder in jenen Fächern, in denen eine Habilitation nicht möglich ist, ab der Erlangung einer gleichzuwertenden Befä­higung, gebührt eine erhöhte Dienstzulage. Die Dienstzulage beträgt

 

in der Gehaltsstufe

ohne Lehrbefugnis

mit Lehrbefugnis oder gleichzuwertender Befähigung

Euro

1

82,8

298,9

2

125,9

396,9

3

180,5

451,8

4

181,0

452,2

5

180,6

452,9

6

181,


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 170

1

454,6

7

182,4

455,7

8

182,2

455,5

9

182,2

455,5

10

182,2

455,7

11

182,3

455,9

12

182,4

465,1

13

182,5

509,4

14

200,4

579,9

15

253,0

632,5

16

253,0

632,5

 

(2a) Abweichend von Abs. 2 beträgt die Dienstzulage bei einer Universitätsassistentin oder einem Universitätsassistenten, die oder der nach § 169c Abs. 1 übergeleitet wurde, bis zum Erreichen der Zielstufe

 

in der Gehaltsstufe

ohne Lehrbefugnis

mit Lehrbefugnis oder gleichzuwertender Befähigung

Euro

1

107,8

378,7

2

180,3

451,7

3

181,1

452,1

4

180,6

452,5

5

180,7

454,2

6

182,4

455,7

7

182,2

455,5

8

182,2

455,5

9

182,2

455,6

10

182,2

455,8

11

182,4

456,2

12

182,4

491,7

13

182,8

562,3

14

253,0

632,5

15

253,0

632,5

16

253,0

632,5“

 

b) erhält mit 1. Jänner 2016 die Tabelle in Abs. 2 in der Fassung nach lit. a folgende Fassung:

 


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 171

in der Gehaltsstufe

ohne Lehrbefugnis

mit Lehrbefugnis oder gleichzuwertender Befähigung

Euro

1

86,1

309,0

2

130,7

409,3

3

186,4

466,0

4

187,4

467,0

5

186,4

467,0

6

187,4

469,0

7

188,4

470,0

8

188,4

470,0

9

188,4

470,0

10

188,4

470,0

11

188,4

470,0

12

188,4

480,2

13

188,4

525,7

14

206,7

598,7

15

261,4

652,4

16

261,4

652,4

 

c) erhält mit 1. Jänner 2016 die Tabelle in Abs. 2a in der Fassung nach lit. a folgende Fassung:

 

in der Gehaltsstufe

ohne Lehrbefugnis

mit Lehrbefugnis oder gleichzuwertender Befähigung

Euro

1

111,4

391,0

2

186,


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 172

4

466,0

3

187,4

467,0

4

186,4

467,0

5

186,4

469,0

6

188,4

470,0

7

188,4

470,0

8

188,4

470,0

9

188,4

470,0

10

188,4

470,0

11

188,4

471,0

12

188,4

507,5

13

189,4

580,4

14

261,4

652,4

15

261,4

652,4

16

261,4

652,4

 

8. In Art. 2 lautet Z 6:

„6. Nach § 55 wird folgender § 55a samt Überschrift eingefügt:

„Überstellung

§ 55a. (1) Bei der Überstellung einer Lehrperson der Verwendungsgruppe L 2a 2 oder L 2a 1 in die Verwendungsgruppe L 1 ist abweichend von den Bestimmungen über den Vorbildungsausgleich nach § 12a Abs. 4 zusätzlich zu einem allenfalls bereits in Abzug gebrachten Vorbildungsausgleich folgender Vorbildungsausgleich in Abzug zu bringen:

1. vier Jahre, wenn das Ernennungserfordernis lediglich nach Z 23.3 Abs. 2 lit. a oder Z 23.6 Abs. 2 der Anlage 1 zum BDG 1979 erfüllt wird, oder wenn das Ernennungs-erfordernis der Z 23.2 der Anlage 1 zum BDG 1979 lediglich durch Erwerb zweier Bachelorgrade erfüllt wird, oder

2. zwei Jahre in allen anderen Fällen.

(2) Bei der erstmaligen Ernennung in die Verwendungsgruppe L 2a 2 oder anlässlich einer Überstellung in diese Verwendungsgruppe gelten Lehrpersonen, die

1. einen Bachelor of Education im Ausmaß von 180 ECTS-Anrechnungspunkten gemäß § 65 Abs. 1 des Hochschulgesetzes 2005 – HG, BGBl. I Nr. 30/2006, erworben haben, oder

2. ein Diplom einer öffentlichen oder mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Pä­dagogischen, Berufspädagogischen, Land- und forstwirtschaftlichen berufspäda­gogi­schen oder Religionspädagogischen Akademie gemäß Akademien-Studiengesetz 1999 – AStG, BGBl. I Nr. 94/1999, erworben haben, oder

3. die in Z 24 der Anlage 1 zum BDG 1979 normierten Erfordernisse erfüllen,


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 173

bei der Anwendung des § 12a Abs. 4 und 5 als Beamtinnen und Beamte, die eine Hochschulbildung gemäß Z 1.12a der Anlage 1 zum BDG 1979 aufweisen.

(3) Bei der erstmaligen Ernennung in die Verwendungsgruppe L 2a 1 oder anlässlich einer Überstellung in diese Verwendungsgruppe ist abweichend von den Bestim­mungen über den Vorbildungsausgleich nach § 12a Abs. 4 und 5 kein Vorbildungs­ausgleich in Abzug zu bringen, wenn das Ernennungserfordernis gemäß Z 25.1. Abs. 3 oder 4 der Anlage 1 zum BDG 1979 erfüllt wird. In allen anderen Fällen ist ein Vorbil­dungsausgleich von drei Jahren in Abzug zu bringen.

(4) Der im Verlauf des Dienstverhältnisses nach den Abs. 1 bis 3 in Abzug gebrachte Vorbildungsausgleich darf

1. in den Verwendungsgruppen L 2a 2 und L 2a 1 insgesamt das Ausmaß von drei Jahren sowie

2. in der Verwendungsgruppe L 1 insgesamt das Ausmaß von fünf Jahren

nicht überschreiten.““

9. In Art. 2 Z 16 werden in der den § 92 Abs. 1 betreffenden Novellierungsanordnung lit. b

a) in der Tabelle der Betrag „502,9“ für die Gehaltsstufe 19 der Verwendungsgruppen M BUO 1 und M ZUO 1 durch den Betrag „487,3“ ersetzt und

b) in der Tabelle der Betrag „207,3“ für die Gehaltsstufe 19 der Verwendungsgruppen M BUO 2 und M ZUO 2 durch den Betrag „200,6“ ersetzt.

10. In Art. 2 Z 24 erhalten in § 175 Abs. XX die bisherigen Ziffern 1 bis 8 die Ziffernbezeichnungen 2 bis 9.

11. In Art. 2 Z 24 wird in § 175 Abs. XX vor Z 2 folgende neue Z 1 eingefügt:

„1. § 13e Abs. 7 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XXX/2015 mit 2. August 2004,“

12. In Art. 2 Z 24 lauten in § 175 Abs. XX die neuen Z 4 und 7:

„4. § 34 Abs. 1 bis 3 in der Fassung des Art. 2 Z 3 lit. a des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XXX/2015, § 49 Abs. 2 und 2a in der Fassung des Art. 2 Z 4ee lit. a des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XXX/2015, § 75 Abs. 1 bis 3 in der Fassung des Art. 2 Z 13 lit. a des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XXX/2015, § 92 Abs. 1 bis 3 in der Fassung des Art. 2 Z 16 lit. a des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XXX/2015 und § 117e Abs. 1 bis 2 in der Fassung des Art. 2 Z 19 lit. a des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XXX/2015 mit 12. Februar 2015,

7. § 34 Abs. 1 in der Fassung des Art. 2 Z 3 lit. b des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XXX/2015, § 34 Abs. 1a in der Fassung des Art. 2 Z 3 lit. c des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XXX/2015, § 49 Abs. 2 in der Fassung des Art. 2 Z 4ee lit. b des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XXX/2015, § 49 Abs. 2a in der Fassung des Art. 2 Z 4ee lit. c des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XXX/2015, § 63b Abs. 4 in der Fassung des Art. 2 Z 11 lit. b des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XXX/2015, § 75 Abs. 1 in der Fassung des Art. 2 Z 13 lit. b des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XXX/2015, § 75 Abs. 1a in der Fassung des Art. 2 Z 13 lit. c des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XXX/2015, § 92 Abs. 1 in der Fassung des Art. 2 Z 16 lit. b des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XXX/2015, § 92 Abs. 1a in der


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 174

Fassung des Art. 2 Z 16 lit. c des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XXX/2015, § 117e Abs. 1 in der Fassung des Art. 2 Z 19 lit. b des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XXX/2015 und § 117e Abs. 1a in der Fassung des Art. 2 Z 19 lit. c des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XXX/2015 mit 1. Jänner 2016,“

13. In Art. 3 wird nach Z 6c folgende Z 6cc eingefügt:

„6cc. In § 54a

a) wird mit 12. Februar 2015 Abs. 4 durch folgende Abs. 4 und 4a ersetzt:

„(4) Der Vertragsassistentin oder dem Vertragsassistenten, die oder der eine tatsächliche Verwendungsdauer als Vertragsassistentin oder Vertragsassistent

1. von mehr als sechs Jahren bei Vollbeschäftigung oder

2. von mehr als acht Jahren bei Teilbeschäftigung

aufweist, gebührt eine Dienstzulage, wenn sie oder er das Erfordernis nach § 52 Abs. 2 Z 2 erfüllt. Ab Erlangung der Lehrbefugnis als Universitätsdozentin oder Univer­sitätsdozent oder in jenen Fächern, in denen eine Habilitation nicht möglich ist, ab der Erlangung einer gleichzuwertenden Befähigung, gebührt eine erhöhte Dienstzulage. Die Dienstzulage beträgt

 

in der Entlohnungsstufe

ohne Lehrbefugnis

mit Lehrbefugnis oder gleichzuwertender Befähigung

Euro

1

74,1

265,2

2

103,3

369,7

3

175,5

447,7

4

181,9

451,5

5

180,6

450,8

6

178,0

453,9

7

184,5

452,7

8

183,0

444,6

9

170,5

443,8

10

182,2

455,7

11

182,3

455,1

12

182,4

458,4

13

181,0

457,5

14

190,


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 175

1

406,1

15

172,9

431,8

16

86,3

604,1

17

345,2

863,0

18

345,2

863,0

19

345,2

863,0

 

(4a) Abweichend von Abs. 4 beträgt die Dienstzulage bei einer Vertragsassistentin oder einem Vertragsassistenten, die oder der nach § 94a Abs. 1 übergeleitet wurde, bis zum Erreichen der Zielstufe

 

in der Entlohnungsstufe

ohne Lehrbefugnis

mit Lehrbefugnis oder gleichzuwertender Befähigung

Euro

1

80,0

344,3

2

173,3

446,2

3

181,9

452,0

4

182,0

449,8

5

176,2

453,6

6

183,2

454,9

7

188,4

446,1

8

166,6

439,9

9

182,2

455,6

10

182,2

455,8

11

182,4

453,1

12

182,4

474,3

13

176,6

407,1

14

230,5

403,


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 176

1

15

0,0

517,8

16

345,2

863,0

17

345,2

863,0

18

345,2

863,0

19

345,2

863,0“

 

b) erhält mit 1. Jänner 2016 die Tabelle in Abs. 4 in der Fassung nach lit. a folgende Fassung:

 

in der Entlohnungsstufe

ohne Lehrbefugnis

mit Lehrbefugnis oder gleichzuwertender Befähigung

Euro

1

77,0

273,5

2

107,4

381,9

3

181,3

461,9

4

188,4

466,0

5

186,4

465,0

6

184,4

468,0

7

190,4

467,0

8

189,4

458,9

9

176,3

457,9

10

188,4

470,0

11

188,4

470,0

12

188,4

473,1

13

187,4

472,1

14

196,5

419,4

15

178,3

445,7

16

89,1

623,0

17

356,6

890,4

18

356,6

890,4

19

356,6

890,4

 

c) erhält mit 1. Jänner 2016 die Tabelle in Abs. 4a in der Fassung nach lit. a folgende Fassung:

 


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 177

in der Entlohnungsstufe

ohne Lehrbefugnis

mit Lehrbefugnis oder gleichzuwertender Befähigung

Euro

1

83,1

355,6

2

179,3

460,9

3

188,4

467,0

4

188,4

464,0

5

182,3

468,0

6

189,4

469,0

7

194,5

459,9

8

172,2

453,8

9

188,4

470,0

10

188,4

470,0

11

188,4

468,0

12

188,4

489,3

13

182,3

420,4

14

238,1

416,3

15

0,0

533,9

16

356,6

890,4

17

356,6

890,4

18

356,6

890,4

19

356,6

890,4

 

14. In Art. 3 lautet Z 9:

„9. Dem § 90f werden folgende Abs. 4 bis 7 angefügt:

„(4) Bei der Überstellung einer Vertragslehrperson der Entlohnungsgruppe l 2a 2 oder l 2a 1 in die Entlohnungsgruppe l 1 ist abweichend von den Bestimmungen über den Vorbildungsausgleich nach § 15 Abs. 4 zusätzlich zu einem allenfalls bereits in Abzug gebrachten Vorbildungsausgleich folgender Vorbildungsausgleich in Abzug zu bringen:

1. vier Jahre, wenn die Voraussetzung für die Einreihung lediglich nach Z 23.3 Abs.2 lit. a oder Z 23.6 Abs. 2 der Anlage 1 zum BDG 1979 erfüllt wird, oder wenn die Voraussetzung für die Einreihung der Z 23.2 der Anlage 1 zum BDG 1979 lediglich durch Erwerb zweier Bachelorgrade erfüllt wird, oder


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 178

2. zwei Jahre in allen anderen Fällen.

(5) Bei der erstmaligen Einreihung in die Entlohnungsgruppe l 2a 2 oder anlässlich einer Überstellung in diese Entlohnungsgruppe gelten Vertragslehrpersonen, die

1. einen Bachelor of Education im Ausmaß von 180 ECTS-Anrechnungspunkten gemäß § 65 Abs. 1 des Hochschulgesetzes 2005 – HG, BGBl. I Nr. 30/2006, erworben haben, oder

2. ein Diplom einer öffentlichen oder mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Pädagogischen, Berufspädagogischen, Land- und forstwirtschaftlichen berufspäda­gogischen oder Religionspädagogischen Akademie gemäß Akademien-Studiengesetz 1999 – AStG, BGBl. I Nr. 94/1999, erworben haben, oder

3. die in Z 24 der Anlage 1 zum BDG 1979 normierten Voraussetzungen für die Einreihung erfüllen,

bei der Anwendung des § 15 Abs. 4 und 5 als Vertragsbedienstete, die eine Hoch­schulbildung gemäß Z 1.12a der Anlage 1 zum BDG 1979 aufweisen.

(6) Bei der erstmaligen Einreihung in die Entlohnungsgruppe l 2a 1 oder anlässlich einer Überstellung in diese Entlohnungsgruppe ist abweichend von den Bestimmungen über den Vorbildungsausgleich nach § 15 Abs. 4 und 5 kein Vorbildungsausgleich in Abzug zu bringen, wenn die Voraussetzung für die Einreihung gemäß Z 25.1. Abs. 3 oder 4 der Anlage 1 zum BDG 1979 erfüllt wird. In allen anderen Fällen ist ein Vorbildungsausgleich von drei Jahren in Abzug zu bringen.

(7) Der im Verlauf des Dienstverhältnisses nach den Abs. 1 bis 3 in Abzug gebrachte Vorbildungsausgleich darf

1. in den Entlohnungsgruppen l 2a 2 und l 2a 1 insgesamt das Ausmaß von drei Jahren sowie

2. in der Entlohnungsgruppe l 1 insgesamt das Ausmaß von fünf Jahren

Nicht überschreiten.““

15. In Art. 3 Z 12 wird in § 100 Abs. XX Z 1 die Wortfolge „§ 90f Abs. 4 und 5“ durch die Wortfolge „§ 90f Abs. 4 bis 7“ ersetzt.

16. In Art. 3 Z 12 lauten in § 100 Abs. XX Z 2 und 5:

„2. § 22 Abs. 2 in der Fassung des Art. 3 Z 3 lit. a des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XXX/2015 und § 54a Abs. 4 und 4a in der Fassung des Art. 3 Z 6cc lit. a des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XXX/2015 mit 12. Februar 2015,

5. § 22 Abs. 2 in der Fassung des Art. 3 Z 3 lit. b des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XX/2015, § 54a Abs. 4 in der Fassung des Art. 3 Z 6cc lit. b des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XXX/2015 und § 54a Abs. 4a in der Fassung des Art. 3 Z 6cc lit. c des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XXX/2015 mit 1. Jänner 2016,“

Begründung

Zu Art. 1 Z 3a (§ 170 Abs. 3a BDG 1979):

Durch diese Anpassung wird sichergestellt, dass übergeleitete Universitätsas­sisten­tinnen und Universitätsassistenten, die nach Erreichen der Zielstufe zu Univer­sitäts­dozentinnen oder Universitätsdozenten ernannt werden, keine finanziellen Nachteile aus der Überleitung erleiden.

Zu Art. 2 Z 1 (§ 13e Abs. 7 GehG):


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 179

Es wird klargestellt, dass für die Bemessung der Urlaubsersatzleistung das Schuljahr maßgebend ist.

Zu Art. 2 Z 3 und Art. 2 Z 16 lit. b (§ 34 Abs. 1a und § 91 Abs. 1 GehG):

Berichtigung von Rechenfehlern.

Zu Art. 2 Z 4ee und Art. 3 Z 6cc (§ 49 Abs. 2 GehG und § 54a Abs. 4 VBG):

Durch die Neuregelung der Dienstzulage für Universitätsassistentinnen und Univer­sitätsassistenten sowie für Vertragsassistentinnen und Vertragsassistenten wird diese an die Strukturen des mit der Bundesbesoldungsreform 2015 geschaffenen Besol­dungs­systems angepasst. Dadurch wird sichergestellt, dass die betroffenen Bediens­teten über einen mehrjährigen Durchrechnungszeitraum auch künftig dieselben Bezüge erhalten wie bisher. Dabei ist zu beachten, dass die vom 1. März 2015 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2015 geltenden Beträge noch gemäß § 170a Abs. 1 GehG in der in diesem Zeitraum geltenden Fassung zu valorisieren sind (Erhöhung um 1,77% und Aufrundung auf ganze Euro).

Eine Rückforderung allfälliger Differenzen aufgrund des rückwirkenden Inkrafttretens ist ausgeschlossen, da die bisherigen Dienstzulagen nicht zu Unrecht empfangen wurden und daher kein Übergenuss nach § 13a Abs. 1 GehG vorliegt. Den nach § 169c GehG oder § 94a VBG übergeleiteten Bediensteten gebührt übergangsweise bis zum Erreichen der Zielstufe ein abweichender Betrag, welcher der bisherigen Zulage im alten Besoldungssystem entspricht. Die Struktur der Neuregelung entspricht damit weitgehend jener bei der Neuregelung der Verwendungszulage (vgl. Erläuterungen zur Regierungsvorlage zu § 34 GehG).

Zu Art 2 Z 6 und Art. 3 Z 9 (§ 55a Abs. 3 GehG und § 90f Abs. 6 VBG):

Bei der erstmaligen Ernennung in die Verwendungsgruppe L 2a 1 bzw. bei der erstmaligen Einreihung in die Entlohnungsgruppe l 2a 1 ist auf die Ernennungs­erfor­dernisse gemäß Z 25.1. Abs. 3 und 4 der Anlage 1 zum BDG 1979 Bedacht zu nehmen. Bei Erfüllung eines dieser Erfordernisse ist kein Vorbildungsausgleich in Abzug zu bringen.

Zu Art. 2 Z 6 und Art. 3 Z 9 (§ 55a Abs. 4 GehG und § 90f Abs. 7 VBG):

Mit dieser Bestimmung soll sichergestellt werden, dass der bei mehrfachen Über­stellungen in Abzug gebrachte Vorbildungsausgleich in der Verwendungsgruppe L 2a bzw. der Entlohnungsgruppe l 2a insgesamt drei Jahre und in der Verwendungsgruppe L 1 bzw. der Entlohnungsgruppe l 1 insgesamt fünf Jahre nicht überschreitet.

*****

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Otto Pendl, Dr. Beatrix Karl, Dr. Peter Wittmann, Werner Amon, MBA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Absicherung der Bundesbediensteten bei längerdauernden Krankenständen aufgrund besonderer beruflicher Belastungssitua­tionen

eingebracht im Zuge der Debatte über die Regierungsvorlage: Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Vertrags­bedienstetengesetz 1948, das Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Landesvertragslehrpersonengesetz 1966, das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrpersonengesetz, die Reisegebührenvorschrift


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 180

1955, das Bundes-Personalvertretungsgesetz, das Bundes-Bedienstetenschutzgesetz, das Bezügegesetz und das Finanzprokuraturgesetz geändert werden (2. Dienstrechts-Novelle 2015) (902 d.B) in der Fassung des Ausschussberichtes (940 d.B.)

Die unterzeichnenden Abgeordneten bekennen sich zur Unterstützung der Polizistin­nen und Polizisten angesichts der derzeitigen Herausforderungen aufgrund der Flücht­lingssituation.

Die andauernde und über das normale Maß hinausgehende physische und psychische Belastung der Polizistinnen und Polizisten sowie die draus resultierenden Kranken­stände, teilweise aufgrund sog. „innerer Ursachen“ werfen Fragen hinsichtlich der Unter­scheidung zwischen Dienstunfällen und nicht zu Dienstunfällen zählenden länge­ren Krankenständen aufgrund außergewöhnlich großer psychischer dienstlicher Belas­tungssituationen auf.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, im Rahmen der bevorstehenden Gespräche für ein neues Dienstrecht sozialpartnerschaftliche Gespräche auch zum Thema länger­dauernde Krankenstände aufgrund außergewöhnlich großer psychischer dienstlicher Belastungssituationen von Polizistinnen und Polizisten zu führen.“

*****

 


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Walser. – Bitte.

 


17.13.51

Abgeordneter Dr. Harald Walser (Grüne): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Lieber Otto Pendl, da du das verabsäumt hast, möchte ich mich zu Beginn meiner Rede bei den Lehrerinnen und Lehrern bedanken, die tagtäglich ihre Arbeit machen. Ich bin sehr froh, das heute tun zu dürfen.

Weniger froh bin ich allerdings, auf etwas hinweisen zu müssen, was eine Ungerech­tigkeit in unserem Dienstrecht darstellt. Wir haben im Februar das LehrerIn­nen­dienstrecht Neu beschlossen. Und das ist insbesondere bei jungen Lehrerinnen und Lehrern durchaus positiv aufgenommen worden. Es sind 300, 400 € brutto mehr Anfangsgehalt. Die meisten Lehrkräfte haben in dieses neue LehrerInnendienstrecht optiert.

Im September waren drei Lehrerinnen bei mir mit ihrem Personalvertreter Andreas Hammerer – übrigens ein Fraktionskollege von Ihrer Seite (in Richtung ÖVP); der Kollege Sieber wird ihn aus dem Bregenzer Wald kennen – und haben mir eine spezielle Situation geschildert. Diese Lehrerinnen sind sehr engagiert. Die Schulleitung anerkennt das. Und diese Lehrerinnen werden auch damit beauftragt, junge Lehrkräfte in den Beruf einzuführen, ihnen beiseite zu stehen. Jetzt kam es zu der paradoxen Situation, dass die seit Jahren im Dienst befindlichen Lehrerinnen weniger verdienen als jene, die sie in den Beruf hineinbegleiten sollen. Das ist insofern etwas schwer nachvollziehbar, als diese Lehrerinnen erstens engagiert sind – ich habe es schon erwähnt – und zweitens auch eine gewisse Gerechtigkeit vom Staat erwarten. Das sind in diesem Fall Lehrerinnen, die nicht schon als Jugendliche den Traumberuf Lehrerin hatten, sondern im höheren Alter – zum Teil jedenfalls – eingestiegen sind und nie in


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 181

den Genuss der Endgehälter kommen, die im LehrerInnendienstrecht Alt vorgesehen waren.

Ich verstehe nicht – niemand versteht das, und niemand kann das verstehen –, dass man diesen Lehrerinnen die Besoldungsgerechtigkeit verweigert. Lieber Otto Pendl, ich schätze dich sehr, aber dass du darauf jetzt mit keinem Wort eingegangen bist, spricht aus meiner Sicht Bände. Mit welcher Begründung verwehren wir diesen Lehrkräften Besoldungsgerechtigkeit?

Ich habe auch noch einen zweiten Antrag eingebracht. Darin geht es um die Anrech­nung von Vordienstzeiten. Auch da haben wir eine absurde Situation: Wir wollen durchaus Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger in den Lehrerberuf/Lehrerinnenberuf bekommen. Das ist eine wichtige Angelegenheit. Die Schule soll sich öffnen. Das LehrerInnendienstrecht Neu, Frau Staatssekretärin – wir haben vor einem Jahr darüber diskutiert –, kommt dem teilweise entgegen, indem Vordienstzeiten bis zu zehn Jahren anerkannt werden. Jetzt kommt aber wieder dieselbe Situation, die ich vorhin geschil­dert habe: Für bereits im Dienst befindliche LehrerInnen gilt das nicht! Und auch da meine Frage: Warum verwehren wir diesen Lehrkräften eine Neuberechnung ihrer Vor-dienstzeiten? Das ist nicht einsehbar! Es wird an den Schulen zu Recht als ungerecht empfunden. Und ich ersuche Sie dringend, das zu ändern.

Im Ausschuss war die Situation eigentlich klar: Alle vier Oppositionsparteien haben gesagt: Ja, das ist vernünftig, machen wir das! Geben wir allen dieselbe Chance, die an unseren Schulen unterrichten, und gehen wir diesen Schritt in Richtung Besol-dungs­gerechtigkeit!

Warum die Regierungsparteien hier ein Njet dahinschmettern, das bitte, geschätzte Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsfraktionen, erklären Sie den Lehrkräften an den Schulen! Das erklären Sie bitte auch Ihren Personalvertreterinnen und Per­sonalvertretern, die genau dagegen auftreten! (Beifall bei den Grünen.)

17.18


Präsident Karlheinz Kopf: Herr Abgeordneter Mag. Gerstl gelangt als Nächster zu Wort. – Bitte.

 


17.18.40

Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Als Erstes muss ich leider auf die Kollegen der Freiheitlichen eingehen, obwohl ich es wirklich schon leid bin, auf diese Weltuntergangsstimmung, auf diese Weltverschwörerstimmung vom Kollegen Lausch nur in irgendeiner Form einzugehen. (Abg. Lausch: Es ist wirklich traurig!)

Auch wenn Sie es noch drei Mal oder vier Mal oder fünf Mal wiederholen, Herr Kollege Lausch, es wird nicht richtiger! (Abg. Lausch: Sie können es nicht erklären!) Wir haben es Ihnen im Ausschuss erklärt. Sie wissen es nämlich auch ganz genau, wie es war, und trotzdem wiederholen Sie die Unwahrheiten. Und das ist nicht okay, weil Sie nur versuchen, bei allen, die unzufrieden sind, Stimmen zu kassieren! Das ist nicht die Art und Weise, wie wir uns Demokratie vorstellen, Herr Kollege Lausch. So geht es nicht! (Beifall bei der ÖVP. – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Lausch.)

Daher nur ganz kurz noch für die Zuseherinnen und Zuseher: Wie war die Situation im Zuge der Besoldungsreform?

Es war vor einem Jahr, als der Europäische Gerichtshof unser Besoldungssystem in einzelnen Bestimmungen aufgehoben hat und der österreichische Verfassungs­gerichts­hof uns danach eine Frist gegeben hat – ich glaube, von drei Monaten –, bis wann wir das reparieren müssen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 182

Wenn wir es in dieser Zeit nicht repariert hätten, dann wären auf einmal in kürzester Zeit Mehrkosten von rund einer Milliarde Euro angefallen. Meine Damen und Herren, das war der Grund dafür, warum wir Zeitdruck hatten und warum wir gesagt haben, wir müssen das Problem rasch lösen.

Ich bin sehr dankbar dafür, dass die Frau Staatssekretärin und alle Beamtinnen und Beamten im Bundeskanzleramt intensiv daran gearbeitet haben, da eine bestmögliche Lösung zu finden – immer wissend, dass man nie ganz genau weiß, ob der Euro­päische Gerichtshof in Zukunft in dieser oder in einer anderen Richtung entscheidet. Aber bestmöglich wurde zwischen den Arbeitnehmervertretern und den Arbeitgeber­vertretern eine Lösung ausgearbeitet, bei der wir alle daran gedacht haben, dass sie eine tragfähige Lösung sein könnte, und zwar so, dass sie nicht zum Schaden für die Beamten ist, sondern – im Gegenteil! – dass die Beamten sogar noch insgesamt 60 Millionen € dazubekommen. Dafür ein großes Danke auch vom Finanzminister, denn das ist in dieser Zeit nicht selbstverständlich, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Pendl.)

Weiters beschließen wir heute auch noch die Besoldungsreform für 2016, dass nämlich alle Beamtinnen und Beamten um 1,3 Prozent mehr Geld bekommen. Auch das, Herr Kollege Lausch, haben Sie uns verschwiegen beziehungsweise den Beamtinnen und Beamten verschwiegen, dass sie ab 1. Jänner wieder mehr Geld auf ihrem Konto haben werden und nicht nur den Inflationsausgleich, sondern auch etwas darüber, was für unsere Wirtschaftsleistung auch angemessen ist. (Abg. Lausch: Das ist in Ord­nung! Das war es dann aber auch schon!) Dafür auch ein besonderes Danke für die fairen, raschen und zügigen Verhandlungen zwischen Arbeitnehmervertretern, der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst und den Arbeitgebervertretern im Bundeskanzleramt. Frau Staatssekretärin, herzlichen Dank dafür. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)

Ich möchte zum Abschluss noch auf zwei Entschließungsanträge eingehen, die Kollege Strolz – soweit ich weiß – noch einbringen wird; aber weil es nach ihm keinen Redner mehr geben wird, möchte ich noch ganz kurz darauf eingehen.

Beim ersten Antrag, den Herr Kollege Strolz einbringen wird, geht es darum, dass die Schulen eine möglichst umfassende Personalautonomie erhalten sollen. – Ja, das haben wir im Zuge des Pakets, das die Bundesregierung für ein neues Bildungspaket ausverhandelt hat, auch so vorgesehen. Da gibt es Verhandlungen mit den Dienst­nehmervertretern und den Dienstgebervertretern. Wir sind höchst daran interessiert, eine größtmögliche Schulautonomie herbeizuführen. Das wird sich in den nächsten Wochen und Monaten zeigen. Unser Ziel ist, dass wir im ersten Halbjahr 2016 diese Bildungsreform auch beschließen; da fließt das eindeutig mit ein. Ich kann Ihnen sagen, das ist auf Schiene.

In Ihrem zweiten Entschließungsantrag, den Sie einbringen werden, geht es darum, Sorge dafür zu tragen, das Berufsbild der Lehrerinnen und Lehrer umfassend aufzu­werten. – Das versteht sich für uns von selbst. Vielleicht sind wir beim System nicht einer Meinung, da gibt es andere Grundsätze von Ihnen und anderen Parteien. Ich glaube aber, dass es nicht so sehr auf die Organisation ankommt, sondern es kommt immer auf die Person an, auf die Lehrerinnen und Lehrer, welche Möglichkeiten sie haben und wie sie sich einbringen können.

Daher geht nichts über die größte Wertschätzung für unsere Lehrerinnen und Lehrer, die größte Akzeptanz, die größte Motivation, die größte Unterstützung. Denn sie sind es, die unsere Kinder in die Zukunft führen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

17.23



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 183

Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Loacker. – Bitte.

 


17.23.46

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Die 1,3 Prozent haben sich die Beamten natürlich redlich verdient. Daran soll auch nicht herumgedeutelt werden.

Ich möchte trotzdem erklären, warum wir Ihrem Antrag nicht zustimmen können. Weil wir im Frühjahr schon im Ausschuss und im Plenum diskutiert haben, dass die Altersdiskriminierung nicht beseitigt ist. Und wir bleiben dabei: Jetzt kommt nämlich eine Novelle, die Anpassungen an einem System vornimmt, das weiterhin altersdis­kriminierend bleibt. Jetzt wissen Sie – speziell auf dieser Seite (in Richtung SPÖ) –, dass ich kein großer Fan der Arbeiterkammer bin. Umso schwerer wiegt es, wenn ich die Stellungnahme der Arbeiterkammer im Begutachtungsverfahren hervorziehe, die gesagt hat, „dass diese Novelle wie schon die erste Dienstrechtsreform 2015 unter wesentlichen europarechtlichen Mängeln leidet. Insbesondere müsste dringend eine gemeinschaftsrechtskonforme Vordienstzeitenregelung getroffen werden“.

Frau Staatssekretärin, jetzt fragen Sie sich, wie ich auf die Idee komme, dass diese Regelung altersdiskriminierend ist. Sie haben, um die Altersdiskriminierung zu besei­tigen, eine Überleitung vom alten Besoldungsschema ins neue gemacht. Da haben Sie die Bezüge vom Februar herangezogen, also von einem System, das altersdiskriminie­rend war, weggerechnet in ein neues, das natürlich dann logischerweise wieder alters­dis­kriminierend sein muss.

Dazu gibt es auch schon eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Es sind meines Wissens noch einmal tausend Verfahren diesbezüglich im Gange. Ihnen kann es eigentlich egal sein, denn finanziell trifft es ja nicht Sie, sondern da kann dann der Finanzminister die Böcke beseitigen, die Sie zwischenzeitlich geschossen haben. (Beifall bei den NEOS.)

17.25


Präsident Karlheinz Kopf: Nun hat sich Frau Staatssekretärin Mag. Steßl zu Wort ge­meldet. – Bitte.

 


17.25.46

Staatssekretärin im Bundeskanzleramt Mag. Sonja Steßl: Herr Präsident! Ge­schätzte Damen und Herren Abgeordnete! Werte Zuhörerinnen und Zuhörer auf der Galerie! Ich bedanke mich für die Möglichkeit, dass wir dieses Thema heute so ausführlich diskutieren können, und insbesondere auch dafür, dass ich ein paar Dinge klarstellen kann.

Ich möchte bei Herrn Kollegen Lausch beginnen, ich habe das bereits im Ausschuss gesagt: Es gibt jedes Jahr zumindest eine Dienstrechts-Novelle. Warum? – Damit wir auch den Gehaltsabschluss für die öffentlich Bediensteten in das Hohe Haus bringen. Das ist der erste Punkt, der zum Verständnis aller auch einmal gesagt werden muss.

Der zweite Punkt ist, dass wir nach wie vor noch über die Besoldungsreform dis­kutieren können. Aber mir war es wichtig, bei einem Budgetrisiko von mehreren Milliar­den Euro schnell und möglichst rasch Rechtssicherheit für den Steuerzahler und für die Steuerzahlerin, aber auch für die öffentlich Bediensteten zu schaffen. Diese würden sich alle herzlich bei uns bedanken, wenn wir ab 1. Jänner 2016 keine Steuerreform hätten, wenn wir damals nicht so schnell gehandelt hätten. Das sei auch einmal gesagt.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 184

Das Nächste ist: Die Eile war notwendig. Sie haben jetzt eine Entscheidung ange­sprochen, dass die Novelle ohnehin wieder gekippt worden wäre. Wir haben noch keine höchstgerichtliche Entscheidung zu diesem Thema. Wir leben in einem Rechts­staat. Es steht Ihnen frei, Herr Kollege Loacker, dass Sie Ihre Rechtsansicht hier insofern formuliert haben, dass Sie nach wie vor meinen, dass wir aufgrund dieser Wah­rungszulage, von der Sie gesprochen haben, von einer altersdiskriminierenden Regelung ausgehen. Mir war es wichtig, dass die öffentlich Bediensteten keinerlei Verluste tragen. Daher haben wir uns entschieden, eine Wahrungszulage bei der automatischen Überleitung zu machen, damit es keine Verluste für die öffentlich Bediensteten gibt. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ich finde es wirklich schade – bitte, ich sage das mit allem Respekt –, aber mir kommt es so vor, als ob die NEOS jetzt, damit sie dem Gehaltsabschluss von 1,3 Prozent für die öffentlich Bediensteten nicht zustimmen müssen (Abg. Loacker: Das habe ich doch gesagt!), hier etwas ausformulieren, indem sie jetzt wieder aus dem Begutach­tungsverfahren von früher etwas zitieren. Ich finde es schade, die öffentlich Bediens­teten werden sich dann bei Ihnen bedanken. (Abg. Lausch: Sie sind sich für nichts zu schlecht!)

Ich glaube, dass es wichtig ist, gerade in Zeiten wie diesen den öffentlich Bediensteten auch unsere Wertschätzung und unseren Respekt entgegenzubringen, denn sie handeln mit sehr, sehr viel Gefühl in der Ausnahmesituation, in der wir uns derzeit befinden. Ich rede von den Polizisten und Polizistinnen, von den Bundesheerange­hörigen, die derzeit die Grenzsicherung vornehmen und Assistenzeinsatz leisten. Ich rede von allen Lehrerinnen und Lehrern, die auch ein besonderes Fingerspitzengefühl an den Tag legen, und von allen öffentlich Bediensteten, die in der jetzigen Situation mit den Asylherausforderungen konfrontiert sind. Daher bedanke ich mich auch bei den öffentlich Bediensteten für ihre Arbeit, die sie tagtäglich leisten. (Abg. Pendl: Bravo!)

Ich bin auch sehr froh darüber, dass es uns heuer gelungen ist, in nur drei Verhand­lungsrunden mit der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst möglichst schnell, möglichst zügig einen Gehaltsabschluss zu verhandeln, sozialpartnerschaftlich, der eine Brücke schlägt: einerseits, dass wir die öffentlich Bediensteten respektieren, ihre Arbeit wert­schätzen, und andererseits, dass wir uns natürlich auch innerhalb der nötigen budge­tären Rahmenbedingungen bewegen. Daher diese 1,3 Prozent, mehr als die Inflation von 1,06 Prozent. Es wird ein Drittel des Wirtschaftswachstums an die öffentlich Bediensteten weitergegeben. Das sollte auch anerkannt werden. Und das ist ja auch der Hauptgrund für diese Novelle, die wir heute im Hohen Haus beschließen.

Daher bitte ich Sie, auch im Namen der öffentlich Bediensteten, um Ihre Zustimmung zu diesem Gehaltsabschluss für das Jahr 2016. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.30


Präsident Karlheinz Kopf: Nun gelangt Frau Abgeordnete Lueger zu Wort. – Bitte.

 


17.30.19

Abgeordnete Angela Lueger (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich verstehe die Aufregung seitens der FPÖ nicht, wir hatten in den letzten Jahren immer zwei Novellen. Zwei Novellen – eine im Frühjahr, eine im Herbst – wurden immer durchgeführt. Das ist auch daraus zu schließen, dass wir Richtlinien umzusetzen haben. Die Richtlinien, die wir in unser BDG umsetzen müs­sen, sind zum Beispiel auch Dinge, die jetzt im Bundes-Bedienstetenschutzgesetz geregelt werden, wo es darum geht, gefährliche chemische Arbeitsstoffe europaweit einheitlich zu kennzeichnen und auch einheitlich in den Lagerbereichen zu verwahren. Das ist eine positive Sache für all jene, die damit arbeiten müssen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 185

Nichtsdestotrotz hat diese Novelle sehr viele technische Anpassungen – technische Anpassungen insofern, als viele kleine Regelungen enthalten sind. Sie kennen das BDG, Herr Abgeordneter Lausch. Sie wissen, wie dick das Büchlein des BDG ist. Es ist ganz einfach schwierig, sich da durchzulesen.

Das geht noch viel weiter, als wir es hier jetzt diskutiert haben, denn es verhandelt nicht nur der öffentliche Dienst, der Bundesdienst, sondern es verhandeln ja auch die Gemeindebediensteten gemeinsam mit dem öffentlichen Dienst. Das schlägt letzt­endlich auf 300 000 Beamtinnen und Beamte, Vertragsbedienstete durch, die für den Staat, für das Land, für die Gemeinde arbeiten.

Herr Kollege Lausch, da stellen Sie sich dann aber auch hin und sagen, dass Sie im Ausschuss dagegen gestimmt haben, dass die Obergrenze für Schmerzensgeld für Polizisten, wenn der Täter nicht belangt werden kann, von 9 700 € auf 12 200 € ange­hoben wird. Da stellen Sie sich dann bitte auch hin und sagen den Kolleginnen und Kollegen, dass Sie gegen diese Gehaltserhöhung von 1,3 Prozent gestimmt haben (Abg. Pendl: Genau!), denn das ist dann auch die Begründung, wo man einmal sagen kann, Sie sind gegen jede Verbesserung, Sie wollen immer nur einsparen! Anderer­seits bringen Sie Anträge ein, was es wieder zusätzlich für andere Gruppen geben soll, die extra behandelt werden sollen. Aber es soll einfacher und effizienter werden. Das passt irgendwo nicht zusammen. Daher wird unsere Fraktion auf alle Fälle die Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ.)

17.32


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hagen. – Bitte.

 


17.33.03

Abgeordneter Christoph Hagen (STRONACH): Herr Präsident! Frau Bundesmister! – Ah, Frau Staatssekretär! Jetzt habe ich Sie schon höher gemacht. (Heiterkeit des Redners. – Abg. Pendl: Wird schon noch!) Hohes Haus! Otto Pendl hat mir vorhin eine riesige Freude bereitet. Wir hatten vor ein paar Tagen hier in diesem Saal eine Sitzung des Verfassungsausschusses, wir haben hier diskutiert. Sie kennen meine Forderung, was das Exekutivdienstgesetz betrifft, weil ich der Meinung bin, dass die Exekutiv­beamten im Rahmen des Beamtenwesens sehr schlecht behandelt werden, also aus finanzieller Sicht als Hilfsdienst behandelt werden, obwohl sie eigentlich hochkomplexe Tätigkeiten durchführen müssen.

Wir vergessen nicht, dass die Exekutivbeamten im Rahmen der Strafprozessordnung hinzugezogen worden sind und nun erste Instanz in der Strafbehörde sind. Das ist eine juristische Tätigkeit, aber bezahlt werden sie nach dem Hilfsdienst, da das früher so eingestuft worden ist.

Da möchte ich noch einen kurzen Vergleich bringen. Ein Postbeamter, der zur Exe­kutive gewechselt hat, ist jetzt in einer Art Hilfsdienst in diesem Bereich tätig. Der Fachbereichsleiter, der Exekutivbeamte, Chefinspektor, hat ein geringeres Gehalt als der Postbeamte, der ihm als Hilfsdienst zur Seite gestellt worden ist. Diese Tätigkeit haben früher Vertragsbedienstete gemacht. Da sieht man schon einmal diese Spanne. Ich sage immer, dass das eine Ungerechtigkeit ist. Deswegen fordere ich ein eigenes Exekutivdienstgesetz.

Jetzt hat mich die Frau Staatssekretär – wir haben schon öfter über dieses Thema diskutiert – überzeugt, dass sie ein Dienstsystem machen möchte, in dem man alle Beamte – wir haben ja 37 verschiedene Bereiche – unter einen Hut bekommt, und es spezifische Regeln gibt. Das lasse ich mir einreden, wenn dort wirklich Verbesserun­gen für diese schweren Tätigkeiten, die für unser aller Sicherheit und Wohlempfinden durch die Exekutive gemacht werden, umgesetzt werden. Ich habe auch im Antrag


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 186

zum Exekutivdienstgesetz formuliert, dass diese anstrengende Tätigkeit mit den vielen Nacht- und Wechseldiensten entsprechend honoriert werden sollte.

Da gibt es auch spezifische Berufskrankheiten, Herzinfarkt, Schlaganfall oder Krebs, die bei den Exekutivbeamten ganz gewaltig zuschlagen, weil einfach die Belastung so hoch ist. Lieber Otto Pendl, ich habe gesagt, wir können zusammenarbeiten, wir helfen zusammen. Wir werden eurem Antrag gerne zustimmen, er geht in die richtige Rich­tung, das ist ein erster Ansatz. Ich glaube, da muss noch vieles folgen.

Liebe Frau Staatssekretärin, Sie bekommen von uns Vorschusslorbeeren. Wir werden dieser Dienstrechts-Novelle zustimmen, auch wenn es dort noch einige Fragezeichen gibt. Aber vielleicht können Sie mir die Fragen noch beantworten.

Sie haben die Wahrungszulage angesprochen; die läuft ja drei Jahre, wenn ich das richtig im Kopf habe. Meine Frage: Läuft sie dann weiter oder erlischt sie? Wenn sie erlischt, dann wäre es ein finanzieller Nachteil für die Beamten, wenn sie weiterläuft, dann ist es so in Ordnung. Dann können wir das gerne mittragen, auch die 1,3 Prozent Gehaltserhöhung für die Beamtinnen und Beamten. Das trifft auch die Exekutivbeam­ten, das ist für uns absolut in Ordnung.

Frau Kollegin Lueger hat vorhin auch die Bevorschussung beziehungsweise die Sache mit dem Schmerzensgeld angesprochen. Das ist auch okay. Da können wir auch mit. Aber es gibt da doch einiges zu tun.

Ich würde einfach sagen: Packen wir es einmal miteinander an! Ich bin gerne bereit mitzuarbeiten, Frau Staatssekretärin. Ich habe viele Anträge eingebracht, auch das Modell 50+ für ältere Exekutivbeamte, die einfach nicht mehr so agil sind wie junge Beamte, die vielleicht mit diesen vielen Nacht- und Wechseldiensten nicht mehr so zurande kommen. Da könnte man eher Überstunden einsparen, wenn sie das wollen, sodass sie diese ausgleichen können und sie sich nicht unbedingt auszahlen lassen müssen, wenn sie das nicht wollen.

Das sind alles Schritte, wo wir hinarbeiten können. Ich lade Sie ein, Frau Staats­sekre­tärin, wir sind gerne dabei. Aber da werden wir jetzt zustimmen. Das sind Vor­schuss­lorbeeren, aber ich würde bitte die Antwort auf meine Frage noch gerne hören. – Danke schön. (Beifall beim Team Stronach.)

17.37


Präsident Karlheinz Kopf: Nun gelangt Herr Klubobmann Dr. Strolz zu Wort. – Bitte.

 


17.37.45

Abgeordneter Mag. Dr. Matthias Strolz (NEOS): Herr Präsident! Frau Staatssekre­tärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Damen und Herren auf der Galerie, zu Hause oder unterwegs! Ich spreche zum Thema Lehrerdienstrecht, zum Antrag des Kollegen Walser. Er schlägt vor, dass wir auch bereits im Dienst befindlichen Lehr­kräften den Übertritt in das neue Lehrerdienstrecht ermöglichen. Natürlich! Ich glaube, da spricht nichts dagegen, sondern da spricht sehr viel dafür. Wenn wir sagen neues Lehrerdienstrecht – und das hat eine Mehrheit im Parlament; es ist offensichtlich zeit­gemäßer als das alte –, dann sollen alle Pädagoginnen und Pädagogen die Möglichkeit haben überzutreten. Das heißt, wir werden diesen Vorschlag unterstützen.

Wir wollen natürlich noch viel weitergehen, das ist bekannt. Ich werde keine Chance auslassen, hier mein Mantra für mehr Freiheit und Verantwortung, für ein differen­zier­teres Professionsverständnis der Lehrerinnen und Lehrer, für mehr Selbstbewusstsein und für ein positiveres Image in der Bevölkerung zu singen. Lehrerin/Lehrer, das ist einer der wichtigsten Berufe in unserer Republik. Jedes unserer Kinder ist zumindest neun Jahre mit diesem Berufsstand konfrontiert, tagtäglich, das heißt, dies ist wahr­scheinlich der wichtigste Beruf dieser Republik.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 187

Deswegen braucht dieser Berufsstand auch einen aufrechten Gang, ein gutes Profes­sionsverständnis, ein differenziertes Berufsbild. Somit möchten wir hier der Aufwertung des Berufsbildes der Lehrerinnen und Lehrer das Wort reden. Es braucht die Stärkung des Professionsverständnisses, das geht natürlich mit Gestaltungsmöglichkeiten ein­her. Damit muss man ihnen mehr Freiheit geben, das heißt, auch mehr Verantwortung übertragen.

In vielen Ländern – Gallup macht da regelmäßig Umfragen – sind die Lehrerinnen und Lehrer nach den Piloten und Feuerwehrleuten mit unter den am meisten respektierten Berufen in der Gesellschaft. In Österreich sind sie im schlechten Mittelfeld, sie haben international gesehen ein wirklich auffallend schlechtes Image. Das sollten wir ändern.

Deswegen glauben wir auch, dass die Ministerin eine Imagekampagne machen sollte. Der Verteidigungsminister macht Werbung für Soldatinnen/Soldaten – werde Soldat!, toller Beruf –; die Innenministerin macht Werbung für Polizistinnen/Polizisten – werde PolizistIn!, toller Beruf –, während an die Lehrerinnen und Lehrer von den Politikern und von der Ministerin oft sehr zweifelhafte Signale ausgesandt werden, zuletzt vom Wiener Bürgermeister. Sie kennen alle die Sprüche, die der geklopft hat. Diese waren nicht dazu geeignet, bei diesem Berufsstand den aufrechten Gang zu stärken und das Berufsverständnis zu verbessern.

Deswegen folgender Antrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Dr. Matthias Strolz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aufwertung des Berufsbildes der Lehrerinnen und Lehrer

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Bildung und Frauen wird aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass das Berufsbild der Lehrerinnen und Lehrer umfassend aufgewertet wird. Dazu braucht es ein differenziertes Berufsbild, mehr Gestaltungsmöglichkeiten und eine Stär­kung des Professionsverständnisses der Lehrer_innen. Zudem soll systematisch und nachdrücklich in ein positives Berufsimage investiert werden, um den Leh­rer_in­nen-Beruf positiv zu besetzen und in der gesellschaftlichen Wahrnehmung aufzu­werten.“

*****

Dann gehe ich noch einen Schritt weiter. Sie wissen, dass uns die Autonomie so wichtig ist, die personelle Autonomie. Wir fordern eine umfassende personelle Auto­nomie.

Liebe Kollegen von der ÖVP, wenn Sie sagen: Ist eh unterwegs!, dann muss ich dem entgegenhalten, es ist eben nicht unterwegs! Was kommen wird, ist, dass der Landes­hauptmann leider immer noch mitmischen wird, vor allem bei der Direktorenbestellung. Das Parteibuch, meine Damen und Herren, bleibt das wichtigste Buch in der österreichischen Schule, und das ist nicht okay! Das ist nicht im Sinne der Kinder, ist nicht im Sinne der Eltern, ist auch nicht im Sinne der Lehrerinnen und Lehrer.

Entlassen wir sie in die Autonomie! Aufwertung der Schulleitung, eine neue Ausbildung für Schulleiter, das ist eine Führungsfunktion.

Daher folgender Antrag:


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 188

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Mag. Dr. Matthias Strolz, Kolleginnen und Kollegen betreffend umfas­sende personelle Autonomie der Schulen und Überführung des Lehrerdienst­rechtes in einen Rahmen-Kollektivvertrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, ehest möglich alle notwendigen Schritte einzu­leiten, um umfassende Personalautonomie an allen Schulstandorten zu ermög­lichen. Damit einhergehend soll das Lehrerdienstrecht in einen Rahmenkollektivvertrag für angestellte Mitarbeiter_innen an Schulen, inkl. Lehrerinnen und Lehrern, über­geführt werden.“

*****

Das macht doch Sinn. Jeder Beruf hat einen Kollektivvertrag. Warum da die Leh­rerin­nen/Lehrer Extrawürste brauchen, verstehe ich nicht. Das wäre eine zeitgemäße Lösung, die in vielen anderen EU-Ländern bestens funktioniert.

Ich werbe um Unterstützung. (Beifall bei den NEOS.)

17.42


Präsident Karlheinz Kopf: Die von Herrn Klubobmann Dr. Strolz eingebrachten Entschließungsanträge sind ausreichend unterstützt und stehen mit in Verhandlung.

Die beiden Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Matthias Strolz, Kollegin und Kollegen

betreffend Aufwertung des Berufsbildes der Lehrerinnen und Lehrer

eingebracht im Zuge der Debatte über Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 1214/A(E) der Abgeordneten Dr. Harald Walser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Übertritt in das LehrerInnen­dienstrecht Neu für bereits im Dienst befindliche Lehrkräfte (941 d.B.) – TOP 23

Aktuell legen wir mit einem hohem Detaillierungsgrad an entfernten Orten fest, was gut und richtig für die Schulen, Lehrerinnen und Lehrer sowie Schülerinnen und Schüler ist. Diese Definitionen schicken wir sodann durch eine militärisch inspirierte Weiter­leitungsstruktur an die rund 6.000 Schulen im Lande. Die Lehrerinnen und Lehrer werden dabei zu Erfüllungsgehilfen degradiert. Darunter leidet das Professionsver­ständnis der Betroffenen.

Wir müssen unsere Bemühungen und Kräfte darauf richten, die Profession und das Selbstverständnis der Lehrerinnen und Lehrer zu stärken und zu fördern. Das ist derzeit leider nicht ausreichend erkennbar – auch nicht nach der Präsentation der Bildungsreform: Lehrer_innen sollen offensichtlich auch in Zukunft in der Ausübung ihres Berufes umfassend und detailreich reglementiert, bürokratisiert und mitunter parteipolitisch gegängelt werden.

Dazu kommt, dass das Image des Lehrer_innen-Berufes in der öffentlichen Wahr­nehmung sehr durchwachsen ist. Durch immer wiederkehrende und teilweise insze­nierte Diskussionen wird das Berufsimage zusätzlich beschädigt. Die Frau Bundes­ministerin für Bildung und Frauen ist – als höchste Vertreterin der Arbeitgeber-Seite


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 189

sowie als politische Gesamtverantwortliche für das System Schule – in der Ziehung, sich mit Nachdruck am Ausbau eines positiven Berufsbildes zu beteiligen.

Im Wesentlichen ergeben sich aus dem aktuellen Zustand zwei Handlungsfelder:

Wir brauchen ein differenzierteres Berufsbild und mehr Freiheit und Verantwortung im Lehrberuf. Das Ziel ist die Stärkung des Professionsverständnisses, der Gestaltungs­möglichkeiten und des Selbstbewusstseins der Pädagog_innen. Dies sind wichtige Voraussetzungen für mehr persönliche Erfüllung im Lehrer_innen-Beruf.

Wir müssen in ein positives Berufsimage investieren, um in der Gesellschaft mehr Wertschätzung für den Pädagog_innen-Beruf zu erreichen. Dazu braucht es einen starken Fokus auf positive Öffentlichkeitsarbeit, um den Lehrer_innen-Beruf als das abzubilden und zu positionieren, was er ist: eine Expert_innen-Profession und einer der verantwortungsvollsten und wichtigsten Berufe in unserer Gesellschaft!

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Bildung und Frauen wird aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass das Berufsbild der Lehrerinnen und Lehrer umfassend aufgewertet wird. Dazu braucht es ein differenzierteres Berufsbild, mehr Gestaltungsmöglichkeiten und eine Stärkung des Professionsverständnisses der Lehrer_innen. Zudem soll systematisch und nachdrücklich in ein positives Berufsimage investiert werden, um den Lehrer_in­nen-Beruf positiv zu besetzen und in der gesellschaftlichen Wahrnehmung aufzu­werten.“

*****

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Matthias Strolz, Dr. Nikolaus Scherak, Kollegin und Kollegen

betreffend umfassende personelle Autonomie der Schulen und Überführung des Lehrerdienstrechtes in einen Rahmen-Kollektivvertrag

eingebracht im Zuge der Debatte über Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 1214/A(E) der Abgeordneten Dr. Harald Walser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Übertritt in das LehrerInnen­dienstrecht Neu für bereits im Dienst befindliche Lehrkräfte (941 d.B.) – TOP 23

Das „neue Lehrerdienstrecht“, das nach zähen und jahrelangen Verhandlungen im Dezember 2013 beschlossen wurde, ist aus unserer Sicht weder zeitgemäß noch funktional. Es gibt keinen objektiven Grund, warum Lehrerinnen und Lehrer anders als andere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Österreich behandelt werden sollen. Die Differenzierung zwischen Landes- und Bundeslehrer_innen macht das System zusätzlich unnötig kompliziert und intransparent.

Auch die kürzlich präsentierten Vorschläge im Rahmen der Bildungsreform sehen keine oder nur minimale Eingriffe in das bestehende Lehrerdienstrecht vor. Es werden zaghafte und fragwürdige Neuerungen im Bereich der Personalbestellung avisiert, die aus unserer Sicht jedoch zu kurz greifen. Echte und umfassende Personalautonomie bedeutet, dass die Auswahl und Führung des Personals der Schulleitung obliegt,


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 190

inklusive Personalentwicklung sowie Einstellungs-, Kündigungs-, Freistellungs- und Entlassungsrecht.

Voraussetzung dafür ist natürlich eine umfassend neue Ausbildung und ein neuer Bestellungsmodus für die Schulleiter_innen. Sie sind frei von parteipolitischen Einflüs­sen zu bestellen – gewählt durch die Schulgemeinschaft und den Schulträger vor Ort. Auf neue Beine muss auch die Ausbildung der Direktor_innen gestellt werden – mit einem starken Fokus auf Führung, Kommunikation und Personalentwicklung.

Zeitgemäß und im Sinne einer modernen Organisationsstruktur wäre daher die Einfüh­rung eines bundesweiten Rahmenkollektivvertrages für alle angestellten Mitarbeiter_innen an Schulen. Dieser soll Mindestlöhne und Grundgehälter, Arbeitszeitfragen im Rahmen eines Jahresarbeitszeitmodells sowie Kündigungsmöglichkeiten regeln.

Damit bekommen die Schulen Handlungsspielräume für standortgerechte Personal- und Organisationsentwicklung. Auch die Stärkung des Professionsverständnisses der Lehrer_innen wird damit gefördert.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, ehest möglich alle notwendigen Schritte einzuleiten, um umfassende Personalautonomie an allen Schulstandorten zu ermög­lichen. Damit einhergehend soll das Lehrerdienstrecht in einen Rahmen-Kollektiv­vertrag für angestellte Mitarbeiter_innen an Schulen, inkl. Lehrerinnen und Lehrern, übergeführt werden.“

*****

 


Präsident Karlheinz Kopf: Zum zweiten Mal zu Wort gemeldet hat sich Herr Abge­ordneter Lausch. – Bitte.

 


17.42.42

Abgeordneter Christian Lausch (FPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretär! Man ist sich da für nichts zu schlecht, merke ich. Im Ausschuss hat vieles noch ganz anders geklungen, vor allem vom Kollegen Gerstl, der sich im Ausschuss ja halbwegs ent­schul­digt und gesagt hat, er hätte schon gehofft, dass diese Besoldungsreform so steht.

Heute ist davon nicht mehr die Rede, heute hat er sich auch vom Otto Pendl mitreißen lassen und gesagt: Er ist es leid, meine Aussagen zu erklären!, und redet sich auf die Redezeit aus.

Jetzt meldet sich aber Otto Pendl ein zweites Mal zu Wort.

Beide Fraktionen haben also genug Redezeit, dass sie das hier klarstellen hätten können. Nur habt ihr das nicht getan, wie ihr es auch im Ausschuss nicht getan habt, weil ihr ganz genau wisst, dass diese Reparatur der Reparatur ein Murks ist und der Murks halt weitergeht. Und da kann man halt nichts erklären, das muss man so zur Kenntnis nehmen, und das kann man auch nicht schönreden.

Da kann man uns, den NEOS und der FPÖ, nicht umhängen, wir seien auch gegen eine Gehaltserhöhung und gegen alle Verbesserungen bei den Beamten. Das kommt ja nicht!


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 191

Und dieser Entschließungsantrag ist ja irgendwie ein Beweis dafür, dass man sich bei den Polizistinnen und Polizisten mehr oder weniger einbringen will. Man hat ja immer gesagt, dass das Besoldungssystem für Exekutivbedienstete ein Problem ist, weil es haupt­sächlich aus Zulagen besteht. Jetzt wird dieser Entschließungsantrag einge-bracht. Natürlich findet der unsere Zustimmung!

Das ist, wie Kollege Hagen gesagt hat, ein erster richtiger Schritt in die richtige Rich-tung. Aber ich sehe das jetzt als eine Art Entschuldigung bei den Polizistinnen und Polizisten für diesen Besoldungsmurks. Wir werden diesem Entschließungsantrag natürlich zustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich glaube, da werden alle Fraktionen zustimmen, denn die Sicherheitsexekutive, die Polizistinnen und Polizisten, die in dieser schwierigen Situation, die diese Bundesregie­rung zu verantworten hat, tagtäglich den Kopf hinhalten, haben sich jede Unterstützung dienstrechtlicher Art mehr als verdient. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

17.45


Präsident Karlheinz Kopf: Ebenfalls zum zweiten Mal zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Pendl. (Abg. Deimek – in Richtung des sich zum Rednerpult bege­benden Abg. Pendl –: Otto, erkläre uns jetzt, wie die Personalvertretungswahlen aus­gegangen sind!)

 


17.45.00

Abgeordneter Otto Pendl (SPÖ): Das Problem ist nur, dass sich da nur sehr wenige im Dienst- und Besoldungsrecht auskennen. Das ist aber eine andere Geschichte.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich gehe ja immer davon aus, dass sich jene, die sich hier zu Wort melden, im Großen und Ganzen auskennen. Ich möchte nur sagen, wir können das gern unter vier Augen oder auch in der Gruppe weiterdis­ku­tieren. Ich bin auch davon ausgegangen, dass du es weißt. 

Das eine ist eine europarechtliche Frage. Du kannst es dir nicht aussuchen, entweder ist es so oder so. Nimm dir, was du willst, geht nicht, denn da ist wieder das Euro-parecht dagegen. Ich sage es nur, so fair müssen wir in der Diskussion nämlich sein.

Die zweite Frage von dir ist ein dreistelliger Millionenbetrag. Darüber müssen wir diskutieren und schauen, ob das politisch durchzubringen ist, ich bin nicht dagegen. Ich bin wirklich davon ausgegangen, dass du die Hintergründe dieser beiden Fragen weißt.

Zum Kollegen Hagen sage ich nur: Die Wahrungszulage wird so lange gewährt, bis du in der Zielstufe bist. Das heißt, du kannst nicht weniger bekommen. Und du gleitest dann in das neue Besoldungssystem hinein. Entschuldige, dass ich das jetzt gleich mitbeantwortet habe. Das sind die Themen.

Ich habe bereits oft dazu eingeladen, dass wir diese Fragen gemeinsam diskutieren. Es hängt davon ab, ob sich jemand für das Dienst- und Besoldungsrecht interessiert oder nicht. Aber ich glaube, wenn wir ehrlich darüber diskutieren, dann sollten wir zumindest auf der gleichen Ebene, auf gleicher Augenhöhe diskutieren. Und ich erwarte mir auch, dass jemand, mit dem ich diskutiere, denselben Wissensstand hat wie ich und dass wir in dieser für unseren öffentlichen Dienst so wichtigen Frage ganz einfach gemeinsam zu einem positiven Abschluss kommen.

Mir geht es immer nur um eines, Kollege Lausch: Wir können politisch ganz unter-schiedliche Ansichten haben, das stört mich nicht, das ist ganz normal. Aber mich stört, wenn Worte wie schlampig, hopatatschig verwendet werden. Ich lade euch ein: Schaut euch das Dienstrecht wirklich an! Es wird immer erwartet, dass innerhalb von wenigen Tagen – das ist bei Verhandlungen immer so – alles mit allen Ausformungen, allen Tabellen auf Punkt und Beistrich stimmt.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 192

Ich betone seit vielen Jahren: So fair müssen wir den Bediensteten gegenüber sein, wenn wir auf etwas draufkommen, dann haben wir es immer so schnell wie möglich im Wege eines Abänderungsantrages repariert. Ich sage, die Kolleginnen und Kollegen der Dienstrechtssektion leisten Hervorragendes! (Abg. Lausch: Aber ihr nicht!) Und da müssen wir dahinterstehen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

17.47

17.47.10

 


Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zu den Abstimmungen, die wie immer über jeden Ausschussantrag getrennt erfolgen.

Wir kommen zunächst zu den Abstimmungen über Tagesordnungspunkt 22: Abstim-mung über den Entwurf betreffend 2. Dienstrechts-Novelle 2015 in 940 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Pendl, Mag. Dr. Karl, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde daher zunächst über die vom Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Pendl, Mag. Dr. Karl, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag betreffend die Artikel 1, 2 und 3 eingebracht.

Wer dem seine Zustimmung geben will, der gebe bitte ein Zeichen. – Das ist mit Mehr­heit angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschuss-berichtes.

Wer spricht sich dafür aus? – Das ist wiederum die Mehrheit.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Ge-setzentwurf sind, um ein Zeichen. – Das ist wiederum die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Abstimmung über die dem Ausschussbericht 940 der Beilagen angeschlossene Ent-schließung betreffend Teilzeitmöglichkeit für Richterinnen und Richter.

Wer spricht sich dafür aus? – Das ist einstimmig angenommen. (E 118.)

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Pendl, Mag. Dr. Karl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Absicherung der Bundesbediensteten bei länger-dauernden Krankenständen aufgrund besonderer beruflicher Belastungssituationen.

Wer spricht sich hiefür aus? – Das ist wiederum einstimmig angenommen. (E 119.)

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 23: Antrag des Verfassungsausschusses, seinen Bericht 941 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer spricht sich hiefür aus? – Das ist die Mehrheit und somit angenommen.

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Strolz, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Aufwertung des Berufsbildes der Lehrerinnen und Lehrer.

Wer spricht sich dafür aus? – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 193

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Strolz, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend umfassende personelle Autonomie der Schulen und Überführung des Lehrerdienstrechtes in einen Rahmen-Kollektivvertrag.

Wer ist dafür? – Das ist die Minderheit und somit abgelehnt.

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 24: Antrag des Verfassungsausschusses, seinen Bericht 942 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer spricht sich hiefür aus? – Das ist mit Mehrheit angenommen.

17.50.5725. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 1438/A der Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Dr. Peter Wittmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Nationalrats-Wahlordnung 1992, das Bun­des­prä­sidentenwahlgesetz 1971, das Wählerevidenzgesetz 1973 und das Europa-Wäh­lerevidenzgesetz geändert werden (Wahlrechtsänderungsgesetz 2015) (943 d.B.)

 


Präsident Karlheinz Kopf: Wir gelangen zum 25. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Stefan. – Bitte.

 


17.51.25

Abgeordneter Mag. Harald Stefan (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Bei diesem Tagesordnungs­punkt geht es um eine kleine Änderung in der Wahlordnung, und zwar geht es darum, dass bei der Briefwahl die Möglichkeit bestehen soll, dass Wahlkarten jetzt in allen Wahllokalen abgegeben werden, und auch um eine entsprechende kleine Änderung beim Wählerevidenzgesetz. Das ändert aber nichts an unserer grundsätzlichen Kritik an der Briefwahl, die ich heute neuerlich hier wieder darlegen muss.

Die Briefwahl gewährleistet nicht die Grundsätze des Wahlrechts, und zwar des persönlichen, freien, unbeeinflussten und geheimen Wahlrechts. Diese Grundsätze, die uns so wichtig sind, und zwar zu Recht so wichtig sind, werden bei der Briefwahl nicht gewährleistet. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir alle wissen, welch großer Aufwand in den Wahllokalen betrieben wird, und das zu Recht. Es darf immer nur eine Person im Wahllokal sein, es darf überhaupt nur eine Person in der Wahlzelle selbst sein. Nicht einmal große Kinder dürfen mitgehen. Man darf nicht offen abstimmen. Das alles ist völlig richtig, weil die Wahl ein sehr wichtiger Vorgang ist und für die Demokratie ganz wesentlich ist, dass Wahlen ordnungsgemäß ablaufen und vor allem von der Bevölkerung auch anerkannt werden, dass man vertraut.

All das gilt bei der Briefwahl nicht! Und jetzt verstehe ich noch, dass man sagt, man schafft die Briefwahl für Auslandsösterreicher. Da sind wir völlig dafür, da gibt es keine andere Möglichkeit. Die Briefwahl war ja ursprünglich auch als Ausnahme gedacht, als Ausnahmefall, wenn jemand wirklich aus irgendeinem Grund nicht zur Wahl gehen kann. Ich werde dann erklären, dass man da auch andere Lösungen finden kann.

Mittlerweile wird es aber dermaßen forciert, dass 20 Prozent, 25 Prozent der Stimmen über Briefwahl abgegeben werden – 20 Prozent bis 25 Prozent der Stimmen, bei denen die Grundsätze des Wahlrechts nicht gewährleistet sind! Und das ist ein sehr unbefriedigender Zustand und nicht das, was wir wollen. (Beifall bei der FPÖ.)


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Was ist denn der Hintergrund? Was ist denn dabei zu kritisieren? Erstens einmal: Ich rede einmal nur von eigenartigen Ergebnissen, die bei der Briefwahl herauskommen. Ich vergleiche jetzt nicht die ÖVP-Wähler in Hietzing mit den SPÖ-Wählern in Sim­mering und sage: Gut, die einen fahren vielleicht wirklich am Wochenende irgend­wohin, während die anderen höchstwahrscheinlich ohnehin in der Stadt sind!, sondern ich vergleiche jetzt FPÖ-Wähler Simmering mit SPÖ-Wählern Simmering. Sie sind ein ziemlich ähnliches Potenzial, denn die meisten, die jetzt die FPÖ wählen, waren wahr­scheinlich einmal SPÖ-Wähler. Es geht in Simmering gar nicht anders. In Simmering hat die FPÖ am Abend bei der Wahl 44 Prozent Stimmen, die SPÖ erfreulicherweise nur 40 Prozent Stimmen. Was ist bei der Briefwahl? – Bei der Briefwahl hat die SPÖ 44 Prozent, die FPÖ 34 Prozent.

Warum ist hier ein dermaßen gigantischer Unterschied? Ich verstehe noch kleine Unterschiede. Warum ist da so ein gigantischer Unterschied? Was führt dazu, dass es bei der Briefwahl zu so einem großen Unterschied zwischen den Wählern der SPÖ und der FPÖ in Simmering kommt? Das stelle ich einmal in den Raum.

Natürlich gibt es bei der Briefwahl einfach auch die Missbrauchsanfälligkeit. Das ist ja bekannt. Es wurden jetzt zum Beispiel zwei Bürgermeisterwahlen in Vorarlberg wegen der Briefwahl aufgehoben. Ich denke an den 2. Bezirk, wo es bei der Briefwahl ein völliges Durcheinander gegeben hat. Zuerst waren es 100 Stimmen zu wenig, dann waren es 200 Stimmen zu viel, dann waren plötzlich 100 Stimmen der ÖVP, die es nicht gegeben hat, wieder da. Also wirklich ein Chaos. Jedenfalls besteht da eine große Missbrauchsanfälligkeit.

Wie das alles zustande kommt, kann man sich vorstellen. Aber, wie gesagt, das will ich jetzt gar nicht im Detail ausbreiten. 20 000 Wahlkarten in Wien, von denen man nicht weiß, wo sie verblieben sind. Was ist mit denen passiert? Als Briefwähler müssen Sie darauf hoffen, dass erstens einmal Ihnen die Post zugestellt wird. Also Ihr Wahlrecht hängt davon ab, ob die Zustellung an Sie durch die Post funktioniert, denn wenn die nicht ankommt, dann haben Sie Pech gehabt. Dann können Sie anrufen und sagen, bitte, die Wahlkarte ist nicht angekommen. Die Antwort wird sein: Ja, wir haben sie weggeschickt! Es gibt nur eine. Da haben Sie Pech gehabt. Kein Wahlrecht! Oder Sie schicken sie ab und sie kommt dort nicht an. Das werden Sie nie erfahren. Jedenfalls hängt die Ausübung Ihres Wahlrechts in diesem Fall von der Post ab. Ist das be­friedigend? – Nein.

Wir kennen die Hinweise auf Gruppenabgaben, wo in religiösen Vereinen gesammelt wird und so weiter, wo gemeinsam abgestimmt wird. Wir haben natürlich auch Hinweise, dass schlicht und einfach eben nicht frei, geheim und unbeeinflusst abgestimmt wird, weil wir ja auch keinen Einblick haben, was zu Hause passiert. Da sind jetzt mehrere Familienmitglieder. Da geht jetzt jeder, und der andere sieht nicht, wie er abstimmt? Soviel ich weiß, darf ich bei meinem Sohn in die Wahlzelle nicht mitgehen, aber zu Hause ist es durchaus möglich, bei der Ausübung des Wahlrechts dabei zu sein. No na! Da ergibt sich das so. Also all diese Dinge sind hier ganz typisch.

Wer übernimmt das Briefwahlkuvert von der Post? Da hört man von vielen Dingen, wo das nicht funktioniert hat, wo jemand anderer das übernommen hat, ganz eigenartig. Die automatische Bestellung von Briefwahlkarten in Pflegeheimen, wo garantiert sehr viele der Insassen nicht einmal genau wissen, dass die Wahl stattfindet, geschweige denn großes Interesse haben, daran teilzunehmen. Aber es wird für sie eine Briefwahl­karte bestellt. Also all diese Dinge – nur, um ein Bild zu geben –, das ist alles Brief­wahl.

Wenn ich das erkenne – und das wissen alle –, dann muss ich ja dazu übergehen und sagen: Gut, dann redimensionieren wir das, überlegen wir uns das! Es hat ja auch die


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Wahlbeteiligung trotz der Briefwahl nicht zugenommen. Die Wahlbeteiligung nimmt trotzdem ab, obwohl wir die Briefwahl dermaßen forcieren und glauben, dass wir das damit kompensieren können. Also auch das stimmt nicht.

Daher müssen wir uns etwas anderes überlegen, dass wir einerseits die Grundsätze des Wahlrechts anerkennen und weiterhin gewährleisten, andererseits aber trotzdem einen Weg finden, um das zu ermöglichen.

Man kann hergehen und sagen, man macht einen Vorwahltermin, zwei Wochen vor der Wahl, um das zu gewährleisten. Man kann sagen: Okay, es gibt Wahlkarten, aber man muss mit dieser Wahlkarte auch wieder in ein Wahllokal gehen und diese dort ord­nungsgemäß abgeben! Das sind Möglichkeiten, an denen wir arbeiten müssen.

Wir werden uns jedenfalls weiterhin für eine korrekte Einhaltung der Wahlrechts­grund­sätze einsetzen und weiterhin die Briefwahl entsprechend massiv kritisieren. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Walter Rosenkranz: Bravo, das ist Demokratie!)

17.58


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Wortmeldung kommt von Herrn Abgeordnetem Mayer. – Bitte.

 


17.58.13

Abgeordneter Elmar Mayer (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Frau Staatssekretärin! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! In Zukunft soll es möglich sein, wie bereits vom Vorredner erwähnt, dass für die Briefwahl verwendete Wahlkarten in jedem Wahllokal bis zur Schließung hinterlegt werden. Ich begrüße diese bürgerfreundliche Lösung. Der entscheidende Punkt muss sein, dass das Wahl­geheimnis gewahrt bleibt. Und beim Thema Wahlgeheimnis komme ich nicht umhin, auf ebenso mögliche Missbräuche hinzuweisen.

Man stelle sich vor – ein paar Andeutungen wurden ja schon gemacht –, Wahlwerber und Funktionäre kommen unangemeldet zu Ihnen nach Hause, bringen einen Pack Wahlkarten mit und bedrängen Sie sogar, das Kreuz an der richtigen Stelle vor ihnen zu machen, nehmen die Wahlkarten wieder mit, ohne einen Gegenschein unter­zeich­net zu haben. Dasselbe passiert in einer großen Firma, wo ein Personalbüro Wahl­karten paketweise anfordert, oder in einem Sozialzentrum, wo es sogar geistig Behinderte gibt. Stellen Sie sich vor, die Dinge könnten so sein. Ein Schelm, wer denkt, dass solche Dinge vorkommen. (Abg. Walter Rosenkranz: Die passieren doch!)

Meine Damen und Herren! Genau solche Wahlbetrügereien gab es im Vorfeld bei der Bürgermeisterstichwahl nachweislich im März dieses Jahres in zwei Städten Vorarlbergs. Ein Schlag ins Gesicht, wie ich meine, jedes Demokraten. In der Bezirks­stadt Bludenz zum Beispiel wurde mit ausgeklügelten Tricks das Gemeinde­wahlgesetz ausgehebelt. Die Wahlkartenausgabe erfolgte unter anderem an politische Funktio­näre. Der Wählerwille wurde gebeugt und schlussendlich das Wahlergebnis gefälscht. ÖVP-Funktionäre haben Wahlkarten, in den meisten Fällen ohne Wissen der betroffe­nen Wähler, fast paketweise bei der zuständigen Beamtin bestellt. Ich zitiere aus dem Verfassungsgerichtshof-Erkenntnis vom 23. November 2015 – also vor 14 Tagen –:

„Auf Grund des Wahlaktes (…) und der beiliegenden eidesstattlichen Erklärungen ist erwiesen, dass die dem Bürgermeister als Amtsperson gesetzlich vorbehaltene Wahlkartenausstellung in zumindest 63 Fällen zu einer ,Parteiangelegenheit‘ gemacht wurde.“

Der Bürgermeister – dies sei nur am Rande erwähnt – hatte bei dieser Stichwahl schlussendlich gerade einmal 27 Stimmen Vorsprung.


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Meine Damen und Herren! Einer solchen Entwicklung – der Wahlkarten-Skandal in Bludenz ist ganz offensichtlich kein Einzelfall, Ähnliches geschah in der Stadt Hohen­ems, Herr Kollege Themessl (Abg. Themessl: Genau! – Abg. Walter Rosenkranz: Richtig!) –, solchen Betrügereien ist aus meiner Sicht ganz entschieden entgegen­zutreten. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Das, was von ÖVP-Bürgermeister Katzenmayer und seinen ÖVP-Funktionären ge­macht wurde, schadet nicht nur dem Ansehen der Stadt Bludenz, was ÖVP-Bürger­meister Katzenmayer gemacht hat, ist nicht irgendein Amtsmissbrauch, das ist ein Angriff auf die Grundwerte der Republik, die auf dem freien Wahlrecht aufbaut!

Im Burgenland hat ein ÖVP-Bürgermeister in einem ähnlich gelagerten Fall wenigstens Einsicht gezeigt und nach dem Eingestehen seines Fehlverhalten wörtlich erklärt: Wer einen Fehler gemacht hat, muss dafür geradestehen. Ich werde die Verantwortung übernehmen. – Und der Bürgermeister ist daraufhin zurückgetreten.

In Bludenz lässt der Verfassungsgerichtshof keinen Zweifel am schuldhaften und gesetzwidrigen Handeln des Bürgermeisters und der verantwortlichen Funktionäre. Die Staatsanwaltschaft wird wohl erst nach der Wahlwiederholung tätig werden, denn die findet schon am übernächsten Sonntag statt. Ich hoffe und wünsche mir, dass in Bludenz der Wähler bereits am 20. Dezember ein deutliches Signal setzt, denn diese ÖVP-Funktionäre haben in der Alpenstadt Bludenz ihr Vertrauen verspielt. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Gamon.)

18.02


Präsident Karlheinz Kopf: Nun gelangt Herr Abgeordneter Mag. Gerstl zu Wort. – Bitte.

 


18.02.23

Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu meinem Vorredner nur einen Satz: Jede strafrechtliche Handlung ist auf das Schärfste zu verurteilen, egal, durch wen sie erfolgt ist, und egal, in welcher Sache. Daher ganz klar: Wahlbetrug ist nichts, was in irgend­einer Weise geschätzt oder unterstützt werden kann! – Und damit, glaube ich, können wir diese Sache auch schon wieder beenden und zu dem übergehen, was wir unter diesem Tagesordnungspunkt jetzt besprechen.

Das ist nämlich nicht die neue Gemeinderatswahl, die in Bludenz offensichtlich an­steht – was ich nicht gewusst habe – und ein bisschen Anlass für diese Wahlrede hier geboten hat, sondern eine Verbesserung bei der Bundespräsidentenwahl insofern, als die Briefwahl nun auch denselben Regelungen unterliegen soll, wie wir sie schon bei der Europawahl gehabt haben, dass man also die Wahlkarte nicht mehr nach dem Wahltermin versenden kann, sondern dass sie spätestens zum Wahlschluss am Wahltag eingelangt sein muss. (Abg. Kitzmüller: Aber das schließt ja nicht aus, dass da irgendwas …!) Damit sollen genau diese Dinge verhindert werden, die Sie uns vielleicht vorwerfen wollen, die in der Vergangenheit passiert sind, wie es in der Stadt Wien der Fall war, als dort bei der Wahl 2010 nach dem Wahlschluss auf einmal noch Kuverts unterschrieben wurden, noch Kuverts abgesendet wurden. Das stellt der Bundesgesetzgeber nun ab: Es kann nicht mehr nach der Wahl gewählt werden. Das halte ich für richtig und wichtig, und das ist aus meiner Sicht ein ganz, ganz wichtiger Punkt in dieser Diskussion, weil er für Klarheit und Sicherheit sorgt.

Zwei Punkte noch zum Kollegen Stefan, weil er sich grundsätzlich gegen die Briefwahl ausgesprochen hat. Das Erste ist: Ich glaube, dass wir unseren Bürgerinnen und Bürgern viel Eigenverantwortung geben können, Eigenverantwortung, darauf zu achten, dass jeder seinen Wahlzettel vollkommen unbeobachtet und allein ausfüllt und


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nicht im Beisein von jemand anderem. Sollte es da zu Verfehlungen kommen, ist das klar zu ahnden. Aber ich denke, so viel Eigenverantwortung können wir von einer Bürgerin oder einem Bürger verlangen, dass er seinen Wahlzettel allein ausfüllt und nicht irgendwo, wo jemand anderer dabei ist. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Kitzmüller.)

Zweiter Punkt, zu den Wahlkartenwählern: Es ist nun einmal unser Zugang, dass wir wollen, dass Demokratie lebendiger wird, dass wir wollen, dass der Zugang zu den Wahlen für die Menschen leichter wird. Daher wollen wir ihnen auch alles so leicht wie möglich machen, sodass sie leichter an einer Wahl teilnehmen können und ein Auslands­aufenthalt oder ein lange vorher gebuchter Urlaub nicht dazu führen kann, dass jemand, weil er nicht an seinem Wahlort ist, nicht wählen kann, sondern dass er an jedem Wahlort in Österreich wählen kann, dass die Wahlkarte auch dort zugestellt werden kann, dass die Wahlkarte dort abgegeben werden kann, auch in einem ganz fremden Bezirk, dass die so abgegebene Stimme trotzdem zählen kann und dass die Wahlkarte nicht zu spät ankommt.

Das ist die Zielsetzung dieses Gesetzes. Das ermöglicht leichteres Wählen, und das verhindert auch, dass in Zukunft falsch gewählt werden kann.

Ich möchte daher abschließend nur mehr einen redaktionellen Abänderungsantrag einbringen, der wie folgt lautet:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerstl, Dr. Wittmann, Kolleginnen und Kollegen

zum Antrag 1438/A betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Nationalrats-Wahl­ordnung 1992, das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971, das Wählerevidenzgesetz 1973 und das Europa-Wählerevidenzgesetz geändert werden (Wahlrechtsänderungs­gesetz 2015) in der Fassung des Ausschussberichtes (943 d.B.)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die oben bezeichnete Vorlage wird wie folgt geändert:

In Art. 1 erhalten die letzten beiden Nummerierungen der Novellierungsanordnungen statt „34“ und „35“ die Bezeichnungen „36“ und „37“.

*****

Es handelt sich da um eine Richtigstellung der durchgehenden Nummerierungen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

18.06


Präsident Karlheinz Kopf: Der von Herrn Abgeordnetem Gerstl eingebrachte Abän­derungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Dr. Peter Wittmann, Kolleginnen und Kolle­gen

zum Antrag 1438/A betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Nationalrats-Wahlord­nung 1992, das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971, das Wählerevidenzgesetz 1973


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und das Europa-Wählerevidenzgesetz geändert werden (Wahlrechtsänderungsgesetz 2015) in der Fassung des Ausschussberichtes (943 d.B.)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die oben bezeichnete Vorlage wird wie folgt geändert:

In Art. 1 erhalten die letzten beiden Nummerierungen der Novellierungsanordnungen statt „34“ und „35“ die Bezeichnungen „36“ und „37“.

Begründung

Es handelt sich um eine Richtigstellung der durchgehenden Nummerierungen.

*****

 


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Musiol. – Bitte.

 


18.06.18

Abgeordnete Mag. Daniela Musiol (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe mich zu Wort gemeldet, weil ich hier eine demokratiepolitische Debatte führen möchte und keine Wahlkampf-Debatte. Einige der Vorredner haben hier eindeutig Wahlkampf gemacht und dienen damit dieser Debatte nicht.

Worum geht es? – Es geht, wie von den Vorrednern schon angesprochen worden ist, um die Wahlkarten. Die Grundidee der Wahlkarten – daran möchte ich noch einmal erinnern, Herr Kollege Stefan – war, jenen Personen, die wahlberechtigt sind, aber am Wahlsonntag nicht die Möglichkeit haben, wählen zu gehen, diese Möglichkeit zu geben. (Ruf bei der FPÖ: Die können ja vor dem Wahltag wählen gehen!) Das hat sich insofern bewährt, als, wie wir schon gehört haben, ein hoher Prozentsatz, nämlich bis zu 25 Prozent der Wählerinnen und Wähler bislang von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht haben.

Jetzt gibt es von Beginn der Einführung an, oder zumindest seit ich im Nationalrat bin, in jedem Verfassungsausschuss nach Wahlen die Diskussion über die Frage: Wie missbrauchsanfällig ist unser System?, und ich habe nicht nachgezählt, aber ich glaube, ich war – und ich bin erst seit sieben Jahren in diesem Haus und Verfassungs­sprecherin – mindestens bei zwei bis drei Novellierungen dabei. Das heißt, wir haben festgestellt – ich zumindest habe das immer so gesehen –: Die Grundidee passt, aber das eine oder andere müssen wir verändern.

Ich erinnere daran, die Situationen, die ganz am Anfang eingetreten sind, waren keine Probleme, die Wählerinnen und Wähler produziert haben, sondern waren Probleme, die FunktionsträgerInnen in diversen Gemeinden produziert haben – also Bürger­meister, die Sammelbestellungen abgegeben haben, die Feste veranstaltet haben, wo vor Ort die Wahlkarten ausgefüllt werden sollten. Das heißt, wenn man hier überhaupt irgendjemanden zur Verantwortung ziehen sollte – und da gibt es sicher einige, und das wurde ja auch getan –, dann eher die FunktionsträgerInnen, die das für ihre wahlkampfpolitischen und parteipolitischen Zwecke zu nutzen versuchen und da anscheinend ein blindes demokratiepolitisches Auge haben, und weniger die Wähle­rinnen und Wähler.

Diese Wahlkarten-Geschichte wird immer wieder mit dem Thema Missbrauchs­an­fälligkeit in Zusammenhang gebracht. Ich möchte Ihnen jetzt ein anderes Bild liefern: Angenommen, Sie sind ein Greißler oder eine Greißlerin in Wien, haben ein Geschäft und haben es sich zur Aufgabe gemacht, ein besonders kinderfreundlicher Greißler


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oder eine besonders kinderfreundliche Greißlerin zu sein. Sie stellen dort eine Schüssel mit Zuckerl hin, und jedes Kind darf sich ein Zuckerl nehmen. Sie werden, wenn Sie Kinder kennen, auch Kinder erleben, die sich nicht an diese Regel halten werden und sich nicht ein Zuckerl, sondern vier Zuckerl nehmen. Sie werden durch­greifen, damit diese Kinder künftig nur mehr ein Zuckerl nehmen, aber es wäre doch das falsche Signal, diese Zuckerlschüssel wegzugeben und gar nicht mehr zur Verfü­gung zu stellen und von Ihrem ursprünglichen Ziel, ein kinderfreundlicher Greißler zu sein, Abstand zu nehmen.

Übersetzt heißt das: Nein, wir wollen nicht, dass die Wahlkarten abgeschafft werden, aber wir sind gerne immer dabei, diesbezüglich zu Verbesserungen beizutragen! Deshalb ist es unbedingt notwendig und wichtig, dass nach jeder Wahl evaluiert wird: Wo hat es Probleme gegeben? Welche Probleme hat es gegeben? Liegen diese am Gesetz oder liegen diese in der Verwaltung, liegen diese in der Umsetzung? Haben wir als Gesetzgeberinnen und Gesetzgeber von den Wahlbehörden zu viel verlangt? Müssen wir hier noch Vorkehrungen treffen, sei es jetzt bei den Fristen, sei es bei den Postwegen? Aber die Antwort von uns Grünen ist ganz klar: Die Wahlkarten sind eine Möglichkeit, einer größeren Gruppe von Menschen die Möglichkeit zu geben, zu wählen, sich am demokratischen Prozess der Wahl zu beteiligen, und davon wollen wir nicht abrücken. (Beifall bei den Grünen.)

18.09


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Dr. Rosenkranz zu Wort. – Bitte.

 


18.10.36

Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich. Also das Zuckerlschüsserl jetzt in Relation zu setzen mit dem freien, geheimen und unbeeinflussten Wahlrecht – bei uns geht es halt um ein bisschen ein höheres Gut als um Zuckerl für Kinder. (Zwischenruf der Abg. Musiol.) Na ja, wollen Sie das jetzt in irgendeiner Form gleichsetzen? – Sie können auch hier herausgehen und sagen, man soll die FPÖ verbieten oder sonst irgendwas. Ihr demokratiepolitischer Zugang, der ist mir relativ egal. Ich wende mich an diejenigen hier herinnen, die sichern wollen, dass in einer Demokratie unbeeinflusst und geheim gewählt werden kann.

Und da gibt es Missbrauchsmöglichkeiten! Und dazu sage ich auch noch etwas anderes: Gelegenheit macht Diebe! – Und dieses Wahlrecht, dieses Wahlsystem bietet einfach ein derartiges Übermaß an Gelegenheiten, wo man halt sehr leicht in Versuchung kommen kann, Missbrauch zu begehen.

Einer, der da sehr unverdächtig ist, nämlich der Verfassungsrechtler Heinz Mayer – Frau Kollegin Gamon, die ich jetzt gerade nicht sehe, hat heute schon darauf hinge­wiesen, was er für eine bedeutende Koryphäe auf diesem Gebiet ist, und diese Mei­nung teile ich auch –, hat im Verfassungsausschuss, wo es um dieses Thema gegan­gen ist, gesagt, er hat an seinem Zweitwohnsitz im Burgenland, als er beim Mittages­sen gesessen ist, am Nebentisch eine Unterhaltung gehört, in der ein Vater in der Runde seiner Stammtischbrüder – dort wurde noch nicht so richtig gegendert, an diesem Stammtisch – gemeint hat: I hab scho alle Wahlkarten daham, weil wenn mei Bua net des wählt, was i will, gibt’s ka Maturareise.

Das erzählte der Verfassungsrechtler. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Ja, wirklich, da wird einem schlecht, nicht wahr? Es ist wirklich so: Der Verfassungsrechtler Mayer hat das selbst gehört und uns im Verfassungsausschuss mitgeteilt.

Und jetzt soll mir einer hier herinnen sagen: Das ist sicherlich nur ein Einzelfall.


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Genauso ein Einzelfall wie bei einem Bürgermeister in Niederösterreich – ich glaube, es war im Bezirk Gänserndorf oder Korneuburg, das Verfahren hat zumindest am Landesgericht Korneuburg stattgefunden; ich sage jetzt gar nicht die Partei dazu, ist auch relativ egal –, der gesagt hat: Da gibt es eine Familie von Zweitwohnsitzern, die kommen seit Jahren nie zu den Wahlen. Nehmen wir was! – Dumm gelaufen: Einer von dieser Familie taucht im Wahllokal auf und sagt: Ich möchte jetzt wählen! – Da bekam er zur Antwort: Tut mir leid, Sie haben schon mit Wahlkarte gewählt! – Er sagte: Ich bin noch halbwegs bei Sinnen, ich weiß, was ich in den letzten Tagen getan habe!

Das ist verurteilt worden. Auch nur, Kolleginnen und Kollegen, ein „Einzelfall“!

Sollte man jetzt meinen: Weil unsere Justiz, unsere Exekutive so gut arbeitet, hat es genau diesen einen Bürgermeister, der diesen einzigen Fehltritt in ganz Nieder­öster­reich, in ganz Österreich gemacht hat, erwischt – und sonst brauchen wir uns keine Sorgen zu machen. – Nein!

Kolleginnen und Kollegen, wer das Wahlrecht mit diesen Grundsätzen, die der Kollege Stefan hier dargestellt hat, ernst nimmt – und da rede ich jetzt nicht von den Pflege­heimen, was dort alles passiert, gerade in Niederösterreich, mit der Orgie der Namens­stimmzettel, mit der Eigenartigkeit des Wahlrechts, dass Name vor Partei gereiht wird, und, und, und, da rede ich noch gar nicht davon –, aber wer es ernst meint mit einem geheimen, mit einem freien, mit einem unbeeinflussten Wahlrecht, der darf die Wahl­karte nur als Ausnahme sehen und muss für alle anderen Möglichkeiten die rechtliche Basis schaffen, sodass man zu anderen Terminen ersatzweise wählen gehen kann, damit wirklich jeder das Wahlrecht so ausüben kann, wie er es will. (Beifall bei der FPÖ.)

18.14


Präsident Karlheinz Kopf: Nun gelangt Herr Abgeordneter Dr. Jarolim zu Wort. – Bitte.

 


18.14.18

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Kollege Rosenkranz, wir führen heute hier eine Debatte über eine Änderung, die nicht die grundsätzliche Diskussion über das gesamte Briefwahlrecht beinhaltet, sondern in der es um eine zusätzliche Erleichterung geht. Aber man muss eines feststellen, und das ist der Umstand, dass das Briefwahlrecht aus meiner Sicht – und das gilt nicht nur für Österreich, sondern für Europa insgesamt – nicht mehr verzichtbar ist. Fragen Sie herum, wo auch immer: Sie werden den Bedarf erkennen, die eigene Stimme auf diese Art und Weise abzugeben.

Was die Fälle betrifft, die Sie hier genannt haben, so will ich das gar nicht bestreiten: Es gibt immer wieder derartige Missstände, zuletzt ja auch in Vorarlberg, wo sich der Landeshauptmann Wallner in sehr vehementer Form hinsichtlich der Bürgermeister von Hohenems und Bludenz geäußert hat – Hut ab! –, aber es ist eben so, dass wir daran arbeiten müssen. Und als wir zuletzt die Diskussion über die Mandats­entzugs­vorschriften hatten, da war die Situation plötzlich wieder ein bisschen anders: Da meinte man in Ihrer Fraktion, das sollte man eigentlich nicht ändern, und hin und her.

Ich verstehe Ihren Einwand. Ich verstehe aber auch, dass wir an diesem Briefwahlrecht jedenfalls festhalten müssen, weil es eine probate Form der Ausübung des Wahlrechts in der Demokratie ist, und dass wir nachhaltig sicherstellen müssen, dass derartige Missstände nicht mehr eintreten können und reduziert werden. Es ist natürlich ekelerregend, es ist abstoßend, wenn man auf diese Art und Weise die Leute an der Nase herumführt und damit eigentlich dieses Wahlrecht desavouiert. Aber es liegt auch an uns, die entsprechenden Rahmenbedingungen nicht nur zu schaffen, sondern dann auch darauf zu achten, dass ihre Einhaltung in den einzelnen Fällen in der Praxis


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durch­gesetzt wird, und wenn das nicht der Fall ist, dann auch entsprechende Reak­tionen zu ermöglichen. Darüber diskutieren wir ja gerade.

Daher glaube ich, dass diese heute zu beschließende Vorgangsweise jedenfalls eine weitere Verbesserung bedeutet, weil damit sichergestellt wird, dass man mit der Wahlkarte die Stimme bis zum Ende des Wahltages auch noch abgeben kann. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

18.16


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Wortmeldung kommt von Herrn Abgeordnetem Singer. – Bitte.

 


18.16.34

Abgeordneter Johann Singer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Wählerinnen und Wähler können künftig ihre Wahlkarte in jedem beliebigen Wahllokal abgeben, und zwar bei sämtlichen bundesweiten Wahlen. So lautet zusammengefasst die Botschaft der jetzt diskutierten Novelle. Auch ich begrüße diese Änderung beziehungsweise die Übernahme jener Regelung, die wir bei Europawahlen schon haben, jetzt auch für Nationalrats- und Bundespräsidentenwahlen sehr. Warum? – Weil es wichtig ist, dass Wahlrechte so gleich wie nur möglich gestal­tet werden.

Für viele Menschen, insbesondere für betagte und hochbetagte Wählerinnen und Wähler, ist es oftmals schwierig, sich bei unterschiedlichen Wahlrechten zurechtzu­finden. Ich kann auch aufgrund meiner Erfahrungen in der Praxis – ich bin auch Wahl­leiter – festhalten: Wir werden den Bedürfnissen der Menschen gerechter, wenn wir die Wahlrechte so einheitlich und so einfach wie nur möglich gestalten. Aus meiner Sicht ist diese Novelle ein Beitrag dazu.

Generell noch ein Wort zum Thema Briefwahl, weil wir das heute schon so intensiv diskutiert haben: Aus meiner Sicht unterstützt die Briefwahl die Bürgerinnen und Bür­ger sehr darin, von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen zu können. Bei der National­ratswahl 2013 waren es 550 000 Wählerinnen und Wähler, die davon Gebrauch gemacht haben, und ich verstehe nicht, warum man diese Möglichkeit grundsätzlich in Frage stellt.

Gleichzeitig muss man – und das betone ich, und ich sage das wirklich ganz ausdrücklich – alles unternehmen, um Missbrauch zu verhindern. Aber, wie gesagt, Ziel muss es sein, allen Wahlberechtigten den Zugang zu den Wahlen zu ermög­lichen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

18.18

18.18.10

 


Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 943 der Beilagen.

Dazu haben die Abgeordneten Mag. Gerstl, Dr. Wittmann, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Daher erfolgt zunächst die Abstimmung über den vom Abänderungsantrag betroffenen Teil und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetz­entwurfes.

Die Abgeordneten Mag. Gerstl, Dr. Wittmann, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag betreffend Artikel 1 eingebracht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 202

Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes:

Wer spricht sich dafür aus? – Das ist wiederum die Mehrheit.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.

18.19.4626. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (776 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesvergabegesetz 2006 und das Bundes­ver­gabegesetz Verteidigung und Sicherheit 2012 geändert werden (944 d.B.)

27. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 1294/A der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Vergabe von Aufträgen (Bun­desvergabegesetz 2006 – BVergG 2006) geändert wird (945 d.B.)

28. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 1297/A der Abgeordneten Michael Pock, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Vergabe von Aufträgen (Bundesvergabe­ge­setz 2006 – BVergG 2006) geändert wird (946 d.B.)

29. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 1420/A(E) der Abgeord­neten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Nachhaltige Erneuerung des Vergaberechts (947 d.B.)

 


Präsident Karlheinz Kopf: Wir kommen nun zu den Punkten 26 bis 29 der Tagesord­nung, über die die Debatte unter einem abgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Die erste Wortmeldung kommt von Frau Abgeordneter Mag. Schatz. – Bitte.

 


18.20.59

Abgeordnete Mag. Birgit Schatz (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese Novelle des Bundesvergabegesetzes einschließlich der seit dem Ausschuss noch erstellten Abänderung ist sicher eine gute Sache – ich denke, das kann man so sagen. Die Verstärkung des Bestbieterprinzips ist sicher am Anfang eine gewisse Heraus­forderung für die Verwaltung, aber sie wird sich ganz sicher im Laufe der Zeit rentieren und positive Auswirkungen auf die regionale Wirtschaft und die regionalen Arbeitsmärkte haben, davon bin ich überzeugt.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 203

Meine Damen und Herren, auch die begleitenden Maßnahmen – die Beschränkungen des Subunternehmerwildwuchses, die auch ganz stark in Richtung Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping ausgerichtet sind – begrüßen wir, ebenso wie die Regelung, dass künftig gewisse Kernleistungen vom sozusagen Erstauftragnehmer direkt erledigt werden müssen und eben nicht mehr an Subunternehmer vergeben werden können. Also wie gesagt, das sind wichtige Weiterentwicklungen.

Meine Damen und Herren, es ist aber auch klar, dass diese Novelle im Wesentlichen bei Bauvergaben wirkt – jetzt, durch die Abänderung, auch bei Lebensmittelbeschaf­fung –, aber das ist noch nicht alles. Das heißt, wir haben unsere Aufgabe noch nicht zur Gänze erledigt, es ist noch einiges offen.

Wir brauchen zum Ersten zunächst einmal eine massive Unterstützung der Vergeben­den beim Einstieg in das Bestbieterprinzip, man darf zum Beispiel kleine Gemeinden damit einfach nicht alleine lassen. Man muss da unterstützen, wenn das wirklich funktionieren soll.

Wir brauchen aber darüber hinaus auch eine Weiterentwicklung der jetzigen Rege­lungen, um sozusagen auch die Wirkung dieses Gesetzes noch zu verbessern, wie etwa – ich nenne immer dieses Beispiel – bezüglich des Registers jener Firmen, die gegen das Lohn- und Sozialdumpinggesetz verstoßen. In diesem Register werden jetzt Firmennamen gelistet, nicht die Namen der Geschäftsführenden, der Eigentümer, der Inhaber. Das heißt, ist die Firma weg, kann man sich eigentlich mit einer Firmenneu­gründung wieder – wenn auch mit einem nicht ganz redlichen Hintergrund – an Aus­schreibungen beteiligen. Das heißt, da muss man auf jeden Fall noch nachbessern. Ich weiß, das ist nicht einfach, aber es wäre wichtig.

Und der dritte Punkt ist: Es braucht jetzt eine zügige Arbeit an der weiteren Umsetzung der EU-Vergaberichtlinie, die ja auch bei diesem Gesetz im Hintergrund steht. Wir brauchen unbedingt eine Ausweitung des Bestbieterprinzips auch auf den Bereich des öffentlichen Verkehrs und auf die Vergabe von sozialen Dienstleistungen. Dafür müssen wir Kriterien entwickeln, die eben auch andere sein werden müssen als jene, die bei Bauvergaben oder bei Lebensmittelvergaben relevant sind. Das heißt, es ist schon noch ein großes Paket, das da vor uns steht.

Die EU-Richtlinie sollte umgesetzt werden bis April – klar, das wird sich nicht aus­gehen. Uns wurde versprochen, dass es bis April zumindest einen Ministerialentwurf geben wird, und um sozusagen auch hier im Parlament auszudrücken, dass wir mit Nachdruck an diesem Thema arbeiten wollen, habe ich einen Antrag vorbereitet, den ich jetzt auch einbringen möchte.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Birgit Schatz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Weiterent­wicklung des Vergaberechts, um die Wirksamkeit des Bestbieterprinzips zu erhöhen

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat bis April 2016 einen Geset­zes­vorschlag vorzulegen, der eine zeitnahe und vollständige Umsetzung der EU-Richtlinie 2014/24/EU mit insbesondere den folgenden Aspekten vorsieht:

Ausweitung der Bereiche, in denen das Bestbieterprinzip verbindlich zur Anwendung kommt, sowie


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 204

Weiterentwicklung der Qualitäts- und Sozialkriterien für Bau-, Liefer- und Dienstleis­tungs­aufträge, um das Bestbieterprinzip zu stärken

*****

Meine Damen und Herren, wie gesagt, die jetzige Novelle des Vergaberechtes ist sicher ein guter und wichtiger, aber auch erst ein erster Schritt. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

18.25


Präsident Karlheinz Kopf: Der von Frau Abgeordneter Schatz eingebrachte Ent­schließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Birgit Schatz, Freundinnen und Freunde betreffend Weiterent­wicklung des Vergaberechts, um die Wirksamkeit des Bestbieterprinzips zu erhöhen

eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (776 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesver­gabe­ge­setz 2006 und das Bundesvergabegesetz Verteidigung und Sicherheit 2012 geändert werden (944 d.B.)

Begründung

Zwischen 16 und 20% des BIPs in Österreich werden durch öffentliche Aufträge erwirtschaftet – sprich durch Vergaben von öffentlichen Stellen wie Gemeinden, Behörden, Ministerien, etc. generiert. Der zweckmäßige Einsatz von Steuergeld für Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge kann ebenso beschäftigungs- oder auch umweltpolitische Zielsetzungen verfolgen. Dies wird derzeit noch zu wenig genützt.

Die Stärkung des Bestbieterprinzips („technisch und wirtschaftlich günstigstes Ange­bot“) ist die bedeutendste Weichenstellung des novellierten Bundesvergabegesetzes. Die nächste Änderung wird durch die Umsetzung der EU-Richtlinie 2014/24/EU bis spätestens 18. April 2016 erforderlich und ist schon durch inhaltliche Eckpfeiler wie u.a. die Stärkung der Sozial- und Umweltkriterien, Änderungen in der Bekanntmachung, elektronische Vergabepraxis vordefiniert.

Die nun vorliegende Novelle hat die Möglichkeiten das Bestbieterprinzip und qualitative Vergabekriterien festzulegen bei Weitem nicht ausgeschöpft. Diese werden nun kurz dargelegt:

Dem Baubereich kommt in der öffentlichen Vergabe eine besondere Stellung zu. Dies ist mit ein Grund, weshalb diese Branche für die Anwendung des Bestbieterprinzip explizit im Gesetzestext genannt wird, während andere Bereiche nicht genannt werden und nur vage Merkmale der Auftragsleistungen angeführt werden. Aber auch der Dienstleistungsbereich in dem vor allem soziale Dienstleistungen und der öffentliche Verkehr relevant sind, sowie der Bereich der Lebensmittelbeschaffung fallen unter das Vergaberecht und sind durch den reinen Preiswettbewerb der Gefahr von Lohn- und Sozialdumping ausgesetzt.

Aus diesem Grund ist es erforderlich die Bereiche auszuweiten, in denen das Best­bieterprinzip verbindlich angewendet werden muss.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 205

Der zweite Aspekt betrifft die Anwendung von Qualitäts- und Sozialkriterien, die mit dem Bestbieterprinzip einhergehen. Diese werden als Zuschlags- oder auch Auftrags­ausführungskriterien vom öffentlichen Auftragsgeber festgelegt. Derzeit finden sich diese im Gesetz nur vereinzelt und gelten als Kann-Bestimmungen. Bei Direktvergaben beispielsweise müssen laut BvergG keine Umwelt- und Sozialkriterien Berücksichti­gung finden (§41a (1) das sich nur auf §19 Abs. 1 bis 4 bezieht). Daher ist die Weiterentwicklung von gesetzlich festgelegten Umwelt- und Sozialkriterien unerlässlich um die Wirksamkeit des Bestbieterprinzips zu verankern.

Die zeitnahe notwendige Umsetzung der angeführten EU-Richtlinie machen eine neuer­liche Novelle des Bundesvergabegesetzes somit erforderlich und schaffen inhalt­lich einen gesetzlichen Gestaltungsspielraum – zur Stärkung der Umwelt- und Sozial­kriterien als auch eine Ausweiterung der verbindlichen Anwendung des Bestbieter­prinzips – der von der Bundesregierung genutzt werden sollte.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat bis April 2016 einen Geset­zesvorschlag vorzulegen, der eine zeitnahe und vollständige Umsetzung der EU-Richtlinie 2014/24/EU mit insbesondere den folgenden Aspekten vorsieht:

Ausweitung der Bereiche, in denen das Bestbieterprinzip verbindlich zur Anwendung kommt, sowie

Weiterentwicklung der Qualitäts- und Sozialkriterien für Bau-, Liefer- und Dienstleis­tungs­aufträge, um das Bestbieterprinzip zu stärken

*****

 


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Klubobmann Mag. Schieder. – Bitte.

18.25.59

 


Abgeordneter Mag. Andreas Schieder (SPÖ): Frau Präsidentin! (Heiterkeit. – Der Redner blickt auf ein Blatt Papier, das er auf dem Rednerpult gefunden hat.) Ent­schuldigung, Herr Präsident! Ich war ganz verwirrt, denn jemand hat eine Notiz betref­fend Frau Griss liegen lassen. Das hat mich sprachlich verwirrt.

Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Nun auch aus meiner Sicht zu diesem Gesetz: Es geht hier darum, einen Missstand abzustellen, der auch uns sehr oft zu Ohren gekommen ist, dass nämlich das Billigstbieterprinzip in seiner Anwendung dazu führt, dass erstens der, der eine Dienstleistung, ein Gebäude oder was auch immer bestellt hat, das oft nicht in der Qualität bekommt, wie er das will, gleichzeitig sehr oft auch nicht zu dem Preis, der ursprünglich der billigste war, aber schon gar nicht zu den sozialen Bedingungen, die uns am Herzen liegen.

Herr Abgeordneter Muchitsch hat gemeinsam mit Sozialpartnern und vielen anderen lange Zeit darüber nachgedacht, wie man das Problem beseitigen kann, dass nämlich über den Titel Billigstbieter Sozialdumping, Ausnützung von Löchern im System betrie­ben wird und zum Beispiel auch diese Methode angewendet wird, dass über Sub- und Subunternehmen, wo dann sehr oft auch einer dieser Unternehmer plötzlich pleitegeht,


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 206

damit die öffentliche Hand die Kosten übernehmen muss und all diese Dinge, Schind­luder getrieben wird, was nicht im Sinne des Erfinders ist.

Dieses Bestbieterprinzip, das jetzt etabliert ist – was nicht nur ein Begriff ist, denn sehr oft war ja auch die bisherige Anwendung eines Bestbieterprinzips einfach nur das Billigstbieterprinzip, weil die berechenbaren Zahlen das Einzige war, was vorhanden war –, soll jetzt komplettiert werden, sodass wir dieses Sub- und Subunternehmertum eindämmen und unterbinden und damit wir wirkliche Qualitätskriterien oder auch soziale, Ausbildungs-, Lehrlingsausbildungs- und andere Kriterien einfließen lassen und damit, wie ich glaube, für den Wirtschaftsstandort, für den Sozialstandort, aber auch für den öffentlichen Standort, da ja die öffentliche Hand sehr oft Ausschreiberin ist, etwas Gutes geleistet haben beziehungsweise leisten werden.

Das ist ein Gesetz und eine juristische, eine legislative Reise, auf die wir uns begeben, die höchstwahrscheinlich in den nächsten Jahren mit der EU-Richtlinie, höchstwahr­scheinlich aber auch mit weiteren Erkenntnissen, die wir noch gewinnen werden, weiter ausgebaut, verbessert und verändert werden kann. Wir haben jetzt einmal den Schwer­punkt Bau und andere Bereiche, wir haben jetzt auch einen Teil der Nah­rungsmittelbranche hinzugenommen, aber wir werden diese Erfahrungen sicherlich auch noch so weiterentwickeln, dass die positiven Effekte, die dieses Gesetz ohne Zweifel haben wird, in Zukunft auch noch auf weitere Bereiche ausgeweitet werden. (Präsident Hofer übernimmt den Vorsitz.)

In dem Sinne möchte ich mich bedanken, weil es wirklich eine Gesetzesinitiative ist, die über Jahre diskutiert worden ist, die dann auch im Bereich des Ministeriums natürlich keine leichte Legistik ausgelöst hat, die dann auch hier im Hohen Haus noch eine sehr intensive Diskussion nach sich gezogen hat, aber, wie ich denke, jetzt zur Zufriedenheit aller abgeschlossen wird und auch ein gutes Werk ist.

Ich möchte in diesem Zusammenhang noch einmal ganz klar sagen, dass der Abge­ordnete Muchitsch und seine Sozialpartner aus allen Bereichen – aus den gewerk­schaftlichen genauso wie aus den Dienstgeberbereichen – uns auch, wie ich meine, wirklich Gutes vorgelegt haben und es ermöglicht haben, dass wir hier heute auch solch ein Gesetz werden beschließen können. (Beifall bei der SPÖ.)

18.29


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Scherak. – Bitte.

 


18.29.28

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak (NEOS): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Wir haben schon gehört, dass im Mittelpunkt dieser Vergaberechtsnovelle das Best­bieterprinzip steht, mehr Transparenz bei Subunternehmen und sogenannten Sub-Sub steht – wobei Klubobmann Schieder gerade irgendwie das zweite „Sub“ vergessen hat. Jedenfalls geht es um mehr Transparenz und dass wir das Billigstbieterprinzip eindäm­men wollen.

Das ist gut, denn wenn man sich in Erinnerung ruft, welches Ziel denn an und für sich das Bundesvergabegesetz ursprünglich hatte, dann ging es darum, dass es trans­parente Vergaben von öffentlichen Aufträgen gibt und es im Wesentlichen einmal um den sparsamen Umgang mit Steuermitteln ging – das ist der ganz wesentliche Punkt. Wenn nämlich nicht ausgeschrieben wurde, dann wurde ein Auftrag eben einmal irgendwie unter der Hand vergeben, dann gab es keinen Wettbewerb, es gab keine entsprechende Transparenz.

Das ist im Übrigen leider oft auch jetzt noch problematisch bei den sogenannten Direktvergaben. Der Rechnungshof hat auch in einigen Rechnungshofberichten kriti-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 207

siert, dass es eben doch noch immer wieder passiert, dass man versucht, irgendwem einen Auftrag zuzuschanzen, ohne den entsprechenden Wettbewerb zu haben und ohne die entsprechende Transparenz. (Zwischenruf der Abg. Moser.) Das geht natür­lich immer auf Kosten der Steuerzahler, weil dadurch mehr Steuergeld ausgegeben wird als notwendig gewesen wäre.

Das ist übrigens genauso absurd, wie dass es immer noch möglich ist, dass parteinahe Unternehmen bei öffentlichen Auftragsvergaben und bei öffentlichen Ausschreibungen mitmachen, weil das natürlich dem Missbrauch Tür und Tor öffnet und der Parteien­finan­zierung über die Hintertür Tür und Tor öffnet. Das ist auch der Grund, wieso wir diesen Antrag hier eingebracht haben. Ich glaube auch, dass es wichtig ist, dass es hier zu einem Verbot kommt, sodass eben parteinahe Unternehmen nicht an solchen öffentlichen Ausschreibungen teilnehmen können, damit wir eben genau dieses Missbrauchspotenzial eindämmen. (Zwischenruf des Abg. Schmuckenschlager.)

Zurück zur Regierungsvorlage: Das Bestbieterprinzip soll insbesondere für Bauauf­träge – das war der Ausgangspunkt dieser Novelle – gelten. Und ich muss das auch noch einmal dazusagen: Es geht hier nicht grundsätzlich um regionale Bevorzugung, es geht darum, dass wir das technisch und wirtschaftlich günstigste Angebot zum Zug kommen lassen und eben nicht das billigste, wie das beim Billigstbieterprinzip der Fall war.

Das schaut jetzt auf den ersten Blick irgendwie nachteilig für die grundsätzliche Inten­tion des Vergaberechts aus, dass nämlich das billigste und deswegen für den Steuer­zahler schonendste Angebot zum Zug kommt, das ist aber genau nicht der Fall, weil es nachhaltig gesehen wesentlich besser ist, wenn ich in erster Linie einmal auf die Qualität abziele und nicht nur auf den billigen Preis, und dadurch, weil ich auf die Qualität abziele, im Nachhinein nicht diese enormen Folgekosten habe, die gerade bei Bauaufträgen auch immer wieder durch entsprechende Mängel ausgelöst werden.

Und es ist fast schon so etwas wie – ich weiß nicht, ob es Zufall, Schicksal oder keine Ahnung was ist, dass erst gestern wieder in einer Studie herausgekommen ist, dass bei 99 Prozent der Neubauten – ich glaube, in Wien war das – zumindest ein Bau­mangel vorliegt.

Jetzt kann man sagen: Okay, ein Baumangel, das nicht so schlimm!, aber bei den meisten Neubauten sind es wesentlich mehr. Wir merken eben auch unter anderem genau daran, dass wir mehr qualitativen Wettbewerb im Zusammenhang mit öffent­lichen Auftragsvergaben brauchen – und dass wir das ganz essenziell brauchen –, weil es eben darum geht, dass wir den Steuerzahler entlasten und die Steuergelder entsprechend sparsam verwenden. Und das ist eben nicht der Fall, wenn ich dann im Nachhinein über Jahre hinweg alles das, was ich damals zum billigsten Preis gekauft habe, immer wieder ausbessern muss.

Deswegen ist es in der Gesamtrechnung jedenfalls billiger, wenn ich das Bestbieter­prinzip anwende – wir werden ja im Zuge der Umsetzung der EU-Richtlinie noch in vielen anderen Bereichen das Bestbieterprinzip umzusetzen haben. Das ist wichtig und richtig. Dementsprechend freue ich mich auch darauf, weil das an sich eine ganz wesentliche und gute Erneuerung im Vergaberecht ist und wir endlich von diesem teilweise wirklich unsäglichen Billigstbieterprinzip wegkommen, das zu nichts anderem geführt hat, als dass wir am Anfang etwas Billiges gekauft haben und am Schluss im Endeffekt die zweifachen, dreifachen Kosten hatten, wobei es jedenfalls besser ist, wenn wir von Anfang an das qualitativ hochwertige Produkt kaufen. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.)

18.33



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 208

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Steinacker. – Bitte.

 


18.33.39

Abgeordnete Mag. Michaela Steinacker (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Werte Kollegin­nen und Kollegen! „Möge der Beste gewinnen“, heißt es oft bei Olympischen Spielen. Dieses Zitat passt perfekt zum neuen Bundesvergabegesetz, denn damit wird das Verfahren geregelt, wie öffentliche Aufträge im großen Umfang wie Dienstleistungen, Bauleistungen und Waren aus fast allen Wirtschaftsbereichen ausgeschrieben und vergeben werden können.

Das ist für unsere heimische Wirtschaft ein unglaublich wichtiger Bereich, denn das Investitionsvolumen der öffentlichen Hand beträgt jährlich rund 60 Milliarden € – das ist die Zahl aus 2013 –, das sind knapp 20 Prozent des österreichischen Bruttoinlands­produktes. Ein modernes Vergaberecht muss im Interesse der Wirtschaft und der Steuerzahler eine faire und effiziente Vergabe dieser Aufträge durch entsprechende Verfahren gewährleisten.

Was muss es also können? – Also zuerst einmal muss es einen fairen Wettbewerb garantieren, es muss transparent sein und nachvollziehbare Kriterien festlegen und für die Wirtschaft – das ist entscheidend! – Chancengleichheit, besonders auch für kleine Betriebe, gewährleisten, denn die sind auf die Ausschreibungen angewiesen, deswe­gen müssen diese fair und klar sein. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Moser und Muchitsch.)

Die öffentliche Hand hat somit, und das ist wichtig, den größten Kosten- und Nutzen­faktor. Es geht ja schließlich um unser Steuergeld.

In der Vergangenheit haben wir oftmals – Kollegen im Vorfeld haben das angedeutet – auch unfaire Praktiken erlebt, die den Wettbewerb geschädigt haben, die für die Betriebe und den Standort in Österreich schädlich waren.

Mit der Stärkung des Bestbieterprinzips motivieren wir nun die Vergabestellen durch entsprechende im Einzelfall zu bestimmende Kriterien, die für Wirtschaft, Steuerzahler und öffentliche Hand bestmögliche Dienstleistung und Ware zu beschaffen. Ich sehe darin drei wesentliche Verbesserungen für die heimische Wirtschaft.

Zunächst einmal die Chancen auf Qualität vor Preis: In Zukunft ist die Vergabestelle verstärkt angehalten, Qualitätskriterien zu definieren und hoher Qualität den Zuschlag vor dem ausschließlich niedrigsten Preis zu geben. Das schafft auch mehr Qualitäts­wettbewerb unter unseren beteiligten Unternehmen. Wir erhöhen die Transparenz und bekämpfen somit Wettbewerbsverzerrung, Lohn- und Sozialdumping, aber auch Qualitätsmängel durch Billigstangebote. Und wir stärken mit dem Bestbieterprinzip nicht den Billigsten, sondern – was für uns in der Wirtschaft ganz wichtig ist – den befugten, leistungsfähigen und zuverlässigen Unternehmer, und davon haben wir in Österreich wirklich viele! (Beifall bei der ÖVP.)

Zum Zweiten: Dieses Vergaberecht ist eine große Chance für die österreichische ökosoziale Marktwirtschaft. Mit der Ausweitung des Bestbieterprinzips schaffen wir Kriterien und Rahmenbedingungen, um Qualität, Nachhaltigkeit und Langlebigkeit bei der Beschaffung einen entsprechenden Stellenwert zu geben. Hier ein klares Bekennt­nis zur ökosozialen Marktwirtschaft – Österreich hat da ganz besonders viel inter­national anerkanntes Know-how vorzuweisen.

Zur dritten Verbesserung: Zu guter Letzt schaffen wir es durch die Vergaberechts­novelle, bei Ausschreibungen verstärkt die regionalen Bedürfnisse zu berücksichtigen. Wir diskutieren gerade im Moment die von Menschen verursachte weltweite Schädi-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 209

gung des Klimas, also den Klimawandel. Ein Ansatz, der hier gefunden wird, ist es, verstärkt Produkte und Dienstleistungen aus der Region zu forcieren.

Sehr geehrte Damen und Herren, das Bestbieterprinzip ist unserer Ansicht nach eine Win-win-Situation für die Wirtschaft und für den Standort in Österreich. Wir müssen alles daran setzen, den heimischen Betrieben den Rücken zu stärken und best­mögliche Rahmenbedingungen zu schaffen, um national und international erfolgreich sein zu können. Wir sichern so bestehende Arbeitsplätze, aber auch neue Arbeits­plätze, die wir schaffen wollen, stärken die heimische Wirtschaft, fördern Investitionen und generieren neues Wachstum.

Die Novelle verfolgt ein klares Ziel: „Der Beste möge gewinnen“, im Sinne der öster­reichi­schen Wirtschaft und der Steuerzahler. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

18.37


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nun gelangt Frau Abgeordnete Ing. Dietrich zu Wort. – Bitte.

 


18.38.02

Abgeordnete Ing. Waltraud Dietrich (STRONACH): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Heute ist ein Tag, an dem wir im Sinne der österreichischen Firmen, aber auch Arbeitnehmer sehr, sehr glücklich sein können, denn mit den neuen Vergabemöglichkeiten, nämlich gemäß dem Bestbieterprinzip und nicht gemäß dem Billigstbieterprinzip auszuschreiben, haben wir die Möglichkeit, die regionale Wirtschaft zu stärken und zu unterstützen. Ich bin sehr, sehr froh, dass alle Fraktionen in diesem Haus die Chance erkannt haben, die diese neue Gesetzesmaterie bietet.

Ich habe mir eine Ausschreibung einer Krankenanstaltengesellschaft angesehen, mit der Elektroinstallationen ausgeschrieben wurden. Vom Unternehmer mussten ungefähr 200 Seiten durchgearbeitet werden, und am Schluss ist gestanden, nach welchen Kriterien der Auftrag vergeben wird. Ich sage sie Ihnen: Mit 0 Prozent wurde die Ver­län­gerung der Mängelvermutungsfrist bewertet, 0 Prozent wurden für Ästhetik verge­ben, 0 Prozent für Betriebskosten, 0 Prozent für Funktionalität, 0 Prozent für Kunden­dienst, für Service, 0 Prozent für Versorgungssicherheit, 0 Prozent für Wartungskosten, 0 Prozent für sonstige Kriterien; der Preis wurde mit 100 Prozent gewichtet.

Ich sage Ihnen, was mir dieser Unternehmer erzählt hat. Er hat Folgendes gesagt: Weißt du, polnische Firmen, die bieten mit 14 € bis 17 € in der Stunde an. Da kann ich nicht mit. Die einzige Möglichkeit, die ich habe, ist, dass ich die gut bezahlten älteren Arbeitskräfte austausche, sie durch weniger qualifizierte Arbeitskräfte ersetze und dann schaue, ob ich so durchkomme, oder ob ich das Ganze mit Subunternehmern und Subsubunternehmern stemmen kann.

Ich bin sehr, sehr froh darüber, dass wir diese Praxis mit dieser neuen Gesetzes­materie abstellen können. Das ist der richtige Weg. (Beifall beim Team Stronach und bei Abgeordneten von SPÖ und ÖVP.)

Ich möchte mich an dieser Stelle auch beim Kollegen Muchitsch bedanken, weil er wirklich ein Kämpfer für die Bauwirtschaft ist (Beifall bei Abgeordneten von Team Stronach und SPÖ sowie des Abg. Doppler), ein Netzwerker, dem es gelungen ist, auch mit seiner Enquete, alle Betroffenen einzubinden und alle zu überzeugen.

Es kann nicht sein, dass wir Millionenaufträge an Steuermitteln vergeben und irgend­welche ausländischen Firmen die Arbeit bekommen, die dann, wenn es darum geht, dass sie gewährleisten sollen, schon längst nicht mehr existieren, und unsere eigenen Firmen nicht wettbewerbsfähig sind.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 210

In diesem Sinne freue ich mich mit allen hier im Parlament, die diese Gesetzesmaterie mittragen, und auch mit den Arbeitnehmern und mit den österreichischen Unterneh­men. – Glück auf! (Beifall beim Team Stronach und bei Abgeordneten der SPÖ.)

18.41


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Belakowitsch-Jenewein. – Bitte.

 


18.41.28

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute hier eine Materie, die einstimmig beschlossen werden wird. Es gab einige Irritationen, bis wir zum heutigen Abend, bis wir zu dieser Beschlussfassung gekommen sind.

Es gab sehr, sehr lange Verhandlungen. Schon vor über einem Jahr haben wir mit einer Enquete hier im Parlament begonnen, das Thema Bestbieterprinzip sozusagen anzugehen. Es gab in der Zwischenzeit viele, viele Verhandlungen, viele Sitzungen, Marathonsitzungen, Ausschusssitzungen, Vertagungen der Gesetzesmaterie, Wieder­auf­nah­men – es war ein schwieriger Weg. Insofern ist die Euphorie vieler hier zu verstehen, dass es jetzt einmal zu einer Beschlussfassung kommt.

Das meiste vom Inhalt her ist jetzt schon gesagt, noch nicht von allen. Ich möchte auf einen Punkt aber schon auch ein bisschen eingehen, nämlich die Geschichte mit diesen Subsubunternehmen – wie viele Sub auch immer –, denn das ist schon ein sehr großes Problem.

Da, muss man ehrlicherweise sagen, ist dieses Gesetz wirklich ein Schritt in die richtige Richtung, es ist aber noch lange nicht und darf noch nicht das Ende des Ganzen sein, denn das, was wir jetzt haben, ist einmal Transparenz, was wir aber nicht haben – und das hat, glaube ich, Kollegin Schatz heute schon gesagt –, ist, dass wir, wenn es um Subunternehmen geht, die von Geschäftsführern geführt worden sind, zwar vielleicht die Namen der Subunternehmen kennen, aber nicht wissen, wer eigentlich die Geschäftsführer waren. Also da gibt es noch sehr viel Handlungsbedarf.

Dank gebührt dem Kollegen Muchitsch, der in diesem Fall wirklich der große Kämpfer für dieses Gesetz war. Dieses Gesetz ist aber auch schon, das muss man ehrlich sagen, eines der Ziele im Regierungsprogramm des Burgenlandes gewesen. Die Regierung Niessl/Tschürtz im Burgenland hat sich das zum Ziel gesetzt, damit man vor allem – das muss man auch einmal dazusagen – auch die Arbeitgeberseite, nämlich die kleineren und mittleren Betriebe, zum Zug kommen lassen kann. Das ist kein klassisches Arbeitnehmergesetz, sondern das ist wirklich ein Gesetz, das beide Seiten betrifft und das weit mehr eine Stütze und eine Unterstützung für die heimischen Unternehmen sein soll. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Und das, glaube ich, ist die Einzigartigkeit dieses Gesetzes: Wenn wir unsere eigenen Betriebe stärken, dann haben wir automatisch auch unsere eigenen Arbeitnehmer gestärkt, weil die dann wissen, dass sie einen festen Arbeitsplatz haben. Gerade in einer wirtschaftlich angespannten Zeit ist das ein guter, wichtiger und richtiger Weg.

Insoweit ist das für uns ein Gesetz, dem wir gerne zustimmen. Wir freuen uns, dass es jetzt zur Beschlussfassung kommt, aber ich kündige an: Wir werden nicht lockerlassen und schauen, dass es da zu einer stetigen Weiterentwicklung kommt. Das ist noch nicht das Ende des Tunnels, das ist erst der Anfang, aber wir werden dieser Geset­zesnovelle selbstverständlich gerne zustimmen. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Muchitsch.)

18.44



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 211

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Moser. – Bitte.

 


18.44.42

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister – irgendwo! (Rufe: Dort! – Bundesminister Ostermayer steht in den SPÖ-Bankreihen und spricht mit Abgeordneten.) – Ja, jetzt ist er wieder im Gespräch, wunderbar.

Meine Damen und Herren, Sie wissen ja, im Volksmund heißt es: Wer billig kauft, kauft teuer! – Das ist auch die Alltagserfahrung von vielen, weil es ja die sogenannten Sollbruchstellen insbesondere bei Billigfabrikaten gibt.

Die Republik, der Staat ist bis jetzt dazu gezwungen, billig, nach dem sogenannten Billigstbieterprinzip zu kaufen. Wie oft das der Rechnungshof schon kritisiert hat, möchte ich gar nicht erwähnen, aber wir befinden uns ja auf dem Weg der Besserung, in Zukunft soll das Bestbieterprinzip gelten.

Wir Grüne haben dazu natürlich auch noch einen eigenen Antrag eingebracht, denn dieses Bestbieterprinzip ist ja nicht nur ein nationales Anliegen, sondern ein euro­päischer Weg, den es spätestens, Herr Minister, im April dann auch seitens Ihres Hauses wirklich umzusetzen gilt. Und meine Informationen lauten, dass die zuständi­gen Beamten wenig Hoffnung haben, dass das rechtzeitig geschieht, dass sich das ausgeht. Wir sind also schon wieder auf dem besten Weg, ein Vertragsverletzungs­verfahren zu bekommen.

Vonseiten der EU ist ja vor Kurzem, heute direkt eine Rüge gekommen, weil wir nicht ausgeschrieben haben; das ist nämlich wieder die andere Seite. Es gibt ja sozusagen Volumina, wo man zu Ausschreibungen verpflichtet ist, und dann gibt es die Prinzipien, nach denen man vergeben kann. Wozu ich als Grüne mich natürlich immer bekenne, sind die Prinzipien der Nachhaltigkeit, der Ökologie, der Transparenz, der Lebens­zykluskosten, der regionalen Vergabe, auch der Innovationsförderung und nicht zu­letzt – ganz wichtig! – der Arbeits- und Sozialstandards, dazu bekennen wir uns immer.

Wie gesagt, auf der einen Seite geht es um das Ausschreiben, auf der anderen Seite aber vergibt die öffentliche Hand oft unter der Hand, darf ich jetzt sagen, ohne Aus­schreibung Aufträge. Und teilweise gibt es dann EU-Rügen.

Jetzt gibt es nicht nur eine Rüge, sondern eine Anklage, und zwar zu einem besonders delikaten Kapitel: Herr Minister, Sie wissen es ja, es gab einmal eine schwarz-blaue Ära, und in dieser wurde sehr viel privatisiert – Sie erinnern sich, werte KollegInnen vonseiten der FPÖ –, so unter anderem auch das ehrwürdige Institut der Staats­drucke­rei.

Die Staatsdruckerei ist – der Rechnungshof hat das kritisiert, ein Okkasionspreis – fast nach dem Billigstbieterprinzip an einen Privaten verkauft worden. Und obwohl die Staatsdruckerei jetzt eigentlich im Wettbewerb stünde, wird die Staatsdruckerei – jetzt in privaten Händen – nach wie vor vonseiten der Republik ohne Ausschreibung geradezu mit staatlichen Aufträgen gefüttert, überschwemmt und genährt, wohlgenährt, wie der Rechnungshof wiederholt feststellen musste.

Ich verstehe nicht, Herr Minister, warum da nicht ausgeschrieben wird, denn es zahlen ja wirklich die Leute drauf. Wir haben heute schon über Gebührensenkungen dis­ku­tiert – von da und von dort kamen die Argumente. Ich habe einen Vergleich ange­stellt: In Deutschland sind durch Ausschreibung und Vergaben, öffentliches Auftrags­wesen Personalausweise, Pässe viel billiger für die Staatsbürgerin und den Staatsbürger als in Österreich. Ja, ist klar, wenn nicht ausgeschrieben wird, wenn sozusagen ein Privileg besteht aufgrund irgendwelcher historischer Dimensionen, die aber nicht mehr gegeben sind, und das Unternehmen schon in privaten Händen ist, dann zahlen die Menschen drauf, und das wollen wir nicht.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 212

Deshalb nicht nur unser Bekenntnis zum Bestbieterprinzip, sondern auch unsere Forde­rung: ausschreiben und nicht unter der Hand vergeben! – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

18.48


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Wittmann. – Bitte.

 


18.48.50

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Es sind ja fast alle Argumente schon gefallen. Eines, das man noch hinzufügen kann: Das Billigstbieterprinzip hat natürlich auch dazu geführt, dass viele Firmen, die ums Überleben gekämpft haben, mit viel zu niedrigen Preisen in diese Ausschreibungen gegangen sind. Die haben dann in weiterer Folge wieder Subunternehmen gepresst. Und da haben sich auch nur jene bewerben können, die wieder in Schwierigkeiten waren. Und dadurch, dass dann jene die Aufträge bekommen haben, die sie vielleicht schon von vorneherein gar nicht erfüllen konnten, sind noch jene Firmen in Schieflage geraten, die dadurch diese Aufträge nicht bekommen haben, und diese Kette hat sich weiter fortgesetzt.

Ich denke, es ist sehr vernünftig, von diesem Prinzip abzugehen. Es ist natürlich für jene, die es anzuwenden haben, viel einfacher, zu sagen: Ich habe als ausschließ­liches Kriterium den Preis und keine anderen Kriterien zu bewerten! Es war ja nicht verboten, das Bestbieterprinzip zur Anwendung zu bringen, aber für die Anwender war es natürlich bequemer oder einfacher, das Billigstbieterprinzip als einziges Prinzip zu nehmen.

Es ist, meine ich, richtig, dass wir jetzt das Bestbieterprinzip als allgemeines Prinzip gewählt haben, weil andernfalls diese Kettenreaktion entstehen kann.

Ich meine auch, dass man unsere Sozialstandards und unsere Arbeitsschutzbe­stim­mungen, die wir in Österreich haben, nicht dadurch unterlaufen können soll, dass Unternehmen zum Zug kommen, die diese Prinzipien nicht haben. Ich finde, das ist eine Errungenschaft, die geschützt gehört und die auch ein wesentlicher Faktor bei der Bewertung vor der Auftragsvergabe sein muss.

Ich glaube, dass es durchaus eine Qualitätssteigerung bei der Ausführung der öffent­lichen Aufträge geben wird, wenn Betriebe, die in der Lage sind, große Aufträge umzusetzen, diese auch bekommen.

Aus all diesen Erwägungen ist das meiner Ansicht nach ein vernünftiger Weg. Ganz wichtig ist es, dass die Subvergabe transparent gemacht werden muss, denn diese Subvergabe hat zu den größten Schwierigkeiten bei den öffentlichen Aufträgen geführt, weil bis zu 99,9 Prozent in Sub vergeben wurden und der eigentliche Anbieter nur der Verwalter der Anbieterunterlagen war und nicht mehr.

Daher denke ich, dass diese Transparenzregel bei Subunternehmen, die Bekanntgabe des Subunternehmers schon bei der Einreichung des Angebotes und ein Austausch dieses Subanbieters nur mit schriftlicher Zustimmung des Auslobers, eine vernünftige Regelung ist. Ich glaube, ein sinnvolles Gesetz und ein richtiger Weg. (Beifall bei der SPÖ.)

18.51


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Auer. – Bitte.

 


18.51.53

Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn heute einem Kollegen uneingeschränkter Applaus


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 213

gebührt, so ist das Kollege Muchitsch! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und NEOS sowie des Abg. Doppler.) Er hat mit seiner Zähigkeit, aber auch dynamischen Art und Weise et­was durchgesetzt, wobei ihm durchaus manche Schwierigkeiten in den Weg gelegt wurden.

Ich bedanke mich ausdrücklich bei ihm, und zwar nicht nur für diese Initiative, sondern auch für das Verständnis, das er vorneweg auch gleich unserer Seite, sprich der Lebens­mittelbewirtschaftung, entgegengebracht hat. Auch für diese Unterstützung sei ihm gedankt.

Ich bringe daher den Abänderungsantrag der Abgeordneten Dr. Peter Wittmann, Jakob Auer, Kolleginnen und Kollegen zur Regierungsvorlage betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesvergabegesetz 2006 und das Bundesvergabegesetz Ver­teidi­gung und Sicherheit 2012 geändert werden (776 d.B.), in der Fassung des Aus­schussberichtes (944 d.B.), ein.

Herr Präsident, da das ein sehr umfangreicher Abänderungsantrag ist und dieser den Fraktionen, soweit ich weiß, zugegangen ist, darf ich ihn nur in einigen Grundzügen erläutern.

Unter Ziffer 2 kommt eine neue Ziffer 9 dazu: „9. es sich um die Beschaffung von Lebensmitteln gemäß“ – Kombinierter Nomenklatur – „KN-Code 02 (Fleisch und ge­nießbare Schlachtnebenerzeugnisse)“ – und so weiter – „handelt.“

Ebenso wird unter Ziffer 4 wieder eine neue Ziffer 9 eingefügt: „9. es sich um die Beschaffung von Lebensmitteln gemäß KN-Code 02 (Fleisch und genießbare Schlacht­nebenerzeugnisse)“ – und so weiter – „handelt.“

In der Begründung des Antrages heißt es: „Die Aufzählung jener Sachgebiete, bei denen das Bestangebotsprinzip jedenfalls zwingend zum Tragen kommen soll, wird, zur Sicherung einer qualitativ hochwertigen Lebensmittelbeschaffung, um die für die öffentliche Beschaffung besonders relevanten Lebensmittelgruppen ergänzt. Damit man diese Gruppen genau bestimmen kann, werden sie über die KN-Codes definiert. Die Kombinierte Nomenklatur (KN-Codes) ist eine EU-einheitliche achtstellige Waren­nomenklatur für den Außenhandel im Rahmen der Gemeinsamen Handelspolitik, im Besonderen den Gemeinsamen Zolltarif, sowie die Statistik seitens Eurostats und der nationalen statistischen Ämter.“ – So viel zur Theorie.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe bereits ausgeführt, dass ich dem Kollegen Muchitsch sehr dankbar bin, denn gerade in einer zunehmend vernetzten und globalisierten Welt ist die regionale Herkunft von Produkten für unsere Bevölkerung wieder von zunehmender Bedeutung. Es geht ja nicht nur um das Produkt, sondern auch um die dahinterstehende Wertschöpfung in den Regionen (demonstrativer Beifall des Abg. Steinbichler), um die Arbeitsplätze und die gemeinsam aufgebauten Initia­tiven sowie um unsere sicheren und qualitativ hochwertigen Produkte. Regionale Pro­dukte bilden somit auch Identität, schaffen Vertrauen und ermöglichen den direkten Bezug zu unseren Bauern.

Meine Damen und Herren, mehr Qualitätsorientierung im Lebensmittelbereich ist ein erster Schritt zu mehr Genuss und regionaler Verbundenheit. Dieses Gesetz ist, wie von verschiedensten Rednern und Rednerinnen ausgeführt wurde, der erste Schritt, ein wichtiger Schritt – durchaus in Zukunft noch ergänzbar und vielleicht auch verbes­serbar, das ist unbestritten, aber ein erster wichtiger Schritt.

Neben der Bauwirtschaft gilt in Zukunft auch für bestimmte Lebensmittel das Bestbie­terprinzip im Bundesvergabegesetz. Es gilt, einen besseren Zugang im öffentlichen Bereich für regionale Produkte zu schaffen, damit die von der Gesellschaft verlangten


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strengen österreichischen Produktionsbedingungen auch bei Ausschreibungen ver­langt werden können.

Wir bedanken uns hier ganz besonders bei allen, die mitgeholfen haben. Meine Damen und Herren, es gibt damit nämlich in Zukunft neben dem Preis weitere Kriterien, die für die Vergabe entscheidend sind. Beispielhaft für diese Kriterien seien angeführt: be­stimmte Qualitätsregelungen für Agrarerzeugnisse, definierte Produktionsbedingungen wie Gentechnikfreiheit, Biohaltungsformen, Tierschutzbestimmungen, bestimmte Zer­tifizierungen oder Umweltkriterien, Treibhausgasemissionen und so weiter.

Meine Damen und Herren, dieser Tage war ein interessanter Artikel in den „Ober­österreichischen Nachrichten“. „Für Diskontfleisch, aber gegen Massentierhaltung“, war die Überschrift.

Und der Artikel dazu begann mit: „Der ,gespaltene Konsument‘ stellt unerfüllbare Ansprüche“.

Und: „51 Prozent jener Konsumenten, die im Diskontmarkt Billigfleisch kaufen, sind gegen Massentierhaltung.“

Dazu gibt es dann eine interessante Glosse unter dem Titel „Selbstbetrug“: Haben Sie schon einmal nachgedacht, warum das süße Ferkel, das mit dem Bauern in der Werbung spricht, seit Jahren klein und süß ist? Kann es nicht sein, dass es öfters ausgetauscht wir, ja, das eine oder andere Schnitzel davon schon verspeist wurde?

Und der Schlusssatz ist interessant: Gäbe es den Tatbestand des Selbstbetruges, würde die überwiegende Zahl der Konsumenten schon die eine oder andere Vorstrafe im Register haben. – Zitatende.

Meine Damen und Herren, wir betrügen uns in vielen Bereich selbst. Wir kaufen das Billigste, Massenware, aber wir fordern Qualität und Produktionssicherheit ein. Diese Novellierung des Bundesvergabegesetzes ist ein erster Schritt, dass in Zukunft tatsächlich die österreichische bäuerliche Qualität auch eine Chance hat, wahrge­nommen zu werden, vor allem auch in Großküchen Berücksichtigung findet.

Wir wissen, dass heute über zwei Millionen Mahlzeiten täglich außer Haus konsumiert werden, und auch diese Konsumenten haben das Recht, entsprechende Qualität zu bekommen. – Herzlichen Dank dafür. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Abge­ordneten der Grünen.)

18.57


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Abänderungsantrag ist ausreichend unterstützt, ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Peter Wittmann, Jakob Auer, Kolleginnen und Kollegen

zur Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesver­gabe­gesetz 2006 und das Bundesvergabegesetz Verteidigung und Sicherheit 2012 geändert werden (776 d.B.) in der Fassung des Ausschussberichtes (944 d.B)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die oben bezeichnete Regierungsvorlage wird wie folgt geändert:

1. In Art.1 lautet Z 2:


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„2. In § 2 wird nach der Ziffer 33a eingefügt:

‚33a. Subunternehmer ist ein Unternehmer, der Teile des an den Auftragnehmer ertei­lten Auftrages ausführt. Die bloße Lieferung von handelsüblichen Waren oder Bestand­teilen, die zur Erbringung einer Leistung erforderlich sind, ist keine Subunternehmer­leistung.‘“

2. In Art. 1 Z 15 lautet § 79 Abs. 3 Z 8 und eine neu angefügte Z 9:

»8. es sich um einen Bauauftrag handelt, dessen geschätzter Auftragswert mindestens 1 000 000 Euro beträgt, oder

9. es sich um die Beschaffung von Lebensmitteln gemäß KN-Code 02 (Fleisch und genießbare Schlachtnebenerzeugnisse), 0401 (Kuhmilch),0405 (Butter), 0407 (Eier), 0701-0709 (Gemüse) sowie 0808-0810 (Obst) handelt.“«

3. In Art. 1 Z 18 lautet § 83 Abs. 5:

»(5) Nach Zuschlagserteilung hat der Auftragnehmer jeden beabsichtigten Wechsel eines Subunternehmers oder jede beabsichtigte Hinzuziehung eines nicht im Angebot bekannt gegebenen Subunternehmers dem Auftraggeber schriftlich und unter Anschluss aller zur Prüfung der Eignung des betreffenden Subunternehmers erforder­lichen Nachweise mitzuteilen. Der Einsatz dieser Subunternehmer bei der Leistungs­erbringung darf nur nach vorheriger Zustimmung des Auftraggebers erfolgen. Die Zustimmung des Auftraggebers ist, ebenso wie eine allfällige Ablehnung, unverzüglich mitzuteilen und darf nur aus sachlichen Gründen verweigert werden. Die Zustimmung des Auftraggebers gilt als erteilt, sofern der Auftraggeber den Subunternehmer nicht binnen drei Wochen nach Einlangen der Mitteilung gemäß dem ersten Satz abgelehnt hat. Sind der Mitteilung gemäß dem ersten Satz die erforderlichen Unterlagen nicht vollständig angeschlossen, so hat der Auftraggeber dies dem Auftragnehmer unver­züglich mitzuteilen und ihn zur Vorlage der ausständigen Unterlagen aufzufordern. Diese Aufforderung hemmt den Fortlauf der Frist gemäß dem vierten Satz bis zur vollständigen Vorlage der erforderlichen Unterlagen. Dem Angebot sind die ent­sprechenden Verpflichtungserklärungen beizulegen.«

4. In Art. 1 Z 30 lautet § 236 Abs. 3 Z 8 und eine neu angefügte Z 9:

»8. es sich um einen Bauauftrag handelt, dessen geschätzter Auftragswert mindestens 1 000 000 Euro beträgt, oder

9. es sich um die Beschaffung von Lebensmitteln gemäß KN-Code 02 (Fleisch und genießbare Schlachtnebenerzeugnisse), 0401 (Kuhmilch),0405 (Butter), 0407 (Eier), 0701-0709 (Gemüse) sowie 0808-0810 (Obst) handelt.“«

5. In Art. 1 Z 33 lautet § 240 Abs. 5:

»(5) Nach Zuschlagserteilung hat der Auftragnehmer jeden beabsichtigten Wechsel eines Subunternehmers oder jede beabsichtigte Hinzuziehung eines nicht im Angebot bekannt gegebenen Subunternehmers dem Sektorenauftraggeber schriftlich und unter Anschluss aller zur Prüfung der Eignung des betreffenden Subunternehmers erforder­lichen Nachweise mitzuteilen. Der Einsatz dieser Subunternehmer bei der Leistungs­erbringung darf nur nach vorheriger Zustimmung des Sektorenauftraggebers erfolgen. Die Zustimmung des Sektorenauftraggebers ist, ebenso wie eine allfällige Ablehnung, unverzüglich mitzuteilen und darf nur aus sachlichen Gründen verweigert werden. Die Zustimmung des Sektorenauftraggebers gilt als erteilt, sofern der Sektorenauftrag­geber den Subunternehmer nicht binnen drei Wochen nach Einlangen der Mitteilung gemäß dem ersten Satz abgelehnt hat.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 216

Sind der Mitteilung gemäß dem ersten Satz die erforderlichen Unterlagen nicht vollständig angeschlossen, so hat der Sektorenauftraggeber dies dem Auftragnehmer unverzüglich mitzuteilen und ihn zur Vorlage der ausständigen Unterlagen aufzufor­dern. Diese Aufforderung hemmt den Fortlauf der Frist gemäß dem vierten Satz bis zur vollständigen Vorlage der erforderlichen Unterlagen. Dem Angebot sind die ent­sprechenden Verpflichtungserklärungen beizulegen.«

6. Nach Art. 1 Z 38 wird folgende Z 38a eingefügt:

»38a. § 292 Abs. 1 lautet:

„(1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet in den Angelegenheiten des § 291, soweit es sich nicht um die Entscheidung über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, die Entscheidung über den Gebührenersatz gemäß § 319 Abs. 3 oder die Entscheidung über eine Verfahrenseinstellung nach Zurückziehung eines Nachprüfungsantrages handelt, in Senaten.“«

7. In Art. 1 Z 40 lautet § 345 Abs. 18 Z 1 und 2:

»1. Die Neufassung des Eintrages zu § 231 und die Einfügung des Eintrages zu § 231a im Inhaltsverzeichnis, § 2 Z 33a, § 14 Abs. 3 dritter Satz, § 15 Abs. 4 dritter Satz, § 16 Abs. 5 dritter Satz, § 18 Abs. 1, § 22 Abs. 4, § 46 Abs. 3, § 49 Abs. 2, § 55 Abs. 5 erster Satz, § 56 Abs. 1, § 70 Abs. 6, in § 71 die Absatzbezeichnung des Abs. 1, § 71 Abs. 2, § 72 Abs. 1 zweiter und dritter Satz, § 73 Abs. 1 und Abs. 3 zweiter und dritter Satz, § 79 Abs. 2, 3 und 3a, § 83 Abs. 2, 4 und 5, § 84 Abs. 2 erster Satz, § 108 Abs. 1 Z 2 und 2a, § 125 Abs. 4 Z 1, § 182 Abs. 3 dritter Satz, § 183 Abs. 4 dritter Satz, § 184 Abs. 5 dritter Satz, § 186 Abs. 1, § 210 Abs. 2, § 219 Abs. 5 erster Satz, § 221 Abs. 1, §§ 231 und 231a jeweils samt Überschrift, § 236 Abs. 2, 3 und 3a, § 240 Abs. 2 bis 5, § 247a Abs. 7, § 248 Abs. 6 und 7, § 257 Abs. 1 Z 2 und 2a, § 267 Abs. 2 Z 2, § 271 Abs. 1, § 292 Abs. 1, § 332 Abs. 7, § 351 Z 22 und Anhang XV Abschnitt F Z 1 treten mit 1. März 2016 in Kraft; gleichzeitig treten der Eintrag zum 5. Unterabschnitt im 2. Teil,3. Hauptstück, 6. Abschnitt und der Eintrag zu § 100 im Inhaltsverzeichnis sowie im 2. Teil, 3. Hauptstück, 6. Abschnitt der 5. Unterabschnitt außer Kraft.

2. Die im Zeitpunkt des In- bzw. Außerkrafttretens gemäß Z 1 bereits eingeleiteten Vergabeverfahren sind nach der zum Zeitpunkt der Einleitung des jeweiligen Vergabe­verfahrens geltenden Rechtslage zu Ende zu führen. Die im Zeitpunkt des In- bzw. Außerkrafttretens gemäß Z 1 beim Bundesverwaltungsgericht anhängigen Ver­fah­ren sind vom Bundesverwaltungsgericht nach der zum Zeitpunkt der Einleitung des jewei­ligen Vergabeverfahrens geltenden Rechtslage fortzuführen. Hinsichtlich der Vergabe­verfahren, die zum Zeitpunkt gemäß Z 1 bereits beendet sind, richtet sich die Durch­führung von Feststellungsverfahren nach der zum Zeitpunkt der Einleitung des jeweiligen Vergabeverfahrens geltenden Rechtslage.«

8. In Art. 2 Z 13 lautet § 145 Abs. 5 Z 1 und 2:

»1. Die Neufassung des Eintrages zu Anhang V im Inhaltsverzeichnis, § 3 Z 32 und 32a, § 9 Abs. 1 Z 3, § 12 Abs. 3 dritter Satz, § 13 Abs. 4 dritter Satz, § 14 Abs. 5 dritter Satz, § 41 Abs. 2, § 47 Abs. 5 erster Satz, § 48 Abs. 1, in § 60 die Absatzbezeichnung des Abs. 1, § 60 Abs. 2, § 61 Abs. 1 zweiter und dritter Satz, § 62 Abs. 1 und Abs. 3 zweiter und dritter Satz, § 68 Abs. 2, § 150 Z 4 und die Überschrift zu Anhang V treten mit 1. März 2016 in Kraft.

2. Die im Zeitpunkt des In- bzw. Außerkrafttretens gemäß Z 1 bereits eingeleiteten Vergabeverfahren sind nach der zum Zeitpunkt der Einleitung des jeweiligen Verga­beverfahrens geltenden Rechtslage zu Ende zu führen. Die im Zeitpunkt des In- bzw. Außerkrafttretens gemäß Z 1 beim Bundesverwaltungsgericht anhängigen Verfahren sind vom Bundesverwaltungsgericht nach der zum Zeitpunkt der Einleitung des je-


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weiligen Vergabeverfahrens geltenden Rechtslage fortzuführen. Hinsichtlich der Ver­gabe­verfahren, die zum Zeitpunkt gemäß Z 1 bereits beendet sind, richtet sich die Durchführung von Feststellungsverfahren nach der zum Zeitpunkt der Einleitung des jeweiligen Vergabeverfahrens geltenden Rechtslage.«

Begründung:

Zu Z 1:

Die vorgeschlagene Einfügung des Wortes „handelsüblich“ dient der dringend erfor­derlichen deutlicheren Abgrenzung von Subunternehmern und Lieferanten im dem Sinne, dass derjenige der eine individuelle Leistung nach den Wünschen und Vorga­ben des Auftraggebers erbringt, auch als Subunternehmer gilt.

Zu Z 2 und 4 (§ 79 Abs. 3 Z 9 und § 236 Abs. 3 Z 9):

Die Aufzählung jener Sachgebiete, bei denen das Bestangebotsprinzip jedenfalls zwin­gend zum Tragen kommen soll, wird, zur Sicherung einer qualitativ hochwertigen Lebensmittelbeschaffung, um die für die öffentliche Beschaffung besonders relevanten Lebensmittelgruppen ergänzt. Damit man diese Gruppen genau bestimmen kann, werden sie über die KN-Codes definiert. Die Kombinierte Nomenklatur (KN-Codes) ist eine EU-einheitliche achtstellige Warennomenklatur für den Außenhandel im Rahmen der Gemeinsamen Handelspolitik, im Besonderen den Gemeinsamen Zolltarif, sowie die Statistik seitens Eurostats und der nationalen statistischen Ämter.

Zu Z 3 und 5 (§ 83 Abs. 5 und § 240 Abs. 5):

Für die Phase nach Zuschlagserteilung enthielt das Gesetz bislang keine Regelungen im Zusammenhang mit Subvergaben. Dies führte in der Praxis dazu, dass dem Auftraggeber oft nicht bekannt war, welche Unternehmer tatsächlich bei der Auftrags­ausführung eingesetzt wurden und dass Auftragsteile (ohne Wissen des Auftrag­gebers) „in der Kette“ weitergereicht wurden. Aufgrund des dabei oft entstehenden Preisdruckes war die Gefahr des Lohn- und Sozialdumpings nicht auszuschließen.

Durch die neue Regelung der §§ 83 Abs. 5 und 240 Abs. 5 soll ergänzend zur Offen­legungspflicht in der Angebotsphase (vgl. dazu die §§ 83 Abs. 2 und 240 Abs. 2) eine zusätzliche Kontrollmöglichkeit des Auftraggebers hinsichtlich der an der Auftrags­ausführung mitwirkenden Unternehmen verankert werden (vgl. dazu auch Art. 71 Abs. 5 1. Unterabsatz der Richtlinie 2014/24/EU).

Abs. 5 statuiert ein grundsätzliches Verbot der Subvergabe für die Phase nach Zuschlagserteilung hinsichtlich jener Unternehmer, die der Auftraggeber nicht bereits im Rahmen der Angebotsphase prüfen konnte (zur unionsrechtlichen Zulässigkeit einer derartigen Beschränkung vgl. Rs C-314/01, Siemens AG, Rz 45). Dieses Verbot betrifft den Unternehmerwechsel (Austausch eines im Angebot oder vor Einsatz bei der Leistungserbringung bekannt gegebenen Subunternehmers) bzw. das Hinzuziehen („Nachschieben“) eines im Angebot nicht bekannt gegebenen Unternehmers zur Auftragsausführung. Es handelt sich hierbei jedoch nicht um ein absolutes Verbot, denn der Einsatz eines bisher nicht vom Auftraggeber geprüften Unternehmers ist unter der Bedingung der Zustimmung des Auftraggebers zulässig. Aus diesem Grund hat daher der Auftragnehmer den Einsatz neuer Subunternehmer dem Auftraggeber mitzuteilen. Damit letzterer deren Eignung hinsichtlich des Leistungsteiles, den diese (neuen) Subunternehmer erbringen sollen, auch tatsächlich prüfen kann, hat der Auftragnehmer gleichzeitig mit der Mitteilung auch die für die Prüfung der Eignung erforderlichen Unterlagen (Nachweise) zu übermitteln. Handelt es sich daher nicht um einen Unternehmerwechsel (Austausch eines Subunternehmers), so hat der Auftrag-


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neh­mer auch bekanntzugeben, für welchen Leistungsteil der neue Subunternehmer in Aussicht genommen ist. Der Begriff der „erforderlichen“ Unterlagen bezieht sich sowohl auf die Art der Nachweise (vgl. dazu § 71, 72, 74 bis 76) als auch deren „Qualität“ (zB vom Auftraggeber festgelegte Aktualität bestimmter Nachweise). Die bekannt gege­benen (neuen) Subunternehmer dürfen (in jedem Glied der Kette) nur nach vorheriger Zustimmung durch den Auftraggeber an der Ausführung des Auftrages mitwirken.

Die Mitteilung eines bisher nicht bekannten Subunternehmers sowie die Einholung der Zustimmung des Auftraggebers hat immer durch den Auftragnehmer zu erfolgen, unabhängig davon, in welchem Glied der Subunternehmerkette der Subunternehmer­wechsel stattfinden bzw. der bisher nicht bekannte Subunternehmer herangezogen werden soll. Die Subunternehmer haben daher eine entsprechende Bekanntgabepflicht gegenüber dem Auftragnehmer (sowie gegenüber den anderen ihnen in der Subunter­nehmerkette übergeordneten Subunternehmern), welcher die Information dann an den Auftraggeber weiterleitet und die entsprechende Zustimmungserklärung des Auftrag­gebers einholt.

Das Zustimmungserfordernis des Abs. 5 gilt auch für den Fall, dass der Auftraggeber nur die Bekanntgabe aller wesentlichen Subunternehmer festgelegt hatte und dem­zufolge im Angebot auch nur diese angeführt wurden. Das Hinzuziehen eines – gemäß den Angaben in der Ausschreibung im Angebot nicht bekannt gegebenen – Subunter­nehmers für einen nicht wesentlichen Teil des Auftrages bedarf daher ebenfalls nach Abs. 5 der vorherigen Zustimmung des Auftraggebers. Überdies bedarf auch der Wechsel eines derartigen Subunternehmers der vorherigen Zustimmung des Auftrag­gebers. Somit ist in der Ausführungsphase auch im Sonderfall des Abs. 2 letzter Satz die vollständige Transparenz und Kontrollmöglichkeit des Auftraggebers gewährleistet.

Die Zustimmung des Auftraggebers kann explizit oder implizit erfolgen. Eine generelle vorherige Zustimmungserklärung des Auftraggebers zur konkreten Weitergabe ist unzulässig (arg. „jeden beabsichtigten Wechsel […] oder jede beabsichtigte Hin­zuziehung“). Der Auftraggeber kann seine Zustimmung zum Einsatz neuer Unter­nehmen allerdings nicht willkürlich, sondern nur aus sachlichen Gründen verweigern. Als derartige (sachliche) Gründe sind etwa zu nennen: mangelnde Eignung des Unter­nehmers, bereits im Leistungsvertrag festgelegte (sachliche) Gründe oder Gründe, die den Auftraggeber zum Rücktritt vom Vertrag berechtigen würden.

Es ist darauf hinzuweisen, dass der Maßstab hinsichtlich der sachlichen Rechtfertigung für die Ablehnung eines Subunternehmers nicht mit dem Maßstab hinsichtlich der Eignungsprüfung ident ist. Ein Subunternehmer kann daher auch aus anderen als den in § 68 Abs. 1 für die Eignungsprüfung taxativ aufgezählten Gründen abgelehnt werden. Die Ablehnung eines Subunternehmers muss jedoch sachlich gerechtfertigt werden können, dh. die Ablehnung hat aus (objektiv) nachvollziehbaren Gründen zu erfolgen (etwa wenn berechtigte Anhaltspunkte bestehen, dass es sich um ein Scheinunternehmen handelt). Die Zustimmung zum Einsatz des Subunternehmers bzw. die Ablehnung des Einsatzes des Subunternehmers hat der Auftraggeber dem Auftragnehmer unverzüglich bekannt zu geben.

Die Zustimmung des Auftraggebers kann auch implizit erfolgen: lehnt der Auftraggeber den bekannt gegebenen (neuen) Subunternehmer nicht binnen drei Wochen nach Einlangen der Mitteilung des Auftragnehmers beim Auftraggeber ausdrücklich ab, stimmt der Auftraggeber dem Einsatz dieses Subunternehmers zu (gesetzliche Zustim­mungsfiktion). Auf Grund der Möglichkeit der Benennung auch ausländischer Sub­unternehmer – und der insofern vorhersehbaren aufwendigeren Prüfung – darf die Frist für die fingierte Zustimmung des Auftraggebers zum Einsatz neuer Unternehmen nicht zu knapp bemessen werden; eine Frist von drei Wochen ermöglicht im Regelfall eine eingehende Prüfung eines Unternehmers. Dies setzt jedoch voraus, dass der Auftrag-


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geber alle erforderlichen Unterlagen zur Prüfung der Eignung des (neuen) Subunter­nehmers zusammen mit der Mitteilung des beabsichtigten Einsatzes (Abs. 5 Satz 1) erhielt. Ist dies nicht der Fall, muss der Auftraggeber den Auftragnehmer von diesem Umstand unverzüglich informieren und zur Vorlage der fehlenden Unterlagen auffor­dern und dabei spezifizieren, welche Unterlagen noch ausständig sind. Damit dem Auftraggeber noch entsprechend Zeit zur Prüfung der Eignung verbleibt, wird der Ablauf der dreiwöchigen Frist (Eintritt der Zustimmungsfiktion) gehemmt. Die Fristen­hem­mung beginnt mit Einlangen der Aufforderung des Auftraggebers beim Auftrag­nehmer. Erst nach Vorlage aller ausständigen Unterlagen beim Auftraggeber läuft die Frist weiter.

Da der Auftraggeber mit den Subunternehmern im Regelfall keine vertragliche Bindung hat, sind dem Angebot Verpflichtungserklärungen (betreffend das Erfordernis der vorherigen Zustimmung) des Auftragnehmers bzw. des Subunternehmers (inklusive der Verpflichtung zur vertraglichen Überbindung an weitere Subunternehmer in der Kette) beizulegen (vgl. dazu auch die §§ 108 Abs. 1 Z 2a und 257 Abs. 1 Z 2a). Die Einhaltung dieser gesetzlichen Verpflichtung kann überdies in geeigneter Weise, etwa im Wege einer Vertragsstrafe (Pönale) und/oder einer Vertragsauflösungsklausel abge­sichert werden. Im Übrigen können Verstöße gegen diese gesetzliche Verpflichtung als „schwere berufliche Verfehlung“ qualifiziert werden, die bei künftigen Vergabeverfahren zum Ausschluss führen könnte (vgl. § 68 Abs. 1 Z 7).

Gemäß den Vorgaben des Abs. 5 wären daher beispielsweise folgende Erklärungen dem Angebot beizulegen: (Für den Bieter) „Ich verpflichte mich/Wir verpflichten uns, dass jeder Wechsel eines im Angebot … [Bezeichnung des Angebotes] bekannt gegebenen Subunternehmers und jeder Einsatz eines neuen, nicht in diesem Angebot bekannt gegebenen Subunternehmers dem Auftraggeber …… [Name des Auftrag­gebers] mitgeteilt wird und dass dessen/deren Einsatz bei der Ausführung des Auf­trages … [Bezeichnung des Auftrages] nur nach vorheriger Zustimmung durch den Auftraggeber erfolgen wird.“

(Für den/die Subunternehmer) „Ich verpflichte mich/Wir verpflichten uns, dass jeder Wechsel eines im Angebot … [Bezeichnung des Angebotes und des Bieters] bekannt gegebenen Subunternehmers und jeder Einsatz eines neuen, nicht in diesem Angebot bekannt gegebenen Subunternehmers dem Bieter …… [Name des Bieters] mitgeteilt wird und dass dessen/deren Einsatz bei der Ausführung des Auftrages … [Bezeich­nung des Auftrages] nur nach vorheriger Zustimmung durch den Auftraggeber erfolgen wird.

(Für den Bieter, den/die Subunternehmer) Ich verpflichte mich/Wir verpflichten uns, meine/unsere Subunternehmer vertraglich zu verpflichten, jeden Wechsel eines im Angebot … [Bezeichnung des Angebotes und des Bieters] bekannt gegebenen Subunternehmers und jeden Einsatz eines neuen, nicht in diesem Angebot bekannt gegebenen Subunternehmers dem Bieter …… [Name des Bieters] mitzuteilen, um die vorherige Einholung der Zustimmung des Auftraggebers … [Name des Auftraggebers] zu dessen/deren Einsatz bei der Ausführung des Auftrages … [Bezeichnung des Auftrages] durch den Bieter zu ermöglichen.

Zu Z 6 (§ 292 Abs. 1 BVergG 2006):

Gemäß § 292 Abs. 1 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich in Senaten; ausgenommen davon sind Entscheidungen über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, in denen der Einzelrichter entscheidet. Dieser Fall soll durch zwei Konstellationen ergänzt werden. Über den Gebührenersatz gemäß § 319 Abs. 3 hat das Bundesverwaltungsgericht spätestens drei Wochen ab jenem Zeitpunkt


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zu entscheiden, ab dem feststeht, dass ein Anspruch auf Gebührenersatz besteht. Dies kann durch den Einzelrichter rasch und einfach erfolgen.

Hinsichtlich der Entscheidung über die Verfahrenseinstellung ist zunächst klarzustellen, dass dieser nur deklarative Wirkung zukommt; die Rechtsfolgen der Zurückziehung des Nachprüfungsantrages treten bereits mit deren Eingang beim Bundesverwal­tungs­gericht ein (vgl. dazu das Erkenntnis des VwGH vom 25. Juli 2013, 2013/07/0099, zur Zurückziehung einer Berufung).

Fasst das Bundesverwaltungsgericht in einem solchen Fall dennoch einen Einstel­lungsbeschluss, kann auch diese Entscheidung durch den Einzelrichter schneller getroffen werden als durch den Senat.

Zu Z 7 und 8 (§ 345 Abs. 18 Z 1 und 2 BVergG 2006 und § 145 Abs. 5 Z 1 und 2 BVergGVS 2012):

Das In- bzw. Außerkrafttreten aller novellierten Bestimmungen soll mit 1. März 2016 festgelegt werden.

Durch die Präzisierungen in § 345 Abs. 18 Z 2 BVergG 2006 und § 145 Abs. 5 Z 2 BVergGVS 2012 soll sichergestellt werden, dass alle „Altverfahren“ nach der zum Zeitpunkt ihrer Einleitung geltenden Rechtslage zu Ende geführt werden können. Zum Begriff „Zeitpunkt der Einleitung des Vergabeverfahrens“ vgl. insbesondere die Erläuterungen zu § 13 BVergG 2006 (1171 BlgNR XXII. GP, 35) und Art. 5 Abs. 4 der Richtlinie 2014/24/EU.

*****

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Bundesminister Dr. Ostermayer zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.

 


18.58.01

Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Ostermayer: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Im Sinne der Zeit­effizienz sage ich jetzt nichts mehr zum Inhalt dieses Gesetzes. Es ist über das Bestbieterprinzip, über Maßnahmen gegen Lohn- und Sozialdumping, Subsubverga­ben, mehr Transparenz und so weiter alles gesagt worden. Ich wollte nur nach der Abstimmung nicht den Raum verlassen, ohne auch persönlich Herrn Abgeordnetem Muchitsch gedankt zu haben, nachdem es schon alle getan haben. Aber natürlich auch seinem Bau-Partner Hans-Werner Frömmel, meinem Kollegen Brian Schmidt in meinem Kabinett, der sehr viel Zeit mit diesem Thema verbracht hat, den Kollegen Fruhmann und Hesse vom Verfassungsdienst, allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Klubs, die daran mitgewirkt haben, dass dieses Gesetz im Ausschuss dann einstimmig beschlossen wurde und hoffentlich auch hier mit breiter Zustimmung oder vielleicht auch einstimmig beschlossen werden wird.

Nur noch zwei Anmerkungen zur Frau Abgeordneten Mag. Schatz und zur Frau Abgeordneten Dr. Moser: Meine Kollegen im Verfassungsdienst arbeiten sehr intensiv an der Umsetzung sozusagen des weiteren Teiles, wo es um die Umsetzung der EU-Vergaberichtlinie geht, also zum Beispiel um die Ausweitung auf öffentlichen Verkehr.

Dass es einfacher ist, die Legistik zu machen, als dann sozusagen in Verhandlungen eine breite Mehrheit zu bekommen, wie dies jetzt der Fall ist, ist klar. Ich hoffe, dass auch in diesem Prozess dann „Beppo“ Muchitsch und andere „Lokomotiven“ sind, die das mit großer Verve voranbringen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 221

Wir werden die Umsetzung nicht bis April schaffen, den Ministerratsvortrag werden wir schon bis dorthin schaffen, davon gehe ich aus oder das hoffe ich jedenfalls.

Eine Anmerkung noch zu Frau Abgeordneter Moser betreffend die Klage bezüglich der Staatsdruckerei und die Frage der Auftragsvergabe beziehungsweise der fehlenden Ausschreibungen durch das Innenministerium. Es handelt sich dabei um Dinge wie Reisepässe et cetera, die den Sicherheitsdruck betreffen, bei denen es um Geheimhal­tungs- und Sicherheitsdaten und letztendlich auch um Datenschutz geht, weil der Druckerei ja immer persönliche Daten zur Verfügung gestellt werden, die dann auch entsprechend kontrolliert und wieder vernichtet werden müssen. Die Praxis hat ihren Ursprung im Staatsdruckereigesetz § 2 Abs. 2, der vorsieht, dass für Sicherheitsdruck die Staatsdruckerei zuständig ist. Das stellt nicht auf die Frage ab, wer Eigentümer der Staatsdruckerei ist.

Was jetzt in Diskussion und beim EuGH zu verhandeln ist, wo wir – der Verfas­sungs­dienst – Vertreter der Republik sind – klarerweise in Abstimmung mit dem Innenminis­te­rium –, ist die Frage, ob das Thema Sicherheitsdruck und die diesbezügliche Argumentation beim Europäischen Gerichtshof ausreicht oder nicht, was am Ende das Verfahren entscheiden wird. (Abg. Moser: Die Deutschen schreiben aus!) – Nein, es darf nicht ausgeschrieben werden, ist das Argument – ich habe mich jetzt gerade noch einmal bei meinen Kollegen erkundigt –, weil im Staatsdruckereigesetz – und das ist die rechtliche Basis – vorgesehen ist, dass der Sicherheitsdruck dort stattzufinden hat. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

19.01

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Peter Wurm. –Bitte.

 


19.01.45

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Ja, das Bestbieterprinzip biegt jetzt langsam in die Zielgerade. Es ist heute schon relativ viel zu diesem Thema gesagt worden. Es ist schade, dass es diese Zeitverzögerung gegeben hat, wir hätten es schon viel früher realisieren können, aber der Herr Abgeordnete Muchitsch, der möglicherweise kommende Sozialminister, ist heute schon mehrmals gelobt worden.

Ich möchte folgenden Antrag unsererseits noch einmal einbringen.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend: Faires Vergaberecht und Bestbieterprinzip umsetzen

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Kon­sumentenschutz, wird aufgefordert, gemeinsam mit dem Bundeskanzler und dem Wirtschaftsminister eine Regierungsvorlage zur vollständigen Umsetzung der 2014 in der Enquete Faire Vergabe festgehaltenen Reformpunkte im Sinne der Umsetzung des Bestbieterprinzips bei öffentlichen Vergaben vorzulegen. Diese Gesetzesänderung soll dazu führen, dass der Arbeitsmarkt und damit das Arbeitsmarktbudget 2016 spürbar entlastet werden.“

*****

Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

19.03



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 222

Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Antrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Peter Wurm und weiterer Abgeord­neter betreffend Faires Vergaberecht und Bestbieterprinzip umsetzen

eingebracht in der 109.Sitzung des Nationalrates am 10. Dezember 2015 im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 26: Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (776 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesvergabegesetz 2006 und das Bundesvergabegesetz Verteidigung und Sicherheit 2012 geändert werden (944 d.B.)

Auf der Grundlage des immer größer werdenden Konkurrenzdrucks ausländischer bzw. internationaler Anbieter, - vor allem im Bereich des Bau- und Baunebengewerbes versucht man seit Jahren „faire Wettbewerbsbedingungen für heimische KMUs in diesem Bereich zu schaffen.

Das Lohn- und Sozialdumpinggesetz inklusive mehrerer Novellen sollte hier der erste Schritt sein. Wir wissen aber, dass es durch Umgehungen: Ketten-Subunternehmer­verhältnisse, Scheinfirmen, Scheinanmeldungen von Arbeitnehmern, Hinterziehung von Lohn- und Sozialabgaben, großzügige Entsendungen fremder Arbeitnehmerkontin­gente aus dem EU-Ausland usw. zu einem Fass ohne Boden gekommen ist.

Die Bundesvergabegesetznovelle ist wieder einmal der  Versuch, hier gewisse Dämme zu errichten.

Den großen Druck spürten letztendlich aus Rot und Schwarz, deshalb kam es zu einer Initiative von 12 WKO-Bundesinnungen und 3 Fachgewerkschaften im Jahr 2014.

Damals wurde unter dem Titel „Faire Vergabe“ eine Initiative gesetzt, die davon aus­gehen, dass Billigstanbieter Arbeitsplätze vernichten.

Der ambitionierte Forderungskatalog umfasste insgesamt 6 Forderungen mit einer ganzen Reihe von Detailforderungspunkten:

1. Adaptierung des Vergaberechts

Bestbieter statt Billigstbieter - ohne Ausnahme

Einbeziehung von Qualitätskriterien (z. B.: „Organisation, Qualifikation und Erfahrung von Schlüsselpersonal“, „Ökologische Bauführung“, Gesundheitsschutz am Arbeits­platz“, „Mitarbeiterschulungen“)

Einbeziehung von Regionalität sowie Berücksichtigung der Beschäftigung von Eigen­personal (Eigenleistung), Lehrlingen und älteren Arbeitnehmern

Antragslegitimation gesetzlicher Interessensvertretungen zur Prüfung der Gesetzes­konformität von Ausschreibungsunterlagen vor Ablauf der Angebotsfrist

Einschränkung von Subvergaben und Benennungspflicht bei der Auftragsvergabe und verpflichtende laufende Kontrollen (§ 70 Abs. 5 BVergG 2006)

Einschränkung von Leiharbeit

Schärfere Sanktionen bei Verstoß gegen arbeits- und sozialrechtliche Mindeststan­dards, zwingendes Ausscheiden bei erstmaligem qualifizierten Verstoß, zwingendes Ausscheiden bei sonstigem Verstoß im Wiederholungsfall


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 223

Vertragsrechtliche Pönale bei Verstoß gegen arbeits- und sozialrechtliche Mindest­standards

Kontrolle und Meldung des vor Ort eingesetzten Personals

Erhebung der Schwellenwerteverordnung in Gesetzesrang (unbefristet) zur Stärkung der Regionalität

Mindestvorgaben für die Preisangemessenheit bzw. Preisangemessenheitsprüfung

Verbot der elektronischen Auktion für Bauleistungen

2. Maßnahmen gegen die Gründung und Geschäftstätigkeit von Scheinfirmen

Verstärkte Überprüfung des Standortes bei der Gewerbeanmeldung (Mietvertrag, Behördenkontrolle vor Ort - Betriebsmittel und Betriebsstruktur, etc.)

Schwerpunktaktionen der Behörden (Finanzpolizei, GKK, BUAK, AI, BH, Polizei) im Bereich der grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringung (auch am Wochenende; Personalaufstockung)

Erhöhung des Vernetzungsgrades zwischen den einzelnen Behörden (Austausch von Informationen aus Betriebsprüfungen, bei Abmeldung des gewerberechtlichen Ge­schäftsführers, etc.)

3. Novellierung des Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetzes

Verschiebung des Schwerpunkts der Kontrollen der gesetzlichen Vorgaben auf die Risikogruppen zur Steigerung der Effizienz

Erhöhung der Sanktionen/Strafen bei Nichtbeachtung der gesetzlichen Bestimmungen (Strafe muss höher sein als der wirtschaftliche Vorteil). Nichtbereithaltung der Unter­lagen muss strenger bestraft werden, als falsche/unzureichende Anmeldungen

Vollziehbarkeit von Verwaltungsstrafen muss auch in den anderen EU-Mitgliedsstaaten gewährleistet sein

4. Aufrechterhaltung des Befähigungsnachweises als Ausübungs- und Qualifikations­kriterium

Berücksichtigung einer Stellungnahme durch die Wirtschaftskammer bei Ausstellung von individuellen Befähigungen. Bei Fachgesprächen Beteiligung der WKO

Bei der Registrierung im Dienstleisterregister hat eine Vorlage der inländischen Steuer­nummer bzw. die Weiterleitung der Registrierung vom Wirtschaftsministerium an das zuständige Finanzamt zu erfolgen

5. Änderung sonstiger Rahmenbedingungen

Gewerbeordnung: Verpflichtende Angabe der Haftpflichtversicherung und der Ge­werbe­berechtigung auf jedem Angebot

Zweckbindung der Wohnbauförderung

Einführung eines Sanierungsbonus - als Absetzbetrag

6. Rasche Umsetzung der EU-Vergaberichtlinie in nationales Recht

Neue EU-Vergaberichtlinie - Möglichkeiten nach Art 67

Achtung: Vor allem dieser Art 67 EU-Vergaberichtlinie würde weitergehende Möglich­keiten bieten, hier im ganzen Vergabewesen „Österreich Zuerst“ unter Zugrundelegung von materiellen Rahmenbedingungen durchzusetzen:


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 224

EU-Vergaberichtlinie 2014/24 und 2014/25 vom 26. 2. 2014 (Begründungs­erwä­gung 37)

Im Hinblick auf eine angemessene Einbeziehung umweltbezogener, sozialer und arbeitsrechtlicher Erfordernisse in die Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge ist es besonders wichtig, dass Mitgliedstaaten und öffentliche Auftraggeber geeignete Maßnahmen ergreifen, um die Einhaltung der am Ort der Ausführung der Bauleis­tungen oder der Erbringung der Dienstleistungen geltenden Anforderungen auf dem Gebiet des Umwelt-, Sozial- und Arbeitsrechts zu gewährleisten […]

Art 67 Z 2:

Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass die öffentlichen Auftraggeber nicht den Preis oder die Kosten allein als einziges Zuschlagskriterium verwenden dürfen, oder sie können deren Verwendung auf bestimmte Kategorien von öffentlichen Auftrag­gebern oder bestimmte Arten von Aufträgen beschränken.

Art 67 Z 2:

Das Kostenelement kann auch die Form von Festpreisen oder Festkosten annehmen, auf deren Grundlage die Wirtschaftsteilnehmer nur noch mit Blick auf Qualitätskriterien miteinander konkurrieren.

Art 67 Z 2:

… kann das beste Preis-Leistungs-Verhältnis beinhalten, das auf der Grundlage von Kriterien - unter Einbeziehung qualitativer, umweltbezogener und/oder sozialer Aspekte - bewertet wird, die mit dem Auftragsgegenstand des betreffenden öffentlichen Auftrags in Verbindung stehen.

Zu diesen Kriterien kann unter anderem Folgendes gehören:

a. Qualität, einschließlich technischer Wert, Ästhetik, Zweckmäßigkeit, Zugänglichkeit, Design für Alle, soziale, umweltbezogene und innovative Eigenschaften und Handel, sowie die damit verbundenen Bedingungen

b. Organisation, Qualifikation und Erfahrung des mit der Ausführung des Auftrags betrauten Personals, wenn die Qualität des eingesetzten Personals erheblichen Ein­fluss auf das Niveau der Auftragsausführung haben kann, oder

c. Kundendienst und technische Hilfe, Lieferbedingungen wie Liefertermin, Liefer­verfahren sowie Liefer- oder Ausführungsfrist

Art 67 Z 3:

Zuschlagskriterien stehen mit dem Auftragsgegenstand des öffentlichen Auftrags in Verbindung, wenn sie sich in irgendeiner Hinsicht und in irgendeinem Lebenszyklus-Stadium auf die gemäß dem Auftrag zu erbringenden Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen beziehen, einschließlich Faktoren, die zusammenhängen mit

 a. dem spezifischen Prozess der Herstellung oder der Bereitstellung solcher Bauleis­tungen, Lieferungen oder Dienstleistungen oder des Handels damit oder

b. einem spezifischen Prozess in Bezug auf ein anderes Lebenszyklusstadium, auch wenn derartige Faktoren sich nicht auf die materiellen Eigenschaften des Auftrags­gegenstandes auswirken.

Aktuell blockiert die ÖVP die Umsetzung des 2014 zwischen allen Beteiligten das auf Schiene gebrachte umfassenden Vergaberechtspakets , und gefährdet damit heimi­sche Arbeitsplätze und die regionalen kleinen und mittleren Unternehmen in Österreich massiv.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 225

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Kon­sumentenschutz wird aufgefordert, gemeinsam mit dem Bundeskanzler und dem Wirtschaftsminister eine Regierungsvorlage zur vollständigen Umsetzung der 2014 in der Enquete Faire Vergabe festgehaltenen Reformpunkte im Sinne der Umsetzung des Bestbieterprinzips bei öffentlichen Vergaben vorzulegen. Diese Gesetzesänderung soll dazu führen, dass der Arbeitsmarkt und damit das Arbeitsmarktbudget 2016 spürbar entlastet werden.“

*****

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: der heute schon oft genannte Abgeordnete Muchitsch. – Bitte.

 


19.03.27

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist, glaube ich, alles gesagt worden (Abg. Fekter: … was noch nicht gesagt worden ist!) – Zum heutigen Zustandekommen nicht gesagt worden ist, dass es eine nicht ganz einfache Sache war, alle Beteiligten von einer Novelle zu überzeugen, bei der es darum geht, die heimische Wirtschaft zu stärken, unsere Arbeitsplätze zu sichern und Lohn- und Sozialdumping zu bekämpfen.

Ich glaube auch – und da kann ich mich der Meinung aller meiner Vorredner anschließen –, es ist ein erster wichtiger Schritt. Das für mich Entscheidende war, dass es, seit wir dieses Thema diskutieren – seit dem Vorjahr –, zu einem anderen Blick­winkel aller Beteiligten gekommen ist, zu einem Richtungswechsel, weg vom Billigsten hin zum Besten. Es hat ein neues Bewusstsein ausgelöst, dass es uns alle miteinander etwas angeht, wer in Österreich Aufträge erhält und welche Menschen diese Aufträge abarbeiten, und zwar sozial, fair und in einem fairen Wettbewerb. Es war mir sehr wichtig, diese Haltung auszulösen, und ich glaube, das ist auch gelungen.

Ich bedanke mich bei all jenen für ihr Verständnis, denen ich vielleicht in den letzten Monaten lästig erschienen bin, aber es ist um die Sache gegangen. Es war nicht einfach, auch mit den Kritikern zu diskutieren. Viele Punkte, die Kritiker in die Dis­kus­sion eingebracht haben, sind nun in dieser Novelle enthalten. Deswegen kann man durchaus von einer wichtigen, großen, ersten Novelle zum Bundesvergabegesetz sprechen.

Richtig ist auch, dass diese erste wichtige Novelle insbesondere die Bau- und die Landwirtschaft betrifft und alle anderen Bereiche auch herzlich eingeladen sind, bei dieser großen Novelle mitzuwirken.

Das Wichtigste ist bei solchen Verhandlungen, genug Gespräche zu führen, und ich glaube, das ist gelungen. Das wurde ermöglicht von den Klubobmännern der Regie­rungsparteien, Andreas Schieder und Reinhold Lopatka, bei denen ich mich recht herzlich bedanken möchte, weil sie mit der Enquete im Parlament im Vorjahr die Diskussion auch auf politischer Ebene ausgelöst haben. Sie ging bis hin zur Bun­desregierung, die in ihrer Regierungsklausur im März dieses Jahres ein ganz klares


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 226

Bekenntnis zur Novellierung abgegeben hat, wo sowohl Bundeskanzler Werner Faymann wie auch Vizekanzler Reinhold Mitterlehner immer dahintergestanden sind.

Ich darf an dieser Stelle auch, glaube ich, von uns allen unserem Vizekanzler alles Gute zum 60. Geburtstag wünschen, den er heute feiert, und noch einmal persönlich danken, dass er hinter dieser Arbeit gestanden ist. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Abschließend ein Danke an alle politischen Parteien und ihre Vertreter: Recht herzlichen Dank! Ich würde jetzt wirklich gerne alle namentlich nennen, aber es blinkt bereits die rote Lampe am Rednerpult.

Bis in die letzten Stunden haben ich vernommen, dass hier ein wirkliches Wollen war, diese Novelle umzusetzen. Peter Haubner ist jetzt nicht da, aber er war ein Leittra­gen­der in den letzten Tagen, um hier doch noch einen Kompromiss zustande zu bringen.

Recht herzlichen Dank auch an jene Experten, die immer dazu gestanden sind, und ich weiß, dass da das Bundeskanzleramt mit dem Verfassungsdienst und seine Experten eine ganz tolle Arbeit geleistet haben. Vielen Dank für das Verständnis der Sozial­partner und der Praktiker, in dieser Geschichte etwas zu bewegen. Vielen Dank.

Abschließend geht mein ganz großer Dank an die Initiative „Faire Vergaben sichern Arbeitsplätze!“ mit 14 Bundesinnungen, zwei Fachverbänden und drei Fachgewerk­schaf­ten, die nicht aufgegeben haben und immer wieder aktiv geworden sind, um diese Novelle zu ermöglichen. Ich danke Ihnen allen recht herzlich! Es ist für mich persönlich ein sehr schöner und bewegender Tag, wenn es gelingt, dass alle politischen Parteien dementsprechend einen gemeinsamen Beschluss fassen. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

19.08

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Ing. Hofinger. – Bitte.

 


19.08.15

Abgeordneter Ing. Manfred Hofinger (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Es ist natürlich sehr lobenswert, dass nun das Bestbieterprinzip vor dem Billigstbieterprinzip steht und wir dieses stärken. Als Bürger­meister einer kleinen Gemeinde möchte ich jedoch einwenden, dass man auch den bürokratischen Mehraufwand zu berücksichtigen hat, aber ich glaube, die Sache ist diesen wert. Mich freut bei dieser Sache besonders, dass wir die Lebensmittel dem Bestbieterprinzip unterworfen haben, wobei Bauernbundpräsident Jakob Auer eine Vorreiterrolle gespielt hat. Ich glaube, mit Milch, Butter, Fleisch und Gemüse ist uns hier ein wichtiger Schritt zur Stärkung der heimischen Landwirtschaft gelungen, die momentan unter sehr starkem Preisdruck steht. Es unterstützt natürlich auch den Inlandsabsatz, die Regionalität und Nachhaltigkeit unserer guten Lebensmittel.

Freilich ist diese Novelle ausbaufähig, und es wäre schön, wenn wir noch andere Produktgruppen hineinbringen könnten. Das wäre wichtig, denn es macht, glaube ich, keinen Sinn – das erscheint jedem logisch –, wenn in Großküchen irische Butter gekauft wird. Daher wird diese Novelle, die zudem auch klimaschonend den CO2-Ausstoß reduziert, seitens der Landwirtschaft sehr positiv gesehen. In diesem Sinne freue ich mich auf das Bestbieterprinzip. – Danke. (Allgemeiner Beifall. – Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 227

19.09


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Schmuckenschlager zu Wort. – Bitte.

 


19.09.40

Abgeordneter Johannes Schmuckenschlager (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Geschätzte Damen und Herren! Es ist ja fast schon adventliche Stimmung bei dieser Einigkeit, und das ist ja auch schön, wenn wir das an diesem Sitzungstag demonstrie­ren können, denn ich glaube, es zeigt eines: Was wir hier in diesem Haus tragen, ist Verantwortung.

In einer Zeit, die nicht so leicht ist – wenn draußen vor der Türe Rekordarbeitslosigkeit herrscht, wenn es Betriebe gibt, die wirklich erhebliche Schwierigkeiten haben, noch aktiv zu sein –, trägt diese Regierung Verantwortung und zeigt in den Bereichen, in denen sie es letztendlich auch umsetzen kann, dass sie für unsere Betriebe, für die heimische Wirtschaft und für unsere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer volle Leistung erbringt.

Letztendlich müssen wir sehen, dass wir in letzter Minute, Gott sei Dank, auch die Lebensmittel in diesen Gesetzesentwurf mit dem Bestbieterprinzip aufgenommen haben. Das ist nicht nur eine monetäre Feststellung eines Bauernvertreters, sondern vielleicht auch eine ganz wichtige Symbolik für viele, denn auch im Lebensmittel­einzelhandel, im Einkauf, steht jeder Österreicher und jede Österreicherin fast täglich vor der Entscheidung: Wo kaufe ich?

Die Vorbildwirkung, die wir im öffentlichen Dienst in der Beschaffung voranbringen, ist ganz, ganz wesentlich, denn wenn eine Kaufentscheidung erfolgt, dann sollte man schon bedenken, dass wir einerseits bei unseren Produkten unter strengsten Regeln arbeiten, ethische Kriterien bei ihrer Herstellung zur Anwendung bringen und einen schonenden und sorgsamen Umgang mit unserer Natur pflegen und andererseits – auch das ist wesentlich – eine hohe Sicherheit für die Arbeitsplätze gewährleisten sowie eine hohe soziale Absicherung durch unsere Wirtschaftsbetriebe in den Regio­nen bieten.

Die Kleinregionalität ist die Antwort auf die Globalisierung. Da brauchen wir vor der großen Welt keine Angst zu haben, wenn wir unsere Regionen stärken und wenn wir das auch in den Köpfen der Leute verankern.

Ich bitte, in diesem guten Geist des Miteinanders Kollegen Muchitsch, der hier sehr viel vorangebracht hat, auch bei seinen Kollegen, bei den einzelnen Betriebsräten dafür zu sorgen, dass es in den Kantinen nicht darum geht, dass vielleicht das eine oder andere Schnitzerl um 3 Cent billiger ist, sondern dass wir auch dort auf das Beste schauen. Das ist es letztendlich, was ja auch bei den Leuten ankommen soll.

Ein kleiner Vorwurf, der immer wieder kommt und mit dem wir im Bereich der Landwirtschaft massiv konfrontiert sind, betrifft Anfeindungen der Arbeiterkammer, in denen Österreich, wenn es um die Preise geht, als Hochpreisland im Lebensmittel­sektor dargestellt wird. Wir müssen doch sehen, dass da auch Arbeitsplätze dahinter stehen, die wir entsprechend abgesichert haben.

Wenn wir diese hohen Standards und Leistungen in Österreich an den Arbeitsplätzen und in den Wirtschaftsbetrieben erhalten wollen, dann muss uns das auch etwas wert sein. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

19.13


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Doppler. – Bitte.

 


19.13.23

Abgeordneter Rupert Doppler (ohne Klubzugehörigkeit): Herr Präsident! Herr Minis­ter! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister, Sie haben zuerst Ihr Kabinett gelobt – in Ordnung! Aber ich möchte natürlich auch zeigen, dass die Parlamentarier sehr sparsam umgehen (ein beidseitig beschriebenes Blatt Papier


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 228

in die Höhe haltend), dass wir da einen Zettel verwenden, der natürlich beidseitig be­schriftet ist, und das zeugt von Sparsamkeit. Herzlichen Dank.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, zurück zur Tagesordnung, Punkt 26 bis 29, Bundesvergabegesetz 2006, eine Novelle dazu. Mit dieser Novelle soll die öffentliche Hand verpflichtet werden, etwa bei Bauaufträgen von über einer Million Euro einen stärkeren Fokus auf Qualität und Folgekosten zu legen. Das ist ein ganz wichtiger Ansatz.

Außerdem sind verschiedene Schranken vorgesehen – das haben wir heute auch schon gehört –, um die Weitergabe von Aufträgen an unseriöse Firmen und Subunter­nehmen zu unterbinden. Vor allem aus der Baubranche kommen immer wieder Mel­dungen über unseriöse Firmen – darüber weiß Kollege Muchitsch am besten Bescheid.

In Zeiten der großen Arbeitslosigkeit, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist es ganz, ganz wichtig, dass in Österreich die Aufträge an seriöse heimische Firmen vergeben werden, wo auch die Wertschöpfung in Österreich bleibt. – Herzlichen Dank. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

19.14

19.14.20

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Die Frau Berichterstatterin wünscht kein Schlusswort.

Wir kommen nun zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Wir gelangen zuerst zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 26: Entwurf (776 d.B.) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesvergabegesetz 2006 und das Bundesvergabegesetz Verteidigung und Sicherheit 2012 (994 d.B.) geändert werden.

Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Wittmann, Auer, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde daher zunächst über die vom Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Dr. Wittmann, Auer, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag betreffend Artikel 1 und 2 eingebracht.

Wer dem seine Zustimmung erteilt, den bitte ich um ein bejahendes Zeichen. – Das ist Einstimmigkeit. Somit ist der Antrag einstimmig angenommen. (Allgemeiner Beifall.)

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungs­vorlage.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung erteilen, um ein dies­bezügliches Zeichen. – Auch das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Ge­setzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Auch das ist Einstimmigkeit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung einstimmig angenommen. (Allgemei­ner Beifall.)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 229

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Mag. Birgit Schatz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Weiterentwicklung des Vergaberechts, um die Wirksamkeit des Bestbieterprinzips zu erhöhen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Somit abgelehnt.

Wir gelangen ferner zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Dr. Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend: Faires Ver­gaberecht und Bestbieterprinzip umsetzen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Somit abgelehnt.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 27: Antrag des Verfassungsausschusses, seinen Bericht 945 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 28: Antrag des Ver­fassungsausschusses, seinen Bericht 946 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir gelangen schließlich zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 29: Antrag des Verfassungsausschusses, seinen Bericht 947 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

19.18.1530. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Außen- und Europa­politi­schen Bericht 2014 der Bundesregierung (III-220/924 d.B.)

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nun kommen wir zum 30. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Hübner. – Bitte.

 


19.18.42

Abgeordneter Dr. Johannes Hübner (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Minister! Der Außenpolitische Bericht, der uns vorliegt, ist wie immer informativ, dick und etwas historisch, weil das Jahr 2014 natürlich schon lange ver­strichen ist und die Ereignisse dieses Jahres sich fast schon wie aus einem Geschichtsbuch nachlesen lassen.

Zwei Dinge werde ich hervorheben. – Zuerst einmal der Anhang dazu: Der ist hoch­interessant, weil er uns einen Einblick bietet in den Wildwuchs internationaler Organi­sationen und die Kosten, die dadurch verschuldet oder verursacht werden.

Allein die Kosten für Mitgliedsbeiträge für die diversen UNO-Mit-, Vor- und Neben­organisationen betragen im Jahr 40 Millionen €. Dazu kommt eine Vielzahl weiterer internationaler Organisationen, die im Laufe der Zeit entstehen, die irgendwann einmal vielleicht historisch einen Anlass oder eine Berechtigung gehabt haben, die aber nicht – sagen wir es einmal so – sterben. Wir sind zum Beispiel Mitglied in der internationalen Walfangkommission – sehr wichtig für ein Land wie Österreich. Wahr-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 230

scheinlich schützen wir die Neusiedlersee- und Donau-Wale oder ähnliche Tiere, bis hin zum Wassenaar Arrangement.

Das alles sind Zusammenkünfte, bei denen niemand weiß, was genau die tun und was sie bewirken, aber wo man eines sagen kann: Sie nützen keinem Menschen außer denjenigen, die Konferenzen veranstalten, Broschüren herausgeben, evaluieren und so weiter.

Also da ist mein Ersuchen beziehungsweise meine Aufforderung an den zuständigen Minister, kritisch zu hinterfragen – um dieses geliebte ÖVP-Wort zu verwenden –, was da nutzbringend und sinnvoll ist, was im Interesse der zahlenden Steuerzahler vertretbar ist und nicht im Interesse der Bürokratie. (Beifall bei der FPÖ.)

Der zweite Fall – das darf auch nicht ausgeklammert werden – ist die österreichische und internationale Ukraine-Russland-Politik. Die ist zwar für das Jahr 2014, in dem ja die Wurzeln des Konflikts gelegen sind, ausführlich beschrieben, aber wiederum lässt man jede kritische Auseinandersetzung mit den Ursachen und vor allem den Folgen und der in der Folge verhängten Sanktion vermissen.

Eines nämlich ist klar, und das muss in jedem Bericht drinnen stehen: Dieses europäisch-österreichische Konvolut an Handlungen war ein totaler Misserfolg. Die Sanktionen haben eines bewirkt: Sie haben Österreich geschadet, sie haben der Europäischen Union geschadet, sie haben das Preisgefüge unserer Landwirtschaft ruiniert und sie haben eines sicher nicht bewirkt, nämlich eine Lösung des Konflikts. (Beifall bei der FPÖ.)

Abhängig gemacht werden diese Sanktionen oder ihr Ende davon, dass das Minsk-Abkommen vollständig von Russland umgesetzt wird. Nun haben wir das Problem, dass das Minsk-Abkommen weitgehend, aber nicht vollständig umgesetzt worden ist, vor allem von der Ukraine nicht vollständig umgesetzt worden ist. Es gibt die Auto­nomie, die Selbstbestimmung und die Wahlen im östlichen Teil, in den Bezirken Lugansk und Donezk bis heute nicht. Das ukrainische Parlament hat das abgelehnt.

Es gibt nach wie vor das Bestreben einer militärischen Lösung. Es gibt eine Aufrüstung in der Ukraine. Es gibt eine wachsende Isolation der Ukraine von Russland, eine weitere Unterbrechung der persönlichen, menschlichen und wirtschaftlichen Bezie­hungen durch einseitige ukrainische Sanktionen. Es gibt eine Weigerung der Ukraine, für das Gas zu zahlen und so weiter. Und es gibt vor allem eine Ausplünderung der ukrainischen Bevölkerung durch die jetzige herrschende Clique um den Präsidenten Poroschenko.

Ich verweise nur auf die Dinge, die zum Beispiel im Sonntags-„Kurier“ gestanden sind, die aber in Wien die Spatzen vom Dach pfeifen, nämlich dass Wien eine wichtige Drehscheibe ist, um über zwischengeschaltete Briefkastenfirmen die ohnehin am Rande des wirtschaftlichen Zusammenbruchs stehende Ukraine auszuplündern und das Geld in den Westen, vor allem in die Schweiz, aber auch in die Karibik, nach Singapur und so weiter auf die Konten der handelnden Oligarchen um den Präsidenten zu verschieben. Und das Ganze bei einer Finanzierung durch internationale Organi­sationen wie die Europäische Union oder den IWF. Das Ganze ohne jede Andeutung oder Bindung an eine Einhaltung der Minsk-Verpflichtungen durch die Ukraine.

Das ist keine seriöse Politik, das ist eine Politik, die Österreich nicht mittragen sollte und nicht mittragen darf! (Beifall bei der FPÖ.)

Da erwarte ich – ich glaube, da erwarte ich nicht zu viel; beziehungsweise vielleicht erwarte ich zu viel, aber da erhoffe ich zumindest nicht zu viel –, dass Österreich an seine alten Traditionen anknüpft und eine Politik des Friedens, des Ausgleichs und der


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 231

Neutralität betreibt und sich überlegt, was es zur Lösung der Krise beitragen kann außer der euro-amerikanischen Sanktionspolitik hintennach zu hecheln.

Was wir uns vor allem überlegen müssen, ist, was die europäischen Werte verlangen. Verlangen sie eine Sanktionspolitik oder verlangen sie eine Entscheidung der betroffenen Bevölkerung? Allenfalls sollten sich Österreich und die Europäische Union im Sinne der viel beschworenen europäischen Werte dafür einsetzen, dass die Volks­abstimmung auf der Krim international überwacht wiederholt wird. Was da heraus­kommt, ist auch zu akzeptieren, weil der demokratische Wille der Bevölkerung das höchste Gut ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Exakt das Gleiche hat in der Ostukraine zu geschehen. Dort ist eine Volksabstimmung international kontrolliert abzuhalten und zu entscheiden, welche Autonomie oder welchen Status innerhalb der Ukraine die Bevölkerung dort will. Davon sind wir aber meilenweit entfernt. Wir halten an dieser sinnlosen Sanktionspolitik, die auch Russland trifft, aber in erster Linie Österreich und Europa, aber sicher nicht die Vereinigten Staaten, weiter fest und geben sogar Signale, dass wir einer völlig unverständlichen Verlängerung dieser Sanktionen über den 31. Jänner hinaus zustimmen würden.

Daher bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Dr. Hübner und weiterer Abgeordneter betreffend die Aufhebung der Wirtschaftssanktionen gegen die Russische Föderation

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich auf Europäischer Ebene mit Nachdruck dafür einzusetzen, dass die Wirtschaftssanktionen gegen die Russische Föderation unverzüglich aufgehoben werden beziehungsweise eine Verlängerung der Sanktionen jedenfalls abzulehnen.“

*****

Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ sowie der Abg. Lintl.)

19.24


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Antrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht daher mit in Verhandlung.

Ich darf mitteilen, dass hiezu auch ein Verlangen auf namentliche Abstimmung vorliegt und dass ich dann auch so vorgehen werde.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Dr. Hübner und weiterer Abgeordneter

betreffend die Aufhebung der Wirtschaftssanktionen gegen die Russische Föderation

eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Außen- und Europapolitischen Bericht 2014 der Bundesregierung (III-220/924 d.B.), TOP 30, in der 109. Sitzung des Nationalrates in der XXV.GP am 10.12.2015


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 232

Mitte Juni 2015 haben sich die Mitgliedstaaten der Europäischen Union darauf geeinigt, die im Juli 2014 verhängten Sanktionen gegen die Russische Föderation um weitere sechs Monate – also bis Jänner 2016 – zu verlängern. Diese Strafmaßnahmen betreffen vor allem Russlands Energiewirtschaft sowie den Verteidigungs- und Finanzsektor.

Diese Politik der Europäischen Union gegen Russland hat mittlerweile beachtlichen Schaden für die Volkswirtschaft der Republik Österreich gebracht. Laut Statistik Austria sind die österreichischen Exporte im Jahr 2014 – verglichen mit dem Jahr 2013 – um 8 Prozent zurückgegangen. Noch dramatischer sind die Zahlen für das 1. Quartal 2015 zum Vergleichszeitraum: So sind die Einfuhren um 48,7 Prozent sowie die Ausfuhren um 39,8 Prozent gesunken.

Sogar auf der Internetseite des Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft wird die Studie des WIFO "Makroökonomische Effekte des Handelskonflikts zwischen der EU und Russland" aus dem Dezember 2014 folgendermaßen zusammengefasst:

„Das WIFO berechnet diese Gesamteffekte für Österreich aufgrund des nicht vorher­seh­baren weiteren Verlaufs der Krise über drei Szenarien und kommt dabei zu dem Schluss, dass die Sanktionen gegen Russland zwischen 9.000 und 45.000 Arbeits­plätze gefährden könnten und die Wertschöpfung zwischen 0,6 und 2,9 Mrd. € gedämpft werden könnte.“ (http://www.bmwfw.gv.at/Aussenwirtschaft/Seiten/Bundesregierung unterstuetzt-Unternehmen.aspx; abgerufen am 06. Juli 2015)

Das WIFO kommt in der o.a. Studie weiters zu folgendem Ergebnis: „Kurzfristig ist von den Export- und Tourismusausfällen und deren Rückwirkungen auf Exporteure und deren Lieferanten 0,2% der Beschäftigung betroffen; im ungünstigsten Fall (…) steigt dieser Anteil auf 1,1%. Die BIP-Effekte liegen zwischen 0,2% und 1%.“

Gerade in Hinblick auf die österreichische Staatsverschuldung und die Zahl der Arbeitslosen – in beiden Bereichen haben wir einen historischen Höchststand erreicht – scheint die Politik gegen Russland auch aus eigenem Interesse verantwortungslos.

Dies verdeutlichen die folgenden Zitate:

„Die Zahl der Jobsuchenden ist auch im Juni weiter gestiegen. 381.898 Personen (inklusive Schulungen) waren auf Jobsuche, ein Zuwachs im Jahresvergleich von 7,7 Prozent. Immer dramatischer wird die Lage für Langzeitarbeitslose, 32.720 Personen waren länger als ein Jahr ohne Arbeit, eine Zunahme von 182 Prozent. Die Arbeits­losenquote stieg um 0,9 Prozent auf 8,3 (Eurostat-Berechnung: 6) Prozent. […]

Doch nicht nur vom Arbeitsmarkt ist derzeit keine Entspannung zu vermelden. Auch was die öffentlichen Schulden betrifft geht es weiter bergab, oder eigentlich bergauf. Der Schuldenstand hat einen historischen Höchstwert erreicht. Laut Daten der Statistik Austria betrug er am Ende des ersten Quartals 280,2 Mrd. Euro oder 84,9 Prozent des BIP. Damit stiegen die Schulden im Vergleich zum Dezember noch einmal um 0,3 Prozent des BIP. Ein noch deutlicheres Plus zeigt sich im Vergleich zum ersten Quartal des Vorjahres. Hier ergibt sich ein Anstieg von 17,2 Mrd. bzw. 3,8 Prozent des BIP.“

(http://www.boerse-express.com/pages/1565603; abgerufen am 06. Juli 2015)

Trotz dieser negativen Auswirkungen plant die Europäische Union offenbar eine Verlängerung der Sanktionen.

„Diese Sanktionen werden ganz sicher fortgesetzt und verlängert“, sagte der Sprecher des Auswärtigen Amts vor wenigen Tagen in Berlin.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 233

So berichten die Deutschen Wirtschafts Nachrichten vom 23.11.2015 unter anderem, dass vier europäische Regierungschefs im Alleingang mit den USA entschieden haben, die Sanktionen gegen Russland zu verlängern. Nämlich Deutschland, Groß­britan­nien, Italien und Frankreich.

Nicht zuletzt im Interesse der heimischen Wirtschaft stellen die unterfertigten Abge­ordneten daher nachstehenden 

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich auf Europäischer Ebene mit Nachdruck dafür einzusetzen, dass die Wirtschaftssanktionen gegen die Russische Föderation unverzüglich aufgehoben werden, bzw. eine Verlängerung der Sanktionen jedenfalls abzulehnen.“

*****

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Amon. – Bitte. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

 


19.25.07

Abgeordneter Werner Amon, MBA (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzter Kollege Hübner! Manchmal hat man ja den Eindruck, die Ukraine hätte die Krim annektiert und nicht, dass es umgekehrt war. (Abg. Hübner: Aber in meiner Rede nicht!) – Es war schon Russland. (Ruf bei der FPÖ: Da müssen Sie etwas falsch verstanden haben!)

Aber Sie haben ja in Ihrer Rede ein Feuerwerk gegen die Ukraine losgelassen. (Zwischenruf des Abg. Hübner.) Ich meine, man muss sich schon ein bisschen an den Beginn des Konfliktes zurückerinnern, Herr Kollege Hübner. Ganz so einfach kann man es sich nicht machen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.) Es war sehr wohl Russland, das die Krim völkerrechtswidrig annektiert hat. (Zwischenruf bei der FPÖ.)

Ich stelle Ihnen schon die Frage: Hätte Europa gar nicht auf diesen völkerrechts­widrigen Akt reagieren sollen? Hätte Europa das achselzuckend zur Kenntnis nehmen sollen? Ich bin nicht grundsätzlich der Meinung, dass man diese Sanktionen bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag fortsetzen soll, aber als Reaktion auf eine völkerrechtswidrige Vorgangsweise, glaube ich, war das allemal die mögliche, richtige Reaktion.

Ich möchte, Herr Bundesminister, zum Außenpolitischen Bericht herzlich gratulieren. Er ist eigentlich – wie wir das aus dem Außenamt gewohnt sind – ein hervorragender und gut strukturierter Bericht. Ich möchte Ihnen vor allem aber auch zu dieser – ich möchte sagen – Leitlinie gratulieren, die Sie in diesem Bericht vorgeben, nämlich darauf aufmerksam zu machen, dass die Welt so sehr zusammengewachsen ist, dass es eigentlich kaum mehr außenpolitische Aktivitäten gibt, die uns innenpolitisch nicht massiv tangieren.

Da bin ich nämlich eben gerade beim Ukraine-Russland-Konflikt, der uns natürlich im Wege der Sanktionen tangiert. Er betrifft unsere Wirtschaft und betrifft uns damit auch innenpolitisch, das ist keine Frage. Oder denken wir an den Terrorismus, der vom sogenannten Islamischen Staat ausgeübt wird, der zu Vertreibung und Verfolgung von Menschen führt: Wir sind konfrontiert mit massiven Flüchtlingsbewegungen. Oder wenn ich etwa an die ganze Thematik denke, die Sie im Bericht ansprechen, nämlich die Frage der Integration der Westbalkanstaaten in die Europäische Union.


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Sie erwähnen den Dialog der Religionen, der, glaube ich, ganz besonders wichtig ist, gerade in Zeiten wie diesen. Und letztlich oder last, not least die Situation Österreichs als UNO-Sitz-Staat und die wichtige Rolle, die Österreich in den Verhandlungen rund um den Iran als Gastgeberland ausgeübt hat – und auch jetzt wieder im Zusam­menhang mit den Syriengesprächen.

Das alles, glaube ich, bringt Österreich in eine Position, die international gut ist. Österreich soll seine Rolle als Vermittlerland, als sicheres Land für Konferenzen und Tagungen, glaube ich, wie Sie das auch tun, weiterentwickeln. Das halte ich für gut und das halte ich für richtig. Aber es ist eben genau das, was Sie ansprechen. Es gibt kaum mehr internationale Konfliktsituationen, die uns nicht innenpolitisch tangieren.

Deshalb wird Außenpolitik auch irgendwo zur Innenpolitik. Sie kann uns nicht gleichgültig sein und sie muss uns beschäftigen. Ich glaube, der Bericht gibt da einen sehr schönen, guten Überblick. (Beifall bei der ÖVP.)

19.29


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Dr. Karlsböck zu Wort. – Bitte.

 


19.29.24

Abgeordneter Dr. Andreas F. Karlsböck (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Ich kann nahtlos an meine beiden Vorredner anschließen, vor allem an das, was Kollege Amon gesagt hat. Natürlich ist Außenpolitik in einer zusammenwachsenden Welt fast schon ein Teil der Innenpolitik.

Deswegen möchte ich sagen, dass etwas zumindest für mich nicht abgebildet ist. Nicht nur im letzten, sondern auch in den letzten und vorletzten Berichten ist für mich leider eine klare Strategie in der Außenpolitik nicht erkennbar. Sie haben, Herr Minister – durchaus anerkennenswert –, Einzelerfolge vor allem mit der Wiener Kongresspolitik der letzten Wochen und Monate gehabt. Das hat Österreich gutgetan, aber wenn ich nur zwei Beispiele erwähnen darf – ich fange mit Afrika an –:

Hinsichtlich dieses Kontinents, der immer noch als Nebenschauplatz der Weltpolitik angesehen wird, fehlt es vollkommen an einer klaren Strategie von österreichischer Seite. Wir sehen heute die Afrika-Politik immer noch nur im Zusammenhang mit der sogenannten Entwicklungspolitik. Das ist durchwegs falsch.

Anschließend an Kollegen Amon: Natürlich ist gerade eine fehlende Politik dort etwas, was Österreich direkt trifft. Schauen wir uns an, wie zum Beispiel China seit mehr als zehn Jahren an die Sache herangeht. China hat unlängst eine Konferenz – sie haben das Forum für die Chinesisch-Afrikanische Zusammenarbeit genannt – in Johannes­burg abgehalten, wo es dem afrikanischen Kontinent 60 Milliarden € in Aussicht stellt. 

Wir kommentieren das irgendwie als unfair, China wolle Afrika kolonialisieren. – Sie machen es sehr gescheit, das ist nämlich nicht Entwicklungspolitik im engeren Sinn, sondern es ist Wirtschaftspolitik. Sie erschaffen sich damit einen unglaublichen Absatz­markt. Sie haben ein Reservoir für ihre Rohstoffe, und auch der afrikanische Kontinent profitiert ungeheuer, indem Infrastruktur geschaffen wird.

Das größte Problem in diesem Bereich ist, dass es dort an Zuverlässigkeit fehlt. Deswegen kommen diese Länder meistens zu keinen regulären Krediten, so wie wir es vom Westen her gewohnt sind, sie zu vergeben. Die Weltbank macht Vorgaben, die nicht zu erfüllen sind, und es dauert alles viel zu lang.

Wie gesagt, das ist auch Wirtschaftspolitik im engeren Sinn. Die Firma ANDRITZ ist dort im engen, sehr harten Wettbewerb mit chinesischen Firmen. Die Firma ANDRITZ möchte dort Kraftwerke errichten. (Zwischenruf des Abg. Cap.)


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Wir wissen ganz genau, dass das die weltweit führende Marke ist. Ich vermisse wirk­lich – das ist eine echte Kritik –, dass die österreichische Politik vonseiten des Wirt­schaftsministers, des Wissenschaftsministers, aber auch von Ihnen hier dort eigentlich keine Präsenz hat.

Kommen Sie mir bitte nicht damit, dass wir einen Soldaten im Kongo oder vielleicht drei oder vier in Mali haben, und schon sind wir bei dieser Mission dabei. Das ist ungefähr so, wie wenn Alaba die Champions League gewinnt und wir sagen, Öster­reich habe die Champions League gewonnen. Das kann es so nicht sein! (Beifall bei der FPÖ.)

Das zweite Beispiel, das mir schon länger aufstößt – ich erzähle Ihnen das Beispiel nur mit Thailand –: Ich bin ja der Freundschaftsgruppen-Obmann und habe vor einem Jahr Kontakt zum neuen Botschafter anlässlich eines Vorfalles aufgenommen, der leider aus Ihrem Haus unrühmlich hervorgegangen ist.

Da hat sich der Botschafter bei Ihnen im Haus vorgestellt, nicht bei Ihnen persönlich – vielleicht auch bei Ihnen persönlich, das weiß ich nicht, ich habe das nur von meiner Mitarbeiterin, der Referentin für Südostasien, berichtet bekommen –, und er ist dort ziemlich rüde abgewiesen worden, so sinngemäß auf die Art: Bringen Sie einmal die Dinge in Ihrem Land in Ordnung und dann können Sie wieder kommen! 

Als der Botschafter gemeint hat, er würde gerne auch die Grüße der Freundschafts­gruppe von Thailand an Österreich überbringen und das Pendant, also mich, treffen, hat es geheißen, dass das nicht in Frage kommt, weil dort ist irgendwie eine Militär­diktatur und damit redet man gar nicht; er solle das zuerst in Ordnung bringen und vielleicht redet man dann.

Ich finde das nicht Ordnung. Ich finde das deshalb nicht in Ordnung – jetzt können Sie ruhig weghören, Herr Minister, das betrifft uns hier im Nationalrat –, denn wir als Legislative sollten viel mehr Selbstbewusstsein an den Tag legen. Es ist zwar richtig, dass wir die Expertise von Ihrem Haus einholen, wenn wir eine Reise machen oder eine Verbindung zu einem Land herstellen wollen, aber das ist nur eine Expertise.

Ich bekrittle wirklich – ich habe diese Erfahrung im letzten Jahr gemacht –, dass, wenn aus Ihrem Ressort eine ablehnende oder eine kritische Meinung kommt, wir das einfach ungeprüft übernehmen und sagen: Tut uns leid, das Außenministerium hat gesagt, das geht nicht.

Ich sage, wir von der Freiheitlichen Partei, die wir seit jeher im Sinne unserer Neu­tralität eine vermittelnde Rolle zwischen Völkern einnehmen wollen, kümmern uns relativ wenig darum, und wir haben damit auch recht gehabt. Wir haben mit dem Iran recht gehabt, wir haben mit Russland recht, wir werden auch in der Zukunft recht haben, wir haben mit Serbien recht gehabt und wir werden auch in Asien recht haben.

Sie können eigentlich den Vertretern unserer Partei, als Beispiel erwähne ich nur unseren Vizebürgermeister Johann Gudenus, einen Orden überreichen, weil er näm­lich einen Schaden, der entstanden ist, den die österreichische Außenpolitik veranstal­tet hat, mit seiner Aktion wiedergutmacht. Wir machen das in unserem Bereich, so gut wir es können. (Beifall bei der FPÖ.) Auch in Thailand haben wir es wieder hinbe­kom­men, dass die Verwerfungen – das hat dort wirklich Kreise gezogen – in eine positive Richtung gegangen sind.

Also, wir dürfen nicht darauf warten, die Wirtschaft darf nicht darauf warten, dass perfekte Investitionsbedingungen vorgefunden werden. Die Politik darf nicht darauf warten, dass wir außenpolitisch korrekte Verhältnisse vorfinden, damit wir auch vom


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Parlament her mit bestimmten Staaten in Verbindung treten. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ sowie der Abg. Lintl.)

19.35


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Dr. Cap zu Wort. – Bitte.

 


19.35.22

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Irgendwie mag ich diese abendlichen Diskussionen in der dämmrigen Stimmung. (Heiterkeit des Red­ners.) Es herrschen unterschiedliche Formen von Konzentration gegenüber dem, was hier an Diskussionen geleistet wird, und es gibt doch die Möglichkeit, in aller Ruhe auf einzelne Punkte einzugehen. (Zwischenruf bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Hagen.)

Vorausschicken möchte ich einmal, dass die Verfasser dieses Außenpolitischen Be­richtes zu den besten Experten dieses Ressorts gehören und der Bericht wie immer in einer sehr guten Form erarbeitet ist. Man bekommt einen herrlichen Überblick über das Jahr 2014. Und wir haben die Möglichkeit, dass wir heute auch ein bisschen über den Tag hinaus diskutieren können.

In der kurzen Zeit kann ich ja nur einen Punkt ansprechen, und zwar hängt dieser damit zusammen, dass wir nun die Syrien-Konferenz in Wien hatten und auch bei der Iran-Konferenz, wo Russland eine nicht unbedeutende Rolle gespielt hat – nicht nur Russland, selbstverständlich auch die USA –, Wien der Konferenzort war. Gibt es jetzt eigentlich den Versuch einer geopolitischen Umorientierung? Das Ziel ist ja Frieden in Syrien, Frieden im Irak und Eindämmung der Migrationsströme. Das ist ja alles das Ziel, das hängt auch damit zusammen. Gibt es das?

Ich habe mich vor allem in den internationalen Medien ein bisschen schlau gemacht, und ich muss sagen, dass es ein bisschen komisch ist, was sich da abspielt. (Der Redner blättert in Kopien von Zeitungsartikeln.)

Die EU will die Visumspflicht für Georgien und die Ukraine abschaffen, wohl wissend, was das in diesem Spannungsfeld alles bedeutet, wohl wissend, dass dann 120 Millio­nen die Möglichkeit haben, ohne Visum auf drei Monate in den EU-Raum zu ziehen, in einer Situation, in der wir schon große Probleme damit haben, mit den Flüchtlings­strö­men fertig zu werden – Integrationsschritte, die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union, auch seitens der Behörden entsprechende Schritte zu setzen. Mir ist schleier­haft, wieso das eigentlich gerade konkret geplant wird.

In diesem Zusammenhang auch dieses Verhältnis der Europäischen Union zur Ukraine: Wir wissen, dass weder die Russen noch die Ukrainer Engerln in diesem Konflikt sind. Es ist ein bisschen ein Oligarchen-Konflikt – um das Wort noch einmal zu bemühen –, der da im Hintergrund steckt. Es ist schon so, dass man da sehr kritisch reflektieren muss und das in der Neubestimmung des Verhältnisses zu Russland natürlich auch eine Rolle spielen sollte.

In diesem Zusammenhang sagen die Italiener, dass man einmal ein bisschen über diese Sanktionen nachdenken sollte, nicht nur hinsichtlich dessen, was sie eigentlich wirtschaftlich für die EU, für Russland und für uns alle gebracht haben, und inwieweit es Fortschritte bei der Realisierung des Minsker Abkommens gegeben hat.

Das ist sicherlich ein berechtigter Gedankengang. Die Italiener haben gesagt, dass man in diese Richtung gehen soll, auch weil die geopolitische Überlegung im Hinter­grund gestanden ist: Wenn wir aus dem Markt draußen sind, dann kommen die Inder, dann kommen die Chinesen. Russland orientiert sich überhaupt an einem neuen Block mit China, auch energiepolitisch. Es stellt sich die Frage: Ist das alles im Interesse der


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Europäischen Union, wenn man schon darüber nachdenkt, sich in der Russland-Politik neu zu orientieren, und zwar an Dingen, die übergeordnet sind – das Verhältnis von Frankreich und Deutschland, die Gespräche mit Assad, mit Syrien.

Ich weiß nicht, ich glaube, Sie werden ähnlich denken – oder auch nicht, Sie werden das dann vielleicht in einer Stellungnahme auch sagen (Bundesminister Kurz: Ähnlich!) –, aber was bedeutet diese Umorientierung gegenüber Russland – oder ist sie nicht da? –, und dann in diesem Zusammenhang, dass überlegt wird, Montenegro in die NATO aufzunehmen. Was soll das bedeuten?

„Il Giornale“ schreibt, das sei eine Provokation, die NATO provoziere weiter, die Abkehr Russlands von Europa. – Das kann man nicht wollen. Noch einmal, bei aller Kritik: Das sind keine Anhänger des Putin’schen Systems, aber bei aller Kritik müssen wir doch daran interessiert sein, dass es zu dieser Entspannung und zu einer Neubestimmung kommt.

Im aktuellen „Handelsblatt“: „Zeit zum Entfrosten“, sagt die deutsche Wirtschaft, was die Sanktionen betrifft, weil manche meinen, dass es eigentlich nicht den Effekt gebracht hat, den man sich erwartet hatte. Das darf man noch sagen. Der Zeitpunkt, wann man das dann macht, wann man da in der Europäischen Union die Schritte setzt, muss noch zu finden sein.

Aber mich würde interessieren, Herr Außenminister: Welche Überlegungen haben Sie? In welche Richtung soll das gehen? – Ich bin überzeugt, dass Sie auch in diesem Punkt eine Strategie haben. (Beifall bei der SPÖ.)

19.39


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Bösch. – Bitte.

 


19.40.21

Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminis­ter! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Cap, Sie haben – für einen Regierungs­abgeordneten bemerkenswert – Licht in die Dämmerung des Ukraine-Konflikts ge­bracht. Ich bedanke mich dafür.

Meine Damen und Herren! Die Europäische Union nimmt in diesem Bericht des Außenministeriums für 2014 einen breiten Raum ein. Herr Bundesminister! Als dieser Bericht erstellt wurde, konnte noch niemand ahnen, in welcher Situation sich die Europäische Union ein oder zwei Jahre später, nämlich heute, befinden wird.

Herr Bundesminister, Sie selbst haben erklärt, dass die Politik der Europäischen Union einem Schlepperförderungsprogramm gleichkommt. Diese Analyse, die Sie angestellt haben, unterstütze ich, weil sie zutrifft. Wir sollten allerdings darangehen, jetzt die Maßnah­men zu setzen, die diese Schlepperförderungsprogramme der Europäischen Union endlich beenden. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Bundesminister, Sie sind unser Vertreter im Rat der Außenminister. Ich möchte Sie ermuntern, ich möchte Sie auch auffordern, im Rahmen dieses Rates, im Rahmen der Beratungen dort diesbezüglich alles daranzusetzen, und werfen Sie alles in die Waagschale, auch die Beiträge Österreichs, die es an die Europäischen Union bezahlt, auch unsere Beiträge, die wir im Zusammenhang mit der Finanzproblematik Griechen­lands geleistet haben und so weiter: Werfen Sie alle diese Dinge in die Waagschale, weil wir in einer entscheidenden Phase angelangt sind!

Wenn es uns nicht gelingt, im Rahmen der Europäischen Union endlich eine Sicherung der Außengrenzen zu errichten, Herr Bundesminister, dann wird dieses Europa zu-


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grunde gehen. Diese Analyse treffen nicht nur wir Freiheitliche, diese Analyse ist allge­mein anerkannt.

Sie sollten alles daransetzen, Herr Bundesminister, die Schengen-Regelung wieder in Kraft zu setzen, alles daransetzen, auch die Dublin-Vereinbarungen wieder gültig zu machen, alles daransetzen, was die Europäische Union an Kräften zur Verfügung hat, mit Frontex, mit den Battlegroups, auch die Kräfte der Mitgliedsländer, vor allem jene im Mittelmeerraum, aufzubieten und klarzumachen, dass es notwendig ist, dass jetzt die EU-Außengrenze erfolgreich und zielsicher gesichert wird.

Es muss darum gehen, Herr Bundesminister, dass wir verhindern, dass die Menschen mit Schiffen auf das Mittelmeer hinausfahren und dort den Tod finden. Es muss uns gelingen, die Außengrenze der Europäischen Union zu sichern und diese illegale Einwanderung zu stoppen. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Bundesminister, Sie haben auch im Rahmen Ihrer Partei den Begriff des „Asyls auf Zeit“ geprägt. Es ist bemerkenswert, dass eine Regierungspartei eine Idee als neu verkaufen möchte, die eigentlich nur darauf aufmerksam macht, was eigentlich der Status quo sein sollte. Der Status quo ist ein klarer, nämlich dass das Asylrecht ein Recht auf Zeit ist und dass es dabei nach wie vor nicht darum geht, eine Zuwanderung zu organisieren. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie haben im Rahmen Ihres Berichtes auch den Bereich Integration erwähnt; der Bereich Integration nimmt einen breiten Raum in diesem Bericht betreffend das Jahr 2014 ein und er ist auch heute wieder von einer ganz besonderen Bedeutung. Sie haben ja gerade auch in den letzten Tagen ein Phänomen aufgedeckt, nämlich in Bezug auf die islamischen Kindergärten in der Stadt Wien, wo klar zutage gebracht wurde, dass in weiten Bereichen der Bevölkerung, die in den letzten 20, 30 Jahren zugewandert ist, keine Integration stattgefunden hat, dass es sich um Parallel­gesell­schaften handelt, die sich organisiert haben und die sich auch weiterentwickeln. Des­halb müssen Sie als Integrationsminister klare Schritte setzen, Herr Bundesminister, in Bezug auf die derzeit massenhafte illegale Einwanderung.

Sie haben auch im Rahmen der Integrationsmaßnahmen in Bezug auf jene Menschen, die jetzt in unser Land hereingekommen sind, klarzumachen, dass das Recht auf Asyl ein Recht auf Zeit ist. Alle Maßnahmen, die Sie, Herr Bundesminister, im Rahmen der Integration setzen, müssen darauf abzielen, diesen Menschen klarzumachen, dass die meisten von ihnen wieder nach Hause werden zurückkehren müssen. Das muss das Ziel der Integrationsbestrebungen der Bundesregierung in Bezug auf die illegalen Zuwanderer, die wir heute haben, sein. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Bundesminister Kurz, Sie sollten sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene dazu beitragen, dem Recht wieder zum Durchbruch zu verhelfen. Dem Recht zum Durchbruch zu verhelfen, Herr Bundesminister, das ist der Lebenszweck einer Regierung. Eine Regierung, die das nicht mehr tut, braucht dieses Land nicht!

Sie sollten dazu beitragen, dass diese Regierung, die österreichische Bundesregie­rung, wieder Herrin der Lage wird in Bezug auf diese illegalen Einwanderungsströme, denen wir ausgesetzt sind. (Beifall bei der FPÖ.)

19.45


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Windbüchler-Souschill. – Bitte.

 


19.45.42

Abgeordnete Tanja Windbüchler-Souschill (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mein Vorredner von der Freiheitlichen Partei, Herr Abgeordneter Karlsböck, lobte seinen Kollegen aus Wien, Herrn Gudenus, weil ja an-


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scheinend dieser Außenpolitik macht und nicht das Außenministerium oder andere Abgeordnete. – Ich möchte das hier wirklich richtigstellen und zurechtrücken, denn niemand von uns, und das kann nicht österreichische Außenpolitik sein, stellt sich in Moskau hin und sagt, dass es eine Homosexuellenlobby gebe, ja, die auch noch stark kritisiert wird. Also das ist sicherlich nicht österreichische Außenpolitik, und das hat auch hier in diesem Haus nichts verloren! (Beifall bei den Grünen. – Ironische Rufe bei der FPÖ: Jawohl!)

Das Jahr 2014 war geprägt von Krisen und Kriegen, natürlich, ja, und die Auswir­kungen sind bis dato spürbar, mehr denn je. Außenpolitik ist Innenpolitik geworden. Sich aber hierher zu stellen und die Ukraine als einzigen bösen Akteur in der ganzen europäischen Außenpolitik zu sehen, ist genauso ein großer Fehler.

Beginnen wir mit der Ukraine. – Vor ziemlich genau zwei Jahren hat Viktor Januko­witsch den Versuch einer Annäherung an die Europäische Union mit dem Assoziie­rungs­abkommen gestoppt, das er dann offenbar unter dem Druck des russischen Präsidenten Putin zurückgelegt hat. Daraufhin gab es dann Proteste, natürlich dann auch Gewalt oder leider gewaltvolle Ausschreitungen. Es kam zu einer Zeltstadt am Maidan, zur Erhöhung der Polizeipräsenz und zu Verschärfungen bei den Rechten, Demokratie auszuüben. Bei den Protesten auf dem Maidan im Februar 2014 starben mehr als 100 Menschen. Trotz einiger Versuche, tatsächlich ein Friedensabkommen zu abschließen, gab es weitere gewaltvolle Proteste, gerade vonseiten des rechten Sektors.

Diese Destabilisierung ging weiter bis dato, und wir sind nun an einem Punkt angelangt, an dem das Minsker Abkommen nicht umgesetzt ist. Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem Friede und Stabilität in der gesamten Ukraine nicht herrscht und die völkerrechtswidrige Annexion der Krim weiterhin auch hier im Haus vonseiten der FPÖ negiert wird.

Die EU, die OSZE, einzelne Staaten haben tatsächlich versucht, einen Friedens­pro­zess einzuleiten, und deshalb ist es wichtig, Sanktionen weiterzuführen. Solange es keinen Frieden und keine Stabilität gibt, braucht es diese Sanktionen vonseiten der Europäischen Union weiterhin. Ich kann den Außenminister nur dazu aufrufen, sich klar für weitere Sanktionen einzusetzen, solange es noch keine Stabilisierung und noch keinen Frieden in der Ukraine, in der gesamten Ukraine gibt.

Letztes Jahr schon haben wir stark kritisiert, dass das Budget des Außenministeriums für die UNO und UNO-Hilfsorganisationen und auch für die bilaterale Entwicklungs­zusammenarbeit beschämend gering ausgefallen ist. Es braucht einfach mehr Budget statt weniger, und eine Aufstockung der Mittel für das UNHCR, für die UNICEF, für das UN World Food Programme ist notwendig, weil einfach klar ist, dass, wenn die UNO ausgehungert wird, auch die Menschen nicht versorgt werden können, Menschen flüchten, weil sie einfach für sich selbst eine neue Stabilität und einen neuen Frieden suchen müssen. Deshalb ist es wichtig, die UNO sowie die bilaterale Entwicklungs­zusammenarbeit mit genügend finanziellen Mitteln auszustatten.

Deshalb bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Tanja Windbüchler-Souschill, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aufstockung der multilateralen und bilateralen Entwicklungszusammenarbeit ange­sichts der derzeitigen Solidaritätskrise

Der Nationalrat wolle beschließen:


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 240

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, für die bi- und multilaterale Entwick­lungs­zusammenarbeit die Beiträge für das Jahr 2016 auf insgesamt 200 Millionen Euro zu erhöhen. Weiters wird sie aufgefordert, bis Sommer 2016 einen Stufenplan zur Er­reichung des ‚0,7%-Zieles‘ vorzulegen.“

*****

100 Millionen € für die multilaterale, 100 Millionen € für die bilaterale Entwicklungszu­sam­menarbeit, um den Menschen vor Ort tatsächlich Unterstützung zu gewähren, um ihnen ein selbstbestimmtes und ein friedliches Leben zu ermöglichen. Deshalb braucht es mehr Gelder.

Weiters wird ein Antrag eingebracht betreffend „70 Jahre Vereinte Nationen – verstärk­tes Engagement für den Frieden“ vonseiten der UNO. Man könnte sagen, dieser kommt aus der Feder der grünen Abgeordneten, und das stimmt auch, meine sehr verehrten Damen und Herren. Wir sind heute in Verhandlungen getreten, um einen gemeinsamen Antrag zu 70 Jahre UNO, zu menschenrechtsbasierter Politik, zu Friedenspolitik einzubringen. Wir haben uns aber bezüglich der finanziellen Situation nicht einigen können.

Was machen die Regierungsfraktionen ÖVP und SPÖ? – Sie machen copy and paste. Sie haben den Antrag, den wir geschrieben haben, eins zu eins kopiert und als unselbständigen Antrag eingebracht und betrachten das nicht einmal als unverschämt. (Zwischenruf des Abg. Schönegger.)

Nein, nein, das ist tiefste politische Schublade, sehr geehrter Kollege, weil es darum geht, dass wir tatsächlich in Verhandlungen waren und der Antrag der Grünen dann als eigenständiger eingebracht wurde. (Abg. Schönegger: Worum geht es Ihnen eigentlich?)

Die finanzielle Situation der UNO und der UNO-Hilfsorganisationen, und UNICEF schreit schon seit Langem, ist verheerend. Und Österreich trägt nur einen beschä­menden Anteil dazu bei. Dieser muss erhöht werden. Der UNO-Antrag braucht auch eine finanzielle Basis, und das haben Sie herausgestrichen, und das finde ich sehr beschämend. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Kogler: Beschämend!)

19.51


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht daher mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Tanja Windbüchler-Souschill, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aufstockung der multilateralen und bilateralen Entwicklungszusammenarbeit ange­sichts der derzeitigen Solidaritätskrise

eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Außen- und Europapolitischen Bericht 2014 der Bundesregierung (III-220/924 d.B.)

Begründung

Seit vielen Monaten schlagen das Flüchtlingshochkommissariat der Vereinten Nationen und andere VN-Hilfsorganisationen Alarm. Die zugesagten und dringend benötigten


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Hilfsgelder um schutzsuchende Kriegsflüchtlinge mit dem Nötigsten zu versorgen bleiben aus. Laut UNHCR ist die unzureichende Versorgung in den benachbarten Ländern Syriens einer der Gründe, wieso sich derzeit immer mehr Flüchtlinge aus Syrien auf dem Weg nach Europa machen.

Österreich hat die Vertriebenen aus Syrien ebenso wie viele andere reiche Industrie­staaten seit Jahren ignoriert. Das Außenministerium und die zuständigen Verantwort­lichen kürzen seit Jahren die Beiträge für multilaterale Entwicklungs- und Friedens­politik, sie beschränken sich auf die Auszahlung von sehr gering dotierten Kernbei­trä­gen für einzelne Organisationen wie dem UNHCR oder UNICEF und die gesamte Regierung blockiert eine Erhöhung der finanziellen Mittel. Die bilaterale Entwicklungs­zusammenarbeit stagniert auf einer beschämend geringen Höhe ihres Budgets.

Außenminister Kurz schafft es seit Amtsantritt nicht, trotz anders lautender Ver­sprechun­gen und Zusagen, die peinlich geringen Beiträge zu erhöhen, wissend ob der Situation in und um Syrien. Der Krieg geht in sein fünftes Jahr, über vier Millionen Menschen mussten das Land verlassen, mehr als sieben Millionen gelten als intern vertriebene Binnenflüchtlinge, zig Tausende mussten sterben. Ein Ende des verfah­renen Bürgerkrieges, mit unterschiedlichster Unterstützung von außen, ist wegen der Situation dieses mannigfaltigen Stellvertreterkrieges nicht so schnell in Sicht.

Österreich gibt pro Jahr nicht einmal zwei Euro pro Einwohner für Hilfsorganisationen der Vereinten Nationen aus. Im Vergleich zu Deutschland sind das 1,74 Euro pro Einwohner weniger. Belgien gab 2014 um 7,96 Euro pro Kopf mehr aus, Niederlande um 18,47 Euro und Finnland sogar um 29,94 Euro.

Dabei stehen Österreichs Haushalte im EU Durchschnitt, neben Belgien, Finnland, Niederlande und einigen anderen mehr als gut da.

Immer mehr Flüchtlinge, immer weniger Hilfsgelder.

Die Flüchtlingscamps füllten sich in den letzten Jahren. Der Druck steigt, Ursachen werden nicht bekämpft. Für das Jahr 2015 benötigen die Vereinten Nationen und seine Partner 4,5 Milliarden US-Dollar (also rund 4 Milliarden Euro) für den Hilfsplan für Syrien, davon hat die internationale Staatengemeinschaft bis dato lediglich 40% einge­zahlt. Lebensmittel, Obdach, Schule für syrische Flüchtlinge werden minimiert und auf Sparflamme gehalten. Viel zu wenig Geld für viel zu viel Leid! Die Armut in den Flücht­lingscamps ist enorm. Zwangsverheiratungen von Mädchen und Kinderarbeit sind die katastrophalen Folgen der mangelnden Unterstützung durch die internationale Staaten­gemeinschaft. Die Nahrungsmittel- und Wasserknappheit steigt, die Menschen in den Flüchtlingscamps werden damit von der Kriegsflucht zur Flucht vor Hunger und Not getrieben.

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, für die bi- und multilaterale Entwicklungs­zusammenarbeit die Beiträge für das Jahr 2016 auf insgesamt 200 Millionen Euro zu erhöhen. Weiters wird sie aufgefordert, bis Sommer 2016 einen Stufenplan zur Er­reichung des „0,7%-Zieles“ vorzulegen.“

*****

19.51.01

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir, dass ich aus persönlichen Gründen die Sitzung kurz unterbreche.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 242

Die Sitzung ist unterbrochen.

*****

(Die Sitzung wird um 19.51 Uhr unterbrochen und um 19.58 Uhr wieder aufgenom­men.)

*****

 


Präsidentin Doris Bures (den Vorsitz übernehmend): Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und übernehme kurz die Vorsitzführung, bis der Dritte Präsident wieder kommt. (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Lintl. – Bitte.

 


19.58.42

Abgeordnete Dr. Jessi Lintl (ohne Klubzugehörigkeit): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Außen- und Europapolitische Bericht verdeutlicht leider, dass in wesentlichen Punkten gegen öster­reichische Interessen Politik gemacht wird. (Präsident Hofer übernimmt wieder den Vorsitz.)

Ich möchte drei Punkte herausgreifen und wie immer die Sanktionen gegen Russland ansprechen. Im Vorwort des Ministers werden diese Sanktionen als notwendig be­zeich­net. Aber ich würde hier lieber hören, Österreich blockiert die Verlängerung der EU-Sanktionen gegen Russland. Das wäre eine Schlagzeile im Interesse Österreichs gewesen! (Beifall bei Abgeordneten von FPÖ und Team Stronach sowie der Abge­ordneten Schmid und Doppler.)

Diesen Mut hat bereits der italienische Präsident bewiesen, wie das mein Kollege Cap schon ausgeführt hat. Er hinterfragt sehr wohl, welchen Effekt diese Sanktionen haben.

Die traditionell guten wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zwischen Österreich und Russland werden aufs Spiel gesetzt, wenn Österreich weiterhin nur am Gängel­band der EU beziehungsweise der USA hängt und diese Maßnahmen mitträgt. Russland muss unser Partner sein, und den brauchen Österreich und Europa nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen, sondern vor allem im Kampf gegen den IS.

Nun zur Türkei: Der Bericht führt explizit Defizite im Bereich der Menschenrechte, insbesondere der Presse- und Religionsfreiheit in der Türkei an. Dieser Vorwurf verliert jedoch sofort an Bedeutung, wenn es darum geht, dass sich die EU der Türkei ausliefert, und zwar für die Zusage, bei der Bewältigung des Flüchtlingsstroms Unter­stützung zu bekommen. Die Türkei soll die Arbeit, die Europa nicht machen will, nämlich die Außengrenzen zu schützen, den Flüchtlingsstrom zu reduzieren, die Flüchtlinge zu registrieren und die Nichtasylberechtigten zurückzuführen, für viel Geld machen. (Beifall der Abgeordneten Hübner und Doppler.)

Das wird als Ausweg aus dieser feigen Politik der EU, die das Notwendige nicht tut, gefunden. Es wird mit einem Land paktiert, zu dem einem zusätzlich zur Kritik an der Menschenrechtslage und Unterdrückung der Meinungsfreiheit der Kampf gegen die Kurden und die offene Zypernfrage einfallen. Von anderen Gerüchten und Unterstellun­gen möchte ich hier jetzt gar nicht reden.

Darüber hinaus stellt sich die Frage, wer diesen Pakt mit der Türkei überhaupt bezahlt. Die EU, ja sicher, aber dort wieder jene Mitgliedstaaten, die man gemeinhin zu den


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Nettozahlern zählt. Das sind wiederum jene, die schon jetzt die Hauptlast des Flücht­lingsstroms tragen, und dazu gehört natürlich Österreich.

Durch die erpresserische Forderung der Türkei, die EU-Beitrittsverhandlungen wieder aufzunehmen, werden wir dieses Land bald in unserer Gemeinschaft haben.

Warum haben Sie, Herr Außenminister, dieses Abkommen nicht blockiert, wenn Sie dies, wie Sie im Ausschuss schon gesagt haben, auch so kritisch betrachten?

Kritik verdient auch die Integrationspolitik. Im Nationalen Aktionsplan für Integration wurden klar die Vermittlung österreichischer Werte und die deutsche Sprache als Basis für das Zusammenleben angeführt. Dass dies nicht gelungen ist, zeigt sich daran, dass kürzlich im Rahmen eines neuen 50-Punkte-Plans für Integration wieder ein Werte­kata­log vorgestellt werden musste, der Schulungen in Menschenwürde und Gleichbe­handlung von Mann und Frau vorsieht.

Mangelnden Integrationswillen unterstelle ich vielen der in Österreich lebenden Musli­me. Würden sie sonst ihre Kinder in muslimische Kindergärten schicken? – Dort wird nicht in deutscher Sprache unterrichtet. Man schottet sich ab und lehrt die Kinder Werte, die nicht mit unseren verfassungsmäßig gewährleisteten Rechten übereinstim­men.

Diese Kindergärten gibt es seit vielen Jahren. Tausende Kinder haben sie schon besucht, und nicht zuletzt dadurch wird die Bildung einer Parallelgesellschaft gefördert, die wir alle nicht wollen und die gefährlich ist. Diesbezüglich hat die Integrationspolitik massiv versagt. Ihr klares Aufzeigen dieser Problematik und vor allem das heutige Bemühen in Sachen Kindergärten nehme ich aber als ersten Schritt in die richtige Richtung zur Kenntnis. – Danke schön. (Beifall bei Abgeordneten von FPÖ und Team Stronach.)

20.03


Präsident Ing. Norbert Hofer: Meine Damen und Herren, ich bedanke mich noch einmal für Ihr Verständnis.

Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Mag. Vavrik zu Wort. – Bitte.

 


20.03.32

Abgeordneter Mag. Christoph Vavrik (NEOS): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Wenn ich das Vorwort des Außenpolitischen Berichts lese, stellt sich bei mir Ernüchterung ein, Ernüchterung deshalb, weil wir heute vor genau denselben Problemen stehen, die uns schon vor zwei Jahren beschäftigten.

Noch immer ist die Euro-Krise nicht ausgestanden, die Möglichkeit eines griechischen Staatsbankrotts besteht weiterhin. Noch immer stehen sich in der Ukraine Regie­rungstruppen und prorussische Separatisten gegenüber, und noch immer herrscht in Syrien Bürgerkrieg. Trotz Flüchtlingskrise, trotz Terroranschlägen hat Europa keine Antwort auf diese Tragödie gefunden, die sich vor den Türen unseres Hauses abspielt.

Zu diesen ungelösten Problemen wird sich bald ein neues gesellen, und zwar die Möglichkeit des Brexit, also des Austritts Großbritanniens aus der EU. Der britische Premierminister fordert Verhandlungen über eine Neuregelung der Beziehung seines Landes mit Brüssel. Ich begrüße die Aufnahme dieser Verhandlungen, und zwar nicht, weil wir London zusätzliche Sonderregelungen gewähren wollen, sondern weil wir eine langfristige Neuregelung der EU diskutieren müssen.

Die Union leidet weiterhin unter gravierenden Konstruktionsfehlern. Sie soll die Sicher­heit Europas garantieren, hat aber weder die Kompetenzen noch die Ressourcen, um außenpolitische und sicherheitspolitische Akzente zu setzen. Sie sollte unbürokratisch und bürgernahe gemeinsame Spielregeln vorlegen, hat aber anstatt einer klaren


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 244

Verfassung ein juristisches Flickwerk von Sonderregelungen und Ausnahmebestim-mungen. Solange diese Dysfunktionalitäten bestehen, wird die Union die inneren und äußeren Krisen, die auf sie zukommen, nicht meistern können.

Wir sollten daher, glaube ich, diese Gelegenheit beim Schopf ergreifen und die überfällige Diskussion führen, was die Europäische Union eigentlich leisten soll und welche Kompetenzen und Ressourcen sie benötigt. Das ist nicht nur notwendig, um die erwähnten Krisen zu bewältigen, sondern auch, um der steigenden Euro-Skepsis entgegenzutreten. Fazit: Wenn die Union überleben will, muss sie sich reformieren.

Ich möchte kurz auf die konkreten Vorschläge des britischen Premiers eingehen. Cameron betont mehrfach, die Wettbewerbsfähigkeit Europas steigern zu wollen. Ich denke, in diesem Punkt sollten wir ihn vollumfassend unterstützen. Der Abbau von Bürokratie und von unnötigen Regelungen sollte auch Österreich ein Herzensanliegen sein genauso wie der Freihandel, der für unsere Exportwirtschaft so wichtig ist. Die beste Möglichkeit, das Vertrauen in Europa wieder zu stärken, ist, den 25 Millionen Arbeitslosen endlich neue Jobs zu beschaffen.

Wir sollten allerdings den Briten entschieden entgegentreten, wenn es um die Renationalisierung der EU zu einem bloßen Binnenmarkt geht. Zum Beispiel ist die Niederlassungsfreiheit ein unverhandelbarer Grundsatz der Gemeinschaft. Die Nieder­lassungsfreiheit zu beschneiden würde das europäische Projekt an sich in Frage stellen. Auch das Beharren darauf, dass Sicherheit eine rein nationale Angelegenheit ist, kann ich nicht nachvollziehen. Gerade die Anschläge in Paris haben ja bewiesen, dass sich die Mitgliedstaaten stärker koordinieren müssen, um gemeinsamen Bedro­hungen Herr zu werden.

Gleiches gilt für demokratische Mitbestimmung. Wir lehnen die Idee, nationalen Parlamenten ein Veto gegenüber europäischen Gesetzen zu geben, dezidiert ab. Dies würde den europäischen Gesetzgebungsprozess endgültig zum Erliegen bringen. Wir stehen – im Gegenteil – für eine Stärkung des EU-Parlaments.

Ein Brexit würde die Union natürlich nachhaltig schwächen. Großbritannien ist die zweitgrößte Volkswirtschaft Europas, es ist ein Mitglied des Sicherheitsrates und gemeinsam mit Frankreich die einzige wirkliche Militärmacht Europas. Allerdings glau­ben wir, dass eine anhaltende Lähmung der europäischen Institutionen eine noch größere Gefahr in sich birgt als ein Bruch mit London. Eine Galeere, auf der die Hälfte der Mannschaft in die falsche Richtung rudert, kann ja nicht vom Fleck kommen.

Wenn wir es nicht schaffen, mit den Briten klare und allseits verbindliche Regelungen zu treffen, müssen wir eben alternative Wege der Kooperation andenken, vielleicht nach dem Modell der Regelungen, die wir mit Ländern wie der Schweiz oder Norwegen getroffen haben.

Wir warnen eindringlich davor, das von mir bereits angesprochene Flickwerk von Sonderregelungen noch zu erweitern. Sollten die Briten zusätzliche Ausnahmeregelun­gen zu der langen Liste, die sie schon besitzen, bekommen, ist es nur eine Frage der Zeit, bis andere Länder das Gleiche verlangen. Das Ergebnis wären nie enden wollende Verhandlungen und nie enden wollende innere Streitigkeiten Europas. Die europäische Ohnmacht würde bestehen bleiben.

Das gilt es zu verhindern, Herr Bundesminister, und wir glauben, falls notwendig, auch zum Preis eines Austritts Großbritanniens aus der Union. – Danke. (Beifall bei den NEOS.)

20.09


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Hagen. – Bitte.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 245

20.09.40

Abgeordneter Christoph Hagen (STRONACH): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich muss auch mit den Wirtschaftssanktionen gegen Russland begin­nen. – Punkt eins.

Wir vom Team Stronach waren immer gegen diese Sanktionen, weil wir sie als absolut kontraproduktiv für die heimische Wirtschaft befunden haben. Wir müssen doch davon ausgehen, dass Russland für Österreich immer ein Hoffnungsmarkt war, und die Entwicklung hat das ja auch gezeigt. Immer mehr österreichische Betriebe haben in Russland Fuß gefasst, dort gute Geschäfte gemacht und die heimische Wirtschaft damit massiv gestärkt.

Im Speziellen im Bereich der Landwirtschaft haben wir dort sehr gute Geschäfte gemacht. Lassen wir es Revue passieren: Nachdem diese Wirtschaftssanktionen eingeführt wurden – wir waren ganz klar dagegen –, hat man den „Katzenjammer“ – unter Anführungszeichen – speziell der Bauern, ÖVP-Seite, gehört, als diese Exporte zurückgegangen sind und sie wirtschaftliche Probleme bekommen haben. Die öffent­liche Hand, das heißt der Steuerzahler, musste wieder eingreifen, um den Landwirten das Überleben zu sichern. Also meiner Ansicht nach eine total verfehlte Außenpolitik. (Beifall beim Team Stronach.)

Lassen Sie mich zu Punkt zwei kommen, zu den baltischen Staaten. Ich habe es hier vor einigen Wochen beim Budget schon angesprochen: Wir schließen alle drei Bot­schaften in den baltischen Staaten. Man kann sagen, das geschieht aus wirtschaft­lichen Gründen, es ist nicht so rentabel und was weiß ich was alles, aber wenn man ein bisschen tiefer hineingeht, muss man sagen, das sind drei kleine Staaten, die einen unheimlichen Motor entwickeln können, weil sie sich ja aus der damaligen UdSSR losgelöst haben, eigene Staaten geworden sind und ein Wirtschaftswachstum anstre­ben.

Wenn wir jetzt hergehen und dort unsere Verbindungen im diplomatischen Bereich kappen – auf Deutsch gesagt –, dann halte ich das für problematisch, denn genau in diesen kleinen Staaten – und Österreich ist ja auch nicht so groß – hat Österreich eine Chance, Wirtschaftsbeziehungen, Exportschienen aufzubauen. Wenn wir die diplomati­schen Beziehungen, die wir dorthin haben, aufgeben und diese Standorte schließen, dann wird es, das nehme ich an, für unsere Betriebe, die dorthin exportieren möchten, die dort wirtschaftliche Beziehungen aufbauen, umso schwieriger werden, wir werden ihnen damit die Arbeit erschweren. Auch diesbezüglich kann ich sagen: Das ist eine vertane Chance, das finde ich nicht sehr gut.

Der dritte Punkt, der mir aufstößt, Herr Bundesminister: Ich bin froh darüber – das muss ich ganz klar sagen –, dass Frank Stronach damals im „Sommergespräch“ mit dem Vorschlag von Schutzzonen den Weg vorgegeben hat, wie die Europäische Union auf die Flüchtlingsproblematik reagieren sollte. Sie, Herr Bundesminister – und das sehe ich jetzt einmal positiv –, waren einer der Ersten der Regierungsmitglieder, die das aufgenommen haben, der in diese Richtung gegangen ist und das auch gefordert hat. Das war es dann. Mir fehlen die Ergebnisse. Es wird zwar immer wieder von Schutzzonen gesprochen, aber in Wirklichkeit wird nicht sehr viel in diese Richtung gemacht.

Das Gegenteil ist der Fall. Wenn man sieht, dass mit der Türkei – da wir heute den Tag der Menschenrechte haben: ein Land, das Menschenrechte mit Füßen tritt – ein Knebelvertrag abgeschlossen worden ist, dass wir einen Haufen Geld hinschaufeln müssen, nicht wissen, was wir dafür bekommen und ein großes Risiko eingehen, diesen Staat wieder legitimieren und sogar Beitrittsverhandlungen mit der Europäi­schen Union wieder aufnehmen, dann frage ich mich, ob das die richtige Außenpolitik


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 246

Österreichs ist, ob das die gewollte Botschaft der österreichischen Bürgerinnen und Bürger ist, die wir ja vertreten sollen. – Danke. (Beifall beim Team Stronach.)

20.14


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Bundesminister Kurz zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.

 


20.14.29

Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres Sebastian Kurz: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich darf selbst auch ein paar Worte zum Außen- und Europapolitischen Bericht 2014 verlieren.

Gestatten Sie mir, dass ich mit einem Danke an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hauses beginne, nicht nur für die Erarbeitung des Berichtes – das ist das eine –, sondern vor allem für die im Jahr 2014 geleistete Arbeit. Gerade die Arbeit im Außen­ministerium ist in Krisenzeiten oftmals eine sehr herausfordernde. Es ist oft eine starke Belastung für die Familien, den Dienstort alle vier Jahre wechseln zu müssen. Insbe­sondere deshalb ein großes Danke an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. (Allgemeiner Beifall.)

Ich kann Herrn Abgeordnetem Vavrik nur recht geben, da er einleitend gesagt hat, dass der Bericht leider Gottes alles andere als Anlass zur Freude ist. Das Jahr 2014, aber auch das Jahr 2015 sind Jahre, die sehr stark von Krisen geprägt sind, die Ukraine-Krise zu Beginn des Jahres 2014, aber jetzt natürlich als weitere Heraus­forderung die Flüchtlingskrise, die Europa in Atem hält.

Ich darf mich sowohl den Ausführungen des Herrn Abgeordneten Amon als auch denen des Herrn Abgeordneten Cap anschließen, die eigentlich beide zum Ausdruck gebracht haben, dass zwar die Schuldfrage in dem Konflikt klar ist, aber gleichzeitig auch klar ist, dass wir die geographische Situation auf unserem Kontinent nicht ändern werden. Insofern braucht es natürlich auch den Blick nach vorn und den Versuch, alles dazu zu tun, dass sich die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Russland in eine positive Richtung bewegen.

Aus meiner Sicht ist es selbstverständlich, dass wir als Europäische Union uns nicht auseinanderdividieren lassen. Österreich ist Mitglied der Europäischen Union und somit ein Staat, der die gemeinsame Linie auch voll und ganz mitzutragen hat, aber es ist unser gutes Recht, unsere eigenen Standpunkte und Überzeugungen einzubringen und die Linie auch sehr proaktiv mitzugestalten.

Aus meiner Sicht bedeutet das im Ukraine-Konflikt vor allem die Notwendigkeit, Kontakt mit Russland zu halten. Es ist eine sehr herausfordernde Zeit für das Ver­hältnis der Europäischen Union mit Russland, aber es ist natürlich notwendig, auch in solch einer Phase ordentlichen Kontakt zu halten. Gerade die Syrien-Krise hat uns gezeigt, dass es sehr viele Themen gibt, bei denen wir zusammenarbeiten müssen und bei denen wir die Kooperation mit Russland brauchen. (Beifall bei der ÖVP.)

Zum Zweiten ist es aus meiner Sicht notwendig – auch wenn es schwierig ist –, Minsk voll und ganz umzusetzen. Es sind einige Aufgaben auf russischer Seite zu erledigen, es sind Aufgaben auf ukrainischer Seite zu erledigen. Minsk ist das einzige Tool, das wir derzeit zur Verfügung haben. Ich bin froh, dass mit dem österreichischen Bot­schafter Seidig da auch Österreich federführend tätig sein darf, und hoffe sehr darauf, dass es uns im kommenden Jahr gelingt, Fortschritte zu machen, da natürlich auch die Aufhebung der Sanktionen zu Recht an Fortschritte bei Minsk gekoppelt ist.

Der dritte Punkt ist der langfristige Blick in die Zukunft. Ich glaube, da muss unser Ziel klar bleiben, nämlich eine langfristige Annäherung zwischen der Europäischen Union und der Eurasischen Zollunion, um Staaten dazwischen nicht in ein Spannungs­verhält-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 247

nis zu drängen, sondern ihnen die Möglichkeit zu geben, sowohl mit Russland als auch mit der Europäischen Union zu kooperieren. Das ist nicht nur in unserem Interesse, sondern das ist vor allem im Interesse dieser Staaten.

Ich fürchte, sehr geehrte Damen und Herren, dass uns der Ukraine-Konflikt nicht nur im kommenden Jahr, sondern wahrscheinlich auch noch im Jahr 2017 beschäftigen wird, wenn Österreich den OSZE-Vorsitz hat. Ich hoffe sehr darauf, dass es gelingt, dort Fortschritte zu erzielen.

Ich bitte um Verständnis dafür, dass ich mich in Anbetracht der Uhrzeit auf den Ukraine-Konflikt beschränke, aber da es im Jahr 2014 außenpolitisch definitiv das größte Thema war, ist das, glaube ich, legitim. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

20.18


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Berlakovich. – Bitte.

 


20.19.06

Abgeordneter Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Außenminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das außenpolitische Jahr 2014 war die Ouvertüre für das noch schwierigere außenpolitische Jahr 2015. Der Konflikt zwischen der Ukraine und Russland wurde angesprochen, Syrien, Irak, blutige Konflikte, islamistischer Terror. Das Endergebnis ist ein noch nie da gewesener Flücht­lings­strom, der unsere Gesellschaft wie die Politik, insbesondere die Außenpolitik, enorm fordert.

Das gemeinsame Europa steht vor einer wirklich außergewöhnlichen Belastung, und erst langsam, vielen zu langsam, befasst sich die europäische Politik mit den Krisen­gebieten und setzt auch Handlungen. Nach wie vor wird die europäische Außenpolitik oft durch einzelstaatliche Interessen konterkariert oder zumindest erschwert. Umso wichtiger ist es meiner Meinung nach, dass jedes EU-Mitglied eine besondere außen­politische Rolle einnimmt, wohlgemerkt im gesamteuropäischen Interesse.

Unserem Außenminister Sebastian Kurz ist es gelungen, Österreich in seiner außen­politischen Rolle klar zu definieren. Das hat auch international Anerkennung und Beach­tung gefunden, dass sich nämlich Österreich als ein internationaler Begegnungs­ort weltpolitischer Kontrahenten etabliert hat, die in Österreich zu gemeinsamen Standpunkten finden.

Denken Sie an die Atomgespräche mit dem Iran, die nach einem jahrzehntelangen Stillstand in beeindruckender Weise doch einen Durchbruch gebracht haben, oder auch an die Syrien-Friedensgespräche, die ein wirklicher Hoffnungsschimmer in einer fast aussichtslosen Situation sind und vor allem eine Perspektive für die Menschen, die sich auf der Flucht befinden.

Der Schwerpunkt der österreichischen Außenpolitik bleibt weiterhin auch der West­balkan. Österreich unterstützt die Heranführung der Länder des Westbalkans an die Europäische Union, und das ist auch im eigenen Interesse ein wichtiger Beitrag zur Sicherung von Frieden und Stabilität in dieser Region.

So hat Österreich im vergangenen Jahr und auch heuer die Westbalkankonferenz in Wien unter höchster Beteiligung veranstaltet, mit der klaren Perspektive, diese Staaten zu unterstützen – sei es durch Twinning-Projekte oder auch durch konkrete Investitio­nen, wie sie aufgestellt wurden. Das ist wichtig, denn diese Staaten setzen auch auf Österreich, das hat eine lange Tradition.

Vor Kurzem war eine parlamentarische Delegation in Serbien, Kroatien sowie Bosnien und Herzegowina. Wir hatten die Gelegenheit, dort mit hochrangigen Vertretern des


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 248

Parlaments und der Regierung beziehungsweise der Regierungen zu sprechen, und klar ist, dass das Flüchtlingsthema all diese Gespräche dominiert hat.

Andererseits hat sich Serbien enttäuscht gezeigt, dass es bezüglich des EU-Beitritts wenig Fortschritt gibt, keine Verhandlungskapitel eröffnet wurden, und Serbien sieht aber den EU-Beitritt als wichtig an, um innerstaatliche Reformen durchzuführen, die notwendig sind.

Kroatien hat nach der Wahl noch immer keine handlungsfähige Regierung, ist zwar jetzt EU-Mitglied, braucht aber ebenfalls unbedingt Reformen, um wirtschaftlich voran­zukommen.

Bosnien und Herzegowina hofft nach dem Stabilisierungs- und Assoziierungsabkom­men, das ein wichtiger Rahmen ist, zu Beginn des kommenden Jahres einen EU-Beitrittsantrag zu stellen.

Das sind Perspektiven für diese Staaten, sie setzen auf Österreich, und wir dürfen diese Staaten auch angesichts der großen Konflikte nicht vergessen. Denken Sie nur an die Hochwasserkatastrophe, die all diese Staaten betroffen hat, und daran, dass die Dankbarkeit der Menschen und auch der Institutionen gegenüber Österreich, gegen­über den Menschen, die dort geholfen haben, riesengroß ist. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Schieder.)

20.22


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Muttonen. – Bitte.

 


20.22.49

Abgeordnete Mag. Christine Muttonen (SPÖ): Herr Präsident! Herr Außenminister! Meine Damen und Herren! Der Außen- und Europapolitische Bericht 2014 bietet wieder einen kompakten und guten Überblick über die außenpolitischen und europa­politischen Geschehnisse. Dafür möchte ich den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des Außenministeriums danken, denn trotz etlicher Kürzungen in den letzten Jahren wurde in vielen Bereichen wirklich ausgezeichnete Arbeit geleistet.

Ich möchte ein Beispiel nennen, nämlich den Bereich der nuklearen Abrüstung. Da hat Österreich in den letzten Jahren wirklich eine führende Rolle gespielt und dazu beigetragen, gemeinsam mit Hilfe der Zivilgesellschaft den Druck auf die Atommächte zu erhöhen.

Der Bericht geht sehr stark auf die Krisen in der Ostukraine und in Syrien ein. Er schildert, wie wichtig die OSZE in der Ukraine-Krise ist, aber auch, wie sehr die OSZE unter der Spaltung ihrer Mitglieder leidet. Ich kann das aufgrund meiner Erfahrungen in der Parlamentarischen Versammlung der OSZE leider nur bestätigen.

Österreich muss seinen richtigen Kurs fortsetzen, nämlich deeskalierend und im Sinne der engagierten Neutralitätspolitik. Wir brauchen mehr Brücken und weniger Gräben in Europa, wir brauchen mehr Kommunikation und Austausch und weniger Blockbildung.

In diesem Sinne sollten wir uns gut auf den OSZE-Vorsitz im Jahr 2017 vorbereiten. Da werden wir entschieden dafür kämpfen müssen, Blöcke und Konfrontationen zu über­winden und die umfassende Erneuerung der gemeinsamen europäischen und globalen Sicherheitsarchitektur voranzutreiben. Wir von der Parlamentarischen Versammlung der OSZE werden da sicher einen Beitrag dazu leisten. (Präsidentin Bures übernimmt wieder den Vorsitz.)

Ein Wort noch zum anderen großen Konflikt, jenem in Syrien und im Irak: Auch da werden wir als militärisch neutrales Land für Europa eine wichtige, aber nicht sehr leichte Rolle spielen können und müssen. Um Daesh zu besiegen, muss wohl auch


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 249

militärisch eingegriffen werden, aber solche Kampfeinsätze drohen immer, ihre eigene Dynamik und Logik zu entfalten und sich auch zu verselbständigen.

Unsere Aufgabe muss es nun sein, dem entgegenzuwirken. Wir werden darauf achten müssen, dass wir die Balance halten, wir werden darauf achten müssen, dass das wichtige diplomatische, zivile und humanitäre Engagement der EU nicht von militäri­schen Operationen dominiert oder gar verdrängt wird.

Unerlässlich für den Frieden und für mehr Gerechtigkeit weltweit und für eine auf Men­schenrechten basierende Politik, auch bezüglich friedensstiftender und friedens­erhal­tender Maßnahmen, sind die Vereinten Nationen.

Ich bringe daher einen Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Josef Cap, Dr. Reinhold Lopatka, Kolleginnen und Kollegen betreffend „70 Jahre Vereinte Natio­nen – verstärktes Engagement für den Frieden“ ein.

Mit diesem Antrag fordern wir die Regierung auf, die Vereinten Nationen auf allen Ebenen zu stärken, zu unterstützen und ins Zentrum unseres außenpolitischen Han­delns zu stellen. Es wäre wünschenswert, wenn im 70. Jahr des Bestehens der UNO möglichst alle Parteien diesem Antrag zustimmen würden. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.26


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag wurde in den Eckpunkten erläutert, wird zur Verteilung gebracht und steht daher mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Josef Cap, Dr. Reinhold Lopatka, Mag. Christine Muttonen, Dipl.-Kffr. Elisabeth Pfurtscheller, Kollegen und Kolleginnen betreffend 70 Jahre Vereinte Nationen – verstärktes Engagement für den Frieden

eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Außen- und Europapolitischen Bericht 2014 der Bundesregierung (111-220/924 d.B.)

Im 70. Jahr ihres Bestehens sind die Vereinten Nationen relevanter denn je. Gerade jetzt zeigt sich, wie wichtig die Vereinten Nationen sind, um die Welt friedlicher und nachhaltiger zu gestalten. Sie versorgen Millionen syrischer Flüchtlinge im Nahen Osten, vermitteln im Jemen, in Syrien und in Libyen zwischen Kriegsparteien, schützen Zivilistinnen und Zivilisten im Süd-Sudan, und treiben die globalen Klimaverhandlungen voran. Nicht zuletzt haben die Vereinten Nationen Ende September 2015 neue globale Nachhaltigkeits- und Entwicklungsziele verabschiedet, die alle Staaten verpflichten, menschenwürdige Lebensstandards für alle zu realisieren, ohne die Ressourcen unseres Planeten zu übernutzen. Österreich und der EU kommt dabei eine besondere Verantwortung zu.

Für den Frieden und für mehr Gerechtigkeit weltweit, für eine Politik, die auf Men­schenrechten basiert und das Recht des Stärkeren begrenzt, für die Vorbeugung von Konflikten und den Schutz von Menschen in Konfliktregionen vor Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen - dafür brauchen wir starke Vereinte Nationen. Keine andere Institution der Welt besitzt mehr Legitimität. Es sind jedoch Reformen nötig, damit sich Staaten innerhalb der Vereinten Nationen gleichberechtigt dafür einsetzen, Gewalt und kriegerische Auseinandersetzung zu beenden, und Gerechtigkeit, Frieden und Sicherheit zu schaffen. Um eine Veränderung zu bewirken, müssen wir weiter aktiv


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 250

bleiben. Österreich muss sich weiter dafür einsetzen, diesen Reformprozess, der auch eine Reform des Sicherheitsrates umfassen muss, tatkräftig mitanzukurbeln und somit einen Beitrag zur Stärkung der Vereinten Nationen zu leisten.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert,

1) die Vereinten Nationen ins Zentrum österreichischer Außen, Sicherheits- und Ent­wicklungspolitik zu stellen;

2) die neue Nachhaltigkeits- und Entwicklungsagenda unter Einbeziehung aller rele­van­ten politischen Akteure sowie der Zivilgesellschaft in nationale Politik zu über­setzen;

3) die entwicklungspolitische und humanitäre Arbeit der Vereinten Nationen nachhaltig zu unterstützen;

4) den Vereinten Nationen gerade in Krisensituationen politisch größeres Gewicht zu geben und sich dafür zu engagieren, dass die Arbeit im Bereich zivile Krisenprä­ven­tion, Konfliktvermittlung und friedliche Konfliktbeilegung weiter gestärkt wird;

5) die Menschenrechtsarbeit der Vereinten Nationen zu stärken – auch, indem alle relevanten von Österreich ratifizierten VN-Konventionen und Zusatzprotokolle umge­setzt werden;

6) dazu beizutragen, dass der Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen (ECOSOC) als global orientiertes Forum für Wirtschafts- und Sozialfragen politisch aufgewertet wird;

7) das Parlament, die Zivilgesellschaft und die Öffentlichkeit über das österreichische Engagement in den Vereinten Nationen weiterhin zu informieren und an der Erar­beitung und Umsetzung der VN-Politik der Bundesregierung zu beteiligen“.

*****

 


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Durchschlag. – Bitte.

 


20.26.52

Abgeordnete Claudia Durchschlag (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Außenminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieser Bericht zeigt eigentlich sehr deutlich, wie sehr diese Welt vernetzt ist und wie wenig Nationalstaatlichkeit als Schutz heute ausreicht. Das ist schon einige Male angesprochen worden: Die verschiedensten Vorgänge in der Welt haben Auswir­kungen auf das eigene Land. Konflikte in zum Teil entfernten Weltgegenden wirken sich dann über Flüchtlingsströme auch auf Europa und auf Österreich aus, also Außen­politik ist im 21. Jahrhundert immer auch Innenpolitik.

Ich möchte aber sagen, es gibt auch positive Beispiele, wie diese Vernetzung auch funktionieren kann. Kollegin Muttonen hat es schon angesprochen, ein Schwerpunkt der österreichischen Außenpolitik und des Außenministers ist der Einsatz im Bereich der internationalen Abrüstung und des Verbots von Nuklearwaffen. Da ist die öster­reichi­sche Haltung eine sehr klare und eine sehr bestimmte: Ziel muss es sein, eine nuklearwaffenfreie Welt zu haben, Kernwaffen nicht zu verbreiten und Nuklearversuche


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 251

umfassend zu verbieten. Das Gleiche gilt für Chemiewaffen sowie für biologische und Toxinwaffen.

Da ist der Vernetzungsgrad der Länder, die Abkommen und Verträge unterzeichnet haben, mit durchschnittlich 170 bis 190 Staaten durchaus als sehr hoch zu bezeichnen. Das hatte auch Auswirkungen auf den Besuch der Wiener Konferenz zu den humani­tären Auswirkungen von Kernwaffen, einer Konferenz, die Außenminister Sebastian Kurz durch sein Engagement im Bereich des Kampfes gegen Nuklearwaffen im Dezember letzten Jahres nach Wien geholt hat.

Wenn dann knapp 900 Expertinnen und Experten verschiedenster internationaler Organisationen wie beispielsweise von Rotem Kreuz, Rotem Halbmond und verschie­densten NGOs eine solche Konferenz besuchen, bedeutet das nicht nur eine sehr positive internationale Vernetzung, sondern natürlich auch eine Stärkung des Konfe­renzstandortes Wien – eine Stärkung, die mit den Gesprächen zu Syrien und den Atomgesprächen mit dem Iran auch heuer fortgesetzt wurde. Wien ist daher wieder gefragter Konferenzstandort, und das tut nicht nur den im Tourismus Beschäftigten gut.

Ein weiterer positiver Aspekt im Bericht ist der Servicecharakter des Ministeriums – eines Ministeriums, bei dem das antiquierte Bild des Beamten als Ärmelschonertypen schon lange passé ist und bei dem sich die Österreicherinnen und Österreicher, die im Ausland ein Anliegen haben, darauf verlassen können, dass sie bestmöglich unter­stützt werden. Diese Unterstützung wird auch sehr häufig in Anspruch genommen.

Zusammenfassend kann man sagen, es liegt ein sehr guter, informativer Bericht vor, der einen guten Überblick über die vielfältigen Aktivitäten der Außenministers und des Außenministeriums gibt. Herzlichen Dank dafür. (Beifall bei der ÖVP.)

20.29


Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete Mag. Wurm ist als Nächste zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


20.29.41

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundeminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn wir heute den Außen- und Europapolitischen Bericht 2014 diskutieren, dann ist in diesem Bericht breiter Raum unserem Vorsitz im Europarat gewidmet, den Österreich innehatte. Es war ein erfolgreicher Vorsitz, dessen Zeit vom Konflikt in der Ukraine geprägt war. Außenminister Kurz ist mit General­sekretär Thorbjørn Jagland als einer der Ersten nach Kiew gefahren und hat versucht, da zu vermitteln.

Es standen auch andere wichtige Besuche österreichischer Politiker in der Parlamen­tarischen Versammlung an, ich erinnere an den beachteten Besuch von Bundeskanzler Werner Faymann. Bundespräsident Heinz Fischer hat auch die Parlamentarische Versammlung in Straßburg besucht.

Es freut mich besonders, dass am 20. April nächsten Jahres Bundespräsident Fischer, der ja selbst einmal Mitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarats war, noch einmal eine Rede halten wird, bei einem seiner letzten Besuche. Es sind ja einige der Kolleginnen und Kollegen hier Mitglieder in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats, und ich kann eines sagen: Es war eine der am meisten beachteten Reden, die Bundespräsident Fischer in Straßburg gehalten hat.

Sehr geehrte Damen und Herren, während unserer Vorsitzführung im Jahr 2014 wur­den nicht nur wichtige Konventionen ratifiziert, sondern traten auch solche in Kraft. Das war zum Beispiel die Istanbul-Konvention, die garantiert, dass es Standards gegen Gewalt in der Familie, gegen Gewalt an Frauen und gegen häusliche Gewalt gibt. Das


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 252

ist eine wichtige Konvention, Österreich war eine der ersten Unterzeichnerinnen und ganz an vorderster Front mit dabei.

Lassen Sie mich auch noch kurz etwas erwähnen: Das jetzige Vorsitzland ist Bul­garien, ich war vorletzte Woche in Sofia und hatte die Möglichkeit, dort als Mitglied und Leiterin der österreichischen Delegation zur Parlamentarischen Versammlung des Europarats dabei zu sein und mich zu Wort zu melden. Die Debatte hat sich natürlich auch um die Flüchtlinge und Flüchtlingsbewegungen, die aus Syrien kommen, gedreht.

Es waren der Europarat beziehungsweise Mitglieder der Parlamentarischen Versamm­lung des Europarats, die als erste vor Ort in der Türkei waren und darauf hingewiesen haben, dass sich zwei Millionen Menschen dort in den verschiedenen Lagern befinden. Dann erst hat die Europäische Gemeinschaft mehr oder weniger reagiert.

Als es darum ging, auf der anderen Seite Solidarität einzufordern, gab es nicht sehr viel Echo, als ich das in Sofia ausgeführt habe, dass es nämlich nicht sein kann, dass drei Länder, nämlich Österreich, Schweden und Deutschland, die Hauptlast schultern, sondern dass da Solidarität angebracht ist.

Da können wir nur an die europäische Wertegemeinschaft appellieren, denn sonst wird dieses Europa, das Europa der Werte, so nicht länger weiter existieren können. In diesem Sinne brauchen wir diese Solidarität, diese Werte, auf denen Europa und der Europarat fußen. Diese müssen gelebt werden, auch in dieser schwierigen Zeit. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.33


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Krist ist als Nächster zu Wort gemel­det. – Bitte.

 


20.33.54

Abgeordneter Hermann Krist (SPÖ): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Herr Bun­desminister! Die Förderung und der Schutz der Rechte von Kindern sind ein wichtiges Anliegen der österreichischen Außenpolitik, das kann man im Außenpolitischen Be­richt 2014 nachlesen.

Dazu von mir ein paar Anmerkungen, weil wir jetzt wieder in einer Zeit sind, in der viel gekauft und geschenkt wird: Die Rechte von Kindern werden weltweit vielfach durch Armut, bewaffnete Konflikte, Kinderarbeit, Menschenhandel, Gewalt und sexuelle Aus­beutung, aber auch durch unzureichenden Zugang zu Bildung und Gesundheit verletzt.

UNICEF schätzt, dass 2015 230 Millionen Kinder in Kriegs- und Krisengebieten leben, rund die Hälfte der 60 Millionen Flüchtlinge weltweit sind Kinder. Aktuell brauchen mehr als 62 Millionen Kinder Hilfe, um Zugang zu Nahrung, Trinkwasser und medizinischer Versorgung zu bekommen und vor allem um vor Gewalt geschützt zu werden.

168 Millionen Kinder und Jugendliche zwischen fünf und 17 Jahren – das sind rund 11 Prozent – sind nach Schätzungen von UNICEF, Internationaler Arbeiterorganisation und Weltbank Kinderarbeiter, das heißt, sie müssen unter Bedingungen arbeiten, die sie ihrer elementaren Rechte und Chancen berauben.

Die Rechte von Kindern und ihr Schutz vor Gewalt und Ausbeutung müssen auch weiter­hin ein Schwerpunkt bleiben. Ohne international verbindliche Arbeits- und Sozial­standards, ohne Regelung für die globale Lieferkette und ohne verbindliche Standards für die Kennzeichnung von Produkten wird sich an der Situation Tausender Kinder­arbeiter aber auch in Zukunft nichts ändern. Um das zu ändern, muss weiterhin aktiv geworben und gekämpft werden.


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Neben den nationalen Regierungen sind aber auch wir alle in der Pflicht, insbesondere bei der Armutsbekämpfung, genauso wie auch jene Unternehmen, die in Billiglohn­län­dern produzieren lassen.

Wer gestern spät abends noch ferngesehen hat, hat vielleicht den Bericht über nam­hafte europäische Spielzeughändler gesehen, die in China Spielzeug fertigen lassen. Dort schuften oftmals Kinder als Arbeiter unter fürchterlichen Arbeitsbedingungen und zu Hungerlöhnen. Wichtige Player sind nicht zuletzt wir KonsumentInnen, die kritisch hinterfragen sollten, unter welchen Bedingungen die Produkte, die wir kaufen, herge­stellt werden.

Für den Bereich unserer Außenpolitik wünsche ich mir verstärkten Einsatz bei den österreichischen Partnerländern, dort wo es notwendig ist: beispielsweise im Bereich Bewusstseinsbildung bezüglich Einhaltung der UN-Kinderrechtskonvention und deren Zusatzprotokollen. Außerdem gilt es, diese Partnerländer zu unterstützen, die Dis­kriminierung und Verletzung der Rechte von Frauen und Kindern zu verurteilen und die UN-Resolution gegen Kinderehen, Zwangs- und Frühverheiratung zu unter­stützen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

20.36


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Troch. – Bitte.

 


20.36.45

Abgeordneter Dr. Harald Troch (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Meine Damen und Herren! Der Außen- und Europapolitische Bericht 2014 stellt Österreich sehr treffend als Ort des Dialogs dar. Wien ist Amtssitz bedeutender internationaler Organisationen, und im besten Fall sind Österreich und Wien Gastgeber und üben diese aktive Rolle aus, zuletzt sehr erfolgreich bei den Syriengesprächen.

Die Atmosphäre und Sicherheit in Wien, die Professionalität der Konferenzvorbereitung und -durchführung werden geschätzt, und das hat eine Vorgeschichte. Diese ist, dass bereits die Atomgespräche mit dem Iran sehr erfolgreich geführt wurden. Das hat wiederum eine Vorgeschichte, nämlich, dass die Internationale Atomenergie-Organi­sation ihren Sitz in Wien hat, und auch das hat eine Vorgeschichte, die mit dem Namen Bruno Kreisky aufs Engste verbunden ist.

Dieser österreichische aktive Außenpolitiker hat Wien zu einem Amtssitz bedeutender Organisationen gemacht. Das geht natürlich nur, wenn man eine Stadt als sehr offene, internationale Stadt positioniert. Ich meine, dass Bundeskanzler Werner Faymann diese Rolle mit seiner aktiven Europapolitik sehr, sehr gut weiterführt, und ich freue mich auch, dass unser jetziger Außenminister diese Standortpolitik Wiens als Konfe­renz- und Kongressstadt sehr unterstützt.

Ich meine, Österreich hat da einen Vorteil, weil Österreich als neutraler Boden ge­schätzt wird. Jetzt haben wir höchstes Interesse daran, dass die Flüchtlingskrise gelöst wird. Ich denke, dass im Moment die Chancen immer besser stehen, weil auch die USA, Deutschland, Frankreich und England erkannt haben, dass Russland in dieses Boot einer Lösung für Syrien und einer Lösung im Nahen Osten hereinzuholen ist.

Dieser Dialog mit Russland ist sinnvoll, der ist sehr positiv, und Österreich hat diesen Dialog immer geführt. Ich erinnere nur an Bundespräsident Fischer und Wirtschafts­kammerpräsident Leitl, ihre Gespräche und Treffen mit Putin in Wien. Dialog ist immer besser als Krieg – Dialog hat es in Zeiten des Kalten Krieges gegeben, und dieser Dialog mit Russland sollte auch jetzt unbedingt weitergeführt werden.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 254

Ich meine, wenn wir weiter daran arbeiten, ist das auch im besten Sinn eine Weiter­gestaltung einer aktiven, einer modernen, einer zeitgemäßen österreichischen Neutra­litätspolitik. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

20.39

 

20.39.20

 


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Damit gelangen wir nun zur Abstimmung über den Antrag des Außenpolitischen Ausschusses, den vorliegenden Bericht III-220 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Damit gelangen wir nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Hübner, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Aufhebung der Wirtschaftssanktionen gegen die Russische Föderation.

Es ist namentliche Abstimmung verlangt worden.

Da dieses Verlangen von 20 Abgeordneten gestellt wurde, ist die namentliche Abstim­mung durchzuführen. Daher gehe ich auch so vor.

Die Stimmzettel, die zu benützen sind, befinden sich in den Laden der Abgeordneten­pulte und tragen den Namen des Abgeordneten sowie die Bezeichnung „Ja“ – das sind die grauen Stimmzettel – beziehungsweise „Nein“ – das sind die rosafarbenen. Für die Abstimmung können ausschließlich diese amtlichen Stimmzettel verwendet werden.

Gemäß Geschäftsordnung werden die Abgeordneten namentlich aufgerufen und er­sucht, den Stimmzettel in die bereitgestellte Urne zu werfen.

Ich ersuche jene Abgeordneten, die für den Antrag der Abgeordneten Dr. Hübner, Kolleginnen und Kollegen stimmen, „Ja“-Stimmzettel, jene, die dagegen stimmen, „Nein“-Stimmzettel in die Urne zu werfen.

Bitte achten Sie darauf, dass nur ein Stimmzettel eingeworfen wird.

Ich bitte nunmehr die Schriftführerin, Frau Abgeordnete Lueger, mit dem Namensaufruf zu beginnen; Herr Abgeordneter Gahr wird sie später ablösen.

*****

(Über Namensaufruf durch die Schriftführerin Lueger beziehungsweise den Schrift­führer Gahr werfen die Abgeordneten ihren Stimmzettel in die Wahlurne.)

*****

 


Präsidentin Doris Bures: Die Stimmabgabe ist beendet.

Die damit beauftragten Bediensteten des Hauses werden nunmehr unter Aufsicht der Schriftführer die Stimmenzählung vornehmen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 255

Die Sitzung wird zu diesem Zweck für einige Minuten unterbrochen.

*****

(Die zuständigen Bediensteten nehmen die Stimmenzählung vor. – Die Sitzung wird um 20.43 Uhr unterbrochen und um 20.47 Uhr wieder aufgenommen.)

*****

 


Präsidentin Doris Bures: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und gebe das Abstimmungsergebnis bekannt:

Abgegebene Stimmen: 130; davon „Ja“-Stimmen: 34, „Nein“-Stimmen: 96.

Der Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Hübner, Kolleginnen und Kollegen ist somit abgelehnt.

Mit „Ja“ stimmten die Abgeordneten:

Angerer;

Belakowitsch-Jenewein, Bösch, Brückl;

Darmann, Deimek, Dietrich, Doppler;

Hagen, Haider, Hübner;

Jannach;

Karlsböck, Kassegger, Kitzmüller, Kumpitsch;

Lausch, Lintl, Lugar Robert;

Mölzer, Mühlberghuber;

Neubauer Werner;

Rauch Walter, Riemer, Rosenkranz Barbara;

Schellenbacher, Schenk, Schimanek, Schmid Gerhard, Steinbichler, Strache;

Themessl;

Wurm Peter;

Zanger.

Mit „Nein“ stimmten die Abgeordneten:

Amon Werner, Antoni, Aslan, Aubauer, Auer;

Bacher Walter, Becher Ruth, Berlakovich, Brosz, Buchmayr, Bures;

Cap;

Diesner-Wais, Durchschlag;

Ehmann, El Habbassi, Ertlschweiger, Eßl;

Fazekas, Feichtinger Klaus Uwe, Fekter, Fichtinger Angela;

Gahr, Gamon Claudia Angela, Gessl-Ranftl, Greiner Karin, Grillitsch, Groiß, Grossmann, Gusenbauer-Jäger;

Hable, Hakel Elisabeth, Hechtl, Heinzl, Hell, Himmelbauer, Hofinger Manfred, Holzinger-Vogtenhuber, Huainigg;


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 256

Jank, Jarmer, Jarolim;

Karl, Keck, Kirchgatterer, Knes, Königsberger-Ludwig, Korun, Krainer Kai Jan, Krist, Kucharowits, Kucher, Kuntzl;

Lipitsch, Lopatka, Lueger Angela;

Matznetter, Maurer, Musiol, Muttonen;

Ofenauer, Ottenschläger;

Pendl, Pfurtscheller, Plessl, Preiner, Prinz;

Rädler, Rauch Johannes, Rossmann;

Schabhüttl, Schellhorn, Scherak, Schieder, Schittenhelm, Schmid Julian, Schmucken­schlager, Schönegger, Schultes, Schwentner, Sieber Norbert, Singer Johann, Spindelberger, Steinacker, Steinhauser, Strasser;

Tamandl, Troch;

Unterrainer;

Vavrik, Vogl;

Windbüchler-Souschill, Wöginger, Wurm Gisela;

Yilmaz;

Zinggl.

*****

 


Präsidentin Doris Bures: Wir setzen die Abstimmung fort, meine Damen und Herren!

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Windbüchler-Souschill, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aufstockung der multilateralen und bilateralen Entwicklungszusammenarbeit angesichts der derzeitigen Solidaritätskrise.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Dr. Cap, Dr. Lopatka, Kolleginnen und Kollegen betreffend 70 Jahre Vereinte Nationen – verstärktes Engagement für den Frieden.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen. (E 120.)

20.48.3631. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (780 d.B.): Erklärung der Republik Österreich über den Einspruch gegen den Beitritt der Republik Tadschikistan zum Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öf­fentlicher Urkunden von der Beglaubigung (925 d.B.)

 


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir nun zum 31. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Karl. – Bitte.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 257

20.49.07

Abgeordnete Mag. Dr. Beatrix Karl (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Das Haager Beglaubigungsübereinkommen stellt eine wesentliche Erleichterung gegenüber der vollen diplomatischen Beglaubigung dar. Durch die dort vorgesehene Beglaubigungsform der Apostille entfallen nämlich weitere Beglaubigungsschritte. Das heißt, durch die Anbringung der Apostille ist das Form­erfordernis der Beglaubigung im Rechtsverkehr zwischen den Vertragsstaaten erfüllt. Es erfolgt in der Regel auch keine weitere Prüfung der inhaltlichen Richtigkeit.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gerade da liegt aber das Problem. Voraus­setzung für die Erleichterung im Beglaubigungswesen durch das Haager Beglaubi­gungsübereinkommen ist die Urkundensicherheit. Diese ist aber im Falle von Tadschikistan nicht gegeben.

Aufgrund der hohen Korruption und des geringen Einkommensniveaus ist nicht auszu­schließen, dass tadschikische Urkunden mit unrichtigem Inhalt käuflich erworben werden.

Diese stellen insbesondere im Personenstandswesen ein Risiko dar, da seitens der österreichischen Behörden mit der Echtheit der Urkunden auch die inhaltliche Richtig­keit vermutet wird. Mit der Einführung der Apostille entfällt auch die formale Kontroll­möglichkeit durch die örtlich zuständige österreichische Vertretung.

Es muss somit verhindert werden, dass tadschikische Urkunden, die mit einer Apostille versehen sind, ohne weitere Kontrolle der Echtheit und inhaltlichen Richtigkeit in Ver­fahren von österreichischen Behörden als Beweismittel zugelassen werden. Daher plant Österreich wie auch Deutschland und Belgien, gegen den Beitritt der Republik Tadschikistan zum Haager Beglaubigungsübereinkommen Einspruch zu erheben.

Ich begrüße es sehr, dass sich der Außenpolitische Ausschuss einstimmig für diesen Schritt entschieden hat. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

20.51

 

20.51.20

 


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Außenpolitischen Aus­schus­ses, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages in 780 der Beilagen gemäß Artikel 50 Abs. 1 Z 1 Bundes-Verfassungsgesetz die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

20.51.5632. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Antrag 1459/A(E) der Abgeordneten Dr. Josef Cap, Dr. Reinhold Lopatka, Tanja Windbüchler-Souschill, Mag. Christoph Vavrik, Kolleginnen und Kollegen betreffend Österreichs Unter­stützung für eine rasche, zukunftsfähige und friedliche Regelung des Syrien-Konflikts (926 d.B.)

33. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Antrag 1463/A(E) der Abge­ordneten Mag. Aygül Berivan Aslan, Mag. Andreas Schieder, Dr. Reinhold


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 258

Lopatka, Kolleginnen und Kollegen betreffend ausreichende humanitäre Versor­gung und Wiederherstellung der Sicherheit in Shingal und Kobanê (927 d.B.)

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen nun zu den Punkten 32 und 33 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Herr Klubobmann Dr. Lopatka. – Bitte.

 


20.52.58

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Flüchtlingsströme beschäftigen Europa in diesem Jahr mehr als alle anderen Themen. Es herrscht große Übereinstimmung vom Grünen Peter Pilz bis zum Klubobmann der freiheitlichen Fraktion, dass wir alles tun sollen, um diese Flüchtlingsströme einzudämmen.

Die zweitbeste Möglichkeit ist, die EU-Außengrenzen zu sichern. Auch das haben wir bisher nicht geschafft. Das beste und richtige Vorgehen ist – wie es Vizekanzler Reinhold Mitterlehner formuliert hat –, die Ursache dort, wo die Flüchtlinge starten, zu bekämpfen, die Lebenssituation vor Ort so zu ändern, dass es den Menschen, wenn auch unter schwierigen Bedingungen, doch möglich ist, vor Ort bleiben zu können.

Schwierig ist dieser Wiener Prozess, die Region zuerst einmal von der Geisel der IS-Terroristen zu befreien. Das ist die Grundvoraussetzung, um dann politische Verhand­lungen führen zu können.

In dem Antrag, den wir hier diskutieren, gibt es eine Übereinstimmung zwischen meh­reren Fraktionen. Wir müssen einerseits dort, wo es den Kämpfern der Kurden gelun­gen ist, die IS-Kämpfer fernzuhalten, nämlich in Kobanê, und andererseits in Shingal, wo sich das Drama um die Minderheit der Jesiden abgespielt hat, vor Ort etwas tun.

Wer in direktem Kontakt mit kurdischen Vertretern steht, merkt zweierlei – Kollege Schieder, Aslan Berivan, Kollege Darmann, der jetzt nicht hier ist, und ich hatten vor Kurzem die Möglichkeit. (Abg. Darmann: Hier! – Abg. Schimanek: Herr Klubobmann, er war immer da!)

Kollege Darmann ist schon zurück. Ich kann jetzt nicht jeden von der FPÖ begrüßen, der langsam wieder hereinkommt. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Nein, ich habe nicht so viel Redezeit. Außerdem ist es schon spät, und die Kollegen haben gesagt, ich mache mich unbeliebt, wenn ich zu lange rede.

Ich möchte wieder zum Ernst der Sache zurückkommen, denn die Lage vor Ort ist leider sehr ernst. Wir sollen alles tun, um den Menschen zu ermöglichen, vor Ort bleiben zu können. Der Bischof von Erbil hat uns gesagt: Bitte tun Sie alles, dass die Menschen hier bleiben. Sind sie einmal weg, kommen sie nicht mehr zurück.

Die katholische Kirche in Erbil ist so mutig, dass dort jetzt eine katholische Universität eröffnet worden ist, um zu signalisieren: Wir sehen hier vor Ort auch für Christen eine Zukunft. Auch die Jesiden kehren ja wieder zurück. Die Kurden haben es geschafft, als Einzige in vielen Bereichen nicht vertrieben zu werden. Dort, wo sie vertrieben worden sind, sind sie militärisch erfolgreich.

Es gibt auch einige, die moralische Bedenken haben, wenn man sagt: Ja, es geht auch darum, vor Ort militärische Unterstützung zu leisten. Der französische Philosoph und Essayist Pascal Bruckner hat es meines Erachtens auf den Punkt gebracht – ich zitiere –:

„Eine weitere imperative Maßnahme betrifft umfassende Hilfeleistungen an die Kurden in Erbil und im Norden Syriens“ – auch mit der Lieferung von Waffen – „sind sie doch


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 259

die Einzigen bisher, welche zwei entscheidende Siege über den IS errungen haben, in Kobane und in Sinjar.“

Bruckner führt weiters aus: „Eine Dummheit ist es zu meinen, wir müssten für unsere Einmischung in den muslimischen Ländern zahlen. Abgesehen davon, dass diese Eingriffe Muslime gerettet haben – Sarajevo wurde 1995 von der Nato befreit, ein gutes Beispiel –, verbucht der IS gerade in Syrien, also dort, wo wir nicht interveniert haben, seine deutlichsten Erfolge.“

Genau das sollten wir sehen. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir sollten uns nicht scheuen, die entsprechende Unterstützung zu gewähren. Dann muss natürlich auch im humanitären Bereich etwas getan werden, aber ohne militä­rische Intervention wird das nicht gelingen.

Das Zweite ist die Hilfe im humanitären Bereich. Vor allem diese Hilfe ist in dem Antrag angesprochen. Wir wollen auch den Außenminister und unsere Bundesregierung bestär­ken und unterstützen, etwas tun. Daher bin ich froh, dass wir diesen gemein­samen Antrag eingebracht haben. Ich hoffe, es bleibt nicht nur ein Antrag, sondern dass wir tatsächlich auch für die Menschen vor Ort gemeinsam etwas erreichen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Abgeordneten der Grünen.)

20.57


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gemeldet ist Herr Klubobmann Mag. Schieder. – Bitte.

 


20.58.03

Abgeordneter Mag. Andreas Schieder (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Es sind nun bald fünf Jahre, dass in der Region Syrien Bürgerkrieg herrscht. Dieser Krieg zieht eine grausame Spur von über einer Viertelmillion Menschen, die ihr Leben verloren haben. Die Flüchtlingsströme kennen wir zum Teil in Europa. Zum größten Teil kennen wir sie aber nicht, weil sieben, fast acht Millionen Binnenvertriebene irgendwo in der Region Unterschlupf gefunden haben.

Diese Kriegsjahre und der Zerfall Syriens sowie des nie wirklich zustande gekom­menen funktionierenden Staats Irak haben dazu geführt, dass Organisationen wie der fälschlicherweise als „Staat“ bezeichnete „Islamische Staat“ an Terrain gewinnen konnten.

Wir können mit ansehen, wie das, was als Bürgerkrieg in Syrien begonnen hat, wo eine Opposition versucht hat, sich gegen die Diktatur von Assad zu erheben, letztlich durch das Gemisch so vieler Konflikte zu einem Chaos geworden ist und dem Land und der gesamten Region noch Schlimmeres beschert hat. Der IS oder Daesh, wie man auch sagt, konnte dadurch eben an Macht und an Terrain gewinnen.

Nicht nur die Flüchtlingsströme sind die Folge, sondern die Folgen haben wir auch durch mehrere Terroranschläge blutig kennengelernt, sei es in Paris, in Beirut, in Ankara, seien es andere Anschläge, die wir immer wieder beobachten mussten.

Daher ist die Frage: Wie kommt man zu einer Lösung? Hier werden höchstwahr­scheinlich diplomatische Maßnahmen, wie etwa die Wiener Konferenz – bei der Wien zwar nicht Initiator und Veranstalter der Konferenz war, aber immerhin Verhandlungs­ort, und ich glaube, auch wohlgewählter Verhandlungsort –, ein wichtiger Teil sein, aber gleichzeitig muss man sich die Frage stellen, wie man außen- und militärpolitisch vorgeht.

Die Frage, die sich danach stellt und die bisher bei allen militärischen Konflikten in dieser Region vergessen worden ist, lautet: Was macht man nachher? Wo ist die


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 260

Struktur? Wo sind die Strukturen, die eine stabile, zukunftsorientierte Entwicklung des Landes ermöglichen?

Die Österreichische Gesellschaft für Europapolitik hat jüngst in einer Umfrage genau diese Fragen gestellt, nämlich: Sollen die 28 Mitgliedstaaten der Europäischen Union ein Programm für den Wiederaufbau von Syrien nach dem Ende des Bürgerkrieges entwickeln, organisieren und finanzieren? – 58 Prozent der Leute sind dafür; auch deshalb, weil 46 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher die Frage: Wird ein von den Mitgliedstaaten der EU finanziertes Wiederaufbauprogramm dazu führen, dass syrische Flüchtlinge wieder in ihr Heimatland zurückkehren, um am Wiederaufbau Syriens mitzuhelfen?, mit Ja beantworten.

Daher müssen wir uns auch außenpolitisch die Frage stellen: Wer können unsere Partner für Stabilität sein? – Das sind die kurdischen Strukturen, egal ob die türkisch-kurdischen, die syrisch-kurdischen oder die irakisch-kurdischen, mitunter auch die iranisch-kurdischen Strukturen, die sehr unterschiedlich sein können, aber alle eines gemeinsam haben: Sie sind säkulare, moderne, weltoffene Strukturen, wo Gleich­berech­tigung der Frauen, religiöse Toleranz und ein modernes Lebensbild auch mit einem islamischen Hintergrund so vereinbar sind, wie wir uns das für die Entwicklung der Region und für vieles Weitere wünschen.

Daher ist auch mein Appell an die österreichische Außenpolitik, neben diesen Anträ­gen, die wir heute diskutieren, noch stärker und fokussierter genau diesen Strukturen zu helfen, den Freiheitskampf des kurdischen Volkes dort massiv zu unterstützen, wo immer es nötig und möglich ist. Ich glaube, hier können wir auch in der Europäischen Union noch wesentlich mehr tun. Es wird am Schluss nicht zum Nachteil, sondern zum Vorteil Europas und der Stabilität sein. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei Abgeord­neten der Grünen.)

21.02


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Hübner. – Bitte.

 


21.02.52

Abgeordneter Dr. Johannes Hübner (FPÖ): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kollege Schieder, wir werden diese beiden Anträge unterstützen, wir werden ihnen zustimmen, wenngleich wir mit beiden nicht wirklich zufrieden sind, weil sie nichts wirklich Substanzielles, sondern eigentlich nur Allgemeinplätze enthalten und weil sie auch nicht ganz realistisch sind.

Die Unterstützung der Kurden ist eine Sache, die Unterstützung der Gebiete, die sie wieder kontrollieren, ist auch wichtig, denn dort herrscht Not, aber wir müssen auch eines wissen: Die Kurden beherrschen heute plus minus ihre Siedlungsgebiete, das heißt, im Rest des Irak und ebenso im Rest Syriens werden die Kurden nicht die Lösung sein, denn die kurdischen Verbände den Rest Syriens besetzen zu lassen und sie dort die Nusra-Front, die Freie Syrische Armee und die ISIS, oder wie immer sie sich nennt, bekämpfen zu lassen, wird nicht das Thema sein. Das, was wir jetzt tun, ist humanitäre Hilfe leisten und eine Stabilisierung der kurdischen Strukturen, aber es trägt nichts zur Lösung des Syrien-Konflikts bei, das muss uns klar sein.

Weiters muss uns klar sein: Es gibt nach wie vor keine Ansätze einer vernünftigen und gemeinsamen Struktur, geschweige denn einer militärischen Lösung für Syrien, denn im Bürgerkrieg eine Fraktion zu unterstützen oder eine Fraktion zu bekämpfen, wie es jetzt geschieht, ohne die Regierung auch nur als legitim anzuerkennen, wie es in Syrien der Fall ist, das wird auch nicht die Lösung sein. Wenn ich dort eine Bürger­kriegs-Fraktion schwäche oder sogar zerstöre und die anderen aber sich selbst überlasse, dann wird sich nichts ändern.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 261

Letztlich ist die Flüchtlingswelle aus Syrien nicht durch den IS ausgelöst worden, das ist nur das letzte Bisschen an Flüchtlingen gewesen, sondern die meisten sind auf­grund des Bürgerkriegs der anderen Fraktionen gegen die syrische Armee und aufgrund des Bombardements der Städte geflüchtet. Aus dem IS-Gebiet flüchten gar nicht so viele, im Gegenteil, die massive Fluchtbewegung aus dem IS-Gebiet hat erst jetzt eingesetzt, durch die Bombenangriffe vor allem auf Raqqa und die anderen beherrschten Städte. Wir haben hier also ein sehr, sehr komplexes und schwieriges Mosaik.

Es gibt keinerlei Ansätze; die sogenannte Friedenskonferenz in Wien war ein totaler Fehlschlag. Auch wenn sie in Wien war, muss man sagen: Da ist überhaupt nichts herausgekommen außer eine Absichtserklärung, dort Wahlen abzuhalten. Das ist geradezu schon absurd.

Deshalb, bei aller Freude und allem Enthusiasmus beim Beschließen von Resolu­tionen – bei denen wir auch dabei sind –, viel Substanz und viel Fleisch haben die nicht. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

21.05


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Windbüchler-Souschill. – Bitte.

 


21.05.24

Abgeordnete Tanja Windbüchler-Souschill (Grüne): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Formulierung „Hilfe vor Ort“ zu verwenden, ist zwar nett, aber wenn sie nicht mit Leben erfüllt wird, wird sie einfach eine Floskel bleiben.

Hilfe vor Ort bedeutet klare Finanzierung und klare budgetäre Ausgestaltung für die UNO und für die UNO-Hilfsorganisationen wie UNICEF, UNHCR und World Food Programme, und solange diese Finanzierung auch der internationalen Staatengemein­schaft nicht passiert, so lange wird es Leid und Not, gerade in den Flüchtlingscamps, geben. Da kann man noch so oft sagen, Hilfe vor Ort, Hilfe vor Ort, Hilfe vor Ort ist so wichtig – ja, aber wir müssen diesen Wunsch auch tatsächlich mit Leben und mit Geld erfüllen.

Der Antrag vom vorhergehenden Tagesordnungspunkt und der Antrag jetzt zu Syrien sehen beide keine finanzielle Unterstützung vor, und ich bitte eindringlich auch dieses Parlament, endlich einmal den Schritt in die richtige Richtung zu gehen, nämlich zu sagen, es braucht mehr budgetäre Unterstützung, es braucht die Stärkung der UNO und der UNO-Hilfsorganisationen, denn sonst werden die Hilfe vor Ort und die Lebens­umstände vor Ort nicht besser werden für die Menschen, die geflohen sind – nicht nur, Herr Kollege Hübner, vor der Opposition in Syrien, sondern gerade vor den Streu­bomben des Assad-Regimes, das muss auch dazugesagt werden. (Abg. Lugar: Fassbomben, keine Streubomben!) – Fassbomben, Verzeihung, natürlich Fassbomben des Assad-Regimes.

Es ist in Syrien eine Form des Stellvertreterkrieges, der schon ein so komplexes Ausmaß für die ganze Welt angenommen hat, dass es schwierig ist, ihn von einem Tag auf den anderen zu lösen, aber 2012 hat Kofi Annan schon als UNO-Sondergesandter versucht, eine Friedenslösung herbeizuführen. Es gab maßgebliche Kräfte, die das dann verhindert haben. 2012 haben auch schon die UNO und ihre Hilfsorganisationen davor gewarnt, dass, wenn nicht tatsächlich die Flüchtlinge unterstützt werden, es auch zu Fluchtbewegungen kommen wird, zu Fluchtbewegungen vor dem Krieg, vor dem IS, vor Hunger und Not.

Deshalb braucht es auch tatsächlich Bedacht in der Außen- und in der Friedenspolitik, so auch in der Neutralitätspolitik, was vorher auch schon ständig angepriesen wurde.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 262

Neutralitätspolitik bedeutet für Österreich aus meiner Sicht, keiner militärischen Aktion und Operation beizutreten, auch nicht der EU-Mission SOPHIA im Mittelmeer, die jetzt geplant ist, um sogenannte Schlepper zu finden. Das wird keinen Beitrag zur Lösung der Syrien-Krise leisten, und es wird auch keine Friedenslösung bringen. Eine EU-Mission unter militärischer Führung ist für Österreich auf jeden Fall der falsche Weg, das kann ich Ihnen jetzt nur mitgeben. (Beifall bei den Grünen.)

21.08


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Vavrik. – Bitte.

 


21.08.33

Abgeordneter Mag. Christoph Vavrik (NEOS): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im Zusammenhang mit dem Entschließungsantrag zur Regelung des Syrien-Konfliktes möchte ich auch die Rolle der Türkei im Zusammenhang mit den Kurden zur Sprache bringen. Ich glaube, dass es, solange die Kurdenfrage nicht gelöst ist, sprich die Tatsache, dass auf der einen Seite die Kurden einen eigenen Staat anstre­ben und auf der anderen Seite die Türkei das um jeden Preis verhindern möchte, kaum möglich sein wird, in der Region Stabilität zu schaffen.

Hier könnte Österreich, wenn es wirklich einen konkreten Beitrag zur politischen Lösung des Konfliktes leisten möchte, einen Versuch starten, zu vermitteln, und zwar aus zwei Gründen: Zum Ersten hat Österreich doch sehr enge Beziehungen zur Türkei auf allen Ebenen – auch wenn die Beziehungen nicht immer unproblematisch sind – im Gegensatz zu anderen Hauptakteuren, wo Österreich vielleicht weniger Einflussmög­lichkeiten hat, sprich Saudi-Arabien oder andere.

Zum Zweiten, weil noch immer unklar ist, ob die Türkei weiterhin Teil des Problems sein möchte oder sich entschlossen hat, Teil der Lösung zu werden. Vielleicht könnte eine diplomatische Initiative, gepaart mit ein bisschen Überzeugungsarbeit, wo die Interessen der Türkei liegen, oder auch die Interessen der türkischen Staatsbürger in Europa, der Türkei doch helfen, die richtige Entscheidung zu treffen.

Ich darf darauf hinweisen, dass die Rolle der Türkei in der Vergangenheit nicht unprob­lematisch war. Die Türkei hat den IS unterstützt. Die Türkei hat beim Schmuggel des Erdöls und damit bei der Finanzierung des IS geholfen. Die Türkei hat jahrelang der Anti-IS-Allianz die Verwendung des Luftwaffenstützpunktes Incirlik verboten. Vor einigen Tagen hat die Türkei noch Truppen und Panzer nach Mossul geschickt, gegen den Willen der irakischen Regierung, und vom Abschuss des russischen Bombers ganz zu schweigen.

Das alles spiegelt die Tatsache wider, dass für die Türkei die oberste Priorität noch immer die Schwächung der Kurden im Allgemeinen ist, um im Speziellen zu ver­meiden, dass in Nordsyrien eine ähnliche autonome Region Kurdistan entsteht, wie sie schon im Irak existiert.

Dabei kann die Zerschlagung des IS ohne die Kurden sicher nicht gelingen. Eine Lösung der Syrien-Krise, ohne dass der türkisch-kurdische Konflikt ebenfalls entschärft wird, wird wahrscheinlich nicht möglich sein.

Wir glauben, dass die Türkei da eine Bringschuld hat. Herr Bundesminister, ein erster konkreter Schritt könnte die Wiederaufnahme des Friedensprozesses zwischen der Türkei und der PKK sein. Vielleicht kann der Herr Bundeskanzler beim Minigipfel am 17. Dezember diese Erwartung dem türkischen Premier mitteilen – im Sinne der Umsetzung des heutigen Entschließungsantrags. (Zwischenruf des Abg. Lugar.) Das


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wäre vielleicht ein erster kleiner Schritt. – Danke. (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. Aslan.)

21.11


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hagen. – Bitte.

 


21.11.40

Abgeordneter Christoph Hagen (STRONACH): Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Hohes Haus! Den Friedensprozess in Syrien zu fördern ist eine gute Absicht, und dieser werden wir uns natürlich auch nicht verschließen, das ist ganz klar. Jetzt muss man sich aber dann doch das Ganze ein bisschen auf der Zunge zergehen lassen.

Das sind Worte und Absichtserklärungen, die wir jetzt hier verabschieden. Aber wie schaut es dann in Wirklichkeit aus? Und da hat Klubobmann Lopatka vorhin ja ohnehin etwas Richtiges gesagt, indem er den Bischof von Erbil zitiert hat, der ganz klar sagt, er will seine christliche Gemeinde dort weiter aufbauen und er möchte, dass die Menschen dort bleiben.

Damit sind wir beim Thema Schutzzonen, meine Damen und Herren. Ich glaube, um dieses Thema werden wir einfach nicht herumkommen. Wir werden dafür sorgen müs­sen, dass diese Leute in der Region bleiben. Sie wissen, wir vom Team Stronach fordern das seit Langem, dass die Menschen dort vor Ort bleiben, damit sie den Bezug zur Heimat nicht verlieren. (Beifall beim Team Stronach sowie des Abg. Doppler.)

Und ich habe das schon einmal hier vom Rednerpult aus gesagt: Die Jugoslawienkrise war ja auch nichts anderes. Wer hat dort diese „Schutzzonen“ – unter Anführungs­zeichen – garantiert oder diese Menschen in den Schutz aufgenommen? – Das waren wir Österreicher, wir Nachbarn. Und diese Menschen sind dann wieder nach Hause gegangen, als die Region befriedet war, und haben aufgebaut.

Das soll ja der Sinn und Zweck des Ganzen sein, und deswegen sind diese Schutz­zonen unumgänglich. Das ist einmal die erste Aufgabe, damit diese Menschen gar nicht abwandern, sondern heraufkommen. Natürlich muss man für die finanziellen Mittel dort sorgen, da gibt es Möglichkeiten, und da müssen wir uns auch alle einig sein. Aber das ist eine außenpolitische Aufgabe, Herr Außenminister – ich glaube, er tippt schon mit, damit er meine Anregungen dann mitnehmen kann (Ruf bei der FPÖ: Tetris!) –, die Ihnen zukommt.

Da möchte ich vielleicht noch einen weiteren Punkt ansprechen und ein bisschen in den Konflikt hineingehen. Der IS macht mit Ölverkäufen 80 Millionen Dollar Einnahmen im Monat. Meine Damen und Herren, man muss sich auch fragen, wer von diesen Geschäften, von diesen Ölgeschäften profitiert und wer so dahinter ist, dass diese Terroristen, Verbrecher und Abschlächter zu ihrem Geld kommen. Wer nimmt ihnen dieses Öl ab und wer profitiert davon? Diese Frage muss man sich einmal stellen. Ich möchte das einfach einmal so mitgeben.

Auch was die Waffenhändler betrifft, ist die Frage zu stellen: Wie kommen die Waffen dort hinunter? Wir wissen, dass es dafür Kanäle gibt und gewisse Bereiche ganz gewaltig finanziell profitieren, und das alles auf Kosten der Allgemeinheit, nicht nur der Europäischen Union, sondern aller Betroffenen, die durch diesen Konflikt Schaden erleiden.

Meine Damen und Herren, ich möchte deshalb auch ein bisschen auf die Rolle des Herrn Assad und auf die Haltung ihm gegenüber zu sprechen kommen. Jetzt fängt man ohnehin an umzudenken. Ich glaube, das hätte schon viel früher geschehen müssen. Wenn wir alles Revue passieren lassen, dann kann man sagen, er ist ein Diktator gewesen. Aber denken Sie einmal nach, wie viele Menschen – es sind 10 Mil-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 264

lionen Menschen in Syrien gewesen – da friedlich quer über alle Religionen zusam­mengelebt haben, und er hat es im Griff gehabt, dass dort ein friedliches Zusam­menleben funktioniert hat.

Schauen wir die Situation heute an! Heute gibt es in vielen Bereichen eine IS-Diktatur. Bei vielen dieser Massenmörder sind Tötungen an der Tagesordnung. Ist es besser, wie wir es jetzt haben, oder wie sieht die Situation aus?

Also, ich möchte sagen, die Anträge sind gut gemeint. Deswegen werden wir sie auch, wie gesagt, unterstützen. Aber die Außenpolitik ist gefordert, speziell Sie, Herr Außen­minister, denn Schönreden alleine und nette Anträge zu schreiben, das wird zu wenig sein. (Beifall beim Team Stronach.)

21.15


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet: Herr Abgeordneter Dr. Huainigg. – Bitte.

 


21.16.19

Abgeordneter Dr. Franz-Joseph Huainigg (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Minister! Hohes Haus! Fünf Jahre Krieg in Syrien, das heißt fünf Jahre Terror, Angst, Verluste und Perspektivlosigkeit, und viele Menschen sind auf der Flucht vor dem Terror des IS.

Ich habe das Buch „Inside IS“ gelesen. Es ist erschreckend, wie das Leben dort ist. Sklaverei ist wieder eingeführt, Frauen haben keine Rechte. Und erschreckend ist vor allem auch, dass viele Jugendliche aus dem Westen dorthin fahren, die sich anstecken lassen, radikalisieren lassen und dort unten für den IS kämpfen. Dem müssen wir auch mehr Aufmerksamkeit schenken, den Jugendlichen aus Deutschland, Schweden oder auch Österreich, die sich radikalisieren lassen.

Friedensgespräche sind das Gebot der Stunde, und ich danke Minister Kurz, dass er durch seine Vernetzungsarbeit hier in Wien den Boden für Friedensverhandlungen bereitet. Dass es funktioniert, hat sich an den Iran-Gesprächen gezeigt.

Wir müssen aber auch die Situation der Menschen in den Herkunftsländern, in den Entwicklungsländern verbessern helfen, und da hilft die Entwicklungszusammenarbeit. Hier haben wir im Rahmen der IFI-Strategie gerade 24 Millionen in internationale Pro­gramme für Ernährung, Beschäftigung und Bildung aufgeschüttet. Und auch bei der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit wurde diese Woche im Ministerrat das Dreijahresprogramm beschlossen, das im Rahmen einer Gesamtstrategie entwickelt werden konnte. Und da möchte ich mich vor allem bei den Beamten des Außenminis­teriums dafür bedanken, dass wirklich alle Ministerien, alle Stakeholder, alle NGOs und auch das Parlament eingebunden waren.

Gestern wurde auch das Gemeinnützigkeitspaket beschlossen, das es ermöglicht, dass es gemeinnützige Stiftungen gibt. Das ist ein wichtiger Schritt, damit auch der Privatsektor Geld für Kultur, Bildung, aber auch für Entwicklungszusammenarbeit geben kann.

In Deutschland werden im Rahmen der Gemeinnützigkeit 15 Milliarden € durch private Personen investiert; in Österreich sind es derzeit gerade 20 bis 25 Millionen €. Da ist noch einiges zu tun, und da wurden wichtige Schritte gesetzt im Sinne der Menschen­würde – einer Menschenwürde, von der ich mir jetzt, knapp vor Weihnachten, wün­schen würde, dass man sie endlich auch als Staatszielbestimmung in der öster­reichi­schen Verfassung verankert, denn unsere Politik sollte sich nach der Menschen­würde ausrichten. – Danke. (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten der SPÖ sowie der Abg. Aslan.)

21.20



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 265

Präsidentin Doris Bures: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Heinzl zu Wort. – Bitte.

 


21.21.23

Abgeordneter Anton Heinzl (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Österreich ist es im vergangenen Jahr gelungen – das wurde heute schon öfters betont –, sich erfolgreich als Ort für heikle und hochrangig besetzte internationale Gespräche zu positionieren. Sowohl bei den mittlerweile erfolgreich zu Ende gegangenen Atomverhandlungen mit dem Iran als auch bei den Syriengesprächen waren die Außenminister sämtlicher Weltmächte bei uns in Wien zu Gast.

Bei den zwei Syrienkonferenzen im Herbst einigte sich die internationale Gemeinschaft auf einen Fahrplan für eine politische Lösung des Syrienkonfliktes. Dieser Fahrplan sieht vor, möglichst rasch einen Waffenstillstand zwischen dem Assad-Regime und den moderaten Regierungsgegnern auszuhandeln. Bis Mitte 2016 soll unter der Schirmherrschaft der UNO eine Übergangsregierung gebildet werden, und im weiteren Verlauf sollen Neuwahlen stattfinden. Österreich unterstützt diesen Prozess. Wichtig ist es vor allem, dass wir uns, zusammen mit den anderen EU-Ländern, dafür stark­machen, dass keine Geld- oder Waffenlieferungen an den IS oder andere terroristische Mördergruppen mehr erfolgen – dies ist von besonderer Bedeutung!

Hohes Haus! Das übergeordnete Ziel des Friedensprozesses ist klar. Die Lösung muss alle Akteure – natürlich außer der ISIS – mit einschließen, um einen neuen Anfang zu ermöglichen. Ein erster Schritt in diese Richtung ist hoffentlich die Einigungskonferenz der syrischen Opposition, die derzeit in Riad stattfindet. Der dort beschlossene Acht-Punkte-Plan gibt wahrlich Anlass zur Hoffnung. (Abg. Lugar: So ein Blödsinn! Das können Sie ja nicht ernst meinen, was Sie da sagen!)

Der Antrag sieht auch das Engagement Österreichs für ein breit angelegtes nationales und internationales Hilfsprogramm in der Region vor. Erst gestern appellierte der UNO-Flüchtlingskommissar António Guterres wieder an die Staatengemeinschaft, zugesagte Hilfsgelder auch wirklich auszuzahlen (Zwischenruf des Abg. Lugar), denn die UNO ist, wie Sie wissen, derzeit nicht einmal mehr in der Lage, die rund 2,4 Millionen syrischen Flüchtlinge im Libanon oder in Jordanien mit Essen zu versorgen.

Österreich steht an vorderster Front jener europäischen Länder, die sich für eine verbesserte Situation von Flüchtlingen in der Region starkmachen. Die Vereinten Nationen sind dabei wahrlich ein unersetzlicher Partner. Sehr geehrte Damen und Herren! Setzen wir uns dafür ein, dass sie finanziell so ausgestattet sind, dass sie dieser Herausforderung menschenwürdig und zukunftsorientiert auch nachgehen kön­nen. Die finanzielle Ausgestaltung dieser Arbeit muss uns ein Kernanliegen sein – aus unserer humanitären Verpflichtung heraus, aber auch aus ureigenstem Interesse, um die Flüchtlingssituation in Österreich selbst zu entspannen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Pfurtscheller und Aslan.)

21.24


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Aslan. – Bitte.

 


21.25.00

Abgeordnete Mag. Aygül Berivan Aslan (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor den Augen der internationalen Öffent­lichkeit spielte sich letztes Jahr ein unbeschreibliches Drama ab. Die Stadt Shingal wurde von den IS-Truppen letztes Jahr im Sommer angegriffen. Diejenigen, die keine Fahrzeuge hatten, überquerten zu Fuß die Berge, um ihr Leben retten zu können. Tausende von Frauen und Mädchen wurden vom IS entführt, versklavt, vergewaltigt


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 266

und auch verkauft. Die Delegationen haben berichtet, dass die Frauen Selbstmord begangen haben, um eben nicht in die Hände des IS zu fallen.

Ja, es ist für mich ein bisschen ein emotionaler Moment, denn gerade am Tag der Menschenrechte geht es erst einmal darum, sich zu freuen. Als ich letztes Jahr hier am Rednerpult gestanden bin, war ich fast in einer Situation, in der ich wirklich gebettelt habe, dass wir irgendetwas gegen den Völkermord machen sollten, der dort gerade durch den IS stattfindet. Heute, am Tag der Menschenrechte, freut es mich erst recht, dass wir über so einen Antrag abstimmen, dass jetzt Shingal und Kobanê frei sind und dass innerhalb der letzten neun Monate 175 000 Menschen wieder nach Kobanê und Shingal zurückkehren durften. (Allgemeiner Beifall.)

Der Kampf gegen den IS war nicht nur ein Kampf, es war nicht nur ein Widerstand der Kurdinnen und Kurden, sondern es war ein Kampf für Demokratie, Frauenrechte und Menschenrechte. (Beifall bei Grünen, SPÖ, ÖVP und NEOS sowie bei Abgeordneten des Teams Stronach und der Abg. Lintl.)

Der IS führte nicht nur menschenverachtende Kriegsverbrechen aus, sondern befleckte mit seiner blutigen Brutalität die Menschheitsgeschichte. Daher ist es schön, wieder Hoffnung zu haben, schön, wieder den Städten beim Wiederaufbau zu helfen. Es ist schön, dass die Menschen wieder in ihre Heimat zurückgehen dürfen. Ich bin froh, dass wir als österreichisches Parlament heute, am Tag der Menschenrechte, endlich über einen Antrag abstimmen können, durch den wir den Menschen nicht nur ein wertvolles Geschenk zurückgeben, sondern den Menschen auch ein bisschen Hoff­nung zurückgeben. Hoffnung ist das wertvollste Geschenk für Menschen, denen nach Krieg und Grausamkeit wieder ein neues Leben geschenkt wird.

Wir können wahrscheinlich mit diesem Antrag die offenen Wunden dieser Menschen nicht heilen, aber wir geben ihnen die Hoffnung zurück. Als österreichische Abgeord­nete, die sich eben auch als „alpine Kurdin“ bezeichnet: Ich bedanke mich nochmals bei euch allen – dafür, dass ihr die ganze Zeit mit mir zusammen Solidarität gezeigt habt, dass ihr mitgefühlt habt, was unten geschehen ist, und dass ihr jetzt mitstimmt. Das ist für mich das schönste Weihnachtsgeschenk, das ihr mir je gegeben habt. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen, SPÖ, ÖVP, NEOS und Team Stronach sowie der Abg. Lintl.)

21.29


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster gelangt Herr Klubobmann Lugar zu Wort. – Bitte.

 


21.29.31

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Wir haben eine sehr traurige Geschichte gehört von jemandem, der es wissen muss, der auch involviert ist. Ich glaube, dass wir uns deshalb ganz intensiv um eine Lösung bemühen müssen. Aller­dings glaube ich, dass die Lösung, die hier vorgeschlagen wird, zwar vielleicht ein erster Schritt ist, aber sicherlich nicht das, was wir brauchen werden.

Wenn wir uns das Problem einmal genauer ansehen, dann sehen wir – und das sagen auch alle Militärexperten –, dass der IS mit reinen Luftschlägen nicht zu besiegen sein wird. Das heißt: Ganz egal, wie viele Bomben wir dort abwerfen und wie viele Einsätze geflogen werden, der IS wird mit Luftangriffen nicht zu besiegen sein.

Wenn wir den IS besiegen wollen, dann muss es also Bodentruppen geben, und es gibt niemanden, der bereit wäre, in Syrien am Boden für Ordnung zu sorgen! Es gibt niemanden, der die IS-Kämpfer aus ihren Löchern treibt und ihnen das zukommen lässt, was sie verdienen – außer das Assad-Regime. Das heißt, man kann von Assad halten, was man will, aber er ist der Einzige in der Region, der über die Möglichkeiten


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 267

verfügt, um den IS langfristig aus der Region zu vertreiben. (Abg. Schieder: Das stimmt nicht ganz, Sie haben die Peschmerga vergessen!) – Die Peschmerga, okay. Wenn man sich deren Zahl ansieht (Abg. Schieder: 150 000!) und Militärexperten glaubt, dann werden sie bei Weitem nicht ausreichen, um den IS langfristig fernzu­halten, und darum geht es ja: langfristig. Wir haben es ohnehin gehört! Man kann zwar etwas zurückerobern, aber: Wer verhindert in Folge, dass dann die IS-Kämpfer wieder einfallen?

Das heißt, man muss sich mit Assad in irgendeiner Form einigen. Jetzt bin ich auch kein großer Freund von Diktatoren – wobei: Von denen gibt es da unten ohnehin genug! Saudi-Arabien, zum Beispiel, ist ja auch nichts anderes als eine Diktatur, und mit denen machen wir beste Geschäfte, die finden wir auch ganz großartig, und zwar deshalb, weil die USA sie großartig finden. Damit sind wir schon bei Assad.

Assad darf deshalb nicht Teil der Lösung sein, weil die USA ihn nicht haben wollen – und die Hintergründe kennen wir ja alle: Hamas, Israel und das ganze Problemfeld, das sehe ich ja auch. Nur: Was bringt es, wenn man Assad in die Wüste schickt? – Dann hat man einen zweiten Irak. Und wissen Sie, wer dann in dieses Vakuum hinein­stößt? – Der IS.

Der Grund, warum die Russen sich jetzt engagieren, ist ja nur der, dass sie selbst Angst vor dem IS haben. Die Russen wissen, wenn Syrien fällt, wenn Assad fällt, dann findet das nächste Problem auf russischem Boden statt. (Abg. Schönegger: Geh bitte!) Das ist der Grund, warum die Russen sich einmischen. Das sind ja keine Men­schenfreunde, sondern die haben Interessen, so wie alle anderen – so wie die Türken, so wie die USA, so wie Israel, so wie Katar, so wie Saudi-Arabien. Jeder kocht sein eigenes Süppchen in der Region. (Zwischenrufe bei der ÖVP. – Abg. Lopatka: Eh nur 2 Minuten …!)

Deshalb: Wenn wir etwas Sinnvolles machen wollen, dann müssen wir uns endlich von den USA lösen und das tun, was sinnvoll ist, nämlich Assad unterstützen (Abg. Tamandl: … peinlich! – Abg. Lopatka: Peinlich …!), die Russen unterstützen, sodass endlich der IS aus Syrien vertrieben werden kann, aus dem Irak vertrieben werden kann, aus Afghanistan vertrieben werden kann. (Abg. Tamandl: Das ist peinlich nach der Rede der Kollegin …, Herr Lugar!)

Dann, wenn Assad für Frieden gesorgt hat – und er ist der Einzige, der das in der Region kann, weil er Bodentruppen hat! (Abg. Kuntzl: Warum reden Sie …?) –, dann können wir über eine neue Ordnung in Syrien reden, aber nicht vorher. Jeder Versuch, das Problem ohne Assad zu lösen, wird scheitern! (Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ.)

Ich bin kein Hellseher, aber reden wir in ein oder zwei Jahren darüber – dann werden wir genau am gleichen Punkt stehen, wenn wir nicht endlich Assad unterstützen, und deshalb: Tun wir das Richtige! Mit reinen Absichtserklärungen werden wir dort sicher nichts bewegen. (Beifall beim Team Stronach. – Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP. – Ruf bei der ÖVP: Ich muss nicht zu allem was sagen!)

21.33

21.33.30

 


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehmen werde.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 32, über die dem Ausschussbericht 926 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend Öster-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 268

reichs Unterstützung für eine rasche, zukunftsfähige und friedliche Regelung des Syrien-Konflikts.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Zustim­mung. – Das ist einstimmig angenommen. (E 121.)

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 33, über die dem Ausschussbericht 927 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend ausreichende humanitäre Versorgung und Wiederherstellung der Sicherheit in Shingal und Kobanê.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Zustim­mung. – Auch das ist einstimmig angenommen. (E 122.)

21.34.4834. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Antrag 1328/A(E) der Abge­ordneten Mag. Alev Korun, Kolleginnen und Kollegen betreffend Wiedereinfüh­rung des Botschaftsverfahrens zur Beantragung von Asyl (928 d.B.)

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen nunmehr zum 34. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Korun. – Bitte.

 


21.35.25

Abgeordnete Mag. Alev Korun (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bun­desminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen, die uns noch zusehen! Am 7. Dezember hat es einen spannen­den Vorschlag und Vorstoß von einem österreichischen Regierungsmitglied in Brüssel gegeben. Darüber haben österreichische Medien am nächsten Tag, am 8. Dezember – das war erst am Dienstag, also vor zwei Tagen –, berichtet.

Im „Standard“ steht: „Justizminister Wolfgang Brandstetter (…) fordert angesichts der Dysfunktion des sogenannten Dublin-Systems ein gemeinsames EU-Asylrecht. (…) Demnach will Brandstetter ,einheitliche Regeln der Antragstellung bei EU-Vertretungs­behörden im Ausland‘ oder bei Flüchtlings-Hotspots. Bei positiver Erledigung soll ein Antragsteller ein Einreisevisum bekommen. Nur so könne erreicht werden, dass Asyl­werber nicht auf Schlepper angewiesen sind.“ – „Der Standard“ vom 8. Dezember, von vor zwei Tagen.

Interessant war auch, dass wir ganze sieben Tage davor, konkret am 1. Dezember, eine Innenausschusssitzung hatten mit dem entsprechenden Antrag von mir. Der Forderungstext lautet:

 „Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres, wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Gesetzesvorlage zuzuleiten, die die Wiedereinführung des Botschaftsverfahrens zur Beantragung eines Visums zum Zwecke der Führung eines Asylverfahrens im Inland vorsieht, um damit eine legale Einreise von Asylsuchenden zu ermöglichen.

Weiters wird der Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres dazu aufgefor­dert, sich auf allen Ebenen der Europäischen Union dafür einzusetzen, dass in Vertre­tungen von EU-Mitgliedstaaten ebenfalls ein solches Botschaftsverfahren für Asyl­suchende eingeführt wird.“

Klingt recht ähnlich, würde ich sagen. Vielleicht haben die Regierungsfraktionen nicht gewusst, was der Herr Justizminister aus der SPÖ-ÖVP-Bundesregierung am 7. De-


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zem­ber in Brüssel vorschlagen wird, nämlich die Wiedereinführung von Asylverfahren in EU-Botschaften im Ausland und die Einreise von Menschen mit einem Visum, also ganz legal, um die bezahlte Schlepperei zurückzudrängen. Der Herr Justizminister spricht in diesem Zusammenhang von einem Vorstoß für ein gemeinsames EU-Asylrecht.

Ganze sechs Tage davor waren im Innenausschuss SPÖ und ÖVP der Meinung, dass das unnötig sei, dass man das nicht brauche, dass das nichts bringe, und haben den Antrag deshalb abgelehnt.

Weiters habe ich heute in der Fragestunde den Herrn Bundeskanzler gefragt, wie er zu diesem Vorstoß des Justizministers steht. Interessanterweise hat er gesagt, er stehe zu 100 Prozent hinter diesem Vorschlag, es würde sehr viel Sinn machen, ein EU-Asylsystem zu haben, es würde auch sehr viel Sinn machen, Botschaftsverfahren zu haben, die wären ja Teil dieses Asylsystems – auch laut Justizminister.

Das bringt mich zu der Frage, wie jetzt die Regierungsfraktionen abstimmen werden. Werden Sie gegen den Vorschlag des Justizministers stimmen, den er als österreichi­schen Vorstoß in Brüssel vorgelegt hat, oder können Sie sich vorstellen, den eigenen Justizminister zu unterstützen? Vor dieser Frage stehen wir.

Übrigens war ich auch sehr überrascht, dass die NEOS den Antrag ebenfalls abgelehnt haben. (Zwischenruf des Abg. Vavrik.) Von Ihnen habe ich bis jetzt Aussagen gekannt, dass die Wiedereinführung von Botschaftsverfahren und legale Fluchtwege notwendig sind, um Schlepperei zu verdrängen. Insofern ist es für mich nicht ganz nachvollzieh­bar, warum der Antrag abgelehnt wird.

Um es kurz zusammenzufassen: Ausgerechnet und gerade nach dem Vorstoß des Herrn Justizministers, der auch vom Bundeskanzler unterstützt wird, erhoffe ich mir die Annahme dieses sinnvollen Antrags. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

21.39


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet: Frau Abgeordnete Dipl.-Kffr. Pfurtscheller. – Bitte.

 


21.40.01

Abgeordnete Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer und Zuschauerinnen! Frau Korun, ich kann Ihre Frage, zumindest was die ÖVP betrifft, gleich beantworten. Sie haben Herrn Minister Brandstetter richtig zitiert, Sie haben aber Äpfel mit Birnen verwechselt. Ihr Antrag lautet auf Wiedereinführung des Bot­schaftsverfahrens, und das bedeutet, eine Botschaft eines Nationalstaates, also zum Beispiel die österreichische Botschaft, soll im Ausland wieder Asylverfahren anneh­men. Der Herr Minister hat aber EU-Vertretungen gemeint. (Abg. Korun: Bin ich da falsch informiert?) Er hat gesagt, es soll bei EU-Vertretungen Asyl beantragt werden können, also bei Vertretungen der ganzen EU, nicht eines Nationalstaates, und das ist schon ein Unterschied.

Das heißt, würde Österreich das jetzt allein machen, dann würde das bedeuten, dass Österreich das auch allein abzuwickeln hätte, und das würde uns total überfordern. Wenn wir das aber innerhalb der EU machen können, aufeinander abgestimmt, dann ist das ja ganz etwas anderes, wenn 28 Staaten dafür sind. Dagegen haben wir alle nichts. Also es ist einfach ein Unterschied, ob das ein Einzelstaat wie Österreich macht oder ob es die EU miteinander macht. Darin liegt die Diskrepanz. (Abg. Korun: Ich habe es extra vorgelesen!) Ja, aber Sie haben auch EU-Vertretung vorgelesen, und EU-Vertretung ist eine Vertretung der EU und nicht eines einzelnen Staates. Das ist


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der Unterschied. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Dass ihr von der FPÖ nicht dafür seid, das ist eh klar, darüber brauchen wir nicht zu diskutieren.

Ich wollte eigentlich sagen – ich habe leider nur eine ganz kurze Redezeit –, dass es auch mir persönlich sehr wichtig wäre, dass Asylwerber eine Möglichkeit bekommen, legal um Asyl anzusuchen, dass Österreich allein das aber nicht stemmen kann. Stellen Sie sich jetzt einfach einmal bildlich vor, Österreich würde als einziges Land die Botschaft zum Beispiel in Beirut oder in Kairo aufmachen! Dann wären wir ja völlig überfordert, es würden Tausende Leute vor unserer Botschaft stehen. Das können wir einfach nicht handlen.

Meine Redezeit ist leider schon wieder um. Ich glaube, es wird noch Diskussionen mit dem Herrn Justizminister darüber geben. Insgesamt wäre Ihr Antrag in die richtige Richtung gegangen, aber wir sind überzeugt davon, dass das nur die EU als Ganzes lösen kann und nicht Österreich allein. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

21.42


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Cap. – Bitte.

 


21.42.38

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Ich möchte nur anregen, wir sollten einfach mehr Zeit darauf verwenden, dass es keine Asylgründe gibt, dass es keine Gründe gibt, dass es zu diesen Wanderungsströmen kommt. Das ist nicht gottgegeben und das ist nicht naturgegeben, sondern das hat ganz klare ökonomische oder klimatologische oder kriegerische oder Konflikthintergründe, und wir diskutieren immer nur darüber, wie wir mit den Symptomen umgehen können, und nicht darüber, wie man das an der Wurzel beseitigen kann. Das wollte ich am Anfang einmal sagen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Erster Punkt: Was ich nicht verstehe, ist, dass, wenn von 160 000, die in der Quote verteilt werden sollen, insgesamt 160 aufgeteilt wurden, auch nur irgendjemand glaubt, dass es eine Konsenschance gibt, dass sich alle 28 EU-Mitgliedsländer auf ein gemein­sames Asylrecht verständigen und dann auch noch die EU-Vertretungen zur Verfügung stellen, wo man die Anträge stellt. Mir ist das ein Rätsel, wie man das in der jetzigen politischen Situation in der Europäischen Union für eine realistische Per­spektive erachten kann. Wir können hier über viele Dinge diskutieren, aber realistisch sollten wir trotzdem bleiben, sonst führen wir hier Diskussionen, die keinen Sinn haben. – Aber das als erster Punkt.

Der zweite Punkt ist: Wir werden diesen Antrag nicht unterstützen, und zwar des­wegen – das haben wir schon im Ausschuss diskutiert –, weil wir jetzt an Hotspots-Einrichtungen arbeiten und auf diese Art versuchen wollen, dass die Anträge, wenn es dazu kommt, dort erledigt werden. Das Botschaftsverfahren wurde deswegen abge­schafft, weil es auch den Antragstellern nichts gebracht hat, und weil es nichts gebracht hat, haben auch wir daran mitgewirkt, dass das abgeschafft wurde. Und dabei soll es bleiben. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Korun.)

21.44


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Hübner. – Bitte. (Abg. Lugar: Aber jetzt! – Abg. Hübner – auf dem Weg zum Red­nerpult –: Kommt die große Zustimmung, ja!)

 


21.44.43

Abgeordneter Dr. Johannes Hübner (FPÖ): Ich kann ja dem Kollegen Cap und seinen letzten Sätzen zustimmen, das ist alles ganz klar, das muss abgelehnt werden,


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 271

aber das muss man, glaube ich, ein bisschen anders begründen – Entschuldigung, wenn ich da jetzt in die Begründung eingreife.

Erstens zur Idee, man muss schauen, dass die Asylgründe wegfallen, dann gibt es keine Einwanderung: Das ist ja wohl nur im Traumland so. Die Einwanderung, die sich jetzt abspielt, hat ja nichts mit Asylgründen zu tun, das ist ja zu 99,9 Prozent eine Wirt­schaftseinwanderung. (Beifall bei FPÖ und Team Stronach. – Ruf bei der ÖVP: Das ist ja nicht wahr!)

Zu 99,9 Prozent kommen nicht die politisch Verfolgten und die politischen Gegner aus Eritrea oder aus Syrien oder aus dem Irak, sondern kommen Leute, die in Lagern in der Türkei leben, dort zwar nicht politisch verfolgt sind, aber aus berechtigten und verständlichen Gründen in diesen Lagern nicht so gerne leben wie in Österreich, Deutschland oder Schweden. Das heißt, der Wegfall der Asylgründe, der Wegfall der politischen Verfolgung und der Verfolgung aus rassischen, religiösen und so weiter Gründen ändert hier gar nichts. Das muss man einmal klar sagen, so ist es.

Die zweite Frage, die wir uns stellen müssen – und da kommen wir dann in den Dialog mit den Grünen –, ist: Wollen wir die schrankenlose Einwanderung nach Europa durch jeden, der – subjektiv durchaus verständlich und berechtigt – nach Europa kommen will? Wenn wir das wollen, dann müssen wir die Anträge Korun & Co natürlich unter­stützen. Das ist das Beste. Wenn man in der Botschaft – in der österreichischen oder EU-Botschaft – ein Visum bekommt, weil man einfach sagt, man möchte in Schweden oder Österreich Asyl beantragen, dann ist das in Ordnung, dann ist die Einwanderung wirklich frei. Es gibt ja Schätzungen, dass etwa 70 Prozent der Bevölkerung weltweit in Ländern leben, die potenziell Asylgründe bieten, weil die Zustände dort so sind, dass man Asyl bekommen könnte. Das sind immerhin lockere – sagen wir einmal vorsichtig – vier, viereinhalb Milliarden.

Die Frage ist: Wollen wir das, dass jeder von diesen viereinhalb Milliarden, der einen Asylgrund hat, zur Botschaft gehen kann, nur „Asyl!“ schreien muss, um dann mit einem Visum nach Österreich geschickt zu werden, wo dann das Asylverfahren abge­führt wird? Das Asylverfahren wird positiv oder negativ erledigt – eine Ausreise gibt es nicht, weil es keine Ausschaffungs- oder Ausweisungs- oder Zurückschaffungs­kultur gibt. Es sind ja nur Dutzende oder allenfalls ein paar Hunderte, die in Österreich im Jahr ausgewiesen werden. (Abg. Pfurtscheller: Das stimmt auch nicht!) – Das stimmt. Die wenigen, die ausgewiesen werden oder zurückfahren, Frau Kollegin aus Tirol, die fahren nach Albanien oder in den Kosovo zurück, aber außereuropäisch gibt es so gut wie keine Abschiebung. Lesen Sie die Anfragebeantwortungen der Frau Innenminis­terin! (Beifall bei FPÖ und Team Stronach sowie der Abg. Lintl.)

Die einzige Frage, Kollegin Korun, die bei Ihrem Antrag natürlich offen bleibt, ist: Was passiert mit dem finanziell nicht solventen potenziellen Asylwerber? Er kommt in die österreichische Botschaft, bekommt das Visum, weil er sagt, er muss in Österreich um Asyl ansuchen, hat aber nicht das Geld für das Flugticket. Das ist natürlich eine Diskriminierung gegenüber dem solventen Asylwerber. Da muss noch eingeführt werden, dass die österreichische Botschaft natürlich auch die Tickets zahlt, dass man nach Österreich fliegen kann und hier ein Asylverfahren bekommt. Anderenfalls behandeln wir natürlich in unakzeptabler und menschenrechtswidriger Weise ungleich, denn dann hängt es ja davon ab, ob jemand Geld hat, ob er in Österreich sein Asylverfahren verwirklichen kann oder nicht.

Das fehlt mir, Frau Kollegin, sonst hätten Sie einen in der grünen Politik perfekten Antrag, um sicherzustellen, dass Österreich Millionen von Einwanderern bekommt, dass die sozialen Standards in Österreich ins Bodenlose sinken und dass Arbeitsplätze in Konkurrenz mit Millionen von Leuten aus der Dritten Welt erstritten werden müssen.


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Wenn wir das wollen, dann kann ich nur sagen: eine Stimme bitte für die Grünen und für den Antrag der Kollegin! – Danke. (Beifall bei FPÖ und Team Stronach.)

21.48


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Vavrik. – Bitte.

 


21.48.55

Abgeordneter Mag. Christoph Vavrik (NEOS): Ganz kurz, ich habe nur 1 Minute.

Zum Ersten, Frau Kollegin Korun: Wir haben diesen Antrag im Außenpolitischen Aus­schuss leider nicht wirklich behandeln können. Warum? – Die Zeit war knapp. Sie und Kollege Pilz haben 40 Minuten der zwei Stunden, die wir hatten, mit Belehrungen und Moralpredigten vertrödelt, deshalb konnten wir den Antrag nicht ordentlich behandeln.

Zum Zweiten: Wir haben einen ganz ähnlichen Antrag gestellt, der sich von Ihrem insofern unterscheidet, als wir das für alle EU-Länder und EU-Vertretungen vorsehen. Und das ist durchführbar. Ihr Antrag – Kollegin Pfurtscheller hat es schon erklärt – ist einfach undurchführbar, unrealistisch. Es hat keinen Sinn, ein Botschaftsverfahren zu machen, das dazu führt, dass sich dann in den Botschaften Rabat, Tunis und Algier Zehntausende Menschen anstellen, dass die Flüchtlinge nicht nur unsere Grenzen überrennen, sondern auch die Botschaften.

Also wenn es ein Botschaftsverfahren gibt, und dafür stehen wir im Übrigen, dann müssen das alle EU-Länder gleichzeitig machen, ein Alleingang eines Landes hat hier keinen Sinn; ebenso wenig wie bei anderen Lösungsansätzen, sei es die Hilfe in den Flüchtlingslagern oder der Grenzschutz oder die Aufteilung der Flüchtlinge. Allein­gänge haben keinen Sinn, deswegen stimmen wir gegen den Antrag. Sorry! (Beifall bei den NEOS.)

21.50


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hagen. – Bitte.

 


21.50.16

Abgeordneter Christoph Hagen (STRONACH): Frau Präsidentin! Herr Bundes­minis­ter! Hohes Haus! Fragen wir uns einmal: Was steht in der Menschenrechtskonvention? Dass sich jeder sein Asylland selbst aussuchen kann? – Nein!

Wo sollte ein vermeintlich verfolgter Asylwerber um Asyl ansuchen? – Im nächst­gelegenen sicheren Land! Auch dem widerspricht dieser Antrag.

Wenn man diesen Antrag genauer anschaut, so sieht man, er ist eigentlich eine Ein­ladung für zig Millionen Wirtschaftsflüchtlinge in das reiche Österreich. Das, meine Damen und Herren, ist klar abzulehnen! Punkt, fertig. (Beifall bei Team Stronach und FPÖ.)

21.51

 

21.51.08

 


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Damit gelangen wir nun zur Abstimmung über den Antrag des Außenpolitischen Ausschusses, seinen Bericht 928 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 273

21.51.4235. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Rainer Hable, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert wird (1415/A)

 


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir zum 35. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Hable. – Bitte.

 


21.52.12

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Man stelle sich vor, ein Parlament setzt einen Untersuchungsausschuss ein – immerhin das wich­tigste Instrument parlamentarischer Kontrolle –, einen Untersuchungsausschuss zu einem Bankenskandal, und dann bekommt dieser Untersuchungsausschuss von der Skandalbank keine Akten! Das ist nicht Theorie, sondern das ist Praxis, das ist Realität. Das Parlament sind wir, das ist dieses Hohe Haus, die Skandalbank ist die Hypo Alpe-Adria. Es ist Praxis, dass dieser Hypo-Untersuchungsausschuss ein Untersuchungsausschuss ohne Hypo-Akten ist. Ein Hypo-Ausschuss ohne Hypo-Akten –das versteht niemand, das versteht keine Bürgerin, das versteht kein Bürger!

Man muss allerdings schon dazusagen, ein paar Akten bekommen wir von der Hypo Alpe-Adria, freiwillig, also nicht verpflichtend, sondern freiwillig, die tröpfeln dann ein bisschen, wobei weniger freiwillig, sondern mehr aufgrund des öffentlichen Drucks, und zwar bekommt man so etwas (ein paar Seiten einer geschwärzten Akte in die Höhe haltend). – Das sind die Akten, die wir auf freiwilliger Basis von der Hypo Alpe-Adria bekommen. Die sind von hinten bis vorne geschwärzt! Black is back, die Akten­schwärzerei beginnt von vorne, diesmal von der Hypo.

Das ist ein Schlag ins Gesicht dieses Parlaments, das ist eine Frotzelei für die Steuer­zahlerinnen und Steuerzahler, deren Milliarden allein es zu verdanken ist, dass diese Hypo, jetzt HETA, überhaupt noch existiert. Damit muss Schluss sein! Es muss Schluss damit sein, dass es Untersuchungsausschüsse gibt, die zum wesentlichen Kern des Untersuchungsgegenstandes keine Akten bekommen. Das betrifft nicht nur die Hypo Alpe-Adria, das betrifft nicht nur den Hypo-Untersuchungsausschuss, sondern das betrifft alle Untersuchungsausschüsse, die wir hier im Hohen Haus abwickeln wollen.

Damit mit dieser unsäglichen Praxis endlich Schluss ist, gibt es einen Antrag von NEOS auf Änderung der Geschäftsordnung dieses Hohen Hauses mit dem einfachen Ansinnen, dass Staatsunternehmen, dass alle Unternehmen, die so weit unter staat­lichem Einfluss oder in dessen Besitz stehen, dass sie vom Rechnungshof geprüft werden, natürlich auch vor Untersuchungsausschüssen vorlagepflichtig sind. Wenn der Rechnungshof prüfen kann – das Hilfsorgan dieses Parlamentes –, dann muss doch auch klar sein, dass dem Parlament selbst bei Untersuchungsausschüssen eben­falls Unterlagen dieser Staatsunternehmen vorgelegt werden müssen.

Also das ist aus meiner Sicht eigentlich ein Antrag, gegen den man nicht sein kann (Abg. Kogler: Richtig!), das würden die Bürger und Bürgerinnen nicht verstehen. Hypo-Ausschüsse ohne Hypo-Akten brauchen wir nicht, ich bitte daher um Ihre breite Unterstützung. – Danke schön. (Beifall bei NEOS und Grünen.)

21.55


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Krainer. – Bitte.

 


 


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 274

21.55.39

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt eine neue Verfahrensordnung, neue Regeln für Untersuchungs­ausschüsse, der erste Untersuchungsausschuss nach diesen neuen Regeln hat die Hälfte oder vielleicht auch schon drei Viertel des Weges beschritten, und es gibt eine Reihe von Ideen, wie man diese neue Verfahrensordnung verbessern kann. Kollege Hable hat gerade eine vorgestellt; andere waren zum Beispiel dahin gehend, dass man am Beginn zwei bis drei Monate nach Einsetzung noch gar keine Sitzungen abhält, damit die Aktenlieferung erfolgen kann, damit man Zeit hat, sich einzulesen, bevor die ersten Auskunftspersonen geladen werden, und dann erst diese Zwölfmonatsfrist zu laufen beginnen soll. In Anbetracht der vorgeschrittenen Zeit bringe ich jetzt nur dieses eine Beispiel; es gibt eine Reihe von Beispielen.

Ich halte es für vernünftig, dass wir uns nach einem kompletten Durchlauf eines Unter­suchungsausschusses, also wenn der erste abgeschlossen ist, zusammensetzen und in einem ähnlichen Klima wie damals, als wir uns zur Erarbeitung der neuen Regeln zusammengesetzt haben, überlegen, wie wir diese neuen Regeln verbessern können, dass wir den Vorschlag, den Kollege Hable präsentiert hat, genauso diskutieren wie den, den ich jetzt vorgestellt habe – der nicht von mir ist, aber der auch von einer, ich weiß jetzt gar nicht mehr von welcher, Fraktion gekommen ist; ich glaube, es war Kollege Kogler –, und eine Reihe von anderen Vorschlägen, die ich aufgrund der vorgeschrittenen Zeit jetzt nicht mehr im Detail aufzählen will.

Ich meine, wir sollten uns das dann zu gegebener Zeit ansehen und überlegen, wie wir dieses neue Verfahren noch besser machen können. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

21.57


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Schmuckenschlager. – Bitte.

 


21.57.22

Abgeordneter Johannes Schmuckenschlager (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich kann mich den Ausführungen meines Vorredners nur anschließen. Wir haben einen Untersuchungsausschuss nach neuem Recht laufen, es gibt umfassende neue Möglichkeiten für die Abgeordneten, auch an der Untersuchung teilzunehmen, und ich frage mich schon, wenn Sie das als „Frotzelei“ gegenüber dem Parlament titulieren, was Sie eigentlich bisher in dem Hypo-Ausschuss machen. Ist das vielleicht eine Frotzelei? Irgendwelche Akten müssen Sie ja haben, also ganz so kann es ja nicht sein.

Ich möchte auch noch sagen, dass dieser Untersuchungsausschuss noch vier Monate läuft, und sollte es Ihnen vielleicht zu leise geworden sein rund um den Untersuchungs­ausschuss, möchte ich Ihnen nur ein Zitat Ihrer möglichen Präsidentschaftskandidatin aus einem Interview im „Falter“ nahelegen.

Zitat Irmgard Griss: „Das Parlament ,sollte sich lieber …‘“ (Abg. Kogler: Das passt zu dem Antrag! Nicht genügend, setzen!) – Herr Kogler, spielen Sie hier nicht den Ober­lehrer, das steht Ihnen auch nicht zu, geschätzter Herr Kollege!

„Das Parlament ,sollte sich lieber den wirklich wichtigen Zukunftsfragen widmen‘,“ sagt Griss, und sie kritisiert, dass die Abgeordneten selbst Akten sichten, anstatt auf den Berichten des Rechnungshofes und ihrer Untersuchungskommission aufzubauen.

Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, ich bin nicht der Meinung Ihrer Kandidatin, denn das Parlament soll sich schon noch selbst darüber seine Gedanken machen, wie es das tut. Wir brauchen uns nicht von einer Person, die noch nicht einmal in ein Amt


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 275

gewählt ist, ausrichten zu lassen, wie wir im österreichischen Parlament zu arbeiten haben. (Beifall bei der ÖVP.)

Aber das zeigt ein Problem ganz deutlich auf: dass es eine Doppelgleisigkeit gibt, die immer wieder ein Problem bei Untersuchungsausschüssen ist, dass wir dort, wo juristische Fälle nicht vollkommen abgearbeitet sind, eben nicht überall die Möglichkeit haben, Einschau zu halten. Aber diese Auseinanderteilung der Gewalten in unserem Staat sollten wir, glaube ich, schätzen. Das zeigt vielleicht auf, dass auf der einen Seite nicht alle Juristen gute Politiker werden und auf der anderen Seite aber auch nicht alle Politiker gute Juristen sind. (Beifall bei der ÖVP.)

21.59


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Darmann. – Bitte.

 


21.59.41

Abgeordneter Mag. Gernot Darmann (FPÖ): Frau Präsident! Regierungsmitglied ist ja keines mehr anwesend – Hohes Haus! In den Ausführungen des letzten Redners haben wir vernommen, aus welchem fragwürdigen Standpunkt die ÖVP einen durch­aus berechtigten Antrag der NEOS mit Ablehnung straft.

Wir erinnern uns, welche Hürden wir haben nehmen müssen, um zu diesem Hypo-Untersuchungsausschuss zu kommen. Wir haben hier im Plenum über zwanzig Mal Anträge der Opposition auf Einsetzung eines Hypo-Untersuchungsausschusses abgestimmt, und Rot und Schwarz haben über zwanzig Mal diesen Untersuchungs­aus­schuss verhindert. (Abg. Krainer: Wie oft … aus dem Kärntner Landtag ausgezogen?) Das war die erste Hürde, werte Kollegen. Und Kollege Krainer macht hier nichts anderes wie im Hypo-Untersuchungsausschuss (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Krainer): Wenn er bei einer Aktivität erwischt wird, fängt er mit Zwischenrufen an und glänzt mit Niveaulosigkeit, die ihresgleichen sucht. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Abgeordneten des Teams Stronach.)

Zweite Hürde: Haben wir dann endlich das Minderheitsrecht für die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen beschlossen und zu arbeiten begonnen, wurden wir mit geschwärzten Akten, insbesondere aus dem Finanzministerium, zugemüllt. – Das ist der richtige Ausdruck, werte Damen und Herren, und deswegen verstehe ich es umso weniger, dass Vertreter der ÖVP sich hier herstellen und fragen: Wozu wollt ihr über­haupt weitere Akten irgendwo herhaben? (Abg. Strache – in Richtung SPÖ-Bank­reihen –: Der Kärntner Untersuchungsausschuss hat ja gute Arbeit geleistet, oder?) Ihr habt eh Akten, mit denen ihr arbeiten könnt! Wozu braucht ihr überhaupt Akten aus der Hypo oder der HETA?

Was ist denn das für ein Zugang eines Abgeordneten, der hier eine Verantwortung hat, die Regierung zu kontrollieren? Ich meine, das muss doch auch Ihnen von der ÖVP einleuchten, dass wir Material brauchen, mit dem wir bestmöglich – im Sinne der Steuerzahler – Transparenz herstellen können. Oder ist das so fern von jeglicher Realität, werte Damen und Herren? (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn wir aber dann doch wieder einmal nicht geschwärzte Akten bekommen haben, sind wir zur dritten Eskalationsstufe gekommen, nämlich die Verweigerung der Akten­vorlage, wenn es darum gegangen ist, Akten aus der HETA anzuliefern, um insbe­sondere dort einmal zu graben. Und das wird ja die dritte Phase des Untersuchungs­ausschusses sein: Wie viele Hunderte Millionen Euro an Steuergeldern (Zwischenruf des Abg. Rädler) sind aus der Hypo in Beratungsverträge hineingeflossen, in Bera­tungsunternehmen geflossen? – Und uns wird die Auskunft verwehrt, wer da auf Steuerzahlerkosten entsprechend abkassiert hat! (Abg. Strache – in Richtung des


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Abg. Auer –: Das war vielleicht Kollege Auer! Waren Sie Berater …? – Abg. Kogler: Nein, der Auer war nicht Berater …!)

Da geht es aber nicht nur, wie hier in diesem Antrag vorgesehen, darum – Kollege Hable wird das bestätigen –, angelehnt an die Rechnungshofprüfungskompetenzen eine Aktenvorlagepflicht für den Untersuchungsausschuss zu erreichen, sondern in einem weiteren Schritt – und diesen Antrag haben auch wir Freiheitliche eingebracht – geht es auch darum, unser Interpellationsrecht diesbezüglich auszuweiten, weil es nicht nur darum geht, zu überprüfen, wie die Ausübung der Eigentümerrechte der Re­publik in einzelnen Unternehmen erfolgt, sondern wie das operative Geschäft in diesen Unternehmen vonstattengeht, wo Steuergeld drinnen ist. Darum geht es in weiterer Folge auch. Damit haben wir einmal einen ersten Teil abgearbeitet, den es umzu­setzen gilt. Diesbezüglich kann ich den NEOS signalisieren, dass es unsererseits in diese Richtung eine positive Unterstützung, auch im entsprechenden Ausschuss, geben wird.

Der zweite Schritt muss aber ein viel weitergehender sein. Werte Damen und Herren, im Sinne der Transparenz wird es auch Ihnen allen sicherlich einleuchten, und gegen­über der Bevölkerung wird es nicht anders zu vertreten sein, dass wir auch davon abgehen, uns immer nur um Unternehmen zu kümmern, in denen der Staat eine beherr­schende Rolle spielt.

Es gibt auch Unternehmen, in denen diese Beteiligung von 50 Prozent plus nicht gegeben ist, aber trotzdem Staat drinnen ist, Steuergeld drinnen ist – und eine Kon­trolle absolut fehlt. Das muss der nächste Schritt sein, den wir uns selber als Ziel setzen: dass es da eine Aufklärung gibt – einerseits Aktenvorlagepflicht, andererseits aber auch Interpellationsrecht für uns Abgeordnete gegenüber den zuständigen Minis­tern, damit wir auch in diese Unternehmen Einblick nehmen können, um im Sinne der Steuerzahler Transparenz zu garantieren. (Beifall bei der FPÖ sowie der Abgeordneten Gamon und Lintl.)

22.03


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Kogler. – Bitte. (Ruf bei der ÖVP: … einmal zur Hypo etwas!)

 


22.03.54

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch wenn Sie das beklagen: Würden die Aufklärungen transparenter und einfacher erfolgen können, würde das hier heraußen auch nicht so oft Thema sein.

Dieser Antrag, da muss man die Fraktion der NEOS wirklich lobend hervorheben, ist grundeinfach – das müssten sogar Sie verstehen! (Abg. Steinbichler: Beim Schmucki habe ich nicht das Gefühl gehabt …!) –, ist grundvernünftig und grundrichtig.

Das ist ja ein uraltes Dilemma gewesen, das ist ja sozusagen ein Altbestand; das war in den Verhandlungen der Fraktionen im Sommer nicht vorne auf der Agenda, weil das ja schon vorher ein Missstand war, der aber nicht wegzubekommen war. Das ist ja der Punkt. Aber es ist ja wirklich, um bei Kollegen Hable anzuschließen, ein absurder Zustand. Malen Sie das einmal ein bisschen weiter!

Bei der Hypo haben wir schon „irgendwelche Akten“ – auf Ihre qualifizierte Stellung­nahme werden wir noch separat eingehen müssen; „irgendwelche Akten“, das wird auch noch berühmt –, aber stellen Sie sich vor, es kommt ein ÖBB-Untersuchungs­ausschuss – den es ja einmal geben könnte, vielleicht nicht von uns – oder ein Unter­suchungsausschuss betreffend eine andere verstaatlichte Firma, die zu hundert Prozent im öffentlichen Eigentum ist – aber die Firma muss keine Akten liefern! Ja, sie darf das unter Umständen nicht einmal tun – bei der Hypo haben wir ja Spezialprob-


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leme; da greift dann plötzlich wieder das Bankgeheimnis –, denn wenn die Firma nicht muss, gibt es tatsächlich rechtliche Probleme, wenn sie es tut – wegen Haftungs­fragen; das muss man sogar anerkennen.

Stellen Sie sich weiter vor: Jede x-beliebige Firma, keine Akten – absurd! Wissen Sie, wie das in Deutschland ist? Das war immer das große Vorbild. Da werden nicht nur – und mehr wird ja gar nicht verlangt; aber eben: grundeinfach und vernünftig – jene Unternehmen für vorlagepflichtig erklärt, die ihrerseits – die haben so etwas ja auch – durch den Bundesrechnungshof überprüft werden können, nein, das geht dort noch viel weiter: Auch private Institutionen und, wenn Sie so wollen, Firmen sind dort vorlage­pflichtig. Großes Vorbild – denkt ein bisschen nach; da (in Richtung der Abgeordneten Cap, Krainer und Schieder, die neben der Regierungsbank stehen) stehen eh die richtigen drei.

Insofern ist das sofort zu machen. Ich weiß überhaupt nicht, worauf wir warten, und die Opposition ist sich ja an sich einig. Jetzt war es halt die NEOS-Fraktion, die das hier eingebracht hat – gut so! Wir sollten das ja auf der Stelle, so schnell wie möglich, machen. Das sind nämlich auch juristisch – lesen Sie nach, das verstehen Sie auch! – nur wenige Federstriche, und wir haben das saniert. Das würde sogar im aktuellen Untersuchungsausschuss das erleichtern, was wir vorhaben, nämlich wirklich aufzuklären.

Es ist auch, weil heute der Name von Frau Dr. Griss schon gefallen ist, völlig absurd, dass sie aufgrund privatrechtlicher Verträge, die sie geschlossen hat, offensichtlich Akten von der Hypo hat – aber der U-Ausschuss des Parlaments hat sie nicht. Ja, wo leben wir denn überhaupt? Haben Sie das schon einmal zusammengezählt? Eins und eins ist …, hm?

Also so einfach ist das, und das sollten wir wirklich sofort machen. Wir sollten nicht warten, bis der Ausschuss vorbei ist, und das irgendwann im Herbst oder so machen, sondern sofort, damit nämlich der Missstand nicht weiterbesteht, dass dieser Unter­suchungsausschuss von den Kreditausschüssen der Hypo Zufallstreffer an Akten hat. Zufallstreffer! Die haben es aber in sich, sie kommen nämlich immer nur dann daher, wenn die Notenbank – wenn sie gerade einmal luzide am Werken war – dort ein paar Akten eingesammelt und uns gnädigerweise übermittelt hat; dann sehen wir sie, sie sind aber nicht vollständig.

In diesen Kreditausschussakten kann man klipp und klar nachvollziehen, wie sich seit Ende der neunziger Jahre das Unglück angebahnt hat und die Aufsicht im Übrigen relativ wenig zustande gebracht hat. Das ist ja unser Untersuchungsgegenstand. Dort können Sie finden, wie uns Steuerzahlern schon ganz früh in den 2000er Jahren – letztlich durch diese sogenannte dumme Notverstaatlichung – die Gelder gefladert wurden von der organisierten … (Zwischenruf des Abg. Rädler.)

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter, ich weiß, es ist schon sehr spät, aber ich würde wirklich bitten, auf verbale Entgleisungen zu verzichten; sie haben keinen Platz in diesem Haus! (Beifall bei Abgeordneten von SPÖ und ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Strache.)

 


Abgeordneter Mag. Werner Kogler (fortsetzend): Selbstverständlich ist dem Steuer­zahler Geld gefladert worden, was glauben denn Sie? Und das ist auch nicht von der Uhrzeit abhängig. (Zwischenruf des Abg. Rädler.) Glauben Sie, dass um 22.07 Uhr weniger Geld verschwunden ist als um 9.06 Uhr? Das werden Sie mir wohl nicht …

 


Präsidentin Doris Bures: Es ging um Ihre Ausdrucksweise, Herr


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Abgeordneter.

 


Abgeordneter Mag. Werner Kogler (fortsetzend): Entschuldigung, jetzt gilt aber schon noch das freie Wort! (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von FPÖ, NEOS und Team Stronach. – Zwischenruf des Abg. Strache.) Jetzt gilt schon noch das freie Wort! Und es ist dem Steuerzahler das Geld gefladert worden, deswegen diskutieren wir hier, und sonst wegen gar nichts! Sie tragen dazu bei, dass wir nicht einmal alle Akten bekommen, um diese Fladerei endlich einmal endgültig aufzuklären. (Ruf bei der ÖVP: Hallo!) So ist es doch! (Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Sie wissen es ja ganz genau: In jenen Jahren war die Hypo – wir lassen ja ohnehin viele österreichische Entscheidungsträger draußen, aber das sage ich Ihnen – die Hausbank der Balkanmafia. Lesen Sie einmal ein paar Aufklärungsbücher, bevor Sie dazwischenrufen, das wäre nicht schlecht! So war es! Diese Akten werden uns vorenthalten, und das kann nicht sein! Das ist ganz einfach sanierbar, und deshalb schließen wir uns hier an.

Das fügt sich ja in eine ganze Kette von Wahnsinnigkeiten: Schwärzungen, Vertraulich­keitsstufen werden unsinnig hoch hinaufgehoben, Zeugenlisten hätten geheim sein sollen – das wäre ja schlechter als bei den alten Regelungen gewesen. Dem werden wir entgegenwirken. (Abg. Rädler: Bei jedem Ausschuss …!) Beteiligen Sie sich, und blockieren Sie nicht! – Ende der Durchsage. (Beifall bei Grünen und FPÖ, bei Abge­ordneten von NEOS und Team Stronach sowie der Abgeordneten Lintl.)

22.09


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag 1415/A dem Geschäftsordnungsausschuss zu.

22.09.3636. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz – B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, geändert wird (1417/A)

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen zum 36. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Das Wort erhält zunächst der Antragsteller, Herr Abgeordneter Mag. Darmann. – Bitte.

 


22.10.02

Abgeordneter Mag. Gernot Darmann (FPÖ): Auf ein Neues! Frau Präsident! Hohes Haus! Aus dem Titel lässt sich noch nicht viel erschließen; in der Tat geht es um das Begehren der Freiheitlichen, die Ministeranklage als Minderheitsrecht zu verankern.

Das ist damit zu begründen, werte Kolleginnen und Kollegen, und Sie kennen die gel­tende Rechtslage, dass nur dann wegen schuldhafter Rechtsverletzung ein Regie­rungsmitglied vor den Verfassungsgerichtshof gestellt werden kann, wenn der Nationalrat dieses Regierungsmitglied per Mehrheitsbeschluss des Nationalrates anklagt.

Wir erinnern uns, in den letzten Wochen gab es den Antrag der Freiheitlichen betref­fend Ministeranklage gegen den Bundeskanzler und die Innenministerin in der Causa Asylchaos (Zwischenruf des Abg. Rädler), und Sie, werte Kolleginnen und Kollegen von SPÖ und ÖVP, haben hier eine Ministeranklage verhindert. Das heißt, Sie haben


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nicht einmal zugelassen, dass der objektiv entscheidende Verfassungsgerichtshof sich mit der Frage auseinandersetzt, ob Rechtsverletzungen vorliegen oder nicht. Das ist Ihr Verständnis von Rechtsstaat – sehr bedauerlich!

Fakt ist aber, dass es die Möglichkeit der Ministeranklage seit 1920 gibt und – Sie werden es richtig erraten haben – seit 1920 in keinem Fall eine Ministeranklage erfolgt ist. (Zwischenruf des Abg. Rädler.) Ja, woran liegt das denn? – Weil im Normalfall die Mehrheit, die die Regierung stellt, auch hier im Nationalrat die Mehrheit stellt. (Zwi­schenruf des Abg. Strache.)

Das ist ein demokratiepolitisches Problem, welches auch der Präsident des Verfas­sungsgerichtshofes Holzinger heuer im Mai erkannt hat, werte Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der FPÖ.) Präsident Holzinger hat eingefordert, die Ministeran­klage als Minderheitsrecht zu verankern, um dieses derzeit geltende tote Recht der Ministeranklage mit Leben zu erfüllen, entsprechend demokratiepolitischer Zweck­mäßigkeit mit Leben zu erfüllen, damit diese Ministeranklagen endlich auch durchge­führt werden können, werte Kolleginnen und Kollegen. (Zwischenruf des Abg. Rädler.)

Ich erinnere Sie an eines: Wenn wir uns und unsere Arbeit hier im Nationalrat ernst nehmen (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Rädler) und ein Untersuchungsausschuss auch einen Sinn haben soll, dann werden wir gegebenenfalls auch aus einem Unter­suchungsausschuss heraus Konsequenzen zu ziehen haben. (Zwischenruf des Abg. Strache.) Das heißt, wir werden amtierende Regierungsmitglieder auch vor dem Verfassungsgerichtshof anklagen müssen, wenn es entsprechende Informationen aus der Untersuchungsausschussarbeit gibt. Wenn nunmehr schon der Untersuchungs­ausschuss als Minderheitsrecht installiert worden ist, ist es nur der nächste logische Schritt, auch die Ministeranklage diesbezüglich auf ein Minderheitsrecht aufzubauen.

Das ist der Inhalt dieses Antrags, und ich ersuche Sie alle, das im Sinne der Demo­kratie zu unterstützen. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Abgeordneten der NEOS.)

22.12


Präsidentin Doris Bures: Als nächster Redner gelangt Herr Abgeordneter Dr. Wittmann zu Wort. – Bitte.

 


22.12.52

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Mich wundert jetzt wirklich die Einstellung, die Sie da an den Tag legen. Sie wissen, warum Sie das letzte Mal eine Ministeranklage erhoben haben, gerade die Freiheitliche Partei? – Wegen einer Verwaltungsübertretung! (Abg. Strache: Schlep­per­unwesen ist keine Verwaltungsübertretung …!) Das hat ungefähr dieselbe Rechts­wirksamkeit wie ein Strafmandat, und wegen eines Strafmandats wollten Sie einen Minister abberufen. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Strache.) Das ist an Absurdität nicht mehr überbietbar! Sie führen ja Ihren eigenen Antrag ad absurdum. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Darmann: Staatliche Schlepper…!)

Sie führen Ihre eigene Argumentation ad absurdum, wenn Sie beginnen, wegen Strafmandaten Ministeranklagen zu machen; dann ist doch keine Ernsthaftigkeit hinter Ihrem Antrag. (Abg. Strache: Staatliche Schlepperei ist keine Verwaltungs­übertre­tung!) Wenn ich wegen Falschparkens einen Minister absetzen kann, was soll das denn für die Ernsthaftigkeit dieses Antrages bedeuten?! (Zwischenrufe der Abgeord­neten Neubauer, Strache und Darmann.)

Noch ein Beispiel: Einer Ihrer Abgeordneten, Herr Abgeordneter Wurm, hat heute in der Früh schon eine Rede gehalten, die mein Kollege Jarolim trefflich kommentiert


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hat. Er hat dafür einen Ordnungsruf bekommen, aber richtig war es trotzdem. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.) Diese Rede war an Naivität unüberbietbar. Den Minister aufzufordern, rechtswidrig zu handeln, ein strafbares Verhalten zu setzen – wenn er das nicht von hier aus gemacht hätte, hätte er eine Anzeige bekommen, weil er zu strafbarem Verhalten gemäß § 282 Strafgesetzbuch aufgefordert hat; er wäre ange­sichts dieser Rede zu verfolgen gewesen. Und er hat zum Amtsmissbrauch aufge­rufen – und am selben Tag bringen dann Sie, die zu rechtswidrigem Handeln auffor­dern, einen Antrag ein (Zwischenruf des Abg. Darmann), die Ministeranklage sozu­sagen der Minderheit zu überlassen.

Bringen Sie einmal ernsthafte Anträge ein! Das ist ja nur mehr Populismus, das hat überhaupt nichts mehr mit realer Politik zu tun. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.) Das hat doch überhaupt nichts mehr mit Ernsthaftigkeit zu tun. Sie machen sich ja langsam in Ihrer selbstüberholenden Ironie lächerlich. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe der Abgeordneten Strache, Lausch und Zanger. – Abg. Darmann: Rechtsbrüche …!) Das ist ja an Naivität, an Sinnlosigkeit und Unseriosität nicht mehr überbietbar! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Strache: … Nordkorea-Experte! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ. – Abg. Krainer: Ich bewundere, wie Kollege Wittmann sich in der Wortwahl so zurückhalten kann!)

22.15


Präsidentin Doris Bures: Als nächste Rednerin gelangt Frau Abgeordnete Dr. Karl zu Wort. – Bitte.

 


22.15.27

Abgeordnete Mag. Dr. Beatrix Karl (ÖVP): Werte Kolleginnen und Kollegen! Eigent­lich könnte ich es jetzt kurz machen und sagen, ich schließe mich der Auffassung meines Vorredners, des Kollegen Wittmann, vollinhaltlich an. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.) Lassen Sie mich aber doch noch einige Ergänzungen dazu machen!

Sie verweisen in Ihrem Antrag auf den Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes, der in einem Interview gesagt hat, dass die Ministeranklage ein Minderheitsrecht werden soll. Das ist aber nicht gängige Meinung bei den Verfassungsexperten, es gibt auch gegenteilige Auffassungen. So sagt zum Beispiel Universitätsprofessor Öhlinger, dass er nichts davon hält, dass die Ministeranklage ein Minderheitsrecht wird, und er begründet es damit, dass es dadurch zu einer Politisierung der Justiz kommt. (Abg. Darmann: Und der nächste Rechtsprofessor sagt das Gegenteil!) Und bitte: Wir alle können nicht wollen, dass es zu einer Politisierung der Justiz kommt! (Zwischenruf des Abg. Brosz. – Abg. Strache: … Politisierung der Staatsanwaltschaft!)

Dem Argument, das Sie im Antrag angeführt haben, dass die Ministeranklage totes Recht ist, entgegnet Professor Öhlinger, dass diese Bestimmung einfach dazu dient, dass den Ministern klargemacht wird, dass sie nicht gegen die Gesetze handeln dürfen. (Zwischenrufe der Abgeordneten Darmann und Neubauer sowie bei den Grünen.) Außerdem möchte ich noch ein weiteres Argument anführen: Bei einem schuldhaften Verhalten handelt es sich in der Regel um ein strafrechtlich relevantes Verhalten, und da – bitte, da müssen Sie mir wohl auch recht geben – ist das Straf­recht gefragt, und da soll auch das Strafrecht zum Zug kommen. (Abg. Darmann: Abgeordnete, die die Regierung nicht mehr kontrollieren wollen …!) Das gebietet schon die Gewaltentrennung.

Lassen Sie mich noch ein letztes Argument anführen: Wir haben eine Studie durchge­führt, in der wir unsere Minderheitsrechte mit anderen europäischen Minderheits­rechten verglichen haben. Ich kann nur etwas wiederholen, was ich schon öfter hier gesagt habe: Im österreichischen Parlament sind wir am minderheitsfreundlichsten im


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Vergleich zu allen anderen europäischen Parlamenten. (Abg. Steinbichler: Von dem spüren wir aber gar nichts!) Ich sehe daher keine Notwendigkeit, die Ministeranklage zu einem Minderheitsrecht zu machen. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

22.17


Präsidentin Doris Bures: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Mag. Kumpitsch. – Bitte. (Ruf bei der SPÖ: Jetzt bin ich gespannt!)

 


22.17.49

Abgeordneter Mag. Günther Kumpitsch (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Nach dem emotionellen Beginn dieser Reden möchte ich es vielleicht einmal ein bisschen anders versuchen; ich möchte an Sie, Kolleginnen und Kollegen, zwei Fragen stellen, und zwar:

Würden Sie es wollen, dass zum Beispiel die Mehrheit von Strafreferenten einer Bezirkshauptmannschaft oder einer Landespolizeidirektion die Möglichkeit hat, darüber zu entscheiden, ob sie Verkehrssünder bestrafen will oder nicht? (Abg. Wittmann: … noch immer das Gericht! … Gewaltentrennung!) Oder – ein bisschen höher gespon­nen, jetzt sind wir bei Gericht –: Würden Sie es wollen, dass eine Mehrheit von Staatsanwälten bei einem Landesgericht (Abg. Wittmann: Gewaltentrennung! – Abg. Schimanek: Zuhören!) entscheiden kann (Abg. Rädler: Was wird das jetzt?), ob sie bestimmte Straftaten bestrafen will oder nicht?

Ich glaube – das hat nichts mit Gewaltenteilung zu tun (Abg. Wittmann: Sie haben keine Ahnung von Verfassungsrecht!) –, Sie wollen das nicht. Es kann mir keiner sagen, dass Sie das wollen, und zwar aus folgenden Gründen nicht: Es ist das rechts­staatliche Prinzip verletzt, das Offizialprinzip (Abg. Krainer: Jeder Minister … kann zur Verantwortung gezogen werden!) – bitte hören Sie mir zu, vielleicht bilden Sie sich dann die Meinung (Zwischenrufe bei der SPÖ) –, und es würde sicher Ihrem, es würde zumindest meinem Rechtsempfinden widersprechen, das zu tun. (Beifall bei der FPÖ.) Ich glaube, Ihr Rechtsempfinden wird auch sagen: Nein, das ist nicht in Ordnung!

Da komme ich jetzt genau zu dem Punkt, um den es geht. (Abg. Krainer: … unterliegt ja dem Strafrecht, der Minister! – Abg. Schimanek: Hören Sie zu!) Ich glaube – und jetzt hören Sie zu! –, dass es doch einer Reform der Bundesverfassung bedarf, nämlich genau im Fall einer Ministeranklage.

Gehen wir einmal weg von den Einzelfällen und denken wir durch, warum es dessen bedarf! Ein Minister kann ja dann nur aufgrund eines Mehrheitsbeschlusses des Nationalrates vor das Verfassungsgericht kommen, was ja vorher schon richtigerweise behauptet wurde. (Abg. Krainer: Das ist ein politisches Instrument, kein strafrecht­liches!)

Dann haben wir ein Argument gehabt, dass das faktisch totes Recht sei – totes Recht deshalb, weil wir diese Bestimmung schon seit der Verfassung von 1920 in Kraft haben, es aber für eine Ministeranklage nie gereicht hat, aus welchen Gründen auch immer. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Der entscheidende Punkt, warum Sie darüber nachdenken sollten, ist: Eine Regie­rungs­koalition hat meistens auch die Mehrheit im Nationalrat – genau so, wie jetzt die Konstellation ist. Das ist der Punkt: Es ist normalerweise schon im Interesse einer Regierungspartei, nicht gerade diejenigen Minister, die eigentlich für den Vollzug ihrer politischen Ideen verantwortlich sind, zu belasten und vielleicht sogar noch beim Verfassungsgerichtshof anzuklagen. Und das ist auch der Punkt, der diese Bestim­mung in einem schiefen Licht erscheinen lässt.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 282

Noch einmal: Weg von den allgemeinen Vorfällen, und denken wir darüber nach, denn wir sind genau diejenigen, die anderen Bürgern in Form von Gesetzen Verpflichtungen auferlegen! Wir machen das, wir erwarten von den Bürgern, dass sie … (Abg. Krainer: Ja, und jeder Minister unterliegt denselben Gesetzen, jeder! Das ist ein Sondergesetz!)

Ja, aber der Bürger muss sich dafür verantworten (Abg. Krainer: Der Minister auch!), wenn er diese Gesetze … (Abg. Krainer: Der Minister auch!) Nein, offenbar nicht. (Abg. Krainer: Doch! Abg. Darmann: „Professor“ Krainer! Abg. Strache: Nein, weil Sie es verhindern, Herr Krainer! Abg. Krainer: Sie haben es nicht verstanden! Weitere Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.) Wenn sogar der Präsident des Verfassungsgerichtshofes …

 


Präsidentin Doris Bures: Meine sehr geehrten Damen und Herren, Zwischenrufe gehören in ein Parlament, es ist nur so: Wenn sie seitens der Protokollführung nicht mehr aufgenommen werden können und der Redner beim Reden behindert wird, dann ist es zu viel. Ich ersuche, den Lärmpegel wieder ein wenig zu senken!

Bitte, Herr Abgeordneter, Sie sind am Wort. (Abg. Strache: Das war an den Herrn Krainer gerichtet jetzt!)

 


Abgeordneter Mag. Günther Kumpitsch (fortsetzend): Ich denke mir, wenn der normale Bürger verpflichtet ist, Regeln und Normen einzuhalten, dann sollten wir doch ein Vorbild sein. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir sollten ja nicht genau diejenigen sein, die es sich mit ihrer Mehrheit richten können, und genau um dieses schlechte Licht, um dieses diffuse Licht aus der Welt zu schaffen und der Demokratie wirklich weiterzuhelfen, ersuche ich Sie hier und jetzt: Überdenken Sie das und stimmen Sie diesem Gesetzesantrag zu! – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

22.22


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Musiol. – Bitte.

 


22.22.38

Abgeordnete Mag. Daniela Musiol (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich stimme meinen Vorrednern vollinhaltlich nicht zu. Ich glaube, wir Grüne sind ganz klar über jeden Verdacht erhaben (Oh-Rufe bei der ÖVP) – lassen Sie mich ausreden, bevor Sie ausatmen! –, dass wir die letzten Fälle, die von der FPÖ hier im Zusammenhang mit dem Thema Ministeranklage gebracht wurden, aus unserer Sicht auch nur irgendwie als inhaltlich sinnvoll erachten und genau so teilen. (Abg. Rädler: Hypo-Generalverdacht! Grüne!)

Herr Kollege Wittmann und Frau Kollegin Karl, Ihre Argumentation hat der Sache aber absolut keinen guten Dienst erwiesen, denn Sie haben nur inhaltlich argumentiert und haben damit eindeutig gezeigt, dass Sie in den drei Jahren, in denen wir über den Untersuchungsausschuss als Minderheitsrecht diskutiert haben, nichts gelernt haben. (Abg. Fekter: Sollen wir nicht inhaltlich argumentieren? Abg. Schieder: Wie sollen wir sonst argumentieren? Abg. Fekter: Was ist schlecht daran, wenn wir inhaltlich argumentieren?) Es liegt doch wohl für jeden Menschen auf der Hand, der demo­kratisch denkt und das auch logisch nachvollziehen kann, dass Kontrolle nicht von den Regierenden ausgeht, sondern von der Opposition und damit naturgemäß zahlen­mäßig von einer Minderheit. (Beifall bei Grünen und FPÖ.)

Das hier ist auch ein Kontrollrecht, und vor diesem Hintergrund wird dieser Antrag von uns bewertet. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Hier geht es darum, dass ein Kontrollrecht, so wie auch der Untersuchungsausschuss, in die Hände einer Minderheit gelegt wird.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 283

(Abg. Fekter: Aber Demokratie heißt … Mehrheit!) – Und alles, was Sie von ÖVP und SPÖ hier gezeigt haben, Frau Fekter, ist, dass Sie das noch nicht verstanden haben, dass Sie auch nach drei Jahren intensiver Diskussion über den Untersuchungs­aus­schuss noch nicht verstanden haben, dass es eben eine demokratiepolitische Logik ist, dass die Kontrolle von der Minderheit ausgeht – und darum geht es. (Beifall bei Grünen und FPÖ. Zwischenruf der Abg. Fekter.)

Wenn Sie hier von der Gefahr der Politisierung der Justiz sprechen, Frau Abgeordnete Karl, dann verstehe ich das nicht. (Abg. Karl: Das habe ich nicht!) – Das haben Sie! Sie haben gesagt, das würde dann zur Politisierung der Justiz führen, und ich sage Ihnen: Das hat nichts damit zu tun, ob es ein Minderheitsrecht oder ein Mehrheitsrecht ist. (Abg. Lopatka: Das war ein Zitat! Hören Sie zu! Abg. Karl: Das haben Profes­soren gesagt! Ich habe zitiert!) – Lassen Sie mich aussprechen! Entweder haben wir die Sorge, dass die Justiz politisiert ist, oder nicht. (Abg. Lopatka: Das war Professor Öhlinger!) – Herr Lopatka, ich habe zugehört und mitgeschrieben! (Abg. Strache in Richtung ÖVP : Aber Ihre Abgeordnete hat ihn zitiert! Weitere Zwischenrufe der Abgeordneten Lopatka und Karl.– Sie können jetzt noch länger herausschreien, ich werde trotzdem meine Ausführungen zu Ende führen.

Tatsache ist, dass das nichts damit zu tun hat. Sie können sich jetzt gegen die gesamte Logik verwehren. (Abg. Lopatka: Das war der Öhlinger! Das war ein Zitat von Professor Öhlinger! Abg. Strache: Aber Ihre Abgeordnete teilt die Meinung!)  Ja, dann werde ich das auch Herrn Professor Öhlinger sagen. Tatsache ist, dass das nichts mit der Frage zu tun hat, ob es von einer Minderheit oder einer Mehrheit ausgeübt wird. Der Vorteil wäre, dass Vorwürfe, wenn man der Meinung ist, dass sie nicht zu Recht erhoben wurden, vom Verfassungsgerichtshof auch verworfen werden können und man sagen kann, es ist damit erledigt; auch diesen Vorteil könnten Sie sehen. (Beifall bei Grünen und FPÖ. Ruf bei der ÖVP: Aber mit Mehrheit oder Minderheit beim Verfassungsgerichtshof …!)

Folgendes ist in diesem Zusammenhang schon zu sagen, apropos Politisierung der Justiz: Wer besetzt denn den Verfassungsgerichtshof? (Abg. Kogler: Genau! Abg. Schieder: Das sollte ein Minderheitsrecht werden, oder? Abg. Strache: Der ist ja völlig politisch besetzt!) Vorschlagsrecht der Bundesregierung, Vorschlagsrecht des Nationalrates mit Mehrheitsbeschluss, Vorschlagsrecht des Bundesrates mit Mehr­heits­beschluss. Wir fordern hier schon lange ein objektiviertes Verfahren. (Beifall bei Grünen und FPÖ.)

Das heißt nicht, dass wir die derzeitigen Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes infrage stellen, aber es würde im 21. Jahrhundert schon einmal guttun, auch in diesem Bereich über eine transparente Besetzung zu diskutieren. (Abg. Strache: Endlich einmal ein richtiger grüner Ansatz! Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.) Und wenn Sie im Budgetausschuss anwesend waren, als der Präsident des Verfassungs­gerichts­hofes unsere Fragen beantwortet hat, dann haben Sie auch gehört, dass der Verfas­sungsgerichtshof ressourcenmäßig durchaus an seine Grenzen kommt.

Das heißt was man in diesem Zusammenhang auch diskutieren muss – er hat jetzt den Untersuchungsausschuss, er hat jetzt die Gesetzesbeschwerde –, ist, dass man das Gericht so ausstatten muss, dass es seinen Kernaufgaben und natürlich auch dieser Aufgabe nachkommen kann. Sie erweisen dieser Diskussion allerdings einen Bären­dienst, wenn Sie hier emotional inhaltlich diskutieren und nicht demokratiepolitisch. (Beifall bei den Grünen. Abg. Schieder: Das ist ja der absurdeste Vorwurf, dass man inhaltlich nicht mehr diskutieren darf! Weiterer Ruf bei der SPÖ: Im Parlament!)

22.27



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 284

Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Dr. Scherak gelangt als Nächster zu Wort. – Bitte.

 


22.27.26

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Interessant ist es, sich das geschichtlich anzuschauen. Es ist nämlich so, dass es schon drei De-facto-Ministeranklagen gab, zwei in der Ersten Republik und eine in der Zweiten Republik. Das Skurrile daran war nur, dass es immer um Landeshauptleute ging, und das hat deswegen funktioniert, weil es hier im Hohen Haus eine Mehrheit gab, die eine andere Mehrheit war als jene Mehrheit, die die Landeshauptleute betrifft. (Abg. Schieder: 8. Dezember war das!)

Bei Landeshauptmann Haslauer war es klar, das war damals die rot-blaue Koalition, bei Jakob Reumann habe ich es jetzt nicht herausgefunden, aber ich nehme an, dass es ebenfalls eine andere Mehrheit im Hohen Haus gewesen ist. Landeshauptmann Haslauer wurde ja damals deswegen angeklagt, weil er am 8. Dezember spannender­weise die Geschäfte offen gelassen hat, Jakob Reumann wegen der Errichtung eines Krematoriums und wegen der Aufführung von Schnitzlers „Reigen“.

Wir sehen aber auf jeden Fall, dass es hier herinnen nie eine Ministeranklage gegen ein Mitglied der Bundesregierung gegeben hat, und das allein sagt wohl, dass hier Handlungsbedarf besteht, weil wir uns die Bestimmung sonst komplett schenken können, wenn es nicht möglich ist, das anzuwenden, und es immer nur gegenüber Landeshauptleuten geht. Das heißt, historisch ist klar, es braucht hier etwas und es muss etwas geändert werden.

Worüber man diskutieren kann, sind die entsprechenden Mehrheiten, die notwendig sind. Ich bin auch der Meinung, es sollte ein Minderheitsrecht sein. Wir haben einen Antrag eingebracht, dass es ein Drittel der Abgeordneten ist, so wie bei der Normen­kontrolle. Das wäre auch eine Möglichkeit. Klar ist, es muss ein Minderheitsrecht sein, weil – und das ist historisch ganz klar – wir uns die Bestimmung sonst schenken können, weil sie gegenüber einem Minister nichts bringt, weil sie in knapp 100 Jahren noch nie angewendet wurde. Da können Sie ehrlich sein und sich das historisch anschauen: Ändern wir es oder streichen wir es komplett, denn die Regelung bringt ganz offensichtlich nichts und ist nicht umsetzbar! (Beifall bei NEOS, FPÖ und Grünen.)

22.29


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag 1417/A dem Verfassungsausschuss zu.

22.29.20 37. Punkt

Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen des Fernmeldebüros für Wien, Niederösterreich und Burgenland (GZ BMVIT-631.540/0759-III/FBW/2015) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Matthias Strolz (971 d.B.)

 


Präsidentin Doris Bures: Schließlich kommen wir zum 37. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Brosz. – Bitte.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 285

22.29.50

Abgeordneter Dieter Brosz, MSc (Grüne): Frau Präsidentin! An sich ist es in der letzten Zeit nicht besonders üblich gewesen, zu Immunitätsfragen hier noch eine Debatte durchzuführen. In diesem Fall ist es mir aber trotzdem wichtig, ein paar Dinge festzuhalten.

Anlassfall war die Wiener Landtagswahl, für die die NEOS ein Massen-SMS mit einer Wahlaufforderung an Zehntausende WählerInnen geschickt haben – offensichtlich ein Verstoß gegen das Telekommunikationsgesetz. Die erste Reaktion der NEOS war, dass man getan hat, als wäre es ohnehin korrekt gewesen. Es ist dann doch zugestanden worden, dass Fehler passiert sind. Das muss man auch anerkennen.

Es kam dann das, was logischerweise kommen musste: Aufgrund einer Anzeige gab es beim Fernmeldebüro Wien das Ersuchen an das Parlament auf Auslieferung des Kollegen Strolz. Das ist in dem Fall deshalb logisch, weil die NEOS in Wien keine Rechtspersönlichkeit haben, sondern offenbar die Rechtspersönlichkeit die Bundes­partei ist, weshalb auch Herr Kollege Klubobmann Strolz in die Ziehung kommt. So weit, so gut.

Was mich dann verwundert hat, und das möchte ich nur festhalten, war die öffentliche Reaktion der NEOS, die eigentlich davon ausgegangen sind, dass es hier zu keiner Auslieferung kommen sollte. Das ist meiner Meinung nach ein klarer Fall, und würde nicht ausgeliefert werden, wäre die Auslieferungspraxis des Hauses völlig umgekehrt worden.

Kollege Alm hat das Gleiche auch gestern im Immunitätsausschuss noch einmal argumentiert. (Abg. Strache: Man versteht Sie akustisch gar nicht! Das ist überhaupt nicht verständlich! Rufe bei der SPÖ: Bei uns schon! Wir verstehen es schon! Abg. Matznetter: Das ist ein Telekommunikationsproblem!) – Das wird aber eher nicht an mir liegen, sondern dann müsste das Mikrofon wahrscheinlich anders stehen.

Der Punkt war dann, dass Kollege Alm auch im Immunitätsausschuss argumentiert hat, dass eigentlich keine Auslieferung erfolgen sollte. Ich halte nur fest, dass das nach der bisherigen Praxis ein klarer Fall für eine Auslieferung ist. Es geht um eine Landtags­wahl. Wir haben auch in allen anderen Fällen, in denen es um Wahlen gegangen ist, die nicht Nationalratswahlen sind, grundsätzlich ausgeliefert – erst beim letzten Mal übrigens bei einer Gemeinderatswahl, als es Kollegen Höbart betroffen hat. (Abg. Strache: Das war ja der Fehler, weil das ist alles ein politischer Zusammenhang!) – Ja, das hat Kollege Strache auch noch nicht ganz verstanden, weil sich nämlich der Zusammenhang ausschließlich auf den Zusammenhang mit dem Nationalratsmandat bezieht. Würde die Immunität so ausgelegt werden, dass bei jeder Gemeinderatswahl jede politische Aktion sanktioniert und unter Immunität gestellt wird, dann wäre das aus meiner Sicht eine deutliche Überschreitung dessen, was Immunität bringen soll. Das ergibt Sinn.

Übrigens: Sie hat es das letzte Mal betroffen, als wir auch einstimmig dafür waren, dass es zu keiner Auslieferung kommt, weil ein Zusammenhang mit dem Nationalrats­mandat gegeben war. Aber wenn es darum geht, Verwaltungsübertretungen zu begehen und nachher zu sagen: Betroffen ist jetzt aber jemand, der der Immunität unterliegt, und daher soll es nicht verfolgt werden – das wäre eine Ausweitung der Immunität, die aus unserer Sicht überhaupt nicht gerechtfertigt wäre. Deshalb ist es mir auch wichtig, das festzuhalten.

Ich hätte mir von den NEOS auch erwartet, dass sie öffentlich sagen: Das ist ein klarer Fall. Das ist nicht geschehen, deswegen war es mir wichtig, diese Stellungnahme abzugeben. Jetzt kommt Herr Kollege Scherak ohnehin auch noch ans Rednerpult.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 286

Die Praxis des Hauses ist also eindeutig aufrechterhalten worden. Wir hätten in allen anderen Fällen auch ausgeliefert, und um da einer Mythenbildung vorzubeugen: Es war eine klare Fortsetzung der bisherigen Immunitätspraxis. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von SPÖ und ÖVP. Abg. Strache: Der Abgeordnete im Nationalrat hat eine politische Tätigkeit vollzogen, das war die Meinl-Reisinger!)

22.32


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Dr. Scherak gelangt als Nächster zu Wort. – Bitte.

 


22.32.57

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak (NEOS): Frau Präsidentin! Wieso der Fall nicht so klar ist, hat Herr Kollege Brosz jetzt ohnehin ausgeführt: weil es aufgrund der Tatsache, dass NEOS eine einzige Rechtspersönlichkeit ist und es hier zu einem Fehler in der Wiener Landesgruppe gekommen ist, den wir auch zugestanden haben, und Klubobmann Strolz damit nichts zu tun hat, eben nicht klar ist.

Es war zum ersten Mal der Fall, dass es die Situation gibt, dass die Rechtspersön­lichkeit einer Partei eine einzige ist und dass es deswegen am Schluss dazu kommt. (Abg. Steinhauser: … dass es nichts mit dem Mandat zu tun hat!) – Wir haben den Fehler ja eingestanden, wir haben der Auslieferung im Ausschuss auch zugestimmt, aber was klar ist, ist, dass es eben nicht von Anfang an klar war, weil dieser Fall so noch nie vorgelegen ist. Das ist ganz einfach, und deswegen waren wir auch eine Zeit lang skeptisch und haben selbstverständlich darüber diskutiert und nachgedacht, wie wir das handhaben.

Wir handhaben es jetzt klar. Fakt ist aber: Es war eben nicht klar, weil dieser Fall noch nie da war. Insofern ist es ein wenig daneben und stimmt es nicht, wenn hier davon gesprochen wird, dass ohnehin alles klar ist, weil es eben nicht klar war. Wir haben dem trotzdem zugestimmt, weil wir es besser finden, dass es dadurch dann unter Umständen auch zu einer Klärung kommt. (Beifall bei den NEOS.)

22.34

 

22.34.09

 


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Immunitätsausschusses in 971 der Beilagen, Folgendes zu beschließen:

In Behandlung des Ersuchens des Fernmeldebüros für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 27. November 2015 um Zustimmung zur Verfolgung des Abgeord­neten zum Nationalrat Dr. Matthias Strolz aufgrund des Verdachts einer Verwaltungs­übertretung gemäß §§ 107 Abs. 2 bzw. 109 Abs. 3 Z 20 TKG wird im Sinne des Artikels 57 Abs. 3 B-VG festgestellt, dass kein Zusammenhang zwischen der inkrimi­nierten Handlung und der politischen Tätigkeit des Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Matthias Strolz besteht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich diesem Antrag anschließen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen. (Abg. Rädler: Der Haselsteiner zahlt das!)

Die Tagesordnung ist erschöpft.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 287

22.35.38Einlauf

 


Präsidentin Doris Bures: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 1470/A bis 1489/A eingebracht wurden.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betreffen wird, berufe ich für 22.37 Uhr ein; das ist gleich im Anschluss an diese Sitzung.

Diese Sitzung ist geschlossen.

22.36.07Schluss der Sitzung: 22.36 Uhr

 

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