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Stenographisches Protokoll

 

 

 

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81. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XXIV. Gesetzgebungsperiode

 

Donnerstag, 21., und Freitag, 22. Oktober 2010

 

 


Stenographisches Protokoll

81. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXIV. Gesetzgebungsperiode

Donnerstag, 21., und Freitag, 22. Oktober 2010

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 21. Oktober 2010: 10.00 – 24.00 Uhr

Freitag, 22. Oktober 2010:  0.00 –  0.33 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen 1987, das Landarbeitsgesetz 1984, das Arbeitsruhegesetz, das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz, das Arbeitsinspektionsgesetz 1993 und das Ar­beitszeitgesetz geändert werden

2. Punkt: Bericht über den Antrag 815/A(E) der Abgeordneten Mag. Birgit Schatz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung eines gesetzlichen Mindestlohns

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gwerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetz und das Betriebliche Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz geändert werden (KünstlerInnensozialversicherungs-Strukturgesetz – KSV-SG)

4. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und Montenegro über soziale Sicherheit

5. Punkt: Bericht über den Antrag 121/A(E) der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gebärdensprachkurse für Eltern gehörloser Kinder

6. Punkt: Bericht über den Antrag 123/A(E) der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend audiopädagogische Förderung für hörbehinderte Kinder

7. Punkt: Bericht über den Antrag 1168/A(E) der Abgeordneten Mag. Helene Jarmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Anerkennung von Taubblindheit als eigenständige Art der Behinderung

8. Punkt: Bericht über den Antrag 1233/A(E) der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Gabriele Tamandl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Standardisierte Produkt­information (Klipp-und-Klar-Informationen) für alle Versicherungskunden“

9. Punkt: Frauenbericht 2010 der Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll81. Sitzung / Seite 2

10. Punkt: Bericht über den Antrag 1081/A(E) der Abgeordneten Mag. Gisela Wurm, Dorothea Schittenhelm, Mag. Judith Schwentner, Martina Schenk, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gleichstellung von Frauen und Männern im Programm Ländliche Entwicklung 2007–2013 (LE 07–13)

11. Punkt: Bericht über den Antrag 1218/A(E) der Abgeordneten Carmen Gartelgruber, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Aufnahme von Verhandlungen mit den Sozialpartnern hinsichtlich der Verbesserung der Einkommenssituation von Frauen

12. Punkt: Grüner Bericht 2010 der Bundesregierung

13. Punkt: Bericht über den Antrag 488/A(E) der Abgeordneten Gerhard Huber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Österreich als gentechnikfreie Modellregion

14. Punkt: Bericht über den Antrag 1280/A(E) der Abgeordneten Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend sofortige Stilllegung von Isar 1

15. Punkt: Bericht über den Antrag 1043/A(E) der Abgeordneten Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend keine Betriebsverlängerung für Isar 1

16. Punkt: Bericht über den Antrag 1188/A(E) der Abgeordneten Mag. Rainer Widmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Euratom-Ausstieg Österreichs

*****

Inhalt

Nationalrat

Mandatsverzicht der Abgeordneten Dr. Gerhard Kurzmann und Lutz Weinzinger                    15

Angelobung der Abgeordneten Elmar Podgorschek und Josef A. Riemer ............. 15

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 15

Geschäftsbehandlung

Antrag der Abgeordneten Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur näheren Untersuchung der politischen und rechtlichen Verantwortung im Zusammenhang mit dem staats­anwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren im Abgängigkeitsfall Natascha Kam­pusch gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung ....................................................... 293

Bekanntgabe .................................................................................................................. 49

Verlangen gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG .......................................................................................................... 49

Redner/Rednerinnen:

Dr. Walter Rosenkranz ........................................................................................... ... 333

Otto Pendl ................................................................................................................ ... 334

Werner Amon, MBA ................................................................................................ ... 336

Werner Neubauer .................................................................................................... ... 337

Mag. Albert Steinhauser ........................................................................................ ... 338

Mag. Ewald Stadler ................................................................................................. ... 340


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll81. Sitzung / Seite 3

Ablehnung des Antrages .............................................................................................. 341

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung .......................................................................................................... 50

Verlangen auf Durchführung einer namentlichen Abstimmung ................................... 76

Unterbrechung der Sitzung .......................................................................................... 77

Fragestunde (13.)

Verkehr, Innovation und Technologie ....................................................................... 16

Dorothea Schittenhelm (83/M); Christoph Hagen, Dr. Gabriela Moser, Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Anton Heinzl

Wirtschaft, Familie und Jugend .................................................................................. 20

Dr. Christoph Matznetter (90/M); Franz Glaser, Mag. Rainer Widmann, Mag. Christiane Brunner, Ing. Christian Höbart

Peter Haubner (86/M); Ing. Robert Lugar, Dr. Ruperta Lichtenecker, DDr. Werner Königshofer, Ing. Mag. Hubert Kuzdas

Bernhard Themessl (88/M); Franz Kirchgatterer, Anna Franz, Ursula Haubner, Mag. Werner Kogler

Tanja Windbüchler-Souschill (89/M); Carmen Gartelgruber, Angela Lueger, Adelheid Irina Fürntrath-Moretti, Ing. Peter Westenthaler

Josef Bucher (85/M); Dr. Ruperta Lichtenecker, Wolfgang Zanger, Franz Riepl, Mag. Josef Lettenbichler

Gabriele Binder-Maier (91/M); Ridi Maria Steibl, Dr. Wolfgang Spadiut, Mag. Daniela Musiol, Anneliese Kitzmüller

Konrad Steindl (87/M); Mag. Rainer Widmann, Mag. Christiane Brunner, Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Ing. Mag. Hubert Kuzdas, Josef Jury

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 15

Rechnungshof

Verlangen gemäß § 99 Abs. 2 der Geschäftsordnung im Zusammenhang mit dem Antrag 1323/A betreffend Gebarungsüberprüfung ................................................................................................ 342

Ausschüsse

Zuweisungen .........................................................................................................  47, 211

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Mag. Ewald Stadler, Kolleginnen und Kollegen an die Bun­desministerin für Justiz betreffend „Bandions Blamagen“ und deren Folgen für den österreichischen Rechtsstaat (6687/J)         ............................................................................................................................. 112

Begründung: Mag. Ewald Stadler ............................................................................... 121


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll81. Sitzung / Seite 4

Bundesministerin Mag. Claudia Bandion-Ortner ................................................... 128

Debatte:

Stefan Petzner ......................................................................................................... ... 137

Dr. Johannes Jarolim ............................................................................................. ... 141

Karlheinz Kopf ........................................................................................................ ... 143

Dr. Johannes Hübner ............................................................................................. ... 145

Mag. Albert Steinhauser ........................................................................................ ... 148

Christoph Hagen ..................................................................................................... ... 151

Mag. Johann Maier .................................................................................................. ... 153

Mag. Heribert Donnerbauer ................................................................................... ... 154

Dr. Walter Rosenkranz ........................................................................................... ... 156

Dr. Peter Pilz ........................................................................................................... ... 159

Herbert Scheibner .................................................................................................. ... 162

Mag. Gisela Wurm ................................................................................................... ... 163

Erwin Hornek .......................................................................................................... ... 165

DDr. Werner Königshofer ...................................................................................... ... 166

Dr. Harald Walser .................................................................................................... ... 168

Dr. Peter Wittmann ................................................................................................. ... 170

Werner Amon, MBA ................................................................................................ ... 171

Mag. Ewald Stadler ................................................................................................. ... 173

Dr. Josef Cap ........................................................................................................... ... 174

Entschließungsantrag (Misstrauensantrag) der Abgeordneten Stefan Petzner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Versagen des Vertrauens gegenüber der Bundesministerin für Justiz gemäß Artikel 74 Abs. 1 des Bundes-Verfas­sungsgesetzes – Ablehnung ........................................................  140, 175

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regie­rungsvorlage (880 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen 1987, das Landarbeitsgesetz 1984, das Arbeitsruhegesetz, das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz, das Arbeits­inspektionsgesetz 1993 und das Arbeitszeitgesetz geändert werden (897 d.B.) ........... 50

2. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 815/A(E) der Abgeordneten Mag. Birgit Schatz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung eines gesetzlichen Mindestlohns (898 d.B.) ........................................................................................................................ 50

Redner/Rednerinnen:

Mag. Birgit Schatz .................................................................................................. ..... 51

Renate Csörgits ...................................................................................................... ..... 54

Sigisbert Dolinschek .............................................................................................. ..... 55

Karl Donabauer ....................................................................................................... ..... 57

Ing. Norbert Hofer ................................................................................................... ..... 58

Bundesminister Rudolf Hundstorfer .................................................................... ..... 60

Karl Öllinger ............................................................................................................ ..... 63

Ulrike Königsberger-Ludwig ................................................................................. ..... 64

Ursula Haubner ....................................................................................................... ..... 65

Gabriele Tamandl .................................................................................................... ..... 66

Anneliese Kitzmüller .............................................................................................. ..... 69

Mag. Judith Schwentner ........................................................................................ ..... 70

Dr. Sabine Oberhauser, MAS ................................................................................ ..... 71

Martina Schenk ....................................................................................................... ..... 72

Johann Höfinger ..................................................................................................... ..... 73


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll81. Sitzung / Seite 5

Dr. Andreas Karlsböck ........................................................................................... ..... 74

Carmen Gartelgruber ............................................................................................. ..... 75

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Birgit Schatz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Mindestlohn von 7,50 € brutto pro Arbeitsstunde – Ableh­nung (namentliche Abstimmung)            52, 76

Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Entwicklung der österreichischen Löhne in Folge der Ostöffnung des österreichischen Arbeitsmarktes 2011 – Ablehnung ................................................................................................................  68, 79

Annahme des Gesetzentwurfes in 897 d.B. ................................................................... 76

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 898 d.B. ................................................... ..... 76

3. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regie­rungsvorlage (876 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversiche­rungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Künstler-Sozial­ver­sicherungsfondsgesetz und das Betriebliche Mitarbeiter- und Selbständigen­vorsorgegesetz geändert werden (KünstlerInnensozialversicherungs-Strukturge­setz – KSV-SG) (899 d.B.) ................................................................................................................ 79

Redner/Rednerinnen:

Bernhard Vock ........................................................................................................ ..... 79

Mag. Christine Lapp ............................................................................................... ..... 80

Stefan Petzner ......................................................................................................... ..... 81

Mag. Silvia Fuhrmann ............................................................................................. ..... 81

Josef Jury ................................................................................................................ ..... 83

Bundesminister Rudolf Hundstorfer .................................................................... ..... 83

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl ...................................................................................... ..... 84

Gerald Grosz ........................................................................................................... ..... 87

Dietmar Keck ........................................................................................................... ..... 88

Jochen Pack ............................................................................................................ ..... 89

Franz Riepl .............................................................................................................. ..... 90

Annahme des Gesetzentwurfes in 899 d.B. ............................................................. ..... 91

4. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regie­rungsvorlage (865 d.B.): Abkommen zwischen der Republik Österreich und Montenegro über soziale Sicherheit (902 d.B.)         ............................................................................................................................... 92

Redner/Rednerinnen:

Dr. Andreas Karlsböck ........................................................................................... ..... 92

Ursula Haubner ....................................................................................................... ..... 93

Karl Öllinger ............................................................................................................ ..... 93

Wolfgang Großruck ................................................................................................ ..... 93

Renate Csörgits ...................................................................................................... ..... 94

Genehmigung des Staatsvertrages in 902 d.B. ............................................................. 94

Gemeinsame Beratung über

5. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 121/A(E) der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gebärdensprachkurse für Eltern gehörloser Kinder (903 d.B.) ........................................................................................................................ 94

6. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 123/A(E) der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend audiopädagogische Förderung für hörbehinderte Kinder (904 d.B.) ............................................................................................................ 94


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7. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 1168/A(E) der Abgeordneten Mag. Helene Jarmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Anerkennung von Taubblindheit als eigenständige Art der Behin­de­rung (905 d.B.) ...................................................................................... 94

Redner/Rednerinnen:

Ing. Norbert Hofer ................................................................................................... ..... 95

Erwin Spindelberger .............................................................................................. ..... 97

Karl Öllinger .........................................................................................................  98, 104

Ridi Maria Steibl ...................................................................................................... ... 100

Bundesminister Rudolf Hundstorfer .................................................................... ... 101

Sigisbert Dolinschek .............................................................................................. ... 102

Johann Hell .............................................................................................................. ... 104

Oswald Klikovits ..................................................................................................... ... 105

Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Hände weg vom Pflegegeld!“ – Ablehnung ......................................................................  97, 106

Kenntnisnahme der beiden Ausschussberichte 903 und 904 d.B. ............................... 106

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 905 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend Anerkennung von Taubblindheit als eigenständige Art der Behinderung (E 126) ....... 106

8. Punkt: Bericht des Ausschusses für Konsumentenschutz über den Antrag 1233/A(E) der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Gabriele Tamandl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Standardisierte Produktinformation (Klipp-und-Klar-Informationen) für alle Versicherungskunden“ (907 d.B.)                    106

Redner/Rednerinnen:

Mag. Johann Maier .................................................................................................. ... 106

Johann Rädler ......................................................................................................... ... 107

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek ..................................................................................... ... 108

Mag. Birgit Schatz .................................................................................................. ... 109

Sigisbert Dolinschek .............................................................................................. ... 111

Ing. Erwin Kaipel ..................................................................................................... ... 112

Mag. Gertrude Aubauer ......................................................................................... ... 176

Harald Jannach ....................................................................................................... ... 176

Erwin Preiner .......................................................................................................... ... 177

Michael Praßl ........................................................................................................... ... 178

Erwin Spindelberger .............................................................................................. ... 178

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 907 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend „Standardisierte Produktinformation (Klipp-und-Klar-Infor­mationen) für alle Versicherungskunden“ (E 127)      ............................................................................................................................. 179

9. Punkt: Bericht des Gleichbehandlungsausschusses über den Frauen­bericht 2010 der Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst (III-174/919 d.B.) ........................................................ 179

Redner/Rednerinnen:

Carmen Gartelgruber ............................................................................................. ... 179

Mag. Gisela Wurm ................................................................................................... ... 181

Mag. Heidemarie Unterreiner ................................................................................ ... 182

Dorothea Schittenhelm .......................................................................................... ... 183

Anneliese Kitzmüller .............................................................................................. ... 184

Mag. Judith Schwentner ........................................................................................ ... 185

Bundesministerin für Gabriele Heinisch-Hosek ................................................. ... 187


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll81. Sitzung / Seite 7

Edith Mühlberghuber ............................................................................................. ... 189

Martina Schenk ....................................................................................................... ... 190

Gabriele Binder-Maier ............................................................................................ ... 192

Claudia Durchschlag .............................................................................................. ... 192

Tanja Windbüchler-Souschill ................................................................................ ... 194

Ursula Haubner ....................................................................................................... ... 195

Renate Csörgits ...................................................................................................... ... 197

Mag. Gertrude Aubauer ......................................................................................... ... 198

Karl Öllinger ............................................................................................................ ... 199

Andrea Gessl-Ranftl ............................................................................................... ... 201

Dr. Ursula Plassnik ................................................................................................. ... 201

Johann Hell .............................................................................................................. ... 202

Gabriel Obernosterer ............................................................................................. ... 203

Wolfgang Zanger .................................................................................................... ... 204

Kenntnisnahme des Berichtes III-174 d.B. ................................................................... 206

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 919 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend Maßnahmen zur Steigerung des Männeranteils in pädagogischen Berufen (E 128)                         206

10. Punkt: Bericht des Gleichbehandlungsausschusses über den An­trag 1081/A(E) der Abgeordneten Mag. Gisela Wurm, Dorothea Schittenhelm, Mag. Judith Schwentner, Martina Schenk, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gleichstellung von Frauen und Männern im Programm Ländliche Entwick­lung 2007–2013 (LE 07–13) (920 d.B.) ................................................................................................... 206

Redner/Rednerinnen:

Anneliese Kitzmüller .............................................................................................. ... 206

Hermann Lipitsch ................................................................................................... ... 207

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber ....................................................................... ... 208

Anna Höllerer .......................................................................................................... ... 209

Martina Schenk ....................................................................................................... ... 210

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 920 d.B. ...................................................... 211

Zuweisung des Antrages 1081/A(E) an den Ausschuss für Land- und Forst­wirtschaft                    211

11. Punkt: Bericht des Gleichbehandlungsausschusses über den An­trag 1218/A(E) der Abgeordneten Carmen Gartelgruber, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend die Aufnahme von Verhandlungen mit den Sozialpartnern hinsichtlich der Verbesserung der Einkommenssituation von Frauen (921 d.B.)                211

Redner/Rednerinnen:

Carmen Gartelgruber ............................................................................................. ... 211

Franz Riepl .............................................................................................................. ... 212

Tanja Windbüchler-Souschill ................................................................................ ... 213

Dorothea Schittenhelm .......................................................................................... ... 213

Ursula Haubner ....................................................................................................... ... 215

Entschließungsantrag der Abgeordneten Ursula Haubner, Kollegin und Kolle­gen betreffend Maßnahmen zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie – Ablehnung ..........  216, 217

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 921 d.B. ...................................................... 217


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll81. Sitzung / Seite 8

12. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Grünen Bericht 2010 der Bundesregierung (III-179/906 d.B.) .............................................................................. 217

Redner/Rednerinnen:

Fritz Grillitsch ......................................................................................................... ... 217

Gabriele Binder-Maier ............................................................................................ ... 218

Harald Jannach ..................................................................................................  219, 253

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber ..................................................................  221, 252

Dr. Wolfgang Spadiut ................................................................................................ 224

Jakob Auer .........................................................................................................  225, 250

Josef Muchitsch ...................................................................................................... ... 227

Rupert Doppler ....................................................................................................... ... 227

Mag. Christiane Brunner ........................................................................................ ... 228

Gerhard Huber ........................................................................................................ ... 230

Franz Eßl .................................................................................................................. ... 236

Ewald Sacher .......................................................................................................... ... 237

Bernhard Vock ........................................................................................................ ... 238

Hermann Gahr ......................................................................................................... ... 239

Mag. Michael Schickhofer ...................................................................................... ... 240

Anna Höllerer .......................................................................................................... ... 240

Rosemarie Schönpass ........................................................................................... ... 242

Peter Mayer .............................................................................................................. ... 242

Bundesminister Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich ................................................ ... 244

Mag. Kurt Gaßner ................................................................................................... ... 247

Ing. Hermann Schultes ........................................................................................... ... 248

Maximilian Linder .................................................................................................... ... 251

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Christiane Brunner, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend „Grüner Bericht 2010 und die damit zusammen­hängenden Empfehlungen des 9. Umweltkontrollberichtes“ – Ablehnung ............................................................................................................  233, 254

Entschließungsantrag der Abgeordneten Gerhard Huber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Herausgabe des Strategieplanes „Nationale Schwerpunkt­setzung und Gestaltungsspielräume“ durch den Landwirtschaftsminister – Ableh­nung .................................................................  232, 254

Kenntnisnahme des Berichtes III-179 d.B. ................................................................... 254

13. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 488/A(E) der Abgeordneten Gerhard Huber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Österreich als gentechnikfreie Modellregion (941 d.B.) ................................................................................................ 254

Redner/Rednerinnen:

Harald Jannach ..................................................................................................  254, 261

Fritz Grillitsch ......................................................................................................... ... 256

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber ....................................................................... ... 256

Walter Schopf .......................................................................................................... ... 258

Gerhard Huber ........................................................................................................ ... 259

Maximilian Linder .................................................................................................... ... 260

Bundesminister Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich ................................................ ... 260

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kennzeichnungspflicht für Lebensmittel von Tieren, die mit gentechnisch veränderten Futtermitteln ernährt wurden – Ableh­nung ...............................................................................  257, 263


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll81. Sitzung / Seite 9

Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Errichtung gentechnikfreier Schutzzonen in Österreich – Ablehnung ................  262, 263

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 941 d.B. ...................................................... 262

Gemeinsame Beratung über

14. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 1280/A(E) der Ab­geordneten Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend sofortige Stilllegung von Isar 1 (925 d.B.) ......... 263

15. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 1043/A(E) der Abgeordneten Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend keine Betriebsverlängerung für Isar 1 (926 d.B.)                    263

16. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 1188/A(E) der Abgeordneten Mag. Rainer Widmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Euratom-Ausstieg Österreichs (927 d.B.)                          263

Redner/Rednerinnen:

Werner Neubauer ..............................................................................................  263, 291

Ing. Hermann Schultes .............................................................................................. 268

Mag. Christiane Brunner ..................................................................................  272, 289

Petra Bayr ................................................................................................................ ... 276

Mag. Rainer Widmann ............................................................................................ ... 277

Johannes Schmuckenschlager ............................................................................. ... 281

Bundesminister Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich ................................................ ... 282

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek ..................................................................................... ... 284

Walter Schopf .......................................................................................................... ... 285

Harald Jannach ....................................................................................................... ... 286

Erwin Hornek .......................................................................................................... ... 287

Werner Neubauer (tatsächliche Berichtigung) ........................................................... 287

Andrea Gessl-Ranftl ............................................................................................... ... 287

Peter Mayer .............................................................................................................. ... 288

Mag. Johann Maier .................................................................................................. ... 289

Mag. Josef Lettenbichler ........................................................................................ ... 290

Peter Stauber .......................................................................................................... ... 292

Entschließungsantrag der Abgeordneten Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend grenzüberschreitende UVP bei Betriebsverlängerung deut­scher AKWs – Ablehnung  265, 292

Entschließungsantrag der Abgeordneten Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend keine Rückkehr zur Atomkraft in Italien – Ablehnung ..................................................  267, 292

Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Hermann Schultes, Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend geplante Laufzeitverlängerung von Kernkraftwerken in Deutschland – Annahme (E 129)      270, 293

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Christiane Brunner, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Stopp der geplanten Laufzeitverlängerung deut­scher Kernkraftwerke – Ablehnung  274, 293

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Rainer Widmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Beantragung einer grenzüberschreitenden Umwelt­prüfung – Ablehnung ..........  280, 293


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll81. Sitzung / Seite 10

Kenntnisnahme der drei Ausschussberichte 925, 926 und 927 d.B. ........................... 292

Eingebracht wurden

Regierungsvorlagen .................................................................................................... 47

938: Bundesgesetz, mit dem das Gleichbehandlungsgesetz, das Gesetz über die Gleichbehandlungskommission und die Gleichbehandlungsanwaltschaft, das Be­hinderteneinstellungsgesetz und das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz geändert werden

939: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Serbien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll

940: Bundesgesetz über eine Transparenzdatenbank (Transparenzdaten­bank­gesetz – TDBG)

Anträge der Abgeordneten

Ursula Haubner, Kollegin und Kollegen betreffend Maßnahmen zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie (1316/A)(E)

Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend keine Rückkehr zur Atomkraft in Italien (1317/A)(E)

Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend grenzüberschreitende UVP bei Betriebsverlängerung deutscher AKWs (1318/A)(E)

Mag. Roman Haider, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über das Verbrennen von Materialien außerhalb von Anlagen (Bun­desluftreinhaltegesetz – BLRG) geändert wird (1319/A)

Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend steuerliche Absetzbarkeit von Spenden für Tier- und Umweltschutz (1320/A)(E)

Anton Heinzl, Dr. Ferdinand Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960), das Führerschein­gesetz und das Kraftfahrgesetz 1967 geändert werden (1321/A)

Dr. Wolfgang Spadiut, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zulassung von Stevia (1322/A)(E)

Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Durchführung einer Gebarungsüberprüfung durch den Rechnungshof gemäß § 99 Abs. 2 GOG hinsichtlich des Beschaffungsvorganges „Elektronische Aufsicht“ samt der diesbezüglichen Entscheidungen des Bundesministeriums für Justiz und der Bundesbeschaffung GmbH unter besonderer Berücksichtigung des Umstandes, dass es zum Zeitpunkt der Aus­schreibung dafür keine gesetzliche Grundlage gegeben hat (1323/A und Zu 1323/A)

Christoph Hagen, Kolleginnen und Kollegen betreffend Geschwindigkeitsflexibilisie­rung auf Autobahnen (1324/A)(E)

Ursula Haubner, Kollegin und Kollegen betreffend Erweiterung der Aufgaben der Kommission zur langfristigen Pensionssicherung (1325/A)(E)

Ursula Haubner, Kollegin und Kollegen betreffend umfassende Verbesserungen im Pflegebereich (1326/A)(E)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll81. Sitzung / Seite 11

Christoph Hagen, Kolleginnen und Kollegen betreffend generelles Lkw-Überholverbot auf zweispurigen Autobahnen (1327/A)(E)

Ursula Haubner, Kollegin und Kollegen betreffend Aufwertung des freiwilligen sozialen Jahres als „Bürgerhilfe“ (1328/A)(E)

Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zweckbindung MöSt (1329/A)(E)

Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend finanzielle Erleichterungen für Elektro- und Hybridfahrzeuge (1330/A)(E)

Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend finanzielle Erleichterungen für Elektro- und Hybridfahrzeuge (1331/A)(E)

Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erhöhung der Planstellen für Exekutivbedienstete im Justizwachedienst (1332/A)(E)

Josef Jury, Maximilian Linder, Kolleginnen und Kollegen betreffend steuerliche Absetzbarkeit von Spenden an den Österreichischen Zivilinvalidenverband (1333/A)(E)

Dr. Wolfgang Spadiut, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arzneimittelgesetz geändert wird (1334/A)

Anfragen der Abgeordneten

Mag. Ewald Stadler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend „Bandions Blamagen“ und deren Folgen für den österreichischen Rechtsstaat (6687/J)

Dr. Johannes Jarolim, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Wis­senschaft und Forschung betreffend massive Mängel in der Wahrnehmung der Rechtsaufsicht über die Medizinische Universität Innsbruck (MUI) & weiterhin unhalt­bare Zustände an und in der Führung dieser Universität (6688/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend betreffend „Sicherheitsgewerbe (Berufsdetektive und Be­wachungs­gewerbe) – Gesetzliche Regelungen – Perspektiven“ (6689/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend „Sicherheitsgewerbe (Berufsdetektive und Bewachungsgewerbe) – Gesetz­liche Regelungen“ (6690/J)

Dr. Peter Wittmann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Vorwurf der Packelei durch die ÖVP-Niederösterreich (6691/J)

Dr. Peter Wittmann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Vorwurf der Packelei durch die ÖVP-Niederösterreich (6692/J)

Dr. Peter Wittmann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend betreffend Vorwurf der Packelei durch die ÖVP-Niederösterreich (6693/J)

Anton Heinzl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend betreffend Vorwurf der Packelei durch die ÖVP-Niederösterreich (6694/J)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll81. Sitzung / Seite 12

Anton Heinzl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Vorwurf der Packelei durch die ÖVP-Niederösterreich (6695/J)

Anton Heinzl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betref­fend Vorwurf der Packelei durch die ÖVP-Niederösterreich (6696/J)

Mag. Sonja Steßl-Mühlbacher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend die sogenannte BUWOG-Causa (6697/J)

Mag. Christiane Brunner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Gefährdungshaftung für gefährliche Betriebe (6698/J)

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur betreffend das Amtsverständnis des MAK-Direktors Peter Noever (6699/J)

Gerhard Köfer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend die Anfragebeantwortung vom 9. September 2010 bezüglich des Integrationsprojektes OSETO (6700/J)

Gerhard Köfer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend BMI-Inserat in der Gratiszeitung „Heute“ vom 18. Oktober 2010 (6701/J)

Gerhard Köfer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur betreffend Raumvermietungspraxis in den Bundesmuseen (6702/J)

Gerhard Köfer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Wissenschaft und Forschung betreffend Forschungsprojekte im Bereich der Nanotechnologie (6703/J)

Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Umsetzung des Nationalen Aktionsplans zur Vor­beugung und Eliminierung von FGM in Österreich 2009–2011 (6704/J)

Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend betreffend Umsetzung des Nationalen Aktionsplans zur Vorbeugung und Eliminierung von FGM in Österreich 2009–2011 (6705/J)

Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Umsetzung des Nationalen Aktionsplans zur Vorbeugung und Eliminierung von FGM in Österreich 2009–2011 (6706/J)

Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Umsetzung des Nationalen Aktionsplans zur Vorbeugung und Eliminierung von FGM in Österreich 2009–2011 (6707/J)

Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesundheit betref­fend Umsetzung des Nationalen Aktionsplans zur Vorbeugung und Eliminierung von FGM in Österreich 2009–2011 (6708/J)

Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur betreffend Umsetzung des Nationalen Aktionsplans zur Vorbeugung und Eliminierung von FGM in Österreich 2009–2011 (6709/J)

Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst betreffend Umsetzung des Nationalen Aktionsplans zur Vorbeugung und Eliminierung von FGM in Österreich 2009–2011 (6710/J)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll81. Sitzung / Seite 13

Bernhard Themessl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Solidaritäts- und Strukturfonds, Bürokratie und Monopolverwaltung (6711/J)

Bernhard Themessl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend betreffend Immobilienmaklerverordnung (6712/J)

Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Kontaktaufnahme von Dr. Rzeszut (6713/J)

Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend die Kosten für Werbung im Bundeskanzleramt (6714/J)

Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst betreffend die Kosten für Werbung in den Ministerien (6715/J)

Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend die Kosten für Werbung in den Ministerien (6716/J)

Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, So­ziales und Konsumentenschutz betreffend die Kosten für Werbung in den Ministerien (6717/J)

Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend die Kosten für Werbung in den Ministerien (6718/J)

Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesundheit betreffend die Kosten für Werbung in den Ministerien (6719/J)

Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend die Kosten für Werbung in den Ministerien (6720/J)

Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend die Kosten für Werbung in den Ministerien (6721/J)

Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesvertei­digung und Sport betreffend die Kosten für Werbung in den Ministerien (6722/J)

Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend die Kosten für Werbung in den Ministerien (6723/J)

Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur betreffend die Kosten für Werbung in den Ministerien (6724/J)

Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend die Kosten für Werbung in den Ministerien (6725/J)

Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend betreffend die Kosten für Werbung in den Ministerien (6726/J)

Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Wissen­schaft und Forschung betreffend die Kosten für Werbung in den Ministerien (6727/J)

Dietmar Keck, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Prozesshilfe und Opferschutzorganisationen (6728/J)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll81. Sitzung / Seite 14

Erwin Preiner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend aktuelle Kriminalstatistik und Personalsituation bei der Polizei im Burgenland (6729/J)

Anton Heinzl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Causa Niederösterreichische Hypo Investmentbank (6730/J)

Gerhard Huber, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Kosten der Werbekampagne „UNSERE BAUERN BRINGEN’S“ (6731/J)

Dr. Peter Wittmann, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Causa Hypo Alpe-Adria (6732/J)

Gabriele Binder-Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend „Unterrichtsfach Imkerei im Lehrplan landwirtschaftlicher Fachschulen“ (6733/J)

Günter Kößl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur betreffend Vorhaben des Bildungsressorts zur eklatanten Benachteiligung der Strukturen des ländlichen Raums durch Schulschließungen im Bezirk Scheibbs (6734/J)

Günter Kößl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur betreffend Vorhaben des Bildungsressorts zur eklatanten Benachteiligung der Strukturen des ländlichen Raums durch Schulschließungen im Bezirk Melk (6735/J)

Günter Kößl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur betreffend Vorhaben des Bildungsressorts zur eklatanten Benachteiligung der Strukturen des ländlichen Raums durch Schulschließungen im Bezirk Amstetten (6736/J)

Hannes Fazekas, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Dolmetschkosten im Bundesministerium für Inneres (6737/J)

Christoph Hagen, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend aufklärungsbedürftige Vorgangsweise der Justiz in Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen den Feldkircher Bürgermeister (6738/J)

*****

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen an die Präsidentin des Nationalrates betreffend Bezug von Printmedien im Parlament durch Monopolisten Firma Morawa (51/JPR)


 


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll81. Sitzung / Seite 15

10.00.24Beginn der Sitzung: 10 Uhr

Vorsitzende: Präsidentin Mag. Barbara Prammer, Zweiter Präsident Fritz Neugebauer, Dritter Präsident Mag. Dr. Martin Graf.

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Guten Morgen, meine Damen und Herren! Ich eröffne die 81. Sitzung des Nationalrates und darf Sie bitten, Ihre Plätze einzunehmen.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Ablinger, Mag. Auer, Plessl, Hörl, Dr. Belakowitsch-Jenewein, Kickl, Jarmer und Dr. Strutz.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Für diese Sitzung hat das Bundeskanzleramt über die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung, welche sich in einem ande­ren Mitgliedstaat der Europäischen Union aufhalten, folgende Mitteilung gemacht:

Der Bundesminister für Landesverteidigung und Sport Mag. Norbert Darabos wird durch die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Doris Bures ver­treten.

10.01.06Mandatsverzicht und Angelobung

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Von der Bundeswahlbehörde sind die Mit­teilungen eingelangt, dass die Abgeordneten Lutz Weinzinger und Dr. Gerhard Kurz­mann auf ihre Mandate verzichtet haben und an ihrer Stelle Elmar Podgorschek und Josef A. Riemer in den Nationalrat berufen wurden.

Da die Wahlscheine bereits vorliegen und die Genannten im Hause anwesend sind, werde ich sogleich ihre Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel und über Namensaufruf durch den Herrn Schrift­führer werden die neuen Mandatare ihre Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“ zu leisten haben.

Ich ersuche den Herrn Schriftführer, Herrn Abgeordneten Jakob Auer, um die Ver­lesung der Gelöbnisformel und den Namensaufruf.

10.02.00

 


Schriftführer Jakob Auer: „Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze und gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten.“

Über Namensaufruf durch den Schriftführer Jakob Auer leisten die Abgeordneten Elmar Podgorschek und Josef A. Riemer die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Ich begrüße die neuen Abgeordneten herzlich in unserer Mitte. (Allgemeiner Beifall.)

*****

Ich gebe bekannt, dass die Fragestunde und die anschließende Debatte in der Zeit von 10 bis 13 Uhr vom ORF live übertragen werden.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll81. Sitzung / Seite 16

10.02.47Fragestunde

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zur Fragestunde.

Ich gebe bekannt, dass Einvernehmen darüber besteht, künftig alle Anfragen an eine Bundesministerin/einen Bundesminister im Rahmen einer Fragestunde in einer Sitzung zu behandeln, also zu Ende zu behandeln.

Zum Aufruf gelangt daher die noch offene Anfrage vom 9. Juli 2010 an die Bun­desministerin für Verkehr, Innovation und Technologie.

Daran anschließend gelangen – entsprechend der Präsidialvereinbarung – alle Anfra­gen an den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend zum Aufruf. Die Behandlung dieser Fragestellungen wird heute auch zu Ende gebracht.

Die Fragestellungen durch die Damen und Herren Abgeordneten werden von den Rednerpulten im Halbrund vorgenommen, die Beantwortung durch die Mitglieder der Bundesregierung vom Rednerpult der Abgeordneten.

Für die Anfrage- und Zusatzfragestellerinnen und -steller ist jeweils 1 Minute Redezeit vorgesehen. Die Beantwortung der Anfrage soll 2 Minuten, jene der Zusatzfragen je­weils 1 Minute betragen.

Ich werde, so wie bisher, wenige Sekunden vor Ende der jeweiligen Redezeit mit einem Glockenzeichen auf deren Ablauf aufmerksam machen.

Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir kommen nun zur 1. Anfrage, das ist die der Frau Abgeordneten Schittenhelm an die Frau Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


Abgeordnete Dorothea Schittenhelm (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ge­schätzte Frau Bundesministerin! Die Europäische Kommission hat bereits im Jahr 2007 mit ihrem Evaluierungsbericht Kritik an der Umsetzung Österreichs am „Ersten Eisenbahnpaket“ wegen mangelhafter Liberalisierung des Bahngüterverkehrs geübt, aber trotz dieser Kritik ist anscheinend nichts geschehen. Nun führt die EU-Kom­mission Klage gegen Österreich.

Daher meine Frage:

83/M

„Welche Maßnahmen setzen Sie anlässlich der Klage der Europäischen Kommission gegen Österreich wegen der nicht ordnungsgemäßen Umsetzung des ,ersten Eisen­bahnpakets‘, insbesondere wegen mangelnder Unabhängigkeit der Trassenzuwei­sungs­stelle von den Eisenbahnunternehmen?“

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Doris Bures: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Einen schönen guten Morgen wünsche ich. – Frau Abgeordnete, ich bin Ihnen sehr dankbar für diese Frage, weil man daran sieht, dass insgesamt auf europäischer Ebene, was die Liberalisierung des Schienenmarktes betrifft, noch ein Klärungsbedarf besteht.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll81. Sitzung / Seite 17

Nicht nur Österreich wurde, was die Umsetzung betrifft, gemahnt, sondern insgesamt 24 EU-Mitgliedstaaten von den 27. Es wurden seitens der EU drei Punkte in der Umsetzung in Frage gestellt.

Der erste Punkt betrifft die Sanktionsmöglichkeiten der Regulierungsstellen. Da konnten wir mittlerweile die EU-Kommission überzeugen beziehungsweise glaubhaft machen, dass wir mit der Autonomie im Rahmen der Schienenkontrollkommission die­sen Punkt erledigt haben, und danach wurde die Mahnung diesbezüglich zurück­gezogen.

Der zweite Punkt, der kritisiert wurde, betrifft die Bedingungen der Netzvergabe. Da ist es darum gegangen, dass ein Bonus-Malus-System eingeführt werden soll, was Verträge in Bezug auf den Betrieb und das Fahren auf diesen Strecken betrifft. Auch diese Forderung ist bereits umgesetzt. Mit 1. Jänner 2011 wird es so weit sein, dass auch wir in Österreich solch ein Bonus-Malus-System haben. Einen Bonus gibt es dann, wenn zum Beispiel mit leichten, modernen und leisen Fahrzeugen gefahren wird, und einen Malus dann, wenn es zu Verspätungen kommt.

Und der dritte Punkt, der kritisiert wurde, betrifft die Vergabe der Trassen, die Trassenzuweisungen. Da sind wir noch in Verhandlungen mit der Europäischen Union.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Schittenhelm.

 


Abgeordnete Dorothea Schittenhelm (ÖVP): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Kritik hat die EU-Kommission auch geübt an der von den ÖBB gewählten Holding­konstruktion und der damit verbundenen Bestellung der Manager der Holding in den Aufsichtsrat der Tochterunternehmen.

Wie beurteilen Sie eigentlich die von Ihnen kürzlich vorgenommene offensichtlich nicht EU-rechtskonforme Neubestellung der ÖBB-Aufsichtsräte, indem eine personelle Verkettung von Vorstands- und Aufsichtsratsfunktionen innerhalb des ÖBB-Konzerns vorgenommen wurde?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Doris Bures: Es wurde ja nach Lautwerden dieser Kritik ein neues ÖBB-Strukturgesetz hier im Hohen Haus beschlossen, das auf einige dieser Kritikpunkte Bezug nimmt. Ich glaube, dass es wichtig ist, dass wir im Eisenbahnunternehmen ÖBB eine starke Holding haben, die die Koordinierung dieses wichtigen Unternehmens in den drei zentralen Bereichen Personenverkehr, Güterverkehr und Infrastrukturinvestitionen übernimmt.

In meinem Zuständigkeitsbereich liegt die Besetzung des Holdingaufsichtsrats, sozu­sagen der Muttergesellschaft. Ich glaube, da ist mit der Besetzung mit inter­nationalen Experten von der Schweizer Bahn und mit Wirtschafts- und Rechtsexperten eine gute Mischung gelungen. In den eigenen Gesellschaften selbst übernimmt die Besetzung das Unternehmen selbst, da erfolgt die Nominierung nicht seitens der Ministerin.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Hagen.

 


Abgeordneter Christoph Hagen (BZÖ): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! In Öster­reich beträgt der Gütertransport auf der Schiene 37 Prozent; in der Schweiz sind es 61 Prozent, und das steigend. Im Westen Österreichs ist es damit sehr schlecht bestellt. So ist in Vorarlberg der Gütertransport auf der Schiene beinahe zum Erliegen gekommen, dort liegt er im einstelligen Bereich. Schiene und Infrastruktur sind dort kaum vorhanden, um da Verbesserungen herbeizuführen. Durch den öffentlichen Nah­verkehr, durch den Personentransport und bessere Intervalle wurde dort der Güter­


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transport nach hinten gedrückt. Die Schweiz zeigt uns vor, dass das auch anders möglich ist, aber dazu bedarf es entsprechender Maßnahmen.

Meine konkrete Frage: Welche Maßnahmen gedenken Sie zu setzen, um den Güter­transport von der Straße auf die Schiene speziell im Westen zu forcieren?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Doris Bures: Sie haben recht. Auch ich blicke neidvoll in die Schweiz, der es mittels mehr Kosten­wahrheit bei Straße und Schiene gelungen ist, in diesem Bereich eine starke Ver­lagerung vorzunehmen. Das ist auch das Ziel meiner Verkehrspolitik: weniger Verkehr auf der Straße, weniger Lkw auf der Straße und mehr Güterverkehr auf der Schiene.

Da liegen wir aber im europäischen Vergleich an der Spitze der EU-27. Mit 31 Prozent Güterverkehr auf der Schiene schneiden wir in der EU da am besten ab. Der EU-Durchschnitt ist gerade halb so viel, nämlich 15 Prozent. Deutschland weist knapp 10 Prozent auf. Also wir brauchen da unser Licht nicht unter den Scheffel zu stellen.

Wir sind da zwar gut unterwegs, aber ich glaube, dass das ganz Entscheidende ist, dass auch uns das gelingt, was der Schweiz gelungen ist, nämlich zu mehr Kostenwahrheit bei Straße und Schiene zu kommen und damit zu einer stärkeren Verlagerung des Gütertransportes auf der Schiene in ganz Europa.

Es muss einen Vorzug für das Transportmittel Schiene geben, weil es das schnellere und umweltfreundlichere ist und weil es die Bevölkerung vom Transitverkehr entlastet. Das ist mein Ziel, und dieses werde ich trotz Sparkurs weiter verfolgen.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Dr. Moser.

 


Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Guten Morgen! Frau Ministerin! Frau Präsidentin! Die Verlagerung der Güter von der Straße auf die Schiene ist das eine, das wichtig ist, aber die Attraktivierung der öffentlichen Verkehrsmittel für die Fahr­gäste, für die Personen, für die Menschen ist das andere, und das ist meines Erach­tens teilweise noch viel wichtiger.

Jetzt haben wir neue Fahrplanentwürfe der ÖBB, und die sehen vor, dass der Fernverkehr zwischen den Landeshauptstädten eingestellt wird. Linz–Graz, Graz–Innsbruck, Graz–Salzburg, da gibt es immer nur Regionalverkehr.

Meine Frage: Wie sollen die Menschen vom Auto, von der Straße auf die Bahnen, auf die ÖBB, auf die öffentlichen Verkehrsmitteln umsteigen können, wenn sie dort ständig umsteigen müssen? Im Auto sitzen sie von A bis Z in einem Gefährt, und bei der Bahn geht es rein, raus, rein, raus. Dieser Fahrplan ist ein Murks, Frau Ministerin!

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Doris Bures: Frau Abgeordnete, ich glaube, wir sind uns einig, wenn ich sage: Beides ist wichtig! Wir brauchen mehr Güterverkehr auf der Schiene, weil wir nicht die Lkw-Kolonnen auf den Autobahnen haben wollen, und wir wollen ein attraktives Angebot im Schienennetz für die PendlerInnen, aber auch für jene, die die Bahn für ihren Urlaub nützen wollen. In beiden Fällen ist die Bahn zu attraktivieren.

Ich bin sehr froh darüber, dass hier im Parlament ein Gesetz beschlossen wurde, das sogenannte ÖBB-Strukturgesetz, wo der Bund klar festlegt, welche Strecken sich im Zielnetz der ÖBB befinden und daher mittels Förderungen seitens des Bundes zu forcieren sind.


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Aber wir haben in diesem Gesetz auch klar festgehalten, dass das, was Sie zu Recht verlangen, nämlich eine flächendeckende Versorgung mit öffentlichen Verkehrsmitteln, nur in enger Abstimmung mit den Ländern erfolgen kann. Dass es nun möglicherweise zu Zugeinstellungen zwischen Linz und Graz kommt, wie Sie es hier kritisiert haben, hat damit zu tun, dass das Land Oberösterreich leider gesagt hat, dass es den Beitrag, den es bisher geleistet hat, in Zukunft nicht mehr leistet.

Eines geht natürlich nicht: Man kann nicht etwas bestellen und dann nichts dafür be­zahlen wollen. Sondern: Wenn der Bund Leistungen bestellt, dann muss er sie zahlen, und wenn die Länder Leistungen bestellen, dann müssen auch die bezahlt werden. Nur dann haben wir für die Bevölkerung ein gutes, attraktives Angebot im Schienennetz.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Deimek.

 


Abgeordneter Dipl.-Ing. Gerhard Deimek (FPÖ): Guten Morgen! Frau Bundesminister, zurück zum „Ersten Eisenbahnpaket“, das ja unter anderem aus der Zulassung der Eisenbahnunternehmen und dem Trassenmanagement besteht.

Konkret: Auf der Westbahn ist bekannt, dass ab Dezember 2011 die Westbahn­gesellschaft, die neue Gesellschaft fährt, und die hat ja vor kurzer Zeit eine Klage gegen die Republik eingebracht, weil sie sich durch eine Gesetzesänderung von früher benachteiligt fühlt.

Daher meine Frage: Was werden Sie tun, um erstens Chancengleichheit zwischen den Unternehmen ÖBB und Westbahn herzustellen und um zweitens die Republik bei dieser Klage möglichst schadlos zu halten?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Doris Bures: Herr Abgeordneter! Nicht nur aus europarechtlichen Gründen bin ich der Auffassung, dass wir diese Liberalisierung vorzunehmen haben, sondern auch deshalb, weil ich davon überzeugt bin, dass Wettbewerb auf der Schiene für alle etwas Gutes ist: für die Unternehmen, aber vor allem für die Kundinnen und Kunden eines Unternehmens. Daher unterstütze ich diese Maßnahmen.

Ich kann Ihnen berichten, dass die Genehmigungsverfahren, die seitens des BMVIT für diese Liberalisierung eingeleitet wurden, wirklich hervorragend laufen, dass wir da auf einem positiven Weg sind, um, was die Genehmigungen betrifft, bescheidmäßig alles zu ermöglichen.

Wir sind auch, was die Infrastruktur und den Trassenzugang für Private betrifft, wirklich sehr weit. Da bin ich sehr zuversichtlich.

Und es gibt einen Punkt, wo es darum geht, dass es Förderungen für den Fahrpreis geben soll, dass es Subventionen für den Betrieb an ein privates Unternehmen geben soll. Dafür muss es aber Verträge geben, und darüber werden wir auch verhandeln.

Ich verstehe sehr gut, dass ein Privatunternehmen zukünftiges Interesse hat an staat­lichen Förderungen, aber da geht es letztendlich um Steuerzahlergeld, und daher muss ich da besonders gut aufpassen.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Heinzl.

 


Abgeordneter Anton Heinzl (SPÖ): Schönen guten Morgen! Frau Bundesministerin, ich möchte folgende Frage an Sie richten: Welche Auswirkungen für den Schie­nenverkehr erwarten Sie von der gerade auf europäischer Ebene erfolgten Systemum­stellung bei der Lkw-Maut?

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll81. Sitzung / Seite 20

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Doris Bures: Herr Abgeordneter, ich erhoffe mir davon, dass wir das Ziel erreichen, dass wir mehr Kostenwahrheit bei Straße und Schiene haben.

Wir haben erfreulicherweise mit der Ökologisierung der Lkw-Maut, die hier im Hohen Haus beschlossen wurde, erreicht, dass jene Lkw, die mehr Umweltschäden anrichten, eine höhere Maut zu zahlen haben, und dass die Lkw mit geringerem Schadstoff­ausstoß weniger zahlen müssen.

Jetzt ist es auf europäischer Ebene erstmals gelungen, dass wir eine System­um­stellung haben, dass die Lkw-Maut nicht nur berechnet wird als Straßenentgelt, sondern dass auch andere Faktoren mit eingerechnet werden, wie zum Beispiel: Welche Lärmbelästigungen entstehen durch den Lkw-Verkehr? Welche Luftschäden und Umweltschäden entstehen dadurch? Aufgrund dessen wird es durch diese Systemumstellung in Zukunft die Möglichkeit geben, da mehr Kostenwahrheit zu erreichen.

Das ist etwas, wofür Österreich schon 20 Jahre in Europa kämpft, und da sind wir noch immer nicht dort, wo wir hinwollen. Aber wir haben da bereits den Fuß in der Tür, und in Bälde werden wir diese Tür aufstoßen, damit wir das erreichen, was wir in der österreichischen Verkehrspolitik haben wollen: weniger Verkehr auf der Straße und mehr Verkehr auf der Schiene.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Ich bedanke mich bei der Frau Bundes­ministerin Doris Bures für die Beantwortung der Anfragen. (Beifall bei der SPÖ.)

Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zu den Anfragen an den Herrn Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Mitterlehner.

Erster Fragesteller: Herr Abgeordneter Dr. Matznetter. – Bitte.

 


Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Bundesminister! Wir haben vor einem Jahr eine erfolgreiche thermische Sanierung hinter uns gebracht. Aber eine Million Haushalte konnten sich bisher noch nicht leisten, eine solche vorzunehmen.

Meine Frage daher:

90/M

„Wann werden Sie eine neue, sozial gerecht gestaltete Förderoffensive im Bereich thermische Sanierung starten, die es durch ein zinsloses Kreditmodell ermöglicht, dass auch Bezieherinnen und Bezieher von niedrigen Einkommen ihre Betriebskosten senken und in den Klimaschutz investieren können?“

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Guten Morgen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Matz­netter, das von Ihnen angesprochene Fördermodell ist tatsächlich eines, das am meisten in Anspruch genommen worden ist und das, was die Wirkung anbelangt, auch eines der positivsten Modelle ist.

Ich darf nur ganz kurz darauf hinweisen, dass wir im Jahr 2009 über 14 000 Sa­nie­rungen gefördert und innerhalb von zwölf Wochen Investitionen in der Größenordnung


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von rund 500 Millionen € in Bewegung gesetzt haben. Es war also auch von der Nachhaltigkeit her ein voller Erfolg.

Nun zu Ihrer Frage, warum wir einen Barzuschuss verwendet und abgewickelt haben und keine Kreditzuschüsse, keinen Zinsenzuschuss zu den Krediten. Das hat folgen­den Hintergrund: Wir haben bei den durchführenden Organisationen – das waren im Wesentlichen die Bausparkassen und auf der anderen Seite die Kommunalkredit AG – auch Umfragen machen lassen, wie denn die Situation bei den Beziehern ist, und dort haben wir gesehen, dass vor allem bei thermischer Sanierung rund 65 Prozent der Betroffenen ihre eigenen Sparmittel zu dem Projekt dazu verwenden. Das heißt, der Wunsch der Betroffenen ist es, mit eigenem vorhandenem Spargeld und zusätzlichen Investitionen und Förderungen seitens des Staates hier entsprechend tätig zu werden.

Die andere Fragestellung, ob sie das auch bei Kreditaufnahme tun würden, hat erge­ben, dass viel weniger das in Anspruch nehmen würden. Das heißt im Klartext: Aus unserer Sicht könnte ein Förderungswerber sowohl einen Kredit mit diesen Mitteln, mit dem Zuschuss bedienen als auch auf der anderen Seite den Zuschuss so nehmen, wie er ihn bis jetzt genommen hat.

Ein zweiter Punkt, den wir als Problem gesehen haben, war die Anknüpfung an die Förderungen der Länder. Dort haben wir in erster Linie Annuitätenzuschüsse, teilweise schon laufende Umsetzungen, und da haben wir additiv gewirkt. Durch diese additive Wirkung war es besser, dieses Zusatzelement von der inhaltlichen Seite her zu bringen, als komplizierte Rückabwicklungen und Übereinstimmungen zu machen.

Drittens war, was den Zinsenzuschuss anbelangt, eine unserer Überlegungen die, dass ein beachtlicher administrativer Aufwand dadurch entsteht. Wenn wir das abwickeln, erfordert das eine Dauerbetreuung über Jahre, und daher hielten wir es für besser – auch von der Administration her gesehen –, so zu agieren.

Mein Vorschlag ist: Wir schauen uns alle Modelle an und können das additiv in der Summe bewerten. Wenn wir eine Wahlmöglichkeit für den Konsumenten, für den Werber haben, dann, würde ich sagen, ist das das Beste. Und das Allerbeste an dem Ganzen ist, wenn wir im Rahmen der Budgetverhandlungen für diese Maßnahmen wieder die Mittel bereitgestellt bekommen. Das ist das Wichtigste. Ansonsten können wir uns über Modelle unterhalten. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Matz­netter, bitte.

 


Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Bundesminister, ist es nicht so, dass jede Ausgabe in diesem Bereich, vor allem dort, wo ein hoher Hebel ist, zum Beispiel bei so einem Kreditmodell, wo ja das x-fache des Zinsenzuschusses investiert wird, in Wahrheit für die Republik ein positives Geschäft ist? Es kommen schon im ersten Jahr mehr Steuern und Abgaben herein, als die Aktion kostet. Und: Wie sagen wir es unseren Budgetisten?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Sie haben vollkommen recht: Von der Möglichkeit der Hebelwirkung sind beide Varianten sehr positiv. Es ist aber klar, dass eine Art Beliebtheitssituation aufseiten des Konsu­menten und des Förderungswerbers gegeben ist. Wir wollen beiden Rechnung tragen, und ich glaube, dass das auch dann von der Umsetzung her das Attraktivste ist.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Glaser, bitte.

 


Abgeordneter Franz Glaser (ÖVP): Herr Bundesminister! Die thermische Sanierung hat in der Bevölkerung durch die Energieeinsparung und den damit verbundenen Bei­


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trag zum Klimaschutz eine hohe Akzeptanz. Die öffentliche Hand, der Bund ist selbst über die Bundesimmobiliengesellschaft Eigentümer hunderter Liegenschaften und großer Gebäudekomplexe und hat hier sicher auch Handlungsbedarf.

Ich möchte Sie daher fragen: Welche Initiativen haben Sie gesetzt, um diese Gebäude der Bundesimmobiliengesellschaft bezüglich der thermischen Sanierung entsprechend zu forcieren?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Herr Abgeordneter, Sie sprechen da ein konkretes und tatsächliches Problem an. Wir haben bekanntermaßen im Rahmen der Konjunkturpakete Mittel in einer Größen­ordnung von insgesamt 875 Millionen € für Investitionen im Baubereich im Rahmen der BIG vorgesehen. Ein Teil davon sind Neuinvestitionen und Instandhaltungen, ein Teil – in etwa 150 Millionen € pro Jahr – bezieht sich auf den Bereich der thermischen Sanie­rung.

Nun haben wir aber dort das System, dass der Auftragnehmer, also beispielsweise Schulen oder Gerichte, das im Rahmen der jeweiligen Miete zurückzahlen muss. Die Investition wird also vorgenommen, sie wird geplant, dann durchgeführt und dann über die Miete abgewickelt. Im Rahmen der budgetären Einsparungsnotwendigkeiten haben aber die wenigsten der Minister Attraktivität darin gesehen, hier bei uns zu investieren. Deswegen haben wir versucht, im Rahmen eines Angebots hier 50 Millionen € – aus den Rücklagen genommen – zur Verfügung zu stellen, um ein attraktives Modell als Anreiz anbieten zu können. Im Endeffekt werden die Mieten dadurch günstiger.

Das hat gewirkt – wir haben auch allen Ministern geschrieben, um darauf aufmerksam zu machen –, und wir haben hier einige Umsetzungen in der Größenordnung von derzeit 50 Millionen € an zusätzlichen Aufträgen. Ich bin optimistisch, dass wir in etwa, muss ich sagen, dieses Volumen erreichen werden. Es ist angesichts der ange­sprochenen budgetären Gegebenheiten nicht einfach, aber auch der Bund bemüht sich hier, eine stimmige Rolle zu erfüllen.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Mag. Wid­mann, bitte.

 


Abgeordneter Mag. Rainer Widmann (BZÖ): Guten Morgen, Herr Minister! Die thermische Sanierung ist ja unbestritten ein Erfolgsmodell – für die Umwelt, für die Wirtschaft, für die Arbeitsplätze, für die Energieautarkie Österreichs letztlich –, obwohl die Regierung hier vom Geld her meiner Meinung nach sehr wenig unternimmt.

Nun zu meiner Frage. – Vorweg bedanke ich mich noch bei der SPÖ für die Grund­satzfrage, weil ja das zinsenlose Kreditmodell für niedrige Einkommen zur thermischen Sanierung auch ein Antrag des BZÖ war und von der SPÖ im Ausschuss abgelehnt worden ist.

Meine Frage an Sie knüpft an die Vorfrage des Vorredners an: Sie sind Chef der BIG, der Bundesimmobiliengesellschaft. Wie viele konkrete Objekte wurden bereits mit diesen angesprochenen 50 Millionen € saniert, und wie viele könnte man insgesamt damit sanieren?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Herr Abgeordneter Widmann! Erstens einmal: Es wäre schön, wenn ich der Chef der BIG wäre. Operativ sind das zwei Geschäftsführer. Wir haben hier die entsprechende Wahrnehmung der Eigentümerrechte sicherzustellen, und da gibt es entsprechende Rahmenbedingungen seitens des Bundes.


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Die Frage, die Sie gestellt haben, lässt sich nicht so einfach beantworten, weil die Größenordnung der jeweiligen Projekte natürlich unterschiedlich ist und man daher nicht quantitativ vorgehen kann, indem man einfach die Summe aufrechnet und sagt, wir machen lauter Millionenprojekte mit einer Million, und das wären dann so und so viele. Ich kann Ihnen nur sagen, was wir jetzt beispielsweise laufen haben: Wir haben für das vierte Sanierungspaket der Schulen, das sind rund 7 Millionen €, 50 Prozent der Gesamtkosten übernommen – also wirklich sehr attraktiv; normalerweise ist der Schlüssel 30 : 70 –, wir haben 100 Prozent thermische Kleinmaßnahmen übernommen und auch, was ein Demonstrationsprojekt anbelangt, exakt 3 Millionen € übernommen.

Ich würde Ihnen aber vorschlagen, da das jetzt wahrscheinlich den zeitlichen Rahmen sprengen würde: Wir geben Ihnen gerne eine Auflistung aller Projekte, auch aller noch in Verhandlung befindlichen oder als Möglichkeit bestehenden, damit Sie einen Überblick haben: Was ist Anspruch? Was ist Wirklichkeit? Und woran ist es gescheitert oder nicht gescheitert? (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Mag. Brun­ner, bitte.

 


Abgeordnete Mag. Christiane Brunner (Grüne): Herr Wirtschaftsminister, es ist ja schon angesprochen worden: Die thermische Sanierung ist ein Erfolgskonzept. Wir Grüne haben das ja schon seit dem Jahr 2000 gefordert, weil es eine ganz wichtige Maßnahme ist, um unsere Klimaziele zu erreichen und auch den Anteil der erneuerbaren Energien erhöhen zu können. (Abg. Großruck: Langsamer sprechen!) Deswegen haben wir uns auch sehr gefreut, dass es diese Aktion im letzten Jahr gegeben hat. Es hat sie nur sehr kurz gegeben, weil sie sehr schnell ausgeschöpft war. Das zeigt auch, wie groß das Interesse der Bevölkerung in Österreich ist.

Meine Frage an Sie jetzt: Wie geht es damit weiter? Landwirtschaftsminister Berlakovich hat im Umweltausschuss angekündigt, dass 100 Millionen € pro Jahr vorgesehen werden sollen. Sie arbeiten in dieser Hinsicht ja mit ihm zusammen. Daher meine Frage: Wird es diese 100 Millionen € geben? Wie lange werden die im Budget sein? Und für welche Größenordnungen werden Sie sich einsetzen, damit es auch wirklich für alle Menschen in Österreich möglich ist, Sanierungen durchzuführen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Frau Abgeordnete, es ist richtig: Wir bemühen uns im Rahmen der Budgetver­hand­lungen, 100 Millionen € herauszuverhandeln oder sicherzustellen. Es besteht allge­meines Einvernehmen, dass es diese Aktion geben soll. Einvernehmen heißt natürlich noch nicht umgesetzt. Es hat auch unsere Partei im Rahmen einer eigenen Klausur beschlossen, dass wir hier mindestens 100 Millionen € anstreben.

Die Größenordnung der 100 Millionen € soll eine permanente Aktivität sicherstellen und daher auch in den nächsten Jahren dotiert sein, weil wir die Sanierungsquote im Bereich der thermischen Gebäude von 1 auf 3 Prozent heben wollen.

Ich sehe das als ganz, ganz wichtig an, nicht nur vom Energieaspekt, sondern auch wenn man daran denkt, in wie vielen Orten in eher entlegenen Regionen die Ortskerne de facto brachliegen, weil dort große Gebäude stehen, die nicht wirklich geheizt werden und auch nicht genutzt werden, während an der Peripherie neue Firmen entstehen. Da wäre es sehr wichtig, dass man auch einen Wertschöpfungsimpuls für die Betriebe in der Region leistet, damit man dort Investitionen hat, weil wir gerade in der Region momentan ja auch Investitionsdefizite haben.

Also Wertschöpfung, Regionalförderung und der thermische Aspekt, was den Ener­giebereich anbelangt – ich glaube, dass das wirklich eine der besten Aktionen ist, die


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es geben kann, um viele Ziele zu erreichen, und hoffe eigentlich sehr zuversichtlich, dass das am kommenden Wochenende und dann eben im Rahmen der Budget­begleitgesetze auch realisiert werden kann. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Ing. Höbart, bitte.

 


Abgeordneter Ing. Christian Höbart (FPÖ): Guten Morgen, Herr Bundesminister! Auch aufseiten der Freiheitlichen Partei sind wir natürlich der Meinung, dass die energetischen Sanierungsmaßnahmen für Gebäude vorangetrieben werden müssen, um eben die Energiestrategieziele zu erreichen. Aber sämtliche Experten sind auch der Meinung, dass die Bundesförderungen doch um einiges höher ausfallen sollten, weil letztlich über die Steuermehreinnahmen der Staat auch mehr einnimmt – man spricht von nahezu dem Doppelten. Das heißt, es spricht nichts dagegen, diese Bundes­förderungen weiter zu erhöhen.

Hieraus ergibt sich auch folgende Zusatzfrage: Welche Überlegungen haben Sie vor allem hinsichtlich der Budgetverhandlungen bezüglich dieser Förderungserhöhungen bereits angestellt? Letztlich wollen wir ja Green Jobs schaffen, was mich als Jugendsprecher der Freiheitlichen Partei angesichts der sehr hohen Jugendarbeits­losigkeit auch sehr interessiert.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Ja, Herr Abgeordneter, Sie haben es angesprochen: Jede der Förderungen wirkt als Multipli­kator sehr gut. Ich habe hier sogar mit meinem früheren Präsidenten, Präsident Leitl, insofern einen leichten Widerspruch, als dieser natürlich vorschlägt: Je mehr, desto besser auch von der Rückkoppelung. Die ganze Geschichte hat nur einen Haken: Sie müssen vorerst einmal das Geld in die Hand nehmen, und es wirkt irgendwo dann negativ auf die Budgetkonstellation.

Daher ist unser Vorschlag der, dass wir einmal diese Investition mit 100 Millionen € als Start und dann permanent haben. Ich glaube, da können wir viel bewirken, weil auch – danke an die Länder! – die Länder additiv etwas dazugeben. Wir müssen das vielleicht auch strategisch noch etwas besser steuern.

Was die Jugend und diesen Anteil anlangt, muss ich schon sagen: Das ist nicht mein Ressort. Wir haben die geringste Jugendarbeitslosigkeit, auch europaweit gesehen, und das gilt auch für den Bereich der Arbeitslosigkeit überhaupt. Da haben wir also durchaus – natürlich mit den Betrieben und ihren Mitarbeitern, aber auch mit den Konjunkturmaßnahmen – die richtigen Weichenstellungen getroffen. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Bevor wir zur Anfrage 86/M kommen, darf ich noch einmal darum ersuchen, die jeweiligen Zeitvorgaben einzuhalten, damit wir unsere Fragestunde doch einigermaßen pünktlich beenden können.

Wir kommen nun zur Anfrage 86/M des Herrn Abgeordneten Haubner. – Bitte.

 


Abgeordneter Peter Haubner (ÖVP): Guten Morgen, Herr Minister! Herr Minister, wenn wir einen Blick nach Europa werfen, dann können wir feststellen, dass Österreich in vielen wirtschaftlichen Belangen absolute Top-Positionen einnimmt und dass das Vertrauen in die Wirtschaft und damit in die Unternehmerinnen und Unternehmer, gerade in Zeiten wie den Jahren 2008 und 2009 die schwierige Situation zu meistern, durchaus gerechtfertigt war. Ich glaube, dass Österreich besser aus dieser Krise herausgekommen ist und dass der Grund dafür natürlich auch ein Mix ist, nämlich aus der Innovationskraft der Unternehmerinnen und Unternehmer und den richtigen Maß­


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nahmen – den Konjunkturpaketen, den Arbeitsmarktpaketen und natürlich auch dem Bankensicherungspaket.

Meine Frage:

86/M

„Sind nach den bisherigen Maßnahmen zur Bekämpfung der Wirtschaftskrise weitere Stimulierungsmaßnahmen notwendig?“

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Ich darf den ersten Teil, was die Konjunkturmaßnahmen anlangt, wirklich sehr kurz fassen, weil Sie diese ja alle mitverfolgt und teilweise auch beschlossen haben. Ich glaube, im Endeffekt – in drei Sätzen zusammengefasst – haben wir uns eigentlich gut entwickelt. Wir haben eine schlechte Ausgangsposition gehabt – hoher Exportanteil, hohe auto­mo­tive Verflechtung, viel Risiko im Osten –, haben eigentlich die Wachstumszahlen im positiven Sinne besser erreicht als beispielsweise Deutschland; das ist vielleicht auch der Grund, warum Deutschland jetzt mehr wächst: Sie haben auf der anderen Seite mehr aufzuholen, auf der anderen Seite ist man bei den Wachstumsmärkten noch stärker festgelegt und ausgerichtet.

Daher glaube ich sagen zu können: Der erste Teil der Konjunkturmaßnahmen hat vor allem das Ziel gehabt, den Inlandsbereich, den Konsum zu unterstützen, und er war breit angelegt, eher nach dem Gießkannensystem. Wir haben 11 Milliarden €, mit den Ländern 12 Milliarden €, in die Hand genommen. Wir haben eine Steuerreform gemacht im Ausmaß von 3 Milliarden €. Keiner von Ihnen, aber auch vom Publikum kann sich erinnern, dass er davon profitiert hat – es war immer der andere. Und jetzt geht es darum, nach diesem ersten Akt der Solidarisierung auch die Probleme zu lösen, und die Frage ist: Soll es die Konjunkturpakete weiter geben? – Ich glaube, nein. Sie erinnern sich aber, dass jeder, wenn es ein bisschen schlechtere Wachstumsdaten gab, sofort gesagt hat, wir brauchen wieder ein Konjunkturpaket. – Da hätten wir wieder mehr zu sanieren.

Wir waren daher konsequent und haben das umgesetzt, was das Parlament beschlos­sen hat. Und ich glaube, dass es jetzt darum geht, ein richtiges Offensivpaket zu schnüren. Das muss in den Bereich Innovation hineingehen, das muss dort ansetzen, wo es im Export noch Notwendigkeiten gibt, also über Europa hinaus. Und natürlich müssen wir – wir haben gerade davon geredet – auch bei der Nachhaltigkeit und bei der thermischen Sanierung ansetzen.

Meine Botschaft: Weg von der Gießkanne, wenn es geht, hin zu ganz zielgerichteten, konzentrierten Umstrukturierungsförderungen. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Haubner, bitte.

 


Abgeordneter Peter Haubner (ÖVP): Österreich hat ja eine gute Struktur, einen guten Mix an Unternehmen: Industrie, Gewerbe, Tourismus, Handwerk, Handel. Und auch die klein- und mittelständischen Unternehmen, die ja das Rückgrat der Wirtschaft sind und auch 80 Prozent der Lehrlinge ausbilden, sind hier ganz wichtig.

Meine Frage ist: Wie schaut Ihrer Meinung nach in Zukunft die strukturelle Perspektive der heimischen Wirtschaft aus?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 



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Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Meine Damen und Herren, ich glaube, das ist eine der interessantesten Fragen überhaupt: Wie geht es mit der Struktur weiter, und sind wir strukturell gut aufgestellt? Ich glaube, im Großen und Ganzen ja, aber wir haben auch Veränderungen wahrzunehmen und auf diese zu reagieren. Und die erste ist regionaler Art und bereits angesprochen worden: 80 Prozent, oder knapp darüber, unserer Exporte gehen in den europäischen Bereich. In Deutschland sind es etwa 70 Prozent, und Deutschland profitiert daher stärker vom Wachstum etwa in China oder Brasilien oder auch Indien.

Daher wird es notwendig sein, von der Struktur her neue Märkte anzugehen – das tun wir auch –, um auch das Risiko zu diversifizieren. Je mehr wir auch woanders sind, umso bessere Chancen haben wir auch wachstumsmäßig. Das Problem Europas war in der Krise: ein Land ist gewachsen, nämlich Polen, alle anderen nicht. Weltweit sind letztes Jahr 58 Länder gewachsen. – Das ist der eine Punkt.

Der zweite Punkt: Wir müssen uns strukturell eher von der Investitionsgüterindustrie, von der fokussierten automotiven Industrie zur Dienstleistungsgesellschaft entwickeln. Bitte kein Erschrecken für diejenigen, die im automotiven Bereich arbeiten – das wird wichtig bleiben! Aber unser Anteil am Dienstleistungssektor im Vergleich der ent­wickelten Volkswirtschaften ist in etwa unter 70 Prozent gewesen, während die EU rund 73 Prozent Dienstleistungsanteil als Schnitt hat. Wenn wir uns dort langsam hinbewegen, ist das positiv. Es stimmt mich sehr optimistisch, dass wir uns in den letzten Jahren, was die wissensorientierten Dienstleistungen anbelangt, um das Dop­pelte verbessert haben. Daher: Dort wird die Struktur hingehen. Ich möchte aber auch den Tourismus erwähnen, der insgesamt, mit allen Nebenbereichen, 14 Prozent des Nationalprodukts abdeckt und sich sehr positiv entwickelt hat – um Herrn Abge­ordneten Hörl, den ich zwar jetzt nicht sehe, auch entsprechend anzusprechen. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Ing. Lugar.

 


Abgeordneter Ing. Robert Lugar (BZÖ): Herr Bundesminister! Viele wirtschaftliche Frühindikatoren zeigen nach unten. Einige Wirtschaftsexperten rechnen damit, dass die Wirtschaftskrise wieder aufflammen wird. Auch WIFO-Chef Aiginger hat von Ihnen ein Notfallpaket erbeten, das Sie aber abgelehnt haben.

Sehen Sie nicht auch die Wirtschaft auf tönernen Füßen? Ist es nicht richtig, dass in so einer Situation neue Steuern genau der falsche Weg sind, weil wir damit die Wirtschaft wieder extra belasten und diesen zarten Aufschwung abwürgen könnten? Also, Herr Minister: Können Sie ausschließen, dass die Mineralölsteuer erhöht wird und damit die Wirtschaft und die Menschen zusätzlich belastet werden? (Beifall beim BZÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Das ist eine sehr gute Frage!)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Danke für diese Fragestellung. Ich habe sie zum Teil vorher schon angesprochen, was den ersten Teil anbelangt. Wenn wir all dem Rechnung getragen hätten, was hier an schlechten Daten prognostiziert wurde – ich sage: 23. Juli, IHS und WIFO: 1,2 Prozent Wachstumsprognose, die einen 1,5, die anderen 1,2; zwei Monate später: 2,0 Prozent! Es wäre eigentlich egal, könnte man meinen, hätte man nicht Forderungen daran geknüpft, dass dringend ein Wachstumspaket, ein Offensivpaket notwendig sei.

Wir haben hier durchgehalten, weil wir Vertrauen gehabt haben in die Betriebe. Tatsächlich erfolgte eine Korrektur auf 2 Prozent Wachstum. Daher war es richtig, hier konsequent auch den Betrieben entsprechende Orientierungen zu geben. Die Krise ist


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meines Erachtens natürlich nicht vorbei, aber ich höre gerne, wenn hier schon wieder diese und jene Katastrophe befürchtet wird, denn diese finden erfreulicherweise nicht statt. (Abg. Ing. Westenthaler: Mineralölsteuer! Was ist mit der Mineralölsteuer?)

Das Unerwartete, wo man schon wieder gemächlich die Euphorie lebt, ist genau das Verkehrte. Wir müssen vorsichtig sein, wir müssen aufmerksam sein, um hier Entwick­lungen auch zu sehen. Ein Notfallpaket hängt kaum jemand in die Öffentlichkeit und sagt: Das ist mein Notfallpaket. – Wenn es so weit ist, muss er es haben. Und die letzte Krise hat gezeigt, wir haben eines, und wir werden auch, sollte es sein – was ich nicht befürchte und auch nicht erwarte –, hier richtig reagieren können.

Und die dritte ... (Abg. Ing. Westenthaler: Die Frage war eine andere! Mineralölsteuer war die Frage!) – Herr Kollege Westenthaler, ich vergesse nicht so schnell etwas wie Sie! (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.)

Ich darf zu dem kommen, was die Frage war: Mineralölsteuer. – Es könnte sein, dass eine moderate Anhebung diskutiert wird oder umgesetzt wird. Moderat! Da muss man sich überlegen: Wie ist die Situation in anderen Ländern? Da muss man sich ... (Abg. Ing. Westenthaler: 250 €! – Weitere Zwischenrufe beim BZÖ.) – Könnt ihr ein bisschen leiser schreien? (Abg. Neugebauer – in Richtung BZÖ –: Lasst ihn einmal ausreden! Man versteht ihn ja gar nicht!)

Schauen Sie, es ist nichts Neues, dass im Bereich der ökologischen Steuerreform hier einige Überlegungen stattfinden. (Abg. Ing. Westenthaler: Abgezockt!) Wir werden sehen, ob wir hier zu einem Gesamtkontext kommen. (Abg. Ing. Westenthaler: Die größte Abzocke aller Zeiten!) Damit Sie es auch nicht falsch interpretieren: Ich als Wirtschaftsvertreter stehe dafür, dass wir die Ausgabenseite in Ordnung bringen sollen. Wir haben eine ohnehin hohe Steuer- und Abgabenquote. (Abg. Grosz: Warum erhöhen Sie dann die Mineralölsteuer? – Ruf beim BZÖ: Dann dürfen Sie die Mineral­ölsteuer nicht erhöhen!) Wir haben erfreulicherweise höhere Steuereinnahmen – und dann werden wir sehen, was uns abgeht, und das werden wir lösen. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Ich darf die Damen und Herren Abgeordneten bitten, auch die Fragen so präzise und knapp zu stellen, damit der Herr Bundesminister auch die Chance hat, die Beantwortung in einer Minute vorzunehmen. Das eine bewirkt das andere. (Abg. Neugebauer: ... Zwischenrufe! – Abg. Grosz: Nein, er ist inhaltlich dazu nicht in der Lage! Da können wir ihm 10 Minuten geben!)

Nächste Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Dr. Lichtenecker.

 


Abgeordnete Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne): Einen schönen guten Morgen, Herr Minister! Ich möchte gleich das Thema, mit dem Sie geschlossen haben, aufgreifen. Eine ökologische Steuerreform beinhaltet immer auch eine soziale Komponente, und das würde auch bedeuten: ökologisch umsteuern, eine CO2-Steuer, eine Flug­ticket­abgabe und selbstverständlich – ganz wichtig! – die Senkung der Arbeitskosten. Das ist die andere Seite der ökosozialen Steuerreform – sehr wichtig, um entsprechend Arbeitsplätze zu schaffen.

Meine Frage an Sie: Wird das Paket am Wochenende in diese Richtung gehen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Das kann ich Ihnen noch nicht beantworten, wie das Paket am Ende ausschauen wird. Aber dass die Effekte und die Konsequenzen einer ökologischen Steuerreform ent­weder so sein können, wie eine CO2-Steuer beispielsweise in der Schweiz umgesetzt wurde, wo es nach bestimmten Kriterien auch Rückerstattungen an sozial Benach­


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teiligte gibt, um auch die Wirtschaft zu stimulieren, ist ein Aspekt. Und der zweite ist, dass eine Mineralölsteuer, was Pendlerpauschale anbelangt, natürlich ebenfalls diesen Aspekt abdecken könnte.

Ich bin mir sicher, dass wir das im Rahmen der Verhandlungen, wenn – ich bin jetzt dreifach im Konjunktiv – das notwendig sein sollte, wenn wir ausgabenmäßig nicht alles erledigen können, berücksichtigen werden. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeord­neter DDr. Königshofer.

 


Abgeordneter DDr. Werner Königshofer (FPÖ): Herr Bundesminister! Am 5. Oktober hat das „WirtschaftsBlatt“ geschrieben, die Unternehmer sind die besseren Banken. Eine Recherche hat nämlich ergeben, dass der derzeitige leichte Aufschwung mehr von den Unternehmen selbst mit Liquidität getragen wird, weil die Unternehmen sich auf offene Rechnung liefern, das Zahlungsziel verlängern (Ruf bei der ÖVP: Frage!) – im Gegensatz zu den Banken, die weniger bereit sind, der Wirtschaft mit Darlehen und Krediten unter die Arme zu greifen, obwohl die Banken vom Staat im Zuge des Bankenpaketes Milliarden an Partizipationskapital bekommen haben. Es sagt auch Generaldirektor Treichl selbst, dass das Kreditgeschäft 2011 anspringen wird.

Meine konkrete Frage an Sie: Wie schätzen Sie als Wirtschaftsminister die Liquiditäts­situation der österreichischen Unternehmen – von den ganz großen Kapitalgesell­schaften bis zu den Klein- und Mittelbetrieben – ein?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Die Liquiditätssituation hat sich erfreulicherweise verbessert. Wir können das anhand der Daten der Banken, aber auch von AWS insofern nachweisen, als wir darüber Zahlen­material haben.

Es ist klar, dass ein Teil der Fälle im Vorjahr weggefallen ist, aber nicht nur wegen der Wirtschaftskrise, sondern diese Fälle waren ohnedies problematisch. Damals sind die Insolvenzen um rund 10 Prozent gestiegen, jetzt sind sie wieder zurückgegangen. Aber natürlich ist eine gute Eigenkapitalausstattung die beste Voraussetzung für die Be­triebe, um zu überleben.

Auf der anderen Seite hat das Unternehmensliquiditätsstärkungsgesetz, glaube ich, dazu beigetragen, dass kein einziges großes Unternehmen Probleme anmelden musste, mit Ausnahme eines Unternehmens, das das heute gemacht hat. (Abg. Dr. Königshofer: A-Tec!)

Viele von Ihnen haben das Buch noch zitiert – erinnern Sie sich noch daran? –, „Insolvenzfall Österreich“. Einige haben gesagt, dass der weiß, wie es geht. – Aber das ist ein anderes Problem.

Ich glaube, im Großen und Ganzen muss man die Bonität, die jetzt schärfer geprüft wird, auch bei den Unternehmensführungen berücksichtigen. Aber ich denke, wir sind jetzt insgesamt besser aufgestellt als vorher. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Mag. Kuzdas.

 


Abgeordneter Ing. Mag. Hubert Kuzdas (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Der seinerzeitige Generaldirektor der PORR AG hat in einer Expertendis­kussion festgestellt, dass die unterschiedlichen Branchen in unterschiedlicher Ge­schwin­digkeit auf die krisenhaften Erscheinungen reagieren. Während Automobil­industrie und IT-Industrie die Krise weitgehend überstanden haben, kommen auf die


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Bauwirtschaft erst im heurigen Winter beziehungsweise im Frühjahr die schwierigsten Monate zu.

Gleichzeitig sind die kommunalen Investitionen in Österreich im Durchschnitt um 26 Prozent zurückgegangen, in Niederösterreich beispielsweise um 37 Prozent. An die 70 Prozent der Gemeinden werden den ordentlichen Haushalt nicht ausgeglichen darstellen können.

Was halten Sie, Herr Bundesminister, angesichts dieser prekären Situation von einem kommunalen Konjunkturpaket (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen), das auf der einen Seite den Gemeinden die Auftragsvergabe an die Bauwirtschaft ermöglicht und auch die Beschäftigung hoch hält, denn steigende Arbeitslosigkeit ist ein Luxus (Präsidentin Mag. Prammer gibt neuerlich das Glockenzeichen), den wir uns nicht leisten können?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Ich finde die Idee interessant, aber doch problematisch. Ich denke, wir sollten die Probleme dem Grunde nach lösen.

Ich kenne die Gemeinden aus meinem Bezirk sehr gut, und dort gilt es, Probleme betreffend Pflege- oder Sozialversicherungsbeiträge abzuklären. In diesem Zusam­menhang gibt es erfreulicherweise eine Arbeitsgruppe zwischen dem Bund und den Ländern, und dort muss man das Problem lösen.

Das Zweite: Wir überlegen – der Herr Bundeskanzler muss das umsetzen – die Ver­längerung der Schwellenwerteverordnung. Es ist, wie wir gesehen haben, eine echte Hilfestellung für die Gemeinden, wenn man im freihändigen Bereich lokal vergeben kann und auf der anderen Seite auch bei eingeschränkten Auftragsvergaben besser vergeben kann.

Mir ist klar, dass das das Volumen nicht erhöht, aber damit ist zumindest dort die Beweglichkeit erhöht, wo man regionale Investitionen tätigen kann.

Meines Erachtens muss das in einem Paket im Rahmen des Finanzausgleiches und der Arbeitsgruppen behandelt werden, und dann wird man da helfen können.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen zur 4. Anfrage, 88/M. Anfrage­steller ist Herr Abgeordneter Themessl. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Bernhard Themessl (FPÖ): Frau Präsidentin! Guten Morgen, Herr Bundesminister! Wir haben gestern in der Rede des Herrn Finanzministers zum Stand der Budgetverhandlungen trotz 20-minütiger Redezeit eigentlich so gut wie gar nichts vernommen, nur so viel, dass seine Minister oder seine Ressorts bis dato die Haus­aufgaben nicht erfüllt haben. Das heißt, dass die einzelnen Ressorts das Einspa­rungspotenzial noch nicht vorgelegt haben.

Daher meine Frage an Sie:

88/M

„Unter welchen Gesichtspunkten und bei welchen Budgetposten wollen Sie Einspa­rungen vornehmen?“

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Herr Kollege, ich glaube, Sie haben gestern der Rede des Finanzministers nicht genü­gend Aufmerksamkeit gewidmet, denn diese hat sehr klare Orientierungen enthalten.


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(Abg. Dr. Stummvoll: Ja, genau! – Ruf bei der FPÖ: Der hat nichts gesagt!) – Nach­lesen, bitte.

Zum Zweiten: Wir haben natürlich zum Schluss ein Gesamtpaket zu bewerten. Das ist so wie überall: Ein Paket ist dann fertig, wenn es auch im Detail zugeschnürt ist.

Was unseren Bereich anlangt, sind drei Komponenten hier betroffen.

Erster Punkt: Wir haben in der Untergliederung Wirtschaft 14,2 Millionen weniger, richtigerweise kaum etwas weniger im Bereich Forschung und 234 Millionen im Bereich Familie – das steigert sich auf 484 Millionen €.

Wie gehen wir vor? – Wir sparen vor allem im Eigenbereich. Das ist nicht lustig, denn dann kommt beispielsweise der Bürgermeister aus Grieskirchen und sagt: Das Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen dürft ihr nicht zusperren! Das ist also nicht so einfach.

Zweiter Punkt: Umstrukturierung bei uns. Wir versuchen, Multiplikatoreffekte wahrzu­nehmen – Familienbeihilfen haben eine schnelle Drehung.

Und zum Dritten versuchen wir, nicht linear vorzugehen. Es wäre eine schlechte Vorgangsweise, einfach nur weniger desselben zu tun. Wir versuchen, da kreativ umzuschichten.

Aber klar ist: Wenn ich sparen muss, wird irgendwo etwas auf der Strecke bleiben. Das Zauberkunststück, auf der einen Seite die Ausgaben zu senken und auf der anderen Seite keine Schulden zu machen und alles nur durch eine Verwaltungsreform zu erreichen, ist sehr schwierig. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Themessl, bitte.

 


Abgeordneter Bernhard Themessl (FPÖ): Herr Bundesminister, Sie wissen, dass die österreichische Wirtschaft seit längerer Zeit nach Fachkräften schreit, weil Fachkräfte­mangel herrscht. Und Sie wissen auch ganz genau, dass in den umliegenden Staaten keine Fachkräfte vorhanden sind, im Gegenteil, die östlichen Nachbarn versuchen sogar, mit finanziellen Anreizen ihre Fachkräfte, die bereits abgewandert sind, zurück­zuholen.

Herr Minister, Sie wissen, dass die AMS-Kurse – es sind immer noch 70 000 Leute in sogenannten AMS-Kursen – absolut an der Realität „vorbeiproduzieren“ – unter Anfüh­rungszeichen –, das heißt, dass kaum ein Rückfluss aus diesen Kursen in den Facharbeiterbereich möglich ist. Auf der anderen Seite gibt es Arbeitsstiftungen, die da sehr positiv vorgehen.

Jetzt meine Frage an Sie: Können oder wollen Sie auf Ihren Ministerkollegen Hundstorfer einwirken, dass entweder die Kurse des AMS geändert werden oder erfolgreiche Arbeitsstiftungen nicht vom Aus bedroht sind?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Das, was Sie angesprochen haben, ist zweifelsohne ein sehr großes Problem. Wir versuchen, durch Qualifikation im Inland – Sie haben die Maßnahmen angesprochen –, aber auch durch Fachkräfteverordnungen, was ja das Ausland anlangt – dort, wo niedrige Andrangsziffern in Österreich sind, also wo niemand jemand einen Arbeitsplatz wegnimmt, wenn er nach Österreich kommt –, das Problem zu lösen. Beispielsweise bei Köchen und bei Kellnern gibt es all diese Verordnungen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll81. Sitzung / Seite 31

In der Praxis haben wir dieses Problem dort, würde ich sagen, schon einigermaßen im Griff. Auf der anderen Seite – es ist nicht mein Ressort, aber Sie haben recht, wir sind in Gesprächen – wird es darum gehen, weitere qualitative Verbesserungen vorzu­nehmen.

Nur: Das System hat schon gestimmt. Schauen Sie sich an, wie hoch unsere Jugendarbeitslosigkeit ist, wie hoch die Vermittlungsquote und die Aufenthaltsdauer in der Arbeitslosigkeit sind, Sie werden sehen, dass sich die Zahlen bessern. Dass noch weiteres Potenzial vorhanden ist, dass man noch weiter daran arbeiten muss, damit haben Sie recht. Nichts ist tatenlos zur Selbstzufriedenheit veranlassend. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Kirchgatterer.

 


Abgeordneter Franz Kirchgatterer (SPÖ): Herr Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend! Nach der Schändung, der Schmieraktion an der KZ-Gedenkstätte Mauthausen 2009 hat Ihre Frau Staatssekretärin hier im Nationalratsplenum verstärkte Aufklärung der Jugend über Naziterror und Naziverbrechen angekündigt, zum Beispiel mittels einer neuen Broschüre. Die SPÖ hält dies für sehr notwendig.

Meine Frage: Was wurde tatsächlich alles veranlasst? Was haben Sie zur Stärkung des Demokratiebewusstseins der Jugend in Hinkunft vor?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Herr Abgeordneter, es ist eine sehr wichtige Frage, die sich die Gesellschaft auf allen Ebenen stellen muss, wie man mit Fragen der Demokratie umgeht. Ich finde das, was hier im Parlament mit der Demokratiewerkstatt geschieht, sehr vorbildlich. Es gibt bestimme Veranstaltungen, die wir auch in unserem Bereich forcieren. Es gibt eine Trainerausbildung, was Jugendeinrichtungen anlangt, um sich auch im Betreu­ungs­bereich mit Fragen der Demokratie besser auseinandersetzen zu können, eine Menge an Publikationen und vieles mehr.

All das wird nicht ausreichen – die Aufgabe, das Problem zu lösen, besteht auf allen Ebenen, selbst in der Familie und in der Schule. Wir reflektieren nur, was auch die Bereitschaft der Gesellschaft ist, haben aber die richtigen Instrumente anzubieten.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Franz.

 


Abgeordnete Anna Franz (ÖVP): Sehr geehrter Herr Minister! Wir wissen, wir müssen sparen, wir haben aber auch eine ganze Reihe von positiven Wirtschaftsinitiativen.

Meine Frage: Welche bestehenden wirtschaftspolitischen Initiativen werden Sie in Zukunft, auch wenn es zu Kürzungen im Budget kommt, auf jeden Fall fortführen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Frau Abgeordnete, ich glaube, das Bewusstsein, dass wir sparen müssen, ist noch nicht in allen Kreisen der Bevölkerung vorhanden, denn jeder glaubt, Sparen könne nicht ihn selbst, sondern nur andere betreffen.

Was die konkreten Maßnahmen anlangt, liegen Sie, glaube ich, vollkommen richtig. Es soll nicht für alle die Gießkanne zur Anwendung kommen, sondern wir sollten fokussiert arbeiten.

Beispielsweise soll die Internationalisierungsoffensive fortgesetzt werden. Wir holen heuer wieder 12 Prozent auf – 20 Prozent haben wir im Vorjahr verloren. Wir dürfen


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll81. Sitzung / Seite 32

uns aber nicht allein auf Europa konzentrieren, sondern müssen unser Interesse auch auf andere Märkte ausdehnen. (Abg. Bucher: Eine versteckte Förderung der Wirt­schaftskammer, sagen Sie das gleich dazu! Sie fördern die Wirtschaftskammer indirekt mit diesen Maßnahmen, sagen Sie das dazu! Sagen Sie die Wahrheit: Eine Wirtschaftskammerförderung!)

Herr Kollege Bucher, diese Geschichte mit der Wirtschaftskammerförderung ist eine alte Platte, die haben wir schon oft gehört. Schauen Sie sich die Daten an und die entsprechenden Maßnahmen; ich lege Ihnen das gerne vor. Sie sollten da einmal etwas Neues in die Diskussion einbringen. (Beifall bei der ÖVP.)

Zum Zweiten wollen wir auf innovative und technologieorientierte Produkte fokussieren. Wir haben vor allem im Bereich der „grünen Produkte“ eine Überleitung von Prototypen in den angewandten Bereich, entsprechende Initiativen.

Also: Innovation und Nachhaltigkeit, das sind die Schwerpunkte, die wir da fokussiert angehen wollen.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Haubner.

 


Abgeordnete Ursula Haubner (BZÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Es gibt eine Artikel-15a-Vereinbarung mit den Ländern über die Bereitstellung von finanziellen Mitteln für den Ausbau von Kinderbetreuungsangeboten. Diese Bereitstellung der finan­ziellen Mittel ist an einige Ziele gebunden. Eines dieser Ziele ist zum Beispiel, die Quote der unter Dreijährigen zu verbessern, aber auch die Kinder mit mangelnden Deutschkenntnissen zu fördern, damit beim Eintritt in die Volksschule auch wirklich Chancengleichheit herrscht.

Mit der Abrechnung des Bundeszuschusses zu diesem Gratis-Kindergartenjahr tritt nun diese Artikel-15a-Vereinbarung außer Kraft, obwohl die festgeschriebenen Ziele natürlich noch nicht erreicht sind.

Meine Frage an Sie: Was werden Sie als Familienminister unternehmen, dass diese Ziele erreicht werden, und gibt es weitere finanzielle Mittel für das verpflichtende Kin­der­gartenjahr?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Frau Abgeordnete! Wir werden uns zuallererst einmal anschauen, was die Evaluierung dieser Maßnahme gebracht hat, ob und wie weit die Ziele erreicht worden sind. Sollte da zusätzlicher Bedarf bestehen, werden wir schauen, ob im Rahmen einer Artikel-15a-Vereinbarung oder im Rahmen anderer Möglichkeiten Gelegenheit besteht, eine Strategie umzusetzen.

Ich würde der Evaluierung und den Gesprächen jetzt vorgreifen, aber doch so viel: Wir werden uns das Thema sehr intensiv anschauen.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Mag. Kogler, bitte.

 


Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Bundesminister! Auf die Anfrage des Abgeordneten Themessl haben Sie geantwortet, der Herr Finanzminister hätte gestern eine sehr klare Rede gehalten. Ich darf daher meine Frage einleitend mit dem Wunsch verbinden, bitte nicht bei den Hörbehelfen weiter zu sparen. (Abg. Grillitsch: Haben Sie eine Frage, Herr Kogler?)


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Zweitens ist es, glaube ich, sehr wichtig, bei dem Riesenvolumen, das wir in Österreich an Förderungen haben, die ja nicht nur öffentliche Betriebe, sondern auch private Betriebe betreffen, diese Förderungen nach Kriterien aufzustellen und zu durchforsten.

Ich stelle also an Sie die Frage, ob auch darauf Rücksicht genommen wird und ökologisch schädliche Förderungen zukünftig sozusagen hintangehalten werden, denn wir brauchen nicht auf der einen Seite das Steuersystem zu ökologisieren (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen), wenn umgekehrt die Förderungen ökolo­gisch schädliche Auswirkungen haben. (Beifall bei den Grünen.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Herr Abgeordneter Kogler, wenn Sie mich jetzt schon wegen der Hörbehelfe in der gestrigen Rede „anspitzen“, muss ich Ihnen sagen: „Gesagt ist noch nicht gehört, gehört ist noch nicht verstanden.“ (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Brosz.)

Herr Abgeordneter Brosz, wir können die intellektuelle Auseinandersetzung später weiterführen, aber nun zur Frage. (Heiterkeit. – Zwischenruf des Abg. Mag. Kogler. – Abg. Bucher: Mit Ihnen nicht!) – Wer war jetzt so freundlich zu sagen, mit mir nicht? Der soll bitte herauskommen. (Abg. Mag. Kogler: Das ist noch nicht intellektuell!)

Die Frage, die Sie gestellt haben, ist meines Erachtens sehr berechtigt. Im Endeffekt müssen wir schauen, dass wir bei den Förderungen die richtigen strategischen Ausrichtungen haben und auch entsprechend bereinigen. Ich glaube, dass uns die Transparenzdatenbank da helfen könnte.

Etwa bei der thermischen Sanierung, aber auch im Ökostrombereich, wo Bund, Länder, Gemeinden, sonstige Einrichtungen betroffen sind, bin ich gerne bereit, darü­ber zu reden, um Vereinfachungen und damit auch eine Effizienzsteigerung zu erreichen. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Ich muss noch einmal bitten, im Sinne der Zeitökonomie die Fragen und Antworten kurz zu halten.

Wir kommen zur 5. Anfrage, 89/M. Anfragestellerin ist Frau Abgeordnete Windbüchler-Souschill. – Bitte.

 


Abgeordnete Tanja Windbüchler-Souschill (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister, Sie sind ja nicht nur Wirtschaftsminister und Familienminister, sondern auch zuständig für die Belange der Kinder und Jugendlichen in Österreich. Und ich bin davon überzeugt, dass die Debatte der letzten Tage nicht an Ihnen vorübergegangen ist, nämlich dass gut integrierte Kinder und Jugendliche von ihren Elternteilen getrennt, in Gefängnisse gesteckt und abgeschoben wurden.

Deshalb meine Frage:

89/M

„Werden Sie sich als Jugendminister dafür einsetzen, dass dem Nationalrat ein Gesetzentwurf vorgelegt wird, der die gesamte UN-Kinderrechtskonvention in den Verfassungsrang hebt und Kinder vor Haft und Abschiebung schützt?“

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Frau Abgeordnete, ich werde mich dafür einsetzen, dass Kinderrechte verfassungs­rechtlich verankert werden, weil ich überzeugt davon bin, dass das ein deutliches Zeichen für ein kinderfreundliches Österreich ist.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll81. Sitzung / Seite 34

Wir haben, jetzt formal gesprochen, seitens unseres Ministeriums schon einen Entwurf vorgelegt – dieser Entwurf liegt im Parlament –, nach dem, was der Verfas­sungs­konvent ausgearbeitet hat. Sie kennen die Problematik und wissen, dass es hier eine Blockade gibt, bestimmte Dinge umzusetzen – das hängt mit anderen Themen zusam­men.

Wenn diese Thematik, die Sie angesprochen haben, inhaltlich erörtert werden soll, muss als Erstes dieses Veto aufgehoben werden, und ich möchte Sie einladen, da mitzustimmen und dann in eine sachliche Diskussion einzugehen.

Ich kann nur sagen, dass wir einen Entwurf vorgelegt und uns am Österreich-Konvent orientiert haben.

Wenn Sie jetzt vielleicht in Ihrer Zusatzfrage auch ansprechen wollen, warum der eine Artikel nicht erwähnt ist, der sozusagen auch den umfassenden Schutz in diesem Bereich anlangt: Wir glauben, dass alle Erwägungsgründe, was das Kindeswohl anlangt, da berücksichtigt sind und die Meinung der Kinder nach der Vorlage auch einbezogen werden muss. Also man könnte mit dem auch sehr viel tun.

Ich sage Ihnen aber auch ganz offen: Alles werden Sie dort nicht lösen können, denn wenn ich jetzt die Dublin-Fälle nehme, dann werden in einem bestimmten Bereich auch Familien betroffen sein, sonst brauchten wir keine einzelgesetzliche Regelung. Und andere Dinge muss man sich im Parlament anschauen und diskutieren nach dem Motto: Das Gesetz liegt jetzt bei Ihnen. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Windbüchler-Souschill.

 


Abgeordnete Tanja Windbüchler-Souschill (Grüne): Das Motto muss ich an Sie zurückgeben: Das Gesetz liegt wahrlich nicht bei der Opposition, sondern bei den Regierungsparteien, weil es darum geht, dass alle Kinderrechte, alle Artikel in den Verfassungsrang gehoben werden und nicht nur ausgewählte mit einem Gesetzes­vorbehalt.

Aktive Kinder- und Jugendpolitik kann anders aussehen, davon sind wir überzeugt. Das hat nichts mit einer Blockade, sondern immer mit inhaltlichen Gründen zu tun. (Ruf bei der ÖVP: Frage!)

Deshalb meine Frage: Wann werden wir in diesem Parlament die Kinderrechte wieder verhandeln?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Frau Kollegin, zuerst zu dem, was Sie gesagt haben, weil das ein wichtiges Thema ist: Wir haben uns an dem, was hier vorgelegt worden ist, orientiert, auch an den Vor­schlägen des Österreich-Konvents, das habe ich schon angesprochen.

Dazu, dass einige Artikel wegfallen, Folgendes: Ich darf darauf verweisen, dass diese Grundrechte – Recht auf Bildung, Gesundheit – schon in einfachgesetzlichen, teilweise auch in verfassungsrechtlichen Grundzügen geregelt sind. Und es ist nicht notwendig, das doppelt zu regeln.

Und die Frage richtet sich auch an das Parlament – ich bin nicht Mitglied des National­rates, war es lange –: Sie müssen sich bemühen und veranlassen – das Präsidium, der Ausschuss, wer auch immer –, dass das aufgegriffen wird. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Gartelgruber, bitte.

 



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Abgeordnete Carmen Gartelgruber (FPÖ): Herr Bundesminister, Sie haben sich jetzt dafür ausgesprochen, die Kinderrechte auch in den Verfassungsrang zu heben.

In der UN-Kinderkonvention über die Rechte des Kindes heißt es in Artikel 9:

„Die Vertragsstaaten achten das Recht des Kindes, das von einem oder beiden Eltern­teilen getrennt ist, regelmäßige persönliche Beziehungen und unmittelbare Kontakte zu beiden Elternteilen zu pflegen, soweit dies nicht dem Wohl des Kindes widerspricht.“

Meine Frage dazu: Wie sehen Sie die verpflichtende gemeinsame Obsorge in Österreich?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Da es auch diesbezüglich Verhandlungen und Gespräche gibt, möchte ich zu dem Thema – das ist nicht mein ursprüngliches Fachthema, sondern betrifft auch die Frau Justizminister – nicht Stellung nehmen, sondern darauf verweisen, dass es da entsprechende Vorschläge gibt.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Lueger.

 


Abgeordnete Angela Lueger (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundes­minister! Ein bundeseinheitliches Jugendschutzgesetz ist eine langjährige Forderung der Bundesjugendvertretung. Sie haben die Jugendlichen und die Experten zu einer Enquete eingeladen. Im Vorfeld fanden in den verschiedensten Bundesländern auch Aktionen statt, bei denen noch einmal darauf hingewiesen wurde, dass es da im Augenblick zu komplett unterschiedlichen Regelungen kommt.

Welche Schritte werden Sie in nächster Zeit setzen, damit wir zu einer Verein­heitlichung des Bundesjugendschutzgesetzes kommen, um dieses ganz einfach voran­zubringen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Danke für diese Frage, das ist nämlich ein sehr wichtiges Thema. Das ist eigentlich die einheitliche Sichtweise von allen Betroffenen aus ganz Österreich. Leider sind wir da in das föderale Fahrwasser der Auseinandersetzungen rund um das Budget und Sons­tiges gekommen. Das war zu erwarten. Die Länder befürchten dort und da Eingriffe in ihre Rechte. Dem wollen wir entgegenhalten, indem wir aufklären. Das ist uns teilweise gelungen. Es geht um bestimmte Regelungen, was alkoholische Getränke, vor allem harte alkoholische Getränke, anbelangt. Da wir mit den Ländern Tirol und Vorarlberg kein Einvernehmen erzielen können – das ist ja auch in den Zeitungen gestanden –, bemühen wir uns, zumindest die Sache selbst zu regeln, und überlegen, mit einer 15a-Vereinbarung wenigstens einheitliche transparente Regelungen für die Betroffenen sicherzustellen. Denn: Nur was man sehen und auch nachvollziehen kann, kann man leben.

Das ist wahrscheinlich der zweitbeste Weg, aber immer noch besser, als die Zer­splitterung zu belassen. Wir werden in den nächsten Wochen zu einem Ergebnis kommen. Ich glaube, das ist meine berechtigte Hoffnung.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Fürntrath-Moretti.

 


Abgeordnete Adelheid Irina Fürntrath-Moretti (ÖVP): Kinder sind das schwächste Glied in unserer Gesellschaft, und sie bedürfen im Besonderen unserer Hilfe, unserer Zuwendung und unseres Schutzes. Herr Bundesminister, die Umsetzung der Kinder­


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rechte ist für mich in erster Linie eine Bewusstseinsfrage. Was tun Sie, um die Rechte der Kinder bewusst zu machen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Frau Abgeordnete, Sie haben vollkommen recht: Das ist eine Awareness-Angele­gen­heit, eine Bewusstseinsentwicklungssache. Wir geben seitens des Ministeriums ent­sprechende sachliche Unterstützung, das heißt, die Instrumente sind vorhanden. Sie können sich – die Zeit reicht nicht, um alles darzustellen – auf www.kinderrechte.gv.at davon überzeugen, was wir an Angeboten haben. Sie können dem aber auch entnehmen, was wir im Jugend- und Familienbereich an Schwerpunkten setzen.

Dass die Schwerpunktsetzung genau in diese Richtung geht, ist uns ein wichtiges Anliegen, aber die Umsetzung muss auf allen Ebenen der Gesellschaft und nicht nur mit unseren Instrumenten erfolgen. Wir hoffen, nach dem Motto „Angebot schafft Nachfrage“ zur Bewusstseinsänderung beitragen zu können.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Ing. Westenthaler.

 


Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (BZÖ): Sehr geehrter Minister! Ein beson­deres Problem im Bereich des Kinderschutzes ist die Tatsache, dass es in Österreich laut Experten eine Dunkelziffer von rund 20 000 Kindern gibt, die von sexuellem Missbrauch betroffen und Opfer von Kinderschändern und den entsprechenden Straftaten sind. Die Bevölkerung spürt aber immer mehr, dass in Österreich viel zu lasche und milde Urteile gegen Sexualstraftäter gefällt werden beziehungsweise diese vorzeitig und oft auch ohne genügende Begründung aus der Haft entlassen werden. In den letzten zwei Jahren sind 309 Sexualstraftäter, darunter überwiegend Kinder­schänder, vorzeitig aus der Haft entlassen worden. 29 davon wurden wieder rückfällig. Das betrifft Familien, das betrifft Kinder.

Herr Minister Mitterlehner, ich weiß, dass Sie nicht der Justizminister sind, aber ich würde Sie bitten, in Ihrer Verantwortung als Familien- und Kinderminister dazu Stellung zu beziehen. Was werden Sie tun, um das Strafrecht entsprechend zu verschärfen? Was wird Ihr Beitrag sein, um die Ministerin für Justiz dazu zu bringen, endlich einen Kinderschutz gegen Kinderschänder in Österreich zu formulieren? (Beifall beim BZÖ.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Herr Abgeordneter, ich sehe das auch als ein sehr wichtiges Problem, wenn es von der Konstellation her so ist. Ich habe das aktuelle Datenmaterial dazu nicht vorliegen. Sie haben richtigerweise angesprochen, dass das eine Kompetenz der Justizministerin ist – aber auch nur eingeschränkt, weil die Umsetzung den Gerichten vorbehalten ist und sie dort nicht direkt eingreifen kann. Ich glaube daher, dass wir uns die Sachlage einmal anschauen sollten.

Ich kann keine vorschnellen Anregungen machen, weil ich die Gesetzes- und damit die Kompetenzlage nicht genau kenne. Sollte es jedoch notwendig sein, unterstützend tätig zu werden, werden wir dieses Thema gerne aufgreifen. Mehr kann ich derzeit aus der Kompetenzsituation heraus nicht versprechen.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zur Anfrage 85/M des Herrn Klubobmannes Bucher. – Bitte.

 


Abgeordneter Josef Bucher (BZÖ): Herr Bundesminister! Die Bundesregierung hat im Zuge der Wirtschaftskrisenbekämpfung in erster Linie den Banken und den Kon­zernen, aber auch Griechenland und dem Euro Milliarden zugewendet und unter die


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Arme gegriffen. Das alles werden jetzt der Steuerzahler und die Steuerzahlerin sowie der Mittelstand zu bezahlen haben.

Auf der Strecke geblieben sind die kleinen und mittelständischen Unternehmen in unserem Land, für die Sie früher in der Wirtschaftskammer immer auch gestanden sind. 80 Prozent der österreichischen Unternehmen sind kleine und mittelständische. Sie sind jetzt auch von der Krise betroffen.

Sie wissen, dass wir im Zuge des Bankenrettungspaketes allesamt angenommen haben, dass sie auch einen leichteren Zugang zu Betriebsmittelkrediten bekommen. Sie haben diese Kreditklemme erleiden müssen, sind also Verlierer der Krise.

Ich frage Sie jetzt ganz konkret, Herr Minister: Welche Maßnahmen planen Sie? Welche Konsequenzen ziehen Sie aus dieser Wirtschaftskrise? Und: Welche Wirt­schafts- und Unternehmensförderungen werden in Zukunft eingestellt, um das Budget zu sanieren? (Beifall beim BZÖ.)

Die eingereichte Anfrage, 85/M, hat folgenden Wortlaut:

Welche Bereiche der Wirtschafts- und Unternehmensförderung in der Zuständigkeit Ihres Ressorts werden von den im Rahmen der Budgetkonsolidierung geplanten Einsparungen betroffen sein?“

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Herr Kollege Bucher, diese Frage ist in ihrer Pauschalität so, dass man dafür längere Zeit benötigen würde. Um einmal darauf hinzuweisen: Das Bankenpaket haben alle gemeinsam hier herinnen beschlossen. (Abg. Scheibner: Aber unter anderen Voraus­setzungen!) Niemandem ist Geld nachgeworfen worden, sondern es wird klar verzinst und muss auch zurückgezahlt werden. (Zwischenrufe der Abgeordneten Scheibner, Petzner und Ing. Westenthaler.) Wollten Sie irgendeine Bank in Kärnten ansprechen? Nicht? (Abg. Petzner: Nein! – Weitere Zwischenrufe beim BZÖ.)

Ich darf fortsetzen: Was die Finanzierung anlangt, haben wir bei den Unternehmen ein breites Instrumentarium für Haftungen und Zuschüsse aufgebaut, im AWS-Bereich, im ERP-Bereich und auch beim Unternehmensliquiditätsstärkungsgesetz.

Was die Förderungen der Austria Wirtschaftsservice anlangt, haben wir Steigerungen, heuer haben wir 3 743 Förderfälle. Das entspricht 15 Prozent Steigerung bei Klein- und Mittelbetrieben. Das spricht dafür, dass investiert wird. Wir haben bei den ERP-Kleinkrediten das Volumen verdoppelt. Wir hatten im Vorjahr 400 Fälle, heuer 875. Das ist gerade für Klein- und Mittelbetriebe eine tolle Startförderung. Auch bei KMU-Haf­tungen gibt es einen deutlichen Anstieg von 564 Zusagen in den ersten drei Quartalen, das sind 27 Prozent mehr.

Daher glaube ich, mit Fug und Recht sagen zu können, dass wir nichts einstellen wollen. Sämtliche Aktionen werden weitergeführt, einige sogar fokussiert auf den Technologiebereich. Die Finanzierung der Klein- und Mittelbetriebe ist gesichert. An dem fehlt es nicht.

Dass die Investitionsbereitschaft dort und da stärker sein könnte, ist ein zweites Problem, aber auch das wollen wir entsprechend forcieren. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Klubobmann Bucher.

 


Abgeordneter Josef Bucher (BZÖ): Zur Klarstellung: Beim Bankenrettungspaket wurde uns versprochen, dass es ein Geschäft für die Republik ist, und daher hat die Opposition auch die Zustimmung gegeben. Jetzt wissen wir, dass es der Steuerzahler bezahlen wird. Nur so viel zum Bankenrettungspaket.


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Meine Zusatzfrage, nachdem Sie meine Frage nicht beantworten wollen: Schließen Sie aus, dass es in den kommenden Jahren Kürzungen im Bereich der Unterneh­mens­förderung geben wird? Schließen Sie das aus, Herr Bundesminister? (Beifall beim BZÖ.)

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Wir werden uns bemühen, darzustellen, dass es keine Rückgänge und keine Verschlech­terungen gibt. Garantieren kann man im Leben nie etwas, wie Sie wissen. Aber es ist mit ziemlich großer Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass das System gut bleibt und sogar verbessert werden kann.

Zum Banken-Bereich: Bitte schauen Sie sich die Zahlen an, was bis jetzt herein- und hinausgegangen ist! Aber ein Bankenproblem ist da. Ich möchte Sie jetzt nicht in dieser Weise strapazieren. Sie kennen die Bank. (Abg. Scheibner: Hypo Niederösterreich! – Abg. Petzner: Raiffeisen! – Abg. Ing. Westenthaler: Eine Pröll-Bank! – Weitere Zwi­schenrufe beim BZÖ.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Dr. Lichtenecker. (Abg. Scheibner: Das ist völlig unangebracht! – Abg. Ing. Westen­thaler: Die Hausbank des Herrn Pröll! – Anhaltende Zwischenrufe beim BZÖ. – Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.)

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Lichtenecker mit ihrer Frage! (Abg. Scheibner: Über die Hypo reden wir noch!)

 


Abgeordnete Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Minister! Sie wissen, es gibt mehr als 200 000 Ein-Personen-Unternehmen, die hoch engagiert arbeiten und die jetzt die Ausläufer der Krise noch immer zu spüren bekommen. Sie haben vorhin versichert, dass es keine Einschränkungen bei den Förderungen für die klein- und mittelständische Unternehmerschaft geben wird.

Die Frage, die sich stellt, ist: Was heißt das im Konkreten für die Ein-Personen-Unternehmen? Wird es zusätzliche Maßnahmen, zusätzliche Initiativen geben, um sie in den schwierigen Zeiten zu unterstützen, besonders was die Teilnahme an der Arbeitslosenversicherung betrifft?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Wir haben, was die Klein- und Mittelbetriebe und vor allem die Ein-Personen-Unternehmen anlangt, mehrere Verbesserungen gesetzt, die Sie ja kennen – auch was den ersten Arbeitslosen betrifft. Ich hoffe, dass wir alle vorhandenen Möglichkeiten aufrecht­er­halten können. Die eingeschränkte Situation wird nicht dazu veranlassen, in diesem Bereich wesentlich zu verbreitern. – Das ist in groben Zügen die Konstellation.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Zanger.

 


Abgeordneter Wolfgang Zanger (FPÖ): Herr Minister! Österreich wendet insgesamt eine Unsumme an Förderungen auf: 4,4 Milliarden € der Bund, 7,7 Milliarden € die Länder – das sind 5,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Das ist weit über dem EU-Schnitt, der bei 2,3 Prozent liegt. Damit wird ja hauptsächlich die Klientel von ÖVP und SPÖ bedient.

Daher meine Frage an Sie: Was werden Sie tun, um Förderungen einheitlich trans­parent zu gestalten und vor allem so umzuschichten, wie Sie es als Familienminister zur Förderung unserer eigenen Familien und eigenen Kinder brauchen könnten?

 



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Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Herr Abgeordneter, das ist eine interessante Frage, wobei ich das allgemeine Problem habe, dass die Fragen meist länger sind, als meine Antworten sein können. Aber das Thema ist sehr interessant, denn wir haben 15 Milliarden € an Förderungen und daher diese internationale Förderquote. Das Wifo hat gesagt, dass 900 Millionen € im ersten Jahr und 3 bis 4 Milliarden € nach mehreren Jahren einsparbar sind.

Schauen Sie sich die 15 Milliarden an! Da ist die gesamte Gesundheitsförderung da­bei. Alles, was die Spitäler an Abgang haben, was die Länder bezahlen, ist Unterneh­mensförderung. Der gesamte Bundesbahnbereich ist dabei. Alles, was die Bundes­bahn von Ländern wie zum Beispiel Oberösterreich für Nebenbahnen bekommt, ist Unternehmensförderung. Von diesen 15 Milliarden fallen 11 Milliarden weg. Daher bleiben 4 Milliarden € übrig. Rechnen Sie dann den Prozentsatz aus, und Sie werden sehen, dass die Unternehmen in Österreich nicht überfördert sind.

Sie rennen aber bei mir offene Türen ein, wenn Sie sagen, wir sollen trotzdem schauen, wo es Doppelförderungen gibt, denn diese wollen wir einstellen. Wir wollen uns ökologisch nachhaltig ausrichten, weil wir Geld effizient einzusetzen haben – da bin ich ganz bei Ihnen. Aber so ist das Schlaraffenland nicht, wie manche Leute beim ersten Anblick glauben. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Riepl.

 


Abgeordneter Franz Riepl (SPÖ): Herr Bundesminister! Als Abgeordneter der sozialdemokratischen Fraktion liegen mir natürlich die Themen Beschäftigung und Arbeit in Österreich sehr am Herzen. Wirtschaftsförderung unterstützt die Betriebe, schafft mehr Marktertragschancen, mehr Gewinnchancen und sichert und schafft hoffentlich auch Arbeitsplätze. Die Frage ist immer, wo diese Arbeitsplätze geschaffen werden.

Meine Frage ist daher: Wie stellen Sie konkret sicher, dass Förderungen Ihres Res­sorts an österreichische Betriebe, an österreichische Unternehmen auch Arbeitsplätze in Österreich garantieren und nicht im Ausland? Wie schaut Ihre Position dazu aus?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Herr Kollege, das ist eine wichtige Problematik. Ich denke, dass man aber nicht ganz so eingeschränkt vorgehen kann zu sagen, dass das Unternehmen und die Arbeit­nehmer nur in Österreich sein dürfen. Wir gehen eher einen Schritt weiter. Wir ver­suchen, möglichst viele Headquarter in Österreich zu halten. Damit habe ich die Gewähr, dass die Steuerung und die meisten Arbeitsplätze auch bei uns sind.

Der zweite Punkt ist, dass wir bei der unternehmensbezogenen Arbeitsmarktförderung den Aspekt haben, dass genau nachweisbar sein muss, welche Arbeitsplätze aufgrund der Förderungen in Österreich entstehen. Wenn darüber hinaus im Ausland Arbeits­plätze entstehen und durch Rückkoppelung später die Stärke des Unternehmens auch für Österreich da ist, also praktisch gemeinsame Aktivitäten das gesamte Unternehmen stärken, werden ebenfalls Arbeitsplätze geschaffen. Ich glaube, wir haben in dieser Weise beides erfüllt. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Mag. Lettenbichler.

 


Abgeordneter Mag. Josef Lettenbichler (ÖVP): Herr Bundesminister, mich interes­siert, wie viele Förderungen mit welchem Fördervolumen die Austria Wirtschaftsservice


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GmbH in den ersten neun Monaten, sprich in den ersten drei Quartalen, abgewickelt hat?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Ich habe vorher schon das gesamte Fördervolumen und auch das Investitionsvolumen angesprochen. In den ersten drei Quartalen war das Investitionsvolumen 1,5 Milliar­den €, das entsprechende Fördervolumen war rund 505 Millionen €. Die Förderfälle habe ich angesprochen. Was wir alles an Kleinkrediten und Haftungen bewegt haben, waren 77,1 Millionen € an Haftungen und 858 Kleinkredite mit einem Volumen von 47,2 Millionen €. Wir übermitteln aber gerne eine Gesamtdarstellung am Jahresende, wo der Überblick gegeben ist. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen zur Anfrage 91/M der Frau Abgeordneten Binder-Maier. – Bitte.

 


Abgeordnete Gabriele Binder-Maier (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Wieder zurück in die Welt der Familien.

Meine Frage richtet sich an Sie als Familienminister wie auch als Wirtschaftsminister:

91/M

Was unternimmt Ihr Ressort, um in Zukunft sowohl mehr Väter zu motivieren, sich in die Kinderbetreuung einzubringen, als auch Unternehmen in diese Richtung zu sensibilisieren, schließlich liegt der Anteil der Väter, die in Karenz gehen, noch immer bei unter 5 Prozent?“

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Bitte um die Beantwortung, Herr Bundes­minister.

 


Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Frau Abgeordnete, Sie sprechen ein ganz wichtiges gesellschaftliches Problem an. Wir haben beim Kindergeld mit der Pauschalvariante 12 plus 2 und der Variante 12 plus 2 für einkommensabhängiges Kindergeld ein Modell geschaffen, das für die Betroffenen ausgesprochen attraktiv ist. Es gibt eine klare prozentuelle Steigerung, die Variante 12 plus 2 mit bis zu 2 000 € wurde beispielsweise seit 1. Jänner von rund 1 000 Be­troffenen gewählt.

Wir sehen natürlich erst am Ende einer Frist wirklich, wie die Inanspruchnahme ist. Wir bemühen uns, dass wir das Thema mit Öffentlichkeitsarbeitsmaßnahmen ent­sprechend positionieren. Wir haben mit dem Audit „berufundfamilie“ ein tolles Instrument. Das werden wir weiterführen.

Es ist natürlich auch Aufgabe der Betriebe, den Stellenwert dieser Maßnahme zu beto­nen, denn man sieht, dass das beiden Teilen und auch dem Unternehmen nützt. Ich glaube, da sind wir auf einem an sich guten, aber noch verbesserbaren Weg. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Binder-Maier.

 


Abgeordnete Gabriele Binder-Maier (SPÖ): Herr Bundesminister! Wir haben zuletzt den Familienbericht hier im Hohen Haus debattiert. Dem Kapitel Väter wurde breiter Raum gewidmet. Nach der Debatte war in der öffentlichen Diskussion die Kritik zu hören, dass ein Kapitel im Familienbericht gefehlt hat, nämlich das Kapitel Armut.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll81. Sitzung / Seite 41

Können Sie mir sagen, wer die Entscheidung getroffen hat, dieses Kapitel nicht einzu­beziehen, und warum das nicht geschehen ist?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Danke für diese Frage. Vielleicht bedingt durch den Wahlkampf ist Frau Staats­sekre­tärin Marek unterstellt worden, sie hätte das gemacht oder Einfluss darauf genommen.

Dazu kann ich nur sagen: Das ist nicht einmal auf die politische Ebene gekommen, weil es hier andere Probleme gegeben hat, nämlich in Zusammenhang mit der technischen Umsetzung des Beitrages. Daher hat es schon im Vorfeld eine Einigung des Erstellers mit uns gegeben, dass diese Angelegenheit erledigt ist. Leider ist das dann in der Art und Weise hochgekommen, als wäre es eine inhaltliche Beeinflussung gewesen. Das war nicht der Fall.

Ich kann Ihnen auch noch eine Detailaufstellung geben, um damit auch deutlich zu machen, dass das eher technisch-inhaltliche, aber keine ideologisch-politischen Hintergründe gehabt hat.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Steibl.

 


Abgeordnete Ridi Maria Steibl (ÖVP): Herr Bundesminister! Zu einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist die Kinderbetreuung das Um und Auf, aber nicht das Einzige. Welche Maßnahmen werden Sie setzen, um Beruf und Familie besser zu vereinbaren, und inwieweit werden Sie das auch öffentlich wirksam darstellen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Danke für diese Frage. Ich darf angesichts der vorgeschrittenen Zeit darauf verweisen, dass wir eine umfangreiche Strategie haben. Wir haben einen Staatspreis gemacht, der das Thema entsprechend aufwertet, wir haben ein Familienaudit und diverse bewusstseinsbildende Veranstaltungen, sodass wir sicher sind, angesichts der Breite der Wahrnehmung dieser Gegebenheiten auch entsprechende Awareness für die Gesamtthematik bewirken zu können. Weil wir uns kennen, Frau Abgeordnete, darf ich den Überblick dann nachreichen.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeord­neter Dr. Spadiut.

 


Abgeordneter Dr. Wolfgang Spadiut (BZÖ): Herr Minister! Eine Studie der Uni Wien zur Evaluierung der Elternteilzeit kommt zu folgendem Schluss – ich zitiere –:

„Das Ausmaß der Arbeitszeit kann insbesondere bei spezialisierten, höher qualifi­zierten Tätigkeiten und Führungsaufgaben aus Unternehmenssicht zu Schwierigkeiten führen. Hier erweist sich häufig die einschränkende Wirkung der Zuverdienstgrenze zum Kinderbetreuungsgeld als problematisch.“ Weiters sagt die Studie, „dass Eltern­teilzeitkräfte gegenüber ihrer Vollzeittätigkeit weniger anspruchsvolle Tätigkeiten übernehmen“ und damit deren berufliche Aufstiegschancen verringert werden, was 70 Prozent der Betroffenen auch bestätigen. Die Zuverdienstgrenze zum Kinderbetreu­ungsgeld hat sich damit für höher Qualifizierte als echter Hemmschuh erwiesen.

Herr Minister, was werden Sie tun, um dieses Hemmnis zu beseitigen? (Beifall beim BZÖ.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll81. Sitzung / Seite 42

Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Wir werden uns die Ergebnisse dieser Studie anschauen, soweit sie nicht sowieso in unserer Sektion behandelt werden. Dann werden wir angesichts der budgetären Gege­ben­heiten einen weiteren Entwicklungsvorschlag machen oder nicht, je nachdem, wie unser Bewegungsspielraum ist. Das Problem kennen wir. Ich glaube, dass die Variante 12 plus 2, die einkommensabhängige Variante, die von mir vorher geschildert worden ist, schon eine beträchtliche Verbesserung war. Man wird weitere Varianten eben budgetabhängig noch diskutieren müssen. Sie wissen, der FLAF ist überschuldet, und der Spielraum in Richtung weiterer Maßnahmen ist von der Möglichkeit nicht der, der vom Anspruch da ist. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Mag. Musiol.

 


Abgeordnete Mag. Daniela Musiol (Grüne): Herr Minister! Der Familienbericht ist ja schon angesprochen worden. Die Väterbeteiligung war dort erwähnt, andere Kapitel nicht. Ich hoffe, Sie nicht richtig verstanden zu haben, wenn Sie meinen, dass es nicht in der politischen Verantwortung einer Ministerin liegt, was im Ministerium geschieht. Darauf hätte ich gerne eine Antwort.

Darüber hinaus würde ich aber von Ihnen gerne wissen, wie Sie gedenken, die Kapitel wie zum Beispiel das Kapitel Armut, die von der Staatssekretärin zensuriert wurden und nicht in den Familienbericht aufgenommen wurden, daher auch nicht hier parlamentarisch behandelt werden konnten, wie Sie also gedenken, diese Kapitel, vor allem das Armutskapitel, der parlamentarischen Behandlung zuzuführen.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Frau Kollegin, ich weise den Vorwurf zurück, es würde oder wurde hier seitens des Ministeriums oder auch der Frau Staatssekretärin politischer Einfluss auf die Arbeit genommen und Anweisungen oder Weisungen oder Ähnliches gegeben!

Dass die Tätigkeit der Sektion, aller Abteilungen insgesamt, in die politische Verant­wort­lichkeit des Ministers/der Ministerin fällt, ist weder zu bestreiten noch sonst etwas, sondern die Verantwortung wird so wahrgenommen.

Ich darf Ihnen daher den Hintergrund, der technische Ursachen hatte, darstellen, was eben diesen Beitrag von dem betreffenden Verfasser anlangt. Ich wollte Ihnen den Namen noch nennen, möchte das aber aus Datenschutzgründen jetzt doch nicht machen. Jedenfalls hat der Verfasser das nicht so gebracht, wie es vereinbart war, und über diese Abwicklung hat es dann sogar ein entsprechendes Verfahren und auch eine rechtliche Einigung gegeben, weil da eben die Position, die in der Öffentlichkeit war, nicht dem entsprochen hat, was tatsächlich vorgefallen ist.

Das können wir Ihnen auch noch im Detail darstellen, um Ihnen die Möglichkeit zu geben, zu unterscheiden zwischen dem, was tatsächlich technisch, inhaltlich gegeben war, und der politischen Verantwortung, wie wir sie wahrgenommen haben, wobei wir keinerlei Beeinflussung getätigt haben. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Kitzmüller.

 


Abgeordnete Anneliese Kitzmüller (FPÖ): Herr Minister, da die Antwort, die Sie zuvor dem Kollegen Spadiut gegeben haben, für mich nicht sehr zufriedenstellend war, möchte ich da nachhaken.

Da ja die Zuverdienstgrenze bei der Pauschalvariante 60 Prozent des Einkommens des letzten Kalenderjahres vor der Geburt beträgt, die einkommensabhängige Variante


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll81. Sitzung / Seite 43

eine Zuverdienstgrenze von 5 800 € vorsieht und weil das Gehaltsniveau bezie­hungs­weise die Gehaltsschere bei Frauen und Männern doch noch immer sehr auseinan­dergeht und dadurch die Einbußen sehr groß sind und es sich viele Familien nicht leisten können, dass die Väter zu Hause bleiben, ist da nicht wirklich die Streichung der Zuverdienstgrenze eine Maßnahme, um eben dieses ewig diskutierte Papamonat aus der Welt zu schaffen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Frau Kollegin, auch wenn Sie sagen, für Sie war die Antwort nicht zufriedenstellend, muss ich auf eines verweisen: Ich habe Respekt vor Ihrer Meinung, bitte haben Sie auch Respekt vor meiner!

Wir haben jetzt nicht die finanziellen Möglichkeiten, um da beliebig aufzumachen. Schauen wir uns daher das Thema an, insbesondere die Frage, wie sich diese Verbes­serungsmaßnahmen wirklich ausgewirkt haben – eine Evaluierung also –, und dann wird man nach budgetären Gegebenheiten zu entscheiden haben, ob wir uns Verän­derungen im von Ihnen beschriebenen Sinne leisten können, aber auch leisten wollen, wenn sie einen Beitrag zu einer Verbesserung der Problematik leisten. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen zur Anfrage 87/M des Herrn Abgeordneten Steindl. – Bitte.

 


Abgeordneter Konrad Steindl (ÖVP): Herr Bundesminister, Sie haben gemeinsam mit Minister Berlakovich vor geraumer Zeit die Energiestrategie Österreich vorgestellt. Welche Effekte – im Hinblick auf Kyoto-Ziele und Wachstum – wird Ihrer Meinung nach diese Strategie bewirken?

Die eingereichte Anfrage, 87/M, hat folgenden Wortlaut:

„Was kann die österreichische Energiestrategie zur Erreichung der Klima- und Nachhaltigkeitsziele und zur Wettbewerbsfähigkeit beitragen?“

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Meine Damen und Herren! Wir haben diese Strategie gemeinsam vorgestellt. Sie hat drei Komponenten – das ist auch ausreichend in der Öffentlichkeit diskutiert worden –: Die eine ist eben Effizienzsteigerung, die zweite, erneuerbare Energien zu forcieren, und die dritte ist Versorgungssicherheit.

Wir erwarten uns da einen Effekt auf das Bruttonationalprodukt in einer Größen­ordnung von etwa 0,5 bis 1 Prozentpunkt auf mehrere Jahre gerechnet und rund 120 000 neue Arbeitsplätze. – Ich sage „von bis“, weil ich nicht so überheblich sein möchte, hier absolute Zahlen in den Raum zu stellen, aber die Maßnahmen sind im Wesentlichen eingeleitet, und ich glaube, diese sind positiv. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Konrad Steindl (ÖVP): Das hat sich erübrigt, der Herr Minister hat die Frage schon beantwortet.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Dann kommen wir zur Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Mag. Widmann. – Bitte.

 


Abgeordneter Mag. Rainer Widmann (BZÖ): Sehr geehrter Herr Wirtschaftsminister! Der Strompreis und auch der Gaspreis sind in Österreich deutlich überhöht, das sagen uns auch die E-Control und der internationale Vergleich.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll81. Sitzung / Seite 44

Wir wollen mehr Wettbewerb haben! Wir seitens des BZÖ haben dazu einige Anträge eingebracht: um den Anbieterwechsel zu erleichtern, mehr Transparenz zu schaffen et cetera. Es liegt auch seit rund eineinhalb Jahren ein entsprechendes Gesetz vor, nämlich das sogenannte Wettbewerbsbeschleunigungsgesetz. Dieses wurde immer wieder verzögert.

Meine Frage daher: Wie viel hätten sich die Strom- und Gaskunden in Österreich er­spart, wenn wir bereits vor eineinhalb Jahren das Gesetz beschlossen hätten und die Kunden entsprechende Transparenz und die Möglichkeit gehabt hätten, rasch zu wechseln?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Tatsache ist, dass sich der Strompreis in allen Bereichen seit den Liberalisie­rungs­schrit­ten, die wir ab dem Jahr 1995 getätigt haben, in Richtung der EU-Durchschnitts­werte entwickelt hat. Ich will nicht sagen, das ist schon gut genug, aber wir haben eine positive Wettbewerbsentwicklung gehabt.

Zum Zweiten: Was Sie angesprochen haben, ist gerade jetzt in Begutachtung, nämlich das ElWOG, in dem genau diese Wettbewerbsbeschleunigungsschritte, die Sie angesprochen haben, drinnen sind: rascherer Anbieterwechsel, nämlich von acht auf drei Wochen, andere Rechte, was den Anbieter anbelangt, auch hinsichtlich der Kostenstruktur. Ich möchte das alles jetzt nicht im Detail darstellen, dazu fehlt die Zeit, aber es sollte sich eine beträchtliche Einsparung – die EU erwartet zirka 0,4 Prozent an Inflationssenkung durch diese Maßnahmen – ergeben.

Daher würde ich, was die Vergangenheit anbelangt, Folgendes sagen: Mag sein, dass dort und da vielleicht noch eine senkende Tendenz eingetreten wäre, ich glaube aber, dass wir – so wie andere Staaten – genau im Zeitrahmen und auch wettbewerbs­fördernd sind und damit für die Konsumenten und die Unternehmen eine gute Preisentwicklung verursachen.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Mag. Brunner.

 


Abgeordnete Mag. Christiane Brunner (Grüne): Herr Minister! Es geht jetzt um die Energiestrategie, die diesem Haus leider nicht vorgelegt wurde; auch die Evaluierung der Maßnahmen wurde uns auf Anfrage nicht gegeben.

Ich möchte eine Maßnahme herausgreifen, die mir eigentlich als das Herzstück dafür erscheint, dass in Sachen Energiewende, Klimaschutz und grüne Arbeitsplätze in Österreich wieder etwas weitergeht, das ist das Ökostromgesetz. Wir hatten ja ein sehr gutes Ökostromgesetz in Österreich, das eigentlich zu Tode novelliert wurde, und seit 2006 haben wir leider einen Ausbaustopp.

Daher meine Frage an Sie jetzt – das Ökostromgesetz wird wieder neu novelliert –: Werden Sie diese Blockade beenden? Wird der Deckel von derzeit 21 Millionen € fallen? Wenn ja, für alle Energieträger, nicht nur für einzelne? Wie ist da der Stand der Verhandlungen? Wird es jetzt endlich weitergehen mit Ökostrom in Österreich?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Frau Kollegin, erstens einmal steht der Bericht zur Verfügung, und wir können ihn gerne debattieren. Wenn er jetzt auch nicht formal behandelt wird, vielleicht im Rah­men einer Enquete, damit nicht der Eindruck entsteht, wir würden uns da ver­schweigen. Er war auch offen zugänglich.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll81. Sitzung / Seite 45

Zweiter Punkt: Ich glaube, wir haben nicht die Notwendigkeit einer Energiewende. Österreich ist ausgezeichnet aufgestellt! Ich glaube, nicht zufällig haben andere Länder das, nämlich die Strategie, von uns eingefordert.

Ich habe jetzt aber auch mit Interesse Ihre Stellungnahme zum Ökostromgesetz vernommen. Ich kann mich erinnern – ich war selber noch Abgeordneter –, es war das Letzte vom Letzten, was Sie ihm immer zugeordnet haben: Ganz schlecht!, und so weiter. Jetzt sagen Sie: Eine tolle Regelung, das Ökostromgesetz! – Sei’s drum. (Abg. Mag. Brunner: Nein!) – Sei’s drum!

Eines ist jetzt in Vorbereitung: Auf Anregung der Freiheitlichen Partei hat es im Vorjahr einen Entschließungsantrag gegeben, das Ökostromgesetz zu novellieren. Daran arbeiten wir, da ist auch der Deckel dabei.

Der Deckel soll aufgehoben werden. (Abg. Mag. Brunner: Für alle?) Da müssen wir schauen, ob wir eine Finanzierungsgrundlage dafür finden, ihn für alle aufzuheben. Das hieße, dass ich für alle Projekte unbeschränkt Mittel haben müsste. – Das kann ich mir schwer vorstellen, darüber werden wir noch diskutieren, aber da ist einiges im Fluss. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeord­neter Dipl.-Ing. Deimek.

 


Abgeordneter Dipl.-Ing. Gerhard Deimek (FPÖ): Herr Bundesminister, die Energie­strategie ist ein sehr ambitioniertes Papier: 317 konkrete Maßnahmen, wirklich ganz toll! Zum Beispiel wird ja die Photovoltaik, die jetzt auch implizit drinnen war, derzeit mit Brüssel verhandelt. Das Ganze ist im Fluss, aber jetzt kommen mehrjährige Spar­budgets. Es wird eng auf der finanziellen Seite.

Was macht Sie sicher, dass die ganzen konkreten Maßnahmen gesetzlich wirklich komplett umgesetzt werden können und dass wir nicht nur die Auswirkungen im Energiebereich, sondern auch im Bereich der Arbeitsplätze noch in den nächsten zehn Jahren spüren werden?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Herr Kollege, sicher macht mich nur eines: dass wir der EU alle zwei Jahre ein Template vorzulegen haben, wie unsere Maßnahmen gewirkt haben und wie wir in der Umsetzung liegen, insbesondere was die erneuerbare Energie anbelangt. – Daher bin ich relativ sehr sicher, dass wir die Ziele auch erreichen.

Bei all den anderen Maßnahmen, beispielsweise dem Effizienzsteigerungsgesetz, sind Länderkompetenzen betroffen, deswegen wird es nicht einfach sein, da einheitliche Vorgangsweisen zu erzielen. Ich bin aber optimistisch, dass wir da auf dem richtigen Weg sind, und glaube, dass wir alles in allem die Ziele erreichen werden.

Ich glaube, das ist auch wichtig! Dass wir das dort und da nicht ganz präzise erreichen werden, mag sein, aber es ist besser, ungefähr richtig und damit zielerreichend vorzugehen, als präzise falsch und gar nicht vorzugehen.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächste Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Ing. Mag. Kuzdas, bitte.

 


Abgeordneter Ing. Mag. Hubert Kuzdas (SPÖ): Herr Bundesminister! Die letzte Novelle zum Ökostromgesetz hat den Ausbaustopp de facto beendet. (Abg. Mag. Brunner: Nein!) Die Ökostromverordnung regelt die Abnahme der elektrischen Energie und verpflichtet die Ökostromabwicklungsstelle bis Ende 2010 zur Abnahme zu diesen Bedingungen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll81. Sitzung / Seite 46

Wie wird es 2011 weitergehen, auch angesichts der budgetären Restriktionen, die auf uns zukommen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Sie müssen Folgendes sehen: Die budgetären Restriktionen haben mit dem Ökostrom­gesetz wenig zu tun, denn wer zahlt das im Prinzip? – Es zahlt der Konsument und die Wirtschaft, was da an Förderungen, die über dem Marktpreis liegen, stattfindet.

Wenn Sie aber rundherum schauen, nach Deutschland, Spanien – Spanien ist zwar nicht „rundherum“, aber in Europa – oder Tschechien, dann sehen Sie, dass überall, was die Förderungen anbelangt, die Tarife viel zu üppig gefördert worden sind. Daher, glaube ich, sollten wir auch auf das Bezug nehmen, wie die Lage in anderen Ländern ist, und da vernünftig, aber sicherlich ausweitend vorgehen.

Ich glaube, eine Novelle des Ökostromgesetzes sollte drei Komponenten beinhalten: Das Gesetz muss transparenter werden – momentan überblickt keiner, was da wirklich los ist, auch was die Abrechnung anbelangt –, es muss auch noch mit den Industrie­betrieben eine Deckelung diskutiert werden – das ist noch vom alten Gesetz her offen –, und es ist natürlich die Frage der Photovoltaik und überhaupt dieser Deckelung zu klären.

Diesbezüglich werden wir demnächst in Gespräche eintreten und hoffentlich einen Schritt weiterkommen.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeord­neter Jury.

 


Abgeordneter Josef Jury (ohne Klubzugehörigkeit): Guten Morgen, Herr Bundes­minister! Die italienische Regierung plant, im oberitalienischen Raum ein neues Kernkraftwerk zu errichten. Da es ja in diesem Haus einen Grundkonsens gibt, der „Wir sind gegen Atomenergie“ lautet, und da Energiepolitik auch Wirtschaftspolitik ist, geht meine Frage in folgende Richtung:

Was werden Sie als Wirtschafts- und Energieminister tun, um dieses neue AKW im oberitalienischen Raum zu verhindern?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Herr Kollege, ich weise darauf hin, was unsere gesetzliche Grundlage ist: Was Österreich anlangt, gibt es eben diese entsprechende verfassungsrechtliche Regelung. Was das Ausland anlangt, kennen Sie die EU-Verträge. Dieses AKW ist so wie Kraftwerke in anderen Ländern zu behandeln.

Und was uns betrifft: Im Rahmen unserer Möglichkeiten in der EU weisen wir auf die Problematik nicht nur hin, sondern versuchen, alle Gefährdungen, die grenzüber­schrei­tend stattfinden, vertraglich – soweit das möglich ist – entsprechend auszu­schließen.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Danke schön. – Wir sind damit am Ende der Fragestunde. Ich bedanke mich bei allen.

Wir konnten bei den letzten drei Fragerunden sehr viel Zeit einsparen (Abg. Neugebauer: Präzise, Herr Minister, sehr präzise!), das hat uns beim Zeitbudget geholfen. – Vielen Dank, Herr Bundesminister. (Beifall bei der ÖVP.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll81. Sitzung / Seite 47

11.32.39Einlauf und Zuweisungen

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsge­genstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäfts­ordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

Regierungsvorlagen:

Bundesgesetz, mit dem das Gleichbehandlungsgesetz, das Gesetz über die Gleich­behandlungskommission und die Gleichbehandlungsanwaltschaft, das Behindertenein­stellungsgesetz und das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz geändert werden (938 d.B.),

Bundesgesetz über eine Transparenzdatenbank (Transparenzdatenbankgesetz – TDBG) (940 d.B.).

B. Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Ausschuss für Arbeit und Soziales:

Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsverfassungsgesetz, das Post-Betriebsver­fas­sungsgesetz und das Landarbeitsgesetz 1984 geändert werden (901 d.B.),

Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über Arbeitsverhältnisse zu Theaterunter­nehmen (Theaterarbeitsgesetz – TAG) erlassen und mit dem das Urlaubsgesetz, das Arbeitsverfassungsgesetz, das Entgeltfortzahlungsgesetz und das Arbeitsruhegesetz geändert werden (Theateranpassungsgesetz 2010) (936 d.B.);

Finanzausschuss:

Bundesgesetz betreffend die Veräußerung von unbeweglichem Bundesvermögen (917 d.B.),

Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz geändert wird (922 d.B.),

Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Serbien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll (939 d.B.);

Gesundheitsausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden (2. Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2010 – 2. SVÄG 2010) (937 d.B.),

Antrag 1297/A(E) der Abgeordneten Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen betreffend Beseitigung bestehender Benachteiligungen bei der Administration der Rezeptgebührenobergrenze,

Antrag 1301/A(E) der Abgeordneten Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aufbau und Finanzierung von Hospiz-/Palliativbetreuung für Kinder und Jugendliche,

Antrag 1303/A(E) der Abgeordneten Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung eines Rechtsanspruches auf Betreuung durch Hospiz- und Palliativeinrichtungen,


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll81. Sitzung / Seite 48

Antrag 1304/A(E) der Abgeordneten Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen betreffend Rezeptgebührenbefreiung für PflegeheimbewohnerInnen,

Antrag 1305/A(E) der Abgeordneten Mag. Judith Schwentner, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Berücksichtigung geschlechtsspezifischer arbeitsbedingter Risiken in der Prävention und bei der Anerkennung von Berufskrankheiten,

Antrag 1308/A der Abgeordneten Dr. Sabine Oberhauser, MAS, Dr. Erwin Rasinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits­telematikgesetz geändert wird;

Hauptausschuss:

Antrag 1309/A der Abgeordneten Josef Bucher, Kolleginnen und Kollegen auf Durchführung einer Volksbefragung gem. Art. 49b B-VG über das Bleiberecht,

Antrag 1310/A der Abgeordneten Josef Bucher, Kolleginnen und Kollegen auf Durchführung einer Volksbefragung gem. Art. 49b B-VG über das Asylrecht,

Antrag 1311/A der Abgeordneten Josef Bucher, Kolleginnen und Kollegen auf Durchführung einer Volksbefragung gem. Art. 49b B-VG über die Zuwanderung,

Antrag 1312/A der Abgeordneten Josef Bucher, Kolleginnen und Kollegen auf Durchführung einer Volksbefragung gem. Art. 49b B-VG über die Integration;

Ausschuss für innere Angelegenheiten:

Antrag 1300/A(E) der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Versagen des Vertrauens gegenüber der Bundesministerin für Inneres,

Antrag 1307/A(E) der Abgeordneten Mag. Alev Korun, Kolleginnen und Kollegen betreffend Stopp der Haft von Kindern, Schaffung eines Bleiberechts;

Justizausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozessordnung 1975, das Staatsanwaltschaftsgesetz und das Gerichtsorganisationsgesetz zur Stärkung der strafrechtlichen Kompetenz geändert werden (strafrechtliches Kompetenzpaket – sKp) (918 d.B.);

Ausschuss für Konsumentenschutz:

Antrag 1314/A(E) der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Gabriele Tamandl, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend „Bisphenol A in Gebrauchsgegenständen (Lebens­mittelkontakt-Materialien und -gegenstände)“,

Antrag 1315/A(E) der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Gabriele Tamandl, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „Azofarbstoffe in Lebensmitteln“;

Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft:

Antrag 1306/A(E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen gegen Spekulationen mit Agrarrohstoffen;

Verfassungsausschuss:

Antrag 1294/A der Abgeordneten Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die XXIV. Gesetzgebungsperiode des National­rates vorzeitig beendet wird,

Antrag 1295/A der Abgeordneten Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ministeranklage gemäß Art. 142 Abs. 2 lit.b B-VG wider den Bundeskanzler Werner Faymann,


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll81. Sitzung / Seite 49

Antrag 1296/A der Abgeordneten Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ministeranklage gemäß Art. 142 Abs. 2 lit.b B-VG wider den Bundesminister für Finanzen VK DI Josef Pröll,

Antrag 1313/A der Abgeordneten Mag. Barbara Prammer, Fritz Neugebauer, Mag. Albert Steinhauser, Ing. Peter Westenthaler, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Einrichtung des Fonds zur Instandsetzung der jüdischen Friedhöfe in Österreich erlassen sowie das National­fondsgesetz geändert wird;

Verkehrsausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Führerscheingesetz geändert wird (13. FSG-Novelle) (900 d.B.);

Ausschuss für Wirtschaft und Industrie:

Antrag 1298/A(E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gehaltsoffenlegung bei öffentlichen Unternehmen,

Antrag 1299/A(E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Grundsätze der Unternehmensführung bei öffentlichen Unternehmen,

Antrag 1302/A(E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend öffentliche Hauptversammlung bei öffentlichen Unternehmen.

*****

11.32.52Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Die Abgeordneten Mag. Stadler, Kolleginnen und Kollegen haben das Verlangen gestellt, die vor Eingang in die Tagesordnung schriftlich eingebrachte Anfrage 6687/J der Abgeordneten Mag. Stadler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend „Bandions Blamagen“ und deren Folgen für den österreichischen Rechtsstaat dringlich zu behandeln.

Gemäß der Geschäftsordnung wird die Dringliche Anfrage um 15 Uhr behandelt werden.

Ankündigung eines Antrages auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Weiters haben die Abgeordneten Neubauer und Dr. Rosenkranz gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung beantragt, einen Unter­suchungs­ausschuss zur näheren Untersuchung der politischen und rechtlichen Verant­wortung im Zusammenhang mit dem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren im Abgängigkeitsfall Natascha Kampusch einzusetzen.

Ferner liegt das von fünf Abgeordneten gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vor, eine Debatte über diesen Antrag durchzuführen.

Gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung finden die Debatte und Abstimmung nach Erledigung der Tagesordnung statt.

Behandlung der Tagesordnung

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Es ist vorgeschlagen, die Debatte über die Punkte 1 und 2, 5 bis 7 sowie 14 bis 16 der Tagesordnung jeweils zusammenzufassen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll81. Sitzung / Seite 50

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Das ist nicht der Fall.

Wir gehen in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zwischen den Mitgliedern der Präsidialkon­fe­renz wurde Konsens über die Dauer der Debatten erzielt.

Demgemäß wurde eine Tagesblockzeit von 8 „Wiener Stunden“ vereinbart, sodass sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ und ÖVP je 112 Minuten, FPÖ 100 Minuten, Grüne 88 Minuten sowie BZÖ 84 Minuten.

Weiters schlage ich gemäß § 57 Abs. 7 vor, die Redezeit jedes Abgeordneten ohne Klubzugehörigkeit auf 10 Minuten pro Debatte zu beschränken.

Für die Dauer der Fernsehübertragung durch den ORF im Anschluss an die Frage­stunde – wir schaffen es pünktlich – von 11.35 Uhr bis 13 Uhr wurde folgende Redeordnung vereinbart: eine Runde mit je 6 Minuten, ein Regierungsmitglied SPÖ 13 Minuten, dann eine weitere Runde mit 4 Minuten und noch eine Redner-/Rednerinnenrunde mit 3 Minuten.

Der vorsitzführende Präsident verteilt jeweils spätestens vor Beginn der vorletzten Runde – nach Rücksprache mit den Klubvorsitzenden – die verbleibende Redezeit auf die fünf Fraktionen in der Weise, dass noch alle Fraktionen in der Fernsehzeit gleichmäßig zu Wort kommen.

Sollte die auf diese Art ermittelte Restredezeit je Fraktion unter 7 Minuten betragen, steht es den Klubs frei, einen oder zwei Redner/Rednerinnen zu nominieren.

Weiters besteht Einvernehmen, dass tatsächliche Berichtigungen erst nach der Fernsehübertragung aufgerufen werden.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über die eben dargestellten Redezeiten.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Vorschlag zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

11.36.011. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (880 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen 1987, das Landarbeitsgesetz 1984, das Arbeits­ruhegesetz, das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz, das Arbeitsinspektionsge­setz 1993 und das Arbeitszeitgesetz geändert werden (897 d.B.)

2. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 815/A(E) der Abgeordneten Mag. Birgit Schatz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaf­fung eines gesetzlichen Mindestlohns (898 d.B.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen zu den Punkten 1 und 2 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir gehen in die Debatte ein.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll81. Sitzung / Seite 51

Als erste Rednerin gelangt Frau Abgeordnete Mag. Schatz mit der vereinbarten Rede­zeit von 6 Minuten zu Wort. – Bitte.

 


11.36.55

Abgeordnete Mag. Birgit Schatz (Grüne): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Lohnverhandlungen der Sozialpartner laufen. Wir Grüne wollen einen gesetzlich garantierten Mindestlohn: gesetzlich garantiert 1 300 € brutto (Zwischenrufe bei der ÖVP), das entspricht in etwa 1 000 € netto, für einen Vollzeitjob.

Meine Damen und Herren, Sie wissen, wir Grüne bringen solche Anträge für existenz­sichernde Mindestlöhne immer und immer wieder ein – und mit der gleichen Regelmäßigkeit lehnen Sie von SPÖ und ÖVP diese wichtigen Anträge ab.

Ich werde also heute, bei diesem neuerlichen Anlauf, nicht wieder aufzählen und nicht wieder erklären, in wie vielen europäischen Ländern ein gesetzlicher Mindestlohn bereits erfolgreich eingeführt worden ist, ich werde Ihnen nicht wieder vorrechnen, in welcher Höhe ein wirklich existenzsichernder Mindestlohn angesiedelt sein soll, und ich werde Ihnen nicht erzählen, wie die Vermögen und Unternehmensgewinne in den letzten Jahren konstant gestiegen sind – bis auf die Krise – und die Einkommen vor allem im unteren Bereich an Wert sogar verloren haben. Ich werde Ihnen das alles nicht zum „zigten“ Mal erklären (Abg. Großruck: Das haben Sie ja gerade getan!), weil Sie offensichtlich für diese sachlichen Argumente nicht zugänglich sind, auch wenn das sehr, sehr bedauerlich ist.

Ich möchte es deshalb heute einmal ganz anders versuchen. Ich möchte es ganz anders versuchen und frage Sie: Sind wir uns hier im Hause darüber einig, dass jemand, der Tag für Tag arbeitet, davon auch leben können soll? Sind wir uns darüber einig? (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Pirklhuber: Jawohl!)

Meine Damen und Herren! Ich persönlich bin mir absolut sicher, die Österreicherinnen und Österreicher wollen das. Sie wollen, dass jemand, der Vollzeit arbeitet, damit ein Leben finanziell unabhängig führen kann. Schauen Sie sich entsprechende Umfragen an! Reden Sie mit den Menschen, reden Sie mit den Leuten auf der Straße! Die sagen: 1 300 € brutto, 1 000 € netto? Das ist aber nicht viel! – Die wissen, wie viel das Leben kostet, selbst wenn man sehr sparsam ist. 1 000 € netto, das ist schon das absolut Mindeste, darunter geht es einfach nicht! (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Wir haben einen gesellschaftlichen Konsens darüber, dass wir höhere Mindestlöhne brauchen. Die Frage ist nur: Haben wir diesen Konsens auch hier im Haus? Meine Damen und Herren, das ist wirklich die zentrale Frage!

Die SPÖ und die ÖVP haben es sich bis jetzt ja immer einfach machen können, sie haben gesagt: Nein, gesetzlich wollen wir diesen Mindestlohn nicht! Das ist die Sache der Sozialpartner; gesetzlich wollen wir das nicht. – Damit wird der Antrag abgelehnt.

Die Sache ist natürlich die: Die Sozialpartner haben es in den letzten Jahren eben nicht geschafft, für existenzsichernde Mindestlöhne zu sorgen. Beschäftigte im Handel, im Gastgewerbe, KindergartenhelferInnen, FrisörInnen verdienen heute unter 1 300 € brutto. Mit einem gesetzlichen Mindestlohn, wie wir Grüne ihn wollen, könnte man das ganz schnell ändern.

Meine Damen und Herren, ich nehme zur Kenntnis, Sie sind offensichtlich noch nicht bereit für diesen Mindestlohn. Ich frage Sie aber noch einmal: Sind wir uns einig, dass man von Vollzeitarbeit zumindest ohne Not leben können muss?

Meine Damen und Herren! Viele Angehörige Ihrer Parteien ÖVP und SPÖ, Gewerk­schafter und Gewerkschafterinnen auf beiden Seiten, Frauenpolitikerinnen und die


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Frauenministerin haben in den letzten Tagen und Wochen einen Mindestlohn von 1 300 € brutto gefordert, öffentlich gefordert und verlangt.

Wir Grüne sagen, okay, Sie als Nationalratsabgeordnete wollen keine gesetzliche Regelung in diesem Zusammenhang, also machen wir es anders, sagen wir, 1 300 € brutto – egal, ob über Kollektivvertrag, Generalkollektivvertrag oder wie auch immer. Wollen Sie existenzsichernde Mindestlöhne? Das ist die Frage.

Zur Klärung dieser wirklich einfachen, aber essenziellen Frage möchte ich folgenden Entschließungsantrag einbringen:

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, gemeinsam mit den Sozialpartnern jene Schritte zu setzen, die zur Umsetzung einer monatlichen Mindestlohnhöhe von 1 300 € brutto für unselbständige Vollzeiterwerbstätigkeit notwendig sind. Dieser Mindestlohn hat für die von Niedrigstlöhnen betroffenen ArbeitnehmerInnen schnellstmöglich, jeden­falls aber im ersten Halbjahr 2011 wirksam zu werden und ist 14 Mal im Jahr auszu­bezahlen.

*****

Meine Damen und Herren, über diesen Antrag wird namentlich abgestimmt werden. Es wird öffentlich nachzulesen sein, schon in Kürze, ob Sie sich ganz persönlich, jeder Einzelne von Ihnen, für einen existenzsichernden Mindestlohn einsetzen, und man wird ganz genau wissen, wem dieses wichtige Thema einfach wurscht ist. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

11.42


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Schatz, Öllinger, Freundinnen und Freunde betreffend Mindestlohn von € 7,50 brutto pro Arbeitsstunde

eingebracht im Zuge der Debatte über Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 815/A(E) der Abgeordneten Mag. Birgit Schatz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung eines gesetzlichen Mindestlohns (898 d.B.).

Zwei bedenkenswerte europäische Trends lassen sich für den Zeitraum der letzten zwei Jahrzehnte beobachten. Zum einen bleiben Löhne hinter der Produktivitäts­entwicklung zurück, so dass die Lohnquoten eine rückläufige Tendenz aufweisen (aktuelle Diskussion um das Auseinanderdriften von Lohn- und Gewinnquoten). Der zweite Trend besteht im Anstieg der Lohnspreizung, also Lohnunterschieden zwischen einzelnen Beschäftigtengruppen innerhalb und zwischen den Branchen. Dies liegt sowohl an einer überdurchschnittlich hohen Lohnentwicklung im oberen Lohnsegment (z.B. bei leitenden Angestellten, ManagerInnen usw.) als auch an einer massiven Ausdehnung des Niedriglohnsektors und des Anteils der sogenannten „working poor“.

Die Öffnung, Deregulierung und Flexibilisierung der Arbeitsmärkte verschärft die Situation weiter. Besonders die Löhne wenig qualifizierter Arbeitskräfte gingen real in den letzten Jahren sogar zurück (Einkommensbericht 2005/2006). Eine besonders von dieser Entwicklung betroffene Gruppe sind vor allem Frauen und MigrantInnen, da


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diese häufiger in den klassischen Niedriglohnbranchen wie Textilindustrie, Handel, Reinigung und  Tourismus beschäftigt sind.

Niedrige Löhne sind eine Hauptursachen von Armut. 247.000 Menschen sind laut Statistik Austria trotz Erwerbsarbeit armutsgefährdet. 129.000 davon sogar trotz Vollzeit-Erwerbstätigkeit.

Einem Beitrag der "Statistischen Nachrichten" ist zu entnehmen, dass 14,1% der unselbständig Beschäftigten von Niedriglöhnen betroffen sind. Eine geschlechts­spezifische Aufteilung ergibt, dass 7,4% aller Männer und 24,2% aller Frauen Niedrig­löhne von weniger als € 7,65 brutto pro Arbeitsstunde erhalten.

Nach Branchen aufgegliedert sind Niedriglöhne insbesondere im Handel (21,5% der Beschäftigten), in den Unternehmensdienstleistungen (21%) sowie in Beherbergungs- und Gaststättenunternehmen (54,8%) zu finden.

Von einem derart niedrigen Einkommen kann kein Mensch leben, sagt der Hausverstand.

In den letzten Wochen fordern VertreterInnen einer steigenden Zahl von Organisa­tionen einen Mindestlohn von zumindest € 7,50 brutto in der Stunde. In dieser Hinsicht geäußert haben sich etwa Frauenministerin Heinisch-Hosek und die ÖGB-Frauen.

Unterstützt wird deren Forderung etwa

vom oberösterreichischen AK-Präsidenten Kaliauer: „Wir brauchen eine spürbare Arbeitszeitverkürzung bei Vollzeit. Diese muss unterstützt werden durch einen wirksamen Überstundenabbau, etwa durch höhere Überstundenzuschläge. Zugleich muss die Kaufkraft - insbesondere von Menschen mit niedrigen Löhnen - gestärkt werden. Wir fordern daher auch einen Mindestlohn von 1300 Euro in allen Kollektivverträgen“ (OTS 49 vom 11. Oktober 2010)

vom vorarlberger AK-Präsidenten Hämmerle: „Es ist schlichtweg eine Schande, wenn in Österreich Menschen für weniger als 1.300 Euro brutto im Monat arbeiten müssen“, erklärte er. Außerdem müssten das Arbeitslosengeld und die Notstandshilfe deutlich angehoben werden, betonte der AK-Präsident. (APA 522 vom 7. Oktober 2010)

sowie von GPA-Vorsitzendem Katzian und Franz Georg Brantner, Vorsitzender des GPA-djp-Wirtschaftsbereichs Handel, die am 5. Oktober 2010 einen Mindestlohn von 1.300 Euro forderten (OTS 283 vom 5. Oktober 2010).

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, gemeinsam mit den Sozialpartnern jene Schritte zu setzen, die zur Umsetzung einer monatlichen Mindestlohnhöhe von € 1300,- brutto für unselbständige Vollzeiterwerbstätigkeit notwendig sind. Dieser Mindestlohn hat für die von Niedrigstlöhnen betroffenen ArbeitnehmerInnen schnellst­möglich, jedenfalls aber im ersten Halbjahr 2011 wirksam zu werden und ist vierzehn Mal im Jahr auszubezahlen.

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Csörgits. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll81. Sitzung / Seite 54

11.42.31

Abgeordnete Renate Csörgits (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Sehr geschätzte Damen und Herren! Ich möchte zwei Punkte der Regierungsvorlage ganz besonders herausstreichen.

Das eine ist eine Veränderung des Landarbeitsgesetzes, wo es um die Verstärkung der Vertretung von jugendlichen Dienstnehmerinnen und Dienstnehmern in der Landwirtschaft geht. Warum ist das notwendig? Wir haben in Österreich die Situation, dass nur sehr wenige junge Menschen im Bereich von landwirtschaftlichen Betrieben tätig sind. Das hat zur Folge, dass oft nicht die notwendige Mindestanzahl von jugendlichen DienstnehmerInnen in einem Betrieb vorhanden ist, um den Jugend­vertrauensrat wählen zu können. Daher wird mit dieser Novelle das aktive und passive Wahlalter zum Betriebsrat auf das 16. beziehungsweise 18. Lebensjahr herabgesetzt. Damit ist sichergestellt, dass der Betriebsrat in diesen Betrieben die wichtigen Anlie­gen, Interessen der jugendlichen Dienstnehmer und Dienstnehmerinnen wahrnehmen kann. Ein wichtiger, notwendiger und richtiger Schritt.

Ein weiterer Punkt, der sehr wichtig ist, ist die Novellierung des Bundesgesetzes über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen. Dabei geht es um eine Anpassung an ein Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation, die die Anhebung des Mindestalters von Kindern für die Zulassung zu leichter und vereinzelter Arbeit beinhaltet. Dazu muss festgestellt werden, dass ich sehr froh bin, dass es unserem Bundesminister gelungen ist, diese Gesetzesänderung durchzuführen, weil wir im Zusammenhang mit diesem ILO-Übereinkommen schon öfters gerügt worden sind. Herzlichen Dank, Herr Bundesminister! (Beifall bei der SPÖ.)

Damit ist sichergestellt, dass Kinder- und Jugendbeschäftigung in Österreich gesetzlich noch besser abgesichert ist.

Weil ich bereits von Kinder- und Jugendbeschäftigung gesprochen habe, erlauben Sie mir, hier ganz besonders auf die positiven Wirkungen der Arbeits- und Qualifi­kationspakete, die diese Bundesregierung beschlossen hat, hinzuweisen. Es war ganz wichtig, dass wir unter Bundeskanzler Faymann eine Ausbildungsgarantie geschaffen haben, dass es Aktionen zur Zukunft der Jugend in Österreich gibt, wo man schwer­punktmäßig jene jungen Menschen betreut, die im Alter zwischen 19 und 24 Jahren oft in der Situation sind, dass sie keinen Arbeitsplatz haben. Es wurden Verbesserungen im Zusammenhang mit Kinderstiftungen durchgeführt.

All diese Maßnahmen haben dazu beigetragen, sehr geschätzte Damen und Herren, dass wir in Österreich die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit im Vergleich zu allen anderen europäischen Ländern haben. Darauf können wir stolz sein! (Beifall bei der SPÖ.)

Aber auch da ist zu sagen, dass jeder Jugendliche und jede Jugendliche, der oder die arbeitslos ist, ein Arbeitsloser/eine Arbeitslose zu viel ist. Daher sind die 560 Millio­nen €, die für die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit zur Verfügung gestellt worden sind, eine gute Anlage. Wir investieren in die Zukunft, und junge Menschen haben das Recht auf Ausbildung, haben das Recht auf Berufsqualifikation, denn sie sind schließlich und endlich unsere Zukunft.

Ebenfalls sehr wichtig erscheint mir in diesem Zusammenhang, dass wir mit Stolz feststellen können, dass auch alle anderen Maßnahmen, die dazu gedient haben, die Arbeitslosigkeit in Österreich zu bekämpfen, gegriffen haben. Lassen Sie mich auch hier einige Beispiele nennen.

Der Bereich Kurzarbeit: Durch den Ausbau der Kurzarbeitsmaßnahmen ist es gelungen, einerseits Menschen nicht in die Arbeitslosigkeit zu drängen, auf der


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anderen Seite aber auch sicherzustellen, dass die hoch qualifizierten Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen im Betrieb verbleiben und diesem erhalten bleiben. Es gab Verbesserungen im Zusammenhang mit der Bildungskarenz. Und für den Fall, dass die Situation eintritt, dass man trotzdem arbeitslos wird, sind die Serviceleistungen des AMS ausgebaut und verbessert worden.

All diese Maßnahmen haben dazu beigetragen, dass wir in der Situation sind, dass Österreich die geringste Arbeitslosenrate innerhalb der Europäischen Union hat. Das ist erfreulich, das ist wichtig und gut so, und diesen Weg müssen wir weiter fortsetzen. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber auch in den Fällen, wo Menschen in einer schwierigen Situation sind, hat diese Bundesregierung nicht versagt. Wir waren die Einzigen, die durch die Schaffung der bedarfsorientierten Mindestsicherung dafür Sorge getragen haben, dass gegen Armut etwas getan wird, gegen Armut angekämpft wird.

Sehr geschätzte Damen und Herren! Ich denke, dass viele Maßnahmen gesetzt worden sind, um die Armut zu bekämpfen, um die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen.

Lassen Sie mich noch eine Bemerkung machen im Zusammenhang mit der Diskussion, die wir gestern hier abgeführt haben. Gestern wurde von einigen Rednern davon gesprochen, dass wir über unsere Verhältnisse leben. – Ich denke, das ist schlichtweg falsch! Unsere Sozialleistungen tragen dazu bei, Armut zu verhindern (Abg. Kopf: Auf Kosten unserer Kinder!), und sind ein wesentlicher Punkt dafür, dass der Inlandskonsum, die Inlandsnachfrage vorhanden ist. Hätten wir in Österreich keine staatlichen Sozialleistungen und keine staatliche Pension, wären 43 Prozent der Bevölkerung von Armut betroffen. Das bedeutet aber für uns auch Herausforderung. Jetzt dürfen nicht jene zur Kassa gebeten werden, die die Krise nicht verursacht haben. Wen meine ich damit? – Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, aber auch die Pensionistinnen und Pensionisten.

Jetzt ist angesagt, dass es zu einer fairen Verteilungsdiskussion kommt und dass auch jene ihren Beitrag dazu leisten, die die Krise verursacht haben – und das sind nicht die Armen, Schwachen, die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen dieses Landes. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

11.48


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Dolinschek gelangt nun zu Wort. – Bitte.

 


11.48.38

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (BZÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Kollegin Csörgits, ich halte es für sehr bedauerlich, dass Sie in Ihrem Redebeitrag zwar über die Gesetzesänderung betreffend die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen, wo ja Konsens besteht, wo wir ja alle mitstimmen, sprechen, aber als Gewerkschafterin kein Wort zum gesetzlichen Mindestlohn von 1 300 € verlieren. Das ist für mich sehr bedauerlich.

Sie haben die Arbeitsmarktdaten positiv bewertet, von einer Trendwende gesprochen und davon, was alles geleistet worden ist. Tatsache ist aber, Frau Kollegin Csörgits, sehr geehrte Damen und Herren, dass wir im vergangenen Monat eine Arbeits­losenzahl von 214 000 gehabt haben und 69 483 Personen sich in Schulungen befin­den. (Abg. Silhavy: Die Kollegin Csörgits hat auch gesagt: Jeder Arbeitslose ist einer zu viel!) – Das ist ja wohl das Mindeste, was man von ihr als Gewerkschafts­vorsitzender verlangen kann! (Beifall beim BZÖ sowie bei Abgeordneten der FPÖ.) – Dem gegenüber stehen 35 064 offene Stellen, Frau Kollegin Silhavy. Das ist Tatsache.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll81. Sitzung / Seite 56

Man muss auch Folgendes sehen: Unter den 3 330 000 unselbständig Beschäftigten gibt es 1 Million Menschen, die in atypischen Beschäftigungsverhältnissen sind. Das können Sie in der Gewerkschaftszeitschrift nachlesen, das ist alles dokumentiert dort drinnen. Frau Oberhauser hat sich in der Gewerkschaftszeitschrift auch darüber mokiert, dass das so ist. Das ist immerhin fast ein Drittel der in Österreich unselb­ständig Beschäftigten – oder 12 bis 13 Prozent der Wohnbevölkerung. Das muss Ihnen doch zu denken geben!

Außerdem beträgt die Zahl der Working Poor in Österreich 350 000! Das sind jene Menschen, die trotz Beschäftigung an der Armutsgrenze leben. Da müssten Sie als Gewerkschafter doch einmal dagegen auftreten und sich für einen gesetzlichen Mindestlohn von 1 300 € einsetzen, so wie es heute verlangt wird. (Beifall beim BZÖ sowie bei Abgeordneten der Grünen.) Wir verlangen das schon seit Jahren: einen gesetzlichen Mindestlohn von 1 300 € brutto. Das sind zumindest 1 000 € netto oder 7,40 € brutto pro Stunde, bei 40 Wochenstunden.

Bezeichnend ist: Auf der einen Seite wird die Öffnung, die Deregulierung und die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes ständig verlangt. Und da ist es leider so, dass die wenig qualifizierten Arbeitskräfte am meisten davon betroffen sind: Trotz Vollbe­schäftigung leben viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an der Armutsgrenze. Deswegen ist es auch notwendig, dass wir den Mindestlohn anheben.

Geschätzte Damen und Herren! Je mehr Sie dafür sorgen, dass die Leute ihre Kauf­kraft erhalten können, dass die Binnenkonjunktur angekurbelt wird, je mehr ein Unselb­ständiger oder die Masse verdient, desto mehr hat auch die Wirtschaft in Österreich davon. Denn wenn der Export nicht mehr funktioniert, dann muss man wenigstens die Binnennachfrage stärken. Und da muss ich Ihnen schon eines sagen: Arbeiten Sie als Gewerkschafter endlich einmal darauf hin, dass es nicht weiß ich wie lange Durch­rechnungszeiträume gibt!

Im Handel gibt es jetzt zum Beispiel Gehaltsverhandlungen, da redet man davon, nach 13 Wochen wird das Gehalt für die Mehrarbeitsleistung ausgezahlt, und so weiter. Das Gehalt für die Mehrarbeitsleistungen ist sofort auszubezahlen! Dann hat der Arbeit­nehmer sofort etwas in der Tasche, dieses Geld gibt er wieder aus, und die Wirtschaft floriert. (Beifall beim BZÖ.)

Das sind die Dinge, die man als Arbeitnehmervertreter unbedingt ansprechen sollte, geschätzte Damen und Herren!

Wenn sich die Sozialpartner schon so loben und jeder hier herinnen sagt, na selbst­verständlich, die Lohnverhandlungen sind Sache der Sozialpartner, dann muss ich schon darauf hinweisen, dass die Sozialpartner nur 95 Prozent der Beschäftigungs­verhältnisse in Kollektivverträgen geregelt haben und es für 5 Prozent keinen Kollektiv­vertrag gibt. Das sind aber oft jene Sparten, wo die Unternehmen gar nicht einmal so wenig verdienen. Man kann doch diese Leute nicht ausschließen. Entweder macht man einen Generalkollektivvertrag, wie es die Kollegin Schatz erwähnt hat, oder man regelt das gesetzlich. Aber man muss alle unselbständig Erwerbstätigen mit einbinden. Das ist wichtig, und deshalb ist es auch notwendig, einen gesetzlichen Mindestlohn einzuführen, um der voranschreitenden Verarmung in Österreich entgegenzuwirken.

Es ist schon traurig, Frau Kollegin Csörgits, dass Sie als Gewerkschafterin hier kein Wort zu einem gesetzlichen Mindestlohn verlieren, denn normalerweise müsste ja die Gewerkschaft gleich auf diesen Zug aufspringen und an dessen Umsetzung mitarbeiten. Und die Wirtschaft ebenfalls, denn wenn die Leute mehr Geld im Sack haben, geben sie auch mehr aus. Und das ist auch wichtig für die österreichische Wirtschaft und damit der Konjunkturmotor in Österreich wieder anspringt.


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Jeder Arbeitslose ist einer zu viel, da bin ich mit Ihnen einer Meinung, das ist über­haupt keine Frage. Da müssten wir gemeinsam an einem Strang ziehen, aber auch in dieselbe Richtung, damit das auch in Österreich funktioniert. – Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall beim BZÖ sowie bei Abgeordneten der Grünen.)

11.54


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Donabauer gelangt nun zu Wort. – Bitte.

 


11.54.22

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren auf der Galerie und vor den Fernsehschirmen! Hohes Haus! Armuts­bekämpfung ist sicherlich ein zentrales Thema. Wir haben vor einigen Wochen eine Grundsatzdebatte geführt und hier in diesem Haus die Grundsicherung beschlossen, um gerade diesem Phänomen der Armut engagiert entgegentreten zu können. Ich denke, das ist ein beispielgebendes Gesetz, das weit über unser Land hinaus wirkt. Es war nicht leicht, das zu erreichen – wir haben es geschafft.

Um zur gestrigen Debatte zurückzukommen: Ich denke, wir sollten hier die Befind­lichkeiten nicht überstrapazieren. Worum ist es gestern gegangen? Es geht in Wahrheit darum, eine entsprechende Verteilungsgerechtigkeit zu schaffen. Niemand, überhaupt niemand kann zum Ziel haben, irgendeine andere Gruppe auszugrenzen. Wir alle haben uns zu bemühen, die großen Herausforderungen, vor denen wir zweifelsohne stehen, zu bewältigen.

Nun zu Ihrem Antrag 815/A(E) bezüglich des gesetzlichen Mindestlohnes. Wir haben uns das sehr genau überlegt, wir haben intern diskutiert. Wir haben aber dann Ihren Antrag abgelehnt, weil wir glauben, dass wir diese Sache nicht per Gesetz lösen können. (Abg. Öllinger: Das steht ja auch nicht drinnen!) Wir sind der Meinung, dass es hier darum geht, dass Arbeit entsprechend entlohnt wird, leistungsgerecht entlohnt wird, und zwar in allen Berufsgruppen, wenn es geht.

Zum Zweiten: Es ist nicht Aufgabe des Gesetzgebers, hier einzugreifen. (Abg. Dr. Pirklhuber: Warum nicht?) Und zum Dritten haben wir in Österreich etwas, was Sie auch schätzen sollten: eine funktionierende Sozialpartnerschaft, wo auf allen Ebenen die Verantwortung entsprechend wahrgenommen wird. Aus diesem Grund haben wir Ihrem Antrag nicht die Zustimmung geben können. (Abg. Mag. Schatz: Haben wir 1 300 €? Haben wir das?)

Bei dieser Debatte heute geht es auch um einige weitere Fragen, so um das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz und um das Arbeitsruhegesetz, waren doch vor allem in Krankenanstalten bisher keine ausreichenden Regulierungsmöglichkeiten gege­ben. Mit dieser Novelle wird nun der neuen Situation besser entsprochen. Ich denke, es ist das ein richtiges Vorgehen, weil wir so eine ordentliche Betriebsführung besser sicherstellen können und damit oftmals auch den Wünschen der Mitarbeiter nachkommen können. Auch das, bitte, ist ein Faktum, an dem wir nicht vorbeidis­kutieren sollten.

Neu ist, dass bei Verletzung dieser Regelung durch Ärzte in Zukunft – so wie bei den Arbeitnehmern die Arbeiterkammer eingebunden wird – die Ärztekammer eingebunden wird. Das ist neu, und ich denke, das ist ein herzeigbares Ergebnis, und das werden wir auch so mit beschließen.

Es wird auch das Landarbeitsgesetz geändert. Warum? Weil wir unser Gesetz internationalen Normen angleichen und das Landarbeitsrecht für Dienstnehmer, vor allem für junge, in entsprechender Weise ausbauen müssen. Es geht darum, dass das passive und aktive Wahlalter auf 18 beziehungsweise 16 Jahre abgesenkt wird und


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll81. Sitzung / Seite 58

alle im Betrieb Beschäftigten mitwählen können, ohne Ansehen des Herkunftsstatus, weil wir glauben, dass die jungen Leute dort entsprechend vertreten sein sollen.

Es wird mit dieser Novelle auch das Mindestalter für Beschäftigung von zwölf, wie wir es derzeit vorgesehen haben, auf die internationale Norm von 13 Jahren angehoben. Weiters wird vorgesehen, dass die Mitarbeit bis zum 15. Lebensjahr in Familien­betrie­ben möglich ist. Und deshalb, glaube ich, ist es ganz wichtig, dass diese Menschen auch eine entsprechende soziale Absicherung haben. Und in dieser Hin­sicht hat die bäuerliche Unfallversicherung bis heute, seit dem Jahr 1929, wirklich eine gute Funk­tion erfüllt. Ich denke, dass die bäuerliche Unfallversicherung mit etwa 113 Millionen € Gesamtleistung hier eine wichtige Aufgabe erfüllt.

Im Rahmen der Budgetdiskussion gibt es natürlich dort und da Überlegungen, Dinge zu korrigieren. Ich ersuche höflichst, dass man gerade die Leistungen dieses Sektors entsprechend würdigt und anerkennt und dabei mit berücksichtigt, dass wir mit Beiträgen möglicherweise fehlende Bundesleistungen nicht mehr abdecken könnten. Sollte es hier zu Korrekturen kommen, dann wird dieser Bereich über kurz oder lang seine Aufgaben nicht mehr erfüllen können. Was sind seine Aufgaben? Zu seinen Aufgaben gehört, seine Versicherten entsprechend zu beraten, um Unfälle und Berufskrankheiten zu vermeiden, die Berentung durchzuführen, die Heilkosten zu übernehmen.

Deshalb muss ich bei dieser Gelegenheit auch darauf verweisen, dass wir diese gute Zusammenarbeit, diese duale Finanzierung, diese wirkungsvolle sozialpolitische Maß­nahme, trotz aller Schwierigkeiten, trotz aller Engpässe, die wir auf allen Gebieten haben, in einer entsprechenden Wertigkeit sehen und auch nachhaltig absichern. Es geht um den Schutz von Menschen in diesem Bereich – eine ganz wichtige Sache, der wir uns zu widmen haben und wo wir auch die entsprechende Grundsatzdiskussion mit fachlichen Papieren unterlegt führen wollen. (Beifall bei der ÖVP.)

11.59


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Ing. Hofer. – Bitte.

 


11.59.28

Abgeordneter Ing. Norbert Hofer (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Kollege Donabauer ist immer so schnell in seiner Rede, dass ihm am Schluss Zeit übrig zu bleiben droht.

Meine Damen und Herren, das Gefüge des Arbeitsmarktes wird sich in den nächsten Jahren grundlegend ändern. Zwei Gründe sind dafür ausschlaggebend.

Erstens: die flächendeckende Realisierung der Mindestsicherung. – Ein Grund dafür, dass eine statistische Erhöhung der Arbeitslosigkeit ins Haus stehen wird, weil es strengere Meldeerfordernisse für die früheren Sozialhilfeempfänger geben wird.

Der zweite wesentliche Punkt ist, dass mit 1. Mai kommenden Jahres Arbeitnehmer aus den ehemaligen Oststaaten frei bei uns tätig werden können. (Präsident Neugebauer übernimmt den Vorsitz.)

Zur Mindestsicherung, meine Damen und Herren. Die Grünen haben zu dem eigentlichen Antrag noch einen Antrag eingebracht, weil sie offenbar in den letzten Wochen davon abgegangen sind, diese Mindestsicherung zwölf Mal im Jahr einzufordern. Dieser Betrag soll jetzt 14 Mal im Jahr eingefordert werden. (Abg. Öllinger: Mindestlohn, nicht Mindestsicherung!) – Mindestlohn.

Ich habe ein riesiges Problem damit – das muss ich unbedingt sagen –, dass in Österreich ein Mindestlohn in der Höhe von 1 300 € brutto, also 1 000 € netto, umge­


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setzt werden soll und wir gleichzeitig im Rahmen der Mindestsicherung etwa 750 € pro Monat garantieren. Hier ist mir die Differenz einfach zu gering, meine Damen und Herren! Einfach zu gering! (Abg. Riepl: Was wäre Ihr Vorschlag? Wie viel Differenz sollte sein Ihrer Meinung nach?) Es kann nicht sein, dass Menschen in Österreich 40 Stunden in der Woche arbeiten und für diese 40 Stunden 1 000 € bekommen. Das ist wenig. (Zwischenruf des Abg. Dr. Pirklhuber.) Ja, ein richtiger Schritt, aber wie müssten wir vorgehen?

Wenn wir das umsetzen, was Sie heute vorschlagen, dann wird die Wirtschaft allein diese Last tragen. Wo ist der Beitrag des Staates zu einem gesetzlichen Mindestlohn? Wo ist dieser Beitrag? Das heißt, man kann doch nur so vorgehen, dass man die Unternehmer entlastet, die Lohnnebenkosten senkt, damit den Menschen wieder mehr netto in der Tasche bleibt. Das ist der richtige Weg, meine Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)

Bedenken Sie bitte, auch im Rahmen der Mindestsicherung: Es gibt 260 000 Men­schen in Österreich, die weniger als 1 000 € netto im Monat verdienen – 260 000 Men­schen –, und auf der anderen Seite garantieren wir eine Mindestsicherung in der Höhe von 750 € netto. – Was denkt sich die Mitarbeiterin im Supermarkt, die bis spät in den Abend arbeiten muss, die am Samstag arbeiten muss, die sich sehr schwer damit tut, wenn der Nachbar im gleichen Haus als Langzeit-Mindestsicherungsbezieher fürs Nichtstun 750 € bekommt? Ich kann das nicht nachvollziehen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)

Daher brauchen wir gerechte Löhne in Österreich, damit jene, die wirklich hart arbei­ten, auch ordentlich bezahlt werden.

Ich bin dafür, dass jene, die wirklich keine Chance haben, Arbeit zu bekommen, ein soziales Netz vorfinden, aber auch dafür, dass jene, die dieses Netz ausnutzen, ent­sprechend bestraft werden. Dafür fehlen uns die Kontrollmöglichkeiten, weil es das Personal nicht gibt. Wie wollen wir denn künftig prüfen, ob die Mindestsicherung tatsächlich zu Recht gewährt wird oder ob hier Missbrauch betrieben wird? Nur mit der Vernetzung mit dem AMS, nur mit der Vernetzung mit der KIAB? Auch die KIAB wird Personal brauchen, um prüfen zu können, doch dieses Personal, meine Damen und Herren, ist einfach nicht vorhanden. (Zwischenruf des Abg. Dr. Pirklhuber.)

Im Mai 2011, meine Damen und Herren, erfolgt die Öffnung des Arbeitsmarktes in Richtung jener Staaten, die im Jahr 2004 der Europäischen Union beigetreten sind. Das Wachstum ist, trotz besserer Voraussagen, nicht ausreichend, um die hohe Arbeitslosigkeit in Österreich wirksam zu bekämpfen. Das heißt, wir werden auch in den nächsten Jahren mit einer hohen Arbeitslosenquote zu rechnen haben – und mit dieser Öffnung ab 1. Mai werden mehr Tagespendler als bisher aus den ehemaligen Oststaaten nach Österreich kommen.

Bedenken Sie, bitte, dass eine zahnärztliche Assistentin in Ödenburg – wenige Kilo­meter von der Grenze entfernt – für eine 40-Stunden-Woche 350 € verdient. 350 € für eine 40-Stunden-Woche! (Abg. Dr. Oberhauser: 350?) Frau Kollegin, Sie haben wahrscheinlich diesen Beauty-Salon, der sich dort an der Grenze befindet, noch nicht besucht, aber fragen Sie einmal nach! 350 € bekommt die Dame in Ungarn als zahnärztliche Assistentin bezahlt. Erkundigen Sie sich!

Was wird dann sein? – Natürlich kommen diese Leute als Tagespendler nach Öster­reich, weil man hier entsprechend mehr verdienen kann, meine Damen und Herren!

Oder Familienleistungen: Hat eine Frau in Ungarn zwei Kinder und arbeitet der Mann in Österreich, bekommt sie für jüngere Kinder etwa 400 € an Familienleistungen aus Österreich.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll81. Sitzung / Seite 60

Deswegen natürlich der große Druck, dass Tagespendler in unser Land kommen können, und daher bringe ich auch folgenden Antrag ein:

Antrag der Abgeordneten Hofer und Themessl betreffend die Entwicklung der ... – Jetzt habe ich den falschen Antrag hier, das ist ganz schlecht. Ich bräuchte den Antrag betreffend Öffnung des Arbeitsmarktes in Richtung Osten.

Es ist notwendig, meine Damen und Herren, in Verhandlungen mit der Europäischen Union sicherzustellen, dass die Öffnung des Arbeitsmarktes (Abg. Vock überreicht dem Redner den entsprechenden Antrag) – vielen Dank, Herr Kollege Vock – später erfolgt und nicht zum jetzigen Zeitpunkt.

Ich bringe daher betreffend Ostöffnung des österreichischen Arbeitsmarktes 2011 folgenden Antrag ein (Abg. Riepl: Ist das jetzt der richtige?):

Antrag

der Abgeordneten Ing. Hofer, Themessl, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Entwicklung der österreichischen Löhne in Folge der Ostöffnung des österreichischen Arbeitsmarktes 2011

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird dringend aufgefordert, auf europäischer Ebene in Verhand­lungen einzutreten, um eine Verlängerung der Übergangsfristen zu bewirken und damit die Möglichkeit zu schaffen, den Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt im Sinne der hohen Arbeitslosigkeit im Land individuell zu regeln.“

*****

(Abg. Dr. Pirklhuber: Schon wieder der falsche Antrag!)

Für Sie, meine Damen und Herren von den Grünen, und für die vielen Beamten hier im Haus ist das natürlich kein Problem – für die betroffenen Menschen, die ihren Job verlieren werden, ist das ein sehr großes Problem. (Präsident Neugebauer gibt das Glockenzeichen.) Wenn man sein Leben lang noch nie bei einer Firma gearbeitet hat, dann ist einem das vollkommen egal, das kann ich gut verstehen. (Beifall bei der FPÖ.)

12.05


Präsident Fritz Neugebauer: Die Kollegen von der Parlamentsdirektion teilen mir mit, dass der Antrag bei uns noch nicht eingelangt ist. Ich bitte, das nachzuholen.

Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Hundstorfer. – Bitte.

 


12.05.56

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie gestatten mir, gleich bei den Ausführungen des Herrn Ing. Hofer anzusetzen. Die Bedrohung des österreichi­schen Arbeitsmarktes mit eventuell kommenden zahnärztlichen AssistentInnen zu begrün­den halte ich, ehrlich gesagt, für wirklich sehr weit hergeholt. Wie viele Öster­reicher fahren denn heute nach Ungarn, lassen dort Zahnreparaturen vornehmen und umgehen so unser österreichisches Sozialsystem, indem sie im Nachhinein die Rech­nung einreichen? Reden wir darüber einmal sehr offen und ehrlich, bitte! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Es fahren sehr viel mehr Österreicher nach Ungarn als eventuell zahnärztliche Assis­tentInnen nach Österreich kommen. – So weit einmal Punkt eins. (Abg. Ing. Hofer: Sie


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haben auch keine Ahnung, Herr Minister!) – Ich habe viel mehr Ahnung, als Sie glauben. (Abg. Ing. Hofer: Nein, das glaube ich nicht! Gehen Sie einmal zum Zahn­arzt!) Ich gehe leider sehr oft zu Zahnärzten und muss sagen, in diesem Bereich gibt es schon sehr viel Personal, das nicht in Österreich geboren ist und gerne hier ist.

Das, was Sie nämlich überhaupt übersehen, ist: Wir haben heute schon – was gut ist, was nicht negativ ist – ganz legal 99 000 EU-Bürgerinnen und -Bürger aus den Mitgliedstaaten, um die es geht, ganz legal bei uns in Österreich beschäftigt. Mit Stand September 2010 sind diese Menschen ganz legal hier. Es sind 99 000. Sie zahlen hier Steuern, sie zahlen hier Abgaben und haben natürlich Anspruch auf das, was mit den Steuern und Abgaben verbunden ist. Viele davon sind Tagespendler, ja. Es gibt auch viele Oberösterreicher, die Tagespendler nach Bayern sind, viele Vorarlberger, die Tagespendler in die Schweiz und in die Bundesrepublik sind, viele Tiroler (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: Kärntner nach Slowenien!), zwischenzeitig auch Kärntner nach Slowenien, unter anderem zur Firma Gorenje und Elan, und, und, und.

Aber wollen wir das alles jetzt einmal vergessen! Ich glaube, wir sollten zu dem stehen, wozu wir uns alle gemeinschaftlich verpflichtet haben.

Zur Mindestsicherung, Herr Abgeordneter Ing. Hofer. Ich glaube, Sie haben das System nicht verstanden. Das System der Mindestsicherung ist natürlich nicht auf Wegschauen, sondern auf Hinschauen aufgebaut. (Abg. Ing. Hofer: Wo sind die Kontrolleure? Wer kontrolliert?) Herr Hofer, das, was Sie wollen, ist ein Kontrollstaat, und das ist das, was ich ablehne! (Abg. Ing. Hofer: Das ist überhaupt nicht wahr!) Sie wollen hinter jedem Mindestsicherungsbezieher einen Kontrolleur, der schnüffelt, was der Mindestsicherungsbezieher tut. (Abg. Ing. Hofer: Unsinn!)

Wir haben uns mit einem anderen System beschäftigt. Wir haben uns auf das System verständigt: hinschauen, einladen, kommen – nicht kommen heißt Sperre der Sicherung! So einfach ist das System. (Abg. Neubauer: Geh bitte!)

Warum hätten wir denn zum Beispiel im Zusammenhang mit AMS-Bezügen pro Jahr 93 000 Sperren? Nach dem, was Sie behaupten, hätten wir das alles nicht. Wir sperren aber in 93 000 Fällen den AMS-Bezug. Reden Sie einmal mit diesen Menschen dar­über, wie sich solch eine Sperre für sie auswirkt! Das ist eine Erziehungsmaßnahme, die Goldes wert ist. Das sind immerhin 11 Prozent derjenigen, die beim AMS Kun­dinnen und Kunden sind. Wir schauen nicht weg, wir schauen schon hin, was mit unserem Steuergeld geschieht, und wir schauen schon darauf, dass es sinnvoll investiert wird. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Heute wird verlangt: Wir brauchen einen gesetzlichen Mindestlohn. – Auf den ersten Blick schaut das natürlich toll aus, gar keine Frage, aber schauen wir ein bisschen hinter die Kulissen! Schauen wir einmal auf jene Länder, die so etwas haben! Hat sich dort etwas an der Gerechtigkeit verändert? – Überhaupt nicht! (Abg. Öllinger: Dann lassen wir es überhaupt bleiben!)

Wir haben in Österreich das System, und zwar seit 50, 60 Jahren, dass nicht 95 Pro­zent, sondern 99 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Kollektivver­trägen erfasst werden. Fast 85 Prozent der Kollektivverträge gehen heute über 1 200 €, und die wesentlichsten Kollektivverträge in diesem Land, ohne auf die ande­ren zu vergessen, gehen weit über 1 300 €. Zu den wesentlichsten Kollektivverträgen gehören jene im Baugewerbe, dort beginnen sie bei 1 370 €, jene im Sozialbereich bei 1 314 €, im Metallgewerbe bei 1 400 €, im öffentlichen Dienst bei 1 400 €, und, und, und. Das kann man alles nachsehen. Es gibt noch ein paar an der Schwelle, wie zum Beispiel – was, so hoffe ich, in den nächsten paar Tagen erledigt werden wird – im Handel. Wenn der Handel die Verhandlungen jetzt abschließt, geht der Betrag auch schon darüber. Der niedrigste Handelsbezug liegt derzeit bei 1 293 € – der niedrigste


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Handelsbezug, für Lagerarbeiter zum Beispiel –, alle anderen liegen darüber. Aber wenn die Verhandlungen abgeschlossen sind, haben wir das, wie gesagt, auch erledigt. Der Betrag für angelernte Handelsangestellte liegt noch etwas darunter.

Was ich damit sagen möchte, ist, dass sich dieses System sehr bewährt hat.

Worum geht es denn wirklich, wenn wir von Working Poor reden? – In Wirklichkeit geht es nicht um die Vollzeiten, in Wirklichkeit geht es darum, dass wir eine sehr hohe Anzahl an Teilzeitbeschäftigungen haben. Wir können darüber reden, ob diese Teilzeit­beschäftigungen immer freiwillig sind. Zu 50 Prozent werden sie es sein, zu 50 Prozent werden sie es aber auch sein, weil in der betreffenden Branche nichts anderes mehr angeboten wird.

Ich möchte auch um Folgendes ersuchen: Wenn wir über Beschäftigtenzahlen reden, reden wir über die richtigen Zahlen! Es sind 214 000 Beschäftigungslose Ende Septem­ber gewesen, und wir sind weiterhin – darauf können wir auch stolz sein, auch wenn die 214 000 immer noch ein großes Problem sind – Europameister. (Abg. Dolinschek: Ich habe nichts anderes gesagt!) Wir versuchen mit diesen Schulungs­maßnahmen, wir bemühen uns darum, dass die Menschen – und wir haben bei den Schulungsmaßnahmen viel gelernt – ihre Zeit auch sinnvoll nutzen zur Qualifikation und zur Weiterbildung. Was uns alle hier in diesem Saal beschäftigen sollte, ist, dass 40 Prozent derer, die arbeitslos sind, als höchste Schulbildung nur Pflichtschulreife haben und sehr oft nicht einmal das. Das sollte uns allen zu denken geben. Weit weg von parteipolitischem Hickhack sollten wir uns überlegen, wie wir diese Menschen zukunftsfitter machen und ihnen Ausbildung zukommen lassen können. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Wozu ich Sie alle einlade, ist, in der Schule, aber vor allem bei den Familien mitzu­wirken, dass wir eine weitere Zukunftsvision umsetzen können, nämlich die Zukunfts­vision, dass jeder Jugendliche nach der Pflichtschule eine Ausbildung machen muss. Wir garantieren im Moment, dass er eine Ausbildung machen kann, und das tun auch sehr viele. Mit unserer Ausbildungsgarantie der Bundesregierung ist es uns auch geglückt, die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit von allen europäischen Ländern zu er­reichen und somit auch sicherzustellen, dass es Frustsituationen, wie sie zum Beispiel derzeit in Frankreich in einigen Städten auftreten, bei uns nicht in der Form geben wird. Wir geben den jungen Menschen eine Antwort, nämlich die Antwort: Hier ist der Weg in deine Ausbildung, hier ist der Weg für deine weitere Zukunft.

Arbeiten wir doch alle daran, dass es in Zukunft für uns klar sein muss: Pflichtschule absolvieren, und dann muss es eine Ausbildungsmöglichkeit geben, und zwar ganz egal, welche Ausbildung, eine AHS-Oberstufe, eine Berufsausbildung, völlig egal! Arbei­ten wir doch gemeinsam daran, dass junge Menschen nach dem 15., 16. Lebens­jahr in eine Ausbildung gehen, um ihnen für die Zukunft einen besseren Lebensweg zu ermöglichen!

Wissend, dass es da oder dort Änderungen geben wird, glaube ich, wir haben mit dem österreichischen Weg, den wir derzeit schon sehr oft exportieren, weil viele euro­päische Staaten sich unsere Ausbildungsgarantie zwischenzeitlich abschauen, schauen, wie sie was machen können, etwas erreicht. Wir können jungen Menschen sagen: Hier ist der Weg in deine Zukunft, in eine positive Berufsausbildung! Auch wenn es nicht gleich eine betriebliche ist, so gibt es doch den Umweg über die über­betrieblichen Ausbildungseinrichtungen.

Das wollte ich dazu sagen. Alles andere zu dieser Novelle ist schon gesagt worden, ich brauche das alles nicht zu wiederholen.


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Im Kinder- und Jugendbeschäftigungsbereich sind ein paar Dinge ein Fortschritt. Ich glaube, auch im Vertretungsrecht, worum es unter anderem geht, gibt es eine Weiter­entwicklung.

Ich kann nur ersuchen: Bleiben wir bei unserem österreichischen System, Löhne über Kollektivverträge festzulegen! – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

12.15


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.

 


12.16.01

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gleich zu Beginn an Sie, Herr Präsident, eine Bitte: Könnten Sie vielleicht für jene Abgeordneten hier, die Hörschwierigkeiten haben, noch einmal klarstellen, dass der Antrag, der hier verhandelt wird, der Antrag der Abgeordneten Schatz, Öllinger betreffend den Mindestlohn, nicht einen gesetzlichen Mindestlohn behandelt! Möglicherweise hat das die Frau Präsidentin tatsächlich so vorgelesen, mit „gesetzlich“ im Titel, aber der Antrag selbst handelt nicht von einem gesetzlichen Mindestlohn, sondern von der Einführung eines Mindestlohnes in Zusammenarbeit zwischen Bun­des­regierung und Sozialpartnern. – Das ist das eine, und ich würde Sie bitten, Herr Präsident, dass Sie das klarstellen.

Das andere ist jetzt die Argumentation des Herrn Bundesministers, mit dem ich ja immer wieder viele Einschätzungen teile. Der Herr Bundesminister sagt: Wir brauchen keinen Mindestlohn, schon gar nicht einen gesetzlichen Mindestlohn. Erstens haben wir das alles ohnehin bald, und zweitens, die Politik soll die Finger von der Einführung von Mindestlöhnen lassen! – Das möchte ich in wenigen Punkten argumentieren, um es klarzustellen.

Als in Großbritannien vor wenigen Jahren ein gesetzlicher Mindestlohn eingeführt wurde, hatte das folgenden Effekt: Die großen Firmen, aber auch kleine, waren sehr darum bemüht, entgegen dem, was die Erwartung war, nicht nur den gesetzlichen Mindestlohn zu zahlen, sondern mindestens 10 Prozent darüber, weil es für keine Firma ein Renommee war, nur den Mindestlohn zu zahlen. Die Einführung des gesetzlichen Mindestlohnes in Großbritannien hatte einen positiven Effekt auf die Löhne und Einkommen von Frauen in erster Linie. Daher verwundert es mich im Besonderen, liebe Frau Kollegin Csörgits, dass weder zum gesetzlichen Mindestlohn noch zum Mindestlohn auch nur ein Ton von der Sozialdemokratie zu vernehmen war. (Abg. Dr. Oberhauser: Wir haben ja noch zwei Redner, mach dir keine Sorgen!)

Nichts, kein Wort darüber, ob man für einen Mindestlohn in der Höhe von 1 300 € ist, für einen gesetzlichen Mindestlohn oder für einen Kollektivvertrag. Egal wofür, aber sagt etwas dazu, ob ihr es haben wollt oder nicht! Kein Ton kam dazu. (Abg. Dr. Oberhauser: Die Debatte ist noch nicht geschlossen! Wir haben noch zwei Redner!)

Das zweite Argument lieferte Kollege Hofer, und das ist schon erstaunlich, Herr Kollege Hofer! Bis jetzt ist mir schon klar gewesen, dass die FPÖ gegen die Mindestsicherung war, sie war ihr zu hoch, aber sie war für einen Mindestlohn. Heute haben Sie gesagt, Sie sind gegen eine Mindestsicherung in dieser Form, sie ist Ihnen zu hoch, aber die Mindestlöhne sind Ihnen offensichtlich auch zu hoch. (Abg. Ing. Hofer: Zu niedrig!)

Zu hoch sind Sie Ihnen! Sie argumentieren mit dem Beispiel aus Ungarn. Lassen Sie mich zu dem Beispiel, das Sie gebracht haben, von den Hunderttausenden zahn­technischen Assistenten, die nach Österreich kommen, die um 350 € in Ungarn beschäftigt werden, sagen: Das spricht ja alles für den gesetzlichen Mindestlohn.


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Wenn es denn so ist, dass die ungarischen ZahnarztassistentInnen in Sopron nichts anderes im Kopf haben, als nach Österreich zu kommen, um hier beschäftigt zu werden, dann bitte nicht um 350 € oder um 500 €, sondern um einen Mindestlohn in der Höhe von 1 300 € brutto.

Ich sage Ihnen noch etwas, Herr Abgeordneter Hofer: Wenn wir 1 300 € brutto Min­destlohn haben, dann sind das 14 000 € netto im Jahr. Und wissen Sie, wie viel ein Mindestsicherungsbezieher brutto erhält bei zwölfmal 750 €? – 9 000 €. Der Unter­schied beträgt 5 000 €, das sind mehr als 50 Prozent.

Also, wenn Sie schon etwas zu diesem Thema sagen, Herr Hofer, dann sollten Sie etwas mehr Ahnung haben, statt prinzipiell gegen den Mindestlohn und gegen die Mindest­sicherung Stellung zu nehmen. (Beifall bei den Grünen.)

12.20


Präsident Fritz Neugebauer: Herr Abgeordneter, ich komme Ihrem Wunsch gerne nach und darf wiederholen, dass sich Ihr Entschließungsantrag auf den Mindestlohn von 7,50 € brutto pro Arbeitsstunde bezieht.

Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Königsberger-Ludwig. – Bitte, Frau Kollegin.

 


12.20.40

Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Geschätzte Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen im Hohen Haus! Herr Kollege Hofer, ein paar Gedanken zum Thema Mindestsicherung, das Sie angesprochen haben. Sie wissen genauso gut wie wir alle, dass die Mindestsicherung ja für die betroffenen Menschen, für die Bezieherinnen und Bezieher dieser Leistung keine Dauerlösung sein soll. Es soll eine Lösung sein für Menschen, die, aus welchen Gründen auch immer, in Not geraten sind. Wir wollen sie mit dieser Leistung wieder ins Erwerbsleben zurückholen, wir möchten ihnen mit der Mindestsicherung aus ihrer Not heraushelfen.

Ich bin hundertprozentig davon überzeugt, dass nur sehr wenige Menschen tatsächlich gerne und lange eine Geldleistung entgegennehmen, ohne dafür eine Leistung zu erbringen. Ich glaube das nicht – Sie unterstellen den Menschen immer Missbrauch, Sie unterstellen den Menschen immer, dass sie das System ausnutzen. Leider schüren Sie damit meiner Ansicht nach immer auch Neid.

Wir stehen für eine Politik, die die Risken der Menschen absichert, und dazu gehört auch die bedarfsorientierte Mindestsicherung. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Rosen­kranz: Das stimmt ja nicht!) – Das stimmt ganz sicher, Herr Kollege Rosenkranz!

Es ist ja auch nicht so, dass man mit dieser Geldleistung ein besonders gutes, wunderschönes Leben führen kann. Ich bin überzeugt davon, dass in Zukunft viele Menschen gerne die Angebote auch des AMS annehmen werden.

Natürlich – da sind wir auch Ihrer Meinung, Herr Kollege Hofer – sind wir auch dafür, dass Menschen mit ihrem Einkommen ein Auskommen finden müssen. Herr Kollege Öllinger, natürlich ist die Sozialdemokratie auch für einen Mindestlohn von 1 300 €, nur gehen wir einen anderen Weg dorthin. Sie wissen genauso gut wie wir, dass in Österreich die Löhne im Rahmen von Kollektivvertragsverhandlungen festgelegt werden und dass eine Änderung hin zu einem gesetzlichen Mindestlohn eine völlige Systemumstellung bedeuten würde.

Eine Systemumstellung ist natürlich nicht prinzipiell und immer negativ zu beurteilen, aber ich frage Sie schon: Warum soll man einen Weg, der jahrzehntelang erfolgreich gewesen ist, für ein System verlassen, von dem man nicht weiß, wohin es führt?


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Politisch, gesetzlich festgelegter Mindestlohn ist immer auch von den politischen Macht­verhältnissen abhängig, und der Ball ist dann nicht mehr bei den Akteurinnen und Akteuren, die tagtäglich mit den Problemen in den Betrieben beschäftigt sind. Wir haben das System der Kollektivvertragspartner, wo DienstgeberInnen und Dienstneh­merInnen verhandeln, die ja auch die Branchenverhältnisse gut kennen, und bei diesen Verhandlungen werden auch die wirtschaftlichen und die sozialen Verhältnisse berücksichtigt.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, dieser Weg hat in den letzten Jahrzehnten für Stabilität in unserem Land gesorgt. Ich erinnere nur daran, wie wenig Streiktage wir in Österreich aufgrund der guten sozialpartnerschaftlichen Zusammenarbeit in unserem Land haben. All das sollte man bei der Diskussion um einen gesetzlichen Mindestlohn nicht außer Acht lassen.

Sie wissen auch – das ist heute schon angesprochen worden, auch der Herr Minister hat es erwähnt –, dass 99 Prozent aller Lohnsegmente, die kollektivvertragspartnerlich geregelt sind, bereits einen Mindestlohn von 1 000 € haben und dass momentan intensiv an einem Mindestlohn von1 300 € gearbeitet wird. Heute, das wissen Sie auch alle, ist eine sehr, sehr wichtige Lohnverhandlungsrunde: Heute verhandeln die Metaller. Ich möchte auch von dieser Stelle aus allen viel Erfolg wünschen, dass sich die Forderungen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gut umsetzen lassen. Ich bin davon überzeugt, dass die beste Sozialpolitik eine gute Lohnpolitik ist – und diese ist bei den Sozialpartnern in guten Händen. (Beifall bei der SPÖ.)

12.25

 


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Haubner. – Bitte.

 


12.25.00

Abgeordnete Ursula Haubner (BZÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Die Diskussion zeigt, dass die wahren Probleme seitens der Opposition auf den Tisch gelegt werden – und nicht seitens der Regierung. Wir haben zwar eine Regierungsvorlage, in der es um Adaptierungen geht, die hoch gelobt werden, die auch notwendig sind, keine Frage, aber die wahren Probleme liegen woanders. Daher, denke ich, ist das wieder ein typisches Beispiel dafür, dass Anträge der Opposition – sei es jetzt betreffend Mindestlohn, Weiterentwicklung der Abfer­tigung-Neu – entweder im Ausschuss schon abgewürgt und vertagt werden oder, wenn sie hier ins Plenum kommen, letztendlich abgelehnt werden.

Herr Bundesminister, Sie haben, so wie im Ausschuss, gesagt, dass das Problem für die Menschen nicht der Mindestlohn ist, sondern die Teilzeitbeschäftigung; darin gebe ich Ihnen teilweise recht. Das mag schon so sein. Aber wenn man Zuschriften bekommt, wie ich eine von einem Mann bekommen habe, der sich bei einem Job­angebot beworben hat, das in einer Tageszeitung gewesen ist, wo engagierte, umwelt­bewusste Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen für die Problemstoffsammlung in Wien gesucht werden – Arbeitszeit: Montag bis Freitag jeweils von 10 Uhr bis 18 Uhr, chemische Kenntnisse von Vorteil, Bezahlung: 6,08 € je Stunde und 49,50 € Fahrt­kosten im Monat; das ergibt umgerechnet insgesamt in etwa 800 € netto –, muss man sagen, dieser Mann fragt sich zu Recht: Wie soll ich davon leben mit Miete, Strom, Gas und Heizung? – Trotz fleißigen Arbeitens ein Leben in Armut!

Das sind die Probleme, um die man sich annehmen muss und die man nicht schön­reden kann, wo man nicht ständig sagen kann, es sei ohnehin alles in Ordnung. (Beifall beim BZÖ.)

Daher ist die Forderung nach einem Mindestlohn in der Höhe von 1 300 € absolut be­rech­tigt, vor allem auch angesichts dessen, dass die Differenz zwischen Mindestsiche­


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rung und derzeitigem Mindestlohn einfach zu gering ist. Und die Menschen fragen sich zu Recht: Lohnt es sich überhaupt, arbeiten zu gehen um diesen Lohn? Hier erwarte ich mir von der Regierung wirklich nicht Schönreden, sondern Änderungen.

Das Thema Jugendbeschäftigung ist von Kollegin Csörgits angesprochen worden, und sie hat besonders hervorgehoben – auch ein Erfolg –, dass das Wahlalter für die Betriebsratswahl gesenkt wird. (Zwischenruf.) Das ist für mich ein Nebenschauplatz. Ich denke, die Jugendbeschäftigung ist etwas, was uns alle besonders interessieren muss, und ich vermisse diesbezüglich jegliche Innovation bei dieser Regierung. Es wird immer schön geredet, dass ohnehin alle einen Lehrplatz hätten, und dieses und jenes sei gemacht worden.

Herr Minister, Sie haben jetzt gesagt, jeder junge Mensch hat ein Recht auf Qualifi­kation, auf Weiterbildung. Das kann ich alles unterstreichen, aber dann frage ich mich: Warum sind Sie so wenig innovativ, wenn es darum geht, neue Lehrberufe zu schaf­fen, neue Lehrberufe, in denen junge Menschen wieder Chancen haben?

Ich erinnere zum Beispiel an unseren gestrigen Antrag für den Lehrberuf Rezeptionist im Tourismus, wo 300 Arbeitsplätze geschaffen werden können, oder an den Lehrberuf Pflege und Betreuung, etwas, was wir schon monatelang einfordern. Ich freue mich, dass jetzt die ÖVP Oberösterreich in ihrer Zeitung schreibt, dass der Pflegeberuf eine Chance für die Jugend wäre. Vielleicht wird dem doch einmal zugestimmt, denn das, denke ich, wäre ein Zukunftsmarkt, auf den man sich konzentrieren sollte. (Beifall beim BZÖ.)

Generell habe ich den Eindruck – und ich komme schon zum Schluss –, dass der Sozialbereich eine große Baustelle ist, und das nicht nur, was Lehrberufe und Jugendbeschäftigung anlangt, sondern eine Baustelle sind vor allem auch die Bereiche Pflege und Pensionen. Seit Monaten warten wir auf ein Konzept – Sie haben gesagt, die Länder müssen die Prognosen und die Kosten erst liefern –, wie die Invaliditäts­pension reformiert werden kann. Seit Monaten werden die Bürger verunsichert, ob das Pflegegeld gekürzt wird oder die Zugangsbeschränkungen verschärft werden, ein Pfle­ge­geld, von dem man die zusätzlichen Mehrleistungen ohnehin kaum mehr bezahlen kann. Seit Monaten – das sage ich auch hier einmal – wird die Hacklerregelung als Privileg dargestellt, das das Pensionssystem zum Scheitern bringt. Ich verwahre mich dagegen! Jemand der 45 Jahre arbeitet, jemand der 45 Jahre eingezahlt hat, hat ein Recht, in Pension zu gehen! (Beifall beim BZÖ.)

Die Privilegien sind ganz woanders: Die Privilegien sind bei der ÖBB-Pension, bei der Nationalbankpension, die Privilegien sind bei den Politikerpensionen. Und ich erwarte mir, dass da etwas getan wird. (Beifall beim BZÖ.)

12.29


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Tamandl. – Bitte.

 


12.29.49

Abgeordnete Gabriele Tamandl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Haubner, wenn jemand wenigstens 45 Jahre eingezahlt hätte und wenn jemand 45 Jahre lang gearbeitet hätte – dazu bekennen wir uns ja, weil uns das ja auch wichtig ist –, dann wird darüber nicht diskutiert.

Ich als Arbeitnehmervertreterin bin schon der Meinung, dass wir zuerst einmal schauen sollten: Wo sind die Privilegien?, um diese abzuschaffen (Beifall bei der ÖVP sowie demonstrativer Beifall und Bravorufe beim BZÖ), aber eines, Frau Kollegin Haubner, möchte ich Ihnen schon sagen: Sie wissen ganz genau, dass wir im September 2008 hier herinnen die Hacklerregelung verwässert haben, alle miteinander, wahrscheinlich,


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um uns gegenseitig zu übertrumpfen, und genau das hat uns in Wirklichkeit jetzt diese Diskussion eingebracht. Und so etwas sollten wir auch nicht mehr machen! (Beifall bei der ÖVP.)

Zum Thema Mindestlohn – da bin ich vollkommen bei Frau Kollegin Königsberger-Ludwig –: Wir haben eine funktionierende und gute Sozialpartnerschaft. Dazu beken­nen wir uns auch, aber wir müssen natürlich auch überall dort, wo es in unserem Ver­ant­wortungsbereich liegt, darauf dringen, dass dort, wo es noch keine Kollektivverträge gibt, solche zustande kommen. Die Bediensteten im Bereich der Kinderbetreuung etwa kommen immer wieder zu uns und sagen: Es ist ein Wahnsinn!, und sie fühlen sich ungerecht behandelt. Herr Kollege Karlsböck – ich sehe ihn momentan nicht – ist für mich der „klassische“ Vertreter des „kleinen“ Mannes: Er selbst fährt mit einem Maserati vor das Parlament, aber in seinem Bereich, bei den Zahnärzten, gibt es immer noch nicht 1 000 € im Kollektivvertrag.

Da müssen wir ansetzen! Wir brauchen uns hier nicht über andere Regelungen, gesetzliche oder sonst irgendwelche, den Kopf zu zerbrechen, sondern wir müssen sehr wohl auch in unseren Bereichen Stellung beziehen und uns dazu bekennen, dass wir einen Mindestlohn wollen. (Beifall bei der ÖVP.)

Erinnern Sie sich, wie lang und breit wir die Mindestsicherung diskutiert haben, warum nur 12 Mal und nicht 14 Mal, dazu Folgendes: Solange es Menschen gibt, die nicht einmal 1 000 € verdienen, können wir nicht 14 Mal 744 € auszahlen an jemanden, der dafür keine Leistung erbringt! Der Staat und wir alle als Steuerzahler erbringen diese Leistung für diese Menschen – das ist auch okay, wenn diese Menschen Hilfe von uns brauchen, aber es darf nicht so sein, dass die Schere so eng ist zwischen denen, die 40 Stunden oder 38,5 Stunden arbeiten, und jenen, die nicht arbeiten gehen. Dazu bekennen wir uns.

Natürlich gibt es auch Menschen, die nicht wirklich freiwillig Teilzeit arbeiten. Da gebe ich dem Herrn Bundesminister recht. Teilzeitarbeit ist eine gute Chance auch für Frauen, im Berufsleben zu bleiben, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu gewähr­leisten, aber natürlich darf es keine Zwangsverpflichtung zu einer Teilzeitbeschäftigung sein, wo man etwa im Handel nur mehr Verträge für 30 Stunden bekommt und damit natürlich ein Gehalt hat, mit dem man wirklich nicht mehr leben kann.

Lassen Sie mich zum Schluss noch zur Gesetzesvorlage, was die land- und forstwirt­schaftlichen Betriebe und die Senkung des aktiven Wahlalters auf 16 bei den Betriebs­ratswahlen betrifft, ein paar Sätze sagen. Ich bin der Meinung, dass die Arbeiterkam­mer gefordert ist, da auch mitzuziehen, denn es kann nicht sein, dass wir uns da verstecken und sagen: Es gibt ja einen Jugendvertrauensrat, und wir brauchen die Lehrlinge nicht mit 16 den Betriebsrat mitbestimmen zu lassen. – Ich bin der Meinung, wir sollten das ausweiten. Es ist gerecht, wenn ein 16-jähriger Arbeitnehmer den Bun­des­präsidenten, die Abgeordneten zum Nationalrat, die Landtagsabgeordneten und den eigenen Bürgermeister mitbestimmen kann, und es kann nicht sein, dass der 16-jährige Lehrling seinen eigenen Betriebsrat nicht mitbestimmen darf – das hat Kollege Tumpel gefordert –, beispielsweise auch bei der Arbeiterkammerwahl, wo die Lehrlinge nicht automatisch wahlberechtigt sind, sondern sich mühselig in ein Wählerverzeichnis eintragen müssen. Auch das ist Diskriminierung, und da müssen wir etwas tun. (Beifall bei der ÖVP.)

12.34


Präsident Fritz Neugebauer: Der zuvor von Herrn Abgeordnetem Ing. Hofer referierte Entschließungsantrag liegt nunmehr auch schriftlich vor, und ich stelle fest, dass er mit in Verhandlung steht.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:


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Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ing. Hofer, Themessl, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Entwicklung der österreichischen Löhne in Folge der Ostöffnung des österreichischen Arbeitsmarktes 2011

eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 2, Antrag 815/A(E), Mag. Birgit Schatz betreffend Schaffung eines gesetzlichen Mindestlohns (898 d.B.) in der 81. Sitzung des Nationalrates, XXIV. GP, am 21. Oktober 2010.

Um einem weiteren Anstieg der Arbeitslosigkeit entgegen zu wirken, ist die Verhinderung der Ostöffnung des österreichischen Arbeitsmarktes Anfang Mai 2011 von zentraler Bedeutung.

Alle namhaften Wirtschaftsexperten gehen davon aus, dass das Wirtschaftswachstum in Österreich in den kommenden drei Jahren nicht ausreichend sein wird, um eine Erholung des Arbeitsmarktes zu ermöglichen. Die Lage am Arbeitsmarkt wird also angespannt bleiben, hunderttausende Menschen in Österreich bleiben ohne Job und laufen so Gefahr, in Armut abzurutschen.

Arbeitnehmervertreter warnen daher zu Recht vor den Folgen der mit Mai 2011 ohne Rücksicht auf geänderte Rahmenbedingungen geplanten Öffnung des Arbeitsmarktes in Richtung jener Staaten, die 2004 der Europäischen Union beigetreten sind.

Mit 1.5.2004 wurden Ungarn, die Tschechische Republik, die Slowakei und Polen in die EU aufgenommen. Zu diesem Zeitpunkt lag das Lohnniveau dieser Staaten bei 15-20 % des österreichischen, bzw. bei 30-36%, wenn man das unterschiedliche Preisniveau in diesen Ländern und in Österreich berücksichtigt. Aus diesem Grunde wurde in den Beitrittsverträgen eine Übergangsfrist von 7 Jahren für die Öffnung des österreichischen Arbeitsmarktes für die Bürger dieser Staaten vereinbart - in der Hoffnung, dass in dieser Zeit eine weitgehende Annäherung der Lohnniveaus eintreten würde.

Es ist offenkundig, dass eine ausreichende Annäherung des Lohnniveaus dieser Staa­ten an das österreichische Niveau nicht erfolgt ist. Eine Betrachtung der Entwicklung für den Zeitraum 2004 - 2008, für den die erforderlichen Daten vorliegen, zeigt, dass der Anstieg des Lohnniveaus in den genannten Staaten sehr viel langsamer erfolgt ist als beim Beitritt angenommen. Bis 2008 ist das Lohnniveau lediglich auf 22-28 % des österreichischen gestiegen bzw. unter Berücksichtigung der verschiedenen Preisniveaus auf 37-43%.

Unter diesen Umständen ist mit einer ernsten Störung des österreichischen Arbeits­marktes insbesondere durch Tagespendler aus den drei Nachbarstaaten Ungarn, Tschechische Republik und Slowakei ab 1. Mai 2011 zu rechnen.

In den angeführten Nachbarstaaten bleibt zudem die Arbeitslosigkeit höher als in Österreich und für Pendler, deren Lebensmittelpunkt in ihren Heimatländern liegt, spielen die höheren Lebenshaltungskosten in Österreich keine Rolle.

Unter diesen Umständen muss mit einem starken Zustrom von Arbeitskräften, insbe­sondere von Tagespendlern, aus den Nachbarstaaten gerechnet werden, mit den Fol­gen eines Verdrängungswettbewerbs und eines weiteren und erheblichen Anstiegs der Arbeitslosigkeit in Österreich. Diese Tagespendler kommen zudem in den vollen Genuss der österreichischen Familienleistungen wie Kinderbetreuungsgeld und Familien­beihilfe.  Wenn man berücksichtigt, dass beispielsweise eine zahnärztliche As­sis­tentin im grenznahen Ödenburg gerade einmal 350 Euro monatlich verdient und gleichzeitig die Ehefrau eines Tagespendlers aus Ödenburg, der im wenige Kilometer entfernten Eisenstadt einer Beschäftigung nachgeht, bei zwei Kleinkindern rund


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400 Euro an Familienleistungen aus Österreich erhält, ergibt sich eine deutliche Schief­lage, die nicht zu rechtfertigen ist.

Bei dieser Situation scheint es dringend notwendig, möglichst umgehend die EU auf die besondere Situation Österreichs infolge seiner Randlage hinzuweisen und alles zu tun, um eine Verlängerung der Übergangsfrist aufgrund der Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise zu erreichen. Österreich ist als Nettozahler durchaus in der Lage, schlüssige Argumente vorzuweisen.

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigenden Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird dringend aufgefordert, auf europäischer Ebene in Verhand­lungen einzutreten, um eine Verlängerung der Übergangsfristen zu bewirken und damit die Möglichkeit zu schaffen, den Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt im Sinne der hohen Arbeitslosigkeit im Land individuell zu regeln.“

*****

 


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Kitzmüller. – Bitte.

 


12.34.40

Abgeordnete Anneliese Kitzmüller (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren hier auf der Zuschauergalerie und zu Hause vor dem Bildschirm! Wir werden der gegenständlichen Regierungsvorlage zustimmen, da sie einen ersten Schritt in die richtige Richtung darstellt, aber hier auch gleich meine Frage: Wann werden endlich die richtigen Probleme angegangen?

Das betrifft natürlich nicht nur Sie, Herr Minister, sondern die ganze Regierung, die da noch sehr viel zu tun hat und offensichtlich im Augenblick nichts anderes tut, als Arbeitsverweigerung zu betreiben.

Laut Statistik Austria lebten im Jahr 2007 eine Million Österreicher an der Armuts­grenze; das sind 12 Prozent der Bevölkerung. In Wien waren es 17 Prozent, in Ober­österreich 8 Prozent.

Bei Kindern und Jugendlichen ist das Armutsrisiko noch viel höher. 15 Prozent oder 260 000 Kinder sind armutsgefährdet, aber offensichtlich ist diese Armut der Kinder den Österreichern, der österreichischen Regierung nichts wert. Es gibt hierzulande kaum Statistiken, die seriös sind und etwas aussagen über die Armut von Heran­wachsenden.

Kinder sind unsere Zukunft, meine Damen und Herren, in die Kinder müssen wir investieren, Kinder gehören gefördert und unterstützt! (Beifall bei der FPÖ.)

Wie wenig Armut auch hier zum Nachdenken bewegt, zeigt auch – ich muss noch einmal darauf zurückkommen – der Familienbericht, in dem das Kapitel komplett ausgelassen wurde. Ich sage, es wurde bewusst ausgelassen, auch wenn der Herr Minister in der Fragestunde das verneint und bestritten hat, aber es erweckt den Eindruck, dass es so war.

Das Augenmerk der Politik, meine Damen und Herren, muss darauf gerichtet sein, die Schwächen unseres Sozialstaates zu korrigieren und die Stärken zu optimieren. Es geht darum, die sozialen Risken zu minimieren und die großen sozialen Heraus­forderungen wie Beschäftigung, Pflege, Bildung, Familie und vieles mehr endlich


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anzugehen. Wir müssen unseren Familien bessere Rahmenbedingungen geben. Wir Freiheitliche werden es nicht unterstützen und nicht dulden, dass Rot und Schwarz bei den Familien den Sparstift ansetzen! (Beifall bei der FPÖ.)

Wir bieten Ihnen auch die Lösung zu diesem Problem, meine Damen und Herren: Denken Sie an unser Familiensteuersplittingsystem! Mit diesem Familiensteuersplit­tingsystem werden Familien gerecht besteuert, es wird das erwirtschaftete Einkommen großteils in den Familien belassen, und dieses Modell stellt auch einen gewissen Anreiz für eine Familiengründung dar. Vor allem betrifft es unseren Mittelstand, der ja das Um und Auf unserer Gesellschaft ist.

Haben Sie, meine Damen und Herren von der Regierung, endlich den Mut, in unsere Zukunft, in unsere Kinder und unsere Familien zu investieren! Vielleicht kommt bei Ihnen ja noch die Einsicht.

Abschließend kann ich nur sagen, u. U. wird es besser. Ich meine hier aber nicht UU, meinen Bezirk Urfahr-Umgebung, sondern unter Umständen wird es besser. (Beifall bei der FPÖ.)

12.37


Präsident Fritz Neugebauer: Bevor ich die letzte Rednerrunde der Fraktionen dazu aufrufe: Wir sind gut in der Zeit, und ich schlage den Fraktionsverantwortlichen vor, statt der vorgesehenen 3 Minuten 4 Minuten pro Redner zuzulassen. – Kein Einwand.

Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Mag. Schwentner. 4 Minuten. – Bitte.

 


12.38.24

Abgeordnete Mag. Judith Schwentner (Grüne): Herr Präsident. Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich würde gern ad hoc auf etwas reagieren, was Sie vorhin gesagt haben: dass sich in all jenen Ländern, in denen der gesetzliche Mindestlohn eingeführt wurde, nichts verändert hat. – Das stimmt nicht, Herr Minister!

Es ist zum Beispiel in Großbritannien durch die Einführung des gesetzlichen Mindest­lohns sehr wohl zu einer Schließung der Einkommensschere zwischen Männern und Frauen gekommen. Das heißt, der gesetzliche Mindestlohn hat sehr viel gebracht. (Beifall bei den Grünen.)

Am 29. September war es wieder einmal so weit. Am 29. September war der Stichtag dafür, der zeigt, wie viel unbezahlte Arbeit Frauen in Österreich leisten, der Equal Pay Day, jener Tag, an dem aufgezeigt wird, ab wann die Frauen umgerechnet gratis arbeiten in Österreich.

Es ist auch immer, Jahr für Jahr, der Tag, wo wir von allen Seiten, von der Gewerk­schaft, von SPÖ und ÖVP, von Politikerinnen und Politikern, Bekenntnisse, Appelle, schockierte Ausrufe per Presseaussendungen wahrnehmen: Ja, es muss etwas geschehen, es muss sich etwas ändern, so kann das nicht weitergehen! Es ist unge­recht, die Einkommensschere muss sich schließen!

Wir besprechen heute am Nachmittag auch den Frauenbericht, der auch nichts ande­res beweist, als dass es große Ungerechtigkeit zwischen Männern und Frauen in Bezug auf die Einkommenssituation gibt.

Gebetsmühlenartig, ja mantraartig wird gleich hohes Einkommen beschworen, es geschieht aber nichts. Und es ist auch offensichtlich kein Verlass auf die Sozialpartner, die da immer wieder beschworen werden, auf die Verhandlungen der Sozialpartner und Sozialpartnerinnen – von Letzeren gibt es offensichtlich zu wenige in diesen Verhandlungen –, denn es ändert sich nichts. Das heißt, es gibt einen sehr guten Grund, den gesetzlichen Mindestlohn ganz dringend einzuführen. (Beifall bei den Grünen.)


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Es ist ja nicht so, dass das nur zeigt, wie groß die Versäumnisse in der Politik, was die Einkommensverhältnisse anlangt, sind. Es geht auch nicht nur um das Auseinan­derdriften der Einkommensschere, es geht auch, wie schon mehrmals erwähnt, um Armut. Es geht um immer mehr Frauen und Männer, die in Österreich unter der Armutsgrenze sind, obwohl sie arbeiten – bei Vollbeschäftigung! Das sind Menschen, die als „Working Poor“ bezeichnet werden. Es sind umgerechnet 130 000 Menschen in Österreich, die mittlerweile bei Vollzeitarbeit arm sind. Von diesen sind rund 70 Prozent, vielleicht sogar mehr, Frauen. Das ist eine Gruppe, wo man sehr genau hinschauen muss und wo ganz dringend Handlungsbedarf besteht. (Beifall bei den Grünen.)

Sie haben es erwähnt, Herr Minister: Teilzeitarbeit. – Ja, Teilzeitarbeit ist ein Problem, vor allem ein Problem für Frauen. Nur: Wie kommt es dazu? Da geht es auch um die Verhandlungen der Sozialpartner, dass im gleichen Job bei Männern und Frauen, wenn die Männer in Vollzeit sind und die Frauen in Teilzeit, sogar beim Stundenlohn die Schere auseinandergeht. Da geht etwas nicht mit rechten Dingen zu, da sollte man dringend hinschauen. (Beifall bei den Grünen.)

Die Teilzeitarbeit muss aufgewertet werden. Es steht auch im Regierungs­überein­kommen, dass man dringend schauen muss, inwieweit man qualifizierte Teilzeitarbeit schaffen kann, Jobs, in denen es qualifizierte Teilzeitarbeit gibt. Das ist ein Bereich, der völlig brachliegt und wo in den letzten beiden Jahren leider nichts geschehen ist.

Ich plädiere dringend dafür, für diesen Antrag zu stimmen. Er ist noch dazu sehr harmlos und bittet nur darum, dass die notwendigen Schritte gesetzt werden. Ich glaube, gegen diese notwendigen Schritte kann niemand sein. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

12.42


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Dr. Oberhauser. – Bitte.

 


12.42.35

Abgeordnete Dr. Sabine Oberhauser, MAS (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe KollegInnen von den Grünen, Ihr Antrag betreffend gesetzlichen Mindestlohn, was so nicht mehr drinnen steht, was aber von Ihrer Kollegin Schatz in der Argumentation sehr wohl als gesetzlicher Mindestlohn immer wieder argumentiert wurde, kann in dieser Form von uns nicht unterstützt werden.

Jetzt vielleicht auch für die ZuseherInnen, nach dem Motto (Abg. Dr. Moser: Sagen Sie uns ...!) – kommt schon! –, nach dem Motto: Geld ist Geld, Wurst ist Wurst, ob das gesetzlich ist oder ob das kollektivvertragsmäßig geregelt ist, ein Versuch der Erklärung: So, wie das hier abgefasst ist, heißt das, dass die Regierung mit den Sozialpartnern Schritte setzen soll. Jetzt wissen wir, dass wir in Österreich eine 60-jährige Tradition haben, um die uns ganz Europa beneidet, nämlich die Sozialpart­nerschaft, wo viele Dinge – neben dem Entgelt in Kollektivverträgen auch noch andere Dinge, wie Urlaubsansprüche, sonstige Benefits, Arbeitszeitregelungen – einfach gere­gelt werden. Das ist ja nicht nur der 7,50 € Bruttolohn, sondern das sind sehr viele Dinge, die dazugehören.

Wir wissen, dass die Metaller und die Handelsangestellten jetzt gerade beginnen, den Kollektivvertrag zu verhandeln, wir wissen, dass die Frage der Arbeitszeit ein sehr großes Thema ist, und wir würden mit der alleinigen Festlegung per Gesetz – ich möchte nicht wissen, wer das Gesetz bei wechselnden Regierungen beschließt und wie dann die Löhne ausschauen – alle anderen Dinge aus diesen Verträgen heraus­


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nehmen. Also, wir würden die Sozialpartner in sehr vielen Dingen beschneiden. (Abg. Dolinschek: Das ist nicht wahr! Das eine schließt das andere nicht aus!)

Ein weiterer Grund, warum wir diesem Antrag in dieser Form nicht zustimmen werden: Sie schreiben, dass das im nächsten halben Jahr wirksam werden muss. Jetzt habe ich gerade gesagt und Sie haben es auch gesagt: Es laufen zurzeit die Kollektivver­tragsverhandlungen im Metallbereich. Es beginnen heute die Beamtinnen und Beam­ten und die Verhandlungen laufen im Handel.

Was hieße das jetzt, wenn wir hier etwas beschließen? – Das hieße, wir müssten sofort die Verhandlungen stoppen (Abg. Öllinger: Nein!), weil wir im Prinzip nicht wissen, wenn die darunter abschließen, ob das dann gilt oder nicht. (Zwischenrufe der Abgeordneten Dolinschek und Mag. Schatz.)

Mein Plädoyer ist: Lassen wir die Sozialpartner in Österreich arbeiten! Die Sozialpart­ner haben in ganz, ganz vielen Dingen bewiesen, dass sie es können: 99 Prozent Kollektivvertragsabdeckung, gestern und letzte Woche der Vorschlag zur Rot-weiß-rot-Card und zum Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz – etwas, was mit der Öffnung der Grenzen im Jahr 2011 auf uns zukommen wird. Das sind ganz viele Schritte, die in wirklich guter Sozialpartnermanier in Österreich nicht nur besprochen, sondern auch gemacht werden. Verstehen Sie uns, dass wir in diesem Falle nicht für den gesetzlichen Mindestlohn sind (Abg. Petzner: Das ist eine Bankrotterklärung! – Abg. Ursula Haubner – ein Schriftstück in die Höhe haltend –: Frau Oberhauser, ...!), weil wir wirklich darauf vertrauen, was funktioniert, nämlich auf eine stabile Sozialpart­nerschaft, die unabhängig davon ist, wie eine Bundesregierung zusammengesetzt ist. Wir glauben fest, dass diese Sachen damit in den besten Händen sind. (Beifall bei der SPÖ.)

12.45


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Schenk. – Bitte.

 


12.45.48

Abgeordnete Martina Schenk (BZÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Kollegin Oberhauser, Ihr Erklärungsversuch in Ihrer Rede ist kläglich gescheitert. (Abg. Königsberger-Ludwig: Dann haben Sie es nicht verstanden!) Vielleicht kann einer Ihrer Fraktionskollegen oder ein Nachredner noch einmal versuchen, zu erklären, warum Sie hier nicht zustimmen wollen. (Beifall bei BZÖ und Grünen.)

1 300 € brutto, echte 1 000 € netto Mindestlohn, das ist eine Kernforderung des BZÖ, eine Kernforderung, die wir seit langer Zeit aufstellen. Deshalb haben wir auch im Ausschuss dem vorliegenden Antrag der Grünen zugestimmt, der zumindest den Zahlen nach auch unseren Anliegen entspricht.

Das Abstimmungsverhalten der SPÖ muss ich hier aber noch einmal explizit ansprechen, denn das ist schon interessant, wenn man sich vor Augen hält, dass noch vor der steirischen Landtagswahl Landeshauptmann Voves den Mindestlohn gefordert hat (Abg. Dr. Oberhauser: Keinen gesetzlichen!) und Ministerin Heinisch-Hosek den Mindestlohn gefordert hat. (Rufe bei der SPÖ: Keinen gesetzlichen!) Repräsentanten Ihrer Partei haben öffentlich den Mindestlohn gefordert: 1 300 € brutto, echte 1 000 € netto. Sie haben dagegen gestimmt! (Beifall bei BZÖ und Grünen.)

Die Problematik ist ja bekannt, meine sehr geehrten Damen und Herren. Bei den Niedrigverdienern sind Frauen deutlich überrepräsentiert. Frauen sind nämlich genau in den Branchen beschäftigt, in denen traditionell wenig bezahlt wird. Deshalb würden genau diese Frauen von der Anhebung des Mindestlohns profitieren. Liebe Vertre­terinnen von der SPÖ, liebe Vertreterinnen von den Regierungsparteien! Ich würde Sie


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hier noch einmal um ein Umdenken bitten: Überdenken Sie Ihr Abstimmungsverhalten noch einmal!

Ich lasse hier auch nicht gelten, wie es der Herr Minister und Frau Oberhauser angesprochen haben, sich nun auf die laufenden Kollektivvertragsverhandlungen im Handel herauszureden. Wenn schon 1 300 € Mindestlohn, dann richtig und dann auch nicht nur dort, wo es Ihnen in den Kram passt. Gerecht ist das, was Ihnen gerade recht ist, und das, was Ihnen gerade eine positive Schlagzeile bringt.

Wir vom BZÖ definieren Gerechtigkeit anders. Für uns ist Gerechtigkeit in erster Linie Leistungsgerechtigkeit, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall beim BZÖ.)

Leistung muss sich lohnen. – Wenn ich mir anschaue, was sich beim Beschluss der Mindestsicherung hier im Hohen Haus abgespielt hat, als Rot, Schwarz und auch Blau dieser Mindestsicherung zugestimmt haben, wo kaum mehr ein Unterschied besteht zwischen jemandem, der 40 Stunden arbeitet und dafür wenig Einkommen bekommt, und jemandem, der die Mindestsicherung in Anspruch nimmt, dann ist das kein Zeichen von Leistung. Mit dieser Abstimmung ist das Leistungsprinzip hier im Hohen Haus zu Grabe getragen worden, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall beim BZÖ.)

Wir vom BZÖ haben mit unserem Abstimmungsverhalten bei der Mindestsicherung als einzige Partei klargestellt und festgehalten, dass wir wirklich die einzige Partei sind, die den leistungsbereiten Mittelstand vertritt. Und wir werden das auch in Zukunft nach bestem Wissen und Gewissen tun, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall beim BZÖ.)

12.49


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Höfinger. – Bitte.

 


12.49.15

Abgeordneter Johann Höfinger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Schenk, ich denke, den Mindestlohn betreffend haben meine Vorredner wirklich sehr detailliert und ausführlich begründet, warum unsere Position so ist, wie sie ist. Wir haben seit vielen Jahrzehnten eine funktionierende Sozialpartnerschaft. Wir haben eine sehr gute Kollektivvertrags­regelung, und diese sollte auch für die Zukunft eine sehr wesentliche Grundlage in dieser Frage sein. Ich bin überzeugt davon, dass die Sozialpartnerschaft auch in Zukunft gut arbeiten wird. (Abg. Strache: Die rot-schwarze Verliererkoalition auch in der Verfassung verankern!)

Lassen Sie mich aber auf ein paar andere Themenbereiche eingehen, die in diesem Gesetz verpackt sind. Ich meine, dass es auch sehr wichtig ist, diese zu erwähnen.

Es gibt eine erfreuliche Tatsache, was die Mitbestimmung von jungen Menschen in unseren Betrieben, am Arbeitsplatz betrifft, denn durch diese Novellierung im Arbeitsrecht werden das aktive und das passive Wahlalter gesenkt. Das aktive von 18 auf 16 Jahre und das passive von 19 auf 18 Jahre.

Das bedeutet, dass diese jungen Menschen in ihren Betrieben ernst genommen werden, dass sie mehr Möglichkeiten zur Mitgestaltung, zur Mitbestimmung haben. Der land- und forstwirtschaftliche Sektor hat da beispielhafte Vorarbeit geleistet, der sich andere Arbeitsbereiche anschließen müssen.

Es kann nicht so sein, dass junge Menschen zwar bei vielen Wahlen die Möglichkeit haben, mitzubestimmen – von Gemeinderatswahlen bis hin zur Bundespräsiden­ten­wahl –, aber in ihrem unmittelbaren Umfeld, am Arbeitsplatz nicht die Möglichkeit haben, ihren Betriebsrat zu wählen. Daher plädiere ich dafür, dass diese Senkung des


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Wahlalters bei zukünftigen Gesetzesnovellierungen auch in andere Bereiche einfließt, damit die jungen Menschen ab 16 Jahren die Möglichkeit haben, an Betriebsratswah­len teilzunehmen.

Sehr erfreulich ist außerdem die Anhebung des Alters von 12 auf 13 Jahre, was das Mindestalter für die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen für bestimmte und vereinzelte leichte Arbeiten betrifft. Ich glaube, dass wir damit nicht nur einer inter­nationalen Bestimmung Genüge tun; dass das ein dringender Wunsch von uns allen war, das zeigt ja der einstimmige Beschluss im Ausschuss.

Ein Punkt, der auch noch zu erwähnen ist, sind die Sonderregelungen der Ruhezeit für Beschäftigte in Krankenanstalten. Künftig wird es Sonderregelungen geben, die auch auf Betriebsebene möglich sind. Das heißt, es gibt größtmögliches Einvernehmen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern und es gibt größtmögliche Flexibilität aller Beteiligten. Was dabei wichtig ist: Auch ausgegliederte Krankenanstalten erhalten die Möglichkeit, diese wöchentliche Ruhezeit in die Woche nach einem Wochenenddienst zu verlegen. Ich glaube, da kommen wir wirklich allen Arbeitnehmerinnen und Arbeit­nehmern sehr entgegen.

Daher sage ich auch hier: Diese Regelung sollte auch auf das Arbeitszeitgesetz ausge­weitet werden, vor allem in den Gesundheits- und sozialen Berufen. Das ist ein großer Wunsch, nämlich vonseiten der Arbeitnehmer, aber auch vonseiten der Arbeitgeber. Und diesem Wunsch sollten wir nachkommen. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

12.52


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Karlsböck. – Bitte.

 


12.52.46

Abgeordneter Dr. Andreas Karlsböck (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Wir behandeln ja, wie mein Vorredner gerade erwähnt hat, heute das Arbeitszeitgesetz in den Krankenhäusern. Ich habe das Gefühl, dass es da immer wieder zu Schwierigkeiten mit diesem Arbeitszeitgesetz kommt, immer wieder zu Schwie­rigkeiten mit den Beschäftigten in Krankenhäusern, die damit sehr unzufrieden sind und an den Folgen dieser Überlastung leiden. Man hat das Gefühl, dass in unserem Staat Ärzte in Krankenhäusern, Ärzte in Anstellungsposition Arbeitnehmer zweiter Klasse sind. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn wir uns anschauen, wie heute die Arbeitszeitverteilung in den Krankenhäusern teilweise funktioniert, so müssen wir sagen, dass es Ärzte gibt, die 2 500 € brutto nach zwölf Jahren Studium und Ausbildung verdienen und wöchentliche Arbeitszeiten zwischen 56 und 72 Stunden aufweisen. Ich bin der Meinung, dass die Patienten ein Recht darauf haben, von gut ausgebildeten, aber auch ausgeschlafenen, ausgeruhten und voll fitten Ärzten betreut zu werden, genauso wie auch die Ärzte ein Recht darauf haben, in modernen Krankenanstalten mit einem modernen Arbeitszeitgesetz arbeiten zu können. (Beifall bei der FPÖ.)

Der Beruf des Arztes/der Ärztin wird heute immer mehr zu einem weiblichen Beruf, das heißt zu einem Frauenberuf. Wenn man weiß, dass heute schon 60 Prozent der Studierenden an den medizinischen Fakultäten oder Medizinischen Universitäten Frauen sind, so wird man nicht umhinkönnen, auch da besonders darauf Rücksicht zu nehmen. Wir brauchen also flexiblere Arbeitszeitmodelle, wir brauchen eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Wir brauchen Teilzeitausbildungen, und wir brauchen vor allem eine weniger bürokratische Tätigkeit des Spitalpersonals. Die


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Konsequenz aller dieser Mehrbelastungen bedeutet Krankheiten, vor allem das soge­nannte Burn-out-Syndrom.

Besonders gefährdet sind in diesem Bereich die Besten ihres Faches, nämlich Ärzte und Ärztinnen mit hoher Einsatzbereitschaft, hoher Kompetenz und ausgeprägter Empathie. Gerade jene, die sich besonders für ihre Patienten einsetzen, die sich besonders engagieren, leiden unter diesen unhaltbaren, untragbaren Arbeitszeitbe­din­gun­gen. (Beifall bei der FPÖ.)

Es ist – das muss man heute leider sagen – ein Armutszeugnis für Gewerkschafter und Politiker, dass es noch immer nicht gelungen ist, ein praktikables Gesetz zu be­schließen, das sowohl die berechtigten Bedürfnisse der Ärzte als natürlich auch die noch berechtigteren Bedürfnisse der Patienten berücksichtigt.

Ich fordere daher die Bundesregierung auf, endlich Arbeitszeitgesetze zu beschließen, die der Realität der österreichischen Spitäler standhalten und eine optimale Versor­gung der Patienten gewährleisten. (Beifall bei der FPÖ.)

Gerade in diesem Punkt muss man fragen: Warum kommt es denn eigentlich zu dieser Überbelastung in den öffentlichen Krankenhäusern? – Es kommt deshalb dazu, weil die Patienten im niedergelassenen Bereich nur zu den Kernzeiten eine effiziente Versorgung vorfinden. Sie kommen mit den Öffnungszeiten der Praxen nicht mehr zurande. Dadurch werden in den öffentlichen Krankenhäusern nachher die Ambulan­zen überbelastet, weil die Patienten in der Peripherie, im sogenannten extramuralen Bereich, eben keine wirklich zufriedenstellend langen Öffnungszeiten oder Ansprech­partner finden.

Da sind Sie gefordert, meine Damen und Herren von der Regierung, dass Sie hier endlich richtige Rahmenbedingungen schaffen und nicht solche Gesetze, wie sie im Juni und Juli mit der neuen Ärzte GesmbH beschlossen wurden, die zwar auf dem Papier eine hervorragende Initiative und Einrichtung sein sollte oder hätte werden können, aber de facto eine Totgeburt ist, weil sie an einem überbordenden Büro­kratismus leidet.

Wir fordern deshalb noch einmal in aller Deutlichkeit, für die Bediensteten in öffent­lichen Krankenanstalten endlich auch die allgemeinen Standards gelten zu lassen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

12.57


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Gartelgruber. – Bitte.

 


12.57.11

Abgeordnete Carmen Gartelgruber (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kollegen! Gleich zu Beginn möchte ich sagen, dass ich dem Antrag auf Mindestlohn nicht zustimmen kann, weil er mir persönlich viel zu wenig weit geht. Da gebe ich Frau Kollegin Tamandl recht, denn wir müssen uns auch jene Berufsgruppen anschauen, die weder einen Kollektivvertrag noch einen gesetzlichen Mindestlohn haben, auch von 1 000 €. Gerade in diesen Branchen arbeiten viele Frauen, die keine rechtliche Absicherung haben.

Das gesamte Themenfeld der Entlohnung ist ja eigentlich äußerst komplex, und die Einführung des Mindestlohnes stellt nur eine begleitende Maßnahme dar. Wir brauchen ein Gesamtpaket, das sowohl den Interessen der Arbeitnehmer als auch der Arbeitgeber entspricht. (Beifall bei der FPÖ.)

Deswegen muss bei der Einführung eines Mindestlohnes noch vieles bedacht werden. Die vielfältigen Auswirkungen eines Mindestlohnes auf die Wirtschaft werden ja leider


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in diesem Antrag nicht berücksichtigt. Dass Arbeitgeber mit entsprechend höheren Personalkosten konfrontiert sind, wirkt sich natürlich dann auch auf die Produkte und Dienstleistungen aus; das wird hier nicht berücksichtigt. Bei gewissen Produkten und Dienstleistungen könnte sich dann die Preisspirale etwas schneller drehen, könnten die Preise steigen, die Inflation könnte dadurch steigen, und dies wäre eine mögliche nega­tive Folge. Ebenso könnten durch einen gesetzlichen Mindestlohn, ohne den Faktor Arbeit zu entlasten, ja auch noch Arbeitsplätze bedroht werden. Dies fehlt mir in diesem Antrag ebenfalls. (Beifall bei der FPÖ.)

Also noch einmal: Mit der Einführung eines Mindestlohnes muss daher die Entlastung des Faktors Arbeit einhergehen, denn nur, wenn die Lohnnebenkosten gesenkt wer­den, ist auch an die Einführung eines Mindestlohnes zu denken.

In diesem Zusammenhang darf ich auch den Faktor Arbeit im rot-schwarzen Regie­rungs­abkommen erwähnen. Auf Seite 13 wird auf diese Maßnahme für die mittel­ständische Wirtschaftsförderung absolut noch einmal hingewiesen. Auf jeden Fall ist das ein guter Vorsatz, doch bis jetzt ist noch nicht wirklich etwas geschehen. Papier ist geduldig – ein Satz, der bei unserer Bundesregierung zurzeit sehr zutreffend ist.

Deshalb fordere ich Sie auf: Schauen Sie, dass Sie ein komplettes Maßnahmenpaket für die Arbeitnehmer und die Arbeitgeber in unserem Land zustande bringen! – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

13.00


Präsident Fritz Neugebauer: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zu den Abstimmungen, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Zunächst kommen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Beschäftigung von Kindern und Jugend­lichen 1987, das Landarbeitsgesetz 1984, das Arbeitsruhegesetz, das Krankenanstal­ten-Arbeitszeitgesetz, das Arbeitsinspektionsgesetz 1993 und das Arbeitszeitgesetz geändert werden, samt Titel und Eingang in 880 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist einstim­mig. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 898 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung erteilen, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Schatz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Mindestlohn von 7,50 € brutto pro Arbeitsstunde.

Es ist namentliche Abstimmung verlangt worden.

Da das Verlangen von 20 Abgeordneten gestellt wurde, ist eine namentliche Abstim­mung durchzuführen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll81. Sitzung / Seite 77

Die Stimmzettel, die zu benützen sind, befinden sich in den Laden der Abgeord­netenpulte und tragen den Namen der Abgeordneten sowie die Bezeichnung „Ja“ – das sind die grauen Stimmzettel – beziehungsweise „Nein“ – das sind die rosafarbenen Stimmzettel. Es können ausschließlich diese amtlichen Stimmzettel verwendet werden.

Gemäß der Geschäftsordnung werden die Abgeordneten namentlich aufgerufen, den Stimmzettel in die bereitgestellte Urne zu werfen.

Ich ersuche jene Abgeordneten, die für diesen Entschließungsantrag der Abgeord­neten Schatz, Kolleginnen und Kollegen stimmen, „Ja“-Stimmzettel, jene, die dage­gen stimmen, „Nein“-Stimmzettel in die Urne zu werfen.

Ich bitte nunmehr die Frau Schriftführerin Abgeordnete Franz, mit dem Namensaufruf zu beginnen. Herr Abgeordneter Jakob Auer wird sie später ablösen. – Bitte.

*****

(Über Namensaufruf durch die Schriftführerin Franz beziehungsweise den Schriftführer Jakob Auer werfen die Abgeordneten ihren Stimmzettel in die Urne.)

*****

 


Präsident Fritz Neugebauer: Die Stimmabgabe ist beendet.

Die damit beauftragten Bediensteten des Hauses werden nunmehr unter Aufsicht der Schriftführer die Stimmenzählung vornehmen.

Zu diesem Zweck unterbreche ich die Sitzung für einige Minuten.

*****

(Die zuständigen Bediensteten nehmen die Stimmenzählung vor. – Die Sitzung wird um 13.08 Uhr unterbrochen und um 13.13 Uhr wieder aufgenommen.)

*****

Präsident Fritz Neugebauer: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und gebe das Abstimmungsergebnis bekannt:

Abgegebene Stimmen: 163; davon „Ja“-Stimmen: 33, „Nein“-Stimmen: 130.

Der Entschließungsantrag der Abgeordneten Schatz, Kolleginnen und Kollegen ist somit abgelehnt.

Gemäß § 66 Abs. 8 der Geschäftsordnung werden die Namen der Abgeordneten unter Angabe ihres Abstimmungsverhaltens in das Stenographische Protokoll aufgenom­men.

Mit „Ja“ stimmten die Abgeordneten:

Brosz Dieter, Brunner Christiane, Bucher Josef;

Dolinschek;

Glawischnig-Piesczek, Grosz Gerald, Grünewald;

Hagen, Haubner Ursula, Huber Gerhard;

Kogler, Korun;


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll81. Sitzung / Seite 78

List, Lugar Robert;

Markowitz, Moser, Musiol;

Öllinger;

Petzner, Pirklhuber;

Schatz, Scheibner, Schenk, Schwentner, Spadiut, Stadler Ewald, Steinhauser;

Van der Bellen;

Walser, Widmann Rainer, Windbüchler-Souschill, Windholz;

Zinggl.

Mit „Nein“ stimmten die Abgeordneten:

Amon, Aubauer, Auer Jakob;

Bartenstein, Bayr, Becher, Binder-Maier;

Cap, Cortolezis-Schlager, Csörgits;

Deimek, Donabauer Karl, Doppler, Durchschlag;

Eßl;

Fazekas, Franz, Fuhrmann, Fürntrath-Moretti;

Gahr, Gartelgruber, Gartlehner, Gaßner, Gessl-Ranftl, Glaser, Gradauer, Großruck;

Haberzettl, Hackl Heinz-Peter, Hagenhofer, Haider, Hakel Elisabeth, Hakl Karin, Haubner Peter, Hechtl, Heinzl, Hell, Herbert Werner, Höbart Christian, Hofer, Höfinger, Höllerer, Hornek, Huainigg, Hübner Johannes;

Jannach, Jarolim, Jury;

Kaipel, Kapeller, Karlsböck, Katzian, Keck, Kirchgatterer, Kitzmüller, Klikovits, Köfer, Königsberger-Ludwig, Kopf, Kößl, Krainer, Kräuter, Krist, Kunasek, Kuntzl, Kuzdas;

Lapp, Lausch, Lettenbichler, Linder, Lipitsch, Lohfeyer, Lueger Angela;

Maier Ferdinand, Maier Johann, Matznetter, Mayer Elmar, Mayer Peter, Mayerhofer, Molterer, Muchitsch, Mühlberghuber, Muttonen;

Neubauer Werner, Neugebauer Fritz;

Oberhauser, Obernosterer;

Pack, Pendl, Podgorschek, Prammer, Praßl, Preiner, Prinz;

Rädler Johann, Rasinger, Riemer, Riepl, Rosenkranz, Rudas;

Sacher, Schickhofer, Schittenhelm, Schmuckenschlager, Schönegger Bernd, Schön­pass Rosemarie, Schopf, Schultes, Schüssel, Silhavy, Singer, Spindelberger, Stauber Peter, Steibl Ridi Maria, Steindl Konrad, Steßl-Mühlbacher, Strache, Stummvoll;

Tadler Erich, Tamandl, Themessl;


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll81. Sitzung / Seite 79

Unterreiner;

Vilimsky, Vock;

Weninger, Winter, Wittmann Peter, Wöginger, Wurm;

Zanger.

*****

 


Präsident Fritz Neugebauer: Wir kommen zur nächsten Abstimmung. Ich bitte Sie, die Plätze einzunehmen!

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Entwicklung der österreichischen Löhne in Folge der Ostöffnung des österreichischen Arbeitsmarktes 2011.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

13.14.193. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (876 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Künstler-Sozialversiche­rungs­fonds­gesetz und das Betriebliche Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz geändert werden (KünstlerInnensozialversicherungs-Strukturgesetz – KSV-SG) (899 d.B.)

 


Präsident Fritz Neugebauer: Wir kommen zum 3. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Vock. – Bitte.

 


13.14.43

Abgeordneter Bernhard Vock (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Wir Freiheitlichen haben natürlich Verständnis dafür, dass auch Künstler das Bedürfnis haben, sozialrechtlich abgesichert zu sein. Deswegen wurde auch dieses KünstlerIn­nensozialversicherungs-Strukturgesetz eingeführt.

Die eingesetzte Arbeitsgruppe, die die Reform dazu bearbeitet hat, hat die Probleme richtig umfasst. Es handelt sich meist um atypische Arbeits- und Erwerbsformen, unregelmäßige Erwerbsformen im Einkommen, Mehrfachbeschäftigungen, kurzfristige und geringfügige Beschäftigungen, wechselnde Arbeitsverhältnisse inklusive Leih- und Teilzeitarbeit. Und es gibt ein Problem der Abgrenzung, wann es sich um Selbstän­digkeit und wann um Unselbständigkeit handelt.

Nicht festgestellt wurde unserer Meinung nach von dieser Arbeitsgruppe, dass jeder Künstler grundsätzlich einen Drang nach Kreativität hat. Wirkliche Künstler können daher auch kaum definieren, wann ihre Kreativität aktiv ist oder wann sie ruht.

Nehmen wir ein Beispiel! Ein Maler, der regelmäßig Bilder malt, sagt: Okay, ich melde meine Tätigkeit als Künstler ruhend! – Wenn er dann doch ein Bild privat malt, dann darf er dieses nicht verkaufen. Er macht es ja während seiner ruhenden Zeit. Das ist ein Problem. Wenn er es dann doch verkauft, weil er plötzlich einen Kunstliebhaber findet, dann macht er sich damit strafrechtlich haftbar, weil er gegen seine Ruhens­bestimmungen verstoßen hat.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll81. Sitzung / Seite 80

Denken wir auch daran, dass dieser Vorschlag ermuntern kann, dass es zum Schaden unserer Künstler Missbrauch gibt. Es könnte sich der eine oder andere als Künstler anmelden, so lange Sozialversicherungsbeiträge einzahlen, bis seine Ruhensbestim­mungen möglich sind, seine Tätigkeit dann ruhend melden und Arbeitslose beziehen. Das würde den aktiven Künstlern, den wirklichen Künstlern schaden, weil dann alle plötzlich als Sozialschmarotzer dargestellt werden.

Daher sagen wir Freiheitlichen: Eine Änderung, wie sie hier vorgeschlagen ist, lehnen wir im Interesse der Künstler ab. (Beifall bei der FPÖ.)

13.17


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Lapp. – Bitte.

 


13.17.06

Abgeordnete Mag. Christine Lapp (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Das KünstlerInnensozialversicherungs-Strukturgesetz, das wir heute be­schließen, ist ein weiterer Schritt in Richtung zur sozialen Absicherung von Künstlerin­nen und Künstlern in unserem Land.

Wir von der SPÖ sehen das nicht so, wie das vor mir mein freiheitlicher Kollege dargestellt hat, dass er den Künstlerinnen und Künstlern über die Schultern schauen will, sondern wir erachten es als wesentlich, die flexiblen Lebenssituationen von Künstlerinnen und Künstlern auch in flexibler Art und Weise in unserem sozialen System zur Absicherung zu bringen.

Im Regierungsprogramm 2008 ist dazu ein Programmpunkt festgehalten worden. Daraufhin gab es eine interministerielle Arbeitsgruppe, woran insgesamt neun Ministerien beteiligt waren. Eine Studie zur sozialen Lage hat auch dazu geführt, dass die Vorschläge auf den Tisch gelangt sind.

Es gab einen intensiven Dialog und Austausch mit Betroffenen und auch eine nationale Konferenz zur sozialen Lage der Kreativen in unserem Land.

Die wesentlichen Punkte in diesem Sozialversicherungsgesetz sind die Schaffung eines Kompetenzzentrums für Kunstschaffende. Gerade aufgrund der flexiblen Lebens­situation oder der Tatsache, dass Künstlerinnen und Künstler wechselnde Arbeitsverhältnisse haben – von selbständiger Arbeit bis zu unselbständiger Arbeit –, ist es für die Betroffenen immer wieder schwierig gewesen, richtige Auskünfte zu erlangen.

Dazu wird jetzt eine Servicestelle eingerichtet, die sämtliche Bereiche der Arbeitslosen­versicherung und des Künstler-Sozialversicherungsfonds abdeckt. Das heißt, die Künstlerinnen und Künstler müssen nicht mehr selbst von Stelle zu Stelle laufen, sondern das wird ihnen im Rahmen der Servicestelle abgenommen. Das ist eine besondere Erleichterung und Anerkennung dieser besonderen Lebenssituation und eine Vereinfachung für Kunstschaffende in Österreich. Das ist eine sehr wichtige Unterstützung, denn Kunst- und Kulturschaffende in unserem Land werden gefördert.

Weiters gibt es die Möglichkeit einer Ruhendmeldung der künstlerischen Erwerbs­tätigkeit, um auch Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung lukrieren zu können.

Insgesamt ist dieses Gesetz ein sehr wichtiger Beitrag zur sozialen Absicherung von Künstlerinnen und Künstlern in unserem Land. (Beifall bei der SPÖ.)

13.19


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Petzner. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll81. Sitzung / Seite 81

13.19.40

Abgeordneter Stefan Petzner (BZÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Wir vom BZÖ lehnen diesen Gesetzentwurf auf alle Fälle ab.

Grund dafür ist folgender: Man kann durchaus über die soziale Absicherung von Künstlerinnen und Künstlern diskutieren, das ist schon richtig, aber – und das ist unser eigentlicher Ablehnungsgrund – man muss sich schon die Frage stellen, ob es in Zeiten des Sparens, der Budgetkonsolidierung, des größten Schuldenberges, den wir jemals hatten – ich erinnere an die gestrige Rede des Finanzministers zum Budget und daran, dass eine Verwaltungsreform ansteht, dass wir alle darüber diskutieren, die Struktu­ren zu verschlanken und Bürokratie abzubauen –, ob es also vor diesem Hintergrund richtig und sinnvoll ist, eine weitere Servicestelle auf Kosten des Steuer­zahlers einzurichten, eine Servicestelle, die neue Bürokratie, neue Kosten, noch mehr Verwaltung und einen noch stärker aufgeblähten Apparat bedeutet.

Wir vom BZÖ lehnen das ab. Wir wollen die Bürokratie abbauen und nicht ausbauen, wir wollen nicht mehr Verwaltung, sondern weniger Verwaltung, und wir wollen keine höheren Kosten für den Steuerzahler, sondern niedrigere Kosten. Vor allem wollen wir auch eine Steuersenkung, getreu dem Satz: Leistung muss sich lohnen!

Daher lehnen wir auch diesen Gesetzentwurf mit aller Entschiedenheit ab und werden heute dagegen stimmen, vor allem auch vor dem Hintergrund – und das ist ja wirklich exemplarisch für dieses Servicezentrum! –, dass man ein Servicezentrum für lediglich 200 Betroffene einrichten möchte! Da müssten wir ja für jeden Micky-Maus-Verein ein eigenes Servicezentrum einrichten, mit lauter Beamten, die das bearbeiten. (Beifall beim BZÖ. Abg. Mag. Lapp: Das ist aber jetzt menschenverachtend! Abg. Dolin­schek: Bürokratie zum Quadrat!)

Für 200 Personen wird – das ist ja wirklich ein Kinkerlitzchen! – eine Servicestelle eingerichtet, die pro Jahr 120 000 € an Kosten verschlingt. 120 000 € für 200 Per­sonen! Ich glaube, dass man diesen 200 Personen schon zumuten kann, die Leis­tungs­verbesserung, die sie erhalten sollen, in der Form zu lukrieren, dass sie die vorhandenen Anlaufstellen nützen. Da muss man eben zwei, drei Stellen anlaufen – man bekommt ja auch etwas dafür! Man will ja auch etwas, und dafür muss man auch etwas geben und ein bisschen Zeit investieren. Die Gemütlichkeit ist in Zeiten der Budgetkrise, glaube ich, vorbei. (Abg. Mag. Lapp: Das hat ja nichts mit Gemütlichkeit zu tun!)

Nur wegen der Gemütlichkeit Steuergeld beim Fenster hinauszuwerfen und 120 000 € für 200 Leute auszugeben, das ist typisch Sozialdemokratie. Da kann man wieder ein paar SPÖ-Günstlinge in dem Servicezentrum versorgen, ein paar Söhne und Töchter von hoch- und langgedienten Parteifunktionären, und die Sache ist geputzt. (Beifall beim BZÖ.)

Das ist die Politik der SPÖ, aber so werden wir die gewünschte Budgetkonsolidierung, die gewünschte Verwaltungsvereinfachung und -reform nicht zustande bringen. (Abg. Riepl: Das ist eine lustlose Rede heute! Sehr lustlos!) Lustig sind Sie mit Ihren Gesetzentwürfen und Anträgen, aber in Zeiten der Krise und des Sparens muss Schluss mit lustig sein. (Beifall beim BZÖ.)

13.22


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Fuhr­mann. – Bitte.

 


13.22.58

Abgeordnete Mag. Silvia Fuhrmann (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Kollege Petzner! Mir fehlen jetzt irgendwie die Worte. So etwas habe ich in der


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Politik noch überhaupt nicht gehört, dass jemand sagt, es sind eh nur 200 Leute, das zahlt sich überhaupt nicht aus, dass wir zu dem Thema auch nur einen Finger rühren. (Abg. Markowitz: Ein eigenes Servicezentrum! Zwischenrufe des Abg. Petzner.) Das halte ich vom politischen Ansatz her schon einmal unabhängig vom Thema für einen Wahnsinn. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Wenn wir nämlich bei allen Themen so anfangen und sagen, es betrifft ohnehin nur ein paar Leute, das zahlt sich gar nicht aus, dann könnten wir eigentlich aufhören zu diskutieren, denn es wird immer Gruppen geben – Minderheitengruppen, Einzelinteres­sen –, bei denen der Politiker entscheiden muss, ob er dem nachgeht oder nicht. (Abg. Riepl: „Micky-Maus-Verein“ hat er gesagt!)

Faktum ist schon, dass gerade Künstler in Österreich – nicht nur in Österreich, sondern grundsätzlich – einer schwierigen Situation ausgesetzt sind, was deren eigene Absicherung betrifft. (Abg. Petzner: Künstler haben zwei gesunde Füße und zwei gesunde Hände! Das sind ja keine Behinderten ...!) Das hat auch die Studie zur sozialen Lage der Künstlerinnen und Künstler zum Ausdruck gebracht, und insofern muss es schon auch unser politisches Interesse sein, sich in einer Kulturnation wie Österreich auch um die Künstlerinnen und Künstler zu kümmern.

Wenn Sie schon Wert darauf legen, zu fragen, was die Künstler eigentlich uns bringen (Abg. Petzner: Das habe ich nicht gesagt! Tun Sie nicht die Unwahrheit verbreiten!), dann möchte ich Ihnen sagen, dass gerade im Jahr 2009 in ganz Österreich 9,8 Millionen Nächtigungen gezählt wurden, 2010 werden es wahrscheinlich mehr sein, und fast vier Millionen davon sind wegen der Kultur erfolgt. Das sind die Besucher, die man in den Museen zählt. (Abg. Grosz: Ich meine, haben Sie ihm nicht zugehört, dem Herrn Petzner?!)

Es sind natürlich vor allem auch nicht nur die historischen Künste, die die Besuche­rinnen und Besucher nach Wien ziehen, es sind auch zeitgenössische Künstler und auch Festivals wie die Design Week, die Fashion Week, berühmte Architekten und Designer wie Hans Hollein, Coop Himmelb(l)au, die über unser Land hinaus strahlen, die internationale Anerkennung genießen und für die viele Besucherinnen und Besucher auch nach Wien pilgern. Die wären vielleicht nicht so weit gekommen, gäbe es nicht auch eine Unterstützung durch die öffentliche Hand. Insofern ist es unser kulturpolitischer Auftrag, hier tätig zu sein. (Abg. Petzner auf den Blazer der Rednerin deutend : Das ist aber schön, dass Sie orange Knöpfe haben! Das ist das einzig Positive: Ihre orangen Knöpfe!)

Ich hoffe, die Maßnahmen, um die es heute geht – Kollegin Lapp hat sie ja schon dargestellt –, sind nur die ersten Schritte, um die soziale Lage der Künstlerinnen und Künstler zu verbessern. (Abg. Grosz: Der erste, der die Servicestelle beanspruchen wird, ist der Herr Albert Fortell! Ist das ein „Fortell-Gesetz“?)

Ich halte es schon für wichtig, dieses Servicezentrum in der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft einzurichten, weil es darum geht und wichtig ist, über sozialrechtliche Angelegenheiten zu informieren, und weil es nun einmal durch Unwissenheit oder mangelnde Information schon passiert, dass Fristen übersehen werden und dadurch auch Ansprüche verloren gehen. Insofern ist nichts einfacher, als die Leute besser zu informieren, damit es zu keinen Verlusten kommt, bei denen dann wieder der Staat eingreifen muss, sei es durch den Sozialversicherungsfonds oder andere sozialrechtliche Maßnahmen, wenn kein Einkommen mehr erzielt werden kann.

Im Übrigen unterstützt der Sozialversicherungsfonds pro Jahr in etwa 5 000 Künstlerin­nen und Künstler. – Das sind Künstler, die einer Erwerbstätigkeit nachgehen, aber die Einkommensgrenze ist so gering, dass man von einem darunterfallenden Einkommen nicht leben kann. Von wegen, es sind eh nur 200: Schon allein 5 000 sind es, die den


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll81. Sitzung / Seite 83

Künstler-Sozialversicherungsfonds in Anspruch nehmen. (Abg. Petzner: Es steht in den Erläuterungen zum Gesetzentwurf, das mit rund 200 Antragstellungen zu rechnen ist!)

Auch die Ruhendmeldung ist eine sehr einfache Möglichkeit, wie man Künstlerinnen und Künstlern unter die Arme greifen kann. Diese Ruhendmeldung trägt dafür Sorge, dass es nicht mehr zu einem Hindernis für den Bezug von Leistungen kommt. In diesem Sinne ist jeder gegen die Kunst und gegen die Künstler, der diesem Gesetz nicht zustimmt, und das finde ich eigentlich traurig. Wir von der ÖVP sind jedenfalls immer auf der Seite der Künstlerinnen und Künstler. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

13.27


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Jury. – Bitte. (Abg. Großruck: Gagarin! Abg. Petzner in Richtung des sich zum Rednerpult begeben­den Abg. Jury –: Josef, jetzt erklär du ihnen das einmal!)

 


13.27.15

Abgeordneter Josef Jury (ohne Klubzugehörigkeit): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Frau Kollegin Fuhrmann ist insofern recht zu geben, als der Kulturtourismus in Österreich natürlich sehr wichtig ist. Mit diesem Gesetz, das wir heute schaffen, verbürokratisieren wir jedoch den Kunstbetrieb. Dass die Künstler damit einverstanden sind, kann ich mir schwer vorstellen. Es ist ein weiterer Anschlag auf die Republik (Abg. Großruck: He!) – natürlich, Kollege Großruck! (Abg. Großruck: Das ist ja unheimlich!) –, ein weiterer Anschlag auf die Republik, während die Regie­rung säumig ist, unsere Reformvorschläge und eine Verwaltungsreform umzusetzen.

Unsere Regierung schafft noch mehr Bürokratie, schafft noch mehr Verwaltung, schafft noch mehr Belastungen für die Bürger unseres Landes.

Mein Zugang und unser Vorschlag wäre es daher, die Kunstankäufe lebender und zeitgenössischer Künstler steuerfrei zu stellen – das heißt, dass sie steuerlich geltend gemacht werden können. (Abg. Großruck: Auch den Nitsch?) Das wäre eine echte Unterstützung für unsere zeitgenössischen Künstler, damit die Zeitgenossen von heute die Etablierten von morgen sind. (Beifall bei der FPÖ.)

13.29


Präsident Fritz Neugebauer: Zu Wort gelangt nun Herr Bundesminister Hundstorfer. – Bitte.

 


13.29.03

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, wir erleben gerade, dass einige Abgeordnete die Realität derjenigen, um die es hier geht, nicht einmal mehr ansatzweise kennen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ich kann Sie nur einladen, reden Sie einmal mit dem Herrn Merkatz und lassen Sie sich vom ihm erzählen, wie er als Sechzigjähriger an ein und demselben Tag bei drei verschiedenen Sozialversicherungsträgern versichert war und was dann die Gesamt­administration dieser einen Person bedeutet hat! Reden Sie einmal mit Filmschau­spielern, die am Abend als Angestellte in einem Theater engagiert sind, am Nachmittag als Selbständige arbeiten, und, wenn es etwas besser Etablierte sind, am Vormittag in einer Lehrveranstaltung als Bundesbedienstete.

Warum haben wir denn diesen Gesetzentwurf überhaupt vorgelegt? – Weil wir mit den Künstlern, im Gegensatz zu Ihnen, Herr Grosz, über zwei Jahre hindurch zusammen­gesessen sind und uns bemüht haben, mit den Kulturschaffenden in diesem Land –


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll81. Sitzung / Seite 84

vom Schriftsteller bis zum Bildhauer, vom Schauspieler oder von der Schauspielerin bis zum freischaffenden Essayisten – eine einfachere Struktur für diese Personen zu schaffen.

Herr Petzner, wenn Sie schon Erläuterungen lesen, lesen Sie sie richtig! Es ist dort von 300 und nicht von 200 erwarteten Antragstellungen die Rede – nur, damit wir das auch einmal klargestellt haben.

Derzeit werden alleine im Rahmen dieses Sozialversicherungsfonds 5 000 Künstlerin­nen und Künstler unterstützt. Es ist der Wunsch dieser Betroffenen gewesen – von den Bildhauern bis zu den Schauspielern –, dass im österreichischen Sozialversicherungs­system eine Vereinfachung vorgenommen wird und dass es dadurch eine Anlaufstelle für sie alle gibt. – Und das ist diese Servicestelle.

Diese Servicestelle muss nun einmal eingerichtet werden. In Wirklichkeit ist das eine Verwaltungsreform und keine Verwaltungsvervielfachung. Daher ist das eine positive Entwicklung im Interesse der österreichischen Künstlerinnen und Künstler. Meine Damen und Herren von den Freiheitlichen, was Sie dauernd unterstellen, ist schon wie­der irgendwo der mögliche Missbrauch. Lösen Sie sich doch einmal von Ihrer Konzen­tration auf den Kontrollstaat! (Abg. Dr. Karlsböck: Na, na, na! Abg. Dr. Rosenkranz: Solange Sie in der Regierung sind, nicht!) Nehmen Sie doch wahr, dass diese Menschen eigenständig sind und Ihren Kontrollstaat nicht wollen! Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.31


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Zinggl. – Bitte.

 


13.32.00

Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! (Abg. Dr. Rosenkranz – in Richtung Bundesminister Hundstorfer –: Sie hätten damals die Aufsichtsratslisten der BAWAG auch kontrollieren sollen und nicht unterschreiben! Das wäre fast noch besser! Kontrollieren ist sehr gut und wichtig! – Bundesminister Hundstorfer: Sie wissen ganz genau, was ich dort unterschrieben habe und was ich ...!) Darf ich jetzt auch etwas dazu sagen, wenn Sie sich vielleicht kurz zurückhalten ... (Unruhe im Saal.)

 


Präsident Fritz Neugebauer: Bitte hören Sie dem Redner zu! (Rufe und Gegenrufe zwischen den Abgeordneten Dr. Rosenkranz und Katzian.) Herr Abgeordneter Dr. Zinggl ist am Wort. – Bitte.

 


Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (fortsetzend): Meine Damen und Herren! Ich probiere es noch einmal. Vor zwei Jahren ist der Bericht der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur herausgegeben worden, demzufolge die ökonomische und soziale Lage der Künstlerinnen und Künstler katastrophal ist. Das haben wir alle mitbekommen. Ich nenne nur eine erschreckende Zahl: Die Hälfte der Kunstschaf­fenden verdient im Jahr unter 6 000 €.

Der beste Beweis dafür, dass die Künstlersozialversicherung mit all ihren Novellie­rungen nicht gegriffen hat, war genau dieser Bericht. Da geht es um die Pen­sions­versicherung, aber nicht um die tatsächliche aktuelle Lage der Kunstschaffenden. Die Ministerin hat daraufhin versprochen, sich gemeinsam mit dem Sozialminister diesem Thema zu widmen und irgendetwas auszuarbeiten, und es stimmt, dann wurden monatelang – zwei Jahre waren es nicht, aber egal – in fünf Arbeitskreisen insgesamt 32 Sitzungen abgehalten, ein Haufen von Fachleuten hat wie der sprichwörtliche Berg gekreißt, und am Schluss wurde ein Mäuschen geboren, und dieses Mäuschen heißt jetzt Servicezentrum.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll81. Sitzung / Seite 85

Meine Damen und Herren, dieses Servicezentrum ist eine gute Einrichtung, gar keine Frage, und daher stimmen wir dem auch zu, denn wenn die Kunstschaffenden bis jetzt unter verschiedenen Versicherungen gelitten haben, kann man fast sagen, und nicht genau gewusst haben, wo sie jeweils hinmüssen, sich in diesem Dschungel nicht zurechtgefunden haben, dann ist das jetzt eindeutig eine Verbesserung und kein bürokratischer Überbau – gar keine Frage.

Herr Bundesminister, die soziale Lage ist aber durch diese Anlaufstelle jedenfalls nicht verbessert worden. Daher haben wir auch schon seit vielen Jahren durch Ent­schließungs­anträge und Initiativanträge ein Konzept eingebracht, demgemäß die Künstlerinnen und Künstler hinsichtlich ihrer sozialen Lage mit einer Mindestsiche­rung – spezifisch für diese Berufsgruppe – abgesichert wären, und das wäre nicht einmal so teuer, es müsste einfach nur politisch umgesetzt werden.

Herr Minister, wenn Sie im Ausschuss sagen, Sie wollen keine Staatshaftung für die Kulturschaffenden übernehmen, dann ist das – gestatten Sie mir den Ausdruck! – eine zynische Äußerung angesichts dieser sozialen Lage, wo doch sehr viele Künstlerinnen und Künstler weit unter der Armutsgrenze leben.

Was sind denn Sozialleistungen des Staates überhaupt anderes als Staatshaftungen im Sozialbereich? Es gibt ja auch Staatshaftungen für Banken. Warum soll es denn keine Staatshaftung im Sozialbereich geben? Was ist denn daran verwerflich? Gerade im Zusammenhang mit der Kultur profitiert der Staat ja letztendlich von den Kunst­schaffenden mehr, als er ihnen gibt. Also warum soll man denen dann bitte um Gottes Willen nicht auch einmal ein Netz spannen? Die Zahlen sprechen ja dafür; das bringt uns ja nicht um. (Beifall bei den Grünen.)

Die allgemeine Mindestsicherung, die es jetzt gibt, greift bei den Kulturschaffenden überhaupt nicht – das wissen Sie ganz genau! –, denn eher darben Künstlerinnen oder Künstler, bevor sie sich irgendwohin umschulen lassen, auf einen Beruf, den sie sicher nicht ausüben werden und wollen. Da investieren sie lieber selber und leben lieber in Armut, bevor sie so etwas machen. Daher muss man auch spezifisch für diese Berufs­gruppe etwas machen. Es lassen sich eben nicht alle über einen Leisten schlagen.

Aber wenn man schon Gerechtigkeit als wichtige Leistung im Staat anerkennt, würde ich doch darum bitten, folgende Ungerechtigkeit, die tatsächlich existiert und die wir alle kennen, bei dieser Gelegenheit zu beseitigen. Normalerweise dürfen Zuschuss­bezieher und -bezieherinnen innerhalb einer bestimmten festgelegten Obergrenze etwas dazuverdienen, nicht aber jene Künstlerinnen und Künstler, die in Pension sind.

Das ist einfach eine Ungerechtigkeit, und daher bringe ich folgenden Antrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Zinggl, Öllinger, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht des Aus­schusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage 876 der Beilagen:

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Regierungsvorlage (876 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetz und das Betriebliche Mitarbeiter- und Selbständigen­vor­sorgegesetz geändert werden (KünstlerInnensozialversicherungs-Strukturgesetz – KSV-SG), in der Fassung des Ausschussberichts (899 der Beilagen) wird wie folgt geändert:

1. In Art. 3 wird nach Z 1 folgende Z 1a eingefügt:


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll81. Sitzung / Seite 86

„1.a. In § 17 entfällt Abs. 7. Der bisherige Abs. 8 erhält die Bezeichnung Abs. 7.“

2. In Art. 3 Z 3 lautet § 30 Abs. 5 folgendermaßen:

„(5) Die §§ 4, 17 und 22a samt Überschrift treten mit 1. Jänner 2011 in Kraft.“

*****

Meine Damen und Herren, ich würde Sie einladen und bitten, diesem Antrag zuzustim­men – einfach weil die derzeitige Lage dem Gleichheitsgrundsatz widerspricht und daher eine Zustimmung wirklich nicht wehtut. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

13.37


Präsident Fritz Neugebauer: Der eingebrachte Abänderungsantrag steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Zinggl, Öllinger, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht des Aus­schusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (876 d.B.): Bun­des­gesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetz und das Betriebliche Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz geändert werden (KünstlerIn­­nen­sozialversicherungs-Strukturgesetz – KSV-SG)

Antrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Regierungsvorlage (876 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozial­versicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetz und das Betriebliche Mitarbeiter- und Selbständigen­vorsorgegesetz geändert werden (KünstlerInnensozialversicherungs-Strukturgesetz – KSV-SG) in der Fassung des Ausschussberichts (899 d.B.) wird wie folgt geändert:

1. In Art 3 wird nach Z 1 folgende Z 1a eingefügt:

„1.a. In § 17 entfällt Abs 7. Der bisherige Abs 8 erhält die Bezeichnung Abs 7.“

2. In Art 3 Z 3 lautet § 30 Abs 5 folgendermaßen:

„(5) Die §§ 4, 17 und 22a samt Überschrift treten mit 1. Jänner 2011 in Kraft.“

Begründung

Das Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetz (K-SVFG) erfüllt, wie die Grünen wieder­holt angemerkt haben, keineswegs seinen Zweck der sozialen Absicherung von KünstlerInnen. Durch die letzte Novelle kommt es nunmehr zu einer eklatanten Schlechterstellung von KünstlerInnen, die ab 2008 Pension beziehen, weil ihnen im Fall der weiteren aktiven Berufsausübung gemäß § 17 Abs. 7 der Zuschuss zu ihren Sozialversicherungsleistungen gestrichen wird. Dazu ist anzumerken, dass die weitere Berufsausübung auch im Alter für KünstlerInnen den Normalfall darstellt, weil sie nur in den seltensten Fällen genügend anrechenbare Jahre gesammelt haben, um sich auch tatsächlich „zur Ruhe setzen“ zu können – ganz abgesehen davon, dass das


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künstlerische Wollen nicht einfach erlischt, bloß weil man ein bestimmtes Alter erreicht hat.

Konkret stellt sich ab 2008 die Situation für KünstlerInnen, die Pension beziehen und weiterhin aktiv tätig sind, folgendermaßen dar:

Von der bezogenen Pension müssen Lohnsteuer und Krankenversicherung bezahlt werden.

Für die Einkünfte aus selbständiger künstlerischer Arbeit sind ganz normal Steuern zu entrichten sowie die darauf basierenden Sozialversicherungsbeiträge, ohne dass eine Zuschussleistung möglich wäre.

Im Vergleich zu jüngeren, aktiven, zuschussberechtigten KünstlerInnen, denen Ein­künfte zusätzlich zu jenen aus selbständiger Arbeit zugestanden werden (bis zur festgelegten Einkommenshöchstgrenzen), gilt dies für die BezieherInnen von Alters­pension nicht.

Diese Ungerechtigkeit könnte mit der einfachen ersatzlosen Streichung des § 17 Abs. 7 K-SVFG behoben werden.

*****

 


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Grosz. – Bitte. (Abg. Steibl in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Grosz : Gerald, ist das deine Abschiedsrede?)

 


13.37.39

Abgeordneter Gerald Grosz (BZÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Zwei Redebeiträge erschrecken wirklich, und zwar aufgrund der Unwissenheit der Rednerin beziehungs­weise des Redners: Frau Abgeordneter Fuhrmann und des Ministers. (Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ.)

Herr Minister, es dürfte Ihrer geschätzten Aufmerksamkeit entgangen sein, dass nie­mand in diesem Haus das Künstlersozialversicherungsgesetz infrage stellt, denn: Wissen Sie überhaupt, wann es eingeführt worden ist? Wissen Sie, wer es in den neunziger Jahren verhindert hat? – Hums, Hostasch, Hesoun. Und wissen Sie, wer es 2001 eingeführt hat? – Bundeskanzler Schüssel, Staatssekretär Morak und Bundes­minister für Soziales Herbert Haupt. (Beifall beim BZÖ.)

Vorher gab es kein Künstlersozialversicherungsgesetz, weil gerade Sie es über Jahre in der Regierungsverantwortung versäumt haben, den Kulturschaffenden, denen Sie höchste Wertschätzung entgegengebracht haben, auch endlich eine soziale Absiche­rung in den prekären Beschäftigungsverhältnissen zu geben.

Ich weiß auch nicht, was es da für eine Missstimmung aufgrund der Ausführungen des Abgeordneten Petzner gibt, der lediglich festgestellt hat, dass die Einrichtung – die Sozialversicherungsanstalt besteht ja, die hat ja Personal! – einer zusätzlichen Servicestelle samt den Errichtungskosten im Jahr insgesamt 400 000 € kosten würde, und dies bei 200 Anträgen, die diese Servicestelle im Jahr zu bearbeiten hat, und, geschätzte Damen und Herren, bei 252 Arbeitstagen, an denen diese Servicestelle acht Stunden geöffnet hat. – Für Sie noch einmal zum Mitbuchstabieren: 252 Arbeits­tage, acht Stunden Öffnungszeiten, 400 000 € im Jahr an Kosten für diese Servicestelle und 200 Antragstellungen! Dort wartet man also drei Tage, bis endlich einmal möglicherweise vor der Mittagspause jemand hereinkommt und einen Antrag stellt. (Beifall beim BZÖ.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll81. Sitzung / Seite 88

Volles Service und sozialversicherungsrechtliche Absicherung für Kulturschaffende und Künstler: Das ist das Sozialversicherungsgesetz für Künstler, das 2001 durch Haupt und Morak ins Leben gerufen worden ist!

Aber, bitte schön, ersparen wir uns doch am Höhepunkt der Wirtschaftskrise und einer Budgetdebatte in Knittelfeld vulgo Loipersdorf am kommenden Wochenende, wo jeder über Sparen in diesem Land spricht, dass eine Serviceeinrichtung überbordend gestaltet wird, die 400 000 € im Jahr kostet.

Gestern gab es eine Diskussion darüber, dass man für 300 Lehrlinge in diesem Land kein eigenes Berufsbild, kein eigenes Lehrbild schafft. Die Antwort von der Regierungs­bank und vonseiten der Regierungsparteien war nämlich, für 300 machen wir nichts, das ist viel zu wenig. Aber für 200 Leute in diesem Land, die alle berechtigte Anliegen haben, die sich in der Sozialversicherungsanstalt ja wiederfinden, wird zusätzlich zur Sozialversicherungsanstalt eine eigene Servicestelle eingerichtet, die kein Mensch in diesem Land braucht.

Und deswegen und ausschließlich deswegen lehnen wir dieses Gesetz ab und lehnt es auch der Bundesrechnungshof ab, der Ihre Gesetzesvorlage ohnedies durch Sonne, Mond und Sterne geschossen hat. – Ich danke. (Beifall beim BZÖ.)

13.40


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Keck. – Bitte.

 


13.41.04

Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Lieber Kollege Grosz, Sie reden viel, wenn der Tag lang ist – und wenn der Abend kommt, wenn Entscheidungen getroffen werden müssen, dann halten Sie nicht einmal das ein, was Sie uns ständig versprechen. Wir warten heute noch auf Ihren Rücktritt aus dem Nationalrat, den Sie uns sehr lange angekündigt haben. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Grosz.)

Meine Damen und Herren, die Arbeitswelt hat sich gerade in den letzten zehn bis zwanzig Jahren sehr dramatisch verändert. Eine Arbeitsstelle von der Lehre bis zur Pensionierung gibt es heute nicht mehr. Arbeitsplatzwechsel, Umschulungen sind an der Tagesordnung, und das Risiko von Arbeitslosigkeit ist heute bedeutend höher, als es in der Vergangenheit war.

Es haben sich auch die Beschäftigungsverhältnisse verändert. Aus Tausenden Arbei­tern und Angestellten sind Neue Selbständige geworden. Das Schlagwort vonseiten der Wirtschaft lautet ja Flexibilisierung, was für die Betroffenen oft soziale Unsicherheit oder auch sozialen Abstieg bedeutet. Manche trifft es sehr hart, dass sie plötzlich das gesamte soziale Risiko tragen müssen. Der Armutsbericht zeigt uns das ja sehr deut­lich.

Eine besonders hohe Betroffenheit finden wir im Bereich der Kunst. Dort gibt es Tausende prekäre Arbeitsverhältnisse, Leih- und Teilzeitarbeit, einen ständigen Wechsel zwischen Arbeitszeiten und Arbeitslosigkeit.

Eine normale Anstellung bei einem Kunstunternehmen, einem Orchester oder Theater ist die Ausnahme. Die Regel bei den Künstlern sind Kurzzeitengagements, Werkver­träge und Honorarbasisarbeitsbedingungen.

Die Folge für die Künstlerinnen und Künstler ist ein ständiges Hin und Her zwischen Versicherungsträgern und Anlaufstellen. Da schaffen nicht nur unterschiedliche Beitragssätze und wiederkehrende Mehrfachversicherungen finanzielle Sorgen bei den Künstlerinnen und Künstlern. Das ist nicht nur wegen der Betroffenheit der Menschen falsch, meine Damen und Herren, sondern auch deswegen, weil nicht zuletzt die


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Kulturhauptstadt Linz 2009 gezeigt hat, dass die Kunst auch ein wesentlicher Wirt­schafts­faktor ist.

Das Stichwort ist Kreativwirtschaft. Maler, Bildhauer, Tänzer, Musiker, aber auch Schauspieler oder Autoren erarbeiten jährlich Hunderte Millionen an Wertschöpfung. Sie haben aber trotzdem einen sehr, sehr unsicheren sozialen Status.

Unter den 36 800 Unternehmen mit keinem einzigen Mitarbeiter dürften sich rund 10 000 Künstlerinnen und Künstler befinden. Die deutsche Kulturhauptstadt Ruhr 2010 geht davon aus, dass durch Kreativität und Kunst mehr als 150 000 neue Jobs geschaffen werden können. Was in Deutschland zutrifft, kann auch und wird auch auf Österreich zutreffen.

Daher war es wichtig und richtig, dass sich im Herbst 2009 eine Arbeitsgruppe KünstlerInnen unter einem Sozialversicherungsdach formiert hat. Ihr Arbeitsergebnis liegt nun auf dem Tisch, ein Kompetenzzentrum für Künstlerlinnen und Künstler, das dem modernen One-Stop-Shop-Prinzip folgt und künftig Anlaufstelle für die Anliegen der Künstlerlinnen und Künstler sein wird.

Angesiedelt wird das Zentrum bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft. Die Fragen der Ruhendmeldung und der Vermeidung der Versicherungs­pflicht in Phasen, in denen keine künstlerische Arbeit geleistet wird, konnten hier fachgerecht und in sehr kurzer Zeit gelöst werden. Das alles dient zum Wohle der Menschen, sehr wohl aber auch zum Vorteil der Kunst und des Kulturlandes Österreich. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.44


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Pack. – Bitte.

 


13.44.32

Abgeordneter Jochen Pack (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Meine geschätzten Damen und Herren! Ja, die häufig prekäre Arbeitssituation von Künstlerinnen und Künstlern hat den Ausschlag für diese Änderung gegeben. Die damit verbundenen atypischen Arbeits- und Erwerbsformen kennzeichnen das Arbeits­leben eines Künstlers.

Meine Vorredner haben es zu Recht gesagt, die Einrichtung dieser Serviceagentur, insbesondere bei der Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft, ist für die Künstlerinnen und Künstler ein notwendiger Schritt gewesen. Dies wird eine zentrale Anlaufstelle für alle Fragen rund um die sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen sein und somit eine wesentliche Erleichterung darstellen. In diesem Sinn ist das ein guter Schritt, der auch von den Betroffenen entsprechend begrüßt wird.

Es war auch richtig, dass die im Ministerium eingerichtete Arbeitsgruppe in ihren Über­legungen vom ersten Lösungsansatz abgewichen ist, die Versicherungszuständig­keiten zu ändern, denn das hätte im Endeffekt zu mehr Problemen geführt, insbe­sondere bei den Betroffenen, als es geholfen hätte.

Die Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft erfüllt natürlich alle Kriterien, um ein effizientes Kompetenzzentrum zu sein. Die Ruhendmeldung ermöglicht den Künst­lern ohne Probleme die Geltendmachung beziehungsweise den Bezug von Leistungen im Bereich der Arbeitslosenversicherung. Das war eine notwendige Forderung der Betroffenen, der damit stattgegeben wird.

Natürlich ist auch ganz klar, und das haben auch Vorredner von mir betont, dass mit dem Gesetz die prinzipiell schwierige finanzielle Situation der einzelnen Künstlerinnen und Künstler im Detail nicht zu lösen ist. Aber ich glaube, es ist ganz klar, dass es


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keine staatlichen Garantien für gewisse Aufträge und so weiter geben kann und dass das ein Bereich im Wettbewerb ist.

Wenn ich ganz kurz auch auf die Debatte um die Kosten eingehen darf: Lieber Gerald Grosz, wenn du schon – ich wiederhole die Worte des Ministers  aus den Finanziellen Erläuterungen vorliest, dann solltest du das auch richtig tun. Da steht: einmalige Errichtungskosten in Höhe von 120 000 €, schätzt die Sozialversicherungsanstalt, und für den Betrieb 243 000 €, aber bei Weitem nicht die 400 000 €, wie du sie geschätzt hast. (Abg. Grosz: 4 200 € stehen auch noch drin! Können wir zusammenzählen?) – Wir können schon zusammenzählen. Aber der Unterschied ist der, dass du von jährlich sprichst. Das steht aber da in dem Bereich nicht drinnen.

Gleichzeitig ist auch die Begründung der FPÖ, dass damit sozusagen ein Anschlag auf den Staat erfolgt, total lächerlich. Man kann nicht nachvollziehen, wieso Sie in diesem Bereich dieser Materie nicht zustimmen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

13.47


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Riepl. – Bitte.

 


13.47.55

Abgeordneter Franz Riepl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Der heutige Beschluss führt zu einer Verbesserung der sozialen Situation von Kunst­schaffenden in Österreich. Der Inhalt ist schon im Detail referiert und diskutiert worden. Es ist insbesondere auch vom Herrn Bundesminister klargestellt worden, warum dieses Gesetz besonders gut ist. Ich denke, er kann mit der Zustimmung der Sozial­demokratischen Partei in diesem Fall nicht nur rechnen, sondern wir werden diese Zustimmung mit Überzeugung geben. Es ist also gut, was wir da jetzt tun.

Nicht gut ist etwas anderes, was uns im Sozialversicherungsbereich seit wenigen Stun­den bekannt ist, nämlich dass wir einen traurigen Rekord erreicht haben, und zwar im Bereich der Schulden der Arbeitgeber bei den Gebietskrankenkassen, die bereits eine Milliarde überschritten haben. Seit Kurzem wissen wir das.

Bekannt ist, dass wir in diesem Haus – und das ist jetzt keine parteipolitische Ge­schichte, sondern einfach eine Sache, die man, glaube ich, andiskutieren muss – vieles getan haben. Wir haben den Sozialbetrug vielfach gesetzlich stärker bekämpft. (Abg. Kopf: Wollen Sie die Milliarde mit Betrug gleichsetzen?) – Lassen Sie mich einmal ausreden, es ist ja interessant, dass Sie gleich dagegenreden! (Abg. Kopf: Ich habe gefragt und nicht dagegengeredet!) – Hören Sie sich einmal an, was ich zu sagen habe, Herr Klubobmann!

Also ich stelle noch einmal fest: Wir haben einen Schuldenstand von Teilen der Wirt­schaft, zugegebenermaßen nicht von der Mehrheit, aber von einem Teil der Wirtschaft, der inakzeptabel ist und wo man eigentlich sagen müsste, es sollte etwas geschehen.

Wir haben drei Möglichkeiten: Wir können es zur Kenntnis nehmen, wir können zur Tagesordnung übergehen, wir können diese schwarze Schafherde der Wirtschaft weiter grasen lassen oder wir machen da weiter – und dazu lade ich ein –, womit wir begonnen haben, sichtlich ist aber noch zu wenig geschehen, nämlich dass wir mehr gegen Sozialbetrug, mehr gegen diesen Umstand tun.

Der geringere Teil von dieser einen Milliarde ist insolvenzverhangen. Es geht also auch um andere Bereiche. Ich könnte mir gut vorstellen, dass man die Strafzinsen, die man bei Schulden zahlen muss, in diesem Fall auf jenes Niveau hebt, das jemand bei der Bank an Überziehungszinsen bei einem Girokonto zahlt. Das wäre zum Beispiel etwas.


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Zu der einen Milliarde kommt aber noch etwas dazu, Herr Klubobmann Kopf, nämlich 125 Millionen €, die von den Gebietskrankenkassen in einem Jahr als uneinbringlich abgeschrieben werden mussten. (Zwischenruf des Abg. Kopf.) – Alles Zahlen aus 2009.

Denken wir doch gemeinsam darüber nach, Herr Klubobmann Kopf, dass 45 Prozent von diesem Schuldenstand – 1 Milliarde € und eben auch diese 125 Millionen € – Arbeit­nehmerbeiträge sind, die zwar einkassiert, aber nicht weitergegeben worden sind. Diese Situation zeigt doch, dass wir gemeinsam – und mehr will ich eigentlich nicht – darüber nachdenken sollen, ja müssen, was man dagegen tun kann. Wir können ganz einfach nicht akzeptieren, dass diese Schulden noch mehr steigen und dass Beträge nicht dorthin kommen, wo sie hinkommen sollten, und sich die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch noch vorhalten lassen müssen, dass soziale Leistungen vielleicht nicht mehr finanzierbar sein werden; Vorwürfe, die es ja in Bezug auf die Pensionen und Ähnliches mehr gibt. (Abg. Grosz: Sind wir beim falschen Tagesordnungspunkt?)

Ich glaube, es ist ganz gut, dass man, wenn man über die Sozialversicherung redet, auch darauf hinweist. Mehr wollte ich jetzt nicht, denn wir werden sicherlich in den nächsten Wochen noch Gelegenheit genug haben, über diesen Umstand zu disku­tieren. (Beifall bei der SPÖ.)

13.51

 


Präsident Fritz Neugebauer: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor. Die Debatte ist geschlossen.

Wir haben mehrere Abstimmungen zu bewältigen. Bitte, Platz zu nehmen!

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 899 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Zinggl, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde zunächst über den erwähnten Zusatzantrag abstimmen lassen. An­schließend lasse ich – entsprechend der Systematik des Entwurfes – über den von dem erwähnten Abänderungsantrag betroffenen Teil und schließlich über die rest­lichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen.

Wir kommen daher zunächst zur Abstimmung über den Zusatzantrag der Abgeord­neten Dr. Zinggl, Kolleginnen und Kollegen, der die Einfügung einer neuen Ziffer 1a im Artikel 3 zum Inhalt hat.

Wenn Sie sich hiefür aussprechen, bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Abänderungsantrag der Abgeordneten Dr. Zinggl, Kolleginnen und Kollegen, der sich auf Artikel 3 Ziffer 3 bezieht.

Wenn Sie sich hiefür aussprechen, bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über diesen Teil des Entwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich ersuche jene Mitglieder des Hohen Hauses, die hiezu ihre Zustimmung erteilen, um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Entwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich bitte um Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit angenommen.


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Wir kommen gleich zur dritten Lesung.

Wenn Sie auch in dritter Lesung für den vorliegenden Entwurf sind, bitte ich um ein zustimmendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit beschlossen. Der Entwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

13.53.434. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (865 d.B.): Abkommen zwischen der Republik Österreich und Montenegro über soziale Sicherheit (902 d.B.)


 Präsident Fritz Neugebauer: Wir kommen nun zum 4. Punkt der Tagesordnung.

Zu Wort gelangt als Erster Herr Abgeordneter Dr. Karlsböck. – Bitte, Herr Kollege.

 


13.54.03

Abgeordneter Dr. Andreas Karlsböck (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Dieser Punkt der heutigen Tagesordnung dürfte ja geradezu ein „Renner“ sein. Als einziger Redner meiner Fraktion hiezu möchte ich es daher kurz machen; jedenfalls sollten aber schon ein paar Worte dazu gesagt werden.

Grundsätzlich soll Montenegro näher an ein europäisches Niveau herangeführt wer­den, und zwar nicht nur im Fußball, wie jetzt in der Europameisterschafts-Qualifikation, wo Montenegro gegen England ein Unentschieden erzielen konnte. Alle Anstrengun­gen in diesem Bereich, Montenegro näher an die Europäischen Union heranzuführen, sind zu begrüßen.

Nach der Teilung der ehemaligen Bundesrepublik Jugoslawien wurde das Abkommen zwischen Österreich und der Bundesrepublik Jugoslawien pragmatisch weiter ange­wendet. Montenegro war aber daran interessiert – auch zur Betonung seiner Eigen­staat­lichkeit –, dieses Abkommen durch ein neues zu ersetzen.

Durch das vorliegende neue Abkommen wird der bisherige Schutz im Bereich der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung sowie der Arbeitslosenversicherung mit im Wesentlichen gleichem materialrechtlichem Inhalt aufrechterhalten, in formaler Hinsicht aber gleichzeitig an die anderen von Österreich in den letzten Jahren geschlossenen Abkommen über soziale Sicherheit angepasst.

Das jetzige Abkommen zwischen der Republik Österreich und Montenegro über soziale Sicherheit fördert einerseits die Eigenstaatlichkeit Montenegros und gibt wichtige Impulse für eine umfassendere Datenschutzregelung.

Auch andere Projekte, so zum Beispiel das Twinning-Projekt, fördern die Entwicklung in diesem Bereich. Das Twinning-Projekt zielt darauf ab, die Kapazitäten von Montenegro hinsichtlich des Schutzes personenbezogener Daten und der Implementie­rung der Datenschutzgesetzgebung zu stärken.

Eine Projekt-Komponente befasst sich mit der weiteren Harmonisierung der daten­schutzrelevanten Gesetzgebung, mit dem EU-Acquis.

Eine weitere zielt darauf ab, die kürzlich eingerichtete unabhängige Datenschutz­behörde mit gezielten Trainings beim Aufbau der Tätigkeit der Behörde zu unterstüt­zen.

Trainings für Datenschutzverantwortliche in Ministerien, andere relevante Institutionen sowie im privaten Sektor sind ebenfalls Teil dieses Projekts.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll81. Sitzung / Seite 93

Das ist eine positiv zu bewertende Entwicklung, sodass wir dem zustimmen können. (Beifall bei der FPÖ.)

13.56


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Haubner. – Bitte.

 


13.56.25

Abgeordnete Ursula Haubner (BZÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Auch das BZÖ gibt seine Zustimmung zu diesem Abkommen über soziale Sicherheit zwischen der Republik Österreich und Montenegro. Es ist ein weiteres Abkommen – wir haben ja schon sehr viele hier im Parlament beschlossen –, das Klarheit schafft, das klare Spielregeln schafft für diejenigen, die in Montenegro arbei­ten, beziehungsweise für Menschen aus Montenegro, die in unserem Land beschäftigt sind.

Mit diesem Abkommen gibt es daher auch klare Spielregeln, was den Bereich der Kranken-, Unfall-, Pensions- und Arbeitslosenversicherung betrifft. Es ist das ein Abkommen, das sehr gut vorbereitet wurde. Ich möchte daher auch den Beamtinnen und Beamten des Ministeriums sehr herzlich dafür danken, denn ich weiß aus eigener Erfahrung, wie sensibel dieser Bereich ist und wie notwendig es daher ist, eine gute Vorlage vorzubereiten.

Besonders begrüßen wir die klare umfassende Datenschutzregelung und dass unsere Standards, was personenbezogene Sozialdaten anlangt, letztendlich dann auch von Montenegro angewandt werden.

In diesem Sinne begrüßen wir dieses Abkommen und geben unsere Zustimmung dazu. (Beifall beim BZÖ.)

13.57


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.

 


13.57.53

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Normalerweise sind Abkommen über soziale Sicherheit keine, über die wir hier in eine Debatte eintreten. Ich habe mich daher nur aus dem einen Grund dazu zu Wort gemeldet, dass nicht der Eindruck entsteht, die FPÖ sei der „Schutzherr“ der Monte­negriner beziehungsweise der Serben, was Sie von der FPÖ ja sonst gerne zum Besten geben würden. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Nein, dem ist nicht so!

Alle Fraktionen haben diesem Abkommen zugestimmt, und in der Regel wird ein derartiges Abkommen hier ohne Debatte beschlossen. Daher ist es schon auffällig, dass ein FPÖ-Abgeordneter, sozusagen mit stolzgeschwellter Brust, zu diesem Tages­ord­nungspunkt spricht. Ich möchte Ihnen, Frau Abgeordnete Haubner, absolut nicht dieses Motiv unterstellen, sondern meine, dass Sie aus einem ähnlichen Grund wie ich hier zum Rednerpult geschritten sind.

Um für alle klarzustellen: Serbien und Montenegro sind Gott sei Dank nicht der Privatbesitz der FPÖ. Und das wäre ja auch das Schlimmste, was diesen beiden Ländern passieren könnte. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von SPÖ und ÖVP.)

13.58


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Großruck. – Bitte.

 


13.59.00

Abgeordneter Wolfgang Großruck (ÖVP): Meine Damen und Herren! Ich mache es ganz kurz: Natürlich stimmen auch wir von der Österreichischen Volkspartei diesem


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Abkommen zu. Als jemand, der sich – wie viele andere hier – oft in Balkanstaaten aufhält, weiß ich ganz einfach, wie notwendig derartige Abkommen sind, obgleich sich diese Staaten – das sage ich hier kritisch dazu – schon noch gewaltig weiterentwickeln müssen. Und ich glaube, dass Abkommen wie diese dazu beitragen.

Ich rufe aber auch von dieser Stelle aus die Montenegriner auf, gewisse Raubritter­methoden – wenn man mit dem Auto durch dieses Land fährt, kennt man das – zu überdenken. Ich habe heuer ein Feuerwehrfahrzeug nach Albanien transportiert, und allein für die Durchfahrt durch Montenegro wurden mir über 100 € abgeknöpft – und das für 30 Kilometer! Ich glaube, auch das sollte man hier sagen; was ich hiemit getan habe. Europäisierung heißt auch Anpassen an unsere Standards und an unsere Dinge. Das habe ich hiermit gesagt.

Und: Natürlich stimmen wir diesem Abkommen auch zu. (Beifall bei der ÖVP.)

14.00


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Csörgits. – Bitte.

 


14.00.17

Abgeordnete Renate Csörgits (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Damit die Runde komplett ist, darf ich festhalten, dass auch die Sozialdemokratie für diese Ver­bes­serung ist, nämlich auch deshalb, weil sich gerade die Sozialdemokratie immer wieder dafür eingesetzt hat, dass soziale Bedingungen, soziale Voraussetzungen, soziale Grundwerte auch in anderen Ländern angepasst werden, im Sinne der Menschen, die dort beschäftigt sind. Daher freue ich mich über den einstimmigen Beschluss. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

14.00

14.00.30

 


Präsident Fritz Neugebauer: Eine nächste Fraktionsrunde kann ich nicht erkennen. (Allgemeine Heiterkeit.) Somit ist die Debatte geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages in 865 der Beilagen gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte um Ihre Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

14.01.225. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 121/A(E) der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gebär­densprachkurse für Eltern gehörloser Kinder (903 d.B.)

6. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 123/A(E) der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend audio­pädagogische Förderung für hörbehinderte Kinder (904 d.B.)

7. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 1168/A(E) der Abgeordneten Mag. Helene Jarmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aner­kennung von Taubblindheit als eigenständige Art der Behinderung (905 d.B.)

 



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Präsident Fritz Neugebauer: Wir kommen nun zu den Punkten 5 bis 7 der Tages­ordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Hofer. – Bitte, Herr Kollege.

 


14.02.10

Abgeordneter Ing. Norbert Hofer (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich mich sehr dafür bedanken, dass es hier im Hohen Haus möglich war, gemeinsam einen Antrag zur Anerkennung von Taubblind­heit einzubringen und heute auch zu beschließen, denn ich glaube, dass man damit schon sehr deutlich klarmacht, dass Menschen, die taubblind sind, nicht einfach blind und taub sind, sondern dass das eine völlig eigenständige Form der Behinderung ist, die auch sehr, sehr große Herausforderungen mit sich bringt. (Präsident Dr. Graf übernimmt den Vorsitz.)

Ich habe vor einiger Zeit, als ich unseren Antrag zum ersten Mal präsentiert habe, auch die sogenannte „Lorm-Hand“ gezeigt, also wie sich diese Menschen durch Druck auf Fingerspitzen und so weiter verständigen. Es ist wirklich eine große Herausforderung, damit in Kommunikation zu treten.

Wenn man sich jetzt die Anträge ansieht, die wir heute diskutieren, so ist zu erkennen, dass unser Budget unter Druck geraten ist, dass deswegen der Sozialstaat unter Druck geraten ist. Wir haben uns nämlich verpflichtet, Banken, die in Schwierigkeiten geraten sind, zu helfen – das war zum damaligen Zeitpunkt auch notwendig –, und wir haben uns auch verpflichtet, in Richtung Griechenland enorme Hilfeleistungen zu senden, wobei die Meinungen darüber, ob das notwendig ist oder nicht, weit auseinander­gehen – ich erinnere an die hohen Militärausgaben Griechenlands –, aber wir fragen uns schon, warum diese Anträge betreffend Gebärdensprachkurs für Eltern hörbe­hinderter Kinder oder die audiopädagogische Förderung für hörbehinderte Kinder nicht von der öffentlichen Hand unterstützt werden. Ich bin davon überzeugt, dass auch dafür finanzielle Mittel vorhanden wären, vor allem deshalb, weil sich die Ausgaben dafür wirklich in Grenzen halten.

Wenn man jetzt im Rahmen der Spardebatte – und da hat der Sozialminister natürlich im Rahmen seiner Verhandlungen mit dem Finanzminister eine besondere Verant­wortung – vor allem bei den Sozialausgaben spart, dann muss man sehr darauf achten, dass man nicht bei behinderten Menschen spart. Damit spreche ich ganz besonders das Pflegegeld an. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Bundesminister, Sie haben, als Behindertenorganisationen vor einiger Zeit begonnen haben, Unterschriften zu sammeln, als Reaktion darauf gesagt, Sie halten am siebenstufigen System in Österreich fest, es werde keine Änderungen geben. Zu diesem Zeitpunkt war bereits für jene, die sich mit der Sprache der Politik auseinan­dersetzen, klar, dass das bedeutet, dass die sieben Stufen bleiben, aber dass es innerhalb dieser sieben Stufen zu Veränderungen kommen wird.

Sie haben es dann auch angekündigt: Es wird schwieriger werden, die Stufe 1 und die Stufe 2 zu erreichen. Wir haben auch im Ausschuss darüber diskutiert. Sie haben dort die Ausgaben, die für Langzeitpflege in Österreich getätigt werden, angeführt und auch gesagt, dass viele Menschen, die Pflegegeld erhalten, diese Leistungen innerhalb der Familie weitergeben, dass also nicht kontrollierbar ist, ob diese Leistungen tatsächlich für die Pflege und für die Betreuung verwendet werden, weil hier keine mobilen Dienste, keine professionellen Dienste in Anspruch genommen werden.

Ich glaube, dass diese Argumentation ein Trugschluss ist, weil das Pflegegeld ja dafür gedacht war, dass es Selbstbestimmung gibt bei den pflegebedürftigen Menschen und


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dass man jene Angehörigen, die Unglaubliches leisten, auch ein bisschen finanziell entlastet. 80 Prozent der Pflegeleistungen, meine Damen und Herren, werden in Österreich von Angehörigen erbracht, und wiederum 80 Prozent dieser Angehörigen sind Frauen. Wenn man also im Bereich des Pflegegeldes spart, dann trifft man damit vor allem Frauen. (Beifall bei der FPÖ.)

Jetzt weiß ich schon, dass es Bestrebungen gibt, wo man sagt: Es müssen endlich auch mehr Männer in diesem Bereich aktiv werden!, aber es gibt einen Grund dafür, dass dem nicht so ist. Frau Kollegin Wurm und ich haben im vorletzten Ausschuss kurz darüber gesprochen, wo Sie dann scherzhaft gemeint hat, sie hätte eine Lösung, nämlich, es sollten halt die Frauen einfach jüngere Männer heiraten, dann würde das besser funktionieren.

Das ist richtig, das wäre der einzige Weg. In der Regel ist die Lebenserwartung von Frauen höher, Männer sterben früher, werden früher pflegebedürftig, und es sind oft die Frauen, die sich dann aufopfern und ihren Männern, mit denen sie ihr Leben verbracht haben, in den letzten Jahren helfen und darauf schauen, dass diese gepflegt werden. Dafür auch herzlichen Dank an die Frauen, die diese schwierige Arbeit in Österreich leisten. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Es kommt auch immer wieder das Argument, dass es beim Pflegegeldbezug Missbrauch gibt. Ja, das gibt es, jedoch den Missbrauch als Grund herzunehmen, so wie das in Wien der Fall war, und zu sagen: Wir möchten gerne Sachleistungen um­setzen, statt Pflegegeld auszuzahlen!, das ist aus meiner Sicht nicht der richtige Weg. Das ist auch eine Ausrede, weil schon jetzt das Gesetz vorsieht, dass, wenn es zu Verwahrlosung kommt – und das kann ich kontrollieren –, statt Pflegegeld Sachleis­tungen bezahlt werden. Das heißt, hier das Pferd von hinten aufzuzäumen und zu sagen: Ich zahle lieber Sachleistungen, damit es nicht zu Missbrauch kommt!, ist sicherl­ich der falsche Weg.

Herr Bundesminister, unser großes Anliegen ist, dass Sie im Rahmen der Budgetver­hand­lungen – ich weiß, die „Beichtstuhlgespräche“ haben schon stattgefunden – alles daransetzen, dass es nicht zu diesen Einschränkungen beim Zugang zum Pflegegeld kommt.

Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ing. Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Hände weg vom Pflegegeld!“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, wird aufgefordert, von neuen Einschränkungen beim Pflegegeld abzusehen und eine Inflationsanpassung des Pflegegeldes in die Wege zu leiten.“

*****

Herr Bundesminister, ich hoffe, dass Sie sich sehr, sehr intensiv für dieses Anliegen einsetzen. Viele Menschen in Österreich haben Verständnis dafür, dass gespart werden muss, man hat aber kein Verständnis dafür, wenn man ausgerechnet bei jenen spart, die sich absolut nicht wehren können. (Beifall bei der FPÖ.)

14.08



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll81. Sitzung / Seite 97

Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ing. Hofer und weiterer Abgeordneter betreffend „Hände weg vom Pflegegeld!“

eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 7, Bericht des Aus­schusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 1168/A(E) der Abgeordneten Mag. Helene Jarmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Anerkennung von Taubblindheit als eigenständige Art der Behinderung (905 d.B.) in der 81. Sitzung des Nationalrates, XXIV. GP, am 21. Oktober 2010.

Behinderung ist eine Armutsfalle. Menschen mit Behinderung sind daher in hohem Ausmaß von Pflegegeld abhängig. Es ist daher dringend erforderlich, wie in anderen Lebensbereichen auch, Leistungen für behinderte Menschen der Inflation anzupassen. Auch taubblinde Menschen sind von realen Kürzungen aufgrund fehlender Wertanpas­sung betroffen. Bestrebungen, den Zugang zum Pflegegeld zu erschweren, sind unsozial und treffen jene Menschen, die sich am wenigsten wehren können.

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigenden Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschliessen:

„Die Bundesregierung insbesondere der BM für Arbeit, Soziales und Konsumen­tenschutz wird aufgefordert, von neuen Einschränkungen beim Pflegegeld abzusehen und eine Inflationsanpassung des Pflegegeldes in die Wege zu leiten.“

*****

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Spindelberger. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.08.27

Abgeordneter Erwin Spindelberger (SPÖ): Kollege Hofer, auch ich bin froh, dass es diesen Fünf-Parteien-Antrag betreffend Taubblindheit gibt und dass diese anerkannte Krankheit nun auch durch den Eintrag im Behindertenpass ihren Niederschlag findet.

Ich bin auch stolz darauf, dass im heurigen Jahr bereits vier Gesetze, die Menschen mit Handicap betreffen, einstimmig im Hohen Haus verabschiedet wurden. Ich sage es ganz offen: Ich würde mir diese Vorgangsweise viel, viel öfter wünschen, nämlich dass man an Problemstellungen gemeinsam herangeht.

Aber ich muss auch auf den gestrigen Tag ein bisschen zurückblicken, als die Debatte, wo es um das Budget gegangen ist, ganz anders verlaufen ist, nämlich gar nicht harmonisch. Da waren viele von den ÖVP-Abgeordneten – das muss ich ganz ehrlich sagen – darauf ausgerichtet, den eingeschlagenen Weg einer sozialen Budgetkon­solidierung zu verlassen, bevor er überhaupt beschritten wurde. (Abg. Steibl: Aber auch seitens der SPÖ!)

Wenn ich nur an jene Wortmeldung denke – ich kann ja vieles unterschreiben –, als Kollege Kopf gestern gesagt hat, dass wir in Österreich ein beeindruckendes Wohl­


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll81. Sitzung / Seite 98

stands­niveau haben und dass wir jetzt darangehen sollten, die Weichen für die Zukunft zu stellen. (Abg. Steibl: Da seid aber ihr auch eingeladen als Regierungspartner, Herr Kollege!) Das stimmt ja alles, aber was mich dann wirklich geärgert hat, war, dass sogar vom Sozialsprecher der ÖVP eine „Privilegiendiskussion“ vom Zaun gebrochen wurde, bei der auf einmal gesagt wird, es könne nicht mehr sein, dass jemand, der 45 Jahre lang gehackelt hat, dann mit 60 in Pension geht, weil er sich das nicht verdiene. (Abg. Steibl: Sie halten die falsche Rede, Herr Kollege! – Zwischenrufe der Abgeordneten Mag. Hakl und Mag. Molterer.)

Zu meiner großen Überraschung hat heute Kollegin Haubner als ehemalige Sozial­minis­terin durch ständiges Verbreiten von Unwahrheiten Neid geschürt, indem sie gesagt hat, die Eisenbahnerpensionen seien ein Privileg. (Zwischenrufe der Abgeord­neten Grosz und Ing. Westenthaler.)

Viele von euch müssen ja wissen, dass alle, die nach dem 1. Jänner 1995 bei den ÖBB zu arbeiten begonnen haben, gleich behandelt werden wie alle anderen ASVG-Versicherten, und dass bei allen, die nach diesem Datum eingetreten sind, das Pensionsantrittsalter auf 61,5 Jahre angehoben wurde. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Mag. Hakl.)

Wenn von Staatssekretär Lopatka fast täglich die Pensionen der Eisenbahner – die 1 400 € monatlich betragen! – in den Mittelpunkt seiner Aussagen gerückt werden (Zwischenrufe bei der ÖVP), dann frage ich mich, wie er, der ehemalige Herr Staatssekretär, seine Politikerpension rechtfertigt, die das Dreifache der eines Eisen­bahners beträgt.

Hören Sie jetzt endlich einmal auf, meine Damen und Herren von der ÖVP – ich sage das auch ganz offen –, ständig zu monieren, die Leistungsträger dürfen bei der Budget­debatte nicht zum Handkuss kommen, um damit nur diejenigen zu schützen, die Millionen durch Aktienspekulationen verdienen!

Wir von der SPÖ sagen ganz klar: Auch diese sollten künftig endlich einmal ihren Bei­trag zur Budgetkonsolidierung leisten! Vielleicht stellen Sie sich in diesem Zusam­men­hang einmal die Frage – auch Herr Stummvoll redet immer von Leistungsträgern –, wer mehr Leistungen erbringt: der Hackler, der acht Stunden am Tag am Hochofen steht (Zwischenruf bei der ÖVP), Tag und Nacht schuftet und 43 Prozent seines Einkommens an Abgaben und Steuern leistet, oder der, der Millionen abzockt und das in die eigene Hosentasche steckt? (Beifall bei der SPÖ.)

Ich rufe Sie auf, am Wochenende darüber nachzudenken, gemeinsam an eine Budgeterstellung heranzugehen, die sozial ausgewogen ist. (Beifall bei der SPÖ. – Bravoruf des Abg. Heinzl.)

14.11


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Öllinger. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.11.56

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es stimmt ja fast alles, was Kollege Spindelberger gesagt hat. Ich würde dem bedingungs­los zustimmen, das Problem ist allerdings: Es ist eigentlich der falsche Zeitpunkt, zu dem wir das diskutieren. Wir diskutieren jetzt notwendige und richtige Änderungen.

Trotzdem noch eine abschließende Bemerkung: Der Punkt – da hat Kollege Spindel­berger völlig Recht – sind nicht jetzt die ÖBB-Bediensteten, der Punkt ist auch nicht die sogenannte Hacklerpension, wobei mich nur verblüfft, Kollege Wöginger, wie schnell das bei dir gegangen ist beziehungsweise beim ÖAAB, weil ich jene Wortmeldungen noch gut im Ohr habe, in denen sich der ÖAAB als jene Fraktion gebrüstet hat, die


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unter keinen Umständen irgendeine Änderung bei der Langzeitversichertenregelung wollte ... (Abg. Wöginger: Nein! Nein! Nein!) – Selbstverständlich! Lieber Kollege Wögin­ger, ich kann dir diese Wortmeldungen beibringen. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

Und das ist noch immer nicht der Punkt, über den wir diskutieren sollten. (Zwischenruf der Abg. Mag. Hakl.) Wir sollten darüber diskutieren.

Klar ist, dass wir Änderungen bei der Langzeitversichertenregelung brauchen. Aber eines muss auch klar sein, nämlich, dass ein Beschluss, den wir gemeinsam im Hohen Haus gefasst haben, wo hoffentlich jeder, der das mit verhandelt hat, im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte war, nicht einfach von einem Jahr aufs andere Jahr ändern können. (Abg. Wöginger: Doch! – Abg. Mag. Hakl: Doch!)

Aber Änderungen bei der Langzeitversichertenpension sind notwendig, das wissen Sie alle, weil schon allein das unterschiedliche Pensionsalter für Männer und Frauen, das in der Langzeitversichertenpension noch enthalten ist, in Zukunft so nicht haltbar sein wird. Deshalb wäre es gescheiter, heute darüber zu reden statt morgen oder über­morgen – aber nicht mit dem Beiton, den Sie da in die Debatte einbringen! Das stört mich daran, nämlich, dass jetzt als Beiton in jeder sozialpolitischen Debatte vorkommt: Der überbordende Sozialstaat, mit dem müssen wir aufräumen! (Zwischenruf der Abg. Mag. Hakl), und dass das mit der Budgetsanierung begründet wird, aber das ein grundsätzlicher Angriff auf den Sozialstaat und auf bestimmte wohlfahrtsstaatliche Einrichtungen ist.

Damit bin ich bei dem Punkt, den auch Kollege Hofer angesprochen hat, obwohl ich anders beginnen wollte, und sage: Ja, wenn der Herr Bundesminister oder die Bundes­regierung tatsächlich die Kürzungen im Bereich Pflegegeld beabsichtigt, die Sie ja schon gemeinsam beschlossen haben – jeder weiß, dass die 70 Millionen Euro im Jahr 2011 nicht durch kleine Maßnahmen erzielbar sind –, dann kann das nur pas­sieren, indem es zu massiven Einschnitten im Bereich des Pflegegeldes kommt; überhaupt keine Frage.

Wir wissen, was die Pflegestufe 1 kostet, und wir wissen, was die Pflegestufe 2 kostet. Ich denke, Sie werden nicht daran denken, in den höheren Pflegestufen noch irgend­etwas einzusparen.

Nur: In der Pflegestufe 1 und in der Pflegestufe 2 sind die Einschnitte, wenn sie mit den rund 70 Millionen € für das Jahr 2011 so kommen, bereits sehr massiv. Wir sind absolut dagegen!

Wir können über vieles diskutieren, aber ganz sicher nicht darüber, 70 Millionen € beim Pflegegeld einzusparen. Und warum nicht? – Weil Sie alle – alle Fraktionen! – genauso wie wir wissen: Wir brauchen mehr Mittel im Bereich Pflege! Also wie soll es denn gehen, dass wir zu mehr Mitteln im Bereich Pflege kommen, wenn der erste Schritt der ist, dass wir gleich einmal im Bereich Pflege runterkürzen?!

Wie sollen die Leute denn dann zurechtkommen?! Und ausgerechnet die sich immer selbst als Familienpartei bezeichnende ÖVP – das gebe ich gerade Ihnen von der ÖVP zu bedenken –, ausgerechnet die Familienpartei ÖVP will bei den im familien­nahen Bereich erbrachten Leistungen ganz offensichtlich mit einsparen.

Ich weiß nicht genau, welche Änderungen Sie beabsichtigen, aber es ist genau in dem Spektrum, das Kollege Hofer charakterisiert hat: Betreuungen in den Pflegestufen 1 und 2, die zu 80 Prozent im familiennahen Bereich erbracht werden. Da wollen Sie sparen? – Nein, danke! Mit uns ganz sicher nicht! (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Ing. Hofer.)


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Jetzt zu dem, was mir das Einzige ist, das mir Freude macht, obwohl es auch traurig ist, weil ich Kollegin Jarmer dabei ersetzen muss. Ich muss sie entschuldigen, weil sie wirklich schwer krank ist. Sie freut sich natürlich riesig darüber, dass es einen gemeinsamen Antrag gibt, was die Taubblindheit, das Lormen betrifft. Ja, darüber sind wir sehr froh!

Ich habe diesen Handschuh jetzt mit, kann ihn auch anziehen, aber das ist eigentlich nicht der Punkt, sondern der Punkt ist der, dass ich gleich zum Antrag des Kollegen Hofer komme, der ja auch die Gebärdensprachkurse und ähnliche Unterstützungen betrifft. (Der Redner hält einen weißen Lorm-Handschuh, der zur Verständigung mit taubblinden Menschen dient, in die Höhe und zieht diesen über seine rechte Hand. Auf diesem Handschuh sind schwarze Buchstaben, Punkte und Striche gezeichnet. Durch Striche und Klopfen auf Finger und Hand werden die einzelnen Buchstaben des Alphabets übermittelt.)

So kann man beim Lormen für taubblinde Menschen mit dem Zeigen beziehungsweise mit dem Ertasten von Bewegungen das Alphabet erlernen. Es ist nicht einfach zu erlernen, überhaupt keine Frage.

Ich zeige es Ihnen nur deshalb, weil die Menschen, die diese Sprache mitlernen sollen, die ja nicht nur Taubblinde sind, auch dafür Zeit brauchen. Unabhängig davon, ob man das in einer Variante macht, wie es Kollege Hofer vorgeschlagen hat – den kosten­losen Kurs –, oder ob man den Eltern irgendeine Form von Freistellung gibt, damit sie das miterlernen können, sollte man das diskutieren.

Ich glaube, es braucht so etwas wie das schwedische Modell: Zwei Wochen Frei­stellung, intensives Lernen dieses Lormens, damit die Leute die Möglichkeit haben, das auch tatsächlich für ihre Kinder oder für ihre Angehörigen mitzulernen.

Egal, was es ist, ob es dieser Vorschlag ist oder ein anderer, vielleicht fällt Ihnen ein besserer ein, wir hätten gerne darüber diskutiert und nicht diesen Vorschlag – auch wenn er von der FPÖ ist – einfach negativ behandelt und ihn sozusagen durchgewun­ken.

Da sei Ihnen gesagt: Da brauchen wir eine andere Kultur! – auch und gerade im Sozialausschuss und auch und gerade in den nächsten Wochen. (Beifall bei Grünen und FPÖ sowie des Abg. Mag. Johann Maier.)

14.18


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Steibl. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.18.38

Abgeordnete Ridi Maria Steibl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Eingangs zu Herrn Kollegen Hofer, der von den Pflegestufen gesprochen hat: Ja, es ist eine wichtige Thematik, aber Sie haben eines vergessen, Sie haben nicht über den Pflegefonds gesprochen. Wir sind der Meinung, dass raschest ein Pflegefonds eingerichtet gehört.

Herr Kollege Öllinger, wir von der ÖVP bekennen uns zur Hacklerregelung. Das haben wir immer zu diesem Beschluss gesagt. Nur: Die Anrechnung der Gratiszeiten war ein Fehler, und darüber muss man, glaube ich, diskutieren.

Drei Anträge diskutieren wir an dieser Stelle unter einem. Es wurde schon gesagt, sie alle betreffen Gehörlosigkeit, Hörbehinderung beziehungsweise die Taubblindheit.

Das Leben mit einer Behinderung muss sehr, sehr schwierig und auch beschwerlich sein. Ich kenne es nur aus den Vorsprachen, aus dem alltäglichen Arbeiten. Wir im Nationalrat haben tatsächlich die Aufgabe, als Politiker das Bestmögliche zu tun und zu


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll81. Sitzung / Seite 101

unterstützen. Wir haben das zumindest mit diesem einen gemeinsamen Antrag ge­zeigt.

Zwei weitere Anträge, in denen es bekanntlich inhaltlich um die audiopädagogische Förderung für hörbehinderte Kinder und um die Gebärdensprachkurse geht, werden wir ablehnen, weil das einfach ganz klar in die Kompetenz der Bundesländer fällt. Das muss man auch sagen.

Kollegin Königsberger-Ludwig gebe ich recht, wenn sie im Ausschuss zu bedenken gegeben hat, dass es teilweise dringenden Handlungsbedarf gibt, wenn Eltern von chronisch kranken behinderten Kindern von einer Förderstelle zur anderen laufen müssen. Das ist faktisch ein Spießrutenlauf. Sie werden einfach herumgeschickt, die Eltern sind wirklich oft an der Grenze des Machbaren. Hier haben wir auch einen Auftrag, formale Dinge so einfach wie möglich zu machen. Ebendieser eine Antrag könnte ein Signal sein, das auch in diese Richtung geht, für ein gemeinsames Vorgehen in diese Richtung; da bin ich bei Ihnen, Herr Kollege Öllinger.

Ich möchte an dieser Stelle auch ein Danke aussprechen an alle Bereichs­sprecher/in­nen für Menschen mit Behinderung in unseren Parteien, die immer wieder sagen und aufzeigen – insbesondere auch mein Kollege –, wo es genau hinzuschauen gilt.

Zusammenfassend: Dieser heutige gemeinsame Beschluss ist ein kleines Mosaik­steinchen, das positiv ist. Ich bin davon überzeugt, dass wir nach den Budgetver­handlungen wieder alle mehr gemeinsam vorgehen können, etwas normaler reden können und uns nicht gegenseitig sozusagen irgendwelche Steine oder Brocken an den Kopf werfen.

In diesem Sinne: Danke, dass wir einmal gemeinsam etwas zuwege bringen! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

14.21


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Bundesminis­ter Hundstorfer zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


14.21.49

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich werde jetzt nicht der Versuchung erliegen, dass ich Ihnen, wie Sie hier gemeint haben, sage, was wir vorhaben, weil das ja noch nicht fertig ist. Aber nehmen Sie zwei Botschaften mit: Es kann auch sein, dass Pflegestufen erhöht werden, weil das ebenfalls ein Teil eines intelligenten Sparens ist. – Das ist einmal Punkt eins.

Punkt zwei kann auch etwas sein, und da kann ich nur Sie alle gemeinsam zum Mitdenken einladen. Wir, die Länder und der Bund, geben jährlich 2,2 Milliarden € für Pflegegeld aus, was sinnvoll, toll und super ist. 1,5 Milliarden € kommen nicht mehr retour. 700 Millionen € kommen in Form der Mitfinanzierung von Sachleistung wie­derum in das Zusatzsystem der Sachleistung gemeinsam hinein.

Wir haben 1,5 Milliarden €, die bei den Familien bleiben. Viele dieser Personen, 58 Pro­zent der Betroffenen, nehmen keine mobilen Dienste in Anspruch. 58 Prozent – ein Teil dieser 58 Prozent wird natürlich von Angehörigen betreut, gar keine Frage. Aber warum habe ich dieses Beispiel gebracht? – Ich glaube, was wir zukünftig im System brauchen, muss sachleistungsorientierter sein, weil nur die Gießkanne ein paar Bedingungen nicht erfüllen wird. Dass nämlich dort, wo uns die Sachleistung in der Finanzierung davonläuft, das Pflegegeld mitgeht, das wird nicht funktionieren, weil man dann das Pflegegeld überproportional erhöhen müsste. Die 58 Prozent, die keine Leistung in Anspruch nehmen, hätten dann zwar mehr Geld, gar keine Frage, aber ob das der sinnvolle, richtige Weg ist, gestatte ich mir zu diskutieren.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll81. Sitzung / Seite 102

Das ist die Zukunftsdiskussion, um die es geht, und darum ist die Zukunftsdiskussion, wie dieser Pflegefonds ausschauen soll, eine so wesentliche, wichtige, denn nur das Pflegegeld zu erhöhen, ist zwar nett für alle Betroffenen, gar keine Frage, aber der Zusatzaufwand, den wir bei den Sachleistungen haben und der überproportional steigt, weil da eben die Gemeinden schlichtweg gar nicht mehr mitkommen – ob sie wollen oder nicht, da ja eine Pflegestufe 7 anders zu betreuen ist, eine Pflegestufe 6 anders zu betreuen ist –, betreffend diesen überproportionalen Steigerungsfaktor ist die Frage, ob man nicht den Fonds primär in Sachleistungsorientierung gibt und nicht nur eine Erhöhung des Pflegegeldes vornimmt. Das möchte ich hier nur dazusagen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Molterer: Alte Debatte!)

Alte Debatte, Hunderte Male bereits geführt ... (Abg. Mag. Molterer: Aber wir trauen es den Menschen zu, über das Geld selbst zu verfügen!) Ja, lieber Willi Molterer, natürlich ist das Selbstbestimmungsrecht der Menschen im Vordergrund stehend. Nur, wenn wir auch wissen, dass 58 Prozent keinerlei Sachleistung damit einkaufen und die 42 Prozent, die Sachleistung brauchen, natürlich stärker steigen – das meine ich damit: Wir kommen mit dem Pflegegeld gar nicht mehr mit. Das ist da die Logik, die dahintersteht. (Abg. Mag. Karin Hakl: ... in Würde alt werden!)

Aber zu den Anträgen selbst: Keine Frage, es wurde von der Frau Abgeordneten schon erwähnt. (Zwischenruf des Abg. Dr. Jarolim.) Herr Ing. Hofer, ich bin natürlich für die Schulung von Eltern gehörloser Kinder, das ist überhaupt nicht mein Thema. Nur haben wir in dem Land ein bisschen ein Kompetenzproblem: Das ist Landes­angelegenheit, und da sind wirklich die Länder gefordert. Ich weiß, dass das ein toller Antrag ist, ein super Antrag ist, aber da sind die Länder gefordert.

Bezüglich der Taubblindheit: Was wir dazu beitragen können – dass die Anerkennung noch exakter erfolgt –, das wird geschehen. Das wissen Sie, dieser Antrag ist ja da­durch auch einstimmig, das wird geschehen. Aber ich möchte schon bitten und ersuchen, bei diesem Gesamtkomplex auch ein bisschen zu schauen: Wo haben wir Länderkompetenzen und wo haben wir Bundeskompetenzen? (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.26


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dolinschek. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


14.26.22

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (BZÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, Herr Bundesminister, so ist es: Das eine ist in Landeskompetenz, das andere ist in Bundeskompetenz. Es ist keine Frage, dass ich die beiden Anträge des Kollegen Hofer unterstützenswert finde – das habe ich auch im Ausschuss getan –, weil es ganz einfach nicht so sein kann. Jetzt ist das zwar eine Länderkompetenz, aber gerade in diesen Bereichen wäre es sinnvoll, wenn das österreichweit gleich geregelt wäre. Es wäre auch möglich – mit einer 15a-Vereinbarung –, dass man das macht.

Die Gebärdensprache ist für gehörlose Menschen ein unverzichtbares Mittel der Kom­munikation. Das ist so, vor allem auch schon in der Schulbildung bei Kindern. Da ist es aber auch notwendig, dass die Eltern gehörloser Kinder die Gebärdensprache perfekt beherrschen, damit sie den Kindern bei ihren Aufgaben sowohl in der Schule als auch im Alltag behilflich sein können, dass sie das fehlerfrei können und damit sie auch ihre Arbeiten bewerkstelligen können. Es ist aber in Österreich sehr schwierig, es gibt kaum Frühförderungen, es ist ein beträchtlicher Aufwand finanzieller Natur und auch zeit­licher Natur, die Gebärdensprache zu erlernen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll81. Sitzung / Seite 103

Wenn ich daran denke, dass es in anderen Ländern Förderungen gibt, mit denen die Eltern genauso wie die Kinder dabei unterstützt werden, so sollten wir in Österreich denselben Weg gehen. Im Endeffekt sagen wir ja alle, dass die Prävention billiger kommt als die Rehabilitation und so weiter. Je besser die Kinder in der Schule mitkom­men, je besser sie ausgebildet sind, desto besser können sie sich auch später selbst erhalten und ein selbstbestimmtes Leben führen. Das gilt für die Gebärdensprache, das gilt genauso für die vielen schwerhörigen Menschen; es sind ja eineinhalb Millio­nen in Österreich, die schwerhörig sind. Dass man diese Förderungs- und Bil­dungs­maßnahmen für behinderte Kinder genauso wie für ihre Eltern und die Angehörigen verbessert, sind wichtige und notwendige Schritte, die wir setzen sollten.

Was die Taubblindheit betrifft, muss ich eines sagen: Ich bin froh, dass wir hier einen gemeinsamen Antrag zusammengebracht haben, auch im Ausschuss, und dass es da eine Fünf-Parteien-Einigung gibt, denn Taubblindheit ist bisher in Österreich keine eigenständige Art der Behinderung und als solche nicht anerkannt. Das Ganze sollte meiner Ansicht nach gleich anerkannt werden wie zum Beispiel in Dänemark, wo die Taubblindheit offiziell anerkannt worden ist.

Geschätzte Damen und Herren! Ich glaube, den Menschen mit Behinderung und deren Angehörigen, auch deren Kindern muss bestmöglich geholfen werden. Wir sollten alles daransetzen, dass ihnen geholfen wird, damit sie in Zukunft auch ein selbstbestimmtes Leben führen können und wir ihnen das ermöglichen. – Das ist einmal das eine. Das andere: Herr Kollege Hofer und Herr Spindelberger, Sie haben mit Ihren Debatten­bei­trä­gen sozusagen eine vorgezogene Budgetdebatte in diesem Bereich eingeleitet. Herr Bundesminister, wir werden sehen, was bei Ihrer Klausur herauskommen wird und was uns in Zukunft erwartet.

Nur muss ich auch eines zu der ganzen Diskussion über die Pensionen sagen. Wenn ein paar nicht rechnen können und ständig die Hacklerregelung dafür verantwortlich machen, dass die Leute mit 58 oder 57 Jahren in Pension gehen, so muss ich Folgen­des sagen: Wenn ein Mann das erst mit 60 Jahren oder 45 Beitragsjahren erreichen kann, dann kann er das nicht vor 60, und das neunte Schuljahr betrifft die 1952 Gebo­re­nen, also wird es dort praktisch überhaupt niemanden mehr geben, der vor 60,5 Jah­ren in die Hacklerregelung kommen kann.

Die Begleiterscheinungen dazu sind die anderen Dinge – wo es Privilegien und so weiter gibt. Da können Sie die österreichische Bevölkerung quer durch fragen: Privile­gien gehören abgebaut, die Altpolitikerrechte (Beifall beim BZÖ) genauso wie die Privilegien im Bereich der Oesterreichischen Nationalbank, bei den Österreichischen Bundesbahnen, in den Ländern und so weiter und so fort.

Eines auch noch, Herr Bundesminister: Sie wissen, wie hoch der Bundeszuschuss zur staatlichen Pensionsvorsorge ist. Im unselbständigen Bereich, beim ASVG, ist er bei zirka 13 Prozent, bei den Selbständigen ist er bei 34 Prozent, bei den Bauern bei 81 Prozent und bei den Beamten bei über 90 Prozent. Das ist nun einmal so, gleichen wir das dort einmal an. Wie ist das jetzt? – Arbeitgeberbeiträge, Arbeitnehmerbeiträge und Bundeszuschuss jeweils zu einem Drittel, so ist das Umlageverfahren aufgebaut worden. Setzen wir zuerst einmal dort den Stift an, aber nicht bei der Allgemeinheit, die das österreichische System aufrechterhält. Man sollte nicht bei den Falschen sparen! (Beifall beim BZÖ.)

14.31


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hell. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll81. Sitzung / Seite 104

14.31.06

Abgeordneter Johann Hell (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Von meinen Vorrednern ist zu den Tagesordnungs­punkten 5 und 6 schon einiges ausgeführt worden. Auch ich finde in den Anliegen, die hinter diesen Entschließungsanträgen stehen, sehr viele positive Punkte, und ich kann die Argumentationen, die hier angeführt werden, zu 100 Prozent unterstützen.

Der Herr Bundesminister hat es bereits angesprochen und auch im Ausschuss wurde darüber diskutiert: Wir haben ein Problem mit der Zuständigkeit. So leid es mir tut, dass wir hier nicht eine bundeseinheitliche Regelung finden können: Es sind nach der jetzigen Gesetzgebung die Länder für die Umsetzung der angeführten Punkte zustän­dig.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Menschen mit Behinderungen haben im beruflichen und im privaten Alltag ganz andere Voraussetzungen als nicht behinderte Menschen. Das sind Anliegen, die wir draußen bei unseren Sprechtagen sehr oft zu hören bekommen. Ich darf hier vielleicht erwähnen, dass es in Österreich rund 10 000 Menschen gibt, die gehörlos sind. Gerade diese Menschen haben in vielen Bereichen noch viel größere Probleme als Menschen mit anderen Behinderungen.

Dieses Haus hat in vielen Gesetzen bereits Vorsorge getroffen, dass es zu keiner Diskriminierung kommt. Österreich hat, wie viele Staaten der Welt, die Konvention der Vereinten Nationen über die Rechte der Menschen mit Behinderungen unterzeichnet, und wir haben uns verpflichtet, dies in nationales Recht umzusetzen. Sehr viele Gesetze wurden hier, wie gesagt, schon für diese Personengruppe beschlossen.

Ich möchte noch kurz auf die Barrierefreiheit zu sprechen kommen. Barrierefreiheit bedeutet, Gegenstände, Medien und Einrichtungen so zu gestalten, dass sie von jedem Menschen ohne Einschränkung genutzt werden können, auch von Menschen mit einer Behinderung oder einer Einschränkung. Ich darf mich in diesem Zusam­men­hang ganz besonders bei Kollegin Jarmer und ihrem Team für den Einsatz und die Bemühungen bedanken, die wesentlich dazu beitragen, dass hörbehinderten Men­schen eine gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft und eine selbstbe­stimmte Lebensführung in diesem Land ermöglicht wird. Frau Kollegin, ein herzliches Dankeschön – auch wenn Sie heute nicht anwesend sind.

Meine Damen und Herren, es gibt zum Tagesordnungspunkt 7 einen gemeinsamen Entschließungsantrag. Wir werden diesem Antrag natürlich auch zustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.34


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zweite Wortmeldung des Herrn Abgeordneten Öllinger. 1 Minute freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


14.34.17

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Meine Damen und Herren, ich wollte mich – was sonst selten der Fall ist – ausdrücklich für einige Redebeiträge, aber besonders für den des Herrn Ministers bedanken, weil er im Kern ein sachlicher Debattenbeitrag zum Thema Entwicklung im Pflegebereich war.

Ja, Herr Minister, wir sind bereit, darüber zu diskutieren – aber sicher nicht unter dem Aspekt, dass dann trotz Erhöhungen bei den Pflegestufen das ganze System unter dem Strich um 70 Millionen € weniger kosten darf. Das kann nicht funktionieren, und ich weiß, wie es gehen würde: Man legt einfach auf die Pflegestufen 1 und 2 noch 100 € oder einen ähnlichen Betrag drauf, dann sieht das nach 250 € aus, und jeder denkt sich, bei der Pflegestufe 1 sind es dann um 100 € mehr; gleichzeitig bekommt man dafür nur Sachleistungen.


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Wir alle wissen betreffend den Bereich Sachleistungen, dass über Sachleistungen über professionelle Anbieter nicht die Pflege erbracht wird. Das heißt, egal, welche Variante der Lösung es geben wird: Es geht mit uns sicher keine, mit der das ganze System Pflegegeld unter dem Strich um 70 Millionen € weniger kostet. Das wäre Etiketten­schwin­del – um das klarzumachen.

Wir sind bei allem dabei, wo es im Prinzip darum geht, dass wir in Zukunft eine bes­sere und zusätzliche Professionalisierung in dem Bereich brauchen werden. Gleich­zeitig bin ich aber auch der Meinung, dass wir lange Zeit nicht ohne die im familiären Bereich erbrachten Pflege- und Betreuungsleistungen von Angehörigen auskommen werden. Wir müssen eher darauf achten: Was können wir zusätzlich dazu beitragen, dass sie möglich gemacht werden? (Beifall bei den Grünen.)

14.36


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als vorläufig letzter Redner zu diesem Tages­ordnungspunkt ist Herr Abgeordneter Klikovits zu Wort gemeldet. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


14.36.25

Abgeordneter Oswald Klikovits (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Es wäre jetzt natürlich verlockend, hier eine Pflegedebatte oder überhaupt die Debatte über die Sozialpolitik in diesem Lande zu führen, die, glaube ich, im Großen und Ganzen sehr gut funktioniert, weil wir ja in vielen Bereichen die Beweise führen können. Einer davon ist auch der, dass wir alle bemüht sind, Menschen mit Handicap so zu unterstützen, dass sie entsprechend mit den notwendigen finanziellen Unter­stützungen besser durchs Leben kommen.

So ist jetzt auch von meinen Vorrednern richtigerweise angesprochen worden, dass die Anträge des Kollegen Hofer natürlich ihre Berechtigung haben und eine notwendige Voraussetzung dafür sind, dass Menschen mit Handicap, in dem Fall Gehörlose und Taubblinde, gut geschützt und unterstützt werden und die Möglichkeiten der Unterstüt­zung erhalten. Nur müssen wir eben auch die Kompetenzen einhalten, Herr Kollege Hofer, und daher bin ich so wie meine Vorredner dafür, dass wir das dort belassen, wo es letztendlich hingehört.

Der Fünf-Parteien-Antrag, den wir eingebracht haben und den wir jetzt gemeinsam beschließen werden, ist auch eine gute Voraussetzung dafür, hier für mehr Gerech­tigkeit zu sorgen. Wir haben letztendlich in Österreich 500 000 bis 700 000 Menschen, die nicht normal hören. Das ist eine sehr hohe Zahl, und daher ist auch das Anliegen meiner Ansicht nach durchaus gerechtfertigt.

Hohes Haus! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Es ist heute von Kollegem Spindelberger schon angesprochen worden, der auf den gestrigen Tag abgezielt hat, als es eine heftige Debatte darüber gab. Wenn ich jetzt Kollegen Katzian anschaue, der hier in sehr klassenkämpferischer Manier Sozialpolitik dargestellt hat, und das auch von anderer Seite wieder angesprochen worden ist, so möchte ich schon auch sagen, wir sollten uns ein bisschen in Geduld üben. Wir sollten vor allem unseren Grund­sätzen folgen, die wir ja im normalen Leben haben und auch privat leben, nämlich das zu erwirtschaften, was man dann auch ausgibt, und das ehrlich behandeln.

Ich finde es nicht sehr nett von der SPÖ, dass sie als unser Koalitionspartner sozu­sagen „guter Cop – böser Cop“ spielt. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das wird es nicht geben, bitte nehmen auch Sie Ihre Verantwortung wahr! Wenn wir gemeinsame Spar­ziele haben, dann werden wir sie auch gemeinsam umsetzen. (Beifall bei der ÖVP.)

Das gilt für Sie, und das gilt für uns natürlich gleichermaßen, daher sage ich: Warten wir einmal das Wochenende ab! Wir werden gemeinsam zu guten Lösungen kommen,


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dann werden wir sie gemeinsam vertreten, und wir werden vor die ÖsterreicherInnen hintreten und ihnen sagen: Ja, wir werden ein ordentliches Budget haben, das auch sozial gerecht und fair ist. (Beifall bei der ÖVP.)

14.39

14.39.20

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Ich schließe daher die Debatte.

Wünscht die Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vor­nehme.

Zunächst kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 903 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 904 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Auch das ist mit Mehrheit angenommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 905 der Beilagen angeschlossene Entschließung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen. (E 126.)

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Ing. Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Hände weg vom Pflege­geld!“

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und somit ist der Antrag abgelehnt.

14.41.138. Punkt

Bericht des Ausschusses für Konsumentenschutz über den Antrag 1233/A(E) der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Gabriele Tamandl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Standardisierte Produktinformation (Klipp-und-Klar-Informationen) für alle Versicherungskunden“ (907 d.B.)

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Wir gelangen nun zum 8. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Mag. Maier. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.41.47

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Finanz- und Versiche­rungsprodukte sind wenig transparent und wenig kundenfreundlich. Darauf hat die Europäische Union bereits reagiert und im Kreditbereich entsprechende Informationen für die Letztverbraucher vorgesehen.

Was derzeit noch abgeht, sind kurze, prägnante Informationen im Versicherungs­bereich. Die Arbeiterkammer und der Verein für Konsumenteninformation konnten bei mehreren Erhebungen nachweisen, wie intransparent und undurchsichtig die Allge­


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meinen Geschäftsbedingungen sind. Jeder von Ihnen hat auch Versicherungsverträge. Ich frage Sie alle, haben Sie die Allgemeinen Geschäftsbedingungen gelesen und haben Sie sie auch verstanden? Haben Sie die Risikoausschlüsse mitbekommen? (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: Nein!)

Die wenigsten bekommen diese mit, Kollegin Glawischnig-Piesczek. Auch ich habe es mir nicht leicht gemacht, als ich die Bedingungen studiert habe, aber auch ich konnte nicht alle Risken erkennen. Daher ist es notwendig, dass es standardisierte Infor­mationen gibt, damit nicht nur hoch spezialisierte Juristen die Risken erkennen, sondern auch gewöhnliche Verbraucher.

Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit diesem Antrag gehen wir einen sehr geraden Weg und ersuchen den Bundesminister für Finanzen, auf euro­päischer Ebene für diese standardisierten Produktinformationen einzutreten. Diese Thematik ist natürlich auch im Zusammenhang mit fehlendem Finanzwissen zu sehen, insbesondere bei der jüngeren Generation, die nicht weiß, wie man mit Geld richtig umgeht.

Ich möchte mich in diesem Zusammenhang bei Ihnen, Herr Bundesminister, und bei den Mitarbeitern in der Sektion Konsumentenschutz recht herzlich bedanken. Hier gibt es nämlich eine neue Website. Ich lade Sie alle ein, diese zu besuchen. Hier gibt es das Kapitel Konsumentenbildung und Verbraucherbildung. Das ist gerade für die jüngere Generation absolut notwendig.

Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Abschließend vielleicht noch eine Feststellung. Der Ausschuss für Konsumentenschutz versucht immer, gemeinsam Anträge zu beschließen. Ich darf Ihnen mitteilen, dass unser Antrag, den wir einstim­mig beschlossen haben, betreffend die Verschärfung der Richtlinie bezüglich Kin­derspielzeug jetzt in ähnlicher Form auch im Deutschen Bundestag beschlossen wurde, und dass der österreichische Antrag, den wir gemeinsam beschlossen haben, Gegenstand dieser Debatte war.

In diesem Sinne hoffe ich, dass es uns weiterhin gemeinsam gelingt, im Sinne der österreichischen Konsumentinnen und Konsumenten tätig zu werden. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.45


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Rädler. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.45.09

Abgeordneter Johann Rädler (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Wir haben soeben von Kollegem Maier gehört, wie wichtig diese Klipp-und-Klar-Texte sind. Wahrscheinlich ist es jedem von Ihnen so gegangen wie mir: Man schließt einen Versicherungsvertrag ab, liest dann im Anhang die vier oder fünf Seiten Klein­gedrucktes und ruft wieder den Versicherungsbetreuer an, um das erklärt zu bekom­men.

Ganz anders ist es bei Verbraucherkrediten. Hier gibt es bereits die Lösung: Hier muss dem Kunden ein klarer Informationstext übergeben werden. Mit diesem Ent­schließungsantrag, den wir Gott sei Dank gemeinsam eingebracht haben, erwarten wir auch für Versicherungsverträge eine ähnliche Lösung. Wir wollen auch auf euro­pä­ischer Ebene solche Klipp-und-Klar-Texte durchsetzen.

„Klipp-und-Klar-Text“, das hört sich vielleicht ein bisschen komisch an, aber es geht dabei darum, dass Versicherungsverträgen Infoblätter beigelegt werden, aus denen der Konsument ersehen kann, was in diesem Vertrag die wichtigsten Maßnahmen und was die Hindernisse sind, die der Konsument vielleicht gar nicht abschließen wollte.


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Unter den wichtigsten Maßnahmen ist natürlich immer das Monetäre – die Prä­mienhöhe, was hier die Leistung ausmacht –, weiters sollen aus diesen Klipp-und-Klar-Texten der Leistungsinhalt und die Rechtsverbindlichkeiten, die man mit diesem Vertrag eingeht, hervorgehen.

Eine Untersuchung der Arbeiterkammer hat gezeigt, dass von 17 untersuchten Rechts­schutzverträgen, die abgeschlossen wurden, sieben eigentlich gegen die Interessen desjenigen abgeschlossen wurden, der diesen Vertrag mit dem Versicherungsgeber vereinbart hat: weil nämlich Leistungen betreffend Finanzdienstleistungen, die er wollte, in dieser Rechtsschutzversicherung ausgeschlossen waren. Ich glaube, gerade in einer Zeit der Bankenkrise sind wir alle ein wenig verunsichert und neigen zu Zweifeln, ob die Leistungen, für die wir gezahlt haben, zum Beispiel im Anlegerschutz, dann auch tatsächlich erfolgen können.

Wir erhoffen uns durch diese Initiative, dass das, was in der Bundesrepublik Deutsch­land bereits Recht ist, auch bei uns Recht wird. Daher begrüße ich es, dass hier eine gemeinsame Vorgangsweise gefunden werden konnte.

Weil Frau Abgeordnete Moser gerade gekommen ist – ich habe es Ihnen heute schon unter vier Augen gesagt; Klipp-und-Klar-Text auch für die Grünen zur gestrigen Situation –: Sie haben gemeint, in Niederösterreich werden die Nebenbahnen einge­stellt durch die gewalttätige Art der dortigen ÖVP. – Ich darf Ihnen klipp und klar sagen: Im Jahr 2011, also am 1. Jänner, werden wir in Niederösterreich 28 Nebenbahnen be­ziehungsweise Nebenstrecken übernehmen und sie mit gewaltigem finanziellen Aufwand weiterführen. Das ist die Wahrheit. Das ist Klartext in Niederösterreich! (Zwi­schenrufe bei SPÖ und Grünen.)

Und Herrn Abgeordnetem Van der Bellen, der meint, dass wir mit der blau-gelben Bildungspolitik sehr überheblich unterwegs wären, darf ich sagen: Unser Herr Landes­hauptmann hat hier die Linie klar vorgegeben. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Sie brauchen nicht zu lachen, Herr Abgeordneter Weninger! Ihre Bildungsministerin meint ja, es sei das Nichtziel – man beachte: das Nichtziel! –, dass die kleinen Schulen im ländlichen Raum erhalten bleiben. Dagegen wehren wir uns. Das betrifft in Niederösterreich 317 Volksschulen und 114 Hauptschulen. Da gibt es eben eine andere Sichtweise als die eines Politikers, der in Wien tätig ist, wie Herr Van der Bellen, der sagt: Das sind Probleme, die gar keine sind! – In Niederösterreich sind das welche.

Herr Bundesminister, ich bin Ihnen sehr dankbar dafür, dass Sie auch die Weiter­bildung als Ziel genannt haben, und gesagt haben, dass Bildung eine wichtige Vor­aus­setzung ist. Diese wichtige Voraussetzung für das Leben allgemein und insbe­sondere für das Berufsleben können wir nur in der Form geben, dass wir Kinder nicht zu Pendlern machen. Wenn jemand pendeln soll, dann Lehrer, nicht Kinder! – Danke schön! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Jarolim: Ich habe auch gehört, dass der Herr Landeshauptmann Pröll Nebenbahnen hasst!)

14.49


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Deimek. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.49.36

Abgeordneter Dipl.-Ing. Gerhard Deimek (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Natürlich unterstützen auch wir von der FPÖ diesen Antrag zur standardisierten Produktbeschreibung, weil wir das für ein für die Konsumenten absolut sinnvolles Produkt halten. Und wie Kollege Johann Maier schon angeführt hat, liest praktisch niemand die AGBs. Manche tun es von Berufs


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wegen, ab und zu ich zum Beispiel. Man liest sich die AGBs durch, und nach dem Lesen kommt eigentlich noch zusätzlich das Verstehen.

Mir ist es oft passiert, dass ich, nachdem ich mir das durchgelesen hatte, die Lust verlor, den Vertrag abzuschließen. Oder ich musste über die AGBs noch einmal mit einer Versicherung verhandeln – und genau das gibt es nämlich nicht. Ich kann daher nur sagen: Diese Produktbeschreibung ist absolut sinnvoll!

Zum Antrag der Grünen, das Ganze nicht nur EU-weit, sondern nationalstaatlich zu machen: Ja, ich glaube, ich brauche in diesem Haus niemandem zu erzählen, wie kritisch wir der EU gegenüberstehen. Es wäre auch aus unserer Sicht prinzipiell sehr sinnvoll, aber wir haben gelernt, unter diesen Spielregeln zu arbeiten. Es ist absolut nicht sinnvoll, da etwas zu machen. Das wäre insofern kontraproduktiv, als wir dann entsprechende Wettbewerbsauflagen bekämen.

Kehren wir noch einmal an den Ausgangspunkt zurück: Warum gibt es überhaupt diese Klipp-und-Klar-Informationen? – Das waren diese Finanzprodukte und die wirklich nicht tollen Rechtsschutzversicherungen. Wenn wir jetzt im Bereich der Versicherungen diese Klipp-und-Klar-Informationen haben, dann würde ich mir wünschen, dass wir uns so etwas auch im Bereich der Finanzprodukte einfallen lassen.

Bei den Krediten gibt es ja schon etwas Ähnliches – mit den Bedingungen, aber auch bei den Anlageprodukten. Jetzt könnte jemand hergehen und sagen: Ist ja ganz ein­fach, für die börsennotierten Sachen gibt es ja die Prospektpflicht. – Nur sind wir da genauso weit wie bei den AGBs. Diese Prospekte liest kein Mensch. Es gibt Aus­nahmen von der Prospektpflicht und es gibt eben Produkte, die das Ganze nicht brauchen. Dort würden wir uns das auch wünschen.

Wir werden das so handhaben wie im Ausschuss für Konsumentenschutz üblich: Wir werden mit allen anderen Fraktionen darüber reden, was sie davon halten, und vielleicht einen gemeinsamen Gesetzesantrag formulieren. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

14.52


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Schatz. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.52.16

Abgeordnete Mag. Birgit Schatz (Grüne): Herr Kollege Deimek, ich kann Ihnen sagen, es gibt bereits einen Antrag ... Herr Kollege Deimek! (Abg. Dipl.-Ing. Deimek spricht mit Abg. Podgorschek.) – Er hört mich nicht! Es gibt bereits einen Antrag auf Einführung eines standardisierten Produktinformationsproduktblattes für alle Finanz­pro­dukte. Dieser Antrag stammt von den Grünen und wurde auch schon im Ausschuss behandelt, aber eben vertagt. Das heißt, wenn Sie daran Interesse haben, können wir gerne verhandeln, ob mehr daraus wird.

Da wir – wie gesagt, auch in Form des von uns formulierten Antrags – sehr interessiert sind an standardisierten Informationen für die Konsumenten und Konsumentinnen, gerade in diesen komplexen Bereichen, stimmen wir diesem Antrag natürlich zu, wiewohl ich im Ausschuss bereits angeregt habe, doch auch zu versuchen, bereits vorher auch national zu handeln, bevor uns die EU hierzu etwas vorgibt.

Die Antwort war: Nein, das geht nicht, das ist eben sozusagen das Problem mit den Wettbewerbsregeln. Erstaunlich ist allerdings, dass in der Begründung dieses Fünf-Parteien-Antrages sehr wohl erwähnt wird, dass es eine entsprechende nationale Regelung in Deutschland bereits gibt. Also frage ich mich: Warum können die Deutschen damit anfangen und warum wäre es bei uns eine nicht kompatible Wett­bewerbsverzerrung? Das ist für mich so nicht nachvollziehbar.


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Insofern rege ich doch an, zu versuchen, in Österreich zu beginnen und natürlich den Herrn Minister, in diesem Fall den Herrn Finanzminister, zu bitten, sich auf EU-Ebene für einen entsprechenden Fortschritt einzusetzen.

Ich möchte dazu folgenden Antrag einbringen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Schatz, Kolleginnen und Kollegen

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Antrag 1233/A(E) der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Gabriele Tamandl, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend „Standardisierte Produktinformation (Klipp-und-Klar-Informationen) für alle Versicherungskunden“ (907 d.B.) wird wie folgt geändert:

„Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Finanzen werden ersucht, entsprechende Maßnahmen zu treffen, um Versicherer künftig zu verpflichten, dem Versicherungsnehmer vor Abschluss eines Versicherungsvertrages ein standar­disiertes Produktinformationsblatt auszufolgen. Außerdem wird der Bundesminister für Finanzen ersucht, bei den Verhandlungen der legistischen Maßnahmen auf EU-Ebene zum Vertrieb von Anlageprodukten für Privatkunden darauf hinzuwirken, dass der Versicherer dem Versicherungsnehmer vor Abschluss eines Versicherungsvertrages ein standardisiertes Produktinformationsblatt auszufolgen hat. Diese standardisierte „Klipp-und-Klar“-Information soll den maßgeblichen Inhalt eines Versicherungs­vertra­ges sowie der Versicherungsbedingungen auf einen Blick sichtbar machen (verständliche Beschreibung der versicherten Risiken, Leistungsausschlüsse, wich­tigste Obliegenheiten, Prämienhöhe, Vertragsbeendigung etc.) und damit für mehr Transparenz sorgen.“

*****

Dieser Antrag ergänzt nur den vorgelegten um die Möglichkeit, eben in Österreich den ersten Schritt zu tun. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

14.55


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Der soeben eingebrachte Abänderungsantrag ist aus­reichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Schatz, Kolleginnen und Kollegen

eingebracht im Zuge der Debatte über den Antrag 1233/A(E) der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Gabriele Tamandl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Standardisierte Produktinformation (Klipp-und-Klar-Informationen) für alle Versiche­rungs­kunden“ (907 d.B.)

Antrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Antrag 1233/A(E) der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Gabriele Tamandl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Standardisierte Produktinformation (Klipp-und-Klar-Informationen) für alle Versicherungskunden“ (907 d.B.) wird wie folgt geändert:


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„Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Finanzen werden ersucht, entsprechende Maßnahmen zu treffen, um Versicherer künftig zu verpflichten, dem Versicherungsnehmer vor Abschluss eines Versicherungsvertrages ein standar­disiertes Produktinformationsblatt auszufolgen. Außerdem wird der Bundesminister für Finanzen ersucht, bei den Verhandlungen der legistischen Maßnahmen auf EU-Ebene zum Vertrieb von Anlageprodukten für Privatkunden darauf hinzuwirken, dass der Ver­sicherer dem Versicherungsnehmer vor Abschluss eines Versicherungsvertrages ein standardisiertes Produktinformationsblatt auszufolgen hat. Diese standardisierte „Klipp-und-Klar“-Information soll den maßgeblichen Inhalt eines Versicherungsvertrages sowie der Versicherungsbedingungen auf einen Blick sichtbar machen (verständliche Beschreibung der versicherten Risiken, Leistungsausschlüsse, wichtigste Obliegen­heiten, Prämienhöhe, Vertragsbeendigung etc.) und damit für mehr Transparenz sorgen.“

Begründung

In der dem Bericht beigefügten Entschließung wird der Bundesminister für Finanzen bloß ersucht auf europäischer Ebene auf ein standardisiertes Produktinformationsblatt hinzuwirken. Eine konkrete österreichische Lösung ist allerdings nicht vorgesehen! Wenn im Bericht zu lesen ist, dass in Deutschland ein solches Produktinformationsblatt schon längst üblich sei (verpflichtend gemäß VVG-Informationspflichtenverordnung – VVG-InfoV), so ist aus konsumentInnenschutzpolitischer Sicht festzustellen, dass ein rasches innerstaatliches Vorgehen auch in Österreich sinnvoll wäre. In der Sache unbegründet bleiben hingegen die geäußerten Bedenken, dass eine österreichische Regelung zu Wettbewerbsverzerrungen führen würde. Weder entsteht bei den öster­reichi­schen Versicherungsunternehmen durch die Beilage eines A4-Informationsblattes eine große Kostenbelastung, noch scheint eine klare Informationspolitik gegenüber den KonsumentInnen geeignet, diese an der Kaufentscheidung zu hindern.

*****

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dolinschek. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.55.42

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (BZÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Informationen bei Vertragsab­schluss sowie die Versicherungsbedingungen sind für viele Leute oft zu kompliziert, für die Versicherungskunden schwer durchschaubar, das haben auch alle Vorredner erwähnt. Wir sind einer Meinung, dass es in diesem Bereich standardisierte Informa­tionsbroschüren geben sollte, denn es ist untragbar, wenn jemand den Vertrag, den er abschließt, nicht versteht. Etwa was die Leistungsausschlüsse betrifft, zum Beispiel bei einer Rechtsschutzversicherung: Da ist vielleicht der Privatrechtsschutz nicht dabei, der Kfz-Rechtsschutz sehr wohl, und so weiter.

Deshalb sollten wir uns auf EU-Ebene dafür einsetzen, dass es für den Privatkunden vergleichbare Anlageprodukte gibt, damit man das vergleichen kann. Man sollte das, wie bei den Krediten, auch im Versicherungsbereich machen, damit eben alle Kunden leicht vergleichen können, was die verschiedenen Institute anbieten.

Es ist gut, dass der Finanzminister jetzt mit diesem Antrag aufgefordert wird, sich bei den EU-Verhandlungen zum Vertrieb von Anlageprodukten für Privatkunden dafür einzusetzen, dass das europaweit einheitlich geregelt wird. Das ist in Ordnung, ja. Nur: Ob sich der Finanzminister in Brüssel damit auch durchsetzt, das steht auf einem


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anderen Blatt. Deshalb sollten wir parallel auch dafür sorgen, dass das auf nationaler Ebene geschieht, denn: Wenn es schon auf EU-Ebene nicht passiert, dann sollte man sich wenigstens auf nationaler Ebene etwas für die Konsumentinnen und Konsumen­ten in diesem Bereich einfallen lassen, damit das in Österreich eben schon vorher so passiert. – Danke für die Aufmerksamkeit! (Beifall beim BZÖ.)

14.57


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Ing. Kaipel. Eingestellte Redezeit: 2 Minuten. – Bitte.

 


14.57.51

Abgeordneter Ing. Erwin Kaipel (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin von den Grünen, wir werden die deutschen Anbieter bei uns nicht verpflichten können, daher wird diese Umsetzung oder unser Alleingang in Österreich sehr schwierig sein.

Versichern beruhigt, meine Damen und Herren, solange es zu keinem Versiche­rungsfall kommt. Alle Anwesenden kennen verschiedenste Probleme aus persönlicher Erfahrung oder aus ihrem Umfeld. Wenn es zu einem Versicherungsfall kommt, stellt sich heraus, dass es im konkreten Fall für die Versicherung keine Verpflichtungen gibt. Wir haben in kürzerer Vergangenheit auch im Bereich der Lebensversicherungen erlebt, dass es viele Geschädigte gibt und am Ende dann niemand verantwortlich ist.

Es gibt eine Reihe von Untersuchungen in Deutschland, aber auch in Österreich, mit demselben Ergebnis, nämlich dass es viele Arten von teils sehr hohen Nebenkosten gibt. In Summe belasten sie alle massiv das Ergebnis. Teilweise gibt es Produkte, wo es in den ersten zehn Jahren kein positives Ergebnis gibt – und all diese Möglichkeiten waren den Konsumenten nicht bekannt.

In Österreich haben wir mittlerweile für verschiedene Produkte Mindeststandards in Bezug auf Informationen. Wir haben also auch eine Regelung, dass die Nebenkosten nicht sofort, sondern aufgeteilt auf fünf Jahre anfallen dürfen. Das ist aber keinesfalls eine Garantie dafür, dass auch die Nebenkosten in Ordnung und nicht überhöht sind.

Wir wissen, es ist nachweisbar, dass die Lage für die Konsumenten immer schlechter wird, während sie für die Anbieter, für die Unternehmen immer besser wird – durch viele Zusatzzahlungen und dergleichen für Manager, Stichwort Bonuszahlungen. Zwei­fel, die es häufig gibt, sind durchaus berechtigt, und wir sind gefordert, diesen auf den Grund zu gehen.

Zum Antrag selbst: Es ist sinnvoll, dass es eine seriöse, umfassende und allgemein verständliche Produktinformation gibt, gut für die Sicherheit der Konsumenten, gut auch für den Wettbewerb. Wir müssen aber aufpassen, dass wir uns nicht von Lobby­isten auf einen falschen Weg leiten lassen. Wir müssen bei all dem, was wir tun, schauen, ob wir uns mit unseren Themen auch im Zentrum der Probleme befinden. (Beifall bei der SPÖ.)

15.00


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Ich unterbreche nunmehr die Verhandlung über den Punkt 8 der Tagesordnung, damit die verlangte Behandlung einer Dringlichen Anfrage gemäß der Geschäftsordnung um 15 Uhr stattfinden kann.

15.00.55Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Mag. Ewald Stadler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend „Bandions Blamagen“ und deren Folgen für den österreichischen Rechtsstaat (6687/J)

 



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Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Wir gelangen zur dringlichen Behandlung der schrift­lichen Anfrage 6687/J.

Da diese inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

Eine unabhängige, objektive und funktionierende Justiz, der die Menschen dieses Landes vertrauen, ist neben Exekutive und Legislative die dritte wesentliche und tragen­de Säule eines demokratischen Rechtsstaates. Wankt das Vertrauen der Menschen in die Justiz, wankt auch das Vertrauen in den Staat und das Fundament, auf dem unsere Republik aufgebaut ist, ist bedroht. Die Sicherstellung von Vertrauen durch die Gewährleistung und Verteidigung einer unabhängigen, objektiven und funktionierenden Rechtsprechung ist daher zentrale Aufgabe der politischen Verant­wortungsträger, zu aller erst des Justizministers.

Im Wissen um diese besondere politische Verantwortung hat es in Österreich Tradition, dass das Amt des Justizministers mit einer Persönlichkeit besetzt wird, die sich durch besondere moralische Integrität, fachliche Kompetenz und absolute Unabhängigkeit auszuzeichnen hat. Diese gelebte und bewährte österreichische Tradition wurde mit der Bestellung von Claudia Bandion-Ortner zur Justizministerin gebrochen. Mit der Folge, dass das Vertrauen in die dritte wesentliche und tragende Säule eines demo­kratischen Rechtsstaates, die Justiz, nachhaltig erschüttert ist, dem Ansehen der Justiz in Österreich schwerer Schaden zugefügt, und das Prinzip der Rechtstaatlichkeit ausgehöhlt wurde.

Denn Bandion-Ortner steht bestenfalls für politische Scheinneutralität und - und das ist wesentlich - sie kann dem Anspruch auf moralische Integrität, fachliche Kompetenz und parteipolitische Unabhängigkeit in keiner Weise nachkommen. Das hat sie durch ihr Tun und Handeln hinlänglich bewiesen, das sich exemplarisch wie folgt darstellt und sich als „Bandions Blamagen“ bezeichnen lässt:

Erstens: Der Fall BAWAG

Wesentlicher Bestellungsgrund von Bandion-Ortner zur Justizministerin war ihre Tätigkeit als Richterin im  BAWAG-Prozess und die von ihr gefällten Urteile gegen rote Gewerkschafts- und Bankenfunktionäre. Gleiches gilt für ihren Kabinettschef Mag. Georg Krakow, der Ankläger im BAWAG-Verfahren war. Durch die seitens der Generalprokuratur empfohlene Aufhebung wesentlicher Teile der Urteile im BAWAG-Prozess, hat sich dieser ursprüngliche Bestellungsgrund für die BAWAG-Richterin Bandion-Ortner zur Justizministerin sowie des BAWAG-Anklägers Krakow zum Kabinettschef in einen Entlassungsgrund verwandelt, sprechen doch selbst laut Austria Presse Agentur ranghohe Vertreter aus der Richter- und Anwaltschaft von einem „Fiasko für die Justizministerin“ und ehemalige Arbeitskollegen Bandion-Ortners am Wiener Straflandesgericht von „peinlichen Schnitzern, die in so einem Fall nicht pas­sieren hätten dürfen“. Noch bezeichnender ist in diesem Zusammenhang die Aussage des ehemaligen Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes, Karl Korinek, wonach Bandion-Ortner nun in ihrer Handlungsfähigkeit als Ministerin „schwer eingeschränkt“ sei. Durch den juristischen Paukenschlag der Generalprokuratur ist die moralische Integrität, fachliche Kompetenz und politische Autorität Bandion-Ortners jedenfalls als schlichtweg nicht vorhanden einzustufen, was die logische Konsequenz des sofortigen Rücktritts zur Folge haben muss.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll81. Sitzung / Seite 114

Zweitens: Der Fall Natascha Kampusch

Der Fall Kampusch ist ein erschreckendes Beispiel des offensichtlich vorsätzlichen Versagens staatsanwaltlicher Verantwortungsträger bei der Staatsanwaltschaft Wien sowie der Verantwortungsträger im Innenministerium und im Justizministerium. So wurden unzählige Hinweise, insbesondere der ermittelnden Polizeibeamten zu tat­sächlichen Widersprüchen hinsichtlich der Mehrtätertheorie bzw. der Stellung des Geschäftsfreundes von Priklopil ignoriert und zum Teil weitergehende Ermittlungen sogar aktiv unterbunden oder beeinflusst. Ohne im Detail auf das 25-seitige Schreiben des früheren Präsidenten des Obersten Gerichtshofes und ehemaligen Mitgliedes der Kampusch-Evaluierungskommission, Dr. Johann Rzeszut, betreffend „Art. 52 B-VG – Sachverhaltsmitteilung zum staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren im Abhängigkeits­fall Natascha Kampusch“ eingehen zu wollen, ist an dieser Stelle zu vermerken, dass die Frau Bundesministerin für Justiz Bandion-Ortner frühzeitig im Juni/Juli 2009 von Dr. Johann Rzeszut über die von auffälliger Ignoranz gekennzeichnete staatsan­waltliche Fallbehandlung informiert wurde. Bereits am 24. Juli 2009 übermittelte er ein Schreiben an die Justizministerin, „in dem jene gravierenden Gründe angeführt wurden, die eine ehestmögliche, nach konkreten verfahrensaktuellen Erfahrungen im Inter­esse eines sachdienlichen Verfahrensfortgangs unabdingbare Übertragung der weiteren justiziellen Fallbearbeitung aus dem Verantwortungsbereich der Oberstaats­anwalt Wien an eine andere, ihrem Einfluss nicht unterliegende staatsanwaltliche Ermittlungsverantwortung dringend nahe legten.“ Eine Vorausinformation sei zudem dem Kabinettschef Georg Krakow per Mail zugegangen. Jedoch: Nichts geschah. Es erhärtet sich damit der auf Basis bereits vorliegender Informationen bestehende Verdacht, dass im Fall Kampusch verdeckt und vertuscht wurde und offene Fragen wie die mögliche Involvierung eines Pädophilenringes unbeantwortet blieben. Dieser Sach­verhalt ist in Hinblick auf Rzeszuts Schlussbemerkung besonders überprüfungswürdig, die lautet: „Was hier jedoch aus dominierendem öffentlichen Interesse aufgezeigt wer­den musste, ist die fachlich nicht nachvollziehbare Pflichtverweigerung führender staatsanwaltlicher Verantwortungsträger und das Scheitern des Versuchs, die nach Lage des Falles gebotene Abhilfe an insoweit oberster Verantwortungsebene zu erwirken.“ Das völlig unbefriedigende Ermittlungs- und Verfahrensergebnis erschreckt insbesondere auch in Anbetracht der Vielzahl führender staatsanwaltlicher Vertreter, die in der Endphase des Verfahrens maßgeblich beteiligt waren. So nahmen an einer ermittlungsstrategischen Besprechung im Bundesministerium für Inneres am 30. April 2008 als führende Vertreter der Oberstaatsanwaltschaft Wien deren Leiter Dr. Werner Pleischl und einer seiner Vertreter, für die Staatsanwaltschaft Wien deren Leiter Dr. Otto Schneider und der den konkreten Fall bearbeitende Staatsanwalt Mag. Hans-Peter Kronawetter teil.

Drittens: Der Fall Hypo Niederösterreich

In die politische Verantwortung der Ministerin Bandion-Ortner fällt die am 7. Juli 2010 seitens der St. Pöltner Staatsanwaltschaft mündlich erteilte Weisung an die ermitteln­den Kriminalbeamten, wonach ihre Arbeit in der Causa Hypo Niederösterreich, wo es um den Verdacht der Untreue, Bilanzfälschung und der Verspekulierung von über 1,2 Milliar­den Euro Wohnbaugeldern geht, „sofort und bis auf Widerruf“ zu stoppen sei. Und das, obwohl sie „noch weit entfernt von einem Abschluss“ ihrer Arbeit waren, wie der zuständige niederösterreichische Kriminalbeamte damals erklärte. Im Justiz­ministerium liegt nunmehr ein Vorhabensbericht der Staatsanwaltschaft St. Pölten auf Einstellung des Verfahrens. Erst nach umfangreicher kritischer Medienberichterstat­tung sollen die Ermittlungen nun doch wieder aufgenommen werden. Diese Vorge­


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hens­weise der Staatsanwaltschaft St. Pölten sowie des Justizministeriums weckt den Verdacht der politischen Einflussnahme durch ÖVP-Politiker des Landes Nieder­österreich auf die unabhängige Justiz und die Justizministerin und stellt die Unab­hängigkeit der Justiz massiv in Frage.

Viertens: Der Fall Hypo Alpe Adria

Während bei der ÖVP-Landesbank Hypo Niederösterreich die Ermittlungen auf Wei­sung von oben gestoppt werden, wird im Fall der Hypo Alpe Adria umso vehementer vorgegangen, handelt es sich doch um die vermeintliche „Haider-Bank“, die sie nie war. Kurz gesagt: Nicht das Gesetz, sondern die politische Zugehörigkeit entscheidet unter Bandion-Ortner über eine mögliche Strafverfolgung durch die Justiz. Nicht anders ist es zu erklären, warum in Niederösterreich nur ein Staatsanwalt ermittelt, während in Kärnten gleich fünf Staatsanwälte, plus SOKO Hypo, plus CSI Hypo ermitteln. Nicht anders ist es weiters zu erklären, warum in Niederösterreich Ermittlungen auf Weisung der zuständigen Staatsanwaltschaft gestoppt werden, und ein Vorhabensbericht mit der Empfehlung auf Einstellung des Verfahrens an das Justizministerium wandert, während in Kärnten Personen verhaftet werden. Dieser politisch motivierten Ungleich­behandlung entspricht auch die Vorgehensweise bei weiteren Bankenskandalen, in denen trotz enormer Schadenssummen und tausender geprellter Sparer in straf­rechtlicher Hinsicht mangelhaft, schleppend oder gar nicht ermittelt wird, wie etwa in den Causen Kommunalkredit, Immofinanz, Meinl oder Volksbanken.

Fünftens: Der Fall Karl-Heinz Grasser

Ebenfalls in die politische Verantwortung der Justizministerin fällt die „schiefe Optik der Zwei-Klassen-Justiz“ wie sie SPÖ-Justizsprecher Dr. Hannes Jarolim im Zusam­menhang mit den Ermittlungen gegen Karl-Heinz Grasser ortet. Tatsächlich: Die schleppenden Ermittlungen gegen Karl-Heinz Grasser lassen einen gewährten Promi-Bonus seitens der Justizministerin für ÖVP-Leute ebenso vermuten wie eine beauf­tragte, bewusste Nicht-Verfolgung von ehemaligen politischen ÖVP-Funktionsträgern durch die Justiz.

Sechstens: Der Fall Ernst Strasser

Die Frage der bewussten Nicht-Verfolgung von politischen ÖVP-Funktionsträgern stellt sich auch beim ehemaligen Innenminister Ernst Strasser, wurde doch eine zentimeter­dicke Amtsmissbrauchs-Anzeige gegen Strasser seitens des zuständigen Staats­anwaltes zufällig genau so lange „übersehen“, bis die Angelegenheit verjährt war.

Siebentens: Der Fall der angeblichen Haider-Konten

Nach der Veröffentlichung einer vorgeblichen Aufdeckergeschichte eines Nachrichten­magazins über angebliche Millionen-Konten des verstorbenen Kärntner Landes­hauptmannes Dr. Jörg Haider erklärte am 02. August 2010 Justizministerin Bandion-Ortner im Morgenjournal-Interview, selbst von den geheimen Konten Jörg Haiders erfahren zu haben. Ob das Geld aus legalen oder illegalen Quellen stamme, das überprüfe nun die Staatsanwaltschaft, so Bandion-Ortner damals. Diese Angaben der Ministerin wurden aber von der Staatsanwaltschaft in Liechtenstein, den Staatsanwalt­schaften in Österreich und auch seitens des deutschen Bundeskriminalamtes heftig


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dementiert. Das deutsche Bundeskriminalamt (BKA) erklärte: „Es ist derlei nicht bekannt. Wir können das in keinster Weise bestätigen.“ Auch aus Vaduz kam ein Dementi: „In den in Liechtenstein beschlagnahmten Unterlagen sind keine Konten oder Gesellschaften aufgetaucht, die von Dr. Jörg Haider oder seinem unmittelbaren Umfeld kontrolliert wurden oder werden“, heißt es in einer Stellungnahme der Leitenden Staatsanwaltschaft. Und die Staatsanwaltschaft Wien betonte ebenso wie die Staats­anwaltschaft in Klagenfurt, nicht auf Konten mit Verbindung zu Haider gestoßen zu sein. Bis heute liegt kein einziger Beweis oder konkreter Hinweis auf die angeblichen Haider-Konten vor. Was aber vorliegt ist der Fall einer Justizministerin, die den verstorbenen Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider übel benachredet sowie die Öffentlichkeit bewusst falsch informiert hat, sich dafür aber bis heute nicht entschuldigt und auch keine Konsequenzen gezogen hat.

Achtens: Der Fall Gottfried Kranz

Justizministerin Bandion-Ortner duldet es, dass unter ihr als Ministerin seitens der Staatsanwaltschaften und Ermittlungsbehörden permanente Verstöße gegen das Amtsgeheimnis und der Bruch der Verschwiegenheitspflicht passieren. Bestes Bei­spiel: Dr. Gottfried Kranz, leitender Staatsanwalt der Staatsanwaltschaft Klagenfurt. Er hat im Rahmen dieser Funktion Anfang August 2010 gegenüber dem ORF im Zusam­menhang mit den Medienberichten rund um angeblich auf Liechtensteiner Konten entdeckten 45 Millionen Euro des verstorbenen Landeshauptmannes Dr. Jörg Haider folgende Aussage getätigt: „Wohl habe ich hier vor ganz kurzer Zeit aus Wien eine Nachricht erhalten, dass hier ein Aktenvorgang nach Klagenfurt unterwegs sein soll, wonach eben tatsächlich aus einem ausländischen Staat nach Liechtenstein auf das Konto von Doktor Jörg Haider ein Betrag von 45 Millionen eingezahlt worden sein soll.“ Diese Aussage von Dr. Kranz hat sich nachweislich als irreführend und falsch herausgestellt, womit der Leiter der Staatsanwaltschaft Klagenfurt die Öffentlichkeit bewusst falsch informiert hat. Denn der Sprecher der Korruptionsstaatsanwaltschaft, Friedrich Alexander König, stellte klar, es handle sich dabei nur um ein Notizbuch mit „Eintragungen vom Hörensagen, die wiederum ein anderer vom Hörensagen gehört haben soll“, was heiße, dass „keine konkreten Beweise bekannt sind“. Dr. Gottfried Kranz hat mit seinen unrichtigen Aussagen in der Öffentlichkeit gegen die Amts­verschwiegenheit verstoßen und einen Bruch des Amtsgeheimnisses begangen, weil er mit seinem Gang an die Öffentlichkeit gegen § 58 des Richter- und Staats­anwalt­schaftsdienstgesetzes und gegen die Bestimmungen des Erlasses des Bundes­ministeriums für Justiz vom 12. November 2003 über die Zusammenarbeit mit den Medien verstoßen hat. Konsequenzen für Kranz gibt es bis heute nicht, was wiederum die Tätigkeit oder besser gesagt völlige Untätigkeit der Ministerin vor Augen führt, die keinerlei Konsequenzen zieht, keinen Korrekturbedarf ortet und das Prinzip der Unschuldsvermutung damit mit Füßen tritt. Dies ist umso dramatischer, als dass es sich beim Fall Kranz um keinen Einzelfall handelt, sondern der Bruch der Amtsver­schwiegenheit und der Bruch des Amtsgeheimnisses mittlerweile zur gängigen Praxis in der Justiz gehören. Vor allem, wenn es sich bei den Betroffenen um Politiker der Opposition handelt.

Neuntens: Gerichtliche Testamentsfälschungen in Vorarlberg

In der Testamentsfälschungsaffäre am Bezirksgericht Dornbirn wird in Feldkirch in zig Verdachtsfällen ermittelt, in zwei Fällen – die wegen Befangenheit abgegeben wur­


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den – in Steyr. Insgesamt laufen gegen 13 Personen Erhebungen, bei fünf der Be­schul­digten handelt es sich um Justizangehörige, darunter auch eine aktive Richterin. Insgesamt wurden bei den Verdächtigen rund 1,8 Mio. Euro an Bankguthaben sicher­gestellt, zudem weitere Vermögenswerte. Fragen nach der politischen Verantwortung, der Höhe der Schadenssumme, der Zahl der Geschädigten, der nötigen Wieder­gutmachung und vor allem der nötigen Schritte zur zukünftigen Verhinderung solcher Vorfälle sind bis dato seitens der Justizministerin unbeantwortet geblieben.

Zehntens: Verletzung der Pressefreiheit und Ausschaltung des Redaktionsgeheimnisses

Bandion-Ortner lässt es zu und verteidigt es, wenn in Österreich verfassungsgesetzlich geschützte Rechte wie die Pressefreiheit mit Füßen getreten werden und das Redak­tionsgeheimnis ausgeschalten wird. So sind zwei Journalisten des Nachrichten­maga­zins „profil“ im September 2010 auf Basis eines Rechtshilfeersuchens der Staats­anwaltschaft München 1 seitens der Staatsanwaltschaft Wien formal als Beschuldigte vernommen worden, ohne dass es dafür eine rechtliche Deckung gab. Gleiches drohte einem NEWS-Reporter, der ebenfalls ohne Rechtsgrundlage hätte einvernommen werden sollen. Die internationale Journalistenorganisation „Reporter ohne Grenzen“ bezeichnete dieses Vorgehen der Wiener Anklagebehörde als „grobe Verletzung von Pressefreiheit und Meinungsvielfalt in Österreich“. Der Präsident der Journalisten­gewerkschaft, Franz C. Bauer, ortete ebenfalls „einen beispiellosen Anschlag auf die Pressefreiheit in unserem Land. Aus Steuergeldern bezahlte Politiker und Beamte versuchen offenbar willfährig, ausländische Gesetze in Österreich zu vollziehen und dabei die Meinungsfreiheit einzuschränken“. Seitens der politisch verantwortlichen Justiz­ministerin Claudia Bandion-Ortner wurden bis heute keine Konsequenzen gezogen oder entsprechende gesetzliche Klarstellungen in Sachen Redaktions­geheimnis getroffen. Gleiches gilt auch für die Groteske rund um die versuchte Erzwingung der Herausgabe von Videomaterial durch den ORF, was seitens der Justiz nichts anderes als den Versuch der Beschaffung eines Erkundungsbeweises bedeutet. SPÖ-Justizsprecher Jarolim sieht folglich „Feuer am Dach“ und greift Justizministerin Claudia Bandion-Ortner an: „Nachdem die Justiz seit der Amtsübernahme von Justizministerin Bandion-Ortner an Ansehen und Vertrauen in der Bevölkerung massiv verloren hat, ist jetzt auch das Grundrecht der Pressefreiheit in Gefahr. Für mich stellt sich grundsätzlich die Frage, inwiefern die Justizministerin hinter dem Grundrecht der Presse- und Meinungsfreiheit steht und ob und wie sie diese vor den Organen der Justiz und der ihr unterstellten Staatsanwaltschaft zu schützen gedenkt.“

Zu diesen „Bandion Blamagen“ hinzu kommen weitere Justizskandale wie die Causa Mensdorff, Fälle von Politjustiz durch die Staatsanwaltschaft Wien, Unterschriften­fälschungen am Bezirksgericht Bludenz, überdies noch die missglückte gesetzliche Einführung der elektronischen Fußfessel und nicht zuletzt wachsender Unmut und Unzufriedenheit in den Reihen der Richterschaft durch ministerielles Missmanagement, fehlende finanzielle Ressourcen und schwere justizpolitische Fehlentscheidungen.

In Erfüllung der zentralen Aufgabe der politischen Verantwortungsträger, nämlich der angeführten Sicherstellung von Vertrauen durch die Gewährleistung und Verteidigung einer unabhängigen, objektiven und funktionierenden Rechtssprechung sowie in Sorge um das Ansehen der Justiz in Österreich und die Gültigkeit des Prinzips der Rechts­staatlichkeit stellen die unterfertigten Abgeordneten an die Justizministerin folgende


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Dringliche Anfrage:

Der Fall BAWAG

1. Was entgegnen Sie angesichts dessen, dass Ihre angeblich so exzellente Prozessführung im BAWAG-Verfahren gegen die SPÖ-Verantwortlichen dieses Bankdesasters Ihnen das Ministeramt verschafft hat, den vielfachen öffentlichen Fest­stellungen – z.B. von Verfassungsgerichtshofpräsident i.R. Dr. Karl Korinek –, dass Sie nach der Blamage der Stellungnahme der Generalprokuratur als Justizministerin nicht mehr voll handlungsfähig sind?

2. Werden Sie dann, wenn der Oberste Gerichtshof den Empfehlungen der General­prokuratur folgt, gemeinsam mit Ihrem ebenfalls für das BAWAG-Verfahren als Ankläger verantwortlichen Kabinettschef Mag. Georg Krakow zurücktreten? Wenn nein, warum sind Sie der Ansicht, dass eine Ressortministerin, der von höchster Stelle fachliche mangelnde Kompetenz bescheinigt wird, das Amt des Justizministers vollwertig ausfüllen kann?

3. Wann wird das von Ihrem Kabinettschef als damaligem Staatsanwalt im BAWAG-Verfahren schon vor Jahren als unmittelbar bevorstehend angekündigte „BAWAG II Verfahren“ über den Verbleib der angeblich verspekulierten BAWAG-Gelder statt­finden, wie ist der Verfahrensstand derzeit und welche Ermittlungsschritte wurden mit welchem Ergebnis bisher gesetzt? Wenn ein solches Strafverfahren nicht mehr geführt wird, mit welcher Begründung unterbleibt dies angesichts der Tatsache, dass das Urteil für Wolfgang Flöttl bei persönlicher Bereicherung angesichts einer milliardenschweren Schadenssumme wohl anders ausfallen müsste?

4. Wann wird das Strafverfahren betreffend die aus den „Kellerakten“ erkennbare, zumindest steuerschonende, wenn nicht strafrechtlich relevante Finanzierung von ÖGB und SPÖ durch die BAWAG stattfinden, wie ist der Ermittlungsstand derzeit und welche Ermittlungsschritte wurden mit welchem Ergebnis bisher gesetzt? Wenn ein solches Strafverfahren nicht mehr geführt wird, mit welcher Begründung?

5. Wie begründen Sie die überlange Untersuchungshaft von mittlerweile mehr als drei Jahren für Helmut Elsner, während sich alle anderen verurteilten Personen auf freiem Fuß befinden?

6. Aus welchen konkreten Gründen wurde Helmut Elsners Antrag auf elektronisch überwachten Hausarrest abgelehnt und wie beurteilen Sie dies?

7. Wie beurteilen Sie die Begründung der Ablehnung in Hinblick auf die Gesetzes­begründung, in der klar zum Ausdruck kommt, dass der elektronisch überwachte Hausarrest auch für den Vollzug der Untersuchungshaft eine Alternative bietet?

Der Fall Natascha Kampusch

8. Welche Konsequenzen ziehen Sie aus dem 25-seitigen Schreiben des Mitglieds der Kampusch-Evaluierungskommission OGH-Präsident i.R. Dr. Johann Rzeszut betref­fend „Art. 52 B-VG – Sachverhaltsmitteilung zum staatsanwaltlichen Ermittlungs­verfahren im Abhängigkeitsfall Natascha Kampusch“, in dem er

eklatante Mängel in der staatsanwaltschaftlichen Behandlung des Falles und bewusste Schritte gegen die Aufklärung wie das Unterlassen bzw. sogar aktive Unterdrücken sinnvoller Ermittlungen gegen wahrscheinlich vorhandene weitere Täter,


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eine vorzeitige Freigabe der Liegenschaft von Herrn Priklopil zur Räumung, die insbesondere die Entfernung aller elektronischen Aufzeichnungen ermöglichte,

eine krass wahrheitswidrige Information der Öffentlichkeit,

das Unter-Druck-Setzen des operativen Leiters der Sonderkommission des Bundes­krimi­nalamts mit Selbstmordfolge und schließlich

eine nach den Ergebnissen der Evaluierungskommission unvertretbare Einstellung des Verfahrens feststellt?

9. Aus welchen konkreten Gründen sind Sie den mehrmaligen Ersuchen von Dr. Rzeszut, die justizielle Fallbearbeitung aus dem Verantwortungsbereich der Ober­staatsanwaltschaft Wien herauszuverlegen, nicht nachgekommen?

10. Aus welchen Gründen wurde das Kampusch-Verfahren eingestellt, obwohl die hochkarätig besetzte Evaluierungskommission des BMI weitere Ermittlungen für unver­zichtbar hielt? Wurden diesbezüglich auf irgendeiner Ebene der Staatsanwaltschaft oder des BMJ Weisungen erteilt? Wenn ja, wie lauten sie? Wenn nein, war diese Einstellung mit Ihnen akkordiert?

11. Werden Sie im Hinblick auf die Vielzahl der bestehenden Widersprüche im Fall Kampusch (Mehrtätertheorie bzw. Stellung des Geschäftsfreundes in Hinblick auf die Aussage der einzigen Zeugin etc.), die von Dr. Rzeszut aufgezeigt worden sind, die Ermittlungen fortsetzen lassen? Wenn nein, warum können Sie es verantworten, dass mögliche Mittäter Priklopils nicht im Interesse der Bevölkerung und des Opfers verfolgt werden? Wenn ja, wird das Verfahren im Bereich einer anderen Oberstaats­anwalt­schaft geführt werden?

Der Fall Hypo Niederösterreich

12. Wie ist der aktuelle Ermittlungsstand im ÖVP-Fall Hypo Niederösterreich?

13. Aus welchen konkreten Gründen und auf wessen Weisung bzw. mit wessen Zustimmung wurden die Ermittlungen vorübergehend gestoppt und wie beurteilen Sie dieses Vorgehen insbesondere unter dem Gesichtspunkt, dass noch nicht alle polizeilichen Ermittlungsschritte getätigt waren?

14. Welche Entscheidungen wurden auf Basis des übermittelten Vorhabensberichts der Staatsanwaltschaft St. Pölten von wem und mit welcher Begründung getroffen?

15. Wurden Sie und, wenn ja, mit welchem Ziel wurden Sie bezüglich dieses Ver­fahrens seitens des Landeshauptmanns von Niederösterreich, Dr. Erwin Pröll, oder sonstiger Mitglieder der ÖVP angesprochen bzw. gab es oder gibt es politische Einflussnahmen in diesem Verfahren?

16. Wie begründen Sie die gravierenden Unterschiede im Bereich des Personal­einsatzes zur Aufklärung der Fälle Hypo Niederösterreich und Hypo Alpe Adria?

Der Fall Hypo Alpe Adria

17. Welche Gründe rechtfertigen im Einzelnen, dass sich Wolfgang Kulterer in Untersuchungshaft  befindet und aus welchen Gründen wurde gegen die späteren Ent­scheidungsträger in der Bank und sonstigen Tatverdächtigen wie Günther Striedinger keine Untersuchungshaft beantragt?


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll81. Sitzung / Seite 120

18. Wurde bei den strafrechtlichen Beurteilungen beachtet, dass die wesentlichen bilanziellen Negativentwicklungen erst nach 2007 in alleiniger Verantwortung des Mehrheitseigentümers Bayern LB und den von ihr eingesetzten Vorständen erfolgten?

Der Fall Karl-Heinz Grasser

19. Was sind die Gründe für die monatelang verzögerten Ermittlungen gegen Karl-Heinz Grasser und können Sie ausschließen, dass durch diese Verzögerung Absprachen und die Vernichtung von Beweismitteln ermöglicht wurden?

20. Können Sie politische Einflussnahmen von Vertretern der ÖVP in diesem Fall ausschließen?

Der Fall Ernst Strasser

21. Welche konkreten Umstände führten dazu, dass ein derart umfangreicher und zentimeterdicker Akt einfach übersehen werden konnte? 

22. Haben Sie organisatorische Maßnahmen getroffen, die eine Wiederholung eines solchen Fehlers verunmöglichen und wenn ja, welche Maßnahmen sind dies?

Der Fall der angeblichen Haider-Konten

23. Auf Basis welcher Ihnen damals bekannten Faktenlage haben Sie gegenüber dem ORF am 2. August 2010 erklärt, selbst von den geheimen Konten Dr. Jörg Haiders erfahren zu haben und dass die Staatsanwaltschaft nun prüfe, ob das Geld aus legalen oder illegalen Quellen stamme?

24. Wie vereinbaren Sie diese Aussage mit Ihrem Amtsverständnis als Justizministerin angesichts der Tatsache, dass ihre Aussage von sämtlichen Staatsanwaltschaften und ausländischen Ermittlungsbehörden zurückgewiesen wurde und bis heute kein einziger Beweis für die von Ihnen behaupteten Konten vorliegt und Sie damit eigentlich den Straftatbestand der üblen Nachrede erfüllt haben?

25. Welche konkreten Beweise liegen für die angeblichen Millionenkonten Dr. Jörg Haiders derzeit vor?

Der Fall Gottfried Kranz

26. Auf welcher rechtlichen Basis erfolgte die Veröffentlichung von Informationen betreffend das Ermittlungsverfahren hinsichtlich möglicher Haider-Konten in Lichten­stein durch Gottfried Kranz und wie beurteilen Sie dieses Vorgangsweisen aus strafrechtlicher, disziplinarrechtlicher sowie aus medienrechtlicher Sicht?

27. Wurden disziplinarrechtliche Schritte gegen Gottfried Kranz eingeleitet?

Gerichtliche Testamentsfälschungen in Vorarlberg

28. Welche konkreten Schritte wurden bisher gesetzt, um aktiv alle Verlas­sen­schaftsverfahren der letzten Jahrzehnte in Dornbirn nachzuprüfen, allen - auch alten -


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Vorwürfen Betroffener wenigstens nachträglich nachzugehen und den Geschädigten rasch zu einer Wiedergutmachung ihres Schadens zu verhelfen?

29. Welche konkreten Änderungen wurden oder werden vorgenommen, um ähnliche organisierte kriminelle Machenschaften im Umfeld von Gerichten wirksam zu verhin­dern?

Verletzung der Pressefreiheit und Ausschaltung des Redaktionsgeheimnisses

30. Wie können Sie erklären, dass dem Rechtshilfeersuchen der Staatsanwaltschaft München 1 entgegen der österreichischen Rechtslage stattgegeben wurde und welche (organisatorischen) Schritte haben Sie gesetzt, um derartigen Fehlern künftig entgegenzuwirken und die Pressefreiheit sowie das Redaktionsgeheimnis ausreichend zu schützen?

31. Welche disziplinarrechtlichen Konsequenzen wurden gegen die Verantwortlichen in der Staatsanwaltschaft Wien wegen der illegalen Einvernahme von Journalisten im Zusam­menhang mit dem Fall Hypo Alpe Adria gezogen und, wenn nein, warum nicht?

32. Welche gesetzlichen Klarstellungen wollen Sie treffen, um in Zukunft den vor­sätzlichen Bruch des Redaktionsgeheimnisses durch strafrechtliche Ermittlungen wie im Fall ORF zu verhindern?

In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage im Sinne des § 93 Abs. 1 GOG-NR zum frühestmöglichen Zeitpunkt dringlich zu behandeln und dem Erstanfragesteller Gelegenheit zur mündlichen Begründung zu geben.

*****

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Ich erteile Herrn Abgeordnetem Mag. Stadler als erstem Fragesteller zur Begrüßung, pardon: zur Begründung der Anfrage, die gemäß § 93 Abs. 5 der Geschäftsordnung 20 Minuten nicht überschreiten darf, das Wort. – Bitte.

 


15.01.25

Abgeordneter Mag. Ewald Stadler (BZÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Das mit der „Begrüßung“ war eine freudsche Fehlleistung. Wir warten alle noch auf die ÖVP-Fraktion, die sich offensichtlich verflüchtigt hat, die das so macht wie die Raiffeisen-Zei­tung heute, der „Kurier“ ... (Abg. Kopf: Sie wollen sich das nicht antun!) – Die wollen sich das nicht antun? Ach so! So wie sich der „Kurier“ das nicht antun möchte, die Frau Bundesministerin zu unterstützen, wie man heute lesen kann. (Abg. Kopf: Sie wollen sich deine Rede nicht anhören!) Ja, so ähnlich. Ja, ja, gut, das haben wir verstanden. (Beifall beim BZÖ.)

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Ich gehe ein bisschen in die Geschichte der Bestellung der Frau Minister Bandion-Ortner ein. Ich möchte Ihnen gleich dazusagen, Frau Bundesminister, das, was wir heute führen, ist eine politische Debatte und hat nichts mit persönlichen Antipathien oder Sympathien zu tun. Das möchte ich Ihnen gleich dazusagen. Ich sage Ihnen auch gleich dazu, dass ich vermute, dass Sie diese Ent­scheidung, dass Sie dem Herrn Vizekanzler Josef Pröll zugesagt haben, wahr­scheinlich schon sehr häufig bereut haben. Davon bin ich überzeugt. Zumindest in den letzten Abendstunden, als Sie gesehen haben, dass das Raiffeisen-Medium „Kurier“ Sie auch schon fallenlässt. (Beifall beim BZÖ.)


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Wie ist es also zu dieser Ministerbestellung gekommen? – Das ist eine interessante Sache, die gleichzeitig ein bisschen Warnung darstellen soll, wie man eben nicht Minister werden soll, insbesondere nicht Justizminister.

Am 16. Juli 2007 hat die Hauptverhandlung gegen Elsner und die Mitangeklagten begon­nen. Dieser Prozess hat sich über die Jahreswende 2007/2008 hingezogen. Am 4. Juli 2008 ist die letzte Hauptverhandlung gewesen und es wurden die Urteile mündlich verkündet, sodass sich dann die Frau Vorsitzende des Gerichtshofes, näm­lich die Frau Rat Mag. Bandion-Ortner, zurückziehen konnte, um das Urteil schriftlich auszufertigen.

In der Zwischenzeit gab es eine Nationalratswahl. Es kam zu einer Regierungsbildung. Der Herr Vizekanzler in spe hat eine Justizministerin gesucht. Und das ist jetzt das Fatale: Da ist der Josef Pröll auf die Idee gekommen, weil medial schon in der Berichterstattung, er holt sich sozusagen die Vorsitzführende eines Gerichtsverfahrens, das bis dorthin ein enormes mediales Echo hatte, und weil mediales Echo, daher gute Justizministerin.

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Frau Bundesminister, dass man eine gute Richterin ist, heißt noch lange nicht, dass man deswegen auch eine gute Politikerin ist. Ich will Ihnen jetzt nicht sagen, dass Sie eine schlechte Politikerin sind, aber Sie sind in diesem Ressort alles schuldig geblieben, was Sie an Erwartungshaltungen geweckt und hier bei Ihrer Präsentation im Jänner 2008 versprochen haben. (Beifall beim BZÖ.)

Meine Damen und Herren! Der erste Vorwurf ist daher gar nicht einmal so sehr an die Frau Bundesminister Bandion-Ortner zu richten, sondern der erste Vorwurf ist an den Vizekanzler Josef Pröll zu richten, dass er aus einem laufenden Verfahren heraus eine Richterin geholt hat, die noch nicht einmal mit ihrem Urteil fertig war, nur weil er jemanden gebraucht hat für ein Ministerium, für das er offensichtlich niemanden hatte. (Beifall beim BZÖ.)

Meine Damen und Herren! Dann haben wir als Zwischenlösung den zwischenzeitlich in die EU verflüchtigten Herrn Hahn gehabt. Der hat im Ministerium überhaupt nichts gemacht, sondern man musste nur warten, bis die Frau Mag. Bandion-Ortner mit ihrem Urteil gegen Elsner und Mitangeklagte fertig war.

Das heißt, der erste Vorwurf geht an jene, die die Frau Bandion-Ortner überhaupt in dieses Ministerium geholt haben, weil man in einem laufenden Verfahren, Frau Bun­desminister, nicht in ein Ministeramt wechseln soll. Es gab genügend Stimmen damals, die Sie davor gewarnt haben, dass das eine schiefe Optik ist.

Aber die Optik wurde ja noch gedoppelt, und der Vorwurf, Frau Bundesminister, der ist Ihnen zu machen, nämlich der Vorwurf, dass Sie überhaupt zugesagt haben, obwohl Sie wussten, dass Sie aus einem laufenden Verfahren heraus kommen, aus dem bis dorthin spektakulärsten Wirtschaftskriminalverfahren, das geführt wurde, und dass Sie gleichzeitig auch noch den Ankläger dieses Verfahrens mit in Ihr Kabinett geholt und zum Kabinettschef gemacht haben.

Meine Damen und Herren! Die Optik ist schiefer nicht mehr denkbar. Wen hätten Sie denn noch mitnehmen wollen: den Gefängnisdirektor? Nein, das hätte irgendwie nicht zusammengepasst. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Was heißt: Lass die Kirche im Dorf!? Ich möchte die ÖVP-Kritik nicht hören, wenn das die Roten gemacht hätten. Die Roten haben in der Zeit Broda einiges gemacht. Damals haben die Schwarzen zu Recht kritisiert, was unter Broda, Oberhammer und Company alles möglich war und unter dem unseligen Herrn Staatsanwalt Müller. Aber dass man aus einem laufenden Verfahren heraus eine vorsitzführende Richterin und gleichzeitig noch den Staats­an­


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walt in ein Ministerium holt, das hat noch niemand vorher zustande gebracht, meine Damen und Herren. Das ist schon der ÖVP vorbehalten geblieben. (Beifall beim BZÖ.)

Das heißt, so wird man eben genau nicht Minister, nur wegen medialer Präsenz aufgrund eines Strafverfahrens. Das ist nämlich genau das falsche Signal. Das heißt: Liebe Justiztätige, vernadert nur möglichst rasch und spektakulär irgendeinen Politiker, vernagelt ihn, wickelt möglichst spektakulär und medial präsent ein Verfahren ab, dann habt ihr politische Karrierechancen. Ein fatales Signal, meine Damen und Herren! (Zwischenruf des Abg. Dr. Bartenstein.)

Geh, Kollege Bartenstein! Lest doch einmal eure alten Protokolle, als die damalige Untersuchungsrichterin Helene Partik-Pablé zur Abgeordneten gewählt wurde, nicht zur Ministerin bestellt wurde. Die ÖVP hat sich ja ereifert und gegeifert, warum die überhaupt Abgeordnete werden konnte, meine Damen und Herren. Und dann geht man seitens der ÖVP her und bestellt nicht nur eine Richterin zu einer Abgeordneten, sondern gleich zu einer Ministerin, obwohl das Verfahren noch gar abgeschlossen ist – und der Staatsanwalt wird gleich mitgeliefert, meine Damen und Herren! (Beifall beim BZÖ.)

Das ist die Doppelbödigkeit der ÖVP! Das ich nenne ich Unkultur, das nenne ich Unkultur des politischen Aufstiegs, meine Damen und Herren.

Und das ist der Vorwurf, Frau Bundesministerin, der Ihnen auch zu machen ist: dass Sie gewusst haben mussten – und ich behaupte, Sie wussten es auch –, gewusst haben mussten, dass das Ihren politischen Handlungsspielraum schwer einschränkt. Wenn Sie es nicht gewusst haben, haben Sie keine Zeitungen gelesen, denn man hat es Ihnen damals bereits vorausgesagt, dass das Ihren politischen Handlungsspielraum schwer einschränken wird.

Und genau so ist es gekommen. Es ist dann auf einmal in diesem Verfahren rund um Bawag 1 überhaupt nichts mehr weiter gegangen. Es gab zwar das Versprechen, es gibt ein Bawag-2-Verfahren, in dem man endlich einmal schauen wird, wo diese 1,7 Milliarden € hingegangen sind. Es gibt ja alle möglichen Spekulationen. Es wird behauptet, die SPÖ hat es kassiert, es wird behauptet, der Flöttl hat es in Amerika vergraben, es wird behauptet, dass der ÖGB zugelangt hat. Niemand hat in einem Bawag-2-Verfahren je geklärt, wo dieses Geld hingekommen ist, meine Damen und Herren.

Ja, wessen Aufgabe wäre es denn gewesen, dafür zu sorgen, dass es ein Bawag-2-Verfahren gibt, wenn die Staatsanwaltschaft selber nicht weitermacht?! Es wäre Aufgabe der politisch Verantwortlichen gewesen, meine Damen und Herren. Und jetzt raten wir einmal, wer das sein könnte. Mit Sicherheit ist das nicht der Portier vom AKH. Überlegen wir einmal, ob es der Portier vom Justizministerium ist. Da kommen wir der Sache schon näher. Es wäre selbstverständlich die politisch Verantwortliche gewesen, die das durchzuführen gehabt hätte, nämlich die Frau Bundesminister Bandion-Ortner. Aber sie hat es nicht getan, weil ihr nämlich in diesem Verfahren die Hände gebunden waren. Es hätte natürlich eine noch schiefere Optik gegeben, wenn die Richterin vorher im Verfahren mit ihrem Staatsanwalt auch noch dafür gesorgt hätte, dass das Verfahren weitergezogen wird, meine Damen und Herren.

Genau so wird man nicht Minister, meine Damen und Herren.

Und deswegen – behaupten wir – ist es zu keinem Bawag-2-Verfahren gekommen, sondern zu einem meiner Ansicht nach nicht verantwortbaren Stillstand, und es ist bis heute nicht aufgeklärt worden, was zum Beispiel mit diesen Kellerakten passiert ist, die man beim Herrn Flöttl sen. gefunden hat; zunächst einmal gar nicht finden wollte und dann doch gefunden hat. Die SPÖ nickt mit dem Kopf. Natürlich wisst ihr alle, was


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damit gemeint ist. Zuerst ist man geflissentlich an diesen Kellerakten vorbeigegangen, mittlerweile muss die Frau Ruth Elsner landauf und landab rennen und sagen: Bitte, interessiert euch doch auch einmal für die Akten, die man dort unten zunächst übersehen hat!

Aber kein Mensch interessiert sich für diese Akten. Was macht die politisch verantwortliche Ebene? – Gar nichts! Nichts geht. Natürlich nicht. Warum? – Weil man Angst hat, man könnte sich sonst als ehemalige Richterin, als ehemaliger Ankläger im Verfahren politisch anpatzen und dem Vorwurf aussetzen, man würde politische Einflussnahme üben.

Meine Damen und Herren! Genau deswegen wäre es gut gewesen, hier einen Minister oder eine Ministerin zu haben, Herr Vizekanzler, der eben nicht verfahrensbefangen ist, und zwar weder in der Rolle des Richters noch in der Rolle des Anklägers, noch in der Rolle irgendeines Ermittlers, meine Damen und Herren. Herr Vizekanzler, lassen Sie sich das bei Ihren nächsten Ministerbesetzungen, die wahrscheinlich schon in Bälde anstehen, gesagt sein. Das ist ein guter Ratschlag von mir, meine Damen und Herren. Sie werden um eine Kabinettsumbildung in den nächsten Wochen ohnehin nicht umhinkommen. (Beifall beim BZÖ.)

So, jetzt sind wir beim nächsten Fall, dort wird es auch deutlich, das ist der Fall Kampusch. Die FPÖ-Fraktion hat heute einen Antrag auf Einsetzung eines Unter­suchungsausschusses dazu eingebracht. Das finde ich richtig. Es ist Gott sei Dank dieser Bericht jetzt auch abgedruckt worden, sodass er nicht nur von den Klub­obleuten, die ihn zum Teil gar nicht weitergeleitet haben, wie wir im Justizausschuss gemerkt haben, gelesen werden muss, sondern auch von allen anderen Abgeordneten gelesen werden kann.

Meine Damen und Herren, wer diesen Bericht liest, stellt fest, dass niemand Gerin­gerer als der ehemalige Präsident des Obersten Gerichtshofes Dr. Johann Rzeszut – und ich sage es noch einmal: einer der besten, erfahrensten Juristen dieses Landes, das wird niemand in Abrede stellen; das ist nämlich das Pech an der Sache, dass man den nicht zum Narren erklären kann –, dass dieser Mann sagt, dass seine Versuche, die oberste Verantwortungsebene dazu zu bringen, endlich zu handeln, gescheitert sind.

Jetzt fragt man wieder nach: Wer ist die oberste Verantwortungsebene, die politische Verantwortungsebene, dass hier nichts weitergegangen ist? Rätseln wir wieder. Den Portier vom AKH haben wir schon ausgeschieden, den Portier vom Justizministerin haben wir auch schon ausgeschieden, also bleibt wieder nur die Justizministerin, meine Damen und Herren. Das ist die oberste politische ... (Ruf bei der ÖVP: Stadler!) Wer war das mit dem Zwischenruf „Stadler“? Bitte aufzeigen! – Ah, der Herr Polizeichef, der da herinnen sitzt, meine Damen und Herren. Der sagt, der Stadler ist es, bloß nicht die ÖVP. Für alles Unangenehme ist die ÖVP nicht zuständig, sie ist nur für die Sonnenscheintage zuständig, für das schlechte Wetter ist der Stadler zuständig.

Meine Damen und Herren, so gehen Sie mit Rzeszut-Berichten um! Es ist gut, dass Herr Rzeszut sieht, wie die ÖVP über ihn denkt, meine Damen und Herren. (Beifall beim BZÖ.)

Herr Präsident Rzeszut hat einen flehentlichen Brief an die Frau Ministerin geschrieben, hat sich flehentlich an den Herrn Kabinettschef gewandt. Echo null! Warum? – Weil die ÖVP sagt: Das ist nicht unser Thema, Stadler ist dafür zuständig.

Ja, Stadler hat seine Zuständigkeit wahrgenommen. Ich war nämlich der Einzige – das wird Sie jetzt überraschen, Herr Polizeichef –, der den Bericht gelesen hat. Ich bin auch der Einzige gewesen, der ihn im Justizausschuss zur Sprache gebracht hat, und


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da hat sich herausgestellt, dass keiner von den Abgeordneten diesen Bericht über­haupt angeschaut hat. So war es nämlich, meine Damen und Herren. So schaut es aus! (Beifall beim BZÖ.)

Daher will ich Ihnen nur sagen, wenn der pensionierte Präsident eines Gerichtshofes auf so viel Ignoranz stößt, dann darf man sich nicht wundern, dass er bei der Staatsanwaltschaft noch viel mehr Ignoranz hat.

Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen daher: Wenn die oberste politische Verant­wortungsebene – und das sind Sie, Frau Bundesminister, niemand sonst –, wenn die oberste politische Verantwortungsebene bis heute nicht einmal das Gespräch mit dem Herrn Präsidenten Rzeszut gesucht hat, nicht einmal nachgefragt hat, wie er zu diesen ungeheuerlichen Schlüssen kommt – lesen Sie das jetzt nach im Antrag der FPÖ, es ist ja nachzulesen, der Bericht liegt ja jetzt jedem vor, lesen Sie also nach –, wenn eine Ministerin sich nicht einmal die Mühe macht, ihrem Kabinettchef zu sagen: Laden Sie mir einmal den Herrn Rzeszut ein!, nein, ich habe am Montag gesagt, bitte, Herr Rzeszut, kann ich mit Ihnen reden ... (Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll: Was ist das?) Ah, das kennt der Herr Vizekanzler gar nicht. Der Herr Vizekanzler kennt das gar nicht! Na, jetzt hat der Polizeichef wirklich recht. Da sitzt er schon, der Ignorant!

Wir debattieren seit Tagen über diesen Rzeszut-Bericht. Es ist sogar in den Zeitungen nachlesbar, dass der Präsident des Obersten Gerichtshofes sich hilfesuchend mit einem Brief an die Frau Bundesminister wendet, vor Monaten bereits, ignoriert wird, sich an den Kabinettchef wendet, ignoriert wird, und dann schreibt er dem Parlament, nämlich allen Klubobleuten, einen 25 Seiten starken Bericht, Herr Vizekanzler, und er wird weiter ignoriert, bis der Ewald Stadler – da hat er wieder recht, der Herr Polizeichef – endlich den Bericht liest und dem Justizministerium sagt: Seid ihr noch bei Trost? Was tut ihr damit?

Von Ungeheuerlichkeiten strotzend ist dieser Bericht, und es interessiert sich niemand dafür! In diesem Bericht wird vom Herrn Präsidenten Rzeszut beklagt, dass die Ermitt­lungen in der Evaluierung im Fall Kampusch gezielt verschleppt, behindert und sogar die Ermittlungsergebnisse ignoriert wurden. Man hatte kein Interesse (Abg. Grosz: Warum?) – das Warum kläre ich nicht –, offensichtlich hat außer dem Herrn Rzeszut und dem Herrn Präsidenten Adamovich, der dafür auch schon zum Handkuss gekom­men ist, niemand ein Interesse daran, dass dieser Bericht überhaupt weiter behandelt wird. Und er beklagt daher zu Recht, dass die politische Verantwortungsebene, id est Bundesministerium für Justiz, nicht einmal mit einem Ohrwaschl wackelt, damit hier etwas weitergeht.

Es ist das Gleiche mit Hypo Niederösterreich. Jetzt wende ich mich in erster Linie an die ÖVP-Fraktion. Zur Hypo Niederösterreich gibt es eine Weisung eines Staats­anwaltes – kein Mensch weiß, wie er zu dem Ergebnis gekommen ist –, es gibt eine Weisung des Staatsanwaltes, die Polizei hat nicht weiter zu ermitteln, obwohl die Polizei sagt: Wir haben noch gar nichts richtig ausermittelt. Darauf sagt er: Keine weiteren Ermittlungen, bis weitere Weisungen kommen.

Das kennen wir übrigens schon, Herr Kollege Pilz, aus dem Untersuchungsausschuss. Keine weiteren Ermittlungen, bis weitere Weisungen kommen. Und die kommen halt dann einfach nicht.

Wenn das Ganze nicht an die Öffentlichkeit gekommen wäre, dann wäre überhaupt nichts weitergegangen. Es gibt einen Vorhabensbericht im Justizministerium, und ich würde von Ihnen heute gerne wissen, Frau Bundesminister, wie Sie mit diesem Vor­habens­bericht umgehen, wo der Staatsanwalt sagt, wir haben vor, überhaupt alles einzustellen. Außer Spesen nichts gewesen. Die Polizei ist zwar der Meinung, man sollte weiter ermitteln, aber das halten wir nicht für notwendig.


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Einen Staatsanwalt gibt es in Niederösterreich, eine ganze Kohorte aber ist in Kärnten unterwegs. Warum? – Weil dort natürlich nicht Erwin Pröll draufsteht, dort steht auch nicht ÖVP drauf, sondern da steht Haider drauf, bilden Sie sich alle ein. Alle bilden sich das ein, auch Sie, Herr Vizekanzler. (Zwischenbemerkung von Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll.) Ja, ja, Haider-Bank ist das bei Ihnen, und das andere ist eben die Pröll-Bank. Das ist der Unterschied. (Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll: Beides wird untersucht!) Ja, ja, ja. Erklären Sie mir noch Hypo, und dann werden wir uns schon einig werden.

Tatsache ist, dass in einem Fall ein Staatsanwalt ermittelt, ein Staatsanwalt am liebs­ten sofort einstellen würde, obwohl die Kriminalpolizei sagt, wir haben noch gar nicht richtig ermittelt, und im anderen Fall, da ist man dran. SOKO-Hypo, CSI-Hypo. Ich glaube, ein Teil davon kommt ohnehin von Ihnen – oder, Herr Vizekanzler? Warum wollen Sie eigentlich nicht gleich das Justizministerium übernehmen, dann können wir uns die weitere Debatte sparen.

Denn die Wahrheit ist – und das ist das Bedauerliche, Frau Bundesminister, und da haben Sie mich enttäuscht –: In diesem Land (Zwischenbemerkung von Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll) – reden Sie ruhig weiter, Sie bringen mich nicht aus dem Konzept –, in diesem Land hängt es davon ab, ob Strafverfahren geführt werden nach Gesetz und Recht, ob man eine politische Zugehörigkeit hat, die passt oder nicht. Das ist das Prob­lem, meine Damen und Herren, und das werfe ich Ihnen vor. (Beifall beim BZÖ.)

Es sind also die politisch motivierten Ungleichbehandlungen – wir haben das in ande­ren Fällen im Untersuchungsausschuss schon gehabt –, es sind die politisch motivier­ten Ungleichbehandlungen von Fällen und auch von Tätern oder mutmaßlichen Tätern, die dazu geführt haben, dass man in diesem Land die Justiz immer stärker politisch instrumentalisiert.

Deswegen sage ich Ihnen, meine Damen und Herren, dass die Vorgehensweise, die ich gestern angezogen habe und die wir heute ohnehin noch in der Präsidialkonferenz diskutieren werden, genau in dieses Bild hineinpasst.

Aber noch einmal: Ich wehre mich schon. Eine Staatsanwältin, die glaubt, meinen parlamentarischen Mitarbeiter unter Druck setzen zu können, nur damit er mich belastet, und das hier im Hause ... (Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll: Das glaube ich nicht!) – Was? Das glaubt er nicht! Oh ja, ich gebe Ihnen gleich etwas zu lesen, Sie müssen mir nur versprechen, dass Sie es mir wieder zurückgeben. Schauen Sie, Herr Vizekanzler, wenn Ihnen langweilig ist, wenn Sie nicht glauben, wie dieser Staat ausschaut, lesen Sie sich das durch! Es schadet nicht, wenn man hin und wieder etwas liest. Sie geben es mir nur nachher wieder zurück, bitte. (Der Redner reicht Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll ein Schriftstück.) Vielleicht sind Sie dann nachher ein bisschen gescheiter. (Beifall beim BZÖ.)

Eine Staatsanwältin, die also einen Mitarbeiter von mir unter Druck setzt, nur damit er mich belastet, weil ihr nicht gepasst hat, dass er mich entlastet hat, eine Staatsanwältin glaubt, so wie die Frau Bandion-Ortner über meinen Buckel politische Karriere machen zu können. Da täuscht sie sich! Da täuscht sie sich, meine Damen und Herren.

Und ich bin nicht allein mit dieser Kritik. Ich will Ihnen, Frau Bundesminister, einmal einen Bericht vortragen, der für Sie eigentlich die Ausgangssituation Ihrer Minister­schaft hätte sein müssen. Es gab im Jahre 2008 einen Bericht der Evaluierungsgruppe der Generaldirektion für Menschenrechte beim Europarat, Abteilung Überwachung.

Da wird zu Österreich im Jahre 2008 – der Bericht ist vom 13. Juni 2008 – Folgendes gesagt – ich zitiere –:

 „Analyse: Insgesamt werden die Polizei und die Staatsanwaltschaften als nicht unab­hängig genug oder stark politisiert wahrgenommen. Durch einige Fälle, über welche


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von den Medien in den vergangenen Jahren berichtet wurde, wurde diese Sichtweise offenbar noch verstärkt. Dem GET“ – das ist die Evaluierungsgruppe – „wurde mitgeteilt, dass, obwohl der Einfluss des ‚Proporz‘-Systems nicht so bedeutend war wie in der Vergangenheit, politische Unterstützung noch immer zu einer Beschleunigung der Karriere bei Staatsanwälten oder Polizeibeamten (oder Richtern in geringerem Ausmaß) beitragen kann, zum Nachteil eines besser geeigneten, hart arbeitenden Kollegen, welcher ‚nicht die richtige Parteifarbe‘ hat.“ – Ende des Zitats, meine Damen und Herren.

So, wo ist jetzt die ÖVP? Herr „Polizeichef“, wo ist die ÖVP? Ihr zitiert ja bei jeder Gelegenheit die europäische Ebene, aber wenn es euch nicht passt, zitiert ihr sie nicht. Ich zitiere sie jetzt einmal. Und die Frau Bundesministerin hätte, genau von hier aus­gehend, handeln müssen, hätte sagen müssen. Nein, ich trete an als parteiun­abhängig – so ist sie ja auch angetreten –, ich will genau das ändern. Aber sie hat dazu nichts geändert, sondern es ist alles noch viel schlimmer geworden. Wir haben das in der parlamentarischen Anfrage dargelegt.

Ich bin auch nicht allein mit dieser Auffassung, ähnlich sieht es auch der Herr Präsident des Verfassungsgerichtshofes außer Dienst, Karl Korinek. Ich möchte gleich dazusagen, nur damit wir gleich die politische Farbe geklärt haben, er ist nicht im Verdacht, BZÖ-Anhänger zu sein, er ist nicht im Verdacht, jemals beim BZÖ überhaupt angestreift zu sein. Karl Korinek sagt Folgendes, ich zitiere aus dem heutigen „Kurier“:

„So gut die Entscheidung der Generalprokuratur ist, so schwer ist natürlich die Minis­terin nun in ihrer Handlungsfähigkeit beeinträchtigt.“ Und die frühere Präsidentin der Richtervereinigung, Barbara Helige, sagt, dass die Wurzel des Übels in der Bestellung Bandion-Ortners zur Ministerin liegt. „Wenn man eine Richterin, die noch an einem Urteil schreibt, zur Justizministerin macht, ist das rechtsstaatlich wegen der Gewalten­trennung problematisch.“ Meine Damen und Herren, das ist nicht von mir geschrieben, sondern von durchaus kompetenten Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens.

Ich sage Ihnen: Deswegen ist es eine Fehlbesetzung, wenn man aus einem laufenden Verfahren heraus eine Ministerin bestellt, die dann politisch so gut wie nicht mehr handlungsfähig ist. Deswegen wird es heute einen Misstrauensantrag geben. Nicht, Frau Bundesministerin, weil wir Ihnen das Urteil vorwerfen. Es ist auch nicht so, dass wir glauben, dass alle erstinstanzlichen Urteile bis in die letzte Instanz halten müssen, da bräuchten wir ja keinen Instanzenzug. So naiv sind wir ja nicht. (Zwischen­bemerkung von Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll.) So ist es, sagt auch der Vizekanzler. Ja natürlich ist es so, es hat ja niemand anderes behauptet!

Was ich behaupte, ist, dass Ihr Bestellungsvorgang, Herr Vizekanzler, im Wissen  wenn Sie es eh schon wissen , dass es so ist, genau diese Justizministerin zu einer Justizministerin gemacht hat, die gar nicht handlungsfähig ist. (Beifall beim BZÖ.)

Oder, meine Damen und Herren, der Herr Vizekanzler wollte so eine Ministerin. Ich habe anhand der Zwischenrufe von der Regierungsbank mittlerweile den Eindruck, Herr Vizekanzler, dass Sie genau so eine Ministerin wollten. (Abg. Ing. Westenthaler: Wir nicht!) Ich sage Ihnen in aller Form: Wir wollen so eine Ministerin nicht, und daher gibt es heute einen Misstrauensantrag. (Beifall beim BZÖ.)

15.21


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zur Beantwortung der Anfrage hat sich Frau Bundesministerin für Justiz Mag. Bandion-Ortner zu Wort gemeldet. Die Redezeit soll 20 Minuten nicht überschreiten. – Bitte.

 



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15.22.09

Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Liebe KollegInnen auf der Regierungsbank! Sehr verehrte Damen und Herren Abgeordnete! Es kommt wahrscheinlich nicht oft vor, dass eine Ministerin froh über eine Dringliche Anfrage ist so wie ich heute, zumal ich jetzt die Gelegenheit habe, doch einiges klarzustellen. (Abg. Dr. Moser: Das sagen Sie aber oft!)

Ich sehe mich derzeit einigen Kommentaren, Artikeln und Diskussionsbeiträgen gegen­über, die meine Bestellung als Ministerin in Zweifel ziehen. Nun, zur Beantwortung der Frage, warum ich eingeladen wurde, das Amt der Justizministerin zu übernehmen, fühle ich mich wenig berufen. Ich verweise dazu auf die öffentlichen Begründungen meines verehrten Vizekanzlers, Dipl.-Ing. Josef Pröll. (Beifall bei der ÖVP. – Oh-Rufe beim BZÖ. Zwischenrufe der Abgeordneten Ing. Westenthaler und Mag. Stadler.) – Na, hören Sie mir zu! (Abg. Ing. Westenthaler: Ich glaube, sie meint den Onkel Pröll! Zwischenbemerkung von Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll.)

Sicher wäre es vermessen, zu glauben, dass dies mit meiner Verhandlungsführung im BAWAG-Prozess gar nichts zu tun hätte, war dieses Verfahren doch im höchsten öffentlichen Interesse, aber auch unter dem kritischen Blick vieler in- und ausländischer Medienvertreter. Diese öffentliche Kontrollfunktion der Medien hat ganz allgemein zu dem Urteil geführt: Da steht eine Frau als Richterin, unter größten Belastungen ange­sichts der Komplexität des Verfahrens und der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen, ihren Mann.

Dadurch ist es auch in das öffentliche Bewusstsein gedrungen, dass ich mir schon vor diesem Großverfahren als Richterin in einigen bedeutenden Verfahren  und auch als Standesvertreterin der Richter  einen Namen gemacht habe. Mir wurde von den gleichen Journalisten, die nun Kritik üben, eine zielgerichtete und kompetente Ver­hand­lungsführung bescheinigt  auch im BAWAG-Prozess. (Beifall bei der ÖVP.)

Dies gilt aber auch für Prozesse wie zum Beispiel den Konsum-Prozess, für eines der größten Steuerbetrugsverfahren, für zahlreiche große Krida-Verfahren, aber auch für den einen oder anderen spektakulären Mordprozess – vielleicht erinnern Sie sich! Oder erinnern Sie sich etwa an meinen Kampf als Standesvertreterin gegen die Teilung des Grauen Hauses, oder an öffentlich geführte Diskussionen im Zusammenhang mit der Entlohnung von Richtern und Staatsanwälten!

Ich denke, dass mich diese  meine berufliche und persönliche  Unabhängigkeit auch für mein Amt der Justizministerin besonders auszeichnet (Beifall bei der ÖVP), gilt es doch, die Stimme der dritten Gewalt auch in der Politik durch eine lange gelebte und glaubwürdig vermittelte Unabhängigkeit wahrnehmbar zu machen.

Ich komme jetzt aber zurück zu dem BAWAG-Prozess und den jetzigen Diskussionen um die Stellungnahme der Generalprokuratur am Obersten Gerichtshof. Was ich für andere Verfahren vor den unabhängigen Gerichten vertrete, gilt auch für mich selbst. Sie werden von mir keine Kritik an der Kritik hören. Was es zu beurteilen gilt, ist die Frage, ob die Strafjustiz in der Lage war und ist, die Ursachen für das größte Wirtschaftsstrafverfahren in der Justizgeschichte aufzuklären und festzuschreiben.

Durch den Umstand, dass aus Sicht der Generalprokuratur im Hinblick auf den Haupt­angeklagten 14 von 18 Fakten und der gesamte sechsjährige Tatzeitraum zu bestä­tigen wären – ich sage: wären –, kann man diese Frage wohl mit Fug und Recht bejahen.

Ich habe bewiesen, dass in einer Dauer, in der manch andere Verfahren noch nicht einmal zur Anklagereife gediehen sind, dieses Großverfahren so abgewickelt werden


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konnte, dass das Tatgeschehen, aus dem ein riesiger wirtschaftlicher Nachteil entstand, klar zutage trat. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Petzner.)

Ich glaube, dass dies auch im Interesse jener ist, die ihre kleinen Ersparnisse Bankinstituten anvertrauen. Das ist das, was die Strafjustiz zu leisten hat: mehr Schutz durch Recht, gerade für die kleinen Anleger! (Beifall bei der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren, natürlich kommt der Stellungnahme der General­prokuratur besonderes Gewicht zu. Der Akzent liegt jedoch auf dem eindeutigen Hinweis, dass die Justiz völlig unbeeinflusst und unabhängig agieren kann (Abg. Petzner: Entschuldige!), denn sehen Sie es einmal so: Eine Richterin schreibt ein Urteil, und die Generalprokuratur vertritt in einzelnen Bereichen des Urteils eine andere Rechtsansicht  und das, obwohl die Richterin mittlerweile Ministerin ist. Wenn es noch eines Beweises der Unabhängigkeit bedurfte, da ist er! (Beifall bei der ÖVP.)

Und eines noch: Vielleicht haben Sie die „ZiB 2“ am 19. Oktober gesehen und den Herrn Generalanwalt Dr. Seidl gehört. Er hat Blamage verneint, und er hat auch gemeint, das sei ein außerordentliches Verfahren gewesen und das Urteil sei sehr umfangreich und akribisch gearbeitet.

Sehr geehrte Damen und Herren, bevor ich zur Beantwortung der Fragen komme, darf ich Sie um eines bitten: Messen Sie mich als Politikerin, als Ministerin, als solche bin ich Ihnen als Abgeordnete und der österreichischen Bevölkerung verantwortlich! (Beifall bei der ÖVP. Abg. Mag. Stadler: Genau das haben wir getan!)

Die Bandbreite der von mir umgesetzten notwendigen Reformen und Initiativen im Justizbereich kann sich durchaus sehen lassen. Ich habe zum Beispiel die umfang­reichste Insolvenzrechtsreform seit 1914 umgesetzt. Ich habe dreimal in diesem Jahr Planstellen und auch die erforderlichen finanziellen Mittel dazu gewonnen. (Zwischen­rufe beim BZÖ.)

Ich habe mit der elektronischen Aufsicht, also mit der Fußfessel, eine neue Form der Haft eingeführt. Diese neue Form der Haft ist gut angelaufen; ich werde dazu vielleicht später noch etwas sagen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich habe auch wirksame Instrumente zur Abschreckung von Kriminaltouristen durch Einhebung einer Sicherheitsleistung umgesetzt. Ich habe mit dem Gesetz für eingetragene Partnerschaften ein neues Rechtsinstitut für gleichgeschlechtliche Paare geschaffen. (Oh-Rufe bei der FPÖ. Abg. Dr. Rosenkranz: Jetzt schwankt es dann! Die Stimmung ...!)

Denken Sie auch an das Rehabilitierungsgesetz, an das Aktienrechtsänderungsgesetz, an die Zivilverfahrens-Novelle, an die Wohnrechts-Novelle! Wir haben wichtige und notwendige Weichenstellungen zum Schutz unserer Kinder umgesetzt und in Angriff genommen: Denken Sie an die Einführung des Kinderbeistandes! Denken Sie an die Strafverschärfungen bei Sexualdelikten! Denken Sie an die Maßnahmen zur Rückfallsvermeidung von Sexualstraftätern!

Nicht zuletzt führe ich einen sehr engagierten Kampf gegen Kinderpornographie, das wissen Sie. Wir haben nämlich auch einen Tatbestand eingeführt, der komplett neu war, und mit diesem Straftatbestand sind wir jetzt Vorreiter in ganz Europa. Darauf bin ich stolz! (Beifall bei der ÖVP.)

Aber auch im Bereich des Besuchsrechtes und der Obsorge habe ich so einige notwendige Diskussionen in Gang gebracht. Diese Sache ist politisch noch nicht gelöst, aber ich bin überzeugt, dass wir eine gute Lösung, im Sinne des Wohls unserer Kinder, finden werden.


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Ich verweise noch auf einige Initiativen für notwendige strukturelle Änderungen und effizienzsteigernde Maßnahmen im Bereich der Justiz, wie etwa die Stärkung der Kompetenz in Wirtschaftsstrafsachen durch eine konzentrierte Form der Aus- und Fortbildung in diesem Bereich, die Schaffung einer bundesweit zuständigen zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption und eine kleine Verwaltungsreform mit dem Ziel, Gerichte und Staatsanwaltschaften in ihrer täglichen Arbeit zu entlasten.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich könnte noch viel reden über meine Gesetze, die ich in den letzten eineinhalb Jahren umgesetzt habe. Wie gesagt, das sind eine ganze Menge  und daran messen Sie mich, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP. Abg. Mag. Gaßner: Die haben wir umgesetzt!)

Jetzt komme ich zur Beantwortung der einzelnen Fragen.

Zu den Fragen 1 und 2, den Fall BAWAG betreffend.

Ich habe schon einleitend bemerkt, dass das Verfahren von den unabhängigen Gerichten und die von der Generalprokuratur vertretene Rechtsansicht zur Vermeidung auch nur des geringsten Anscheins der Beeinflussung nicht kommentiert werden kann.

Weder die Generalprokuratur noch der Oberste Gerichtshof ist umgekehrt berufen, mein politisches Wirken zu beurteilen. Ich habe meine Tätigkeit als Ressortleiterin auch in keiner Sekunde dazu benützt, die Entscheidungsfindung zu beeinflussen, sodass ich keinen Grund für einen Rücktritt zu erkennen vermag. (Beifall bei der ÖVP.)

Wäre es wirklich so, dass mit jedem stattgebenden Urteil des Obersten Gerichtshofes auch abschließend über die mangelnde Kompetenz einer Richterin gesprochen werden würde, so wären die Personalprobleme in der Justiz wohl enorm. (Abg. Mag. Stadler: Das hat der Ewald Stadler nie behauptet!)

Der Verfassungsgerichtshof hebt jedes Jahr mehrere, von politischen Verantwortungs­trägern vorbereitete und oft auch von der Opposition mitbeschlossene Gesetze als verfassungswidrig auf. Ich habe noch nie erlebt, dass deswegen der Rücktritt von Ressortleitern oder Abgeordneten gefordert worden wäre. (Abg. Grosz: Selbstver­ständlich! Oft genug! Ambulanzgebühren, Unfallrente! Unruhe im Saal.)

Zur Frage 3:

Derzeit sind folgende Verfahren im Zusammenhang mit der Causa BAWAG hinsichtlich weiterer, nicht von der Anklage erfasster beziehungsweise der Verfolgung vorbehaltener Fakten bei der Staatsanwaltschaft Wien anhängig:

Das betrifft einerseits die Sondergeschäfte, die sogenannten Karibik-1-Geschäfte von 1995 bis1998, Fakten im Zusammenhang mit der Refco-Gruppe, insbesondere auch die Gewährung eines Kredites durch die BAWAG im Oktober 2005, Fakten im Zusam­menhang mit der Firma Stiefelkönig, Untreuehandlung durch Gewährung diverser Vergünstigungen an Helmut Elsner und Fritz Verzetnitsch, zum Beispiel durch Verkauf und Vermietung von Wohnungen unter dem Verkehrswert, die sogenannte Penthouse-Affäre, und so weiter.

In diesen Verfahren wurden zwar keine Zwangsmaßnahmen gesetzt, es fand jedoch eine umfangreiche freiwillige Nachschau bei Stiefelkönig statt. Weiters waren und sind die Aufarbeitung der umfangreichen sichergestellten Unterlagen – die Akten füllen im Übrigen Zimmer – und laufenden Vernehmungen, fallweise auch im Ausland, durch­zuführen. Ich gehe davon aus, dass nun bald mit Enderledigungen zu rechnen ist.


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Zur Frage 4:

Die Erhebungen der SOKO BAWAG zum Faktenkomplex Kellerakten wurden im März 2009 abgeschlossen. Die Staatsanwaltschaft Wien teilte mit Bericht vom 16. April 2009 mit, dass das wegen § 153 geführte Ermittlungsverfahren gegen Walter Flöttl aus Beweisgründen beziehungsweise wegen Verjährung und gegen Dkfm. Jo­hann Zwettler aus Beweisgründen beziehungsweise da mit der Verhängung einer Zusatz­strafe nicht zu rechnen sei, eingestellt worden sei. Die finanzstrafrechtliche Beurteilung ist im Übrigen noch Gegenstand weiterer Überprüfungen.

Zu den Fragen 5 bis 7:

Diese Fragen betreffen Inhalte und Begründungen von gerichtlichen Entscheidungen, die im Rahmen des in Ausübung der Rechtsprechung unabhängigen richterlichen Amtes erfolgt sind. Sie sind daher nicht Gegenstand der Vollziehung eines Mitgliedes der Bundesregierung.

Zur Frage 8, zum Komplex Natascha Kampusch:

Ich habe veranlasst, dass das Schreiben von Dr. Rzeszut der gesetzlich zuständigen Korruptionsstaatsanwaltschaft zur strafrechtlichen Beurteilung übergeben wird. (Abg. Grosz: Wann?) Diese hat, wie auch aus den Medienberichten bekannt, in ihrer Eigenschaft als Staatsanwaltschaft im Sprengel der Oberstaatsanwaltschaft Wien die Generalprokuratur zur allfälligen Bestimmung einer außerhalb dieses Sprengels gele­genen Staatsanwaltschaft befasst, weil strafrechtliche Vorwürfe gegen Organe aus den Bereichen der Oberstaatsanwaltschaften Wien und Graz erhoben wurden.

Die Generalprokuratur hat die Staatsanwaltschaft Innsbruck als zuständig bestimmt. Das Ergebnis deren Prüfung kann und will ich nicht präjudizieren. Also es sei Ihnen versichert, dass ich selbst zu denjenigen gehöre, die an einer vorbehaltlosen Aufklä­rung der strafrechtlichen Seite, gerade dieses Falles, interessiert ist.

Zur Frage 9:

Die Zuständigkeit der Staatsanwaltschaften im Ermittlungsverfahren richtet sich nach den einschlägigen Bestimmungen in der StPO und diese können nicht nach Belieben umgangen werden. Gemäß § 25 Abs. 1 StPO ist für das Ermittlungsverfahren die Staatsanwaltschaft zuständig, in deren Sprengel die Straftat ausgeführt wurde. Die Delegierung einer Strafsache kann nur dann erfolgen, wenn dies aus Gründen der öffentlichen Sicherheit oder aus anderen wichtigen Gründen erforderlich ist.

Ein solcher Delegierungsgrund lag im gegenständlichen Fall nicht vor. Auch das Verlangen einzelner  auch hochrangiger Personen reicht in einem Rechtsstaat nicht aus, willkürlich die Zuständigkeit zu ändern. Im Übrigen zeigt sich die objektive Vor­gangsweise der Staatsanwaltschaft Wien auch in dem Umstand, dass über ihre Veranlassung gegen Ernst H. ein Strafantrag wegen § 299 Abs. 1 StGB eingebracht wurde.

Zur Frage 10:

Die Ergebnisse der Ermittlungen und die Argumente der Evaluierungskommission wur­den von dem, der Oberstaatsanwaltschaft Wien zugeteilten, zuständigen Sach­bearbeiter umfassend geprüft. Das Ergebnis dieser Prüfung bot keinen Anlass für ein weiteres strafrechtliches Vorgehen gegen andere Personen, nämlich Personen, die an der Entführung der Natascha Kampusch, neben Wolfgang P., noch mitgewirkt hätten. (Abg. Grosz: In Österreich ... vertuschen ... !)

Insbesondere lag auch, betreffend den Beschuldigten Ernst H., die für eine Anklage­erhebung wegen einer Mit- oder Beitragstäterschaft im Zusammenhang mit der Entfüh­


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rung von Natascha Kampusch erforderliche Beweislage nicht vor. Der Abschluss­bericht des zuständigen Sachbearbeiters wurde dem Bundesministerium für Justiz mit Bericht vom 9. Februar 2010 zur Kenntnis gebracht.

Die Oberstaatsanwaltschaft Wien hat mit Erlass vom 9. Februar 2010 die Staats­anwaltschaft Wien ersucht, das Verfahren gegen Ernst H. wegen des Verdachts der Freiheitsentziehung teileinzustellen und hinsichtlich des Vorwurfes der Begünstigung einen Strafantrag beim Landesgericht für Strafsachen Wien einzubringen.

Ernst H. wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 30. Au­gust 2010 vom Vorwurf der Begünstigung gemäß § 259 Z 3 StPO aus Beweisgründen freigesprochen. Die unabhängige Rechtsprechung hat in diesem Fall gesprochen.

Zur Frage 11:

Ich verweise dazu auf die Beantwortung der Frage 8.

Zur Frage 12, zum Fall Hypo Niederösterreich:

Das Verfahren befindet sich derzeit im Stadium offener Ermittlungen.

Zu den Fragen 13 und 14:

In der gegenständlichen Strafsache werden derzeit von der zuständigen Fachabteilung des Bundesministeriums für Justiz die Vorhabensberichte der Oberstaatsanwaltschaft Wien – der letzte ist mit 14. Oktober 2010 datiert – geprüft. Ich ersuche daher um Verständnis, dass ich im Hinblick auf § 12 StPO und § 34 Staatsanwaltschaftsgesetz derzeit keine Auskünfte zum Inhalt der Vorhabensberichte erteilen kann.

Zur Frage 15:

Ich wurde weder vom Landeshauptmann von Niederösterreich noch von sonstigen Funktionsträgern der ÖVP auf das Verfahren angesprochen. (Abg. Grosz: Vorsicht!) Es gab und gibt im Bundesministerium für Justiz auch keine politische Einflussnahme in diesem Verfahren. (Abg. Petzner: Das ist sehr unklar!)

Ganz generell darf ich sagen, dass ich parteipolitische Einflussnahme auf ein Straf- oder auf ein Zivilverfahren nicht dulden würde. Verfahren sind gemäß den Verfah­rensvorschriften ohne Ansehen der Person, ohne Prominentenbonus aber auch ohne Prominentenmalus zu führen.

Noch so heftige Forderungen der Oppositions- und der Regierungsparteien dürfen keinesfalls dazu führen, dass unsachlich ermittelt wird. Genau dafür stehe ich, weil ich diese Einstellung als Richterin gleichsam als Glaubensbekenntnis mitbekommen habe! (Ruf bei der FPÖ: Amen!)

Zur Frage 16:

Die Causa Hypo sprengt alle bisher bei Wirtschaftsfällen bekannten Dimensionen: vier Staatsanwälte, 21 SOKO-Beamte, und 3 Millionen Seiten umfasst der Akt derzeit. Allein die vorläufigen Ermittlungsergebnisse füllen 50 000 Seiten. Es ist die Causa Hypo eine unglaubliche Herausforderung, denn immerhin betrifft es einen Konzern in zwölf Ländern mit 350 Standorten.

Es gab 30 Hausdurchsuchungen in Kärnten, Wien, Vorarlberg und Liechtenstein, und dabei wurde umfangreiches Material sichergestellt. Darunter sind schriftliche Unter­lagen, CDs, Laptops und einzelne Festplatten. Es hat rund 200 Einvernahmen gegeben, der Großteil davon fand in Österreich statt.

Es hat bis jetzt rund 2 000 eruierte Personen- und Firmenverflechtungen gegeben, und es haben sich bisher wirklich sehr, sehr viele Dinge herausgestellt, die jetzt in Form


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einer speziellen Datenrecherche durchleuchtet werden. 56 Beschuldigte sind derzeit im Visier der Justiz und der Kriminalpolizei.

Also, wie gesagt, der Akt im Fall Hypo ist von seinem Umfang her nicht vergleichbar mit dem Fall Hypo Niederösterreich. Und nur weil in beiden Fällen eine Hypobank involviert ist, sind die Fälle deswegen nicht vergleichbar in der Dimension.

Zu den Fragen 17 und 18, noch einmal zum Fall Hypo Alpe-Adria.

Bei Dr. Wolfgang Kulterer wurden vom zuständigen Gericht die Haftgründe der Flucht-, Verdunkelungs- und der Tatbegehungsgefahr genannt. Bei weiteren Tatverdächtigen wurde mangels Haftgründen ein Antrag auf Verhängung der Untersuchungshaft nicht gestellt.

Das Verfahren der StA Klagenfurt befindet sich im Stadium laufender Ermittlungen. Eine abschließende strafrechtliche Beurteilung der Sachverhalte ist nicht erfolgt. Sie kann naturgemäß erst nach ausreichender Klärung des Sachverhaltes vorgenommen werden.

Zur Frage 19, zum Fall Karl-Heinz Grasser.

Staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren werden unabhängig von medialer Be­richt­erstattung geführt, sodass daraus, dass Zeitungsartikel erscheinen oder unter­bleiben, keinerlei Rückschlüsse auf die Tätigkeiten der Staatsanwaltschaft gezogen werden können.

Aus den mir vorliegenden Berichten der Anklagebehörden lassen sich keine Hinweise auf Verzögerungen der Ermittlungen gegen den Genannten ableiten, zumal zahlreiche Ermittlungsschritte, etwa Hausdurchsuchungen – mindestens 13 –, Kontoöffnungen – mindestens 20, und teilweise auch im Rechtshilfeweg – sowie Telefonüberwachungen durchgeführt wurden.

Wir haben umfangreiche Unterlagen aus dem Finanzministerium zu sichten und auch zahlreiche Personen zu vernehmen.

Zur Frage 20:

Ich habe auch in diesem Fall keine Versuche politischer Einflussnahme von Vertretern der ÖVP erlebt, wohl aber haben Vertreter der Opposition bestimmte Ermittlungs­handlungen gefordert, aber die Strafverfolgungsbehörden arbeiten unbeirrt auf der Basis des ihnen vorliegenden Sachverhalts. (Ruf bei der FPÖ: Bitte wer von der Opposition? – Abg. Mag. Stadler: Seit wann ist die SPÖ in der Opposition?)

Ich darf Sie daran erinnern, dass ich parteipolitische Einflussnahme auf Straf- und Zivilverfahren stets unterbinden würde. Und wie unabhängig die Justiz arbeitet, hat sich ja in den letzten Tagen sehr deutlich gezeigt. (Zwischenruf bei der FPÖ. – Abg. Mag. Stadler: Kollege Jarolim, seit wann sind Sie in der Opposition?)

Zur Frage 21:

Ich verweise dazu auf die mündliche Beantwortung der Dringlichen Anfrage des Abgeordneten Dr. Peter Pilz zum Thema Regierungsjustiz und Ministerblockade in der 43. Sitzung des Nationalrates am 5. November 2009 und auf die Ergebnisse des parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Untersuchung von Abhör- und Beeinflussungsmaßnahmen im Bereich des Parlaments.

Zur Frage 22:

In der Organisation der Staatsanwaltschaft Wien wurden Änderungen vorgenommen. (Abg. Mag. Stadler: Die erste öffentliche ...!) Durch die Umgestaltung der vormals zuständigen Gruppe für politische Delikte soll das die interne Kontrolle der Staats­


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anwalt­schaften auszeichnende System der Checks and Balances effizienter zur Wirkung kommen.

Zu den Fragen 23 bis 25, zum Fall der angeblichen Haider-Konten:

Wie wir alle habe ich durch die Berichte eines Wochenmagazins über angebliche Konten erfahren, und genau das habe ich auch erklärt. (Zwischenruf des Abg. Ing. Westenthaler. – Abg. Petzner: Sie haben gesagt, es gibt diese Konten! – Weitere Zwischenrufe beim BZÖ.) Auch Sie haben zu dieser Zeit durch diesen oder durch nachfolgende Berichte von diesen Konten erfahren. Darauf habe ich mich bezogen.

Die Justiz arbeitet aber nicht auf Zuruf von Medien, sondern sie ermittelt unbeeinflusst, was zu ermitteln ist.

Die Bestätigung, dass in einem Fall von öffentlichem Interesse ermittelt wird (Abg. Scheibner: Das ist jetzt wirklich die Unwahrheit! Das ist jetzt wirklich die Unwahrheit!), kann wohl nicht den Tatbestand der üblen Nachrede erfüllen. Ich frage mich, welche Vorwürfe erhoben worden wären, wenn die Justiz diesen Vorwürfen nicht nachgegangen wäre. (Abg. Scheibner: Das ist die Unwahrheit! Das ist jetzt falsch!)

Die von der Staatsanwaltschaft Klagenfurt im Rechtshilfeweg ersuchten und durch­geführten Kontoöffnungen im Fürstentum Liechtenstein standen nach den mir vorliegenden Informationen in keinem Zusammenhang mit den in den Medien kolpor­tierten Konten des verstorbenen Landeshauptmanns Dr. Haider.

Inwieweit die Medienberichte über geheime Konten und Finanztransaktionen den Tat­sachen entsprechen, werden die Erhebungen durch die zuständigen Strafverfol­gungsbehörden zeigen. (Ruf beim BZÖ: Ja, wo sind die Konten? Das würden wir gerne wissen!)

Das Verfahren ist derzeit noch im Ermittlungsstadium. Ermittlungsverfahren sind, wie wir alle wissen, nicht öffentliche Verfahren. Wir alle, Sie und ich, haben ein gemein­sames Interesse daran, dass die Wahrheit ans Licht kommt und alles möglichst umfas­send aufgeklärt wird.

Zur Frage 26, zum Herrn Leitenden Staatsanwalt Gottfried Kranz.

Hierbei ist zwischen dem Gebot der Amtsverschwiegenheit und dem Informations­bedürfnis der Öffentlichkeit abzuwägen. Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine Person des öffentlichen Lebens, sodass nach Beurteilung des Leiters der Staatsan­waltschaft Klagenfurt ein solches Informationsbedürfnis überwog. (Abg. Mag. Stadler: Das deckt sich zufällig ... Haider! – Ruf beim BZÖ: Der gar nicht mehr lebt!)

Zur Frage 27:

Der Abgeordnete zum Nationalrat Stefan Petzner erstattete gegen den Leiter der Staatsanwaltschaft Klagenfurt, Dr. Gottfried Kranz, wegen der wiedergegebenen Äußerung eine Disziplinaranzeige, die an das OLG Wien als zuständiges Disziplinar­gericht weitergeleitet wurde.

Im Hinblick auf die Bestimmungen des § 127 ist es bedauerlicherweise – das möchte ich nämlich wirklich ändern – verboten, über den Verlauf und das Ergebnis von Disziplinarverfahren irgendwelche Mitteilungen zu machen. – Da bin ich vollkommen Ihrer Meinung, da müssen wir transparenter werden. Das nehmen wir jetzt auch in Angriff.


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Zu den Fragen 28 und 29:

Vorweg ist zu betonen, dass es der Justiz ein großes Anliegen ist, das Vertrauen der Bevölkerung in die gerichtlichen Verlassenschaftsabhandlungen wiederherzustellen. Vielleicht ganz kurz zur Erinnerung: Es geht um die Testamentsaffäre in Vorarlberg.

Es ist jetzt wirklich die Zeit für strenge Maßnahmen in diesem Bereich, und das habe ich anlässlich eines Besuchs in Vorarlberg vor ein paar Tagen auch ganz vehement festgestellt. Aus diesem Grund wurde nach Bekanntwerden der Malversationen sofort eine Sonderrevision beim Bezirksgericht Dornbirn durchgeführt, die maßgeblich zur Aufklärung des Sachverhaltes beigetragen hat und auch zu konkreten Erfolgen geführt hat.

Auf diese Weise konnten die im Zuge der Sonderrevision als Verdachtsfälle einge­stuften Dokumente der StA zur Untersuchung übermittelt werden. Und es konnte durch das Auffinden von bereits angefertigten, aber noch nicht verwendeten gefälschten Testamenten künftiger Schaden abgewendet werden.

Um derartige Unregelmäßigkeiten für die Zukunft zu verhindern beziehungsweise sich eines rechtmäßigen Vorgehens bei anderen Gerichten zu versichern, wurde ein Maßnahmenpaket geschnürt, das sich aus straf-, zivil- und dienstrechtlichen sowie dienstaufsichtsbehördlichen Schritten zusammensetzt.

Die Dienstaufsicht hat im Sommer 2010 eine bundesweite Überprüfung der vollstän­digen Eintragung der bei Gericht in den letzten 20 Jahren hinterlegten Urkunden und der letztwilligen Verfügungen in das UV-Register sowie die Registrierungen im Österreichischen Zentralen Testamentsregister auf ihre Richtigkeit und Vollständigkeit veranlasst.

Für den Bereich des Dienstrechtes hat das Justizministerium mit Erlass festgelegt, von der Bestellung von Gerichtsbediensteten zu Verlassenschaftskuratoren Abstand zu nehmen.

Die innere Revision hat in ihrem Programm für die Regelrevisionen der Gerichte des Jahres 2010 zwei weitere Prüfungsschwerpunkte aufgenommen. Zusätzlich wurden beim Bezirksgericht Dornbirn vorsorglich zwei weitere Sonderrevisionen, nämlich betreffend Wirtschaftsverwaltung und Justizverwaltung, durchgeführt.

Am Landesgericht Feldkirch wurde vor ein paar Tagen eine Informationsstelle in der Testaments-Affäre eingerichtet. Sie steht geschädigten und Rat suchenden Personen für Informationen und Auskünfte im Zusammenhang mit der Testaments­fäl­schungs­affäre beim Bezirksgericht Dornbirn zur Verfügung. Leiter dieser Informationsstelle ist der in Ruhe befindliche Senatspräsident Dr. Heinz Moser. Er wird von einer Beamtin unterstützt. Der Leiter der Informationsstelle wird Rat suchenden Bürgern nach Erhebung der Aktenlage und entsprechender Prüfung Auskünfte zur Rechtslage, insbesondere den einschlägigen erbrechtlichen Vorschriften, erteilen, die Möglichkeiten einer allfälligen Durchsetzung von Ansprüchen darlegen, wie auch die Möglichkeiten und Wege einer außergerichtlichen Einigung, etwa mit der Finanzprokuratur.

Auch mittelfristig sind legislative Änderungen im Erbrecht beabsichtigt. Bei der Staats­anwaltschaft Feldkirch ist ein sehr umfangreiches Strafverfahren gegen zehn Personen anhängig, die im Verdacht dieser Malversationen stehen. Zwei der Beschuldigten befin­den sich noch in Untersuchungshaft.

In einem Fall – nämlich bei einem im Sommer 2002 durch einen Verlassen­schafts­richter des BG Dornbirn angezeigten Sachverhalt – ist es tatsächlich zu einer verfrüh­ten Einstellung des Verfahrens gekommen. Aufgrund der fachaufsichtsbehördlichen Prüfung im Frühjahr 2010 wurde jedoch festgestellt, dass in diesem Fall tatsächlich


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nicht sämtliche mögliche Ermittlungsmaßnahmen ausgeschöpft wurden, sodass hin­sichtlich der Verfolgung eines in diesen Fall involvierten Beschuldigten Verjährung ein­treten konnte. Hinsichtlich der anderen Beschuldigten ist aber auch dieser Fall nunmehr Gegenstand des derzeitigen, noch nicht abgeschlossenen Ermittlungs­ver­fahrens.

Derzeit ist der Abschlussbericht der Kriminalpolizei in Arbeit, mit dessen Vorliegen etwa Ende November 2010 gerechnet wird.

Eines noch an dieser Stelle: Diese Malversationen wurden im Übrigen von einer sehr jungen, couragierten Richterin aufgedeckt. (Abg. Scheibner: Die ist dann versetzt worden!)

Zur Frage 30, die Pressefreiheit und Redaktionsgeheimnis betrifft.

Festzuhalten ist, dass zwar die von der Staatsanwaltschaft München I begehrten Verneh­mungen von zwei österreichischen Journalisten rechtsirrig erfolgt sind, jedoch die Ergebnisse dieser Vernehmungen noch bei der Staatsanwaltschaft Wien vernichtet wurden (Abg. Petzner: Und was sind die Konsequenzen?) und der ersuchenden deutschen Justizbehörde die Unzulässigkeit der Rechtshilfe mangels beiderseitiger Strafbarkeit der Tat mitgeteilt wurde. (Zwischenruf des Abg. Amon.) Dem Rechtshilfe­ersuchen wurde daher letztlich gegenüber der ausländischen Justizbehörde nicht stattgegeben.

Es handelt sich übrigens in diesem Fall um ein gutes Beispiel dafür, wie gut die Fachaufsicht funktioniert.

Zur Frage 31:

Es handelt sich um einen Rechtsirrtum des österreichischen Justizorgans. Dieser ist sehr zu bedauern (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler), aber im Hinblick darauf, dass dieser Fehler umgehend und rechtzeitig korrigiert wurde und weil er für das Verfahren in Deutschland keine Folgen nach sich gezogen hat, steht ein disziplinarrechtliches Vorgehen, wie etwa eine Suspendierung oder Entlassung, nicht im Verhältnis.

Die Leitung der Staatsanwaltschaft Wien hat jedoch den zuständigen Staatsanwalt eingehend auf die zwischenstaatliche Rechtslage hingewiesen und deren sorgfältige  Beachtung in Erinnerung gerufen.

Zur Frage 32:

Ich möchte mich zunächst dagegen verwahren, dass die Entscheidung eines Ober­landesgerichtes als vorsätzlicher Bruch des Redaktionsgeheimnisses bezeichnet wird. Nach der von diesem vertretenen Rechtsansicht liegt ja eben kein unzulässiger Eingriff in das Redaktionsgeheimnis vor.

Aber auch in diesem Bereich geht es mir um eine objektive Vorgangsweise, die darauf gerichtet sein muss, klarzumachen, zu wessen Schutz denn eigentlich das Redaktions­geheimnis dient. Das sind nicht die Medienmitarbeiter oder das Unternehmen, sondern jene Personen, die sich im Vertrauen auf Schutz vor Preisgabe ihrer Identität und ihrer Informationsquellen an Journalisten wenden.

Ich habe übrigens zu diesem Thema gemeinsam mit Herrn Staatssekretär Ostermayer die Durchführung einer Fachveranstaltung unter Beiziehung hochrangiger Experten vereinbart, die noch im November stattfinden wird. Die Justiz- und die Mediensprecher der Fraktionen werden Gelegenheit haben, sich daran zu beteiligen. Parallel dazu führen wir eine Umfrage über die Rechtslage in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union durch. Anhand der Ergebnisse dieser Fachtagung werden wir dann jene Be­


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reiche ausloten (Zwischenruf des Abg. Brosz), in denen im Bereich des Medien­gesetzes Präzisierungen erforderlich sind.

Ich meine, dass in dieser Diskussion auch Fragen der journalistischen Sorgfalt und Ethik nicht ausgeklammert werden dürfen. (Abg. Brosz: Sind da die Mediensprecher der Regierungsparteien ...?) Wie im Bereich der wichtigen dritten Gewalt bedarf es auch im Bereich der ebenfalls bedeutenden vierten Gewalt einer glaubwürdigen und effizienten Selbstkontrolle, damit die Medien ihrerseits die ihnen obliegenden Kontroll­aufgaben angemessen wahrnehmen können. – Danke schön. (Lang anhaltender Beifall bei der ÖVP.)

15.51


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Wir gehen nun in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß der Geschäftsordnung kein Redner länger als 10 Minuten sprechen darf, wobei jedem Klub eine Gesamtredezeit von 25 Minuten zukommt. (Abg. Scheibner: „Begeisterung“ bei der SPÖ! – Ruf beim BZÖ: Ich glaube, dass die SPÖ ...!)

Zu Wort gelangt als Erster Herr Abgeordneter Petzner. 10 Minuten Redezeit sind eingestellt. – Bitte.

 


15.52.17

Abgeordneter Stefan Petzner (BZÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Sie haben mit Ihrer Anfragebeantwortung eigentlich den heutigen Misstrauensantrag des BZÖ, den ich dann einbringen werde, eins zu eins bestätigt und gerechtfertigt.

Ich möchte nur ein Beispiel nennen: Sie haben im Fall Haider und betreffend die Haider-Konten in Ihrer Beantwortung hier die glatte Unwahrheit gesagt (Zwischen­bemerkung auf der Regierungsbank), denn Sie selbst haben am 2. August 2010 gegenüber dem „ORF-Morgenjournal“ persönlich die Existenz dieser geheimen Konten Jörg Haiders bestätigt. (Zwischenrufe beim BZÖ.)

Sie selbst, Frau Bundesministerin, haben gesagt, es gebe diese Konten, aber Sie wüss­ten nicht, ob sie aus legalen oder illegalen Quellen stammen, und die Staats­anwaltschaft werde das nun untersuchen. (Beifall beim BZÖ.)

Das haben Sie gesagt – und im Nachhinein stellt sich heraus, dass Sie die glatte Unwahrheit gesagt haben als Justizministerin (Zwischenruf des Abg. Grosz), denn bis heute können Sie selbst nicht – und niemand anderer kann – einen konkreten Beweis für diese angeblichen Haider-Konten vorlegen. (Abg. Großruck: ... eine Reihe von Verfahren im Genick!)

Es ist eine sehr heikle und ernste Situation, weswegen wir auch diese Dringliche Anfrage eingebracht haben, auch an vielen Beispielen festgemacht haben, weil die Funktion beziehungsweise das Amt des Justizministers in einem demokratischen Rechtsstaat ein sehr wichtiges, sensibles und verantwortungsvolles Amt ist. Sie selbst haben gerade in Ihrer Anfragebeantwortung gesagt, dass die Säule der Justiz eine der drei tragenden Säulen eines demokratischen Rechtsstaates ist.

Sie tragen durch Ihre Amtsführung die Verantwortung dafür, dass die dritte Säule, die der Justiz, untergraben wird und das Vertrauen der Menschen in die Unabhängigkeit der Justiz zutiefst erschüttert ist. Dafür tragen Sie die Verantwortung, und dafür werden Sie heute auch einen Misstrauensantrag kassieren.

Ich sage gleich dazu: Wir sind nicht die Pflichtverteidiger irgendeines Beschuldigten – ob er Elsner oder Kulterer heißt (Zwischenruf des Abg. Mag. Schönegger) –, aber wir sind als Partei und Parlamentarier dazu verpflichtet, die Pflichtverteidiger eines unab­hängigen, objektiven Rechtsstaates zu sein. (Beifall beim BZÖ.)


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Wir sind die Pflichtverteidiger von Recht und Gerechtigkeit. Wir sind die Pflicht­verteidiger des Prinzips der Rechtsstaatlichkeit, das Sie mit Füßen treten (Zwischen­ruf des Abg. Großruck), denn jeder Staatsbürger dieses Landes – egal, welcher sozialen Herkunft, egal, welchen Status er hat – hat das Recht auf ein faires, unabhängiges und objektives Verfahren, auf ein faires und gerechtes Urteil, und dieses Recht ist durch Sie nicht mehr gewährleistet. Jeder Staatsbürger hat – in einem Satz gesagt – das Recht auf Gerechtigkeit, und Sie als Ministerin tragen die politische Verantwortung dafür, dass dieses Recht auf Gerechtigkeit mit Füßen getreten wird.

Ich möchte Ihnen ein Zitat zum Nachdenken mitgeben, ein Zitat von Cicero, der gesagt hat: „Wir sind an das Gesetz gefesselt, um frei zu sein.“

Und ich sage Ihnen gegenüber: Wir sind unfrei geworden, weil Sie dem Gesetz elektronische Fußfesseln angelegt haben. – Das ist die Wahrheit, Frau Bundes­minister, und dafür müssen Sie auch zur Verantwortung gezogen werden! (Beifall beim BZÖ.)

Ich bringe Ihnen ein weiteres Zitat, eines von Bert Brecht, der gesagt hat: „Wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht.“

Daher leisten wir heute Widerstand hier in diesem Hohen Haus, denn es ist ein Un­recht zum Beispiel, wenn es im BAWAG-Verfahren neun Verurteilte gibt (Abg. Großruck: Die Mehrheit der Österreicher ...!), aber ein einziger in Haft ist, und das ohne rechtskräftiges Urteil, und eine überlange Untersuchungshaft von über dreiein­halb Jahren, mittlerweile, über sich ergehen lassen muss. Das ist ein Unrecht!

Ich darf an dieser Stelle Ruth Elsner, die heute gekommen ist und auf der Galerie sitzt, herzlich begrüßen.

Noch einmal: Wir sind nicht hier, um Schuld oder Unschuld zu beurteilen, aber ich darf ihr persönlich meinen Respekt dafür ausdrücken, wie sehr sie als Ehefrau für ihren Mann kämpft. (Beifall beim BZÖ.)

Es ist ein Unrecht, meine Damen und Herren, wenn von einem Staatsanwalt eine zentimeterdicke Anzeige schlichtweg übersehen wird, weil der Betroffene ein ehe­maliger Minister der ÖVP ist.

Es ist ein Unrecht, wenn auf Weisung der Staatsanwaltschaft St. Pölten Ermittlungen wegen Untreue und Bilanzfälschung gestoppt werden, weil die betroffene Bank eine ÖVP-Bank, die Bank des niederösterreichischen Landeshauptmannes Erwin Pröll ist. (Abg. Kößl: ... Unterstellung!)

Es ist Unrecht, meine Damen und Herren, wenn Ermittlungen bewusst verzögert und verschleppt werden, weil der Betroffene Karl-Heinz Grasser heißt und ein Ex-Minister der Österreichischen Volkspartei ist.

Es ist ein Unrecht, wenn in der Verfassung verankerte Grundrechte wie das Redak­tions­geheimnis oder die Pressefreiheit von Ihnen mit Füßen getreten werden, weil Sie unliebsame Berichterstattung verhindern wollen. (Beifall beim BZÖ.)

Und es ist ein Unrecht, wenn Sie im Rahmen Ihrer Funktion einem verstorbenen Lan­deshauptmann kriminelle Machenschaften unterstellen, weil er die falsche Parteizugehörigkeit hat. Das ist ein Unrecht, und das bleibt ein Unrecht! (Beifall beim BZÖ.)

Sie haben die Verantwortung, für Unabhängigkeit – für Parteiunabhängigkeit – im Justizressort zu sorgen, aber Sie machen genau das Gegenteil. In einem Sinnbild


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gesagt: In Ihrem Ministerium hängt nicht der Bundesadler über Ihrem Büroschreibtisch, sondern das Giebelkreuz des Raiffeisen-Konzerns. (Zwischenbemerkung auf der Regierungsbank.)

Es ist die Wahrheit, dass Sie, Frau Dr. Bandion-Ortner, eigentlich die Wunschkan­di­datin des Raiffeisen-Generaldirektors Christian Konrad, waren. (Heiterkeit bei Abg. Kößl. – Abg. Großruck: ... Dalai Lama! ... Mutter Teresa!)

Es ist eine zweite Wahrheit, dass wir neben dem Obersten Gerichtshof, den es bereits gibt, zusätzlich eine Art schwarzen Gerichtshof bekommen haben, von dem im Auftrag der ÖVP-Zentrale Funktionäre der eigenen Partei von der Justiz geschont und ge­schützt werden, unliebsame Oppositionspolitiker verfolgt und angezeigt werden und hier im Hohen Haus Mitarbeiter von Oppositionspolitikern verhört werden. (Zwischenruf des Abg. Kößl.)

Das ist eine Schande für das Hohe Haus! Das ist eine Schande für den österreichi­schen Rechtsstaat, meine Damen und Herren! (Beifall beim BZÖ.) Als aufrechter Demokrat darf man nicht zulassen, dass mit der Justiz in Österreich derart verfahren wird. (Zwischenruf des Abg. Grosz.)

Meine Damen und Herren, noch einmal: Es hat jeder das Recht darauf, ein faires, unabhängiges und objektives Verfahren zu bekommen. Friedrich der Große hat schon gesagt (Abg. Mag. Schönegger: Na geh, zitiert er schon wieder? Zuerst den Brecht und dann ...!): „In den Gerichtshöfen sollen die Gesetze sprechen und der Herrscher schweigen.“

Ich fordere Sie auf, Herr Bundesparteiobmann und Vizekanzler Josef Pröll: Unterlas­sen Sie es, parteipolitischen Einfluss über die Frau Justizministerin Bandion-Ortner auf die Justiz und Rechtsprechung in Österreich auszuüben – denn das tun Sie, und das ist mehrfach bewiesen! (Beifall beim BZÖ.)

Eines sage ich Ihnen schon heute: Wir werden nicht aufhören – als eine Partei, die die Unabhängigkeit der Justiz und die Bürgerrechte beschützt und verteidigt –, diese Vorgehensweisen auch in Zukunft anzuprangern, Ihnen genau auf die Finger zu schauen und vor allem auch dafür zu kämpfen, dass Sie gemeinsam mit Ihrem Kabi­nettschef Krakow das Feld räumen, Ihre Brillen zusammenräumen und das Justiz­ministerium verlassen. (Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll: Stefan, bitte, hör auf!)

Ein letzter Beweis für die ÖVP-Machenschaften im Justizministerium ist die Tatsache, dass Georg Krakow nunmehr zum Generalanwalt in der Generalprokuratur bestellt werden soll, damit die Volkspartei über die Person Georg Krakow auch einen Zugriff in der Generalprokuratur hat. Das ist die Wahrheit! (Beifall beim BZÖ.) Meine Damen und Herren! Mir versagt die Stimme, aber Ihnen, Frau Bundesministerin, versagen wir das Vertrauen!

Ich darf daher folgenden Antrag einbringen:

Misstrauensantrag

der Abgeordneten Petzner, Mag. Stadler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ver­sagen des Vertrauens gegenüber der Bundesministerin für Justiz

Der Nationalrat wolle beschließen:


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„Der Bundesministerin für Justiz wird gemäß Art. 74 Abs. 1 B-VG durch ausdrückliche Entschließung des Nationalrates das Vertrauen versagt.“

*****

Frau Bundesministerin! Ihr Bestellungsgrund war das BAWAG-Urteil – und das ist vor wenigen Tagen für Sie zum Entlassungsgrund geworden. Räumen Sie das Feld im Sinne der Unabhängigkeit und der Rechtsstaatlichkeit! (Beifall beim BZÖ. – Ruf: Das war die schwächste Rede, die ich je gehört habe!)

16.01


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Der soeben eingebrachte Misstrauensantrag gemäß § 55 Geschäftsordnungsgesetz ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhand­lung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Misstrauensantrag

der Abgeordneten Petzner, Mag. Stadler Kolleginnen und Kollegen betreffend Ver­sagen des Vertrauens gegenüber der Bundesministerin für Justiz

eingebracht im Zuge der Debatte zur Dringlichen Anfrage der Abgeordneten Petzner, Mag. Stadler Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend „Bandions Blamagen“ und deren Folgen für den österreichischen Rechtsstaat in der 81. Sitzung des Nationalrates

Eine unabhängige, objektive und funktionierende Justiz, der die Menschen dieses Lan­des vertrauen, ist neben Exekutive und Legislative die dritte wesentliche und tragende Säule eines demokratischen Rechtsstaates. Wankt das Vertrauen der Menschen in die Justiz, wankt auch das Vertrauen in den Staat, und das Fundament, auf dem unsere Republik aufgebaut ist, ist bedroht. Die Sicherstellung von Vertrauen durch die Gewähr­leistung und Verteidigung einer unabhängigen, objektiven und funktionierenden Rechtsprechung ist daher zentrale Aufgabe der politischen Verantwortungsträger, zu aller erst des Justizministers.

Im Wissen um diese besondere politische Verantwortung hat es in Österreich Tradition, dass das Amt des Justizministers mit einer Persönlichkeit besetzt wird, die sich durch besondere moralische Integrität, fachliche Kompetenz und absolute Unabhängigkeit auszuzeichnen hat. Diese gelebte und bewährte österreichische Tradition wurde mit der Bestellung von Claudia Bandion-Ortner zur Justizministerin gebrochen. Mit der Folge, dass das Vertrauen in die dritte wesentliche und tragende Säule eines demo­kratischen Rechtsstaates, die Justiz, nachhaltig erschüttert ist, dem Ansehen der Justiz in Österreich schwerer Schaden zugefügt und das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit ausgehöhlt wurde.

Denn Bandion-Ortner steht bestenfalls für politische Scheinneutralität, und – und das ist wesentlich – sie kann dem Anspruch auf moralische Integrität, fachliche Kompetenz und parteipolitische Unabhängigkeit in keiner Weise gerecht werden. Das hat sie durch ihr Tun und Handeln hinlänglich bewiesen, was unter anderem am Beispiel der Fälle BAWAG, Natascha Kampusch, Hypo Niederösterreich, Hypo Alpe Adria, Karl-Heinz Grasser, Ernst Strasser, der angeblichen Haider-Konten oder am Fall Gottfried Kranz deutlich wird.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen nachstehenden


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Antrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesministerin für Justiz wird gemäß Art. 74 Abs. 1 B-VG durch ausdrückliche Entschließung des Nationalrates das Vertrauen versagt.“

*****

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Jarolim. 7 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


16.00.56

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Meine Damen und Herren MinisterInnen! Meine Damen und Herren! (Abg. Ing. Westenthaler: Jetzt kommt der Pflichtverteidiger! – Zwischenruf des Abg. Bucher.) Ich glaube, man muss unterscheiden – es ist ja auch Gegenstand der heutigen Diskussion – zwischen einerseits dem Amt der Ministerin und andererseits der Tätigkeit eines Richters/einer Richterin. (Abg. Grosz: Knittelfeld!)

Natürlich ist es kein Ruhmesblatt, wenn man von der Generalprokuratur erfährt, dass hier ein Urteil, das ein sehr wesentliches Urteil war in diesem Land, mit nicht uner­heblichen Mängeln behaftet ist. (Abg. Dr. Rosenkranz: Aber wo! Das ist ja nur nebensächlich! So kleine Nebensachen!) Das ist aber noch nicht letztgültig, da gibt es ja noch eine OGH-Entscheidung. Das ist sicherlich kein Ruhmesblatt und auch sicherlich nicht irrelevant.

Man muss auf der anderen Seite allerdings anerkennen, dass der Keim dieser Ent­scheidung – sofern sie mangelhaft war – natürlich auch darin gesteckt ist, dass die Anklage mangelhaft war. So ist etwa nicht berücksichtigt worden, dass das Auslie­ferungsbegehren Tatbestände nicht beinhaltet hat, die dann beurteilt worden sind.

Also ich meine, dass man hier schon etwas relativieren muss. Daher glaube ich, kann man sich nur der Meinung des Herrn Vizekanzlers anschließen, diesbezüglich sozu­sagen die Stimme des OGH – im Dezember gibt es eine Entscheidung – abzuwarten und dann in dieser Angelegenheit selbst zu sprechen, weil es eben ein Gutachten ist, aber nicht eine letztgültige Entscheidung.

In der Sache selbst ist ein Wort gefallen. Es ist nicht unerwartet, dass Fehler pas­sieren. Ich glaube, wir müssen alles dazu beitragen, um zu schauen, dass das Vertrauen in die Justiz nicht gefährdet wird, dass es aufgebaut wird. Insofern wün­schen wir uns natürlich alle – und ich glaube auch, alle müssen dazu beitragen –, dass wir Verhältnisse schaffen, die es ermöglichen, dass es in der Justiz möglichst wenige Fehler gibt. Wir brauchen eine gut ausgebildete Justiz und die österreichische Justiz hat international einen hervorragenden Ruf.

Daher ist es auch gut und sinnvoll gewesen, dass wir jetzt eine Budgetposition freigespielt haben, um der Justiz vermehrt Verstärkung personeller Natur zu geben. Damit ist es auch möglich geworden, dass Kompetenzpaket, das ja schon in der letzten Diskussion hier vorgestellt wurde, auf Schiene zu bringen. Ich denke, dass wir hier auf der inhaltlichen Ebene, auf der ministerialen Ebene sehr wohl gute Fortschritte erzielen werden.

Ich möchte etwas zum BAWAG-Urteil sagen, weil das hier angesprochen wurde. Das war eines mit einer sehr kurzen Verhandlung, einem sehr vehementen Vorgehen der damaligen Richterin und des damaligen Staatsanwaltes. Was ich mir wünsche, ist, dass wir ein ähnliches Verhalten auch in den Verfahren zeigen, die wir sonst kennen,


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so zum Beispiel Hypo Alpe-Adria, das Verfahren gegen Grasser in der Causa Meinl, Libro, YLine, die laufen schon zehn Jahre! (Abg. Strache: Kommunalkredit bitte nicht vergessen! Hypo Niederösterreich bitte nicht vergessen!)

Frau Justizministerin, insofern darf ich Sie ersuchen, sich an die Zeit des BAWAG-Urteils zu erinnern und die gleiche Dynamik hier in die Strafverhandlungen hinein­zubringen.

Reden wir jetzt noch einmal über die BAWAG! Mir ist es nicht ganz verständlich – das muss ich auch gleich einräumen –, dass der Herr Flöttl sage und schreibe 637 Mil­lionen € zur Gänze verzockt hat. Also einer, der im Kapitalmarkt tätig ist, der sehr erfolgreich war in der Zeit davor, der 637 Millionen € weggespielt hat (Abg. Mag. Stadler: Oder verteilt! – Abg. Ing. Westenthaler: Oder verteilt und vergraben!), der uns erklärt hat, dass der Laptop, auf dem das alles war, leider verschwunden ist, einen Datenabsturz hatte und die Unterlagen, die sonst auch vorhanden sein müssten, auch nicht da sind, dass der nicht verfolgt wird! Ich höre jetzt von einer Verjährung.

Frau Ministerin, ich glaube, dass es wichtig ist, dass sich die staatsanwaltschaftlichen Behörden das noch einmal ganz genau anschauen, weil es doch ein ganz, ganz wesentlicher Aspekt in der Angelegenheit BAWAG war. (Präsidentin Mag. Prammer übernimmt den Vorsitz.)

Ansonsten denke ich aufgrund der gegenständlichen Diskussion, dass wir auch dar­über diskutieren sollten, weiter diskutieren sollten, ob es nicht sinnvoll ist, eine Bun­desstaatsanwaltschaft zu schaffen, damit wir genau diese Argumente, um die es derzeit geht, in Zukunft nicht mehr haben. Wir haben eine Bundesstaatsanwaltschaft vorgeschlagen. Expertinnen und Experten haben das vorgeschlagen. Dieser Vorschlag ist jetzt nahezu ein Jahrzehnt alt. Einen Bundesstaatsanwalt, eine Bundesstaats­anwältin – das kann man nennen, wie man will –, kann man mit zwei Drittel der Parla­mentsmehrheit wählen, damit hier ein besonderer Ausdruck des Vertrauens vorliegt. Der soll dann über die Belange der Staatsanwaltschaft Kompetenzen haben.

Ich glaube, das ist ein guter Vorschlag. Er wird von Expertinnen und Experten weitest­gehend unterstützt. Ich weiß nicht, warum wir uns dem hier verschließen. Ich appelliere an den Herrn Vizekanzler, dass wir uns hiemit in die richtige Richtung bewegen.

Frau Bundesministerin, wenn wir jetzt über die Justiz und die Funktionalität der Justiz sprechen, müssen wir auch darüber reden, wie es innerhalb der Justiz ausschaut, auch wie es innerhalb eines Ministeriums ausschaut und ausschauen kann. Daher wäre mein Appell – ich spreche jetzt die Causa Bogensberger an –, dass man zukünftig anders vorgeht als in dieser Angelegenheit. Ein außerordentlich renommierter, inter­national anerkannter Experte im Strafrecht wurde in laufender Fünf-Jahres-Periode durch eine, wie ich meine, doch eher fadenscheinige Reorganisation abmontiert.

Wenn ich mir in der letzten Ausgabe der „Österreichischen Richterzeitung“ eine Stellungnahme von ihm durchlese, die ich vielleicht ganz kurz zitieren darf, dann hoffe ich, dass Sie wissen, was ich meine. Das sollte ja wirklich nicht vorkommen. Bogens­berger sagt:

Ich hatte bisher immer Vorgesetzte gehabt, die mir mit Wertschätzung begegnet sind. Nunmehr musste ich aber mit völlig neuen Rahmenbedingungen auskommen: ausgrenzen, Informationen vorenthalten, übergehen, nicht einbeziehen in wesentliche Gespräche, also Rahmenbedingungen, die mich zunehmend in meiner Arbeitsfähigkeit behindert haben. – Zitatende.

Frau Ministerin, ich sage nicht, dass Sie das zu vertreten haben, glaube aber, dass Sie sehr wohl in Ihrem Kabinett Sorge dafür tragen müssen (Zwischenruf bei der ÖVP –


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Abg. Mag. Stadler: Zeuge Jarolim!), dass derartige Verhältnisse im Haus nicht statt­finden, weil wir dann insgesamt in der Justiz natürlich einen ruhigeren Ablauf hätten.

Das, was ich jetzt hier betreffend Generalprokuratur gehört habe, und dass sich der Kabinettschef möglicherweise für die Generalprokuratur bewirbt, da würde ich ersuchen – ich weiß nicht, wie weit das ist, ich habe das auch erst gestern gehört –, dass Sie sich das wirklich sehr gut überlegen. Das gab es in der Zweiten Republik bis dato nicht.

Ich glaube, es wäre eine fatale Optik für die Justiz, aber auch für die betroffenen Personen – und ersuche Sie, darüber noch einmal nachzudenken. (Beifall bei SPÖ und BZÖ. – Abg. Mag. Stadler: Das war der Zeuge Jarolim! – Abg. Petzner hält ein Schriftstück in die Höhe.)

16.07


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Klubobmann Kopf. Ich stelle die Uhr wunschgemäß auf 7 Minuten. – Bitte.

 


16.08.03

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Geschätzte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete! Ich stimme mit dem Einleitungstext der Dringlichen Anfrage durchaus überein (Abg. Scheibner: Was ist mit der Blamage?):

„Eine unabhängige, objektive und funktionierende Justiz, der die Menschen dieses Landes vertrauen, ist neben Exekutive und Legislative die dritte wesentliche und tragende Säule eines demokratischen Rechtsstaates. (Abg. Petzner: Schöner Satz!)

Es geht noch weiter – und auch das referiere ich gerne –:

„Die Sicherstellung von Vertrauen durch die Gewährleistung und Verteidigung einer unabhängigen, objektiven und funktionierenden Rechtsprechung ist daher zentrale Aufgabe der politischen Verantwortungsträger (...).“

Das sind viele. Die Praxis zeigt leider in vielen Fällen ein ganz anderes Bild. Justiz­verfahren werden permanent und, wie ich zumindest feststelle, immer häufiger Gegenstand der politischen Agitation. Insbesondere, aber leider nicht nur, die Oppo­sition tut sich dabei hervor. (Rufe beim BZÖ: Oh! – Abg. Mag. Stadler: Darf er das?) Die Staatsanwaltschaft wird von Politikern zu bestimmten Ermittlungshandlungen aufgefordert. Das ist ungeheuerlich.

Meine Damen und Herren, es geht noch weiter. Es werden dauernd Attacken auf die Justiz und in letzter Konsequenz auf die Justizministerin geritten (Abg. Grosz: Es gibt sogenannte steirische Schwitzhütten!) – und da tun sich leider auch die Damen und Herren unseres Koalitionspartners namens Jarolim, Kräuter, Rudas immer wieder hervor. (Zwischenruf des Abg. Mag. Gaßner.)

Meine Damen und Herren von der SPÖ, ich frage Sie: Haben Sie schon bemerkt, dass Sie seit 2007 nicht mehr in der Opposition sind? Haben Sie bemerkt, dass Sie nicht mehr in der Opposition sind? (Beifall bei der ÖVP.)

Dann kommen noch die bühnenreifen Auftritte und Verschwörungstheorien des Kollegen Stadler dazu. Die waren gestern wieder bühnenreif. (Abg. Petzner: Das schon!) Die Frau Präsidentin ist Ihnen sogar darauf hereingefallen (Abg. Mag. Gaßner: ... unerhört! – Abg. Strache: Frau Präsident! Wie geht er mit Ihnen um?!), was auch noch Gegenstand der Diskussion sein wird.

Aber zur Anfrage, die Sie gestellt haben: Sie bezweifeln die fachliche Kompetenz von Frau Bundesministerin Bandion-Ortner? – Von vielen Experten wird der Frau Bundes­


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ministerin höchste Kompetenz beschieden! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Bucher.) Frau Mag. Bandion-Ortner hat komplexeste Verfahren wie BAWAG, „Konsum“ und Rydl in einer souveränen, hervorragenden Art und Weise abgewickelt, die vielen Expertinnen, Experten hohe Bewunderung abgerungen hat. Auch das Urteil, das sie letzen Endes in dieser Komplexität gefällt hat, ist ja jetzt von der General­prokuratur im Wesentlichen bestätigt worden, in einigen Punkten nicht.

Es wird mit Sicherheit beim Strafausmaß, wenn überhaupt, eine ganz geringfügige Korrektur geben und da spricht jemand, der Herr Jarolim vorhin, von Fehlern. – Ja, es gibt unterschiedliche Rechtsauffassungen in den Instanzen der Rechtsprechung. Deswegen ist es kein Fehler, die Rechtsauffassung der Erstinstanz zu haben, auch wenn die nächste Instanz oder eine übergeordnete Instanz eine andere Rechtsauf­fassung vertritt. Das ist kein Fehler, sondern Gott sei Dank gibt es die übergeordneten Instanzen, die wir alle in Anspruch nehmen können, aber das ist kein Fehlverhalten und kein Fehler der damaligen Richterin – in diesem Fall – Claudia Bandion-Ortner. (Beifall bei der ÖVP.)

Ausgerechnet Sie wollen die moralische Integrität der Frau Bundesministerin in Zweifel ziehen, ausgerechnet Sie?! (Ruf bei der ÖVP: Das ist eine Chuzpe!) Die Frau Bundes­ministerin muss damit leben. Sie ist in die Politik gegangen und hier herrschen offenbar ganz andere Sitten. Mit dem muss man sich abfinden und anfreunden. (Abg. Mag. Stadler: Das „Schmerzensgeld“ war hoch!) Das ist oft nicht angenehm, vor allem wenn es persönliche Angriffe sind. Aber das geht zu weit, Kollege Stadler!

Die moralische Integrität einer Bundesministerin auf diese Weise, wie Sie es tun, in Frage zu stellen (Ruf bei der ÖVP: Darf man das?), da finden sich dann Rede­wendungen wie: „weckt den Verdacht, dass ...“ oder „lassen vermuten, dass ...“ – Da entsteht eine schiefe Optik.

Wenn Sie damit Ihre Vorwürfe begründen wollen, dann sollten Sie sich wirklich etwas Besseres suchen. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Frau Bundesministerin hat zu Recht auf viele Dinge verwiesen, die sie in ihrer noch recht kurzen politischen Laufbahn, in den letzten zwei Jahren, auf die Wege gebracht hat. Die Insolvenzrechtsreform, die elektronische Aufsicht, die eingetragene Partner­schaft und vieles andere mehr sind in dieser kurzen Zeit an Reformen auf den Weg gebracht worden. Frau Bundesministerin, ich kann dir dazu nur recht herzlich gratu­lieren und dich ermuntern, auf diesem Wege weiterzugehen. (Beifall bei der ÖVP. – Ruf beim BZÖ: Bussi, Bussi!)

Noch eines, meine Damen und Herren, die Rechtspflege in diesem Land funktioniert, aber es gibt individuelle Fehler, überhaupt keine Frage. (Abg. Bucher: Das heißt nichts Gutes! Solche Sachen sind immer gefährlich!) Testamentsfälschungen in Vorarlberg sind individuelle, persönliche Verfehlungen, leider innerhalb der Justiz (Abg. Mag. Stadler: Vier Jahre lang nicht aufgefallen! Keinem ist es aufgefallen!), oder diese Sache mit der Einvernahme von Journalisten und der Brechung des Redaktionsge­heimnisses durch die Staatsanwaltschaft Wien. Da hat die Frau Ministerin ja auch entsprechend gehandelt. Das sind Fehler, die passiert sind.

Es gibt auch unbewiesene Vorwürfe, wie zum Beispiel im Fall Kampusch. Ich schätze den ehemaligen OGH-Präsidenten Herrn Rzeszut sehr und man muss das auch ernst nehmen. Die Frau Bundesministerin tut das auch, sie lässt die ganze Sache noch einmal überprüfen. Aber es sind im Moment unbewiesene Vorwürfe. (Abg. Mag. Stadler: Mit den Vorwürfen seid ihr sonst auch immer schnell!) Daraus einen Vorwurf an die Frau Bundesministerin zu konstruieren, ist geradezu absurd, Herr Kollege Stadler. (Beifall bei der ÖVP.)


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Wenn wir über etwas diskutieren sollten, dann über die Frage, ob wir nicht möglicher­weise – das müssen wir uns alle hier fragen – mit der letzten Strafprozessord­nungsno­velle nicht doch unter Umständen ein Problem geschaffen haben. Die Staats­anwaltschaft als alleinige Herrin des Verfahrens scheint mir in der Zwischenzeit mit den gewonnen Erfahrungen nicht unproblematisch zu sein. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Mag. Stadler: Hurra! Hurra!) Es gibt aber mehrere Erfahrungen, das muss evaluiert werden. (Zwischenruf des Abg. Grosz.)

Es gibt mehrere Möglichkeiten, mit dieser Erkenntnis umzugehen. (Abg. Mag. Stadler: Heureka!) Ich halte nichts von der Idee der SPÖ, einen Bundesstaatsanwalt, der dann auch noch politisch gewählt wird, zu bestellen. Aber wir müssen über das Thema Kontrolle der Staatsanwaltschaft hier mit Sicherheit reden. (Abg. Dr. Rosenkranz: Am besten in einem Untersuchungsausschuss!)

Es gibt auch andere Möglichkeiten einer parlamentarischen Kontrolle der Staatsanwalt­schaft. Natürlich nicht im Einzelfall, keine Frage, aber in generaliter wäre es möglich, eine solche Kontrolle einzuführen. Ich denke, wir sollten aber abseits solcher pole­mischer Attacken, die hier jetzt gerade geritten werden, darüber in Ruhe, seriös unter den Experten und unter uns Politikern reden. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Hagenhofer und Mag. Johann Maier.)

Ein Letztes, meine Damen und Herren, unterlassen – und zwar gilt das für nahezu alle – wir doch diese polemischen Angriffe und Untergriffe auf ein Institut unseres Rechtsstaates, das nicht wichtiger sein könnte wie eben die Justiz. Unsere Bundes­ministerin Claudia Bandion kämpft engagiert für die notwendigen Reformen. Sie bekämpft engagiert fehlerhaftes Verhalten, wo es vorkommt, und sie sichert mit ihrem Einsatz die Unabhängigkeit der Justiz.

Frau Bundesministerin, ich gratuliere dir dazu und wir werden dir mit Sicherheit anschließend das volle Vertrauen aussprechen. Ich lade alle dazu ein, dasselbe zu tun. Dieser Misstrauensantrag ist so etwas von überflüssig und nicht sachgerecht und wird deiner Arbeit in keiner Weise gerecht. Ganz im Gegenteil, du verdienst unser unein­geschränktes Vertrauen! (Beifall bei der ÖVP.)

16.17


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Hübner. Wunschgemäß stelle ich die Uhr auf 9 Minuten Redezeit ein. – Bitte.

 


16.17.47

Abgeordneter Dr. Johannes Hübner (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Vorredner! Ja, dem Kollegen Kopf ist natürlich zuzustimmen – das ist ein ganz wichtiger Punkt –: Der unabhängigen Justiz darf weder von den Politikern noch von den Medien und auch nicht von uns ans Zeug geflickt werden.

Aber die Justiz teilt sich heute und insbesondere seit der letzten StPO-Novelle in zwei Bereiche. Da gibt es wirklich die unabhängige Justiz, die aus unabsetzbaren, unver­setz­baren und unabhängigen Richtern besteht und dann gibt es die Staatsanwalt­schaft. In der Staatsanwaltschaft gibt es das Vorverfahren oder die Voruntersuchung. Hier sind wir in einem Bereich, wo eben nicht mehr der unabhängige, unversetzbare und weisungsfreie Richter, sondern wo eine weisungsgebundene und letzthin der Frau Bundesministerin für Justiz unterstehende Behörde agiert. Und da ist sehr wohl Handlungsbedarf für einen Politiker und daher für das Parlament gegeben. (Beifall bei der FPÖ.)

Das heißt, diese generelle Zurückweisung der Beschäftigung mit den Problemen ist sachlich falsch und nicht angebracht. Jetzt aber zum Misstrauensantrag und zu den Anfragen selbst.


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Missstände gibt es natürlich im Bereich der Voruntersuchungen und des Vorver­fahrens. Darüber können wir uns nicht hinwegschwindeln. Der Kollege Petzner hat ja schon einige philosophische Überlegungen gebracht über die Justiz als Fessel, damit wir in Freiheit leben können. Aber eine ganz wichtige Überlegung möchte ich noch beifügen, und zwar der große Immanuel Kant hat einmal gesagt, dass die Gerech­tigkeit und die Justiz es ist, die Willkür des einen und die Willkür des anderen nach den Gesetzen der allgemeinen Freiheit beschränken. – Das Wichtige dabei ist das Wort „und“. Es gibt verschiedene Spieler in unserer Ordnung und alle wollen sich möglichst viel Platz und möglichst viele Rechte herausholen. Die Gerechtigkeit und die Justiz müssen diese so beschränken, dass jeder in einem Maximum an Freiheit und in Entfaltung seiner Möglichkeiten und seiner Rechte leben kann.

Das scheint für den durchschnittlichen Beobachter derzeit gefährdet zu sein, denn wir sehen Gewichtungen in den Vorerhebungen und Voruntersuchungen, die nicht nur mit diesem Kantischen Grundsatz, sondern auch mit meinem Verständnis von Gleich­behandlung und Gleichgewichtung nicht mehr in Einklang zu bringen sind.

Ich erzähle hier nicht die ganzen Geschichten, sondern ich werfe nur Schlagworte hin, weil wir das ohnehin kennen. Vergleichen Sie nur einmal CSI Hypo – das ist eh schon erwähnt worden – mit dem Vorgehen in Sachen Kommunalkredit oder Hypo Nieder­österreich. Bei der Hypo Niederösterreich ist wenigstens ein bisschen etwas passiert. Es ist zwar gleich beendet worden, aber bei der Kommunalkredit ist überhaupt nichts passiert. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Strache: Das ist richtig!)

Bei der Kommunalkredit ist ein Schaden in Milliardenhöhe entstanden, den wir gar nicht abschätzen können. Wir kriegen ja halbjährlich Berichte vom Staatssekretär über den Stand dieser Katastrophe. Das ist eine Affäre, die einen ganzen Sektor der österreichischen Finanzwirtschaft, nämlich den Volksbankensektor, an den Rand des Abgrundes gebracht hat und die uns über Jahre belasten wird und die dazu geführt hat, dass die beiden Teile der Kommunalkredit verschenkt wurden, und zwar ein Teil an die Republik und der andere Teil an einen ausländischen Partner.

Hier ist aber gar nichts geschehen! Ich sage jetzt nicht, dass das damit zu tun, dass die mitverantwortliche Vorstandsdirektorin jetzt Ministerin ist, aber ein gewisser Ein­druck in diese Richtung lässt sich wohl nicht wegwischen. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich spreche auch davon, dass es die Justiz unterlassen hat, in den eigenen Reihen für Sauberkeit zu sorgen. Ich erwähne auch da wieder nur schlagwortartig das auch hier schon mehrfach besprochene Problem der früheren Wirtschaftsstaatsanwaltschaft des Landesgerichts für Strafsachen Wien, und da Staatsanwalt Roland Schön.

Wir kennen ja nur kleine Flanken – sage ich einmal – der Vorwürfe durch Veröffent­lichungen im „Falter“, dem das zugespielt worden ist. Fast jeder, der in der österreichi­schen oder in der Wiener Rechtsverfolgung tätig ist, kennt Fälle, wo diese Staats­anwaltschaft in einer Weise gehandelt hat, die jeder Beschreibung spottet. Und was haben wir heute hier gehört statt der Forderung: Da muss durchgegriffen werden, da muss aufgeräumt werden, da müssen wir ein Beispiel setzen und da müssen wir den allgemein ordentlichen, den allgemein pflichtbewussten und unbestechlichen Mitar­beitern der Justiz zeigen, wie die schwarzen Schafe behandelt werden!? Stattdessen haben wir hier gehört: Na ja, man hat letztendlich alles eingestellt, denn es hat sich ja um eine immerhin vertretene Rechtsmeinung gehandelt!

Das sind Dinge, die wirklich problematisch sind und die tatsächlich das Vertrauen in die Rechtsverfolgung, zumindest was die staatsanwaltschaftliche Seite betrifft, unter­graben!


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Ein Letztes möchte ich noch bringen, weil es hier auch gefallen ist: Das ist die Causa Moschitz, die meiner Ansicht nach völlig falsch angezogen worden ist. Hier wird näm­lich gerügt, dass sich die Staatsanwaltschaft bemüht, ein Beweismittel herauszube­kommen. Warum das rügepflichtig sein soll, weiß ich nicht. Wohl nur deshalb, weil sich da der ORF in falscher Auslegung auf ein Redaktionsgeheimnis beruft und weil einige Leute da sekundieren. Ein Redaktionsgeheimnis, das den Informanten schützt, wird verwendet, um den Herrn Johannes Fischer und den Herrn Moschitz und die anderen Mitbeteiligten zu schützen, um sich der Justiz zu widersetzen. (Beifall bei der FPÖ.)

Also da hat die Justiz richtig und konsequent und gesetzmäßig gehandelt. Aber in einem Punkt hat sie problematisch gehandelt. Das sage ich jetzt als FPÖler und Mitbetroffener, aber auch als Staatsbürger. Sie hat sehr problematisch darin gehandelt, dass die Staatsanwaltschaft, nämlich die Oberstaatsanwaltschaft, nach Rücksprache mit dem Justizministerium, wie wir das im Rahmen der Behandlung im Immunitätsausschuss dem Akt entnehmen konnten, angeordnet hat, das Opfer dieser Angelegenheit, nämlich Heinz-Christian Strache, als Beschuldigten zu führen, und zwar mit der Begründung, dass in einer Anzeige behauptet wurde, all das, was Strache behauptet hat, ist nicht wahr.

Das heißt, es geht so weit, dass die Staatsanwaltschaft Dinge anordnet, die dazu führen, dass ein Opfer prinzipiell gleichzeitig mit dem Beschuldigten als Beschuldigter zu führen ist, denn wenn das Opfer nicht recht gehabt haben sollte, wenn der Beschuldigte freigesprochen wird, dann müsste ja das Opfer gleich als Verleumder oder zumindest als falscher Zeuge behandelt werden. (Abg. Mag. Stadler: Das ist ein beliebtes Spielchen! – Abg. Ing. Westenthaler: Das ist nichts Neues!) Also man muss sicherheitshalber immer gleich die Opfer auf die Beschuldigtenbank setzen, damit man das gleich mit verhandelt.

Das ist etwas, was in der österreichischen Justiz bisher nicht vorgefallen ist! Ich zumindest kenne – und ich bin auch schon eine Weile Rechtsanwalt – kein Beispiel, wo das passiert ist. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Mag. Stadler: Bei Westenthaler!)

Vielleicht das Beispiel Westenthaler, aber den Akt habe ich nicht verfolgt. Ich kenne kein Beispiel, wo passiert ist, dass man den Anzeigenden, das Opfer mit auf die Anklage­bank gesetzt hat. (Neuerlicher Beifall bei der FPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Genau das ist bei mir passiert!) – Da könnte ich noch vieles sagen, aber jetzt muss ich ein bisschen die Seiten wechseln.

Man muss auch eines sagen: Die Vorwürfe, die jetzt zur Grundlage des Misstrauens­antrages gemacht wurden, beruhen im Wesentlichen auf medialen Berichterstattungen, auf Privatmeinungen, auf Ansichten des Herrn Rzeszut. Sollte – ich betone: sollte! – das alles so stimmen, wie der Herr Rzeszut es dargestellt hat, dann wäre wahr­schein­lich Handlungsbedarf gegeben und dann müsste man natürlich über den Rücktritt der Frau Ministerin nachdenken. Keine Frage! Aber nur deshalb, weil jemand Vorwürfe erhebt, können wir nicht davon ausgehen, dass das alles wahr ist, und die Forderung erheben, die Ministerin muss einmal prophylaktisch zurücktreten. Das ist mit meinem Verständnis einer rechtsstaatlichen Vorgangsweise auch nicht vereinbar. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Wenn ich hier die Liste der Vorwürfe durchgehe, dann muss ich sagen: Ja, da kann man über alles Mögliche diskutieren, da hätte man vielleicht etwas anders machen können! Ich habe ja einiges davon erwähnt. Aber Fälle wie zum Beispiel die Causa Strasser (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler), so ärgerlich die ist und so wenig so etwas hätte passieren dürfen, der Frau Justizministerin anzulasten und als Rück­trittsgrund heranzuziehen, wo sie doch viel später, nämlich am 1. Jänner 2009, Minis­terin geworden ist, zu einem Zeitpunkt, wo das alles längst schon verjährt war, da


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muss ich sagen: Das geht schon, lieber Kollege Stadler, ein bisschen sehr, sehr weit! (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler.)

Kurz und zusammengefasst daher: Wir werden dem Misstrauensantrag der Kollegen Petzner und Stadler und wer immer noch dabei ist aus den erwähnten Gründen nicht zustimmen – zumindest vorläufig nicht zustimmen –, denn zuerst muss abgeklärt werden, was an diesen ganzen Geschichten wirklich dran ist.

Ich ersuche aber, unserem eingebrachten Antrag auf Einsetzung eines Unter­suchungs­ausschusses zu den Rzeszut-Vorwürfen zuzustimmen. Schauen wir, was da heraus­kommt – und dann reden wir weiter über die Ministerverantwortlichkeit! – Danke. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.26


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Mag. Steinhauser gelangt nun zu Wort. – Bitte.

 


16.26.56

Abgeordneter Mag. Albert Steinhauser (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Was lehrt uns die Zusammensetzung auf der Regierungsbank? – In der Not hält man zusammen, oder man genießt sein Amt, solange man es noch hat. Ich frage mich nur, wo Innenministerin Fekter geblieben ist, denn dann wäre das Krisenquartett vollständig.

Aber wirklich freue ich mich über die Anwesenheit unseres Vizekanzlers. Das zeigt, dass er zumindest ein kleines Stück Reue und Mitverantwortung empfindet, denn er hat die Bestellung der Frau Justizministerin zu verantworten, die ja der eigentliche Sündenfall ist – nicht, dass eine Richterin bestellt wurde.

Eine Richterin kann natürlich Justizministerin werden, und das ist auch grundsätzlich zu begrüßen. Was zu kritisieren ist, das ist der Zeitpunkt der Bestellung. Denn: Damals war das Urteil weder rechtskräftig, ja es war noch nicht einmal geschrieben, und die Folge war, dass die spätere Justizministerin, die damalige BAWAG-Richterin, unter hohem Zeitdruck das Urteil ausfertigen musste.

Wir erinnern uns: Sie musste dann krank werden, damit sie nicht angelobt wird. Während dieser Krankheit hat sie das BAWAG-Urteil fertiggeschrieben und ist ein Monat verspätet angelobt worden. Wenn wir heute hören, das Urteil wäre mangelhaft begründet, dann frage ich mich schon, welche Mitverantwortung der Herr Vizekanzler mit seiner Bestellung da wohl auch trägt. (Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll: Das war jetzt eine Umschreibung ...!)

Herr Vizekanzler, die Konsequenzen müssen ohnedies Sie ziehen, indem Sie jetzt hier auch als Parteiobmann für diese Krise der Justizministerin geradestehen müssen.

Klar ist: Die Bestellung der Justizministerin hat unmittelbar mit dem BAWAG-Verfahren zu tun. Frau Bandion-Ortner wäre heute nicht Justizministerin, wenn sie damals der Zufallsgenerator nicht für das BAWAG-Verfahren ausgewählt hätte. Und damit ist auch klar, dass Sie sich heute nicht beschweren dürfen, wenn die mögliche Aufhebung des BAWAG-Urteils auch eine Debatte über die Justizministerin auslöst.

Schon damals haben wir uns kritisch geäußert – nicht deshalb, weil Sie, Frau Bandion-Ortner, Justizministerin geworden sind, sondern deswegen, weil wir den Zeitpunkt für falsch gehalten haben. Damals haben wir schon gesagt: Wenn dieses Urteil nicht hält, dann wird das unweigerlich zu einer Debatte über die Justizministerin führen.

Aber ich nehme Ihre Einladung gern an: Ich will nicht über Sie als Richterin sprechen! Es ist ja tatsächlich richtig: Eine Richterin, die ein Urteil macht, das nicht hält, muss nicht zurücktreten! Es ist auch richtig, dass es vorkommt, dass Urteile nicht halten –


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wobei es nicht intendiert ist. Das muss man auch dazusagen. Intendiert ist schon, dass die erste Instanz entscheidet und dass das hält. Aber gut, es gibt Rechtsschutz­kon­trollen, Instanzen, die kontrollieren, und es ist gut, dass dann, wenn Fehler gemacht worden sind, das durch die Instanzen korrigiert wird.

Aber reden wir über Ihre Justizpolitik! Ich nehme Ihre Einladung gerne an.

Ihre Justizpolitik, Frau Ministerin, ist eine Aneinanderreihung von Pannen und Pleiten. Sie haben sich von einer Krise zur nächsten bewegt.

Erster Schritt Ihrer Amtshandlung: Kaum waren Sie angelobt, haben Sie das strenge Korruptionsstrafrecht aufgeschnürt und einen Kniefall vor den Lobbyisten der ÖVP gemacht. Das hat international für Aufsehen und Empörung gesorgt. Aber das war offensichtlich der Preis für Ihren Eintritt.

Ich muss Ihnen aber zugutehalten, dass Sie damals offensichtlich – ich habe zumin­dest das Gefühl gehabt – ohnedies nicht hinter dieser Maßnahme gestanden sind. Ich hatte den Eindruck, dass Sie damals auf großen Druck hin gehandelt haben.

Dann ist es weitergegangen. Der nächste Höhepunkt war die sogenannte Busspur-Affäre. Sie erinnern sich: Damals wollte unsere Justizministerin auf der Busspur an den Wienerinnen und Wienern vorbeibrausen. (Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll: Geh hör auf!) Dieses Anliegen ist dann wieder zurückgezogen worden, nachdem man erkannt hat, dass man so nicht den Bürgerinnen und Bürgern entgegentreten kann.

Nächster Höhepunkt war die Debatte im Sommer 2009. Damals haben wir über Inter­ventionen in heiklen politische Causen debattiert. Das war der berühmte Sack, der von einem Whistleblower zum „Falter“ getragen worden ist. Das hat die erste große Debatte über die Justiz ausgelöst und das Vertrauen in die Justiz massiv beschädigt. Und Ihr Krisenmanagement hat damals absolut nicht funktioniert, denn das Einzige, das Sie angeboten haben, war, dass Sie gesagt haben: Wir müssen den Verräter finden! – Das ist, glaube ich, zu wenig gewesen. Das haben Sie dann etwas verspätet erkannt, haben eine Kommission eingesetzt, die sehr schnell gearbeitet hat, aber mit der Umsetzung der Ergebnisse hat es dann wieder ein Jahr gedauert.

Dann hat es, kaum war diese Krise ausgestanden, den Untersuchungsausschuss gegeben, und zwar im Herbst 2009. Wieder hat es Fehler bei der Staatsanwaltschaft gegeben, für die Sie, zugegeben, nicht unmittelbar verantwortlich waren, denn das war vor Ihrer Zeit. Aber das Krisenmanagement war wieder suboptimal, denn zuerst haben Sie erklärt, es sei eh alles in Ordnung, und dann haben Sie die Fehler doch zugeben müssen. Und das löst halt wieder Misstrauen aus und wirft Fragen auf.

Dann war es eine Zeit lang ein bisschen ruhiger. Und dann ist der Sommer 2010 gekommen, und da haben wir diskutiert, dass in den heiklen Wirtschaftscausen nichts weitergeht. Auch da hat man feststellen müssen, dass wir ein Jahr versäumt haben, in dem wir gesetzliche Maßnahmen zu ergreifen und die personelle Ressourcen­aus­stattung zu verbessern gehabt hätten. Sie haben das unter Druck nachgeholt – aber beim Weisungsrecht sind Sie heute noch reformresistent. Erst unlängst haben Sie lauter Expertinnen und Experten eingeladen, und das Erste, was Sie erklärt haben bei der Frage: Wie geht man mit dem Weisungsrecht der Staatsanwaltschaft um?, war, dass Sie da nichts ändern wollen.

Und jetzt kommen wir zu den Postenbesetzungen im Justizbereich. – Man hat das Gefühl, es weht der Geist von Ernst Strasser durch das Justizministerium, und man hat den Eindruck, dass das, was im Innenministerium gang und gäbe war, jetzt auch im Justizministerium stattfindet.


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Die eigenen Beamten sind empört über Ihre Vorgangsweise. Der Kollege Jarolim hat in diesem Zusammenhang den ehemaligen Sektionschef Bogensberger zitiert. Es heißt, man verstehe Sie nicht, man verstehe die Umstrukturierung nicht, man verstehe Ihre Personalbestellungen nicht.

Jetzt stehen wieder zwei heikle Personalbestellungen an. Es haben sich zwei Kabinetts­mitglieder beworben. Man wird Sie, Frau Justizministerin, daran messen, wie Sie sich in dieser Frage verhalten werden. Da werden wir sehr genau schauen, ob hier das, was begonnen wurde, fortgesetzt wird, nämlich, ob es politisch – ich sage nicht „partei­politisch“ – motivierte Postenbesetzungen gibt: ja oder nein?! Sie wissen, von welchen Posten ich rede. Wir werden uns das, wie gesagt, sehr, sehr genau an­schauen.

Der Rest Ihrer Tätigkeit war eine Art justizpolitische Mangelwirtschaft. Sie haben ver­sucht, mehr Personal zu bekommen. Ihr größter Erfolg ist, dass Sie ausverhandeln konnten, dass Einsparungen zurückgenommen werden, die Sie eineinhalb Jahre vorher im Personalbereich selbst verhandelt haben. Es sagt schon viel aus, dass Sie das als größten Erfolg gefeiert haben.

Frau Justizministerin, Sie haben es leider auch nicht geschafft, Ihre Parteiunge­bundenheit zu nutzen. Ich glaube, Sie sind heute abhängiger denn je. Sie sind vielleicht parteifrei – aber abhängiger denn je vom Wohlwollen des ÖVP-Parteiob­mannes Pröll.

Jetzt kommt die Debatte um das BAWAG-Urteil.

Die positive Nachricht ist: Die Rechtsschutzinstanzen funktionieren. Trotzdem wird – und das war ganz klar – diese Debatte an Ihnen nicht spurlos vorbeigehen. Man kann folgende Qualifizierungen über Sie lesen: „Bandion-Ortners Blamage“, „technisches K.O. gegen Ministerin“, „Justizdebakel für Bandion-Ortner“, „Josef Pröll hat einen Fehl­griff getan“, „lame duck“.

Das sind nicht Qualifizierungen der Opposition, sondern das sind Qualifizierungen der Leitartikel- und Kommentarschreiber und -schreiberinnen der österreichischen Tages­zeitungen.

Sie machen es sich einfach, wenn Sie jetzt sagen: Die Opposition ist schuld! – Wenn der Abgeordnete Steinhauser mit einer OTS so viel bewegen könnte, dann wäre er froh. Es ist leider nicht so! Nein, das ist das Urteil der Journalistinnen und Journalisten über Ihre Arbeit.

Frau Justizministerin, Sie sind tatsächlich schwer angezählt. Nach den vielen Pannen in den letzten Monaten ist das das i-Tüpfelchen in Ihrer Arbeit. Die Justiz braucht jetzt eine handlungsfähige Ministerin nach den doch durchaus bewegten Zeiten. Und die Frage ist, ob Sie das tatsächlich noch sind, ob Sie wirklich die notwendigen großen Herausforderungen im Justizbereich lösen können: ja oder nein?

Ich weiß nicht, ob Sie als Justizministerin mit dem Finanzminister Pröll wirklich mehr Ressourcen für die Justiz herausverhandeln können, wenn gleichzeitig Ihr politisches Überleben vom Parteiobmann Pröll abhängig ist.

Wir werden den Misstrauensantrag gegen Sie heute unterstützen. Mir ist es aber wichtig, zu sagen: nicht wegen des BAWAG-Urteils! Wenn Ihre Ministerinnenschaft durchgehend erfolgreich wäre, dann wäre das BAWAG-Urteil kein Problem. Das kann einer Richterin passieren. Wir werden dem Misstrauensantrag deshalb zustimmen, weil es leider in Ihrer Tätigkeit eine Pannen- und Pleitenserie in letzter Zeit gegeben hat und die Debatte um Ihre Person eigentlich nur ein weiterer Punkt ist, der dazu geführt hat, dass das Vertrauen in die Justiz angekratzt ist.


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Man könnte Ihre Ministertätigkeit folgendermaßen zusammenfassen: Sie wollten auf der Busspur überholen, sind aber politisch im Stau steckengeblieben. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

16.36


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Hagen gelangt nun zu Wort. Ich stelle die Uhr auf 6 Minuten. – Bitte.

 


16.36.55

Abgeordneter Christoph Hagen (BZÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren auf der Ministerbank! Hohes Haus! Die Frau Bundesministerin hat hier ein riesiges Lob für die Fachaufsicht betreffend die Testaments-Affäre in Dornbirn verlauten lassen. So stark loben kann man diese Leute nicht, denn immerhin muss man bedenken, dass die Visitatoren 40 Jahre lang geschlafen haben und ihnen nichts aufgefallen ist. (Beifall beim BZÖ.)

Wie ist man dann mit der Aufdeckerin verfahren? – Diese gute junge Juristin – zufällig eine Nachbarin von mir, neben mir aufgewachsen – wurde dann zum Dank dafür versetzt. So schaut es aus, meine Damen und Herren!

Jetzt komme ich zu einem weiteren Fall in dieser Testaments-Affäre. Im Jahr 2002 wurde schon aufgezeigt, dass jener Fall aus Dornbirn, der glasklar ist, zwei Mal bei der Staatsanwaltschaft angezeigt und zwei Mal eingestellt wurde. Jetzt, da diese Testaments-Affäre ans Tageslicht gekommen ist, ist überall das große Staunen ausgebrochen. Nun hat man etwas in den Händen, und der Fall wird endlich verfolgt. Man hat das Ganze seit diesen zwei Anzeigen verschlafen und nicht urgiert. Also hier hat man, Frau Ministerin, ganz klar versagt.

Erwähnen möchte ich noch – dann höre ich mit diesem Fall schon auf, weil ich Ihnen noch ein paar andere „schöne“ Dinge zu Gehör bringen möchte –, dass auch die Frau Vizepräsidentin des Landesgerichts Feldkirch, Kornelia Ratz, in diese Testaments-Affäre involviert war, wie wir alle wissen. Aber es hat ganze drei Wochen gedauert, bis diese Dame suspendiert und ihres Amtes enthoben worden ist – das finde ich skandalös! Man hätte schon am ersten Tag nach Bekanntwerden dieser Anschul­digungen durchgreifen müssen. Auch in dieser Sache haben Sie versagt, Frau Minis­terin.

Vorhin haben Sie gesagt, Sie legen sich die Latte dort, wo es um Gesetzesvorhaben geht, Sie wollen an den Gesetzesinitiativen gemessen werden. – Frau Ministerin, Sie sind verantwortlich für die Justiz, und Sie sind auch dafür verantwortlich, dass Gesetze vollzogen und auch befolgt werden.

Jetzt möchte ich Ihnen einen Fall vom Bezirksgericht Bludenz zu Gehör bringen. Er wird Ihnen vielleicht bekannt sein oder auch nicht. Ich weiß nicht, wie gut Sie informiert sind, aber dieser Fall fällt in Ihr Ressort.

Es geht darum – mein Kollege Themessl hat eine Anfrage dazu eingebracht –, dass ein Gerichtsmitarbeiter eine Urkundenfälschung seiner Vorgesetzten aufgezeigt hat. Jener Gerichtsmitarbeiter hat diese Meldung an den Bezirksgerichtsvorsteher Erich Mayer gemacht, der jetzt selbst in der Bredouille ist, weil er Unterschriften fälschen ließ.

Passiert ist dann Folgendes: Man hat versucht, das Ganze zu vertuschen. Dann hat er selbst die Korruptionsstaatsanwaltschaft eingeschaltet, weil nichts geschehen ist, mit der Folge, dass eine Disziplinaranzeige gegen den Herrn Gerichtsvorsteher Mayer gemacht worden ist. Interessanterweise hat dieser eine sehr geringe Disziplinar­maßnahme bekommen, und strafrechtlich ist das Ganze eingestellt worden – ohne Angabe von Gründen. Das ist schon ein Skandal.


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In weiterer Folge wurde genau dieser Bezirksgerichtsvorsteher Mayer, der versucht hat, alles zu vertuschen, verurteilt und ist jetzt wieder von einer weiteren Mitarbeiterin belastet worden, die für diesen Gerichtsvorsteher dessen Unterschrift fälschen musste. Es geht hier offiziell um 500 bis 800 Fälle. Mittlerweile habe ich gehört, dass man nach weiteren Recherchen schon bei über 2 000 Fällen ist. Das heißt, diese Urteile, die dort gemacht worden sind, müssen alle wieder neu aufgerollt werden und neu verhandelt werden. – Also wenn das kein Skandal ist, Frau Ministerin, dann kenne ich mich nicht mehr aus.

Wenn man in der Sache weiterverfolgt, wie es diesem Beamten nachher ergangen ist: Dieser wurde gemobbt. Beispiel: Wenn er in den Speisesaal hereingekommen ist, sind alle aufgestanden und weggegangen – man hat ein kollektives Mobbing betrieben. Er wurde mit Anzeigen eingedeckt – also Mobbing Länge mal Breite. Er wurde im ganzen Land Vorarlberg herumversetzt und dann mit 53 Jahren aus „Invaliditätsgründen“ – und dieser Mann ist kerngesund, ich habe ihn kennengelernt – in Zwangspension geschickt. – Für mich ist das ein Skandal, Frau Ministerin! Für mich sind solche Vorkommnisse nicht nachvollziehbar.

Dasselbe Schema bei der Dame, die die Unterschriftenaktion mit jenem Gerichts­vorsteher aufgezeigt hat, dieser Frau geht es jetzt genau gleich, sie ist von Mobbing und Versetzung betroffen. An sie wurden Drohungen mit Jobverlust gerichtet, und auch sie will man in Frühpension schicken.

Frau Ministerin, das ist skandalös! Das ist in Ihrer Verantwortung, das haben Sie zu rechtfertigen, und Sie können sich nicht auf irgendjemand anderen ausreden. (Beifall beim BZÖ.)

Und es geht sogar noch weiter: Diese Dame ist später als Zeugin in dem Verfahren gegen den Bezirksgerichtsvorsteher vorgeladen worden – als Zeugin –, und hinaus­gegan­gen ist sie als Beschuldigte. Der gleiche Fall wie beim Mitarbeiter von Ewald Stadler!

So gehen Sie mit Recht im österreichischen Staat um, Frau Ministerin! Das ist rücktrittswürdig! (Beifall beim BZÖ.)

Aber es geht noch weiter. Ich habe einen weiteren Fall, in den Bürgermeister Berchtold aus Feldkirch verwickelt ist. Auch dieser Fall wird Ihnen bekannt sein. Man stelle sich vor: Ein ÖVP-Bürgermeister wird im März dieses Jahres wegen Vergewaltigung ange­zeigt. Das Verfahren läuft. Es passiert gar nichts – nicht ein Bleistiftstrich, gar nichts! –, das heißt weder eine Einvernahme der Geschädigten noch eine Einvernahme des Beschuldigten, noch sonst irgendeine Aktion. Fakt ist, dass die Justiz erst am 5. Oktober 2010 gehandelt hat, als die Medien davon berichteten. Eine Woche später wurde die Geschädigte einvernommen.

Das ist ein riesen Skandal und das lässt den Schluss nicht fern, dass hier politisch interveniert wurde, konkret dass versucht wurde, das Ganze unter den Tisch zu kehren. Das ist Politjustiz, Frau Ministerin! Das ist Ihre Politik! (Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll: Das sind schwere Vorwürfe!) – Ja, das sind schwere Vorwürfe. (Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll: Das ist unglaublich!) Aber das ist nicht unglaublich, sondern das sind Tatsachen, meine Damen und Herren! (Beifall beim BZÖ.)

Sie bekommen von mir heute noch eine Anfrage dazu. Sie werden sich noch wundern!

Und damit will ich es belassen. Ich sage nur noch: Ich spreche Ihnen das Misstrauen aus. Ich werde heute gegen Sie stimmen. (Beifall und Bravoruf beim BZÖ.)

16.43



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll81. Sitzung / Seite 153

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Es gelangt nun Herr Abgeordneter Mag. Maier zu Wort. Ich stelle die Uhr auf 5 Minuten. – Bitte.

 


16.43.39

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Vizekanzler! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Es gibt ein gemeinsames Regierungsübereinkommen von SPÖ und ÖVP mit klaren rechtspolitischen Zielsetzungen. Wir haben bisher zahl­reiche dieser Anliegen bereits beschließen können, die meisten dieser Anliegen ein­stimmig im Parlament. Wir sehen daher überhaupt keine Veranlassung, diesem Miss­trauensantrag des BZÖ nahezutreten (demonstrativer Beifall des Abg. Dr. Bartenstein), weil es eine erfolgreiche Rechtspolitik war. (Beifall bei der ÖVP.)

Dessen ungeachtet gibt es natürlich, und der Klubobmann der ÖVP Karlheinz Kopf hat darauf hingewiesen, auch individuelle Fehler – ich würde das ergänzen: auch struk­turelle Fehler – in der Justiz, über die wir gemeinsam nachdenken müssen, die wir gemeinsam diskutieren müssen. Und ich bin dir sehr dankbar, dass du das Problem des Vorverfahrens der Strafprozessnovelle angesprochen hast. Die Frau Bundesminis­terin hat uns zugesichert, dass wir im November den Evaluierungsbericht bekommen werden, und ich glaube, wir werden uns sehr lange und sehr intensiv mit den offenen Fragen auseinandersetzen müssen, nicht nur was die Rolle der Staatsanwaltschaften betrifft, sondern auch ob die Ziele dieser Strafprozessreform tatsächlich erreicht wurden. Ich denke hier insbesondere an die Stellung der Opfer. Die Stellung der Opfer wurde ja gestärkt. Gleichzeitig sollte auch erreicht werden, dass geschädigte Personen leichter Privatbeteiligtenanschlüsse erklären können. Nur: Wenn man analysiert, dann stellt man fest, dass es gegenüber der alten Rechtslage weniger geworden sind. Und ich glaube, all diese Probleme sollten wir gemeinsam diskutieren.

Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Über eines müssen wir uns auch im Klaren sein: Es gibt derzeit in unserer Gesellschaft eine sehr bedenkliche Stimmungslage gegen die Justiz. Menschen haben zunehmend den Eindruck gewon­nen, dass durch die Justiz nicht alle gleich behandelt werden. Gegen Promi­nente gäbe es eine nicht nachvollziehbare Zurückhaltung. Bei einer aktuellen Umfrage des Linzer Meinungsforschungsinstituts IMAS klagten 83 Prozent der Österreicher über Miss­stände im Land. Die überwiegende Mehrheit ist überzeugt, es gäbe in Österreich heutzutage mehr Korruption als in früheren Zeiten.

Nun wird, Frau Bundesministerin, mit dieser Kritik zunehmend auch die Objektivität und die Unabhängigkeit der Justiz in Frage gestellt. (Demonstrativer Beifall des Abg. Petzner.) Es gibt nämlich bei den Menschen den Eindruck von Klassenjustiz unter Bevorzugung bestimmter Personen. (Demonstrativer Beifall beim BZÖ.) 82 Prozent der Befragten hegen Misstrauen, was die Gleichbehandlung aller Bürger betrifft.

Ich glaube, mit dieser Einstellung müssen wir uns auseinandersetzen. Es gibt auch aus Sicht der Medien ein gestörtes Verhältnis zwischen der Justiz und der Öffentlichkeit. Es fehlt zumindest eines: ein aktives Informationsmanagement der Justiz in der Öffent­lichkeit. Das wurde auch vom neuen Sektionschef Dr. Pilnacek in einem Interview gegenüber den „Salzburger Nachrichten“ bestätigt.

Erlauben Sie mir noch eine auch persönliche Feststellung: Ich habe den Eindruck ge­won­nen, wenn Missstände und Fehler in der Justiz öffentlich bekannt werden und unabhängige Kontrollen eingefordert werden, dann wird abgeblockt, oft mit dem Hinweis auf Amtsverschwiegenheit. Ja es gibt sogar Maulkorberlässe! Engagierte Be­amte werden damit kaltgestellt.

Jede externe Kontrolle wird vom Justizapparat und den Interessenvertretern – ich betone: den Interessenvertretern in der Justiz – lautstark abgelehnt, denn: Die Justiz kontrolliere sich selbst.


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Aktuell wird ein Rat der Gerichtsbarkeit mit Budget- und Personalhoheit verlangt, der allerdings auch wieder aus Vertretern der Justiz bestehen soll. Diese Selbstkontrolle – und das ist unser Eindruck – funktioniert aber in der Justiz derzeit nicht. Und darüber, Frau Bundesministerin, sollten wir nachdenken.

Frau Bundesministerin, Sie haben die Möglichkeit bekommen, zusätzliche Planstellen einzurichten. Sie haben die Möglichkeit bekommen, dass Wirtschaftsverfahren be­schleu­nigt werden. Ich appelliere wirklich an Sie, dass alles unternommen wird, dass Verfahren wie YLine – ein Verfahren, das 2001 begonnen hat und bis heute nicht abgeschlossen ist, wo das Strafverfahren noch offen ist, und zwar nicht nur gegenüber dem Herrn Böhm, sondern auch einer Reihe von anderen Personen – abgeschlossen werden. Ich appelliere an Sie, dass endlich auch das Verfahren Libro-Konkurs, eben­falls eingeleitet vor neun Jahren, mit mehreren Angeklagten – derzeit wurde Anklage erhoben –, so rasch wie möglich abgeschlossen wird.

Denn eines muss allen klar sein: Je länger derartige Verfahren dauern, umso kritischer wird die Öffentlichkeit. Und auf der Strecke bleiben meistens die geschädigten Anleger und Privatpersonen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.49


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Mag. Donnerbauer gelangt nun zu Wort. Ich stelle die Uhr wunschgemäß auf 5 Minuten. – Bitte.

 


16.49.36

Abgeordneter Mag. Heribert Donnerbauer (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Werte Frau Justizministerin! Hohes Haus! Ich glaube, es ist ein sehr durchsichtiges Manöver, das hier heute gestartet wurde und sich auch in den letzten Tagen abgespielt hat: Eine beliebte, eine kompetente, eine unab­hängige Justizministerin soll durch Dauerbeschuss und durch untergriffige und persön­liche Angriffe sturmreif geschossen werden, beschädigt werden. (Abg. Mag. Stadler: Welcher persönliche Angriff? Welcher? – Die Rede solltest du dir selbst schreiben – und nicht vom Sekretär schreiben lassen!)

Dieses Muster kennen wir, lieber Herr Kollege Stadler: Wenn alle Rohre der Oppo­sition, vor allem heute hier von zwei Oppositionsparteien, auf ein einziges Regierungs­mitglied gerichtet sind, dann kann man sicher sein, dass dieses politisch erfolgreich und damit der Opposition ein Dorn im Auge ist, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Sie haben schon im Vorjahr und auch im heurigen Sommer versucht, die Justizminis­terin hier anzugreifen. Sie sind damit erfolglos geblieben, und Sie werden auch diesmal erfolglos bleiben. (Ruf beim BZÖ: Das wissen wir eh!)

Die Stellungnahme der Generalprokuratur, die, wie heute schon mehrmals betont wurde, gerade zeigt, dass unser Rechtsstaat funktioniert, ist Ihnen da einfach nur gerade recht gekommen, nach dem Motto: Nützen politische Angriffe, politische Kritik nichts, dann geht es halt einfach ins Persönliche. (Abg. Mag. Stadler: Wer war persönlich? Wer war persönlich?) – Dagegen sprechen wir uns aus, und dagegen werden wir uns auch wehren. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Ursula Haubner: Ein Beispiel für „persönlich“!)

Ich bin froh, dass sich inzwischen die Erkenntnis durchgesetzt hat – das war in den letzten Tagen auch schon anders (Abg. Ursula Haubner: Ein Beispiel für „per­sönlich“! – neuerlicher Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler) –, dass man die politische Funktion der Justizministerin und die berufliche Tätigkeit der Richterin Bandion-Ortner ganz klar auseinanderhalten muss. Aber in beiden Bereichen, meine sehr verehrten


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Damen und Herren, braucht Claudia Bandion-Ortner keinen Vergleich und auch keine Bilanz zu scheuen.

Beginnen wir einfach bei der Richterin Claudia Bandion-Ortner. Befragen wir Außen­stehende und daher wohl unverdächtige Zeugen!

„Kronen Zeitung“ vom 13. Jänner 2009, Dieter Kindermann:

„Erstmals übernimmt diese Position“ – nämlich jene der Justizministerin – „eine partei­lose Richterin, die bewiesen hat, dass sie unbestechlich ist: Claudia Bandion-Ortner hat eines der größten Wirtschaftsverfahren der Zweiten Republik, den BAWAG-Pro­zess, souverän geführt. Sie hat allen vor Augen geführt, dass Wirtschaftskriminalität, Korruption keine Kavaliersdelikte sind.“

Das war das Urteil über die Richterin Claudia Bandion-Ortner. Oder, „Kleine Zeitung“, Alfred Lobnik, vom 16. Jänner 2009:

„Das Bawag-Urteil ist fertig, das Monster-Verfahren hat sie“ – nämlich Claudia Bandion-Ortner – „mehr als souverän geleitet. Als Richterin kennt sie die Bedürfnisse der Rechtsuchenden aus der täglichen Praxis, ebenso wie die Anliegen aller in der Justiz tätigen Berufsgruppen. Selten dürfte eine österreichische Justizministerin fachlich so gut auf ihre Aufgabe vorbereitet gewesen sein.“

Das ist das Urteil einer unabhängigen Darstellung. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Bucher: Das waren jetzt die Raiffeisen-Medien!)

Oder ganz – ich glaube, auch für Sie – unverdächtig, Bundeskanzler Werner Faymann:

Fairness als oberstes Prinzip der Rechtsprechung – die Richterin Claudia Bandion-Ortner steht für diese Fairness! – So der Bundeskanzler anlässlich der Angelobung unserer Justizministerin.

Was kann man aus diesen Urteilen ableiten, meine sehr verehrten Damen und Herren? – Die Richterin Claudia Bandion-Ortner hat über viele Jahre – allgemein anerkannt – sehr erfolgreich ihr Amt als Richterin ausgeübt. Sie ist in vielen Verfahren tätig gewesen, zuletzt in ihrer beruflichen Tätigkeit als Richterin auch in sehr großen, komplexen Wirtschaftsverfahren. (Abg. Bucher: Das klingt wie eine Abschieds-Laudatio, eine Abschiedsrede!) Es wird Ihnen daher nicht gelingen, auch nicht mit dieser heutigen Dringlichen Anfrage, den Erfolg, die erfolgreiche Tätigkeit der Richterin Claudia Bandion-Ortner anzuzweifeln oder in den Schmutz zu ziehen.

Die Überprüfung von Urteilen und auch deren gänzliche oder auch nur teilweise Abänderung oder Aufhebung ist ein essenzieller Bestandteil unseres Rechtsstaates und ist weder Schande noch ein Rücktrittsgrund.

Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, nehmen wir doch auch die politische Bilanz der Justizministerin Claudia Bandion-Ortner her! Und auch diese ist sehr beeindruckend: In weniger als zwei Jahren eine ganze Liste von Gesetzesvorhaben. Die Zeit erlaubt mir nicht, Ihnen hier jetzt alle darzustellen. Ich erwähne sie nur beispielsweise: Familienrechts-Änderungsgesetz, Aktienrechts-Änderungsgesetz, Zivil­verfah­rens-Novelle, Gewaltschutzgesetz – eine ganz wichtige Materie im Kampf gegen Kindesmissbrauch und sexuelle Ausbeutung –, Kinderbeistand-Gesetz, im heurigen Jahr die Einführung der Fußfesseln, die erfolgreich angelaufen sind, oder drei Personalpakete für die Justiz mit dem Ergebnis: mehr als 300 zusätzliche Richter und Staatsanwälte für unsere Justiz. – Eine erfolgreiche Bilanz! Die kann sich sehen lassen, meine sehr verehrten Damen und Herren!

Was Sie hier machen, werte Kolleginnen und Kollegen von den Grünen und vom BZÖ, das ist nicht Politik. Was Sie hier mit Ihrer Vorgangsweise machen, ist das Geschäft


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verurteilter Straftäter. (Abg. Grosz: Die SPÖ ist euer Koalitionspartner!) – Herr Grosz, hören Sie nur zu! – Sie lassen sich vor den Karren von Menschen spannen, die für Milliardenverluste verantwortlich sind, die eine Bank an den Rand des Ruins getrieben haben (Abg. Mag. Stadler: Von welcher Bank reden Sie? Von der Hypo Nieder­österreich? Von der Investkredit? – Welche Bank ist das?) und die den Verlust von Tausenden Arbeitsplätzen und das wirtschaftliche Schicksal der Gewerkschaft bewusst riskiert haben. – Dagegen sind wir!

Daher: Kein Misstrauen gegenüber der Justizministerin, sondern gemeinsame Arbeit für volles Vertrauen in unser Justizsystem und für das Funktionieren dieses Systems! – Danke sehr. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler: Das war der Nachruf des Herrn Donnerbauer!)

16.55


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Ro­sen­kranz. Ich stelle die Uhr wunschgemäß auf 8 Minuten. – Bitte.

 


16.55.29

Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Frau Bundesministerin, nahezu auf der Anklagebank! Trotz der Rede meines Vorgängers werden wir dem Misstrauensantrag nicht zustimmen, obwohl: Dieser Redebeitrag, in dem so viel Sonnenschein an die Wand gemalt wurde, wo in Wirklichkeit doch auch einige Schatten zu sehen sind, hat es an sich etwas schwieriger gemacht.

Aber was diese Dringliche Anfrage und diesen Antrag betrifft: Was erwartet man sich eigentlich davon, wenn vom Kollegen Stadler – ich spreche ihn hier in zweifacher Hinsicht als Kollegen an – eine Frage kommt, die lautet: „Wie begründen Sie die überlange Untersuchungshaft von mittlerweile mehr als drei Jahren ...?“

Wie soll eine Ministerin begründen, was ein Richter zu entscheiden hat? Also ich habe geglaubt, es geht immer um die Gewaltenteilung – es spricht jeder von den drei Gewalten –, aber in der Anfrage selbst wird dieses Prinzip offensichtlich über Bord geworfen.

Es wurde auch sehr viel von der Gewaltenteilung gesprochen, aber aus allen Redebeiträgen – ob das jetzt jener des Kollegen Maier war, ob es jener des Kollegen Donnerbauer war – kommt jetzt die vierte Gewalt, der Journalismus hervor. Also angesichts dessen, was da jetzt schon an Urteilen über die Ministerin gefällt wird – jene, die Sie zitiert haben, oder Ähnliches –, da muss man sich schon fragen, ob wir wirklich nur mehr darauf zu reagieren haben, was uns die Schlagzeile vorgibt oder was nicht. Wir Freiheitlichen glauben, das ist nicht der Fall. (Beifall bei der FPÖ sowie demonstrativer Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es sind hier Zwischenrufe vonseiten des BZÖ gekommen: Als Kollege Hübner angekündigt hat, dass wir dem Misstrauensantrag nicht zustimmen werden, da wurde auf einmal von Anbiederung und Koalition gesprochen. – Nun, eines wollen wir schon sagen: Wir Freiheitliche grenzen in der politischen Zusammenarbeit niemanden aus, und wir suchen uns daher auch in Zukunft aus, wen wir nach der nächsten Wahl als Junior-Partner in eine Regierung mit hineinnehmen. (Beifall bei der FPÖ. – Ironische Heiterkeit des Abg. Mag. Stadler. – Ruf beim BZÖ: Au weh, au weh! – Abg. Bucher: Wer sind Sie überhaupt? Wer sind Sie? – Eine Witzfigur! Eine lächerliche Witzfigur!)

Das einzige Problem wird sein, dass es das BZÖ dabei nicht mehr geben wird und dass es keine Kategorie, weder in numerischer noch in sonstiger politischer Hinsicht, darstellen wird.


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Zur Frage selbst: Den BAWAG-Prozess jetzt heranzuziehen, weil wir dazu jetzt ein Gutachten seitens der Generalprokuratur vorliegen haben, also bitte! Das ist ein bisschen wenig. Wir haben nämlich offensichtlich noch irgend so etwas Kleines vergessen: Ich glaube, am 22. Dezember soll die Entscheidung fallen. Da gibt es ja so etwas: Oberster Gerichtshof – relativ unbedeutend wahrscheinlich für die meisten, die jetzt diesen Misstrauensantrag machen.

Ich bin jetzt einmal daran interessiert. Warten wir einmal ab, was das oberste Gericht in Österreich in dieser Sache zu sprechen hat, und dann werden wir weitersehen – obwohl das eigentlich mit der Frage der Qualität der ministeriellen Tätigkeit nichts zu tun hat.

Eines muss natürlich klar sein: Die Frage, welche Konsequenzen die Frau Ministerin selbst oder der Herr Vizekanzler zieht, ist von ihnen selbst zu beantworten. Denn das muss man schon wissen: Die Welle der Begeisterung aus dem BAWAG-Prozess hat die Frau Ministerin dorthin gebracht. Nur, nach einer Welle gibt es auch manchmal ein Wellental. Das ist eben jetzt der Fall. Aber die Schlüsse, die daraus zu ziehen sind, und die Entscheidungen, die zu treffen sind, sind persönliche, höchstpersönliche.

Und es sind vielleicht manche, die am Strand diese Welle sehen, ob das der Herr Vizekanzler ist, oder, wie man auch gemunkelt hat, der Herr Raiffeisen-General Konrad. Das ist alles dann deren Problem und deren Sache. Man muss das ja auch der Bevölkerung entsprechend darstellen und darlegen. Und das ist eine hoch politi­sche Entscheidung, aber nicht die Frage eines Misstrauensantrags. Mit dem darf die ÖVP, die ja derzeit besonders erfolgsverwöhnt ist, sich auch zusätzlich auseinander­setzen.

Was die Frage des Falles Natascha Kampusch betrifft, so gibt es in Österreich viele, die sagen, ich kann das eigentlich schon überhaupt nicht mehr hören, dieses „Natascha Kampusch“. Aber es ist eines passiert, und das ist beispielhaft und das geht unser Haus an – wir werden bei einem späteren Tagesordnungspunkt noch dazu kommen –, es geht um die Frage eines Untersuchungsausschusses: Es hat sich, bitte, der ehemalige Präsident des Obersten Gerichtshofs an sämtliche Parlamentsparteien gewandt. Und das muss schon etwas bedeuten für dieses Haus, und ich möchte in der Begründung am Abend dann seitens der Regierungsparteien, wenn das vielleicht niedergestimmt wird, nicht hören, dass sie dann sagen: Wir wollen, dass zuerst die unabhängigen Gerichte entscheiden!

Das glaube ich nicht, denn es gibt nämlich hier gar kein unabhängiges Gericht mehr. Es gibt nämlich nur mehr die Staatsanwaltschaft, die hier ermittelt. – Da sehe ich auch ein Problem. Die Evaluierung der Strafprozessordnung wurde auch bereits ange­sprochen. Ich persönlich muss sagen, mir wäre wahrscheinlich nach den Erfahrungen, die man mittlerweile gemacht hat, das System des Untersuchungsrichters in vielen Belangen hundertmal lieber.

Wenn wir zum Ergebnis kommen, dass sich das nicht bewährt hat, dann sind wir gefordert, das möglichst rasch anzugehen, denn das wäre auch wiederum ein Schritt in Richtung mehr Vertrauen in die Justiz. Ich glaube nämlich, es bringt auch nichts, wenn Vorwürfe gegen die Staatsanwaltschaft Wien jetzt von der Staatsanwaltschaft Graz aufbereitet werden und dann, wenn das Dossier von Rzeszut kommt, das Ganze an die Korruptionsstaatsanwaltschaft weitergegeben wird, die sagt, dass sie das nicht machen kann, worauf der Akt dann an die Staatsanwaltschaft Innsbruck geht. Angesichts dieses Ringelspiels der Staatsanwaltschaften, die alle einmal abgeklappert werden, wollen wir das im Parlament eben anders kontrollieren. Das ist eine Aufgabe, die wir als Volksvertreter haben.


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Zu den Fragen Hypo Niederösterreich, Hypo Alpe-Adria, Fall Karl-Heinz Grasser, Prominente und Ähnliches: Es ist vielleicht der Aufmerksamkeit nicht entgangen, dass diese prominenten verdächtigen prospektiven Straftäter nicht etwa einfach mit einer U-Bahn fahren, dort weißes Pulver verkaufen, von der Polizei erwischt werden und das eine relativ klare Sache ist. Man hat auch noch nicht gesehen, dass Herr Karl-Heinz Grasser irgendwo in einer Diskothek irgendjemanden verprügelt hätte.

Verfahren in diesem Zusammenhang sind relativ einfach, das würde auch schnell gehen. In der Regel sind diese Prominenten aber in Verfahren verwickelt, die wirklich von Undurchsichtigkeit geprägt sind, und das dauert dann halt. Man weiß ja, dass die Mühlen der Gerichtsbarkeit manchmal langsam mahlen, aber dafür entsprechend gerecht. – Damit komme ich auch schon zu einem Problem.

Frau Bundesministerin, Sie haben damit nichts zu tun, weil Sie nicht die Anklage­be­hörde waren. Allerdings wurde immer versprochen, dass es den BAWAG-II-Prozess geben wird, in dem Refco und Ähnliches abgehandelt werden wird. Davon war im Untersuchungsausschuss zu den Banken die Rede. Ihr derzeitiger Kabinettchef hat das gesagt. Wo aber ist das jetzt? Es drohen Verjährungen, und da muss sehr wohl eingegriffen werden!

Gestern war der Rechnungshof hier, und der Präsident hat im Bericht auch darauf hingewiesen, dass man bei den Bezirksanwälten etwas ändern muss, weil Ver­jährungen drohen können. – So weit darf es in unserem Rechtsstaat nicht kommen, dass man sich auf die Langsamkeit der Justiz verlassen kann, wenn man kriminell wird! (Beifall bei der FPÖ.)

Material dazu gibt es genug. – Nachdem Sie vom „sehr verehrten Herrn Vizekanzler“ gesprochen haben, darf ich aus meiner Sicht sagen, dass der verehrte Dritte Präsident Graf ein entsprechendes Buch sozusagen zur Anleitung geschrieben hat. In diesem steht genug darüber, wie man einen zweiten Prozess machen kann. Ich bitte, dieses dann auch an Ihre nachgeordneten Dienststellen weiterzuleiten! Ich darf Ihnen das Buch so geben. (Der Redner überreicht Bundesministerin Mag. Bandion-Ortner ein Buch.) Darin steht genug. Die Einlösung dieses Versprechens ist man uns schuldig geblieben!

Die Frage von Personalentscheidungen wurde auch angesprochen: Natürlich werden Sie dabei beobachtet, und Sie müssen sich als Politikerin auch die Kritik gefallen las­sen, wenn Sie die eine oder andere Personalentscheidung treffen, dass diese mehr oder weniger nach dem Geschmack verschiedener Personen oder Gruppen ist.

Zu den gerichtlichen Testamentsfälschungen in Vorarlberg: Wir glauben nicht gerade, dass die Justizministerin für jegliche kriminelle Energie eines Mitarbeiters im Justiz­bereich verantwortlich gemacht werden kann, so wie man überhaupt für Verbrechen – außer man ist der Anstifter – nicht verantwortlich gemacht werden kann.

Jetzt noch zur Verletzung der Pressefreiheit: Die Rechtsansicht, die Herausgabe der Videobeweise betreffend die Sache Moschitz/Karl-Heinz Strache ... (Zwischenrufe beim BZÖ.) Ich meinte natürlich H.-C. Strache. (Abg. Grosz: Karl-Heinz Strache und H.-C. Grasser! Kennen Sie die? – Weitere lebhafte Zwischenrufe und Heiterkeit beim BZÖ.) – Haben Sie sich wieder ein bisschen beruhigt? Ah, Herr Grosz, Sie sind auch noch da! Das freut uns! Man hat Sie fast ein bisschen übersehen! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich möchte etwas feststellen: Wenn Herr Frodl auf die Idee gekommen wäre, die Straftat, die er verübt hat – einen kleinen Mord –, so nebenbei auf Video aufzunehmen und dieses als Informationsmaterial dem ORF zur Verfügung zu stellen, dann hätte man das nach Ihrer Rechtsansicht gar nicht verwerten dürfen. – In Wirklichkeit schützen Sie mit Ihrer Sicht der Dinge Neonazis, die unter Umständen das Verbrechen


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der Wiederbetätigung begangen haben. Das ist Ihre Politik! Das wollte H.-C. Strache aufzeigen. So ist es! (Beifall bei der FPÖ.)

Sie schauen ein bisschen verdattert! Vielleicht nehmen Sie einen kräftigenden Schluck an der Bar, und dann geht es wieder weiter! (Beifall bei der FPÖ.)

17.04


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Pilz. – Bitte.

 


17.04.34

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich danke für die schöne Kreation „Karl-Heinz Strache“! Zum Glück haben Sie nicht gleich „Wolf-Christian Strache“ oder anderes aus ihm gemacht! – Das ist einmal ein Punkt.

Zweitens möchte ich kurz auf den wesentlich ernsteren heutigen Vorfall eingehen und einige Fragen an die Justizministerin stellen.

Kollege Stadler, wir sollten zwei Punkte nicht durcheinander bringen: Es hat eine ordnungsgemäße Auslieferung deiner Person in einem Strafverfahren gegeben. Das ist eine Entscheidung des Parlaments, die du zur Kenntnis genommen hast, und es ist ein Strafverfahren geführt worden beziehungsweise wird geführt.

Aber dann ist einiges geschehen, von dem ich ausgehe, dass das alle Fraktionen beun­ruhigt, und ich glaube, diesbezüglich haben wir auch vor einem Jahr keine Ausnahme gemacht. Das wird ja in der Präsidiale noch besprochen, und ich hoffe, dass es hier Konsequenzen geben wird!

Es hat sich mehrerlei herausgestellt.

Erstens wird ein Mitarbeiter eines Parlamentsklubs zu einem Verhör beziehungsweise zu einer Zeugenvernehmung mit der Absicht geladen, den Abgeordneten, dessen Mit­ar­beiter er ist, zu belasten. Die Einvernahme wird von einer Staatsanwältin – und deswegen habe ich auch Fragen an Sie, Frau Bundesministerin, zu stellen – und drei Polizeibeamten durchgeführt. Es gibt auch Hinweise auf einen vierten Polizisten, aber das ist nebensächlich. Der Ort des Verhörs ist ein Büro des Verfassungsschutzes hier im Haus. Die Innenministerin erklärt, als sie auf dieses Verhörzentrum im Parlament angesprochen wird, gegenüber dem Parlament, es handle sich hiebei um eine Serviceeinrichtung. (Zwischenruf des Abg. Kopf. – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Jetzt soll gar nicht bestritten werden, dass es Gefährdungssituationen des Hauses geben kann, in welchen das Haus durchaus Hilfeleistungen vonseiten der Exekutive oder manchmal auch der Strafjustiz braucht. Und ich habe auch keinen Zweifel daran – denn ich kenne einige der Verfassungsschutzbeamten hier im Hause –, dass es sich hiebei um seriöse und redliche Beamte handelt.

Ich meine aber, die Tatsache, dass ein Verhör eines Mitarbeiters hier im Haus erfolgt, erfordert doch, dass wir uns überlegen sollten, ob die Strafverfolgung von Abgeord­neten und ihren Mitarbeitern durch Organe des Justizministeriums und des Innenminis­teriums, das heißt: der Exekutive, hier im Haus stattfinden soll. Hier ist nämlich nicht der Ort der Exekutive, sondern der Ort der Legislative – und auf diese Gewal­tentrennung sollten wir größten Wert legen! (Beifall bei den Grünen.)

Dann ist etwas Erstaunliches geschehen. Kollege Stadler hat heute öffentlich die Protokolle der Zeugenvernehmung verteilt. Ich habe mir das durchgelesen, mir war das bis dahin nicht bekannt. Dieser Mitarbeiter wurde als Zeuge und als Opfer gemäß § 154 StPO unter anderem befragt, ob er bereit ist, in dieser Zeugenvernehmung Abgeordneten Stadler zu belasten. – Er ist dazu nicht bereit und belastet ihn nicht.


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Daraufhin entscheiden Staatsanwältin und anwesende Polizeibeamte, den Status der beiden auszutauschen und auf der Stelle aus dem Beschuldigten Stadler ein Opfer und aus dem Opfer – nämlich dem Parlamentsmitarbeiter – auf der Stelle einen Beschul­digten zu machen. Das geht aus dem Protokoll hervor: Das wird ihm dort noch mitge­teilt. Und er hat selbst ein Protokoll angefertigt, dass er unter Druck gesetzt wurde, einen Abgeordneten zu beschuldigen, und dass ihm von einer Staatsanwältin gedroht wurde, dass er, wenn er nicht bereit ist, mit seiner Unterschrift einen Abgeordneten zu belasten, selbst zum Beschuldigten wird und wegen Verleumdung verfolgt wird, und darauf steht ein Strafrahmen von bis zu fünf Jahren.

Kolleginnen und Kollegen! Ich will nicht das Verfahren bewerten, aber ich bewerte durchaus die Vorgangsweise, die ich für äußerst problematisch halte. Es wird im Rahmen der Präsidiale erstens zu klären sein, ob wir derartige Vorgangsweisen im Hause wollen und dulden, ob dieses Haus ein Haus einer etwas seltsamen Begegnung von Legislative und Exekutive wird oder ob wir der Exekutive durchaus ihre Räume außerhalb des Hauses zuweisen, und zweitens, ob das wirklich akzeptabel ist.

Sie wissen ganz genau, dass ich kein politischer Freund des BZÖ bin. Vor einem Jahr, als wir eine Reihe ähnlicher Fälle hier erörtert haben, die dann zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses geführt haben, war es aber, wie ich glaube, das gut verstandene gemeinsame Interesse aller Abgeordneten, solche Fälle genau zu untersuchen. Ich gehe daher davon aus, dass man das jetzt in der Präsidiale vonseiten aller Fraktionen ernsthaft versucht. Nichts anderes rege ich hier an! Darum ersuche ich.

Ich ersuche die Justizministerin, möglichst noch in dieser Debatte klarzustellen – Sie haben ja die Möglichkeit, sich das anzuschauen, und ich glaube, dass Ihnen dieser Fall nicht unbekannt ist –, ob sie mit der Vorgangsweise Ihrer Staatsanwältin einverstanden ist oder ob das nicht der Fall ist. Ich halte das für eine ganz heikle und wichtige Frage.

Frau Bundesministerin, es wurde hier schon etliches im Zusammenhang mit dem BAWAG-Verfahren und so weiter angesprochen, ich möchte jetzt nicht wieder die ganzen Verfahren aufzählen und auf meiner Meinung nach durchaus berechtigte Kritikpunkte auch im Zusammenhang mit Ihrer Amtsführung hinweisen. Mir ist aber mehreres aufgefallen.

Erstens habe ich mir einmal einen Verhandlungstag im BAWAG-Prozess angesehen. An diesem Tag interessierte mich die Zeugeneinvernahme Martin Schlaffs. – Martin Schlaff ist bekanntlich nicht irgendwer, sondern er wird von den israelischen bis zu den amerikanischen Strafverfolgungsbehörden verdächtigt, ein wesentlicher Kopf der Europa weit überschreitenden internationalen Wirtschaftskriminalität zu sein. Die öster­reichischen Strafverfolgungsbehörden haben sich in diesem Zusammenhang hoch interessant und hoch problematisch verhalten. Ich schildere kurz meinen persönlichen Eindruck von diesem Prozesstag.

Vor Herrn Schlaff wurde eine Sekretärin des Herrn Elsner einvernommen, und ich habe selten eine derart harte, schonungslose und zum Teil ins Persönliche gehende Einvernahme erlebt. Dieser Frau ist es wirklich nicht gut gegangen, sie war aber alles andere als eine Hauptverdächtige des BAWAG-Komplexes.

Dann wurde Herr Elsner in den Zeugenstand gerufen, und da habe ich mir gedacht: Zum Glück ist es nicht so weit gekommen, dass vom Vorsitz jetzt nur noch eine Frage gestellt wird, nämlich: Dürfen wir Ihnen etwas zu essen und zu trinken bringen? Und: Würden Sie noch weitere Fragen zulassen? (Abg. Öllinger: Da war Schlaff im Zeugenstand, nicht Elsner!?) Entschuldigung! Ich meinte natürlich Schlaff!


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Das war eine Einvernahme, die den Namen Einvernahme nicht verdient hat! Das war der Versuch, einen großen Bogen um einen der Köpfe dieses Komplexes zu machen. Und ich habe noch immer das Versprechen im Ohr: Der Komplex Schlaff wird auch verfolgt werden, und zwar nicht nur im Zusammenhang mit BAWAG II, sondern im Zusammenhang mit einer Reihe äußerst dubioser Geschäfte bis zu den Casinos in Jericho und den Telekom-Geschäften in Serbien und in Bulgarien. Es ist aber über­haupt nichts geschehen! Frau Bundesministerin! Es wurde Ihnen zu Recht einige Male vorgeworfen, dass auch in Ihrer Zeit nichts geschehen ist. Sie haben das nicht erfunden, aber Sie führen das System fort, nämlich dass um politisch wichtige Haupt­verdächtige große Bögen gemacht werden!

Es hat sich in diesem Zusammenhang ein österreichisches System herausgebildet, nämlich das Sündenbock-System. Wenn ein Fall überhaupt unhaltbar wird, dann wird nicht gegen alle ermittelt und dann werden nicht alle Beschuldigten gleich behandelt, sondern dann ist man bereit, einen zu opfern, zum Beispiel Elsner für den gesamten BAWAG-Komplex oder Kulterer für den gesamten Hypo-Komplex. (Abg. Hornek: Er war rein zufällig Vorstandsvorsitzender!)

Jetzt ist halt einmal Meischberger dran, und im Zweifelsfall, nachdem er für die Partei nicht mehr so wichtig ist, wird man vielleicht auch Herrn Karl-Heinz Grasser opfern. Das ist noch nicht klar. Aber auch Sie können nicht erklären, Frau Justizministerin, warum da bis jetzt nichts geschehen ist, warum es keine Hausdurchsuchung, sehr späte Kontenöffnungen und keine Gesprächsüberwachung in der Anfangsphase der Ermittlungen gab!

Dass die Justizministerin beliebt ist, wie der Abgeordnete von der ÖVP gesagt hat, mag stimmen! Die Frage ist nur: Wo hat sich die Justizministerin beliebt gemacht? (Abg. Grosz: Zum Beispiel auf dem „Jägerball“!) Meine persönliche Ansicht ist, Frau Bundesministerin, dass Sie sich zum Teil wirklich bei den Falschen beliebt gemacht haben! Sie hätten sich bei den Menschen beliebt machen sollen, die im Rechtsstaat vor allem etwas wollen, nämlich die Gleichbehandlung aller Bürgerinnen und Bürger vor dem Gesetz.

Dass das nicht funktioniert, ist nach wie vor der Hauptmangel der Justiz. Wir haben nicht das Problem, dass wir zu wenig gute, hoch qualifizierte und gut ausgebildete Staats­anwälte und Staatsanwältinnen haben. Wir haben immer noch zu wenig, aber wir haben viele davon. Wir haben jedoch ein Justizsystem, das die Gleichheit vor dem Gesetz und gleiches Recht für alle noch immer nicht zulässt, weil viele dieser Verfahren nach wie vor von der Spitze her politisch in eine Richtung gesteuert werden. (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.)

Frau Präsidentin, ich bringe meinen letzten Satz: Die ganz großen Vorhaben, Frau Ministerin, die insbesondere in der Korruptionsbekämpfung vor Ihnen liegen, können nur von einer Justizministerin durchgeführt werden, die ihre volle Kraft und ihr volles Gewicht ins Amt einbringen kann. Sie haben dieses Gewicht nicht mehr! Sie haben dieses Ansehen nicht mehr! Als lahme Ente werden Sie diese großen Reformen nicht durchführen können. (Präsidentin Mag. Prammer gibt neuerlich das Glockenzeichen.)

Machen Sie daher Platz für eine handlungsfähige Justizministerin, die dem Rechtsstaat bessere Dienste erweisen kann als Sie! (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

17.15


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Scheibner gelangt nun zu Wort. Ich stelle die Uhr wunschgemäß auf 6 Minuten. – Bitte.

 



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17.15.25

Abgeordneter Herbert Scheibner (BZÖ): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Justizministerin! Sie haben eingangs in Ihren Ausführungen verlangt beziehungs­weise darum ersucht, dass wir Sie als Politikerin an Ihren politischen Handlungen messen sollen. – Genau das tun wir, Frau Justizministerin!

Ich möchte auch nicht an die Vorschusslorbeeren anschließen, die Klubobmann Kopf hier zur Sprache gebracht hat. Ihre Vorschusslorbeeren waren natürlich die Führung des BAWAG-Prozesses. Wir alle haben Ihnen Vorschusslorbeeren zugestanden. Wir alle sind auch immer sehr vorsichtig bei der Beurteilung einer Justizministerin und sind sehr froh, wenn es eine unabhängige Justizministerin oder einen unabhängigen Justizminister gibt, so wie es in der Vergangenheit tatsächlich viele unabhängige Justizminister gegeben hat.

Aber gerade als Politikerin müssen Sie sich an Ihren Handlungen messen lassen, und die Beispiele, die jetzt gebracht wurden, zeigen doch, dass es von Ihrer Seite zu wenig Aufsicht gibt. Es geht um die Aufsicht der Justiz: Dort wo es Missstände gibt, muss eine Justizministerin eingreifen, nicht bei den unabhängigen Gerichten, aber bei den weisungsgebundenen Staatsanwaltschaften. Das, was sich hier abspielt beziehungs­weise abgespielt hat, kann nicht akzeptiert werden und kann nicht nur lapidar mit vorgelesenen Statements abgetan werden!

Der Fall des Abgeordneten Stadler wurde hier schon angeführt. Es gibt aber einen weiteren Fall. Wir alle haben hier sehr intensiv den Listerien-Skandal mit 14 Toten, der ins Gesundheitsministerium reicht, diskutiert. Frau Justizministerin, wir hören wenig über Ermittlungen gegen die Täter beziehungsweise Beschuldigten in diesem Skandal! Es gab 14 Tote, und angeblich wurde ermittelt! (Abg. Grillitsch: Das betrifft das Gesundheitsministerium!)

Lieber Kollege, jetzt wäre es einmal besser, ein bisschen ruhig zu sein! Es wurde näm­lich nicht beziehungsweise zu wenig und noch nicht abschließend gegen jene ermittelt, die für 14 Tote in diesem Land verantwortlich sind. Es wurde gegen eine Referentin im BZÖ-Parlamentsklub ermittelt, woher sie denn die Informationen hatte, die zur Aufdeckung dieses Skandals geführt haben, also wegen Geheimnisverrats. Das ist der Skandal! Es wird gegen die ermittelt, die aufdecken, und nicht gegen die, welche die Täter sind. Das kritisieren wir! (Beifall beim BZÖ.)

Meine Damen und Herren! Abgeordneter Petzner wurde heute auch von Ihnen wegen seiner Ausführungen kritisiert, und es ist interessant, wenn aus den ÖVP-Reihen dann Drohungen gegen ihn kommen und gesagt wird, dass einer, der so viel Dreck am Stecken hat wie er, sich nicht hier herausstellen und die Justiz kritisieren soll. Das wurde von einem Abgeordneten der ÖVP gesagt. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Und zufälligerweise bekommt derselbe Abgeordnete Petzner über einen Bekannten eine Drohung aus der Staatsanwaltschaft Wien: Über ein Telefonat heißt es, er solle die Justiz nicht kritisieren. Es sei nicht ratsam, sich mit der Justiz anzulegen, das solle er sich merken.

Frau Justizministerin, ist das die Justiz, die wir uns alle erwarten und wünschen und wozu Sie nichts zu sagen haben? Wie gibt es das, diesen Staat im Staat? Es geht um das Vertrauen in die Justiz, in eine unabhängige Justiz, von der die Täter verfolgt, aber nicht die Opfer kriminalisiert werden! Das würden wir uns alle von einer unabhängigen Justiz erwarten. (Beifall beim BZÖ.)

Es gibt viele Punkte, an deren Beispiel dieses Ungleichgewicht zu diskutieren ist. Es wurde schon angesprochen, dass bei der Hypo Niederösterreich die Verfahren einge­stellt werden sollen und dass in das Verfahren Hypo Alpe-Adria Legionen von CSIs und Staatsanwälten geschickt werden. – Das ist gut! Es soll aufgeklärt werden.


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Komisch ist nur, wenn in diesem Fall jeder Ermittlungsschritt sofort in der Öffentlichkeit bekannt ist und an die Medien kommt und Sie nur sagen, dass man das nicht vergleichen kann, weil die Volumina anders sind. Ich glaube, bei Delikten wie Untreue, Bilanzfälschungen et cetera geht es nicht um die Volumina, sondern um das Delikt.

Und es geht um die politische Verantwortung, Frau Bundesministerin! Sie haben heute hier die Unwahrheit gesagt. Sie haben das vorgelesen, vielleicht war das nicht Ihre Stellungnahme, aber wenn Sie sagen, in der Causa Haider hätten Sie das auch nur aus den Medien erfahren und das hätten Sie auch so gesagt, dann ist das die Unwahrheit!

Ich zitiere aus der Abschrift des „Morgenjournals“ im ORF am 2. August um 7 Uhr. Sie sind dort gefragt worden, wie Sie zu diesen Vorwürfen gegen den toten Jörg Haider, 45 Millionen € an Konten in Liechtenstein zu haben, stehen.

Darauf haben Sie, Frau Justizministerin, wörtlich gesagt: „Ich habe auch genauso erst vor kurzem davon erfahren. Wie man merkt, passiert auch einiges in der Justiz. Es werden Konten geöffnet, es finden Hausdurchsuchungen und Ermittlungen statt.“

Das heißt, Sie haben die Justiz noch gelobt dafür, dass anscheinend und angeblich Haider-Konten gefunden wurden.

Sie haben dann weiters gesagt, dass man noch nicht weiß, woher das Geld ist, ob es sozusagen aus legalen oder aus illegalen Quellen ist, dass das jetzt Gegenstand von Ermittlungen ist (Zwischenrufe beim BZÖ) und dass Sie davon überzeugt sind, dass die Staatsanwaltschaft und die ermittelnden Behörden das aufdecken werden.

Frau Justizministerin, Sie haben damals falsche Meldungen in der Öffentlichkeit legitimiert! (Beifall beim BZÖ.)

Da ist ein toter Jörg Haider beschmutzt worden, denn danach haben die Liechten­steiner gesagt, dass es gar keine Ermittlungen gibt, dass es keine Konten gibt. Erst dann hat man das alles umgedreht, und plötzlich ist herausgekommen, dass Fiktionen in einem Notizbuch des Herrn Meischberger die einzige Grundlage für die Verdächtigungen waren. (Abg. Mag. Stadler: Vom Hörensagen!)

Sie haben nicht gesagt, dass Sie das selbst aus den Medien erfahren haben, sondern Sie haben mit Ihrer Meldung noch die Justiz dafür gelobt, dass sie das aufgedeckt habe.

Frau Justizministerin, allein das wäre Grund genug für einen Misstrauensantrag – es gibt aber auch noch viele andere. Es geht um Ihre politische Verantwortung für eine Justiz, die ein Staat im Staat geworden ist. Und das wollen und können wir nicht zulassen! (Beifall beim BZÖ.)

17.21


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Frau Abgeordnete Mag. Wurm zu Wort. Ich stelle die Uhr auf 5 Minuten. – Bitte.

 


17.22.03

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Ministerin­nen! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! In der heutigen Debatte wurden schon viele Denker, Philosophen, Literaten zitiert. Ich möchte einen hinzu­fü­gen, nämlich Friedrich Dürrenmatt. Friedrich Dürrenmatt hat gesagt: „Die Gerechtigkeit wohnt in einer Etage, zu der die Justiz keinen Zutritt hat.“

Sie erinnern sich vielleicht an das Buch „Justiz“, vielleicht auch an die Verfilmung mit Maximilian Schell – ein sehr zu Herzen gehendes Buch und ein ebensolcher Film.


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Wir haben heute hier philosophiert über die dritte Staatsgewalt, eventuell die vierte Staatsgewalt, über Gerechtigkeit, darüber, was Justiz mit Gerechtigkeit zu tun hat, und so weiter, über die persönliche Integrität, auch die persönliche Integrität der Justiz­minis­terin. Ich bin nicht dafür, dass man Menschen – egal, in welcher Funktion sie sind – persönlich angreift.

Damit bin ich schon beim Herrn Klubobmann Kopf, der hier der große Zensor sein wollte und zu unserer Präsidentin gesagt hat, dass sie auf Herrn Stadler hereingefallen ist, als sie gestern – meines Erachtens zu Recht – darauf hingewiesen hat, dass sie sofort gehandelt hat. Die Frau Präsidentin hat einerseits mit der Justizministerin telefoniert und das andererseits – für den Fall, dass sich diese Verdachtsmomente erhärten – als inakzeptabel verurteilt, und dafür ist ihr zu danken. Da kann niemand etwas anderes sagen! Ich bin froh darüber, dass Sie, Frau Präsidentin, so gehandelt haben! (Beifall bei SPÖ und BZÖ sowie des Abg. Dr. Van der Bellen.)

Klubobmann Kopf hat hier an dieser Stelle auch darauf hingewiesen, dass es vielleicht Mängel gegeben hat. Diese sind in der Ära Böhmdorfer zu suchen. Damals wurde nämlich die Strafprozessreform hier im Haus debattiert. Es wurde lange darüber gesprochen. Wir hätten uns von der Intention her schon mit diesem Gesetz anfreunden können, wenn verschiedene Mängel beseitigt worden wären. Unsere Fraktion hat dann nicht zugestimmt und hat einen umfassenden Minderheitsbericht verfasst, der Ihnen vorliegt, den Sie sich anschauen können. Das ist etwas, über das wir nach wie vor diskutieren müssen, wenn der Evaluierungsbericht in den Justizausschuss kommt.

Es geht darum, dass – das haben wir damals schon gesagt – genügend finanzielle Ressourcen vorhanden sein müssen, um bei den Staatsanwälten eine entsprechende Personalaufstockung vornehmen zu können. Es geht um die Rolle von Kriminalpolizei und Justiz – da ist etwas änderungsbedürftig. Es geht auch um die Frage der Opfer­rolle – dazu habe ich damals einen Antrag eingebracht –, und, und, und. Da haben wir Handlungsbedarf, da ist einiges zu tun, da sollten wir novellieren.

Frau Bundesministerin, das, was ich nicht verstehe, ist, warum Sie – und es ist nicht gut, wenn die Justiz ins Gerede kommt – in diesem Zusammenhang unserem Vor­schlag nicht beitreten können, nämlich einen Bundesstaatsanwalt einzusetzen. Ich rede von einem Bundesstaatsanwalt – für diese Funktion gibt es seit nahezu zehn Jahren Konzepte, die Ihnen und auch der Öffentlichkeit vorgestellt wurden. Dieser Bundesstaatsanwalt sollte – so wie Sie auch – als Exekutive dem Parlament gegenüber selbstverständlich berichtspflichtig sein. Dann bräuchten Sie sich nicht mehr um einzelne Strafsachen kümmern. Die Staatsanwaltschaft würde von einem weisungsungebundenen Kontrollorgan beaufsichtigt, und das täte der Justiz, der dritten Gewalt im Staate, davon bin ich überzeugt, um vieles besser als das derzeitige System.

Kollege Maier hat schon ausgeführt, dass die Justiz ins Gerede gekommen ist. Die Menschen haben nicht mehr so großes Vertrauen in die Gerichtsbarkeit. Hier haben wir Handlungsbedarf, hier haben wir zu agieren.

In der letzten Zeit ist viel geschehen. Ich erinnere an den großen Justizgipfel – ich glaube, er hat am 26. August stattgefunden –, bei dem darauf abgestellt wurde, dass mehr Geld für die Justiz zur Verfügung steht, und, und, und. Es wurden selbst­verständlich Reformschritte eingeleitet. Frau Minister, Sie haben ein mir sehr wichtiges Gesetz nicht erwähnt: das Gewaltschutzgesetz. (Zwischenruf des Abg. Amon.) Eine sehr wichtige Maßnahme für sehr viele vor allem weibliche Opfer.


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Es ist viel gemacht worden, der Reformwille sollte uns aber nicht abhandenkommen. Der weisungsunabhängige Bundesstaatsanwalt wäre der richtige Schritt in die richtige Richtung. (Beifall bei der SPÖ.)

17.27


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Hornek zu Wort. – Bitte. (Abg. Mag. Stadler  in Richtung des sich zum Rednerpult begeben­den Abg. Hornek –: Das nenne ich Mut!)

 


17.27.25

Abgeordneter Erwin Hornek (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Mit­glieder der Bundesregierung! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Dring­liche Anfrage gibt die Möglichkeit, einige Klarstellungen zu treffen.

Das BZÖ versucht permanent, Vergleiche zwischen der Landesbank Niederösterreich und der Hypo Alpe-Adria zu ziehen. Mit Ausnahme der Tatsache, dass es sich dabei um zwei Landesbanken handelt, gibt es keine vergleichbaren Tatbestände. (Abg. Mag. Kogler: In Niederösterreich sind die Spekulanten eh schon in der Regierung!)

Massiv wird kritisiert, dass es da zu Unzulänglichkeiten gekommen ist. Es wurde in dieser Hinsicht seitens des Rechnungshofes sehr detailliert geprüft.

Ich zitiere aus dem Rechnungshofbericht der Reihe Niederösterreich 2010/5, Vorlage am 30. Juni 2010, in Bezug auf die Veranlagung der Wohnbaugelder des Landes Niederösterreichs, wo es heißt:

„Die Performance der veranlagten Gelder unterschritt bis Ende 2008 das langfristige Ergebnisziel des Landes ...“ – Ich halte ausdrücklich fest: das selbst gesetzte Ziel des Landes Niederösterreich!

Weiter heißt es dann: „Der Nettovermögenswert der Fonds zum Ende 2008 zuzüglich sämtlicher Auszahlungen an das Land wies im Vergleich zum Anfangsbestand einen positiven Saldo von 66,71 Mill. EUR auf.“

Damit ist klar und deutlich unter Beweis gestellt, dass es da zu keinen Spekulations­verlusten gekommen ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Faktum ist, dass diese Landesbank keine Steuermittel in Anspruch nehmen musste, wie dies jedoch bei anderen Banken, etwa der Bawag, der Kommunalkredit und anderen, der Fall war. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt viele Unternehmer, die sich einen höheren Gewinn wünschen, aber bedauerlicherweise muss man manchmal auch mit einem niedrigeren Gewinn zufrieden sein. (Abg. Dr. Wittmann: Sehr unglücklich!) Viele Banken in Österreich hätten sich in den schwierigen Zeiten, die wir jetzt hatten, gewünscht, in ihrer Bilanz, in Bezug auf ihre Bilanzberichte den Begriff „positiv“ zu finden.

Besonders bemerkenswert ist, dass gerade das BZÖ hier diese Thematik in den Mittel­punkt stellt. Das BZÖ und das gesamte Land Kärnten müssten doch dem österreichi­schen Steuerzahler in höchstem Maße dankbar sein, denn ohne Unterstützung durch den österreichischen Steuerzahler, der binnen kürzester Zeit den enorm hohen Betrag von 1,4 Milliarden € zur Eigenmittelstärkung zur Verfügung gestellt hat, wäre die Landesbank in Kärnten leider insolvent geworden. – Da nützt Ihr Kopfschütteln, Herr Kollege Petzner, überhaupt nichts!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man sich wundert, dass da intensiv geprüft wird, muss man aber schon auch bedenken, dass die Bayerische Landesbank definitiv 3,7 Milliarden € verloren hat! Und wenn man in den letzten Tagen die Diskus­


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sionen in diesem Haus in Bezug auf das Budget verfolgt hat, muss man sagen, dass das Dimensionen sind, die dem Sparziel der Republik Österreich in Bezug auf Budgetoptimierung sehr nahe kommen.

Festzuhalten ist, dass die ehemaligen Eigentümer der Landesbank in Kärnten ihre Aufgabe als Eigentümervertreter sträflich vernachlässigt haben. (Zwischenruf des Abg. Petzner.) – Herr Petzner, wenn Sie hier gewesen wären, hätten Sie bereits die Infor­mationen entgegennehmen können.

Faktum ist, dass auch die Geschäftsführung der Hypo Alpe-Adria da ihre Sorgfalt offenkundig nicht entsprechend wahrgenommen hat.

Geschätzte Damen und Herren! Es gibt sehr, sehr viele offene Fragen. Es geht da um extrem viel Geld. Noch niemals zuvor in der Geschichte Österreichs hat eine Bank ein gesamtes Bundesland beinahe an den finanziellen Abgrund gebracht. (Zwischenruf des Abg. Jury.) Daher ist es legitim und gerechtfertigt, dass bei diesem enormen Volumen genau geprüft wird. (Zwischenruf des Abg. Petzner.) Es gibt überhaupt keinen Ansatz, der Justiz da zu misstrauen. Dieser Aufwand ist notwendig.

Herr Petzner! Faktum ist, dass die Kärntner allen österreichischen Steuerzahlern in höchstem Maße dankbar sein können. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Petzner: Niederösterreich hat die höchsten Schulden! – Abg. Krainer: So schlimm hätte ich die Hypo Niederösterreich nicht eingeschätzt!)

17.32


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Dr. Königshofer zu Wort. Ich stelle die Uhr auf 8 Minuten; das ist die Gesamtrestredezeit. – Bitte.

 


17.32.20

Abgeordneter DDr. Werner Königshofer (FPÖ): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Man muss schon feststellen: Es ist einiges faul im Justizministerium der Republik Österreich!

Ich möchte Ihnen drei Gruppen von Sachverhalten bringen, die so im Ministerium nicht weiter zu dulden sind. Ich würde Sie, Frau Minister, bitten, sich ernsthaft darum zu kümmern.

Punkt eins: Es gibt ein System, das sich vor allem im Osten Österreichs breitgemacht hat, und Sie dürften offenbar ein Teil dieses Systems oder die Spitze des Systems sein. Das ist das System Dr. Schön, des damaligen Oberstaatsanwaltes, bei dem sich manche Staatsanwälte und einige Rechtsanwälte und Strafverteidiger zusammentun, um sich in Strafsachen sogenannte Wunschstaatsanwälte zu suchen, die dann unzu­stän­digerweise Strafsachen im Sinne der entsprechenden Klienten abwickeln.

Meine Damen und Herren! Das ist ein reiner Widerspruch zur Rechtsordnung und zum Rechtsstaat. Sie sollten einmal nachschauen, Frau Minister, wie sich im Osten Österreichs da die Dinge in Strafverfahren abspielen. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich bringe Ihnen dazu beispielhaft einen Fall, den Fall der Frau Schörghuber gegen ihren Ex-Ehemann, Rechtsanwalt Dr. Zanger. Wenn Sie sich dieses Verfahren, das Frau Schörghuber aufgezeigt hat, ansehen, werden Sie erkennen, dass es sich hier so abspielt und dass es da auch zur „Umkehr“ von Beschuldigtem und Geschädigtem kommt, dass der Geschädigte oft in die Rolle des Beschuldigten gedrängt wird.

Meine Damen und Herren, es ist auch nicht so, dass die Staatsanwälte nach dem Zu­fallsprinzip allein ausgesucht werden. Ihr Staatsanwalt, Frau Ministerin, Mag. Krakow, war nicht umsonst bei den meisten wichtigen Wirtschaftsverfahren tätig, bei Libro, AMIS, BAWAG und anderen.


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Schauen Sie darauf, Frau Minister, dass die Auswahl der Staatsanwälte objektiv erfolgt und dass ein solches Zusammenwirken zwischen Staatsanwälten und Rechtsanwälten in Zukunft nicht mehr stattfinden kann!

Das Zweite, das ich ansprechen möchte, ist der BAWAG-Prozess, nämlich der Straf­prozess gegen die Herren Elsner, Flöttl, Zwettler, Nakowitz und so weiter, den Sie geführt haben und wo sicherlich noch einige Dinge hinterfragenswert sind, vor allem in Bezug auf das Ende dieses Prozesses.

Es wurde heute vom Kollegen Stadler schon gesagt: Die Urteile waren noch gar nicht geschrieben, wurden Sie schon zur Ministerin ernannt. Sie haben dann die Urteile fertig geschrieben und wurden dann als Ministerin angelobt. All die Urteile sind bis heute noch nicht rechtskräftig, aber Sie sind die Chefin des Justizministeriums, die Chefin der Anklagebehörde, der Staatsanwaltschaft, und somit auch weisungsberech­tigt gegenüber der Staatsanwaltschaft.

Das heißt, in diesem BAWAG-Prozess waren Sie Richterin und sind Sie jetzt auch Anklägerin. Meine Damen und Herren, wir nähern uns damit dem inquisitorischen Prinzip: Richter und Ankläger.

Meine Damen und Herren, da stimmt etwas im Rechtsstaat nicht! Und Sie, Frau Ministerin, sollten darauf einmal eingehen und diese Ihre Rolle in diesem Prozess hinterfragen.

Es ist auch abzuklären, warum in diesem Verfahren nur ein Mann in U-Haft genommen wurde, nämlich Herr Elsner. Ich bin kein Freund des Herrn Elsner, ich bin weder verwandt noch bekannt mit ihm, aber ich muss feststellen, dass mit den vier Jahren Untersuchungshaft für einen alten kranken Mann die Unmenschlichkeit zum Prinzip erhoben wurde.

Meine Damen und Herren, man muss die ganze Sache einmal dahin gehend hinter­fragen, ob da nicht wirklich das Sündenbockmodell gespielt wird und andere Mitange­klagte freigespielt werden.

Ich spreche nur einen Mitangeklagten, Herrn Flöttl jun., an und die Sequenz in dem Prozess, wo Flöttl gefragt wurde, wohin denn die Gelder, die ihm von Elsner und der BAWAG anvertraut wurden, verbracht wurden. Darauf sagte er, der Computer wäre ihm abgestürzt und er könne keine Antwort mehr geben.

Frau Minister, als Richterin hat Ihnen das genügt?! – Hätte man nicht fragen können, ob es nicht Gegenbuchungen gibt? (Abg. Mag. Stadler: Das wollte gar niemand wissen!) Wo hat Herr Flöttl jun. die Gelder veranlagt, bei welcher Bank, bei welcher Investmentfirma, bei welchem Broker? – Es wurde überhaupt nichts hinterfragt, man hat sich damit zufrieden gegeben.

Aber ich darf Sie auf einen Artikel aufmerksam machen, der vor vier oder fünf Jahren im „profil“ erschienen ist, in dem die Sache auch unter diesem Aspekt beleuchtet wurde. Dort wurde geschrieben, dass Herr Flöttl jun. dreimal einen größeren Kredit bei der Meinl Bank aufgenommen hat: einmal zum Kauf einer Yacht, einmal zum Kauf eines Flugzeuges und einmal zum Ankauf einer teuren Liegenschaft in der Londoner City. Und immer dann, wenn Flöttl jun. einen größeren Verlust aus Anlagespekula­tionsgeschäften seinen Auftraggebern in der BAWAG bekannt gegeben hat, wurde einer der Kredite bei der Meinl Bank zurückgeführt.

Man kann sich sein Bild, seinen Reim darauf machen oder nicht, auf jeden Fall sind das Sachverhalte, die hinterfragenswert sind.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll81. Sitzung / Seite 168

Das Dritte ist der Fall Kommunalkredit. Meine Damen und Herren, es kann nicht so sein, dass man die Kleinen hängt und die Großen laufen lässt. Ich darf Ihnen nur ein Beispiel dazu bringen.

Letzte Woche wurde in Tirol ein kleiner Raiffeisen-Banker der Raiffeisenbank Wattens zu vier Jahren Strafhaft verurteilt, weil er ein Kreditvolumen von 900 000 € dubios vergeben hätte. (Abg. Mag. Stadler: Das ist das Sündenbockprinzip!) Vier Jahre, davon ein Jahr unbedingt!

Und auf der anderen Seite haben wir den Fall der Kommunalkredit. Frau Ministerin Dr. Claudia „Hase“ – zwischen Klammern: weiß von nichts –, vormals Schmied, war in der Zeit von 2004 bis 2007 gemeinsam mit einem Innsbrucker, Dr. Reinhard Platzer, Chefin der Kommunalkredit. Und genau in dieser Zeit sind die riesigen Spekulations­geschäfte initiiert worden. Frau Ministerin Schmied müsste sich daher auch ihrer Verantwortung stellen.

Wir, Dr. Martin Graf, ich und einige andere Abgeordnete, haben bereits im März 2009 eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft Wien geschickt. Wir haben bis heute nicht gehört, was daraus geworden ist.

Ich sage es Ihnen noch einmal: Es kann nicht so sein, dass man die Kleinen wegen 900 000 € „hängt“, und die Großen, die verantwortlich sind für Milliardenverluste, für die der Staat und der Steuerzahler aufkommen muss, laufen lässt.

Ich darf abschließend Folgendes sagen: Frau Minister Schmied hat sich in der Kom­munalkredit noch einen Pensionsvertrag herausverhandelt, durch den sie im Jahr 308 000 € brutto bekommt. Das sind 14-mal im Jahr 17 175 €, das sind netto etwa 12 000, 13 000 € monatlich, 14-mal im Jahr. Und das für ein Milliardendesaster (Prä­sidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen), das sie bei der Kommunalkredit veranlasst hat, worunter die ÖVAG, die Muttergesellschaft, heute noch leidet. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Mag. Stadler: Aber ... warum stimmt ihr dann gegen den Misstrau­ens­antrag?)

In diesem Sinne möchte ich, dass Sie da einmal nachschauen und die Dinge auf­klären. – Danke. (Beifall bei der FPÖ)

17.40


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Dr. Walser gelangt nun zu Wort. Ich stelle die Uhr wunschgemäß auf 5 Minuten. Gesamte Restredezeit Ihrer Frak­tion sind 6 Minuten. – Bitte.

 


17.41.04

Abgeordneter Dr. Harald Walser (Grüne): Frau Präsidentin! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Das Vertrauen in die Justiz, das ist heute mehrfach erwähnt worden, hat in den letzten Jahren – Frau Ministerin, daran sind nicht nur Sie schuld – erheblich gelitten.

Ich habe Ihnen im Justizausschuss von einer Podiumsveranstaltung in Feldkirch berichtet, wo sowohl der Präsident des Landesgerichts als auch der Präsident der Notariatskammer, der Oberstaatsanwalt und führende Vertreter der Justiz in Vorarlberg nahezu physisch attackiert worden sind von aufgebrachten Menschen, von durchaus verzweifelten Menschen, von Menschen, die das Gefühl haben, sie können der Justiz nicht mehr vertrauen, von Menschen, die das Gefühl haben, dass sie selber zum Teil um Hab und Gut gekommen sind. Die Fälle sind für mich als Zuhörer und Teilnehmer an dieser Diskussion natürlich schwer nachvollziehbar oder objektivierbar gewesen, aber das Gefühl herrscht vor.


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Sie haben in dieser Situation bei einem Skandal, der mittlerweile ein Jahr andauert, eine Rolle gespielt, die Ihrer Funktion als Ministerin nicht gerecht wird. Wenn ich von ÖVP-Seite heute gehört habe, es habe sich in dieser Testamentsaffäre um individuelle Fehler gehandelt – individuelle Fehler! –, also individuelles Fehlverhalten, so muss ich sagen, es handelt sich um kriminelles Verhalten von Mitgliedern, ohne das jetzt vor­verurteilen zu wollen, des Justizapparats.

Wir müssen uns vorstellen, dass die Vizepräsidentin des Landesgerichts betroffen ist, dass der Vorsteher des Bezirksgerichts Bludenz inzwischen suspendiert ist, dass Richter am Bezirksgericht Feldkirch betroffen sind, Staatsanwälte betroffen sind, Rechts­anwälte – diese gehören auch irgendwie zum Rechtsapparat dazu – betroffen sind. Da dürfen wir uns natürlich nicht wundern, wenn das Vertrauen in diese Justiz nicht mehr vorhanden ist und die Menschen das Gefühl haben, dass es sich hier um ein regelrechtes Netzwerk handelt, das sie im entscheidenden Fall um ihr Hab und Gut und um ihre Rechte bringt. (Zwischenruf des Abg. Grillitsch.)

Und was haben Sie, Frau Ministerin, in dieser Situation getan? Was tun Sie jetzt? – Denken wir zurück an den letzten Justizausschuss: Sie schieben die Schuld nicht nur im Justizausschuss, sondern dann auch noch gegenüber der Presse in Vorarlberg, Sie schieben den Ball den höheren Beamten oder den höchsten Richtern zu. Sie sagen: Dr. Pilgermair wird in die Pflicht genommen in dieser Situation. – Ja, so einfach können Sie sich das nicht machen! Sie haben hier seit einem Jahr die Verantwortung.

Sie haben hier seit einem Jahr eigentlich überhaupt nichts getan. Sie haben beispiels­weise nach wie vor nicht geklärt, warum Sie diesen Fall nicht sofort an die Korrup­tionsstaatsanwaltschaft übergeben haben. Sie haben in mehreren Anfragen, Sie haben im Justizausschuss immer wieder dasselbe gesagt: Sie können das nicht tun. – Natür­lich, die Generalprokuratur kann das machen! Wir wissen das, und Sie formulieren über diese Angelegenheit einfach hinweg. Sie nehmen Ihre Verantwortung in diesem Zusammenhang nicht wahr.

Sie nehmen Ihre Verantwortung auch nicht wahr, was die Geschädigten in dieser Angelegenheit betrifft. Es gibt sehr vernünftige Vorschläge, und – man höre und staune! – es sind die Rechtsanwälte der mutmaßlichen Täter, die diese Vorschläge machen, etwa auf Einrichtung eines Fonds für die Geschädigten. Es gibt ja die Zusage, dass sie hier mitwirken, damit die Geschädigten rechtzeitig beziehungsweise früher zu ihrem Recht, zu ihrem Besitz kommen.

Es gibt die Petition des Rechtsanwaltes Mennel, der mir sagt, er bekommt nicht einmal eine richtige Antwort von Ihnen. Ich habe Ihnen in den letzten Tagen auch Briefe von Personen aus Vorarlberg übermittelt, die nicht einmal mehr das Vertrauen haben, dass ihre Beschwerden auch bei Ihnen landen.

Also, hier herrscht wirklich eine Situation, in der viele, viele Menschen das Vertrauen in die Justiz verloren haben und in der Sie seit einem Jahr schlicht untergetaucht sind. Gesehen hat man Sie bei der Eröffnung der Bregenzer Festspiele, ansonsten war in dieser Angelegenheit sehr wenig von Ihnen zu hören. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Was wäre zu tun? – Die Sonderrevision des Oberlandesgerichts Innsbruck hat ihre Arbeit vollbracht. Das ist aber, bitte, nicht genug! Es pfeifen die Spatzen von den Dächern, dass hier intensivere Untersuchungen angestellt werden müssen. Es ist vollkommen klar, dass hier eine breit angelegte Untersuchung aller Testamente zu erfolgen hat, dass hier auch Historiker mit in das Geschehen einzubeziehen sind, damit wir auch wirklich in der Lage sind, alle Zweifel auszuschließen, dass es nicht noch weitere Leichen in diesem Justizkeller gibt.


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Diese Behörde ist zeitlich und personell extrem belastet. Sie ist personell nicht in der Lage, diese Vielzahl an Aufgaben auch wirklich durchzuführen.

Was wäre weiter zu tun? – Noch immer sind nicht alle potenziell Geschädigten infor­miert darüber, dass sie geschädigt sein könnten. Sie können bis heute nicht garantie­ren, dass alle Geschädigten oder potenziell Geschädigten informiert worden sind. Frau Ministerin! Das sind einfach Mängel in der Ausübung Ihres politischen Amtes, die nicht zu akzeptieren sind!

Wenn Jacky Maier sagt (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen), es herrscht großes Unbehagen, dann ist das, glaube ich, milde ausgedrückt. Es herrscht mehr als Unbehagen: Es herrscht Verzweiflung bei vielen Menschen. Frau Ministerin! Sie haben Ihre Funktion in dieser Affäre – allein in dieser Affäre! – im letzten Jahr nicht wahrgenommen, deshalb ist für uns klar, dass wir der Rücktrittsaufforderung zustimmen. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

17.47


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Dr. Wittmann gelangt nun zu Wort. Ich stelle die Uhr auf 4 Minuten. Die gesamte Restredezeit Ihrer Fraktion beträgt 8 Minuten. – Bitte.

 


17.47.45

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Zunächst einmal: Warum werden wir heute hier mit einer Dringlichen Anfrage konfrontiert? Warum gibt es diese Anfrage? – Diese Anfrage gibt es, weil es offensichtlich Mode geworden ist, schon in vorauseilendem Gehorsam der Presse zu liefern, was sie gerne hätte.

Ich halte nichts davon, dass man das macht wegen eines Gutachtens, das die Gene­ral­prokuratur erstellt hat über ein Urteil, das eine Richterin gefällt hat. Laut diesem Gutachten ist es systemimmanent, dass auch Fehler aufgezeigt werden und dass Richter bei derartig großen Entscheidungen auch Fehler machen. Da ist doch noch nicht einmal etwas vom Obersten Gerichtshof entschieden worden, der letztendlich die Instanz wäre, die zu entscheiden hat! Das heißt, es geht um ein Rechtsgutachten, das im Sinne der Justiz bei allen größeren Verfahren irgendwelche Mängel aufzeigt. Das ist auch hier der Fall. Und ganz ehrlich: Ein Gutachten für eine Rücktrittsaufforderung heranzuziehen, das ist ein bisschen mager, würde ich sagen. Das ist ein bisschen mager! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Und dann, lieber Kollege Stadler, Fragen zu stellen wie nach der Begründung der überlangen Untersuchungshaft! – Also ich bin froh, dass die Frau Minister sie nicht beantwortet hat, aber ich glaube, genau das wäre der Fehler, den man nicht machen darf: dass eine Ministerin sich einmischt in die richterlichen Entscheidungen. Also, das in den Mund zu legen ist allein schon gefährlicher als die ganze Geschichte mit dem Gutachten, würde ich sagen!

Und den Rücktritt daran aufzuhängen, dass die Frau Justizminister als Richterin Ja gesagt hätte zu einer Berufung zur Justizministerin (Abg. Mag. Stadler: Sie haben es ja selber kritisiert!), das halte ich aus einem Grund für ein schwieriges Unterfangen, nämlich: Die Trennung zwischen Legislative und Justiz muss wirklich klar gezogen werden, aber da kann man doch nicht der Frau Justizministerin die Schuld geben, dass sie als Richterin Ja zur Berufung zur Justizministerin gesagt hat!

Die Richter sind weder ausgeschlossen davon, noch hat sie in irgendeiner Weise etwas Rechtswidriges gemacht, noch ist es in irgendeiner Weise ihr vorzuwerfen, dass Sie Ja sagt, dass sie Justizministerin wird, sondern wir wären aufgefordert, als Rechtsgeber, als Legislative, hier klare Trennstriche bekanntzugeben, zu sagen: Das


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geht eben nicht in einem laufenden Verfahren. – Ein Richter wird es nicht machen, wenn das nicht geht (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler), aber daraus einen Rücktrittsgrund zu konstruieren? – Da bin ich ein bisschen heikel in der Sache, weil das sind keine Gründe, aus denen man so etwas konstruieren kann.

Bleiben diese Vorwürfe im Zusammenhang mit Grasser, die wir schon alle kennen, und mit Kampusch, die wir schon alle kennen.

Ich glaube, das Grundübel liegt in einem weiteren Systemfehler, nämlich in der StPO-Reform, durch die ausschließlich der Staatsanwalt Herr des Vorverfahrens wurde, weil überall in diesen Verfahren staatsanwaltliche Fehler vorliegen. Und ich glaube, diesen Fehler müssen wir korrigieren, da bin ich bei Klubobmann Kopf. Ich glaube, dass es richtig ist, diese Strafprozessordnung neuerlich zu novellieren, weil aus diesen alleini­gen Herren des Vorverfahrens viele Fehler resultieren.

Aber einen Punkt möchte ich schon noch erwähnen. Es war eine ein bisschen unglück­liche Wortmeldung des Kollegen Hornek hinsichtlich Niederösterreich, sogar eine sehr unglückliche Wortmeldung: Wenn die Finanzmarktaufsicht eine Anzeige macht (Zwischenruf des Abg. Mag. Donnerbauer), wenn es im September eine Sachver­haltsdarstellung des Kollegen Heinzl gibt und wenn dort drinnen auf 34 Seiten penibel nachgewiesen wird, wo der Verdacht der Untreue und der Verdacht der Bilanzfäl­schung liegt (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Mag. Donnerbauer), dann gibt es noch eine weitere Sachverhaltsdarstellung, und dann wird ohne Ermittlungen – ohne Ermittlungen! – ein Vorhabensbericht abgesandt, der die Einstellung des Verfahrens bringt (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Mag. Donnerbauer), dann, muss ich ganz ehrlich sagen, ist das nicht die Form, die wir uns als Justiz wünschen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten des BZÖ.)

Wenn dann nämlich selbst der Referent für Wirtschaftssachen im Landeskriminalamt sagt, auf Weisung des Staatsanwaltes dürfen sie keine Ermittlungen durchführen, dann ist es für mich schon verdächtig, und, Frau Justizministerin, ich appelliere an Sie von dieser Stelle, dass man da besonders sorgfältig und besonders genau prüft und letzt­endlich einen entsprechenden Bericht macht.

Aber meiner Meinung nach rechtfertigen alle diese Vorwürfe keine Rücktritts­aufforde­rung. (Beifall bei der SPÖ.)

17.52


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Amon. Ich stelle die Uhr auf 5 Minuten; Gesamtrestredezeit Ihrer Fraktion: 6 Minuten. – Bitte.

 


17.52.34

Abgeordneter Werner Amon, MBA (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Frauen Bundesministerinnen! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die heutige Dringliche und der eingebrachte Misstrauensantrag des BZÖ führen natürlich auch dazu, dass so wichtige parlamentarische Waffen wie die Dring­liche Anfrage, der Misstrauensantrag, aber auch schon in der Vergangenheit Unter­suchungsausschüsse, dass diese wichtigen parlamentarischen Waffen, diese wichti­gen parlamentarischen Instrumente immer stumpfer werden. (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler. – Abg. Öllinger: Hauptsache, Sie werden nicht stumpf!)

Sie „vernudeln“ im Grunde genommen dieses wichtige Instrument, weil Sie selbst in Ihrer Argumentation im eigenen Klub nicht dieselbe Argumentationslinie haben und Kritik üben.

Herr Kollege Stadler hat ja die Anfrage begründet, hat aber ausdrücklich darauf verwie­sen – da hatte ich ja die Hoffnung, dass das eine inhaltlich durchaus interessante Debatte werden kann –, dass eben nicht das Gutachten der Generalprokuratur das


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Thema sein soll, warum hier der Justizministerin das Misstrauen ausgesprochen werden soll. Das haben Sie ausdrücklich so argumentiert.

Einer Ihrer Nachredner, nämlich Kollege Petzner, hat das genaue Gegenteil argumen­tiert: Er hat hier ausdrücklich gesagt, dass aufgrund des Gutachtens der Generalpro­kuratur und der darin enthaltenen Kritik am BAWAG-Urteil der Ministerin das Miss­trauen ausgesprochen werden soll.

Sie müssen sich einmal überlegen, was Sie wollen, meine Damen und Herren! Ist es berechtigt oder nicht berechtigt? (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler.)

Es ist gerade dieses Gutachten, das beweist, dass die Frau Bundesministerin nicht Einfluss nimmt, sondern dass sie die unabhängige Justiz arbeiten lässt, und daher auch die Möglichkeit besteht, ganz selbstverständlich ein Urteil, das sie als Richterin gefällt hat, in der nächsten Instanz zu überprüfen. Das ist ja, bitte, auch das, was wir von einem ordentlichen Rechtsstaat erwarten: dass der Bürger/die Bürgerin, jeder Ge- und Verklagte die Möglichkeit hat, im Instanzenzug ein Urteil auch zu bekämpfen. Das ist notwendig, das ist richtig, und diese Justizministerin garantiert, dass die Unabhän­gig­keit sichergestellt ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Sie stumpfen die parlamentarische Waffe des Misstrauensantrages auch deshalb ab, weil Sie jetzt schon in jede Sitzung mit einem Misstrauensantrag kommen. (Abg. Öllinger: Rührend! Rührend!) Das hat aber nichts mit der an sich exzellenten Leistung der Bundesregierung zu tun, sondern hängt einfach damit zusammen, dass Ihnen nichts mehr einfällt. (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: Wo sind denn diese „exzellenten Leistungen“?)

Den ganzen Sommer über hat die Opposition nichts zustande gebracht. Jetzt, weil keine andere Möglichkeit besteht und Teile der Opposition, das muss man wirklich sagen, hier wirklich nichts mehr zustande gebracht haben (Abg. Öllinger: Ihre Sorgen möchten wir haben!), müssen Sie sich halt mit aller Gewalt hier Dinge einfallen lassen, wie Sie der Regierung eines am Zeug flicken können. (Abg. Ing. Höbart: Wo ist denn das Budget? – Abg. Mag. Stefan: Wie wäre es mit einem Budget? – Unruhe im Saal.)

Aber zurück zum Ernst, meine Damen und Herren! Wenn hier etwa die Causa Kampusch angesprochen wird (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen), gibt es natürlich schon Punkte, die einem als Parlamentarier nahe gehen, die einem als Familienvater nahe gehen: Ich denke an die Aussagen des Präsidenten Adamovich – da wollte man das so ein bisschen als ich weiß nicht was abtun; es ist durchaus ernst zu nehmen, was Präsident Adamovich gesagt hat, als er noch die Kommission leitete –, an die Aussagen des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes jetzt und auch an den Selbstmord eines leitenden Exekutivbeamten. (Abg. Strache: Oder vielleicht auch Mord!)

Meine Damen und Herren! Deshalb bin ich auch der Frau Justizministerin dankbar, dass sie ausdrücklich Anordnung gegeben hat, diese Causa noch einmal zu überprü­fen. Ich halte das auch für gerechtfertigt und für notwendig, und auch das zeigt, dass die Frau Justizministerin die Justiz und die Justizbehörden entsprechend unabhängig arbeiten lässt. (Beifall bei der ÖVP.)

Abschließend: Ich halte die ganze Diskussion jetzt um dieses Gutachten der General­prokuratur im Zusammenhang mit dem BAWAG-Urteil für falsch. Bei manchen Oppo­sitionsparteien gewinnt man ja schon fast den Eindruck, dass das alles anständige Herren im Nadelstreif waren, die da auf der Anklagebank gesessen sind. Ja, bitte, wir alle haben das im Untersuchungsausschuss erlebt, was es da an Malversationen gegeben hat, und die waren auch eindeutig! Ehrlich gesagt, das Mitleid mit diesen


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Personen hält sich bei mir sehr in Grenzen. (Abg. Strache: ... dass der Elsner stell­vertretend für viele ...! – Zwischenruf des Abg. Öllinger.) Ich verstehe nicht, welches Mitleid das BZÖ mit manchen Persönlichkeiten hat.

Ich denke etwa an das Vermögen des ÖGB, das da in den Sand gesetzt worden ist, das Vermögen der Mitglieder des ÖGB, meine Damen und Herren. Und dass dies der größte Kapitalbetrug in der Geschichte der Zweiten Republik bis damals war, ist wohl auch Grund genug, dass man einen solchen Monsterprozess, den diese Justiz­minis­terin hervorragend geleitet hat, ernst nimmt und dass man das jetzt nicht, weil jemand eine andere Rechtsmeinung vertritt, ins Lächerliche zieht. (Beifall bei der ÖVP.)

Ganz zum Schluss möchte ich Sie noch einmal um Folgendes bitten: Verwenden Sie diese wichtigen parlamentarischen Instrumente nicht derart inflationär, wie Sie das derzeit tun (Abg. Öllinger: Ja, ja, rührend!), denn das stumpft diese wichtigen parlamen­tarischen Instrumente ab, und dann, wenn man sie wirklich einmal braucht, können sie keine Wirkung mehr entfalten. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Öllinger: ... so besorgt!)

17.58


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Mag. Stadler hat sich noch einmal zu Wort gemeldet. Gesamte Restredezeit Ihrer Fraktion: 4 Minuten. Ich erteile Ihnen das Wort.

 


17.58.35

Abgeordneter Mag. Ewald Stadler (BZÖ): Bei der Rede des Kollegen Amon hätte es mir fast die Stimme verschlagen vor lauter Rührung, aber ich gehe gar nicht darauf ein. (Zwischenruf des Abg. Amon.) Aber natürlich, vor lauter Rührung, welche Sorgen er sich macht um die parlamentarischen Instrumente der Opposition!

Meine Damen und Herren, es ist vor allem etwas anderes interessant: Dass die SPÖ dem Misstrauensantrag nicht zustimmt – dafür bekommt ihr gleich die verbalen Ohr­feigen, das habt ihr ja jetzt gehört –, ist nicht weiter verwunderlich. Aber ihr solltet vielleicht einmal kritisch darüber nachdenken, ob es gescheit war, der ÖVP gleichzeitig das Innenressort und das Justizressort zu überlassen. Das ist eine Überlegung, die gebe ich nur als Denkanstoß mit. (Beifall beim BZÖ.)

Bemerkenswert ist auch nicht, wenn Kollege Donnerbauer herauskommt – weil er angenommen hat, dass wir die Debatte an diesem Gutachten der Generalprokuratur aufhängen und dass wir persönliche Untergriffe machen; er hat natürlich die Rede nicht umgeschrieben, nur weil der Debattenverlauf ein anderer war (Zwischenruf des Abg. Strache) – und behauptet, wir hätten persönliche Untergriffe gemacht.

Natürlich kann es so sein, dass bei der ÖVP – speziell in Niederösterreich – nicht loben bereits ein Untergriff ist, das ist klar – oder eine Dringliche Anfrage, ein Misstrauens­antrag kann auch schon ein persönlicher Untergriff sein; auch das ist möglich, ja –, aber es hat jedenfalls den Debattenverlauf nicht wiedergegeben, wenn er das behaup­tet. Die Frau Bundesministerin hat jedenfalls keinen einzigen persönlichen Untergriff abbekommen.

Aber wissen Sie, was ein persönlicher Untergriff ist? Das ist ein persönlicher Untergriff: ÖVP-Presse von heute, Raiffeisen-Presse von heute. (Der Redner hält einen Zeitungs­ausschnitt in die Höhe.)

Frau Bundesministerin, falls Sie es noch nicht gesehen haben: Das ist die Karikatur Ihres Protegés, des Raiffeisensektors. (Beifall beim BZÖ. – Der Redner übergibt den Zeitungsausschnitt Bundesministerin Mag. Bandion-Ortner.) Das ist ein persönlicher Untergriff! Nicht vom BZÖ – von Ihren Protegés, von denen, denen Ihr Herr Vize­kanzler, den Sie so lieb begrüßt haben, so sehr verpflichtet ist: das Giebelkreuz. (Zwi­


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schenbemerkung von Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll.– Bitte? Was? – Wenn man etwas hören will, hört man nichts von ihm.

Meine Damen und Herren! Bemerkenswert war etwas anderes. Bemerkenswert war, dass die Redner der FPÖ herausgehen, der Reihe nach Gründe vorbringen, warum man eigentlich der Ministerin das Vertrauen versagen sollte, es aber nicht tun. Ich weiß sogar von einzelnen Mitgliedern – ich werde sie jetzt nicht namentlich nennen –, dass sie gesagt haben: Natürlich wollen wir dem Misstrauensantrag zustimmen. – Dürfen sie nicht! Aber warum nicht? Das ist auch eine Form der subtilen Einfluss­nahme auf die Justiz, einer besonders subtilen Einflussnahme. Glaubt ihr wirklich, dass deswegen ein Strafverfahren gegen den Heinz-Christian Strache nicht stattfindet, nur weil ihr heute der Justizministerin das Vertrauen aussprecht?! Glaubt ihr das ernsthaft? (Ironische Heiterkeit bei der FPÖ.) Das ist eine besonders subtile Form des Versuches der politischen Einflussnahme. (Abg. Mag. Stefan: In der Welt des Herrn Stadler wäre es vielleicht so!) Ich habe den Verdacht, dass ihr das wirklich glaubt.

Dann sage ich euch jetzt etwas von jemandem, der wirklich ein freier Bürger ist: Ich werde mich bei keiner Ministerin, bei keinem Polizeibeamten, bei keinem Staatsanwalt nur deswegen devot verhalten, damit er mich nicht verfolgt, meine Damen und Herren! Das werde ich nicht tun! (Beifall beim BZÖ.)

Dazu bin ich nicht auf die Welt gekommen und Abgeordneter geworden, dass ich vor irgendjemandem einen Kotau mache, nur damit ich nicht verfolgt werde; aber das glaubt man dort.

Und ich warte es ab, Herr Kollege Hübner: In wenigen Wochen oder Monaten schon werdet ihr alle hier über die Justizministerin herfallen, weil es eine Anklage gibt. Das erwarten wir, da brauchen wir uns nur Zeit zu lassen, denn genauso wird es kommen. Wir werden uns also den Verfahrensfortgang sehr genau anschauen.

Meine Damen und Herren! Letztlich ist das heute einzig Substantielle, das von der ÖVP gekommen ist, die Ankündigung und Erkenntnis, dass man die Strafprozess­ord­nung doch noch einmal novellieren muss, dass man doch noch einmal darüber nach­denken muss, ob man den Staatsanwalt zum alleinigen und unkontrollierten Herrn des Vorverfahrens macht. Meine Damen und Herren, wenn das das Ergebnis der heutigen Dringlichen war, dann war sie eine der erfolgreichsten Dringlichen, die in den letzten Monaten hier stattgefunden haben. (Beifall beim BZÖ.)

18.02


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Cap. Gesamte Restredezeit: 3 Minuten. – Bitte.

 


18.02.27

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Herr Abgeordneter Stadler, Sie können sich noch so bemühen, aber wir sind da heute kuschelresistent, auch wenn Sie noch so sehr versuchen, sich an uns heranzukuscheln. Das ist natürlich schon interessant, dass es hier eine Justizdebatte mit den versammelten orangen „Engerln“ gibt, die ja mit der Justiz in letzter Zeit buchstäblich nichts zu tun gehabt haben. (Heiterkeit.)

Aber ich will das ernst nehmen, weil ich glaube, dass das wichtig ist, und ich möchte gleich aufgreifen, was Klubobmann Kopf gesagt hat im Zusammenhang mit der StPO-Novelle. Wir sollten uns zusammensetzen – ich greife Ihren Vorschlag auf – und begin­nen, über eine Novelle nachzudenken. Und wenn das das Ergebnis der Dringlichen ist, dann stimme ich in dem Fall wieder dem Vorredner zu, dann, glaube ich, hat das einen Sinn. (Beifall beim BZÖ sowie bei Abgeordneten der SPÖ.) – Das ist der erste Punkt.


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Der zweite Punkt ist: Ich muss auch sagen, das war heute eine dünne Veranstaltung, weil man immer gemerkt hat, am Ende der Rede haben die, die für den Misstrauens­antrag waren, ein Problem gehabt, wie sie diesen Misstrauensantrag eigentlich begrün­den sollen. Ich habe so ein Dem-eigenen-Antrag-Nachlaufen noch selten hier erlebt.

Dann setzen wir uns zusammen und machen wir Regeln, dass eine Richterin oder ein Staatsanwalt nicht Justizminister werden soll – und aus! Aber jemand vorzuwerfen, wenn man gefragt wird: Wollen Sie nicht Minister werden?, dass man sagt: Na ja, warum nicht, ich kann es mir vorstellen!, das ist ein bisschen zu wenig. Das ist zu wenig – bei aller Kritik, die durchaus berechtigt ist. Und ich sage auch gleich: Die Frau Ministerin wird gut beraten sein, dass sie das eine oder andere, was in der Öffentlichkeit kritisiert wurde, dass sie Kritik an Mängeln in der Justiz ernsthaft aufgreift und dass sie versucht, das ernsthaft mit uns allen hier, soweit es hier gesetzliche Maßnahmen geben muss, auch umzusetzen. Unbestritten!

Aber es ist immer so ein bisschen eine Mischung: Da kommt ein bisschen eine Vorver­urteilung rein, da kommt ein bisschen das rein und ein bisschen jenes rein. Wir wollen doch das auf einen seriösen Kern zurückführen, und das ist mir wichtig, dass wir das auch machen.

Der OGH hat das endgültig zu entscheiden, das ist eine Binsenweisheit, und dann werden wir darüber weiterdiskutieren.

Ein letzter Punkt noch: Ich finde, es war die Aufgabe der Präsidentin, diesen Hinweis zu machen, dass hier jemand verhört wurde und dass das eigentlich eine Einrichtung ist, die für die Antiterrorbekämpfung zuständig ist und zu diesen Schritten nicht befugt ist. Und es ist die Aufgabe der Präsidentin, das sehr ernst zu nehmen, und da bin ich der Meinung, das sollte man respektieren und nicht durch die Kritik heruntermachen, sie wäre da auf etwas hereingefallen. Herr Klubobmann Kopf, diese Ihre Meinung teile ich nicht. Ich gebe die Kritik hiermit wieder an Sie zurück.

Wir stehen hinter unserer Präsidentin und haben nichts anderes von ihr erwartet, als dass sie genau diese Schritte setzt, weil wir daran interessiert sind, dass hier nicht plötzlich eine Behörde, die im Haus sitzt, Aufgaben wahrnimmt, die nicht zu ihrem Aufgabenbereich gehören. Und daher unterstützen wir die Präsidentin hier mit Nachdruck! (Beifall bei SPÖ und BZÖ.)

18.05

18.05.20

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Petzner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Versagen des Vertrauens gegenüber der Bundesministerin für Justiz gemäß Artikel 74 Abs. 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes.

Da zu einem solchen Beschluss des Nationalrates gemäß Abs. 2 der zitierten Verfas­sungsbestimmung die Anwesenheit der Hälfte der Abgeordneten erforderlich ist, stelle ich diese ausdrücklich fest.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich für den gegenständlichen Misstrauensantrag aussprechen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Dieser Misstrauensantrag ist abgelehnt.

(Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)


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18.06.27Fortsetzung der Tagesordnung

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Ich nehme die Verhandlungen über den 8. Punkt der Tagesordnung wieder auf.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Mag. Aubauer mit gewünschten 3 Minuten.

Und an die Mitglieder der Präsidiale gerichtet: In rund 10 Minuten wird die vereinbarte Präsidialsitzung stattfinden.

Bitte, Frau Abgeordnete Aubauer.

 


18.06.58

Abgeordnete Mag. Gertrude Aubauer (ÖVP): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Schön, dass wir wieder beim Konsumentenschutz sind.

Wir leben, so heißt es, in einer Informationsgesellschaft, aber mitunter hat es den Anschein, es ist eine Desinformationsgesellschaft. Wenn Sie in Ihrem Bekanntenkreis fragen, wer denn eine Versicherung, eine Haushaltsversicherung hat und wogegen man wirklich versichert ist – wissen die Wenigsten darüber Bescheid. Das Kleinge­druckte hat wohl kaum jemand gelesen, und der, der es liest, kann es oft nicht ver­stehen.

Aber wie viel Rätselraten ist uns Konsumenten zumutbar? Wir meinen, es ist genug, die Grenze der Zumutbarkeit ist in diesem Bereich erreicht. Das heißt, wir wollen Klipp-und-Klar-Informationen, Kurzinformationen auf ein bis zwei Seiten, das Wichtigste auf einen Blick, eine Klipp-und-Klar-Information. (Präsident Neugebauer übernimmt den Vorsitz.)

Peter Resetarits hat es ja vor Kurzem in einer ORF-Sendung drastisch aufgezeigt: Da zahlen Menschen jahrelang Prämien ein, und im Schadensfall will die Versicherung dann nicht zahlen. Das soll nicht passieren. Wir wollen mehr Information, aber nicht mehr Kleingedrucktes, sondern Information klipp und klar. Da sollten wir auf EU-Ebene Druck machen, denn Rätselraten, das wollen wir alle nicht, sondern wir wollen eine klare, transparente Information, und ich freue mich, wenn es hier zu einem Beschluss kommt. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

18.08


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Jannach. – Bitte.

 


18.08.39

Abgeordneter Harald Jannach (FPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Frau Ministerin! Es haben ja schon alle Vorredner angesprochen: Es ist tatsächlich höchst an der Zeit, dass wir endlich für korrekte Produktinformation auch im Versicherungs- und Banken­bereich sorgen. Wir haben das im Ausschuss ausreichend diskutiert. Es ist tatsächlich so, dass man zum Lesen der Versicherungsverträge fast eine Lupe und zum Ver­stehen derselben einen Rechtsbeistand braucht. Es ist für uns eigentlich unverständ­lich, dass gerade Banken und Versicherungen, die eigentlich Vertrauen ausstrahlen sollten, hier zu solchen Trickser- und Täuschermethoden greifen. Dagegen müssen wir uns leider gesetzlich wehren.

Es sind teilweise unhaltbare Konsumenteninformationen im Kleingedruckten enthalten. Und das, was Frau Aubauer schon gesagt hat, ist vollkommen richtig: Konsumenten zahlen an die Versicherungen und an die Banken im guten Vertrauen, im guten Glauben ein, und dann werden sie von ihnen im Grunde komplett hinters Licht geführt. (Beifall bei der FPÖ.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll81. Sitzung / Seite 177

Wir werden dem Antrag des Ausschusses für Konsumentenschutz betreffend diese Klipp-und-Klar-Informationen zustimmen. Ein kleiner Wermutstropfen ist allerdings, dass der Antrag beinhaltet, dass wir auf eine EU-weite Regelung warten. Wir können das nicht ganz verstehen, denn gerade in Deutschland – das haben wir heute auch schon gehört – gibt es bereits eine diesbezügliche Regelung, und ich weiß nicht, warum die österreichische Bundesregierung und wir hier im Nationalrat auf eine EU-weite Regelung warten sollen.

Ein Kuriosum möchte ich noch erwähnen – es ist von Herrn Abgeordnetem Maier gekommen –, dass nämlich die Arbeiterkammer in Studien festgestellt hat, dass da sehr viel Schindluder getrieben wird. – Dazu möchte ich sagen: Es gibt in der Arbeiterkammer Herrn Direktor Werner Muhm. Dieser sitzt auch im Aufsichtsrat einer der größten Versicherungen in Österreich, nämlich im Aufsichtsrat der Wiener Städti­schen. Daher wäre es für die SPÖ angebracht, dass sie mit Direktor Muhm, der in dieser Studie kritisiert hat, dass die Versicherungen tricksen und täuschen, das im Aufsichtsrat der Wiener Städtischen zum Thema macht und das dort ändert.

Das Gleiche gilt für die ÖVP, denn der Chef der UNIQA-Versicherung, Herr Brand­stetter, war ein ehemaliger Kabinettsmitarbeiter; Sie kennen ihn wahrscheinlich.

Daher: Es wäre günstig, wenn ÖVP und SPÖ mit ihren Leuten in den Versicherungen darüber einmal reden würden, denn dann würden wir uns hier viel ersparen, und das Ganze wäre auch wesentlich ehrlicher. Dann wäre alles einfacher, es würde schneller gehen – und Sie und Ihre Parteifreunde würden auch viel an Glaubwürdigkeit gewinnen. (Beifall bei der FPÖ.)

18.11


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Preiner. – Bitte.

 


18.11.29

Abgeordneter Erwin Preiner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte Ihnen nun ein kurzes Beispiel aus der Praxis dafür geben, warum es notwendig ist, dass der vorliegende An­trag 1233/A(E) beschlossen wird – und dass dem dann, wie ich hoffe, auch bald konkrete Taten folgen werden.

Ich darf kurz zitieren: Wird eine dieser bei und nach Eintritt des Versicherungsfalles bestehenden Obliegenheiten verletzt, können sich erhebliche rechtliche Nachteile ergeben. Erfolgt die Obliegenheitsverletzung vorsätzlich, geht der Leistungsanspruch verloren. Bei grob fahrlässiger Verletzung sind wir berechtigt, die Leistungen in einem der Schwere des Verschuldens entsprechenden Verhältnis zu kürzen. Die Kürzung kann bis zur vollständigen Leistungsfreiheit führen. – Zitatende.

Dieser Text stammt, wie man sich denken kann, aus einem aktuellen Versicherungs­vertrag, konkret aus einer Lebensversicherung. Bei mehreren Seiten derartigen Textes kann mir aber niemand erzählen, dass „Otto Normalverbraucher“ nicht zumindest längere Zeit dafür braucht, um diesen Text nicht nur zu lesen, sondern ihn auch inhaltlich zu verstehen.

Ziel ist, dass im Sinne der Klipp-und-Klar-Informationen mehr Transparenz, mehr Information an die Versicherungsnehmer herangetragen wird. Vor allem haben Ver­siche­rungsnehmer ohne höhere Schulbildung teilweise mit dem inhaltlichen Erfassen dieses Textes Schwierigkeiten – und wahrscheinlich auch Migranten. Daher ist es not­wen­dig und sinnvoll, dass Deutschkurse auch von Migranten zum Zwecke des besseren Verstehens ähnlich gearteter Texte im Sinne einer besseren Integration be­sucht werden.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll81. Sitzung / Seite 178

Auf ein Aus eines derartigen „Versicherungs-Chinesisch“ zielt der Antrag 1233/A(E) ab, den wir heute beschließen werden. Ziel ist es – ich darf wiederholen –, dass im Sinne von mehr Transparenz und mehr Information lesbare „Beipacktexte“ den Konsumentin­nen und Konsumenten zur Verfügung gestellt werden. Es soll klar und deutlich erkennbar sein, welche Inhalte der jeweilige Versicherungsvertrag hat, zum Beispiel: Wie lange ist die Laufzeit? Was kann ich als Versicherungsnehmer tun, wenn ich den Vertrag vorzeitig kündigen möchte beziehungsweise welche Erträge kann ich nach Ablauf des Vertrages erwarten?

Angesichts der Tatsache, dass Frau und Herr Österreicher im Schnitt 1,3 Versiche­rungs­verträge haben, kann diese Maßnahme in Richtung mehr Transparenz als wirk­lich notwendig erachtet werden.

In Österreich gibt es sehr viele Menschen, die zwei oder drei Lebensversicherungen und oft auch zwei oder drei Rechtsschutzversicherungen haben, teilweise in Unkennt­nis des konkreten Inhalts. Letzten Endes aber geht es auch darum, dass Menschen nicht auf „gute Ratschläge“ von Versicherungsmaklern hereinfallen sollen. Das Beispiel Deutschland betreffend Klipp-und-Klar-Informationen wurde in diesem Zusammenhang ja schon angesprochen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

18.14


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Praßl. – Bitte.

 


18.14.53

Abgeordneter Michael Praßl (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Produktinformation für Versicherungskunden muss verbessert werden. Es kann doch nicht sein, dass man fast ein Jurist sein muss, um sich durch eine Versicherungsurkunde „durchkämpfen“ zu können. Versicherungs­bedingungen sind oft wirklich sehr kompliziert. – Vorhin wurde ja bereits angesprochen, dass sich in Deutschland auf diesem Gebiet vieles zum Positiven verändert hat.

Ziel soll es daher auch bei uns sein, dass in Zukunft sozusagen „Beipackzettel“ mit zwei bis drei Seiten an Informationen weitergegeben werden, sodass der Vertrags­nehmer den Inhalt leicht erfassen kann.

Zusammenfassend: Ich finde es höchst an der Zeit, dass solche Regelungen, die für mehr Transparenz sorgen, auch auf dem Versicherungsmarkt eingeführt werden. Ver­siche­rungsprodukte müssen einfach lesbar und leicht vergleichbar sein. Wir müssen für die Konsumentinnen und Konsumenten eine Entscheidungsfindung so übersichtlich und einfach wie nur möglich machen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

18.16


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Spindelberger. – Bitte.

 


18.16.44

Abgeordneter Erwin Spindelberger (SPÖ): Meine Damen und Herren, wie heißt es so schön: Es ist bereits alles gesagt worden – nur noch nicht von jedem! Und deshalb habe ich mich auch zu diesem Tagesordnungspunkt zu Wort gemeldet.

Mein Kollege Jacky Maier hat es in seiner Rede schon gesagt, dass für uns Kon­sumentinnen und Konsumenten die Versicherungsbedingungen oft schwer bis gar nicht verständlich sind. Wer ist denn wirklich in der Lage, die Versicherungspolizze – wie das mein Vorredner angeführt hat – beziehungsweise die im Anhang befindlichen Punkte auf Punkt und Beistrich durchzulesen und zu verstehen?


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll81. Sitzung / Seite 179

Abgeordneter Jannach hat gesagt, dass es ein Test der Arbeiterkammer ans Tages­licht gebracht hat, dass es in unzähligen Fällen, wenn die Konsumentinnen und Konsumenten zur Versicherung gegangen sind und dort eine Versicherungsleistung beantragt haben, geheißen hat: Tut uns leid, aber diese Sache ist durch die Polizze nicht gedeckt!

Da Kollege Jannach kritisiert hat, dass wir diesen Entschließungsantrag sozusagen einengen, nur auf EU-Ebene müsse etwas geschehen, möchte ich ihm sagen, dass es in unserem Lande schon der Fall ist, dass sehr viele Österreicherinnen und Öster­reicher ausländische Versicherungen abgeschlossen haben. Und um diesen Gesamt­komplex überhaupt in den Griff zu bekommen, ist es eben notwendig, dass ein Produktinformationsblatt auf europäischer Ebene herausgegeben wird, wo auf ein, zwei Seiten wirklich punktgenau dargestellt wird, was die wesentlichen Versicherungs­leistungen sind.

Wie ja bereits aus dem Betreff des Antrages ersichtlic