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Stenographisches Protokoll

 

 

 

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70. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XXV. Gesetzgebungsperiode

 

Donnerstag, 23. April 2015

 

 


Stenographisches Protokoll

70. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXV. Gesetzgebungsperiode              Donnerstag, 23. April 2015

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 23. April 2015: 9.05 – 21.02 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, das Opfer­fürsorgegesetz, das Heeresversorgungsgesetz, das Verbrechensopfergesetz, das Be­hinderteneinstellungsgesetz sowie das Bundesbehindertengesetz geändert werden, das Kriegsopfer- und Behindertenfondsgesetz aufgehoben und ein Bundesgesetz, mit dem eine Rentenleistung für Contergan-Geschädigte eingeführt wird, erlassen wird

2. Punkt: Bericht über den Antrag 830/A(E) der Abgeordneten Mag. Helene Jarmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verlängerung der Dauer der Gewährung von Ein­stellungsbeihilfen lt. Behinderteneinstellungsgesetz

3. Punkt: Bericht über den Antrag 995/A(E) der Abgeordneten Mag. Helene Jarmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Anerkennung einer Schädigung durch Contergan/
Thaliomid bereits ab Geburtsjahrgang 1954

4. Punkt: Bericht über den Antrag 375/A(E) der Abgeordneten Dr. Dagmar Belako­witsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erweiterung des Personenkrei­ses der entschädigungsberechtigten Thalidomid- bzw. Contergangeschädigten

5. Punkt: Bericht über den Antrag 508/A(E) der Abgeordneten Werner Neubauer, Kol­leginnen und Kollegen betreffend jährliche Wertanpassung des Pflegegeldes und der Freibeträge für behinderte Menschen, Mindestpension von 1 200 Euro und Pensions­anpassung in Höhe des Pensionistenpreisindex

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz und das Mut­terschutzgesetz 1979 geändert werden

7. Punkt: Bericht über den Antrag 1013/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sozial- und Arbeitsrechtliche Absicherung von El­tern im Falle von Fehl- und Totgeburten und Kindstod

8. Punkt: Bericht über den Antrag 641/A(E) der Abgeordneten Martina Schenk, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend „Österreich braucht ein Anti-Mobbing-Gesetz“

9. Punkt: Bericht über den Antrag 945/A der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kol­leginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuer­gesetz geändert wird

10. Punkt: Bericht über den Antrag 948/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend schrittweise Senkung der Arbeiterkammerumlage


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11. Punkt: Bericht über den Antrag 20/A der Abgeordneten Mag. Judith Schwentner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 24. Oktober 1967 betreffend den Familienlastenausgleich durch Beihilfen (Fami­lienlastenausgleichsgesetz 1967) idF des BGBl. I Nr. 81/2013 geändert wird

12. Punkt: Bericht über den Antrag 1043/A(E) der Abgeordneten Dr. Dagmar Belako­witsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsetzung des Krankenanstal­ten-Arbeitszeitgesetz

13. Punkt: Bericht über den Antrag 977/A(E) der Abgeordneten Dr. Dagmar Belako­witsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Transparenz in der Pensions­versicherungsanstalt

14. Punkt: Bericht über den Antrag 1029/A der Abgeordneten Erwin Spindelberger, Dr. Erwin Rasinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998 geändert wird

15. Punkt: Bericht über den Antrag 103/A(E) der Abgeordneten Dr. Dagmar Belako­witsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend verpflichtende Lehrpraxisausbil­dung samt Finanzierung durch die öffentliche Hand bei der Ausbildung zum Allgemein­mediziner (Dauer 12 Monate)

16. Punkt: Bericht über den Antrag 691/A(E) der Abgeordneten Dr. Eva Mückstein, Kolleginnen und Kollegen betreffend fehlenden Konnex der Ärzteausbildung Neu zur Gesundheitsreform

17. Punkt: Bericht über den Antrag 785/A(E) der Abgeordneten Dr. Eva Mückstein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbesserung der stationären Versorgung von SchmerzpatientInnen

18. Punkt: Bericht über den Antrag 683/A(E) der Abgeordneten Dr. Eva Mückstein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Wiedereinführung der Statistik des GÖG/ÖBIG betreffend die Versorgung im Bereich psychischer Erkrankungen

19. Punkt: Bericht über den Antrag 768/A(E) der Abgeordneten Dr. Eva Mückstein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bundesqualitätsleitlinie für Schmerztherapie

20. Punkt: Bericht über den Antrag 920/A(E) der Abgeordneten Dr. Marcus Franz, Kol­leginnen und Kollegen betreffend „Definition des Embryo ab dem Zeitpunkt der Be­fruchtung der Eizelle“

21. Punkt: Bericht über den Antrag 753/A(E) der Abgeordneten Dr. Marcus Franz, Kol­leginnen und Kollegen betreffend Schaffung des Berufsbildes „medizinischer Doku­mentationsassistent“

22. Punkt: Bericht über den Antrag 969/A(E) der Abgeordneten Ulrike Weigerstorfer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erhöhung des Straftatbestandes der Tierquälerei“

23. Punkt: Bericht über den Antrag 313/A(E) der Abgeordneten Ulrike Weigerstorfer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Standards der 1. Tierhaltungsverordnung für Mast­hühner“

24. Punkt: Bericht über den Antrag 434/A(E) der Abgeordneten Ulrike Weigerstorfer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Standards der 1. Tierhaltungsverordnung für Pu­ten“

25. Punkt: Bericht über den Antrag 1053/A(E) der Abgeordneten Ulrike Weigerstorfer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Stellung von Tierschutzorganisationen in Straf­verfahren“

26. Punkt: Bericht über den Antrag 841/A(E) der Abgeordneten Franz Kirchgatterer, Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Men­schenrechtslage im österreichischen Strafvollzug und Maßnahmenvollzug


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27. Punkt: Bericht über den Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über die Aktivitäten der AMA-Marketing GesmbH (Ge­schäftsjahr 2013) aufgrund der Entschließung des Nationalrates vom 8. Juli 2014, E 29-NR/XXV. GP

28. Punkt: Sammelbericht des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen über die Petitionen Nr. 22 und 23, 25, 31, 33, 35 und 36 als auch 42 sowie über die Bür­gerinitiativen Nr. 48, 51, 57 und 58

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 17

Ordnungsruf ................................................................................................................. 196

Geschäftsbehandlung

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwor­tung 3443/AB gemäß § 92 Abs. 1 der Geschäftsordnung ........................................................................................ 38

Durchführung einer kurzen Debatte gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung         129

Redner/Rednerinnen:

Dr. Walter Rosenkranz ............................................................................................... 129

Bundesminister Sebastian Kurz .............................................................................. 131

Nurten Yilmaz ............................................................................................................. 133

Asdin El Habbassi, BA .............................................................................................. 135

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein ....................................................................... 136

Dr. Harald Walser ....................................................................................................... 138

Ing. Waltraud Dietrich ................................................................................................ 140

Mag. Gerald Loacker .................................................................................................. 141

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwor­tung 3332/AB gemäß § 92 Abs. 1 der Geschäftsordnung ........................................................................................ 38

Durchführung einer kurzen Debatte gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung         142

Redner/Rednerinnen:

Dr. Peter Pilz ............................................................................................................... 142

Bundesminister Mag. Gerald Klug .......................................................................... 144

Otto Pendl ................................................................................................................... 146

Mag. Bernd Schönegger ........................................................................................... 148

Dr. Reinhard Eugen Bösch ....................................................................................... 149

Dr. Gabriela Moser ..................................................................................................... 151

Dr. Georg Vetter ......................................................................................................... 152

Mag. Christoph Vavrik ............................................................................................... 153

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z 2 der Geschäftsordnung .......................................................................................................... 38

Verlangen auf Durchführung einer namentlichen Abstimmung .................................. 124

Unterbrechung der Sitzung ........................................................................................ 125


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 4

Fragestunde (9.)

Inneres .......................................................................................................................... 17

Otto Pendl (98/M)

Werner Amon, MBA (103/M)

Mario Kunasek (101/M)

Mag. Albert Steinhauser (106/M); Dr. Nikolaus Scherak, Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller, Mag. Gernot Darmann

Christoph Hagen (97/M); MMMag. Dr. Axel Kassegger

Mag. Nikolaus Alm (108/M); Harry Buchmayr, Mag. Michaela Steinacker, Mag. Al­bert Steinhauser

Ulrike Königsberger-Ludwig (99/M)

Mag. Wolfgang Gerstl (104/M); Martina Schenk

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein (102/M)

Dr. Peter Pilz (107/M)

Rudolf Plessl (100/M)

Eva-Maria Himmelbauer, BSc (105/M); Hannes Weninger

Rechnungshof

Verlangen gemäß § 99 Abs. 2 der Geschäftsordnung im Zusammenhang mit dem Antrag 1124/A betreffend Gebarungsüberprüfung ................................................................................................ 228

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................  37, 103, 168

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regie­rungsvorlage (527 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Kriegsopferversorgungsge­setz 1957, das Opferfürsorgegesetz, das Heeresversorgungsgesetz, das Verbre­chensopfergesetz, das Behinderteneinstellungsgesetz sowie das Bundesbehin­dertengesetz geändert werden, das Kriegsopfer- und Behindertenfondsgesetz aufgehoben und ein Bundesgesetz, mit dem eine Rentenleistung für Contergan-Geschädigte eingeführt wird, erlassen wird (564 d.B.) ........................................................................................................................ 38

2. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 830/A(E) der Abgeordneten Mag. Helene Jarmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verlängerung der Dauer der Gewährung von Einstellungsbeihilfen lt. Behinderteneinstellungsgesetz (565 d.B.) ............................... 39

3. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 995/A(E) der Abgeordneten Mag. Helene Jarmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Anerkennung einer Schädigung durch Contergan/Thaliomid bereits ab Geburtsjahrgang 1954 (566 d.B.) ............................... 39

4. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 375/A(E) der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kollegin-


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nen und Kollegen betreffend Erweiterung des Personenkreises der entschädi­gungsberechtigten Thalidomid- bzw. Contergangeschädigten (567 d.B.)                  39

5. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 508/A(E) der Abgeordneten Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen be­treffend jährliche Wertanpassung des Pflegegeldes und der Freibeträge für be­hinderte Menschen, Mindestpension von 1 200 Euro und Pensionsanpassung in Höhe des Pensionistenpreisindex (568 d.B.) ................................................................................. 39

Redner/Rednerinnen:

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein ......................................................................... 39

Ulrike Königsberger-Ludwig ...................................................................................... 40

Mag. Helene Jarmer ..................................................................................................... 41

Mag. Gertrude Aubauer ............................................................................................... 43

Werner Neubauer ......................................................................................................... 43

Bundesminister Rudolf Hundstorfer ..................................................................  45, 56

Anton Heinzl (tatsächliche Berichtigung) ..................................................................... 47

Josef Muchitsch ........................................................................................................... 47

Rupert Doppler ............................................................................................................. 48

August Wöginger ......................................................................................................... 49

Christoph Hagen .......................................................................................................... 50

Dietmar Keck ................................................................................................................ 51

Mag. Gerald Loacker .................................................................................................... 52

Dr. Franz-Joseph Huainigg ......................................................................................... 52

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein (tatsächliche Berichtigung) ............................. 53

Herbert Kickl ..........................................................................................................  53, 58

Angela Fichtinger ......................................................................................................... 55

Annahme des Gesetzentwurfes in 564 d.B. .................................................................. 59

Kenntnisnahme der vier Ausschussberichte 565, 566, 567 und 568 d.B. ..................... 59

Gemeinsame Beratung über

6. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungs­vorlage (528 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz und das Mutterschutzgesetz 1979 geändert werden (569 d.B.) ........................................................................................................... 60

7. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 1013/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Sozial- und Arbeitsrechtliche Absicherung von Eltern im Falle von Fehl- und Totgeburten und Kindstod (570 d.B.) .............................. 60

8. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 641/A(E) der Abgeordneten Martina Schenk, Kolleginnen und Kollegen be­treffend „Österreich braucht ein Anti-Mobbing-Gesetz“ (571 d.B.) ......................................................................................................................................... 60

Redner/Rednerinnen:

Mag. Birgit Schatz ........................................................................................................ 60

Erwin Spindelberger .................................................................................................... 62

Martina Schenk ............................................................................................................. 62

Mag. Michael Hammer ................................................................................................. 64

Mag. Gerald Loacker .................................................................................................... 64

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein ......................................................................... 68

Dr. Marcus Franz .......................................................................................................... 70

Gabriel Obernosterer ................................................................................................... 72

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Arbeits- und Sozialrechtliche Absicherung im Falle von Fehl- und Totgeburten und Kindstod – Ablehnung          66, 74


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 6

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Marcus Franz, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Gleichbehandlung bei der Dienstfreistellung bei Tod eines Kindes“ – Ablehnung  71, 74

Annahme des Gesetzentwurfes in 569 d.B. .................................................................. 73

Kenntnisnahme der zwei Ausschussberichte 570 und 571 d.B. ................................... 74

Gemeinsame Beratung über

9. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 945/A der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz geändert wird (572 d.B.) ....................................................... 74

10. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 948/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend schrittweise Senkung der Arbeiterkammerumlage (573 d.B.) ........................................................................................................................ 74

11. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 20/A der Abgeordneten Mag. Judith Schwentner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 24. Oktober 1967 betreffend den Familienlastenausgleich durch Beihilfen (Familienlastenaus­gleichsgesetz 1967) idF des BGBl. I Nr. 81/2013 geändert wird (574 d.B.) .................. 74

12. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 1043/A(E) der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Umsetzung des Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz (575 d.B.) ........................................................................................... 74

Redner/Rednerinnen:

MMMag. Dr. Axel Kassegger ...................................................................................... 75

Rainer Wimmer ............................................................................................................ 76

Mag. Judith Schwentner ............................................................................................. 77

Gabriel Obernosterer ................................................................................................... 79

Ing. Waltraud Dietrich .................................................................................................. 79

Johann Hechtl ............................................................................................................... 81

Mag. Dr. Matthias Strolz .............................................................................................. 83

Fritz Grillitsch ............................................................................................................... 86

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein ......................................................................... 87

Wolfgang Knes ............................................................................................................. 88

Mag. Birgit Schatz ........................................................................................................ 89

Mag. Gerald Loacker .............................................................................................  90, 96

Mag. Nikolaus Alm ....................................................................................................... 93

Herbert Kickl ........................................................................................................  97, 102

Wolfgang Katzian ....................................................................................................... 100

Bundesminister Rudolf Hundstorfer ....................................................................... 102

Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Waltraud Dietrich, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Steuerliche Absetzbarkeit des Arbeiterkammer-Beitra­ges“ – Ablehnung ...........  80, 103

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Dr. Matthias Strolz, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Abschaffung der Zwangsmitgliedschaft in gesetzli­chen beruflichen Vertretungen – Ablehnung    84, 104

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Prüfungskompetenz des Rechnungshofes bei gesetzli­chen beruflichen Vertretungen – Ablehnung         92, 104


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 7

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Nikolaus Alm, Kolleginnen und Kollegen betreffend schrittweise Streichung der Kammerumlage 2 – Ablehnung ...............................  95, 104

Kenntnisnahme der vier Ausschussberichte 572, 573, 574 und 575 d.B. ................... 103

Zuweisung des Antrages 945/A an den Finanzausschuss .......................................... 103

13. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 977/A(E) der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Transparenz in der Pensionsversicherungsanstalt (576 d.B.) .................................................................... 104

Redner/Rednerinnen:

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein ....................................................................... 104

Josef Muchitsch ......................................................................................................... 105

Mag. Michael Hammer ............................................................................................... 106

Bundesminister Rudolf Hundstorfer ....................................................................... 107

Mag. Judith Schwentner ........................................................................................... 107

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 576 d.B. ..................................................... 108

Gemeinsame Beratung über

14. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 1029/A der Abgeordneten Erwin Spindelberger, Dr. Erwin Rasinger, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998 geändert wird (532 d.B.) ................................................................. 108

15. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 103/A(E) der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen be­treffend verpflichtende Lehrpraxisausbildung samt Finanzierung durch die öffentli­che Hand bei der Ausbildung zum Allgemeinmediziner (Dauer 12 Monate) (533 d.B.)                                                                                                                                                     108

16. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 691/A(E) der Abgeordneten Dr. Eva Mückstein, Kolleginnen und Kollegen betreffend fehlenden Konnex der Ärzteausbildung Neu zur Gesundheitsreform (534 d.B.) ...................................................................................... 108

17. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 785/A(E) der Abgeordneten Dr. Eva Mückstein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbes­serung der stationären Versorgung von SchmerzpatientInnen (535 d.B.) .................................................................................. 108

18. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 683/A(E) der Abgeordneten Dr. Eva Mückstein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Wieder­einführung der Statistik des GÖG/ÖBIG betreffend die Versorgung im Bereich psychischer Erkrankungen (536 d.B.) ................................... 108

19. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 768/A(E) der Abgeordneten Dr. Eva Mückstein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bundes­qualitätsleitlinie für Schmerztherapie (537 d.B.)             ............................................................................................................................. 109

20. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 920/A(E) der Abgeordneten Dr. Marcus Franz, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Definition des Embryo ab dem Zeitpunkt der Befruchtung der Eizelle“ (538 d.B.) ......................................................................................................... 109

21. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 753/A(E) der Abgeordneten Dr. Marcus Franz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung des Berufsbildes „medizinischer Dokumentationsassistent“ (539 d.B.) .......................................................................... 109

Redner/Rednerinnen:

Dr. Andreas F. Karlsböck .......................................................................................... 109

Erwin Spindelberger .................................................................................................. 111


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 8

Dr. Eva Mückstein ...................................................................................................... 113

Dr. Erwin Rasinger ..................................................................................................... 115

Dr. Marcus Franz ...............................................................................................  116, 122

Mag. Gerald Loacker .................................................................................................. 117

Rupert Doppler ........................................................................................................... 118

Ulrike Königsberger-Ludwig .................................................................................... 119

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein ....................................................................... 120

Martina Diesner-Wais ................................................................................................ 121

Johann Hechtl ............................................................................................................. 122

Nurten Yilmaz ............................................................................................................. 123

Annahme des Gesetzentwurfes in 532 d.B. ................................................................ 123

Kenntnisnahme der sechs Ausschussberichte 533, 534, 535, 536, 538 und 539 d.B. (namentliche Abstimmung) ................................................................................................................ 124

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 537 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend Bundesqualitätsleitlinie für Schmerztherapie (E 76) .................................................... 124

Gemeinsame Beratung über

22. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 969/A(E) der Abgeordneten Ulrike Weigerstorfer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erhö­hung des Straftatbestandes der Tierquälerei“ (540 d.B.) ...................................................................................................................... 127

23. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 313/A(E) der Abgeordneten Ulrike Weigerstorfer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Stan­dards der 1. Tierhaltungsverordnung für Masthühner“ (541 d.B.) ...................................................................................................................... 127

24. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 434/A(E) der Abgeordneten Ulrike Weigerstorfer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Stan­dards der 1. Tierhaltungsverordnung für Puten“ (542 d.B.) ...................................................................................................................... 127

25. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 1053/A(E) der Abgeordneten Ulrike Weigerstorfer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Stel­lung von Tierschutzorganisationen in Strafverfahren“ (543 d.B.) ...................................................................................................................... 127

Redner/Rednerinnen:

Josef A. Riemer .......................................................................................................... 127

Michael Ehmann ......................................................................................................... 155

Mag. Christiane Brunner ........................................................................................... 156

Franz Leonhard Eßl .................................................................................................... 159

Ulrike Weigerstorfer ................................................................................................... 160

Walter Schopf ............................................................................................................. 161

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber ........................................................................... 162

Johannes Schmuckenschlager ................................................................................ 164

Dietmar Keck .............................................................................................................. 165

Ulrike Weigerstorfer (tatsächliche Berichtigung) ...................................................... 167

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Christiane Brunner, Kollegin­nen und Kollegen betreffend 2. Tierhaltungsverordnung, Kastration von Katzen – Ablehnung ........................  158, 168

Kenntnisnahme der vier Ausschussberichte 540, 541, 542 und 543 d.B. ................... 168

Zuweisung des Antrages 969/A(E) an den Justizausschuss ...................................... 168

26. Punkt: Bericht des Ausschusses für Menschenrechte über den Antrag 841/A(E) der Abgeordneten Franz Kirchgatterer, Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller, Kol-


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leginnen und Kollegen betreffend die Menschenrechtslage im österreichischen Strafvollzug und Maßnahmenvollzug (578 d.B.)                         168

Redner/Rednerinnen:

Christian Lausch ........................................................................................................ 168

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter ................................................................................ 170

Franz Kirchgatterer .................................................................................................... 171

Mag. Albert Steinhauser ............................................................................................ 172

Dr. Nikolaus Scherak ................................................................................................. 173

Bundesminister Dr. Wolfgang Brandstetter ........................................................... 175

Mag. Friedrich Ofenauer ........................................................................................... 177

Harry Buchmayr ......................................................................................................... 178

Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES ............................................................................ 179

Nurten Yilmaz ............................................................................................................. 183

Ulrike Königsberger-Ludwig .................................................................................... 183

Christoph Hagen ........................................................................................................ 184

Mag. Maximilian Unterrainer .................................................................................... 185

Konrad Antoni ............................................................................................................ 186

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend die rasche Umsetzung der Expertenvor­schläge für den Maßnahmenvollzug – Ablehnung      181, 187

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 578 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend die Menschenrechtslage im österreichischen Strafvollzug und Maßnahmenvollzug (E 77)                   186

27. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Be­richt des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasser­wirtschaft über die Aktivitäten der AMA-Marketing GesmbH (Geschäftsjahr 2013) aufgrund der Entschließung des Nationalrates vom 8. Juli 2014, E 29-NR/XXV. GP (III-129/502 d.B.) ................................................................................................................ 187

Redner/Rednerinnen:

Harald Jannach ..................................................................................................  187, 210

Jakob Auer .................................................................................................................. 189

Rupert Doppler ........................................................................................................... 190

Erwin Preiner .............................................................................................................. 191

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber ........................................................................... 192

Josef Schellhorn ........................................................................................................ 194

Ing. Hermann Schultes .....................................................................................  196, 201

Harald Jannach (tatsächliche Berichtigung) .............................................................. 197

Marianne Gusenbauer-Jäger .................................................................................... 198

Georg Willi .................................................................................................................. 199

Bundesminister Dipl.-Ing. Andrä Rupprechter ....................................................... 202

Walter Schopf ............................................................................................................. 202

Dieter Brosz, MSc (tatsächliche Berichtigung) .......................................................... 203

Franz Leonhard Eßl .................................................................................................... 204

Hermann Gahr ............................................................................................................ 204

Norbert Sieber ............................................................................................................ 205

Ing. Manfred Hofinger ................................................................................................ 206

Leopold Steinbichler .................................................................................................. 207

Kenntnisnahme des Berichtes III-129 d.B. ................................................................... 211

28. Punkt: Sammelbericht des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen über die Petitionen Nr. 22 und 23, 25, 31, 33, 35 und 36 als auch 42 sowie über die Bürgerinitiativen Nr. 48, 51, 57 und 58 (561 d.B.)        ............................................................................................................................. 211


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 10

Redner/Rednerinnen:

Ing. Christian Höbart .................................................................................................. 211

Hermann Lipitsch ....................................................................................................... 211

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber ........................................................................... 212

Hermann Gahr ............................................................................................................ 214

Martina Schenk ........................................................................................................... 215

Michael Pock ............................................................................................................... 216

Dr. Susanne Winter .................................................................................................... 218

Hannes Weninger ....................................................................................................... 218

Edith Mühlberghuber ................................................................................................. 219

Martina Schenk (tatsächliche Berichtigung) .............................................................. 219

Mag. Wolfgang Gerstl ................................................................................................ 220

Christian Hafenecker, MA ......................................................................................... 221

Ulrike Königsberger-Ludwig .................................................................................... 222

Norbert Sieber ............................................................................................................ 223

Johann Hechtl ............................................................................................................. 224

Martina Diesner-Wais ................................................................................................ 225

Dietmar Keck .............................................................................................................. 225

Mag. Johannes Rauch ............................................................................................... 226

Erwin Preiner .............................................................................................................. 227

Mag. Friedrich Ofenauer ........................................................................................... 227

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 561 d.B. ..................................................... 228

Eingebracht wurden

Anträge der Abgeordneten

Dr. Marcus Franz, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Verringerung der medizini­schen Dokumentationsverpflichtungen in Krankenhäusern“ (1096/A)(E)

Ulrike Weigerstorfer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Berücksichtigung des Tierschutzes im Rahmen der Steuerreform 2015“ (1097/A)(E)

Michael Pock, Kolleginnen und Kollegen betreffend grundlegende Reform der Raum­ordnung (1098/A)(E)

Michael Pock, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung einer Infrastrukturfinan­zierungs-AG (1099/A)(E)

Michael Pock, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kriminalstatistik Straftaten gegen Homosexuelle (1100/A)(E)

Michael Pock, Kolleginnen und Kollegen betreffend 2,5-Hektar-Flächenziel (1101/A)(E)

Michael Pock, Kolleginnen und Kollegen betreffend Lärmemissionen im Schienengü­terverkehr (1102/A)(E)

Michael Pock, Kolleginnen und Kollegen betreffend: Kooperation bei Straßenbau und ‑erhaltung stärken (1103/A)(E)

Michael Pock, Kolleginnen und Kollegen betreffend: Direktvergaben beim öffentlichen Verkehr streichen (1104/A)(E)

Michael Pock, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kommission für nachhaltige In­frastrukturfinanzierung (1105/A)(E)

Michael Pock, Kolleginnen und Kollegen betreffend Daten über die Wahrung, den Schutz und die Verwirklichung der Grundrechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender-Personen und Intersexuellen (LGBTI) (1106/A)(E)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 11

Michael Pock, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bun­desgesetz über die Vergabe von Aufträgen (Bundesvergabegesetz 2006 – BvergG 2006) geändert wird (1107/A)

Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird (1108/A)

Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und das Bundesgesetz über die Geschäftsord­nung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert wird (1109/A)

Mag. Michaela Steinacker, Dr. Johannes Jarolim, Dr. Georg Vetter, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, das Aktien­gesetz und das Gesetz über Gesellschaften mit beschränkter Haftung geändert werden (1110/A)

Johann Höfinger, Hannes Weninger, Kolleginnen und Kollegen betreffend EU-weite Maßnahmen gegen die Umweltverschmutzung durch Mikroplastik (1111/A)(E)

Mag. Christiane Brunner, Kolleginnen und Kollegen betreffend dauerhaften Erhalt des Uhudlers im Südburgenland (1112/A)(E)

Mag. Birgit Schatz, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (ABGB), zuletzt geändert mit BGBl. 35/2015, abgeändert wird (1113/A)

Mag. Birgit Schatz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Mindestlohntarif für den KV-losen Bereich zur Existenzsicherung für unselbstständig Beschäftigte (1114/A)(E)

Mag. Christiane Brunner, Kolleginnen und Kollegen betreffend 2. Tierhalteverord­nung, Kastration von Katzen (1115/A)(E)

Mag. Helene Jarmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bestellung eines Selbstver­treters behinderter Menschen in den ORF-Publikumsbeirat (1116/A)(E)

Mag. Gisela Wurm, Dorothea Schittenhelm, Kolleginnen und Kollegen betreffend Unterstützung der UN-Women Kampagne HeForShe (1117/A)(E)

Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesministeriengesetz 1986 geändert wird (1118/A)

Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen betreffend Europäische Solidarität im Umgang mit Asylwerber_innen (1119/A)(E)

Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen betreffend Europäische Solidarität im Umgang mit Asylwerber_innen (1120/A)(E)

Erwin Spindelberger, Dr. Erwin Rasinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998 geändert wird (1121/A)

Dr. Marcus Franz, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Qualitätssicherung durch Mindestfrequenz für Operation“ (1122/A)(E)

Mag. Michael Hammer, Hannes Weninger, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Bekräftigung der österreichischen Anti-Atompolitik anlässlich der „Tschernobyl“ und „Fu­kushima“ Jahrestage (1123/A)(E)

Mag. Judith Schwentner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Überprüfung der Ver­gabeverfahren im Bereich der Sozialversicherungsträger einschließlich Hauptverband (1124/A und Zu 1124/A)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 12

Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend mit Innovation statt Fahrverboten gegen Feinstaub II – mobile Filteranlagen (1125/A)(E)

Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Anpassung der Dokumenta­tionspflicht für Angehörige der Gesundheits- und Krankenpflegeberufe in Altenwohn- und Pflegeheimen (1126/A)(E)

Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Solidarität mit Kärnten (1127/A)(E)

Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „NettoWohnBau – Österreich-Mo­dell“ – Umsatzsteuerbefreiung für private Häuslbauer (1128/A)(E)

Anfragen der Abgeordneten

Mag. Bernd Schönegger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Lan­desverteidigung und Sport betreffend Truppenübungsplatz Allentsteig (4664/J)

Leopold Steinbichler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend „Was steckt im Apfelsaft?“ (4665/J)

Dr. Harald Walser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung und Frauen betreffend LehrerInnendienstrecht Neu (4666/J)

Mag. Christiane Brunner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wis­senschaft, Forschung und Wirtschaft betreffend Umsetzungsstand Klimaschutzmaß­nahmenprogramm im Bereich Energie und Industrie (4667/J)

Dr. Peter Pilz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen be­treffend Glücksspielautomaten in den Verbotsbundesländern (4668/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Verantwortung für steigende Mobilfunktarife – Teil 1 (4669/J)

Michael Pock, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Familien und Ju­gend betreffend Förderungen für Vereine im Bereich LGBTI (4670/J)

Michael Pock, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Förderungen für Vereine im Bereich LGBTI (4671/J)

Michael Pock, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit be­treffend Förderungen für Vereine im Bereich LGBTI (4672/J)

Michael Pock, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Straftaten gegen LGBTI Personen (4673/J)

Michael Pock, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend Straftaten gegen LGBTI Personen (4674/J)

Michael Pock, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innova­tion und Technologie betreffend Lärmschutz beim Schienenverkehr (4675/J)

Rudolf Plessl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betref­fend Verkauf der Kommunalkredit Austria AG an ein englisch-irisches Konsortium (4676/J)

Erwin Preiner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forst­wirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Bienenschutz und Pestizideeinsatz (4677/J)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 13

Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Bud­getaufwand für Berateraufträge im Jahr 2014 (4678/J)

Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Sozia­les und Konsumentenschutz betreffend Budgetaufwand für Berateraufträge im Jahr 2014 (4679/J)

Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres betreffend Budgetaufwand für Berateraufträge im Jahr 2014 (4680/J)

Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen be­treffend Budgetaufwand für Berateraufträge im Jahr 2014 (4681/J)

Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit betreffend Budgetaufwand für Berateraufträge im Jahr 2014 (4682/J)

Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst und Kul­tur, Verfassung und Medien betreffend Budgetaufwand für Berateraufträge im Jahr 2014 (4683/J)

Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres be­treffend Budgetaufwand für Berateraufträge im Jahr 2014 (4684/J)

Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz be­treffend Budgetaufwand für Berateraufträge im Jahr 2014 (4685/J)

Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Budgetaufwand für Berater­aufträge im Jahr 2014 (4686/J)

Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesvertei­digung und Sport betreffend Budgetaufwand für Berateraufträge im Jahr 2014 (4687/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit betref­fend Transparenz bei Fertiggerichten (4688/J)

Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissen­schaft, Forschung und Wirtschaft betreffend Wettbewerbseinschränkung im Bereich der Hauskrankenpflege (4689/J)

Harald Jannach, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend fehlende Wildschadensbe­richte seit 2011 (4690/J)

Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betref­fend Entsendemeldungen (4691/J)

Mario Kunasek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend Asylunterkunft Seiersberg Feldkirchnerstraße (4692/J)

Dr. Andreas F. Karlsböck, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Ge­sundheit betreffend unlautere Konkurrierung der niedergelassenen Vertragszahnärzte durch die Zahnambulatorien der Vorarlberger Gebietskrankenkasse (4693/J)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 14

Dr. Andreas F. Karlsböck, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Ge­sundheit betreffend unlautere Konkurrierung der niedergelassenen Vertragszahnärzte durch die Zahnambulatorien der Wiener Gebietskrankenkasse (4694/J)

Dr. Andreas F. Karlsböck, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Ge­sundheit betreffend unlautere Konkurrierung der niedergelassenen Vertragszahnärzte durch die Zahnambulatorien der Tiroler Gebietskrankenkasse (4695/J)

Dr. Andreas F. Karlsböck, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Ge­sundheit betreffend unlautere Konkurrierung der niedergelassenen Vertragszahnärzte durch die Zahnambulatorien der Burgenländischen Gebietskrankenkasse (4696/J)

Dr. Andreas F. Karlsböck, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Ge­sundheit betreffend unlautere Konkurrierung der niedergelassenen Vertragszahnärzte durch die Zahnambulatorien der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse (4697/J)

Dr. Andreas F. Karlsböck, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Ge­sundheit betreffend unlautere Konkurrierung der niedergelassenen Vertragszahnärzte durch die Zahnambulatorien der Salzburger Gebietskrankenkasse (4698/J)

Dr. Andreas F. Karlsböck, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Ge­sundheit betreffend unlautere Konkurrierung der niedergelassenen Vertragszahnärzte durch die Zahnambulatorien der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse (4699/J)

Dr. Andreas F. Karlsböck, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Ge­sundheit betreffend unlautere Konkurrierung der niedergelassenen Vertragszahnärzte durch die Zahnambulatorien der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse (4700/J)

Dr. Andreas F. Karlsböck, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Ge­sundheit betreffend unlautere Konkurrierung der niedergelassenen Vertragszahnärzte durch die Zahnambulatorien der Kärntner Gebietskrankenkasse (4701/J)

Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien betreffend Natura-2000-Nachnominierungen in Tirol/Ost­tirol (Lebensraumtyp 3230 „Alpine Flüsse mit Ufergehölzen von Myricaria Germanica“) (4702/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien betreffend unerwünschte heimische Schützenvereine (4703/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesmi­nister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Männer- & Frauenar­beitslosigkeit bei Ausländern (4704/J)

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Polizei-Offensive gegen Drogenlenker (4705/J)

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für In­neres betreffend Polizei-Offensive gegen Drogenlenker (4706/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend „Hello Barbie“ (4707/J)

Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz be­treffend das Verfahren gegen den Vorsitz der ÖH-Universität Wien (4708/J)

MMMag. Dr. Axel Kassegger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidigung und Sport betreffend Drohnenkauf durch das ÖBH (4709/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend Reisebewegungen von Asylwerbern (4710/J)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 15

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidi­gung und Sport betreffend die Struckerkaserne in Tamsweg (4711/J)

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Ver­kehr, Innovation und Technologie betreffend Bonuszahlungen für den Geschäftsführer der SCHIG (4712/J)

Mag. Philipp Schrangl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Luftraumbeschränkungen für Drohnen (4713/J)

Mag. Philipp Schrangl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend die Überstellung von Strafhäftlingen (4714/J)

Mag. Philipp Schrangl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend rosafarbene Zellen in österreichischen Justizanstalten (4715/J)

Anneliese Kitzmüller, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Familien und Jugend betreffend den Schutz der Familie vor der Verstaatlichung der Sexualerzie­hung (4716/J)

Mario Kunasek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres be­treffend blutigen Streit unter Asylwerbern in Neuberg im Bezirk Bruck-Mürzzuschlag (4717/J)

Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien betreffend Förderung von homo-, bi- und transsexuel­len Projekten und Vereinen (4718/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Studien bezüglich gesundheitsschädlicher Wirkung von E-Zigaretten und E-Shishas (4719/J)

Mario Kunasek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend Messerstecherei vor einem Grazer Lokal (4720/J)

Carmen Schimanek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Vignettenkontrollen insbesondere auf dem Au­tobahnabschnitt der A 12 zwischen „Staatsgrenze bei Kufstein“ und „Ausfahrt Kufstein Süd“ (4721/J)

Carmen Schimanek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Vignettenkontrollen insbesondere auf dem Autobahnabschnitt der A 12 zwi­schen „Staatsgrenze bei Kufstein“ und „Ausfahrt Kufstein Süd“ (4722/J)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung und Frauen betreffend Gesamtbudget des BMBF für Öffentlichkeitsarbeit (4723/J)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bil­dung und Frauen betreffend HLW Türnitz (4724/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung und Frauen betreffend „Versteckte Schulkosten“ (4725/J)

Dr. Johannes Hübner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres betreffend Strukturreform österreichischer Vertretungsbehör­den in Skandinavien (4726/J)

Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Familienbeihilfe in den Jahren 2013 und 2014 (4727/J)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 16

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betref­fend österreichische Taxifahrer als mutmaßliche Schlepper (4728/J)

Josef A. Riemer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit betreffend Bienensterben in Österreich (4729/J)

Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft betreffend englischsprachige Anträge beim FWF (4730/J)

Ing. Christian Höbart, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung und Frauen betreffend Finanzierung des Oberstufenrealgymnasiums Guntramsdorf (4731/J)


 


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 17

09.05.27Beginn der Sitzung: 9.05 Uhr

Vorsitzende: Präsidentin Doris Bures, Zweiter Präsident Karlheinz Kopf, Dritter Prä­sident Ing. Norbert Hofer.

*****

 


Präsidentin Doris Bures: Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ich eröffne die 70. Sitzung des Nationalrates.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Mag. Grossmann, Lueger, Höfinger, Dr. Fuchs, Ing. Hackl, Walter Rauch, Mag. Korun und Dr. Nachbaur.

*****

Ich gebe bekannt, dass diese Sitzung bis 10.15 Uhr von ORF 2 live übertragen wird. ORF III wird diese Sitzung in voller Länge übertragen, wobei jener Teil der Sitzung, der deutlich über 19.50 Uhr hinausgeht, zeitversetzt ab 23.30 Uhr gesendet wird.

Ich begrüße auf der Galerie die vielen jungen Frauen, die anlässlich des heutigen Girls‘ Day einen Tag im österreichischen Parlament verbringen werden. Herzlich willkom­men! (Allgemeiner Beifall.)

09.06.39Fragestunde

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen zur Fragestunde.

Die Fragestellungen durch die Damen und Herren Abgeordneten werden von den bei­den Rednerpulten im Halbrund vorgenommen, die Beantwortung durch die Frau Bun­desministerin für Inneres erfolgt vom Rednerpult der Abgeordneten aus.

Für Anfrage- und Zusatzfragesteller ist jeweils 1 Minute Redezeit vorgesehen. Die Be­antwortung der Anfrage soll 2 Minuten, jene der Zusatzfrage jeweils 1 Minute nicht übersteigen. Ich werde wenige Sekunden vor Ende der jeweiligen Redezeit auf deren Ablauf aufmerksam machen.

Bundesministerium für Inneres

 


Präsidentin Doris Bures: Wir kommen zur 1. Anfrage, 98/M, das ist die des Herrn Abgeordneten Pendl an die Frau Bundesministerin für Inneres Mag. Mikl-Leitner. – Bit­te, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Otto Pendl (SPÖ): Frau Präsidentin! Einen schönen guten Morgen, meine Damen und Herren! Frau Bundesministerin! Derzeit wird ja vor allem auf euro­päischer Ebene, natürlich aber auch international, bei der Frage: Wie schützen wir am besten unsere Gesellschaften, die offenen Gesellschaften und die Demokratien? von Fachleuten und natürlich auch der Politik viel über Staatsschutz diskutiert.

Meine Frage lautet:

98/M

„Gegenwärtig befindet sich ein modernes polizeiliches Staatsschutzgesetz in Vorberei­tung. – Welche Effizienzsteigerung im Kampf gegen den Terror erwarten Sie sich da­von?“

 


Präsidentin Doris Bures: Frau Bundesministerin, bitte.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 18

Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner: Einen schönen guten Mor­gen und danke für die erste Frage. Lassen Sie mich ganz nach oben stellen, was das Ziel des Staatsschutzes ist: natürlich der beste Schutz und die beste Sicherheit für un­sere Bevölkerung. Wenn man sich diesem Ziel verschrieben hat, ist es natürlich auch wichtig und notwendig, den Staatsschutz auf die Höhe der Zeit zu bringen und ihn vor allem auch an die aktuellen neuen Herausforderungen anzupassen. Zu diesen neuen Herausforderungen zählen Cyberkriminalität, Wirtschaftsspionage oder eben Terroris­mus und Dschihadismus.

Wir beschäftigen uns mit diesem Thema, wie es der Herr Abgeordnete schon ange­sprochen hat, seit mehr als einem Jahr. Bei dem Gesetz, das derzeit in Begutachtung ist, war es uns vor allem wichtig, die Balance zwischen Freiheit und vor allem auch Si­cherheit zu finden. Dieser Gesetzesvorschlag beinhaltet natürlich auch mehr Befug­nisse für die Polizei – Befugnisse, wie etwa eine längere Speicherdauer. Bisher war es so, dass wir nur eine Speicherdauer von maximal neun Monaten hatten, das heißt, nach maximal neun Monaten waren diese personenbezogenen Daten zu löschen, un­abhängig davon, ob alle Verdachtsmomente ausgeräumt werden konnten. Im Geset­zesvorschlag haben wir inkludiert, dass die Speicherdauer in Zukunft für zwei Jahre und anlassbezogen bis maximal sechs Jahre möglich ist.

Warum ist das aufgrund der derzeitigen Gefahrensituation wichtig und notwendig? – Wir müssen natürlich auch mit Schläfern rechnen, die dann erst zu einem späteren Zeitpunkt zuschlagen können, und wir laufen sonst Gefahr, dass wir diese Daten zu früh löschen.

Ich glaube aber, dass wir mit diesem Gesetz wirklich erreicht haben, die Zielsetzung – Balance zwischen Freiheit und Sicherheit – auch garantieren zu können.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Otto Pendl (SPÖ): Frau Bundesministerin! Legistische Maßnahmen, so wichtig sie sind, wenn sie notwendig sind, sind das eine, der Verwaltungsbereich, also der Vollzug, ist das andere.

Wie soll die Zusammenarbeit nicht nur zwischen BVT und LV, sondern auch auf euro­päischer Ebene, zwischen den europäischen Staaten, verbessert werden? Welche Vor­stellungen haben Sie für diesen Bereich?

 


Präsidentin Doris Bures: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner: Auf internationaler Ebene haben wir die Vorstellung, dass es hier zu einer noch besseren Zusammenarbeit der Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten und vor allem auch der einzelnen Diens­te kommt, um diese Phänomene im Detail betrachten zu können, die Lagebilder letzt­endlich skizzieren zu können und die richtigen Maßnahmen setzen zu können. Denn gerade dann, wenn wir von Terrorismus und Dschihadismus sprechen, müssen wir über die Grenzen schauen, müssen wir hier europäisch und vor allem auch interna­tional denken.

Bei der Zusammenarbeit zwischen dem Bundesamt für Verfassungsschutz und Terro­rismusbekämpfung und den Landesämtern für Verfassungsschutz hatten wir in der Vergangenheit eine ganz große Herausforderung, da eine zeitgleiche einheitliche Infor­mationsbasis nicht zur Verfügung stand. (Präsidentin Bures gibt das Glockenzeichen.) Das wollen wir mit diesem Gesetz ändern, damit es einen Informationsverbund von Bundesamt und den Landesämtern gibt und man hier vor allem sowohl eine gemein­same Datenanwendung und eine umfassende und intensive Qualitätskontrolle als auch Löschungsfristen, die ganz klar festgelegt werden, hat. (Präsidentin Bures gibt neuer­lich das Glockenzeichen.)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 19

Aufgrund dieser Maßnahme ist es uns dann auch möglich, Bedrohungen und Gefah­renlagen frühzeitig und rechtzeitig zu erkennen und auch die entsprechenden Maßnah­men zu setzen. Das heißt, mit dieser konkreten Maßnahme stehen uns ganz andere Analysemöglichkeiten zur Verfügung, die auch in diesem Zeitalter wichtig und notwen­dig sind.

 


Präsidentin Doris Bures: Danke vielmals, Frau Bundesministerin. Ich will es Ihnen wegen des Zeitbudgets und der Einteilung noch einmal sagen: Bei der Zusatzfrage be­trägt die Redezeit 1 Minute.

Wir gelangen nun zur 2. Anfrage, 103/M, das ist die des Herrn Abgeordneten Amon. – Bitte.

 


Abgeordneter Werner Amon, MBA (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bun­desministerin! Meine Frage lautet:

103/M

„Welche Maßnahmen haben Sie ergriffen, um terroristischen Anschlägen gegenüber bestmöglich gewappnet zu sein?“

 


Präsidentin Doris Bures: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner: Es ist vor allem wichtig, zu betonen, dass wir das Phänomen des Extremismus und Radikalismus schon länger auf dem Radar haben, nämlich schon seit einigen Jahren. Wir haben immer wieder Maß­nahmen gesetzt, auch schon vor den Anschlägen in Paris. Ich denke an das Jahr 2014, als wir gerade hier im Parlament intensive Debatten hatten und wir auch zustan­de gebracht haben, einige Gesetzesverschärfungen vorzunehmen. Ich verweise da auf das Grenzkontrollgesetz, auf das Staatsbürgerschaftsgesetz oder auf das Symbole-Ge­setz.

Wie Sie wissen, haben wir im April letzten Jahres die Diskussion über das Staats­schutzgesetz aufgenommen, welches sich jetzt in Begutachtung befindet. Ich möchte allen ein herzliches Danke für die Zusammenarbeit und die Einbringung sagen. Da­rüber hinaus hat sich die Bundesregierung auch darauf verständigt, zusätzlich ein Si­cherheitspaket auf den Weg zu bringen, das nicht nur bei der Repression, sondern vor allem auch bei der Prävention ansetzt.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Werner Amon, MBA (ÖVP): Das ist wirklich eine Fülle von Maßnah­men, die hier gesetzt worden sind. Eine davon, die der Kollege Pendl ja auch schon angesprochen hat und die Sie auch erwähnt haben, ist eben das jetzt in Diskussion stehende Staatsschutzgesetz. Inwiefern kann aus Ihrer Sicht dieses neue Staatsschutz­gesetz tatsächlich einen Beitrag leisten?

 


Präsidentin Doris Bures: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner: Ich habe das Staatsschutz­gesetz schon im Zusammenhang mit dem Kampf gegen den Terrorismus gebracht. Um schlagkräftig zu sein, ist hier noch eine Komponente wichtig, nämlich die Berücksichti­gung des gesamten Cyber-Sicherheitsbereiches. Wir wissen, dass immer mehr An­griffe auf den Cyber-Raum, vor allem auf die Anbieter kritischer Infrastruktur erfolgen. Auch diesen Aspekt haben wir berücksichtigt, wobei es besonders auch um Beratung von Betreibern kritischer Infrastruktur und um den Informationsaustausch zwischen Be­hörden und Anbietern kritischer Infrastruktur geht. Ich glaube, dass wir hier wirklich alle Aspekte berücksichtigt haben, um den aktuellen Phänomenen auch entgegentreten zu können.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 20

Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen zur 3. Anfrage, 101/M, das ist die des Herrn Abgeordneten Kunasek. – Bitte.

 


Abgeordneter Mario Kunasek (FPÖ): Frau Präsidentin! Schönen guten Morgen, Frau Bundesminister! Sehr geehrte Frau Bundesminister, im Jahr 2014 wurden österreich­weit 10 416 Asylwerber als Tatverdächtige ausgeforscht, in der Steiermark alleine wa­ren es über 1 000. Das heißt, bei durchschnittlich 4 000 in der Steiermark unterge­brachten Asylanten im Jahr 2014 ist jeder vierte straffällig geworden.

Wir wissen, dass im Jahr 2014 die Zahl der Asylanträge um rund 60 Prozent gestiegen ist. Daher meine Frage:

101/M

„Zu wie vielen Polizeieinsätzen im Bereich von steirischen Asylheimen kam es im ge­samten Jahr 2014?“

 


Präsidentin Doris Bures: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner: Lassen Sie mich meiner Antwort voranstellen, dass gerade bei der Unterbringung von Asylwerbern mit Sensi­bilität vorzugehen ist. Wir müssen da vor allem auf die unterschiedlichsten Ethnien und Kulturen Rücksicht nehmen, damit in den Unterbringungseinrichtungen auch ein ge­meinsames Miteinander möglich ist. Dieser Bereich ist deswegen sensibel, weil wir nicht vergessen dürfen, dass es auf dem Weg nach Europa zweifelsohne viele Anlässe gab, die dazu geführt haben, dass Asylwerber traumatisiert sind.

Aber nun zu Ihrer konkreten Frage: In der Steiermark waren im Jahr 2014 von der Exe­kutive 61 Einsätze in steirischen Asylheimen zu verzeichnen, wobei 21 Einsätze einer Unterkunft zuzurechnen sind. In Summe waren von diesen 61 Einsätzen 13 Asylunter­künfte betroffen.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Mario Kunasek (FPÖ): Frau Bundesminister, in diesem Zusammen­hang möchte ich noch eine Frage stellen. Und zwar: Wir haben ja im Bereich des Schubhaftzentrums in Vordernberg derzeit die Situation, dass dort kaum noch Schub­häftlinge untergebracht sind. Ich glaube, es sind dort insgesamt jetzt noch drei Schub­häftlinge, bei über 30 Exekutivbeamten, die dort Dienst versehen. Meine konkrete Fra­ge dazu:

Wie stellen Sie sich die Zukunft dieser Exekutivbeamten vor? Werden sie zur Krimina­litätsbekämpfung eingesetzt? Und wie stellen Sie sich die Zukunft des Schubhaftzen­trums Vordernberg vor?

 


Präsidentin Doris Bures: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner: Sie haben völlig recht, wenn Sie sagen, dass wir derzeit kaum Schubhäftlinge in Vordernberg haben. Warum ist das so? Es gibt eine Judikatur, durch die wir dazu veranlasst waren, eine Änderung vorzunehmen. Diese Änderung betreffend die Schubhaft haben wir jetzt im Fremden­rechtsänderungsgesetz berücksichtigt, und ich gehe davon aus, dass es mit Inkrafttre­ten des Fremdenrechtsänderungsgesetzes mit 1. Juli 2015 auch möglich sein wird, in Vordernberg wieder mehr Schubhäftlinge unterzubringen.

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen nunmehr zur 4. Anfrage, 106/M, das ist die des Herrn Abgeordneten Mag. Steinhauser. – Bitte.

 


Abgeordneter Mag. Albert Steinhauser (Grüne): Sehr geehrte Frau Innenministerin, in den letzten Monaten sind Tausende Flüchtlinge im Mittelmeer ertrunken, das macht


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 21

betroffen. Man muss dazu ausführen, dass diese Katastrophe damit begonnen hat, dass das italienische Seenotrettungsprogramm „Mare Nostrum“ nicht fortgeführt wurde und stattdessen ein EU-Programm namens Triton gestartet wurde, welches einen viel geringeren Umfang hatte und vor allem die Grenzsicherung zur Aufgabe hatte. Manche in der EU haben damals gemeint, eine Rettung wäre ein Anreiz zur Flucht. Überleben als Anreiz – das ist sehr zynisch!

Ich schaue jetzt zurück in die Zeit, als „Mare Nostrum“ eingestellt wurde, und stelle auf diesen Zeitraum bezogen an Sie die Frage:

106/M

„Haben Sie sich auf EU-Ebene dafür eingesetzt, dass das italienische Hilfsprogramm „Mare Nostrum“ in vollem Umfang als europäisches Seenotrettungsprogramm fortge­setzt wird?“

 


Präsidentin Doris Bures: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner: Ja, ich habe mich dafür eingesetzt. Es gab ja am Montag in Luxemburg eine Sitzung, bei der 41 Außen- und In­nenminister direkt vor Ort waren, um über ein sofortiges Maßnahmenbündel zu ent­scheiden. Es wurden dort zehn Maßnahmen vorgeschlagen. Eine der Maßnahmen – meines Erachtens die wichtigste – ist, die Rettungskapazitäten zu verstärken. Wir ha­ben uns seitens Österreichs dafür stark gemacht, dass die Rettungskapazität verdop­pelt wird.

Ich denke, darüber hinaus ist es aber nicht nur wichtig, die Rettungskapazität zu ver­stärken, sondern vor allem auch, an nachhaltigen Strategien zu arbeiten, damit es nicht mehr zum Sterben im Mittelmeer kommt.

Ich hoffe aber, dass heute im Rahmen des Gipfels der Staats- und Regierungschefs der Startschuss gegeben wird, diese Rettungskapazität sofort zu verstärken, zu ver­doppeln und dass vor allem auch die finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt werden.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Mag. Albert Steinhauser (Grüne): Sie haben jetzt schon meine Zu­satzfrage beantwortet, die in die Zukunft gerichtet gewesen wäre – die erste Frage war eigentlich in die Vergangenheit gerichtet. Und zwar: Viele fragen sich jetzt, wie es mög­lich war, dass man „Mare Nostrum“ hat auslaufen lassen und dass man kein Seenot­rettungsprogramm damals, als „Mare Nostrum“ ausgelaufen ist, gestartet hat, nämlich über den Zeitraum – ich glaube, es war ungefähr ein Jahr –, als „Mare Nostrum“ aus­gesetzt war. Meine Frage hätte sich darauf bezogen. Da Sie die zweite Frage beant­wortet haben, kann ich jetzt die erste noch einmal stellen.

Damit es zu keinem Missverständnis kommt: Haben Sie sich damals – ich glaube, das war vor einem Jahr –, als „Mare Nostrum“ ausgelaufen ist, für die Fortsetzung eines europäischen Seenotrettungsprogramms eingesetzt, oder haben Sie zu jenen Stimmen gehört, die gemeint haben, Seenotrettung wäre ein Anreiz zur Flucht, was eine sehr zynische Position wäre?

 


Präsidentin Doris Bures: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner: Auch damals habe ich mich dafür eingesetzt und stark gemacht, dass die Rettung am Mittelmeer wichtig und notwendig ist und dass vor allem darauf der Fokus zu richten ist.

 


Präsidentin Doris Bures: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Sche­rak.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 22

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Wir bleiben beim Thema Asyl, kommen aber wieder zurück nach Österreich.

Sie haben ja im Zuge der Asylrechts-Novelle auch den Vorschlag gemacht, Verteiler­zentren über das ganze Bundesgebiet hinweg zu machen, insbesondere aufgrund der Tatsache, dass die Erstaufnahmezentren Traiskirchen und Thalham ja immer sehr über­füllt sind. Da gab es dann viel Kritik – sie ist auch in den Medien kolportiert worden –, insbesondere der Länder.

Was mich interessieren würde: Wie weit sind Sie jetzt mit der Koordinierung, wo diese Verteilerzentren kommen werden? Und inwiefern haben Sie die Kritik der Länder ab­gefedert, sodass es dort zu einer sinnvollen Lösung kommt? Das Ganze soll ja schon ab 1. Juli kommen, und bis dahin ist nicht mehr viel Zeit.

 


Präsidentin Doris Bures: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner: Es gab vor einiger Zeit – ich glaube, es war Ende Jänner – eine Landeshauptleutekonferenz, bei der wir dieses Thema in den Mittelpunkt gestellt haben. Dort haben sich alle Länder darauf verstän­digt, dass derartige Verteilerzentren wichtig und notwendig sind, und wir sind über­eingekommen, dass es sieben Verteilerquartiere geben wird – das heißt, dass es eine Zusammenarbeit zwischen Tirol und Vorarlberg und eine Zusammenarbeit von Wien und dem Burgenland gibt.

Wir sind derzeit in engen Verhandlungen mit den Bundesländern, um diese Verteiler­quartiere in den nächsten Wochen auf den Weg zu bringen, und die rechtliche Grund­lage dafür wird auch gerade jetzt, in den nächsten Wochen, hier im Parlament gelegt. Dafür sage ich ein herzliches Danke.

 


Präsidentin Doris Bures: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Dipl.-Kffr. Pfurtscheller.

 


Abgeordnete Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller (ÖVP): Guten Morgen! Frau Ministerin, Sie haben gerade vorhin schon die Konferenz der Innen- und Außenminister der EU in Luxemburg am vergangenen Montag erwähnt. Könnten Sie mir bitte sagen: Was waren insgesamt die Ergebnisse dieser Konferenz?

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Frau Ministerin.

 


Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner: Das muss ich sehr zu­sammenfassen. Was waren die Ergebnisse? – Die Ergebnisse waren – als Erstes und eben Wichtigstes –, die Rettungskapazitäten zu verstärken.

Zum Zweiten war ein Ergebnis, dass wir den Kampf gegen die Schlepper intensivieren, denn die Schlepper sind letztendlich auch die Hauptverantwortlichen für das Sterben im Mittelmeer.

Zum Dritten war es uns wichtig, dass wir vor allem bei der Bearbeitung von Asylan­trägen in Ländern, wo es Probleme gibt, Unterstützung geben.

Des Weiteren freut es mich sehr, dass ein Teil unseres Projektes „Leben Retten“ in An­griff genommen wird, und zwar in Form eines Pilotprojektes, wo es darum geht, Kriegs­flüchtlinge in allen 28 Mitgliedstaaten unterzubringen.

Das waren die zentralen Punkte. – Ich denke, wichtig ist, dass alle zehn Punkte so rasch wie möglich umgesetzt werden.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Mag. Darmann.

 


Abgeordneter Mag. Gernot Darmann (FPÖ): Frau Präsident! Guten Morgen, Frau Bundesminister! Frau Bundesminister, Ihnen wird aus der internationalen Medienbe-


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richterstattung, insbesondere der italienischen, bekannt sein, dass die Republik Italien beschlossen hat, in Tarvis – also nahe der österreichischen Grenze in Kärnten, also der Grenze von Kärnten in Österreich nach Italien – ein Massenflüchtlingszentrum zu etablieren und dies nach und nach auch noch auszuweiten, was die Menge der unter­gebrachten Asylanten betrifft.

Nunmehr ist leider davon auszugehen – das ergibt sich aus der Logik heraus –, dass dieses Zentrum nicht deswegen von Italien eingerichtet wird, um die Massenflücht­lingsströme aus Österreich in Italien abzufangen, sondern umgekehrt, wie auch in der Vergangenheit in der italienischen Flüchtlingspolitik eine Art Schleusenfunktion in die Europäische Union, in andere europäische Mitgliedstaaten Platz greifen zu lassen.

Welche Maßnahmen wird das Innenministerium setzen, um die zu erwartenden mas­senhaften illegalen Grenzübertritte direkt an der Staatsgrenze zu Österreich abzufan­gen?

 


Präsidentin Doris Bures: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner: Laut den uns vorliegen­den Informationen ist an die Errichtung eines derartigen Zentrum nicht gedacht. (Abg. Darmann: Sie machen es sich einfach! Zeitung lesen! – Zwischenruf des Abg. Kickl. – Weitere Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von FPÖ und ÖVP.)

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen nun zur 5. Anfrage, 97/M, das ist jene des Herrn Abgeordneten Hagen. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Christoph Hagen (STRONACH): Frau Präsidentin! Frau Bundesminis­ter! Meine Damen und Herren! Es ist Ihnen sicher bekannt, dass ... (Anhaltende Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von FPÖ und ÖVP.) – Vielleicht könnte man den Lärmpegel ein bisschen herunterfahren.

Es ist Ihnen sicher bekannt, dass es immer wieder zu Problemen mit Asylwerbern kommt, die irgendwo Kleingemeinden zugeteilt worden sind – das letzte Beispiel war jetzt in Alberschwende im Bregenzerwald in Vorarlberg –, bei denen aber vielleicht Kleingemeinden mit solch einer Situation etwas überfordert sind.

Es ist ja gut gedacht, dass man versucht, die Menschen dort in die Gesellschaft zu integrieren, da gibt es aber immer wieder das Problem, dass diese Leute dann nur kurzfristig dort sind, die Bevölkerung sich aber an diese Menschen gewöhnt hat und vielleicht Freundesbande aufgebaut hat.

Daher meine Frage:

97/M

„Gibt es eine Möglichkeit, bei der Zuteilung von Asylanten in ländliche Gegenden/Klein­gemeinden zwischen denjenigen zu differenzieren, bei denen die Wahrscheinlichkeit höher ist, dass sie das Land bald wieder verlassen, und denjenigen, die mit größerer Wahrscheinlichkeit dauerhaft bleiben werden?“

 


Präsidentin Doris Bures: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner: Herr Abgeordneter, nein, man kann nicht differenzieren zwischen jenen, die wahrscheinlich Chancen haben, hier bleiben zu können, und jenen, die das Land verlassen müssen. Warum können wir nicht zu Beginn differenzieren? – Weil wir natürlich zu Beginn des Asylverfahrens nicht bereits Prognosen abgeben können, wie ein derartiges Asylverfahren ausgeht.

Womit wir aber gerade sehr sorgsam umgehen bei der Unterbringung, das ist, dass wir die spezifischen und speziellen Bedürfnisse bedenken. Das heißt, wir berücksichtigen,


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ob es sich dabei um unbegleitete Minderjährige handelt, ob es sich um Familien han­delt, ob es sich um Behinderte handelt. Das alles ist zu berücksichtigen, um Kriegs­flüchtlinge beziehungsweise Flüchtlinge generell gut unterzubringen.

Aber so, wie Sie sich das vorstellen? – Nein, eine derartige Differenzierung ist nicht mög­lich.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Christoph Hagen (STRONACH): Ich möchte noch einmal auf die Pro­blematik der Abschiebungen in ein Dublin-Vertragsland zurückkommen.

Es fällt mir auf – beziehungsweise ist es vielen Leuten aufgefallen –, dass in den Me­dien – speziell bezüglich Vorarlberg kann ich das von den „Vorarlberger Nachrichten“ sagen – immer wieder mittels Berichten über Asylwerber, die dann abgeschoben wer­den, die aber teilweise schon gut integriert sind, Stimmung gemacht wird. Das heißt, ich wage zu behaupten, böse Zungen behaupten, dass da bewusst Organisationen da­hinterstecken, die die Bevölkerung etwas aufwiegeln.

Jetzt meine Zusatzfrage:

Können Sie ausschließen, dass Asyl- und Betreuungsorganisationen bewusst Asylwer­ber mit bedrohter Abschiebung in Kleinstgemeinden beziehungsweise Kleingemeinden stationieren, um die Diskussion in eine gewisse Richtung anzuregen?

 


Präsidentin Doris Bures: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner: Ich würde mir nicht an­maßen, einer Hilfsorganisation oder einer NGO eine derartige Unterstellung zu ma­chen. Generell gibt es zwischen dem Innenministerium, den Bundesländern und den NGOs, die vor allem die Betreuung übernehmen, eine sehr gute Zusammenarbeit: eine Zusammenarbeit, die wirklich äußerst professionell ist, und ich bedanke mich bei allen, von der Diakonie über die Caritas bis zu allen anderen für die wirklich professionelle Betreuung der Flüchtlinge.

 


Präsidentin Doris Bures: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Kas­segger.

 


Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Wir haben ja bei der Frage 4 schon gehört, dass es geplant ist beziehungsweise die diesbezüglichen Verhandlungen bereits voll im Gange sind, Asyl-Länderverteilungszentren zu bilden. Da war die Rede von sieben, die ge­plant sind, von wo aus dann die Asylwerber direkt in die Gemeindegrundversorgungs­zentren verteilt werden sollen.

Ich habe dazu eine Frage:

Ist es korrekt, dass für die Steiermark ein solches Länderverteilungszentrum in Kals­dorf, konkret im Fliegerhorst Nittner, geplant oder vorgesehen ist?

 


Präsidentin Doris Bures: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner: Ich bitte um Verständnis, dass ich zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine genauen Auskünfte geben kann, denn ge­rade betreffend die Verteilerquartiere laufen die Verhandlungen in den einzelnen Bun­desländern, und diese Verhandlungen möchte ich nicht stören, weder in der Steiermark noch in anderen Bundesländern.

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen nunmehr zur 6. Anfrage, 108/M, das ist jene des Herrn Abgeordneten Mag. Nikolaus Alm. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Mag. Nikolaus Alm (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Mi­nisterin! Sie wissen ja, dass sowohl der EuGH als auch der VfGH letztes Jahr die an-


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lasslose Vorratsdatenspeicherung, die Massenüberwachung in dieser Form verhindert haben. Es gab in beiden Verfahren keine konkreten Belege dafür, dass eine Notwen­digkeit dieser Maßnahme in irgendeiner Form besteht.

Sie denken jetzt trotzdem laut darüber nach, dieses Instrument wieder einzuführen. Wie soll sich das ausgehen, beziehungsweise – als Frage formuliert –:

108/M

„Wo genau sehen Sie die Lücke in Bezug auf strafrechtliche Ermittlungsverfahren, die durch die Neuauflage einer anlasslosen Vorratsdatenspeicherung geschlossen werden würde?“

 


Präsidentin Doris Bures: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner: Selbstverständlich halten wir uns sowohl an die Urteile des EuGH als auch an jene des Verfassungsgerichthofes, ich sage aber auch, dass die Ermittlungsarbeiten dadurch natürlich nicht leichter wer­den. Und gerade, wenn Experten sowohl der Justiz als auch der Polizei meinen, dass aufgrund der derzeitigen Gefährdungslage, aufgrund der derzeitigen Phänomene eine Vorratsdatenspeicherung Sinn macht, dann ist es meine Verantwortung als Innenminis­terin, eine derartige Diskussion auch zu starten: eine Diskussion, wie wir sie in Deutsch­land in den letzten Wochen und Monaten erlebt haben, wo es ja bereits Leitlinien zu ei­ner Nachfolgeregelung gibt.

Wo sehe ich die Lücke? – Sie wissen natürlich, dass es jetzt für die Telekommunika­tionsanbieter keinerlei gesetzliche Vorgaben gibt betreffend die Speicherung der Stand­ort- beziehungsweise Vorratsdaten, das heißt, dass wir auch bei einem richterlichen Auftrag eventuell keine Daten zur Verfügung haben. Und wenn es sonst keinen Ermitt­lungsansatz gibt, heißt das, dass es natürlich auch nicht möglich ist, Täter dingfest zu machen und auch organisierte Kriminalität aufzuklären.

Was ich mir wünsche ist, das wir hier fachlich und sachlich darüber diskutieren.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte.

 


Abgeordneter Mag. Nikolaus Alm (NEOS): Ich sehe jetzt nicht, worin sich das von der bisherigen Form der Vorratsdatenspeicherung unterscheidet. Gehe ich also recht in der Annahme, dass Ihnen keine konkreten Belege vorliegen, die eine neue Version der Vorratsdatenspeicherung zusätzlich zu den bereits bestehenden Ermittlungsmethoden zwingend notwendig machen?

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner: Mir geht es zum derzei­tigen Zeitpunkt nicht darum, wie eine Nachfolgeregelung im Detail ausschaut, sondern zum jetzigen Zeitpunkt geht es mir darum, ein sicherheitspolitisches Bekenntnis zu be­kommen, damit wir diese Diskussion starten können. Wie diese Nachfolgeregelung ausschaut, ist offen, aber selbstverständlich ist es mir wichtig, alle Grundrechte zu be­rücksichtigen und natürlich auch die datenschutzrechtlichen Bedenken auszuräumen beziehungsweise diesbezüglich hohe Standards festzulegen – natürlich eine Nachfol­geregelung, die eben auch ganz konkret nur auf die Aufklärung von terroristischen At­tentaten und auch schwerster organisierte Kriminalität abzielt.

Das heißt, betreffend die Frage: Wie?, da bin ich offen, jetzt geht es nur darum, ob.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Buchmayr.

 


Abgeordneter Harry Buchmayr (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Der Verfassungsgerichtshof hat am 27. Juni 2014 ausdrücklich


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festgestellt, dass die Vorratsdatenspeicherung sowohl gegen das Grundrecht auf Da­tenschutz wie auch gegen Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention, dem Recht auf Privat- und Familienleben, verstößt.

Warum legen Sie nicht ein völlig neues Konzept, beispielsweise das Quick-Freeze-Ver­fahren, vor, sondern beginnen wieder diese alte Diskussion?

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner: Herr Abgeordneter, Sie haben damit völlig recht, dass sowohl der EuGH als auch der Verfassungsgerichtshof diese Regelung aufgehoben hat, weil sie letztendlich zu weit gefasst war. Ob wir jetzt von Quick-Freeze oder anderen Möglichkeiten reden, darüber lässt sich zweifelsohne ganz offen diskutieren, mir geht es nur darum, dass wir jetzt mit einer neuen Dis­kussion starten, und ich glaube, gerade Deutschland hat gezeigt, dass das auch mög­lich ist.

 


Präsidentin Doris Bures: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Mag. Stein­acker.

 


Abgeordnete Mag. Michaela Steinacker (ÖVP): Guten Morgen, Frau Bundesministe­rin! Deutschland befindet sich aktuell sowohl in sicherheitspolitischer als auch in rechtlicher Hinsicht in einer ähnlichen Lage wie Österreich. Auch in unserem Nachbar­land gibt es zahlreiche Diskussionen auf politischer Ebene und natürlich auch in der Öffentlichkeit bezüglich der Vorratsdatenspeicherung. Die Regierungsparteien SPD und CDU haben sich letzte Woche schon auf eine Nachfolgeregelung inhaltlich ge­einigt. – Welche Schlüsse ziehen Sie daraus?

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner: Welche Schlüsse ich da­raus ziehe? – Dass es bei gutem Willen möglich ist, in einer Koalition zu einem Er­gebnis zu kommen.

Wenn wir den Blick, wie gesagt, nach Deutschland richten, dann sehen wir, dass es dort zu Beginn der Diskussion zweifelsohne unterschiedlichste Positionen gegeben hat, dass es aber möglich ist, zu einem Konsens zu kommen, wodurch es dann eben letztendlich auch möglich ist, gegen organisierte Kriminalität und Terrorismus vorzuge­hen. Ich glaube, wir sollten uns da an Deutschland ein Beispiel nehmen und gleichfalls eine fachliche und sachliche Diskussion beginnen, aber auch – genauso wie Deutsch­land – diese Regelung natürlich ganz eng fassen, damit wir die Bedenken, die sowohl der EuGH als auch der Verfassungsgerichtshof hatte beziehungsweise angemerkt hat, berücksichtigen.

Ein Zusatz sei mir noch erlaubt: Im EuGH-Urteil ist sehr wohl ganz klar zu finden, dass gerade die Vorratsdatenspeicherung ein gutes Instrument sein kann, um schwerste or­ganisierte Kriminalität und Terrorismus aufzuklären.

 


Präsidentin Doris Bures: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Mag. Stein­hauser.

 


Abgeordneter Mag. Albert Steinhauser (Grüne): Frau Ministerin! Die Notwendigkeit ist die eine Frage, die andere Frage ist, ob überhaupt eine verfassungskonforme Um­setzung einer „Vorratsdatenspeicherung Neu“ möglich ist.

Der Europäische Gerichtshof und der Verfassungsgerichtshof haben klare Grenzen ge­setzt, unter anderem haben sie gesagt, dass die von der Vorratsdatenspeicherung er­fasste Personengruppe begrenzt und der Schutz der Berufsgeheimnisse für Ärzte, Priester et cetera sichergestellt sein muss.

Sie haben eine fachliche und sachliche Debatte eingefordert. – Wer eine „Vorratsda­tenspeicherung Neu“ will, muss beantworten können, wie er so etwas umsetzen will,


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denn die Vorratsdatenspeicherung ist ja eine Massenüberwachung, die jeden spei­chert, unabhängig davon, ob er sich etwas hat zuschulden kommen lassen oder nicht.

Daher wäre meine Frage:

Wie wollen Sie technisch umsetzen, dass nur ein beschränkter Personenkreis, wie vom EuGH gefordert wird, von der Speicherung erfasst ist und auch das Berufsgeheimnis bestimmter Berufsgruppen gewahrt bleibt?

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner: Ich bitte um Verständnis, dass ich mich hier noch auf keine technischen oder inhaltlichen Details festlegen möchte. Mir geht es um eine offene, konstruktive Diskussion, um mit Ihnen allen eine grundrechtskonforme Lösung zu finden.

Mir sind die von Ihnen vorgebrachten Bedenken sehr bewusst. Wir werden zweifels­ohne darauf Rücksicht nehmen und werden uns selbstverständlich auch Regelungen anderer Mitgliedstaaten anschauen – in vielen anderen Mitgliedstaaten gibt es ja diese Vorratsdatenspeicherung noch. Ich glaube, es ist einfach wichtig, diese Diskussion be­treffend eine nationale Regelung zu starten, weil das auf europäischer Ebene auf die lange Bank geschoben worden ist.

Wir können aber davon ausgehen, dass wir hier gerade mit diesem Thema äußerst sensibel umgehen. Natürlich müssen die Berufsgruppen wie Journalisten oder eben Rechtsanwälte davon ausgenommen werden. Das findet zum Beispiel auch Berück­sichtigung in den Leitlinien für die Nachfolgeregelung in Deutschland.

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen nunmehr zur 7. Anfrage, 99/M, das ist jene der Frau Abgeordneten Königsberger-Ludwig. – Bitte.

 


Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Ministerin! Die Bilder von Menschen, die bei der Flucht nach Europa ertrinken, die Bilder von Menschen, die in überfüllten Flüchtlingsbooten sind, voller Hoffnung auf ein anderes, ein besseres Leben, machen betroffen, und ich denke mir, sie fordern auch zu sehr raschem Handeln auf.

Die Kundgebung am Minoritenplatz, wo sich ganz kurzfristig NGOs, Zivilbevölkerung, Politikerinnen und Politiker aller Couleurs gefunden haben, um der Opfer zu gedenken, aber auch um Anforderungen, Herausforderungen anzusprechen und auch Forderun­gen an die Politik zu stellen, hat gezeigt, dass viele Menschen eine andere, eine stär­kere humanitäre Antwort auf diese Flüchtlingstragödie möchten.

Meine Frage an Sie, Frau Ministerin, lautet:

99/M

„Im Mittelmeer passieren beinahe täglich humanitäre Katastrophen bei der Schleppung von Flüchtlingen. – Welche Konzepte verfolgen die europäischen Innenminister, um die­se inakzeptablen und unmenschlichen Tragödien zu verhindern und um rasch und wirk­sam das Leben dieser Flüchtlinge zu retten?“

 


Präsidentin Doris Bures: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner: Frau Abgeordnete, Sie haben völlig recht, wenn Sie sagen, es braucht eine europäische, humanitäre Antwort. Diese humanitäre Antwort – natürlich eine nachhaltige humanitäre Antwort – soll so rasch wie möglich mit diesem Zehn-Punkte-Programm gegeben werden.

Österreich hat eine humanitäre Antwort, sowohl zum jetzigen Zeitpunkt, zu dem wir, glaube ich, in Österreich einen sehr humanitären Umgang mit Kriegsflüchtlingen pfle­gen – wenn ich daran denke, dass wir auf Platz drei sind, was die Betreuung und Un-


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terbringung von Kriegsflüchtlingen betrifft –, als auch mit unserem nachhaltigen Vor­schlag – bei dem eben nachhaltig das Sterben von Menschen im Mittelmeer verhindert werden soll –, mit unserem Projekt „Leben Retten“. Bei diesem geht es vor allem da­rum, in den nordafrikanischen Ländern UNHCR-Anlaufstellen zu schaffen, dort eine Erstprüfung vorzunehmen und dann, wenn das UNHCR eine Chance auf Asyl sieht, die Flüchtlinge mit einem Verteilungsschlüssel nach Europa zu bringen und das tat­sächliche Verfahren in Europa abzuwickeln. – Ich bin fest davon überzeugt, dass das einfach eine Chance ist, das Sterben im Mittelmeer nachhaltig zu verhindern.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ): Sie haben eigentlich schon fast die Antwort auf meine Zusatzfrage gegeben. Ich hätte Sie in die Richtung gefragt, wie Sie zu dem Vorschlag stehen, in den Herkunftsländern Anlaufstellen zu schaffen, be­gleitet vom UNHCR nach höchsten menschenrechtlichen Gegebenheiten – auch He­rausforderungen.

Aber Sie haben eigentlich gesagt, dass Sie diesen Vorschlag sehr positiv sehen. Ich denke, wir werden auch in diese Richtung arbeiten.

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner: Für uns ist es natürlich wichtig, diese Initiative „Leben Retten“ weiter voranzutreiben, weswegen wir auch nicht müde werden, auf allen Ebenen dafür zu werben.

Es ist mir vor allem auch wichtig, dass die Europäische Kommission so rasch wie möglich beginnt, mit den nordafrikanischen Ländern und mit dem UNHCR zu verhan­deln, damit wir diesbezüglich den Startschuss setzen können. Ich bin froh darüber, dass das UNHCR zu Gesprächen bereit ist und dass es das als Alternative ansieht, um nachhaltig zu helfen.

Aber es ist natürlich zu betonen, dass das viel an Vorbereitung bedarf – Vereinbarun­gen, Verträge mit den nordafrikanischen Staaten und mit dem UNHCR –, das heißt, bis dahin ist es noch ein langer Weg.

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen nunmehr zur 8. Anfrage, das ist jene des Herrn Abgeordneten Mag. Gerstl. – Bitte.

 


Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Frau Präsidentin! Schönen guten Mor­gen, Frau Bundesminister! Wenn man sich die letzten 30 Jahre ansieht, merkt man diese unglaubliche Entwicklung in der Mobilität. Man hat sich früher nicht vorstellen können, wie intensiv der Handel zwischen den Ländern betrieben wird, man hat sich nicht vorstellen können, wie intensiv Reisebewegungen zwischen den Ländern passie­ren, und wir Österreicherinnen und Österreicher haben uns auch nicht vorstellen kön­nen, dass es so selbstverständlich wird, Urlaub im Ausland zu machen.

All diese positiven Dinge haben aber auch die Kriminellen genutzt, sie haben die Möglichkeiten genutzt, auch in Österreich – unter Anführungszeichen – „vorstellig zu werden“, wie wir uns das eigentlich nicht gewünscht haben. Das Innenministerium – im Besonderen das Bundeskriminalamt – hat ganz besondere Maßnahmen dagegen ge­setzt, wie zum Beispiel den Sicherheitsmonitor, um die Kriminalität entsprechend zu bekämpfen.

Frau Bundesminister, können Sie uns erklären, wie sich die aktuelle Entwicklung in der Gesamtkriminalität der letzten Jahre im Vergleich wirklich darstellen lässt und womit wir rechnen können?

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Die schriftlich eingereichte Anfrage, 104/M, hat folgenden Wortlaut:

„Wie beurteilen Sie die Kriminalitätsentwicklung der letzten Jahre im Vergleich?“

*****

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner: Sie haben die Verände­rungen der letzten Jahre konkret beschrieben. Aufgrund dieser gesellschaftlichen Ver­änderungen hat sich auch die Kriminalitätsbekämpfung verändert. Wir haben den Schwerpunkt auf die grenzüberschreitende Kriminalitätsbekämpfung – auf die Zusam­menarbeit mit den Nachbarstaaten und auf europäischer sowie vor allem auch interna­tionaler Ebene – gelegt.

Wir sehen, dass das fruchtet, und wir sehen, dass wir gut unterwegs sind. Im europäi­schen Vergleich sind wir, was die Sicherheit betrifft, auf Platz drei, und im weltweiten Vergleich auf Platz vier. Das heißt, unsere Polizei arbeitet hervorragend, daher gilt es auch einmal, Danke zu sagen.

Es gibt – gerade wenn man die letzten zehn Jahre betrachtet – einen permanenten Rückgang im Bereich der Kriminalität. Im vergangenen Jahr gab es mehr als 76 000 Anzeigen weniger als noch im Jahr 2005. Das ist ein guter Erfolg, vor allem wenn man daran denkt, dass die Bevölkerungszahl um mehr als 134 000 gestiegen ist. Wenn man sich das ansieht: Im Jahr 2014 gab es 527 000 angezeigte Delikte und im Jahr 2005 waren es noch 604 000. Das heißt, es gibt im Vergleich mit der Zahl der angezeigten Delikte vor 10 Jahren um 76 000 Anzeigen weniger, und das bei einer Aufklärungsquote, die wir Gott sei Dank konstant halten beziehungsweise noch erhö­hen konnten, nämlich um 3,6 Prozent im Vergleich zu 2005.

Wenn man sich die sogenannten Big Five anschaut, kann man feststellen, dass wir in vier Feldern die Kriminalität senken konnten: bei den Gewaltdelikten um 5,1 Prozent, bei den Kfz-Diebstählen um 13,8 Prozent, im Bereich der Cyber-Kriminalität um 10,8 Pro­zent – erstmals im Vergleich zu den letzten Jahren – und im Bereich der Wirtschafts­kriminalität um 9,8 Prozent.

Ich gebe aber zu: Wo viel Licht ist, ist natürlich auch Schatten, wenn ich an die Woh­nungseinbrüche beziehungsweise Wohnhauseinbrüche denke, bei denen es eine Steigerung von 3,4 Prozent gibt. Daher gilt es, weiterhin intensive Maßnahmen zur Be­kämpfung der Kriminalität im Bereich des Wohnraumeinbruchs zu setzen. Aber da ha­ben wir einen eigenen Plan ausgearbeitet, und ich gehe davon aus, dass dieser auch zum Erfolg führen wird, denn gerade Wohnraum- oder Wohnhauseinbrüche sind nicht nur mit finanziellen Schäden verbunden, sondern natürlich auch oft mit Traumatisie­rung, weswegen in diesem Bereich ein weiterer Schwerpunkt gesetzt werden muss.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Frau Bundesminister, das ist eine sehr erfreuliche Mitteilung, die Sie uns geben! Ich möchte daher den Dank an Sie und an alle Polizistinnen und Polizisten für die profunde Arbeit, die Sie leisten, richten. Laut dieser Statistik können wir nun noch besser leben, und die Menschen in Österreich ha­ben noch weniger Kriminalität als zuvor.

Ich möchte aber gerne noch einen Punkt aufgreifen, weil ich ein Interview mit Norbert Ceipek, dem Leiter der Wiener „Drehscheibe“, der vor Kurzem in Pension gegangen ist, über Kinderkriminalität gelesen habe. Ceipek sagt, dass bei der Radikalisierung offensichtlich zu lange zugesehen wurde, und er beschreibt Fälle, bei denen Kinder ganz bewusst von der organisierten Kriminalität als Täter eingesetzt werden und dass


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 30

diese in Wirklichkeit auch Opfer sind – also wir haben es mit ganz tragischen Fällen zu tun. Gerade als Wiener Mandatar ist mir das ganz wichtig, weil man in Wien immer wieder mit vielen Taschendiebstählen konfrontiert ist.

Können Sie uns sagen, wie sich diese Kinder- und Jugendkriminalität in den letzten Jahren entwickelt hat und welche Maßnahmen dagegen gesetzt werden?

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner: Ja, leider ist im Bereich der Jugendkriminalität ein Anstieg zu verzeichnen. Ich bitte Sie, aber keine Vorverurtei­lungen vorzunehmen, denn es ist wichtig, dass wir uns die Problemfelder genau an­schauen, das heißt, zu schauen, wo diese Problemfelder sind, sowohl lokal als auch in­haltlich. Deswegen werden wir auch weiterhin Maßnahmen im repressiven und präven­tiven Bereich und vor allem – das ist mir ganz wichtig – auch im gesellschaftspoli­tischen Bereich setzen, denn die Polizei wird den Kampf gegen diese Jugendkrimina­lität nicht allein bewerkstelligen können, sondern es braucht einen gesamtgesellschaft­lichen Vorgang beziehungsweise Einsatz, also eine intensive Zusammenarbeit mit den Ministerien, den Ländern, den Jugendorganisationen und den Schulen – daran müssen wir konsequent arbeiten.

Aber Sie haben zweifelsohne recht, dass natürlich viele Jugendliche auch missbraucht, von Tätergruppen instrumentalisiert und vor allem zu brutalen, hochprofessionellen Vorgangsweisen erzogen werden. In diesem Bereich müssen wir ansetzen und vor al­lem diesen Jugendlichen, die davon betroffen sind und die dazu oft genötigt werden, helfen. Das heißt, es spielt der gesamte Bereich des Menschenhandels auch eine zen­trale Rolle.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Schenk.

 


Abgeordnete Martina Schenk (STRONACH): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Aus einer Studie geht Folgendes hervor: 67 Prozent der Österreicher sehen ihr Sicherheits­bedürfnis durch die Politik nicht befriedigt. Die Zahl der Einbrüche und der Kfz-Dieb­stähle nimmt zu – wir können es täglich lesen.

Es ist nun aber so, dass es fast nicht mehr möglich ist, einen Waffenpass zu erhalten, weil die Vergabe durch das Ausnutzen des behördlichen Ermessens stark einge­schränkt ist. Man könnte auch sagen, dass der Waffenpass abgeschafft wurde. Nicht einmal Exekutivbeamte außer Dienst bekommen noch einen Waffenpass. Unlängst wurde der Antrag eines Jägers abgeschmettert. Für einen unbescholtenen Bürger ist es so gut wie unmöglich, einen Waffenpass zu bekommen.

Selbstverteidigung muss ein Bedarfsgrund werden und einen Rechtsanspruch auf einen Waffenpass begründen! Frau Ministerin, warum lehnen Sie das ab?

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner: Sehr geehrte Frau Abge­ordnete, ich habe gerade zuvor von den Big Five gesprochen, bei denen Sie bemer­ken, dass es in vier zentralen Kriminalitätsfeldern einen Rückgang gibt und in einem Feld, nämlich im Wohnraumeinbruch, ein Anstieg von über 3 Prozent zu verzeichnen ist. Ich glaube, es ist daher nicht angebracht, die Arbeit der Polizistinnen und Polizisten schlechtzureden. Und ich sage Dank für die wirklich gute Arbeit der Exekutivbediens­teten. (Beifall bei der ÖVP.)

Zum Thema Waffenbesitz betreffend Exekutivbeamte wissen Sie, dass wir uns in der vergangenen Ausschusssitzung darüber verständigt haben, dass wir an einer gemein­samen Lösung arbeiten werden. Das heißt, die Diskussion ist offen, und wir werden ei­ne gemeinsame Lösung finden.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 31

Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen nunmehr zur 9. Anfrage, das ist jene der Frau Abgeordneten Dr. Belakowitsch-Jenewein.

 


Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein (FPÖ): Frau Präsident! Frau Bun­desminister! Wir haben jetzt Allgemeines von der Kriminalität gehört. Ein Aspekt der Kriminalität ist die Drogenkriminalität. Vor allem in der Bundeshauptstadt Wien explo­diert die Drogenkriminalität. Während noch vor wenigen Jahren der Drogen-Hotspot am Wiener Karlsplatz war, ist es mittlerweile so, dass eine Stelle nach der anderen für die Bevölkerung sozusagen als solcher wahrzunehmen ist, vor allem entlang der U-Bahn-Linien oder der S-Bahn-Linien, in den Stationen, teilweise auch in den Zügen oder im größeren Umfeld.

Ich nehme eine Station beispielsweise heraus, nämlich die Josefstädter Straße in Wien, wo das auch laut dem subjektiven Empfinden der Bevölkerung ein Drama ist. Gleichzeitig sind die öffentlichen Verkehrsmittel natürlich wichtige Schulwege – die Schulkinder müssen sich oftmals den Weg durch Drogensüchtige bahnen. Das ist ja auch der Wiener Polizei bekannt, die meines Erachtens aufgrund chronischer Unterbe­setzung dem Problem in dieser Art kaum Herr werden kann.

Daher meine Frage:

102/M

„Welche Maßnahmen haben Sie gesetzt, um das Problem des offensiven Drogenhan­dels im Bereich von öffentlichen Verkehrsmitteln in Wien in den Griff zu bekommen?“

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner: Bevor ich konkret auf Ihre Frage eingehe, gestatten Sie mir, noch kurz anzuführen – weil Sie von der Krimi­nalität in Wien gesprochen haben –, dass es auch in Wien gelungen ist, die Kriminalität zu reduzieren beziehungsweise dass die Kriminalitätsrate zurückgegangen ist, nämlich um sage und schreibe 4,7 Prozent. Das ist ein Minus von über 10 000 Anzeigen trotz einer permanent steigenden Bevölkerungszahl.

Aber ja, Sie haben recht, dass gerade die Drogenkriminalität für die Polizei eine ganz große Herausforderung darstellt. Im Kampf gegen Drogendealer und im Kampf gegen Drogenkriminalität hat es diesbezüglich vor Jahren eine umfassende Evaluierung ge­geben, und wir haben Änderungen im Kampf gegen Drogenkriminelle vorgenommen, und zwar sowohl strukturell als auch taktisch, aber vor allem im Bereich der proaktiven Bekämpfung. Deswegen fußt die Arbeit der Polizei im Kampf gegen Drogenkriminalität derzeit auf drei Säulen: den grundlegenden lokalen Ermittlungen, den Intensivermittlun­gen – das heißt, intensiven Strukturermittlungen und Ermittlungen mit ausländischen Behörden – und einer permanent eigenständigen, proaktiven Bekämpfung.

Wen haben wir im Bereich Suchtgiftmittel-Kriminalitätsbekämpfung eingesetzt? – So­wohl die Kriminalpolizei als auch die Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkri­minalität und darüber hinaus die Bereitschaftseinheit, die in diesem Bereich hervorra­gende Arbeit leistet. Zwei Drittel der Außendienstzeit werden dafür aufgewendet. Ganz wichtig ist uns in diesem Zusammenhang die Präsenz der Polizistinnen und Polizisten vor allem in den U-Bahn-Stationen und an gut frequentierten Plätzen.

Darüber hinaus ist uns aber nicht nur diese Präsenz wichtig, sondern auch der soge­nannte Qualitätszirkel – Sitzungen ein- bis dreimal die Woche mit der Stadt Wien und den sozialen Diensten, bei denen ganz konkrete Maßnahmen punktuell festgelegt wer­den.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Frau


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 32

Abgeordnete.

 


Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein (FPÖ): Frau Bundesminister, Sie sind selbst – sage ich jetzt einmal – im positiven Sinne auffällig geworden, als Sie im Jahr 2013 gesagt haben, es sei ja auch ein großes Problem, dass das Substitol den Schwarzmarkt überschwemmt. Wir wissen, dass aufgrund der Suchtgiftverordnung Substitol nur dann verabreicht werden darf, wenn die Patienten, die Süchtigen, nichts anderes vertragen. Jetzt gibt es in Wien die Situation, dass zirka zwei Drittel aller Pa­tienten aber Substitol bekommen. Es gibt auch schon aus Bayern einen Aufruf oder einen Hilfeschrei, denn selbst in Bayern, wo das Substitol nicht verabreicht wird, scheint dieses auf dem Schwarzmarkt auf, und seine Herkunft ist eindeutig auf Öster­reich zurückzuführen.

In diesem Zusammenhang würde mich interessieren: Was haben Sie konkret ge­macht? Ich weiß schon, Sie sind damals vom damaligen Gesundheitsminister ausge­bremst worden, aber haben Sie in weiterer Folge versucht, über Gespräche Verhand­lungen darüber zu führen, dass auch in Österreich die Substitol-Abgabe eingeschränkt wird?

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner: Sie sprechen ein äußerst wichtiges und sensibles Thema an. Von meiner Warte aus gibt es ein ganz klares Ja zur Substitoltherapie oder zur Substitutionstherapie, aber es ist schon sehr auffällig, dass gerade in Österreich so viel Substitol abgegeben beziehungsweise verabreicht wird wie in keinem anderen europäischen Mitgliedstaat. Wir sollten da meines Er­achtens auch in Zukunft konkret hinschauen, und ich denke, dass wir seitens des Ge­sundheitsministeriums einen ganz klaren Antidrogenstrategieplan brauchen.

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen nunmehr zur 10. Anfrage, das ist jene des Herrn Abgeordneten Dr. Pilz. – Bitte.

 


Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Frau Bundesministerin, am 2. Februar dieses Jahres hat es ja unter genauer Beobachtung Ihrer Beamten und Beamtinnen eine Kund­gebung der rechtsextremen PEGIDA in Wien gegeben. Es gab auch eine Gegenkund­gebung – aber das ist alles nicht der Punkt –, und da waren zahlreiche Journalistinnen und Journalisten, die einfach ihre Arbeit gemacht haben und die dann zum Teil über­raschend von der Polizei miteingekesselt worden sind. Dann sind zahlreiche Anzei­gen – insgesamt 456 meines Wissens – gegen verschiedene Personen erstattet wor­den, und zwar wegen „Verhinderung oder Störung einer Versammlung“.

Und wir wissen genauso gut wie Sie, dass auch gegen Journalistinnen und Journa­listen wegen des Verdachts der „Verhinderung oder Störung einer Versammlung“ An­zeige erstattet worden ist, nur weil sie dort waren – denn anders können sie ja nicht über diesen rechtsextremen Aufmarsch berichten.

Also lautet meine Frage, Frau Bundesministerin:

107/M

„Wie viele Journalisten und Journalistinnen wurden anlässlich der Gegendemonstration zur PEGIDA-Demonstration in Wien am 2.2.2015 wegen ‚Verhinderung oder Störung einer Versammlung‘ (§ 285 StGB) durch die Polizei angezeigt?“

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner: Herr Abgeordneter, wie Sie wissen, ist es die Aufgabe der Polizei, sowohl Versammlung als auch Gegenver­sammlung und Unbeteiligte bestmöglich zu schützen, und es werden vorher Lagebilder erstellt und konkrete Maßnahmen festgelegt. Ja, auch dieser Kessel, von dem Sie ge­sprochen haben, ist gebildet worden.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 33

Im Zusammenhang mit dieser Demonstration am 2. Februar in Wien wurden der Staatsan­waltschaft keine Personen gemäß § 285 StGB angezeigt, aber von der Polizei wurden bei 456 Personen Identitätsfeststellungen gemacht, ganz nach der gesetzlichen Grundla­ge, nach § 118 Strafprozeßordnung. Diese Identitätsfeststellungen wurden der Staatsan­waltschaft zur rechtlichen Überprüfung übergeben. (Zwischenruf des Abg. Steinhauser.)

Aufgrund unserer Informationen wissen wir, dass sechs Personen mit Presseausweis dabei waren und vier weitere Personen, die aufgrund unserer Information dem Kreis der Journalisten zuzuordnen sind. Bis dato wurden seitens der Staatsanwaltschaft Wien keinerlei Aufträge zur Einvernahme erteilt.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Frau Bundesministerin, ein bisschen kennen wir uns schon, wir können da ja ganz offen reden. (Ironische Heiterkeit bei der ÖVP. – Abg. Lopatka: Das ist gefährlich!)

Wenn die Polizei die Identität bei einer Versammlung feststellt, im Zusammenhang mit welcher behauptet wird, dass sie gestört worden ist, und das der Staatsanwaltschaft übergibt, dann ist das eine Anzeige, und diese Anzeigen liegen jetzt auch der Staats­anwaltschaft vor.

Sie sagen, Sie wollen mit Ihren Beamten und Beamtinnen die Leute dort schützen, was ja sehr lobenswert ist. (Zwischenruf des Abg. Hübner.) Es wundert mich allerdings, dass man Journalistinnen und Journalisten bei der Ausübung ihrer Arbeit dadurch schützt, dass man ihre Identität feststellt und sie anzeigt!

Das geht jetzt aber noch einen Schritt weiter, und daher lautet meine Zusatzfrage: Sie planen, jetzt neu im Staatsschutzgesetz den sogenannten „verfassungsgefährdenden Angriff“ ins österreichische Rechtssystem einzuführen. Wenn ein solcher befürchtet wird, dann ist unser Verfassungsschutz, also die Staatssicherheit, verpflichtet, die be­treffenden Personen zu beobachten und zu überprüfen. Genau darum das geht es! (Abg. Lopatka: Zeit! – Abg. Wöginger: Das soll jetzt keine Rede sein!)

Warum bereiten Sie ein Gesetz vor, gemäß welchem aufgrund der polizeilichen Praxis und Ihrer Praxis davon auszugehen ist, dass Journalistinnen und Journalisten im Zu­sammenhang mit dem sogenannten verfassungsgefährdenden Angriff überwacht wer­den? (Abg. Walter Rosenkranz: Schauen Sie auf die Uhr!)

Können Sie ausschließen, dass Journalistinnen und Journalisten in Zukunft wegen die­ses Paragraphen überwacht werden?

 


Präsidentin Doris Bures: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner: Kurz noch zu dieser PEGIDA-Versammlung und der Gegenversammlung: Wir wissen, dass die diesbezüg­liche Rechtslage unklar ist, und vor allem deswegen hat die Polizei die Staatsanwalt­schaft gebeten, eine entsprechende Prüfung vorzunehmen, weil eben die Rechtslage unklar ist. Ich bitte um Verständnis und das Ergebnis abzuwarten.

Zu Ihrer Frage betreffend Staatsschutz: Ich glaube, es braucht keiner – und das gilt auch für Journalistinnen und Journalisten – Sorge zu haben, aus Jux und Tollerei über­wacht zu werden. Wie Sie wissen, ist es uns bei jeder Befugnis wichtig und ist es vor allem auch notwendig und festgeschrieben, dass in diesem Zusammenhang vor allem das Einverständnis des Rechtsschutzbeauftragten vonnöten ist, das auch mit mehr Befugnissen und mehr Rechtsschutz einhergeht.

Das heißt, dass hier die Betroffenen, vor allem, wenn sich der Verdacht nicht erhärtet beziehungsweise als null und nichtig herausstellt, umfassend über die einzelnen Maß­nahmen informiert werden: Was ist passiert? Wie lange standen sie im Fokus? Und sie haben dann natürlich auch Rechtschutzmittel zur Verfügung.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 34

Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen nunmehr zur 11. Anfrage, 100/M, das ist jene des Herrn Abgeordneten Plessl. – Bitte.

 


Abgeordneter Rudolf Plessl (SPÖ): Sehr geehrte Präsidentin! Geschätzte Innenmi­nisterin! Im Zeitraum 2000 bis 2006 wurden über 3 000 Dienstposten bei der Polizei abgebaut. Das hat sich natürlich ausgewirkt: 1999 lag bei 500 000 angezeigten Strafta­ten die Aufklärungsrate bei 51 Prozent, 2005 bei über 600 000 angezeigten Straftaten bei unter 40 Prozent.

Es gab eine Zerstörung der funktionierenden Polizeistrukturen hinsichtlich Kriminalität, die Zahl der Beamten, insbesondere von Spezialisten, wurde reduziert. Das System Strasser wollte damals Generalisten und nicht Spezialisten.

Wir haben schon einigen Umständen entgegengewirkt und die Situation verbessert. 2008 haben wir 1 000 Dienstposten mehr geschaffen, 2013 noch einmal 1 000 Dienst­posten.

Neben den Personalerhöhungen muss der Polizei aber auch das notwendige Rüst­werkzeug gegeben werden, und daher meine Frage:

100/M

„Was haben Sie unternommen und was werden Sie in Zukunft unternehmen, um un­seren Polizistinnen und Polizisten die modernsten Mittel zur Verfügung zu stellen, um Kriminalität wirksam zu verhindern und aufklären zu können?“

 


Präsidentin Doris Bures: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner: Herr Abgeordneter, ich möchte mich hier nicht wiederholen, aber gerade bei der Beantwortung einer der letz­ten Fragen habe ich ganz klar skizziert, dass die Kriminalität in den letzten Jahren massiv zurückgegangen ist, und zwar vor allem im „long run“ der letzten zehn Jahre. Wir verzeichnen jetzt einen neuen Tiefstand im Bereich der Gesamtkriminalität, näm­lich eine Reduktion um 3,4 Prozent bei einer österreichweiten Aufklärungsquote von mehr als 43 Prozent.

Selbstverständlich braucht es, um das Sicherheitsniveau aufrechtzuerhalten, nicht nur personellen Einsatz, sprich Generalisten und Spezialisten, und zwar immer mehr Spe­zialisten. Deswegen geht die Ausbildung auch in Richtung Spezialistentum.

Es ist aber vollkommen richtig, dass natürlich auch modernstes Equipment erforderlich ist. Deswegen werden wir auch in Zukunft in modernes Equipment investieren wie etwa in moderne Ermittlungstechnologie, in moderne IT-Systeme, in body-worn Kameras be­ziehungsweise in neue Leitsysteme, um nur einige Beispiele zu nennen.

Diesbezüglich ist alles in Vorbereitung, was die Ausschreibung und das Budget betrifft. Das heißt, wir sind hier auf einem guten Weg und werden diese Anschaffungen, die im modernen Zeitalter letztendlich wichtig und notwendig sind, auch durchführen.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte.

 


Abgeordneter Rudolf Plessl (SPÖ): Meine Zusatzfrage betrifft den Bereich Blaulicht­funk. Es ist sehr wichtig, ein einheitliches Blaulichtfunksystem in Österreich zu errich­ten. Das ist ein sehr wichtiger Bestandteil, damit die Blaulichtorganisationen unterein­ander kommunizieren können. Der Einstieg 2002 mit der Vergabe an master-talk durch Bundesminister Strasser war – wie ich jetzt einmal sagen möchte – holpertatschig. We­nige Monate später gab es ein Schlichtungsverfahren, und es sind über 180 Millionen €


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 35

hier im Raum gestanden. Es gab einen Vergleich mit master-talk, und es wurden 30 Mil­lionen € von der Republik gezahlt.

2004 wurde eine Neuvergabe an ein Konsortium aus Motorola, Alcatel und Telekom Austria durchgeführt, und bereits 2004 ist Bundesminister Strasser zurückgetreten.

Sie haben hier selbst 2011 eine Sonderprüfung durch den Rechnungshof eingeleitet, und 2012 hat es einen Untersuchungsausschuss zu diesen Themen gegeben.

Wir sind jetzt noch bis zum heutigen Zeitpunkt mit diesem Thema beschäftigt. Es gibt Schmiergeldzahlungen: Mensdorff-Pouilly und 4,4 Millionen stehen da im Raum, wo die Staatsanwaltschaft Wien tätig ist.

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter, würden Sie bitte die Frage formulieren!

 


Abgeordneter Rudolf Plessl (fortsetzend): Meine Frage lautet: Wie ist der Stand des Ausbaus des Behördenfunks in Österreich? Welche Länder sind dabei, und welche Kosten sind zu erwarten? Es werden dann Kosten von zirka einer Milliarde € hier an­gesprochen.

 


Präsidentin Doris Bures: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner: Herr Abgeordneter, Sie ha­ben völlig recht, wenn Sie sagen: Es war ein schwieriger Start! – Es war deswegen ein schwieriger Start, weil Österreich der erste Mitgliedstaat in Europa war, der sich zum Digitalfunk bekannt hat. Es gab damals viele anfängliche Probleme. Heute wissen wir, dass der Digitalfunk ganz einfach wichtig und notwendig ist und bestens funktioniert. Nicht nur die Polizei profitiert von diesem Digitalfunk, sondern alle Blaulichtorganisa­tionen profitieren davon, und jeder, der über diesen Blaulichtfunk verfügt, weiß, dass er bestens funktioniert.

Wann wollen wir fertig sein? – Je früher, umso lieber. Unser Ziel für die Fertigstellung ist Ende 2018. In drei Ländern im Osten sind wir bereits fertig. Ausständig ist jetzt vor allem noch Vorarlberg, worüber die Gespräche laufen, und auch bezüglich Salzburg und Oberösterreich führen wir intensive Gespräche. (Präsidentin Bures gibt das Glo­ckenzeichen.)

Die größte Problematik stellt Kärnten dar, weil das natürlich eine große Finanzierungs­frage ist, aber wir werden alles Mögliche tun, um die Umsetzung österreichweit voran­zubringen, und zwar lieber heute als morgen.

Die Gesamtkosten habe ich jetzt im Detail nicht zur Hand. Sie sind aber in zahlreichen parlamentarischen Anfragen nachzulesen, beziehungsweise reiche ich Ihnen diese auch gerne nach.

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen nunmehr zur 12. Anfrage, 105/M, das ist jene der Frau Abgeordneten Himmelbauer. – Bitte.

 


Abgeordnete Eva-Maria Himmelbauer, BSc (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundes­ministerin! Verfolgt man die mediale Berichterstattung, so bekommen vor allem Fälle von Cyber-Kriminalität, aber auch gezielte Cyber-Angriffe immer mehr Präsenz und Be­achtung, was einerseits auch zu einer Bewusstseinssteigerung führt, andererseits aber vor allem auch aufzeigt, wie angreifbar Unternehmen, Private, aber auch öffentliche Ein­richtungen sind.

Die Übernahme des französischen TV-Senders TV5Monde durch IS-Hacker ist nur ein Beispiel dafür. Aber auch Fälle wie Datendiebstahl, Datenmanipulation, Lahmlegen ge­samte Firmennetzwerke, Identitätsdiebstahl und die Einbringung von Schadsoftware sind eine große Gefahr.

Daher meine Frage:


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 36

105/M

„Welche Maßnahmen setzen Sie, sehr geehrte Frau Bundesministerin, gegen die Cy­berangriffe, über welche in letzter Zeit auch in den Medien berichtet wurde?“

 


Präsidentin Doris Bures: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner: Unser aller Leben spielt sich nicht nur in der realen Welt ab, sondern auch in der digitalen Welt, und zwar so­wohl beruflich, aber auch privat. Deswegen kommt zu Recht dem gesamten großen Thema Cyber-Sicherheit immer mehr Bedeutung zu, und deswegen bin ich auch froh, dass sich die gesamte Bundesregierung auf eine sogenannte Cyber-Sicherheitsstra­tegie verständigt hat. Diese Strategie haben wir im Ministerrat beschlossen, und diese gilt es jetzt umzusetzen.

Hier auch ein Danke für die wirklich gute Kooperation mit dem Bundeskanzleramt, mit dem Verteidigungsministerium und mit den anderen Ministerien. Wir sind da auf einem guten Weg.

Was haben wir gerade im Bereich der Cyber-Kriminalität geschaffen? – Eben unser C4, das Cybercrime-Kompetenzzentrum, und es geht damit weiter, dass wir eine eige­ne Stelle im Bundesamt für Verfassungsschutz und Prävention zum Thema „Schutz kritischer Infrastruktur“ eingerichtet haben, und wir stehen im Hinblick darauf im engen Dialog auch mit der Wirtschaft, mit der Industrie und mit der Wissenschaft.

Darüber hinaus ist es wichtig, eine Art Cyber-Sicherheitszentrum zu gründen, um eine Plattform für das Innenministerium, die Verteidigung und alle anderen Stakeholder zu schaffen, um Angriffe rasch erkennen und auch abwehren zu können.

Eine unserer größten Herausforderungen, die wir derzeit angehen, ist ein sogenanntes Cyber-Sicherheitsgesetz, weil wir wissen, dass die derzeitige rechtliche Situation nicht ausreicht. Und es ist natürlich eine Herausforderung vor allem für die Legisten, ein fle­xibles Gesetz für diesen Bereich zu schaffen, weil uns natürlich die technologische be­ziehungsweise digitale Entwicklung rasch überholen kann.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte.

 


Abgeordnete Eva-Maria Himmelbauer, BSc (ÖVP): Ich möchte noch einen Schritt zurückgehen und hinterfragen, von welchem Ausmaß und welcher Entwicklung wir in diesem Bereich sprechen. Deswegen auch meine Frage: Wie entwickelt sich die Cy­ber-Kriminalität in Österreich?

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Frau Ministerin.

 


Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner: Wie hat sich die Cyber-Kriminalität in den letzten Jahren entwickelt? – Gerade in den letzten Jahren hatten wir immer wieder massive Steigerungen, und zwar sogar bis zu 150 Prozent. Im Hinblick auf das Jahr 2014 können wir erstmals von einem Rückgang im Bereich der Cyber-Kri­minalität sprechen, und zwar von einem Rückgang von 11 Prozent bei den Anzeigen. Das ist meines Erachtens auch darauf zurückzuführen, dass seitens der Bevölkerung bereits mehr Sensibilität da ist, man vorsichtiger damit umgeht und hier sowohl seitens der Unternehmungen als auch seitens der Privaten auch sehr viele Schutzmaßnahmen gesetzt worden sind.

Die Bekämpfung von Hacking ist aber natürlich für uns eine ganz große Herausfor­derung. Im Bereich Hacking haben wir einen Anstieg von mehr als 73 Prozent zu ver­zeichnen. Das heißt, hier haben wir noch sehr viel zu tun, da gilt es, noch entspre­chende Maßnahmen zu setzen.

Das heißt, es sind in diesem Bereich weiterhin Sensibilisierung und vor allem Präven­tion vonnöten, wobei die Prävention nicht nur im Bereich der Wirtschaft ansetzen


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 37

muss, sondern wir mit der Prävention bereits bei unseren Jugendlichen beginnen müs­sen. Diesbezüglich befinden wir uns in einem guten Zusammenspiel mit dem Unter­richtsministerium, wo wir mit unseren Präventionsbeamten direkt vor Ort sind bezie­hungsweise auch Lehrerinnen und Lehrer schulen.

 


Präsidentin Doris Bures: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Weninger.

 


Abgeordneter Hannes Weninger (SPÖ): Guten Morgen, Frau Präsidentin! Frau Bun­desminister, Sie haben vorhin die Cyber-Sicherheitsstrategie der Bundesregierung an­gesprochen und auch betont, dass derzeit mehrere Ministerien mit diesem Projekt be­schäftigt sind.

Meine Frage dazu: Was halten Sie vom Projekt eines eigenständigen Bundesamtes für Cyber-Sicherheit, um die Koordination noch zu verbessern?

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Frau Ministerin.

 


Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner: Herr Abgeordneter, ich habe zuvor schon angesprochen, dass wir derzeit an einem Cyber-Sicherheitsgesetz arbeiten. Eine der Grundlagen dieses Cyber-Sicherheitsgesetzes ist sicherlich auch die sogenannte NIS-Richtlinie, die derzeit auf europäischer Ebene erarbeitet wird. Diese Richtlinie wird im Herbst fertiggestellt sein, und gerade diese NIS-Richtlinie besagt auch, dass in diesem Zusammenhang die Einrichtung einer oder mehrerer zuständigen Behörden oder sogenannter Single Points of Contact vonnöten ist.

Wie Sie wissen, haben wir schon einiges getan. Wir haben hier bereits eine eigene Stelle für den Schutz kritischer Infrastruktur eingerichtet. Wir sind dabei, ein Cyber-Si­cherheitszentrum sowie eine Twentyfour-Seven-Meldestelle einzurichten.

Das heißt, wir wären eigentlich gerüstet, um derartige Aufgaben zu übernehmen, aber wir werden auch in den nächsten Monate weiterhin intensive Gespräche führen. Das Innenministerium wäre auf alle Fälle gewappnet, die gesamte Koordinierung und vor allem auch Bündelung zu übernehmen.

 


Präsidentin Doris Bures: Da alle Anfragen zum Aufruf gelangt sind, erkläre ich die Fragestunde für beendet.

Danke vielmals, Frau Bundesministerin. (Beifall bei der ÖVP.)

10.14.49Einlauf und Zuweisungen

 


Präsidentin Doris Bures: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Ausschuss für innere Angelegenheiten:

Fremdenrechtsänderungsgesetz 2015 – FrÄG 2015 (582 d.B.)

Verfassungsausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Neuordnung der Rechtsverhältnisse der Österreichischen Bundesbahnen (Bundesbahngesetz) geändert wird (584 d.B.)

Dienstrechts-Novelle 2015 (585 d.B.)

*****


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 38

Behandlung der Tagesordnung

 


Präsidentin Doris Bures: Es ist vorgeschlagen, die Debatte über die Punkte 1 bis 5, 6 bis 8, 9 bis 12, 14 bis 21 sowie 22 bis 25 der Tagesordnung jeweils zusammenzu­fassen.

Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Das ist nicht der Fall.

10.15.24Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 3443/AB

 


Präsidentin Doris Bures: Vor Eingang in die Tagesordnung teile ich mit, dass das ge­mäß § 92 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vorliegt, eine kurze Debatte über die Beantwortung 3443/AB der Anfrage 3604/J der Abgeordneten Dr. Walter Rosen­kranz, Kolleginnen und Kollegen betreffend durchschnittliche Bildung durchschnittlicher Zuwanderer durch den Herrn Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres ab­zuhalten.

Diese kurze Debatte findet gemäß § 57a Abs. 4 der Geschäftsordnung nach Erledi­gung der Tagesordnung, jedoch spätestens um 15 Uhr statt.

10.16.08Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 3332/AB

 


Präsidentin Doris Bures: Weiters teile ich mit, dass das gemäß § 92 der Geschäfts­ordnung gestellte Verlangen vorliegt, eine kurze Debatte über die Beantwortung 3332/AB der Anfrage 3489/J der Abgeordneten Mag. Bernd Schönegger, Kolleginnen und Kol­legen betreffend die geplanten Einsparungen von 200 Millionen € durch den Herrn Bun­desminister für Landesverteidigung und Sport abzuhalten.

Da für die heutige Sitzung bereits eine kurze Debatte über eine schriftliche Anfragebe­antwortung verlangt wurde, wird diese im Anschluss daran stattfinden.

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Wir gehen in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung

 


Präsidentin Doris Bures: Zwischen den Mitgliedern der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer der Debatten erzielt. Demgemäß wurde eine Tagesblockzeit von 8 „Wiener Stunden“ vereinbart, sodass sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ und ÖVP je 108 Minuten, FPÖ 100 Minuten, Grüne 84 Minuten sowie STRONACH und NEOS je 44 Minuten.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über die eben dargestellten Redezeiten.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Vorschlag zustimmen, um ein diesbezüg­liches Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

10.17.401. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (527 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, das Opferfürsorgegesetz, das Heeresversorgungsgesetz, das Verbrechensopferge-


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setz, das Behinderteneinstellungsgesetz sowie das Bundesbehindertengesetz ge­ändert werden, das Kriegsopfer- und Behindertenfondsgesetz aufgehoben und ein Bundesgesetz, mit dem eine Rentenleistung für Contergan-Geschädigte ein­geführt wird, erlassen wird (564 d.B.)

2. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 830/A(E) der Abgeordneten Mag. Helene Jarmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verlän­gerung der Dauer der Gewährung von Einstellungsbeihilfen lt. Behindertenein­stellungsgesetz (565 d.B.)

3. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 995/A(E) der Abgeordneten Mag. Helene Jarmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aner­kennung einer Schädigung durch Contergan/Thaliomid bereits ab Geburtsjahr­gang 1954 (566 d.B.)

4. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 375/A(E) der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Erweiterung des Personenkreises der entschädigungsberechtigten Tha­lidomid- bzw. Contergangeschädigten (567 d.B.)

5. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 508/A(E) der Abgeordneten Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend jährliche Wertanpassung des Pflegegeldes und der Freibeträge für behinderte Menschen, Mindestpension von 1 200 Euro und Pensionsanpassung in Höhe des Pensionis­tenpreisindex (568 d.B.)

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen nun zu den Punkten 1 bis 5 der Tagesord­nung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Es handelt sich hiebei um Berichte des Ausschusses für Arbeit und Soziales. Hinsicht­lich der einzelnen Ausschussberichte verweise auf die Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich begrüße Herrn Bundesminister Hundstorfer.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Belakowitsch-Jenewein. – Bitte.

 


10.18.10

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bun­desminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben zunächst ein Bundesgesetz zu behandeln. In diesem Bundesgesetz geht es im Konkreten darum, dass es hier Ver­waltungsvereinfachungen gibt. Dabei wird letztlich auch Empfehlungen des Rech­nungshofs gefolgt Das ist etwas, was wir begrüßen.

Es geht hier zum Beispiel auch darum, dass beispielsweise das Kriegsopfer- und Be­hindertenfondsgesetz aufgehoben wird und der Kriegsopfer- und Behindertenfonds auf-


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gelöst wird. – Wir wissen: Der Krieg ist schon lange vorbei. Es leben noch in etwa 15 000 Personen, die die Leistungen natürlich trotz allem weiterhin bekommen.

Ein weiteres Thema befasst sich mit den Opfern von Contergan. Diese bekommen jetzt eine Rente, vorausgesetzt dass sie nicht aus der Bundesrepublik Deutschland bezugs­berechtigt sind.

All diese Punkte sind durchaus zu begrüßen. Jetzt komme ich allerdings bereits zu et­was, was mich eher ein bisschen traurig stimmt. Wir werden dazu dann auch noch op­positionelle Anträge einbringen, nämlich etwa meinen beziehungsweise den Antrag der Kollegin Jarmer, in dem es um Menschen, die Opfer von Thalidomid sind, geht. Thali­domid ist der Wirkstoff des Medikaments Contergan. Diese Menschen haben aber nicht Contergan bekommen, sondern eben einen anderen Wirkstoff, und dass diese wieder außen vorgelassen werden ist sehr traurig und schade! Es handelt sich dabei nicht einmal um eine Handvoll in Österreich, es sind ganz, ganz wenige Personen.

Es gibt aktuelle Hinweise darauf, dass Thalidomid nicht in den fünfziger Jahren erst­mals synthetisiert wurde, sondern möglicherweise schon im Zweiten Weltkrieg als Che­miewaffe entwickelt worden ist.

Es ist daher nicht nachvollziehbar, dass, wenn Menschen durch ein und demselben Stoff erkrankt sind, eine Gruppe eine Entschädigung bekommt, weil sozusagen ein be­stimmtes Medikament dafür verantwortlich ist, weil das Kind quasi einen Namen haben muss, und eine andere Gruppe überhaupt nichts bekommt, obwohl genau dieselben Symptome auftreten und die Betroffenen auch schwer krank sind. Noch dazu gibt es nicht einmal wirklich viele Betroffene, es sind nicht Hunderte oder Tausende, die sich jetzt melden werden, sondern es sind wirklich nur einige, ganz, ganz wenige Einzelper­sonen in Österreich. Das finden wir schade.

Herr Sozialminister, Sie haben im Ausschuss gesagt, der Ball liege beim Gesund­heitsministerium, das das nicht meldet. Tatsache ist aber: Wir hätten auch im Sozial­ausschuss schon einmal ein Zeichen setzen und sagen können: Ja, wir nehmen diese Anträge an, wir schauen uns einmal an, wie viele Personen das überhaupt sind, was das kosten würde, was das überhaupt bedeuten würde. Das ist etwas, das mich traurig stimmt, das ich schade finde.

Daher: Ja, unsere Zustimmung zu dieser Regierungsvorlage bekommen Sie selbstver­ständlich, wir sind immer für Verwaltungsvereinfachungen, aber bei den Oppositions­anträgen, vor allem bei den Contergan-Anträgen, hätte ich mir mehr erwartet. (Beifall bei der FPÖ sowie der Abg. Jarmer.)

10.21


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Kö­nigsberger-Ludwig. – Bitte.

 


10.21.15

Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zu diesem – so möch­te ich es bezeichnen – großen sozialpolitischen Erfolg, den wir heute durch die nun fol­gende Beschlussfassung mit großer Mehrheit erzielen werden, ein paar Worte sagen. Ich denke, dass die Inhalte dieser Regierungsvorlage, die wir nun umsetzen, nicht nur eine Verwaltungsvereinfachung herbeiführen, sondern vor allem den Menschen tat­sächlich etwas bringen werden.

Sie haben es angesprochen, Frau Kollegin Belakowitsch-Jenewein, es gibt diese Ver­einfachung, indem die Zusatzleistungen zu einer monatlichen Rente zusammengefasst werden. Das ist positiv. Zusätzlich gibt es auch die jährliche Valorisierung. Ich denke, das ist auch ganz positiv und wird den betroffenen Menschen auch ein Mehr an Un­terstützungsleistung bringen.


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Weiters wird es bei den einkommensabhängigen Leistungen keine Neubemessung mehr geben, wenn einmal ein Leistungsanspruch besteht. Das ist eine wichtige Errun­genschaft, die dennoch gewährleistet, dass bei einkommensunabhängigen Leistungen, das heißt bei Zulagen, die den Gesundheitsbereich betreffen, sehr wohl auch Ver­schlimmerungsanträge eingebracht werden können, damit es dann auch Verbesserun­gen für die betroffenen Menschen geben kann. – Ich denke, das ist ein guter Punkt in dieser Regierungsvorlage.

Der zweite Bereich in dieser Regierungsvorlage betrifft das Kriegsopfer- und Behinder­tenfondsgesetz. Dieser Fonds wird aufgehoben, die Mittel werden aber den anspruchs­berechtigten Personen weiterhin zur Verfügung stehen. Das heißt, auch hier gibt es keine Verschlechterung. Im Gegenteil! Die Leistungen werden aufrechterhalten, und es wird wirklich zu einer Vereinfachung in der Verwaltung kommen.

Der dritte Verhandlungspunkt, den Sie, Frau Kollegin Belakowitsch-Jenewein, auch an­gesprochen haben, ist die Contergan-Entschädigung. Ich möchte das eigentlich schon auch als sehr großen Erfolg verbuchen dürfen, den wir durchaus „gemeinsam“ – unter Anführungszeichen – feiern können, vor allem auch die vielen Contergan-geschädigten Menschen, die ja mit vielen von uns in den letzten Jahren immer in Kontakt gewesen sind, auch mit dem BMG, auch mit Herrn Bundesminister Hundstorfer. Wir werden heu­te tatsächlich eine monatliche Rente für 25 Menschen beschließen. Das sollten wir nicht schlechtreden, das ist ein wirklich schöner Erfolg.

Viele dieser Menschen haben auch eine Einmalleistung vom Bundesministerium für Gesundheit in der Höhe von rund 63 000 € bekommen. Ich denke, auch das ist ganz wichtig gewesen, dass das umgesetzt worden ist. Und heute beschließen wir eben die­se monatliche Rente in der Höhe von rund 430 bis 450 €. Ich denke schon, dass das ganz, ganz wichtig ist, und möchte mich bei den vielen AktivistInnen der Contergan-Bewegung bedanken, denn ihre Beharrlichkeit, möchte ich sagen, hat sicher auch dazu geführt, dass die Politik das heute umsetzt. Deswegen an diese alle ein herzliches Dan­keschön. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Kritik, Frau Belakowitsch-Jenewein, die Sie angebracht haben, kann man natürlich durchaus aufnehmen und darüber sprechen, und wir haben auch darüber gesprochen. (Abg. Kitzmüller: Nicht nur besprechen, tun müssen Sie auch etwas!) Das Argument von Sozialminister Hundstorfer ist eben, dass das Sozialministerium keine Kausalitäts­beurteilung im medizinischen Bereich durchführt, deswegen ist diese Rente angelehnt an die Erhebungen des Bundesministeriums für Gesundheit und deswegen sind jetzt – unter Anführungszeichen – „nur“ 25 Menschen von dieser Rente tatsächlich betroffen. Schauen wir, ob wir weiterreden können!

Jetzt ist es so, dass für diese 25 Menschen, die die Einmalentschädigung erhalten ha­ben, heute auch die Rente beschlossen wird, und ich freue mich, dass wir das doch mit einer großen Zustimmung gemeinsam tun werden. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

10.24


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Jar­mer. – Bitte.

 


10.25.00

Abgeordnete Mag. Helene Jarmer (Grüne) (in Übersetzung durch einen Gebärden­sprachdolmetscher): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte gleich anknüpfen an die Regierungsvorlage, die derzeit in Diskussion steht, und zwar zu der Thematik Conter­gan-Opfer. Frau Kollegin Dr. Belakowitsch-Jenewein hat bereits einiges erwähnt, und auch ich möchte noch etwas dazu ausführen. Dass das ein Erfolg ist, wie die SPÖ be­hauptet, kann ich bezweifeln. Seit sechs Jahren, seitdem ich im Parlament bin, gibt es


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bereits Anträge von uns Grünen, was diese Thematik betrifft, und nach sechs Jahren bekommt diese kleine Personengruppe endlich das Recht, das ihr zusteht. Ja, es ist toll, aber so toll ist es nicht. Warum hat das so lang gedauert?

Zweitens: Unser Antrag und der Antrag von Frau Kollegin Dr. Belakowitsch-Jenewein wurden abgelehnt. Es geht zum einen um die Contergan-Opfer, die anerkannt wurden, und auf der anderen Seite um die Thalidomid-Opfer, also die Opfer jenes Wirkstoffes, der schon eingesetzt wurde, noch bevor es das Medikament gab. Wir sprechen hier von einer Handvoll Menschen, die nicht anerkannt werden, weil der Antrag abgelehnt worden ist. Im Ausschuss hat der Herr Sozialminister gesagt, das sei kein Problem, und uns zugesichert, dass diese Personen auch anerkannt werden. – Das war im Aus­schuss. Ich hoffe, Sie werden das heute auch hier noch einmal öffentlich bekannt ge­ben. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Hundstorfer.) – Doch, das wurde er­wähnt.

Es ist so, dass jetzt 25 Personen anerkannt werden, sechs Personen nicht. Das ist in einer Demokratie nicht so, das ist nicht fair, das ist nicht gerecht diesen Menschen ge­genüber.

Ich möchte noch erwähnen, dass ich einen Abänderungsantrag einbringen werde, den ich, bevor ich ihn verlese, etwas ausführen möchte.

Natürlich ist es gut, dass nun die Frist zur Feststellung des Grades der Behinderung von zwei Monaten auf zwölf Wochen verlängert wurde. – Ein positiver Schritt, das kann man begrüßen, aber dazu ein Beispiel: Eine Person hat einen Unfall, erwirbt eine Be­hinderung, geht zum Sozialministeriumservice, wird von Sachverständigen untersucht und kontrolliert und bekommt einen Bescheid über so und so viel Prozent Grad der Be­hinderung. Anschließend kommt man drauf, nein, der Grad der Behinderung ist zu niedrig angesetzt, und möchte einen Antrag auf Erneuerung der Bewertung stellen, möchte eventuell eine Beschwerde in zweiter Instanz, beim Bundesverwaltungsgericht, einbringen und seine Unterlagen und Beweise dort vorlegen. Das ist nicht mehr mög­lich, denn innerhalb von zwölf Wochen darf man zwar eine Neuerung angeben, aber man darf beim Bundesverwaltungsgericht keine Beweismittel mehr vorlegen.

Das wurde abgeschafft, und deswegen möchte ich folgenden Abänderungsantrag ein­bringen:

Der Nationalrat wolle beschließen, den Antrag zur eingebrachten Regierungsvorlage wie folgt zu ändern:

„4. In Artikel 6 Z 1 entfällt in § 46 der Satz ,In Beschwerdeverfahren vor dem Bundes­verwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht wer­den.‘“ – Dieser Satz muss weg.

Wir Grünen werden grundsätzlich zustimmen, wünschten aber diese Änderungen.

Ich möchte auch eine Antwort auf meine Frage, die ich Bundesminister Hundstorfer ge­stellt habe, ob er das im Ausschuss Gesagte hier auch öffentlich bekannt geben wird. Es ist wichtig, dass alle Menschen, alle Opfer, die in diese Thematik eingebunden sind, ihr Recht bekommen. Ich hoffe, wir erreichen gemeinsam dieses Ziel. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

10.29


Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete Jarmer, Ihr Antrag, den Sie eingebracht haben, liegt mir schriftlich nicht vor. Ich werde die Sachlage, wenn der Antrag schriftlich vorliegt, mithilfe des Protokolls überprüfen und erst dann feststellen, ob er ordnungsge­mäß eingebracht ist.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Aubauer. – Bitte.

 



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10.29.48

Abgeordnete Mag. Gertrude Aubauer (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Geschätzte Frau Kollegin Jarmer, Tatsache ist, dass wir heute eine Rei­he von Verbesserungen beschließen; zum einen eine wichtige bei den Kriegsopferren­ten, wodurch die Verwaltung grundlegend reformiert und erheblich vereinfacht wird. Das ist genau der richtige Weg: mehr Leistung für Einzelne, Einzelne werden mehr Geld bekommen, weniger Verwaltung. Das ist für uns ein guter Weg.

Schön, dass wir heute über die Pensionen reden. Unser Ziel ist es, Österreich an die Spitze zu bringen, an die Spitze der Länder mit sicheren Pensionen! Es geht uns da­rum, die Pensionen für unsere Kinder und Enkelkinder zu erhalten und zu sichern.

In diesem Lichte nun zu einigen Anträgen der Opposition – ein Faktencheck:

Die Freiheitlichen fordern eine Mindestpension von 1 200 €. – Herr Kollege Neubauer, ich schätze Sie persönlich sehr, aber 1 200 €, das ist derzeit nicht finanzierbar! Genau dadurch würden wir die Sicherheit der Pensionen für die Enkel gefährden.

Was wollen wir? – Ältere müssen so lange wie möglich arbeiten dürfen, wie sie das selbst wollen und wie sie das können. Was wir brauchen, ist, dass alle in der Pension dazuverdienen dürfen und dass sie nicht noch einmal Pensionsversicherungsbeiträge zahlen, ohne daraus eine Leistung zu bekommen.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, schön, wenn alle Österreicher durch die Steuer­reform entlastet werden. Jeder soll mehr Geld im Börsel haben, auch die Pensionisten. Das ist uns ganz wichtig. Die genauen Pläne haben wir noch nicht schwarz auf weiß, doch sollten die Ausgleichszulagenbezieher von der geplanten Steuergutschrift ausge­klammert werden, so würde dies im überwiegenden Fall Frauen treffen. Dann könnte, wie schon bei der Teuerungsabgeltung 2008, ein Urteil des EuGH drohen. Damals sagte der Europäische Gerichtshof, der Gesetzgeber muss prüfen, ob eine Verkürzung durch seine Gesetze im überwiegenden Teil eines der Geschlechter trifft. Wenn ja – wie in diesem Fall –, sei dies laut EuGH eine indirekte Diskriminierung aufgrund des Geschlechts und daher nicht haltbar.

Ich bitte, auch mitzubedenken: Wollen wir gerade den Ärmsten unter den Pensionisten eine Gutschrift vorenthalten? Wir reden hier von 110 € im Jahr, und gerade Kleinstpen­sionisten brauchen wohl jeden zusätzlichen Euro.

Weiter im Faktencheck.

Es gibt einen Antrag, den Preisindex für Pensionistenhaushalte einzuführen. – Dieser liegt seit Jahren nur maximal 0,1 Prozent über der allgemeinen Teuerung. Das heißt, das bringt nicht viel.

Wir haben bessere, wirksamere Maßnahmen getroffen. Die Erhöhung des Pflegegelds hilft weit mehr. Die kommende Senkung des Eingangssteuersatzes hilft ganz entschei­dend mehr.

Daher, geschätzte Kolleginnen und Kollegen: Weniger Steuern zahlen, weniger Büro­kratie, künftige Pensionen sichern – so kommt Österreich wieder an die Spitze. Da ist viel zu tun, packen wir’s an! (Beifall bei der ÖVP.)

10.33


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Neu­bauer. – Bitte.

 


10.33.28

Abgeordneter Werner Neubauer (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehr­ter Herr Bundesminister! Das größte Ziel einer Sozialpolitik in Österreich müsste es ei­gentlich sein, dass man den Ärmsten der Armen wirklich jene Unterstützung zukom-


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men lässt, dass sie für sich ein würdevolles Leben gestalten können. Wir haben des­halb, wie Kollegin Aubauer schon angesprochen hat, einen Antrag eingebracht, der zum Ziel hat, eine Mindestpension in Höhe von 1 200 € zu ermöglichen, eine Pen­sionsanpassung nach dem Pensionistenpreisindex zu schaffen und endlich eine Wert­anpassung des Pflegegeldes zu erreichen. (Beifall bei der FPÖ.)

Es kann nicht sein, dass hier in diesem Haus von den Regierungsparteien immer von einer sozial gerechten Politik gesprochen wird, dann, wenn es um die Umsetzung geht, aber seit Jahren diese soziale Gerechtigkeit seitens der Bundesregierung zu vermissen ist. Es wurde beim Pflegegeld ein Realverlust von 30 Prozent seit 1995 nur in Etappen ganz geringfügig um jeweils 1, 2 Prozent adaptiert.

Wir haben die großartige Ankündigung der Bundesregierung vernommen, den Mindest­pensionisten 110 € als Ausgleich für die Negativsteuer zu gewähren. In der letzten So­zialausschusssitzung musste Herr Minister Hundstorfer bekennen: Auch diese 110 € werden nicht kommen! – Wieder einmal mehr wurden die Mindestpensionisten vor der Wahl an der Nase herumgeführt.

Herr Minister Hundstorfer, Sie sagen immer, wir haben das Geld nicht, wir können uns das nicht leisten, was die Freiheitlichen fordern. Ich werde Ihnen jetzt einiges über die Finanzierung und die Möglichkeiten sagen.

Es fehlt offenbar nur der Wille, diesen schwarz-roten Proporz in Österreich, die Pfründe endlich abzuschaffen. Das ist der wahre Grund dafür, dass das Geld fehlt. Ich werde Ihnen dazu einige Beispiele anführen. (Zwischenruf des Abg. Heinzl.)

Der Rechnungshof hat festgestellt, dass es bei der Oesterreichischen Nationalbank Generaldirektoren gibt, die im Jahr 545 000 € verdienen, meine Damen und Herren! Die Stellvertreter gehen immerhin noch mit 458 000 € nach Hause. Der Rechnungshof bemängelt, dass es keine Reformen gibt, dass Reformunwilligkeit herrscht und dass die Politik – und auch Sie, Herr Minister Hundstorfer, gehören dieser Regierung an, auch wenn Sie immer sagen, man soll sich damit an den Finanzminister wenden –, dass die Politik versagt, weil die gesetzlichen Initiativen nicht funktioniert haben. Sie haben nichts unternommen, um diesen Pfrund bei der Nationalbank endgültig abzustel­len. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Österreichischen Bundesbahnen – das hat Kollege Lopatka gestern schon er­wähnt –, die ÖBB verzeichnen ein Pensionsantrittsalter von derzeit 53 Jahren. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das bedeutet im Vergleich zum gesetzlichen Pen­sionsantrittsalter ein Minus von zwölf Jahren. Wenn die Finanzexperten nun sagen, dass man durch ein Jahr länger arbeiten dem Staat, dem Steuerzahler 1,3 Milliarden € einzusparen hilft, dann wäre allein durch eine entsprechende Reform bei den ÖBB die Finanzierung der Mindestpension von 1 200 € möglich. Schaffen wir das oder schaffen wir das nicht? Es liegt an Ihnen, Herr Bundesminister, diese Reformen auch dort end­lich umzusetzen!

In Wien gehen die Menschen immer noch mit 57 Jahren in Pension. Das bedeutet ein Minus von acht Jahren und einen Verlust von 10 Milliarden €, meine sehr geehrten Da­men und Herren! Und ganz signifikant für diese Politik, Herr Bundesminister, ist: Der Durchrechnungszeitraum von 40 Jahren Arbeit wird in Wien mit dem Jahr 2042 festge­legt. Alle anderen in Österreich haben einen vollen Durchrechnungszeitraum ab dem Jahr 2028. Das sind 14 Jahre – 14 Jahre legt sich die Stadt Wien auf die faule Haut. So kann es in Österreich nicht weitergehen! (Beifall bei der FPÖ.)

Sie sagen auch immer, Sie haben in Ihrem Ressort schon so viel im Verwaltungsbe­reich erledigt. Dazu zwei Beispiele aus dem Land Oberösterreich, meine sehr geehrten Damen und Herren!


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Es gibt einen Landesschulratspräsidenten, der der ÖVP angehört. Er verdient im Jahr 144 200 €, hat ein Dienstauto und hat Repräsentationskosten in Höhe von 20 000 €. Die Stellvertreterin gehört natürlich der SPÖ an. Sie hat sage und schreibe 115 000 € Gehalt, ohne dass sie überhaupt einem Auftragsgebiet unterliegt. Das heißt, sie hat nichts zu tun, aber – man höre und staune! – sie darf in die Akten Einsicht nehmen. (Abg. Steinbichler: Wenn sie nicht geschwärzt sind!) 115 000 € für eine Akteneinsicht, und dazu hat sie noch zwei Sekretärinnen, die ihr bei dieser Akteneinsicht helfen, weil sie es offenbar allein nicht zuwege bringt. Da fragt man sich doch, wofür diese zwei Sekretärinnen überhaupt noch gut sind. (Abg. Lopatka: Kollege Neubauer! !)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Schaffen wir alle diese rot-schwarzen Pfrün­de ab, dann können wir uns eine Mindestpension von 1 200 € leisten (Beifall bei der FPÖ), dann können wir uns leisten, dass die Pensionisten diese 110 € Steuergutschrift bekommen, dann können wir uns leisten, dass die Pflegegelder endlich erhöht werden! Die Ärmsten der Armen in Österreich haben es sich verdient.

Diese Regierung haben wir uns nicht verdient! (Beifall bei der FPÖ.)

10.39


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminis­ter Hundstorfer. – Bitte, Herr Minister.

 


10.40.00

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte mich, bevor ich Herrn Abgeordnetem Neubauer ein paar Antworten gebe, mit einer Causa beschäftigen, bei der, wie ich weiß, sehr viel Emotionalität dahinter steckt, sehr viele Emotionen dabei sind. Wir alle kennen die Briefe von einem, der meint, er sei betroffen – und umgekehrt hat es sich die Republik aber auch nicht einfach gemacht.

Das Gesundheitsressort hat sich gemeinsam mit der deutschen Conterganstiftung über die letzten Jahre sehr intensiv bemüht, festzuhalten, wer unter die deutschen Bedin­gungen fällt und welche Österreicherinnen und Österreicher da betroffen sind. Ich mei­ne, wir dürfen annehmen, dass die deutsche Conterganstiftung wahrscheinlich die höchste Expertise in dieser Causa hat.

In dieser Causa wurde schon sehr oft entschieden, und Sie selbst – nicht Sie, Frau Belakowitsch-Jenewein, und auch nicht Frau Jarmer, aber der damalige Abgeordnete Markowitz – haben im Jahr 2013 schon eine entsprechende Antwort bekommen. Es gab auch bereits im Jahr 2012 eine parlamentarische Anfrage zu dieser Causa, wo in der Beantwortung, meine ich, ganz klar dargelegt wurde, was wir getan haben, wie wir das aufgearbeitet haben und wer in diesen Personenkreis hineinfällt.

Was wir heute beschließen, betrifft einen kleinen Kreis, denn: 45 Personen aus Öster­reich wurden damals hier anerkannt, von diesen 45 Personen bekommen 20 von der deutschen Conterganstiftung eine Rente. 25 Personen haben sie nicht bekommen, und diese 25 betrifft die heutige Beschlussfassung.

Alle 45 Personen haben aber eine Abschlagszahlung bekommen – ich weiß, Geld kann das überhaupt nicht reparieren, das ist völlig klar, aber sie haben immerhin einen sehr namhaften Eurobetrag als Abschlagszahlung bekommen. So leid es mir tut, vielleicht gibt es da oder dort jemanden, der das emotional nicht verstehen will, aber irgendwo muss man einen Strich ziehen.

Wenn die deutsche Conterganstiftung alle Untersuchungen, die auch in Österreich von einer sehr hochkarätigen Medizinergruppe – sie alle kennen die sogenannte Hengst­schläger-Kommission, benannt nach Professor Hengstschläger, der dieser vorgestan­den ist. Diese Kommission, welche sich die Arbeit ja nicht leicht gemacht hat, hat das


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ja nicht aus Jux und Tollerei gemacht. Die Kommission hat sich sehr ernsthaft und wis­senschaftlich bemüht, Dinge zu prüfen und Dinge klarzustellen. Ja, sie hat auch Men­schen abgelehnt und aus verschiedenen Gründen die Entscheidungen so getroffen, dass es diesen Personenkreis gab beziehungsweise die 25 Personen jetzt noch gibt.

Ich möchte Sie daher bitten und ersuchen, das auch so zur Kenntnis zu nehmen.

Frau Abgeordnete Jarmer, bezüglich des sogenannten Neuerungsverbotes: Ich denke, wir sind uns einig, jeder kann zu seinem Recht kommen. Wir haben die Frist ja ver­längert, das wird von allen gutgeheißen, und der Gang zum Verwaltungsgerichtshof ist überhaupt nicht versperrt. Sollte aber jemand bei dem Ganzen zusätzlich noch meinen, da sei jetzt noch etwas dazugekommen, dann muss man ein neues Verfahren begin­nen.

Herr Abgeordneter Neubauer, das, was Sie hier vortragen, ist vom Populismus her nicht zu überbieten. (Abg. Neubauer: Das tut weh!) – Nein, das tut überhaupt nicht weh. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Wenn Sie nämlich den Österreicherinnen und Öster­reichern einreden wollen, dass wir bei der Notenbank dem Herrn Gouverneur 200 000 € im Jahr wegnehmen, um damit 7 Milliarden € Mehrkosten zu finanzieren, und meinen, dass das die Österreicherinnen und Österreicher glauben, dann tun Sie mir leid. (Abg. Walter Rosenkranz: Das ist Ihre Millionärssteuer! – Abg. Kickl: Das ist lustig, was sich die Republik alles leisten kann und was nicht!)

Wenn Sie sich hier herstellen und unter anderem auch nicht zur Kenntnis nehmen wol­len, dass es ein Sonderpensionenbegrenzungsgesetz gibt, wodurch den alten in Pen­sion befindlichen Spitzenvertretern der Notenbank 25 Prozent der Pension gestrichen wurden, beziehungsweise wenn Sie meinen, dass das nichts ist, dann tun Sie mir auch leid. (Abg. Neubauer: Mitleid brauchen wir nicht!)

Und wenn Sie meinen, Sie müssten hier das alte Thema Stadt Wien immer aufrollen: Nehmen Sie bitte zur Kenntnis: Nur mehr 25 Prozent der Bediensteten der Stadt Wien sind „Pragmanen“. 75 Prozent der Bediensteten der Stadt Wien sind ganz normal ASVG-versichert wie alle anderen auch. (Abg. Kickl: Umso ungerechter!) Diese 25 Prozent Pragmatisierten sind auslaufend, haben keine Invaliditätspension, die Frau­en gehen mit 65 Jahren in Pension, haben keine Langzeitversichertenpension. (Zwi­schenruf des Abg. Kickl.)

Ich würde Sie bitten, schauen Sie sich einmal reale Zahlen an und erklären Sie hier nicht, dass 300 Pensionsantritte im Jahr, die aufgrund von Invalidität passieren, 7 Mil­liarden € finanzieren! (Abg. Neubauer: Sie erschöpfen sich in Selbstmitleid, sonst gar nichts!) Das ist nämlich das, was Sie hier fordern.

Sie fordern hier einen Mehraufwand pro Jahr von 7 Milliarden € allein bei den Pen­sionen, und Sie stellen sich hier ganz einfach her und meinen, dass das irgendjemand ernst nimmt. – Erstens.

Zweitens möchte ich zum Pflegegeld kommen. Das Pflegegeld wird in meiner Amtszeit zweimal valorisiert – als es eine Regierungsbeteiligung von Ihnen gab, ist es ein einzi­ges Mal valorisiert worden. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch-Jenewein. – Abg. Neu­bauer:  die Stufen hinaufgestellt, die Einstiegsstufen erhöht!)

Das Nächste ist: Sie wissen auch, dass wir 2011 den Pflegefonds eingeführt haben, um den Sachleistungsaufwand für die betroffenen Menschen abzufangen. Dieser Pfle­gefonds funktioniert, den Pflegefonds wird es weiter geben (Abg. Belakowitsch-Jene­wein: Bis wann? Der läuft aus!), und demzufolge ist das System sehr wohl abgesi­chert.

Wenn Sie wirklich meinen, den Österreicherinnen und Österreichern hier erklären zu müssen, dass das alles finanzierbar und möglich sei, noch einmal zum Mitschreiben:


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Allein dann, wenn man nur die Direktpensionen auf 1 200 € erhöht, sind das 7 Milliar­den € Mehraufwand pro Jahr. Wenn man die Mehrfachpensionen berücksichtigt und den Rest erhöht, sind es 9 Milliarden €, wenn man alle Pensionsleistungen erhöhen würde, wären es 12 Milliarden €.

Das erklären Sie den Österreicherinnen und Österreichern unter ernsthafter Politik! (Abg. Neubauer: Habe ich schon, Sie haben es offenbar nicht verstanden! Sie haben es nicht verstanden!) Das ist ganz einfach Populismus pur, es mit einer Neiddebatte zu versuchen. (Abg. Kickl: Da sind Sie Spezialist mit Ihrer Millionärssteuer!) Dass nämlich ein Generaldirektor einer Notenbank einen gewissen Betrag verdient, sollte sich, meine ich, auch in Ihren Breitengraden durchgesprochen haben – reden Sie mit ein paar In­dustriellen, die Ihnen nahestehen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Neu­bauer: Das sagt ein sozialistischer Bundesminister! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

10.47


Präsidentin Doris Bures: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abge­ordneter Heinzl zu Wort gemeldet.

Herr Abgeordneter, ich mache Sie auf die Geschäftsordnung aufmerksam. – Bitte.

 


10.47.51

Abgeordneter Anton Heinzl (SPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Herr Abgeordne­ter Neubauer hat zum wiederholten Male behauptet, die ÖBB-Bediensteten gingen durchschnittlich mit 53 Jahren in Pension. (Ruf bei der FPÖ: 52,8!) – 52,8 hat er nicht gesagt, er hat gesagt 53.

Ich berichtige tatsächlich: Der altersbedingte Durchschnitt der in Pension gehenden ÖBB-Bediensteten liegt bei 59,4 Prozent, und das ist nahe beim Durchschnitt der ASVG-Bediensteten von 60,8 Prozent. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Was sind „59,4 Prozent“? – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ, hören Sie endlich damit auf, die ÖBB-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter und -Bediensteten als Sozialschmarotzer zu be­schuldigen und zu bezeichnen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Neubauer: Das hat kein Mensch gemacht!)

10.48


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mu­chitsch. – Bitte. (Abg. Neubauer – in Richtung des Abg. Heinzl –: Eine peinliche Wort­meldung war das! – Abg. Heinzl: Alter, du kennst dich nicht aus!)

 


10.48.58

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Sehr ge­schätzter Herr Sozialminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mir war natür­lich bewusst, dass es mit der Rede des Kollegen Neubauer wieder eine Sondervor­stellung geben wird, was Populismus betrifft. (Zwischenruf des Abg. Walter Rosen­kranz.) Es ist richtig, wir sind jetzt in der Hauptsendezeit, in der die meisten den Fern­seher noch eingeschaltet haben, und da packt man wahrscheinlich das eine oder an­dere aus, um vielleicht zu punkten.

Bei aller Wertschätzung, werter Kollege Neubauer, und deiner Verantwortung als Se­niorensprecher in deiner Partei, Fakt ist: Ich habe den Eindruck – und ich muss das jetzt einfach loswerden –, dass versucht wird, mit deinen Ausführungen über eine ge­wisse Vergangenheitsbewältigung hinwegzukommen.

Fakt ist nämlich: Dort, wo wir der FPÖ leider in der Sozialpolitik die Verantwortung überlassen haben, kam es zu Leistungskürzungen. (Abg. Kickl: Wirklich?! Und das Kin-


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dergeld habt ihr auch schon abgeschafft!) Allein die Pensionsreform: Mit Erhöhung der Abschläge, mit Erhöhung des Durchrechnungszeitraums, mit Erhöhung und Erschwer­nis der Zugangskriterien habt ihr die Pensionen derartig gekürzt, dass wir jetzt noch daran nagen und sagen, wir wollen wieder das erreichen, was sich eigentlich die Ärms­ten der Armen verdienen. Und das ist das große Problem. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist dementsprechend mühsam, immer wieder zu verteidigen, in welchem Land wir leben; in einem Land, in dem wir ein Sozialsystem haben, auf das wir eigentlich stolz sein können, ob das das Pensionssystem ist oder auch das System des Pflegegeldes.

Die SPÖ hat in ihrer Regierungsverantwortung, als sie den Sozialminister gestellt hat, erstens das Pflegegeld eingeführt – es ist mit 1. Juli 1993 in Kraft getreten –, wodurch wir eine wesentlich bessere Regelung haben als alle anderen Länder auf dieser Welt, was das Pflegegeld mit der Direktleistung betrifft. Es gibt 1 655 € in der Pflegestufe 7 – in Deutschland sind es 700 €.

Wir wissen, 5,3 Prozent der Bevölkerung in diesem wunderschönen Land Österreich beziehen Pflegegeld – und vorher hat es nichts gegeben! In Deutschland – weil ihr uns immer wieder mit Deutschland vergleicht – sind es 3,2 Prozent. Da sind wir in diesem Sozialsystem gut aufgestellt. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir alle sind gefordert, dieses System aufrechtzuerhalten, auch in der Finanzierung. (Abg. Neubauer: Dagegen hat niemand etwas gesagt!) Das geht nicht mit Kürzungen, da sind wir nicht dabei, sondern es geht darum, zu sagen, wie wir es schaffen, unser Pensionssystem und auch ein Pflegesystem aufzustellen, bei dem die Finanzierung nicht kurzfristig, sondern langfristig gesichert ist. Alle Parteien sind aufgefordert, da mit­zutun. (Abg. Neubauer: Hat ja niemand etwas gesagt!)

Da muss man auch über die echten Pensionskosten reden, darüber, ob es wirklich fair ist, zu sagen: Da sind Leistungen drinnen, die mit einer direkten Pension nichts zu tun haben, aber wir finanzieren diese aus einem Pensionsbudget! – Knapp 4 Milliarden €, Krankenversicherungsbeiträge, Rehab-Geld und auch eine entsprechende Ausgleichs­zulage. Darüber muss man reden – dann schaut nämlich diese Statistik ganz anders aus.

Fakt ist, ohne jetzt populistisch zu werden (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Das kannst du gar nicht!): Wir sind in Europa mit unserem System eindeutig der Europameister, und es ist eine riesige Herausforderung, das zu halten. Und das ist der Auftrag!

Geschätzter Kollege Neubauer, Sie haben nicht gesagt, dass die Pensionsanpassung 2015 1,7 Prozent beträgt, dass die Ausgleichszulage erhöht wird, dass wir das Pflege­geld mit 1. Jänner 2016 um 2 Prozent erhöhen. (Abg. Neubauer: Ich habe zu meinem Antrag gesprochen!)

Der Antrag, den Sie hier einbringen, ist ein Wunschkonzert – das ist populistisch und nicht realistisch, was uns nach wie vor unterscheidet. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Unser großes Ziel ist es, dieses Sozialsystem aufrechtzuerhalten und Leistungen nicht zu kürzen. Das Ergebnis Ihrer Regierungsbeteiligung war, die Leistungen zu kürzen – das unterscheidet uns. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

10.53


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dopp­ler. – Bitte.

 


10.53.16

Abgeordneter Rupert Doppler (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Meine sehr ver­ehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Jährliche Wertanpassung beim Pflegegeld – immer wieder von der FPÖ gefordert, von Herbert Kickl, von Frau Dr. Belakowitsch-Jenewein, von unserem Präsidenten Hofer.


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Meine sehr verehrten Damen und Herren, es wird von dieser Bundesregierung immer wieder behauptet, wir seien eines der reichsten Länder. Nur: Wenn es um die eigenen Leute geht, um kranke Menschen, um ältere Menschen, spürt man vom Reichtum sehr wenig. (Beifall bei der FPÖ.) Im Gegenteil: Da wird gespart, dass mehr gar nicht geht.

80 Prozent der pflegebedürftigen Menschen werden zu Hause von Angehörigen ge­pflegt, bei denen ich mich hier an dieser Stelle ganz, ganz herzlich bedanken möchte. Ein riesengroßes Dankeschön an diese fleißigen Menschen! (Beifall bei der FPÖ, bei Abgeordneten der ÖVP sowie der Abg. Königsberger-Ludwig.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Minister! Der Zugang zu den Pflegestu­fen 1 und 2 wurde erschwert. Diese Bundesregierung von SPÖ und ÖVP sagt, dass das Pflegegeld erhöht wird. (Zwischenruf der Abg. Königsberger-Ludwig.) Sie sagt aber nicht dazu, dass das Pflegegeld erst ab 1. Jänner 2016 erhöht wird – erhöht um 2 Prozent. In der Pflegestufe 1 machen diese 2 Prozent 3 € aus. – Eine großartige Leis­tung!

Der Herr Minister hat uns mitgeteilt, das Beratungsangebot für Menschen wird ausge­baut. Nur: Dort wird ihnen mitgeteilt, dass sie keinen Anspruch haben. Auf diese Ver­besserung können die Menschen gerne verzichten!

Auch Kollege Werner Neubauer hat es angesprochen: Wenn auf dem Rücken jener Menschen gespart wird, die es notwendig brauchen, tragen wir Freiheitliche das sicher nicht mit. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

10.55


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wö­ginger. – Bitte.

 


10.55.27

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bun­desminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieses Gesetz bestätigt, dass diese Bundesregierung auch die Anliegen des Rechnungshofes ernst nimmt. Es wer­den hier einerseits Verwaltungsvereinfachungen in einem sehr wesentlichen Bereich umgesetzt, und andererseits beschließen wir ein Conterganhilfeleistungsgesetz.

Es wurde bereits ausgeführt, dass es da um 25 Anspruchsberechtigte geht, die es sich mehr als verdient haben, dass sie jetzt eine staatliche Rente erhalten, ab 1. Juli 2015 rund 426 € monatlich. Wichtig ist, dass es in diesem Bereich eine jährliche Valorisie­rung gibt. Insgesamt geht es hier um 45 Personen, die schon eine dauerhafte Unter­stützung erhalten haben mit einer Einmalzahlung von rund 62 000 €, und 25 Personen davon erhalten nun diese monatliche Rente.

Es ist aber wesentlich, dass auch die Administration in diesem Bereich vereinfacht wird: weniger Verwaltung insgesamt und in einigen Fällen sogar ein höheres Leis­tungsniveau.

Es gibt auch adaptierte Verfahrensregeln beim Bundesverwaltungsgericht für den Kreis der begünstigten Behinderten sowie für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Die Frist – und das ist wesentlich für Beschwerdevorentscheidungen – wird von acht Wo­chen auf zwölf Wochen verlängert.

Ein weiterer Punkt ist, dass der Kriegsopfer- und Behindertenfonds aufgelöst wird und die Mittel in den Unterstützungsfonds für Menschen mit Behinderung übertragen wer­den.

Insgesamt also eine sehr wichtige Maßnahme für den betroffenen Personenkreis, wo­für wir uns auch bei den Vertretern dieser Initiative ganz herzlich bedanken möchten, die da in unermüdlichem Einsatz für diese betroffenen Menschen sind. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)


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Meine Damen und Herren! Wir haben aber auch eine Reihe von anderen Anträgen, die da miterledigt werden, und ich möchte kurz zu zwei Thematiken Stellung nehmen. Das eine ist der Antrag der FPÖ, Herr Abgeordneter Neubauer hat das ja noch einmal er­läutert: 1 200 € Mindestpension, automatische jährliche Wertanpassung des Pflegegel­des und eine jährliche Pensionserhöhung nach dem sogenannten Pensionistenpreis­index. Meine Damen und Herren, das ist ein populistischer Antrag, wir reden hier von mindestens 10 Milliarden € – 10 000 Millionen!

Wir sind gerade dabei, eine Steuerreform mit einem Ausmaß von rund 5,2 Milliarden € zu beschließen, bei der sich die Gegenfinanzierung als mehr als schwierig erweist. Das heißt, das ist schlicht und einfach nicht machbar und unfinanzierbar.

Ich danke den anderen Oppositionsparteien dafür, dass sie hier nicht die Populismus­keule mitschwingen, denn wir dürfen den Menschen nicht etwas versprechen, was nicht umsetzbar und nicht haltbar ist. Wir haben hier in diesem Haus schon auch ein gewisses Maß an Verantwortung zu tragen, daher lehnen wir diesen Antrag ganz ent­schieden ab.

Zum Abschluss, Herr Kollege Neubauer, weil Sie den Proporz angesprochen haben (Ruf bei der ÖVP: Jetzt ist er wieder nicht da! – Ruf bei der SPÖ: Er ist in Pension gegangen!) – ich hoffe, es wird ihm ausgerichtet –: Kollege Neubauer hat die Abschaf­fung des Proporzes in Oberösterreich angesprochen, und ich darf hier einen Artikel aus den „Oberösterreichischen Nachrichten“ vom 3. März 2015 zitieren. (Zwischenruf des Abg. Steinbichler.)

Seit einigen Monaten wird diese Diskussion bei uns geführt, und es ist so – ich darf zi­tieren –: „Proporz-Ende: Chefs von SPÖ und FPÖ blocken ab.“

Haimbuchner wird zitiert: „Ohne Umschweife verteidigt wird das Proporzsystem von der FPÖ.“ (Abg. Walter Rosenkranz: In der Landesregierung!)

„Deren Landesparteichef Manfred Haimbuchner schlägt sogar vor, das Modell – wie in der Schweiz – auf die Bundesregierung auszudehnen. ‚Dann ist es nicht mehr möglich, die FPÖ auszugrenzen.‘“ (Abg. Kickl: Landesregierung, meine Güte!)

Und: „Ab einer gewissen Größe sollten Parteien aber Verantwortung übernehmen.“ – Zitatende.

Das heißt, er spricht sich eindeutig gegen die Abschaffung des Proporzsystems aus. (Abg. Walter Rosenkranz: Landesregierung, das ist etwas anderes! Da lacht er sogar selbst!) Aber dann soll sich hier nicht ein Abgeordneter der gleichen Freiheitlichen Partei aus demselben Bundesland herstellen und sagen, der Proporz soll abgeschafft werden! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Wir sind da gesprächsbereit, aber diese Doppelbödigkeit hat hier in diesem Hause nichts verloren! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

10.59


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ha­gen. – Bitte.

 


11.00.00

Abgeordneter Christoph Hagen (STRONACH): Frau Präsidentin! Herr Bundesminis­ter! Hohes Haus! Ich möchte zum Tagesordnungspunkt 3 betreffend Contergan-Ge­schädigte reden, einem Thema, das meiner Fraktion schon lange am Herzen liegt.

Herr Bundesminister! Ich habe etwas bei Ihrer Rede vermisst. Sie haben zwar immer in unsere Richtung geschaut, aber nicht erwähnt: Der ehemalige Abgeordnete des Teams Stronach Stefan Markowitz war der Erste, der zu diesem Thema immer Anträge einge-


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bracht hat (Bundesminister Hundstorfer: Das habe ich ja gesagt!) und der sich massiv für diese Contergan-Geschädigten eingesetzt hat. (Abg. Königsberger-Ludwig: Ihr hört alle nicht zu! Der Minister hat ihn namentlich erwähnt!) – Habe ich das überhört? (Bundesminister Hundstorfer: Das habe ich erwähnt!) Entschuldigung! Dann möchte ich das nur noch einmal festhalten und mich auch bei Stefan Markowitz bedanken, der hier aktiv geworden ist und mit Contergan-Geschädigten Kontakt aufgenommen hat. (Prä­zsident Kopf übernimmt den Vorsitz.)

Es freut mich, dass jetzt 45 Fälle eine Anerkennung bekommen haben. (Beifall beim Team Stronach.) Fünf weitere Fälle, die vor dieser 1954er-Frist liegen, die aber auch aus medizinischer Sicht – das weiß jeder, der sich damit befasst – unter diese Katego­rie fallen würden, sind noch offen, Herr Minister. Sie haben jetzt zwar gesagt, okay, das kann man angehen, die sollen noch einmal vorsprechen, aber ich appelliere jetzt an Sie, das Team Stronach appelliert an Sie, ich glaube, das ganze Parlament appelliert an Sie, Herr Bundesminister: Geben Sie sich einen Ruck, schauen Sie sich diese fünf Fälle noch einmal an, und erledigen Sie sie positiv! Ich glaube, dadurch wird die Repu­blik auch nicht untergehen; ich hoffe auf eine positive Erledigung. – Danke schön. (Bei­fall beim Team Stronach.)

11.01


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Keck. – Bitte.

 


11.01.51

Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Im Ausschuss für Ar­beit und Soziales wurden einige Gesetzesanträge diskutiert, die sich um Anpassungen oder Erweiterungen von Sozialleistungen beziehungsweise Sozialentschädigungen ge­dreht haben. Ein wichtiger Punkt, den ich auch als Mitglied des Gesundheitsaus­schusses für sehr zentral erachte, ist jener, der die Schaffung von Rentenleistungen für Contergan-Geschädigte fordert.

Dazu gibt es in der Regierungsvorlage folgende Regelung: Derzeit haben 25 Conter­gan-Geschädigte ohne Leistung aus Deutschland vom Bundesministerium für Gesund­heit zwar eine Einmalzahlung erhalten, ihr im zunehmenden Alter vermehrt auftreten­der Hilfsbedarf wird jedoch nicht entsprechend abgegolten. Es wird daher eine gesetz­lich geregelte Entschädigung für Contergan-Opfer geben. Dazu sind monatliche Ren­tenleistungen vorgesehen, die entsprechend einer Kriegsopferversorgungsgesetz-Ren­te gestaltet und an diese 25 Opfer ausbezahlt werden, die vom Bundesministerium für Gesundheit eine Einmalzahlung erhalten haben und nicht nach dem deutschen Conter­ganstiftungsgesetz anspruchsberechtigt sind.

Die Rentenleistung wird auf Basis der aktuellen Werte monatlich 425,80 € betragen, ei­ne entsprechende Valorisierung ist durch diese Regierungsvorlage auch gewährleistet. Zur Rentenleistung sollen zusätzlich wie in der Sozialentschädigung zwei Sonderzah­lungen gewährt werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich zum Abschluss noch etwas zu den finanziellen Auswirkungen der geplanten Leistungen im Sozialentschädigungs­paket sagen! All diese hervorragenden Maßnahmen werden laut Berechnungen des Ministeriums sehr überschaubare Mehrkosten verursachen. Diese Mehrkosten in der Höhe von etwa 100 000 € für das Jahr 2015 sowie zirka 200 000 € für die Folgejahre kommen aber direkt den Menschen zugute, die es am dringendsten bei uns in Öster­reich brauchen.

Sie sehen, meine Damen und Herren, die Regierung und insbesondere unser Sozial­minister Rudolf Hundstorfer, dem ich von dieser Stelle aus wirklich meinen großen Dank aussprechen möchte, setzen sich stets für eine Verbesserung der Rahmenbedin­gungen für alle, vor allem aber für die sozial Schwachen in unserer Gesellschaft ein.


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Ich möchte jetzt noch kurz einen Satz zum Kollegen Neubauer sagen. Kollege Neu­bauer, den ich als Person sehr schätze, hat in seiner Wortmeldung die Positionen des Landesschulratspräsidenten und der Landesschulratsvizepräsidenten von Oberöster­reich heftig kritisiert. Und da hätte ich mir erwartet, dass er bei dieser Kritik auch ein­bringt, dass gerade die FPÖ unter ihrem Parteivorsitzenden Strache in Wien versucht hat, den Vizepräsidenten des Stadtschulrates mit einem 21-jährigen Nicht-Pädagogen zu besetzen, diese Position unbedingt zu bekommen, und deshalb sogar mit einer Klage vor den Verfassungsgerichtshof gezogen ist und dort auch nicht recht bekom­men hat, weil die Rechtsmeinung des Bürgermeisters Häupl dem entsprochen hat, was auch der Verfassungsgerichtshof entschieden hat. (Abg. Kickl: So ein Schmarren! Meine Güte!) Das heißt, wenn ich hier wirklich etwas kritisiere und aufzeige, dann muss ich auch das bringen, was die eigene Partei diesbezüglich macht. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.05


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Mag. Loacker zu Wort. – Bitte.

 


11.05.07

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Herr Abgeordneter Heinzl, Sie stellen sich hier heraus und erzählen uns eine Geschichte zu den ÖBB-Pensionen.

Jetzt möchte ich einen Rechnungshofbericht herausziehen, der die Pensionen der Bun­desbahnbeamten untersucht hat: 2002 bis 2013 war das durchschnittliche Pensionsan­trittsalter 52,5 Jahre! (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Heinzl: Mit den krankheitshalber in Pension Gegangenen zusammen!) 531 Mitarbeiter sind in diesem Zeitraum in Pension gegangen, davon 41 in Alterspension, und die an­deren sind alle aus irgendeinem Grund früher gegangen. 7,2 Prozent von den Bun­desbahnbeamten sind altersbedingt in Pension gegangen. (Abg. Heinzl: Sie kennen sich überhaupt nicht aus!)

Und Sie kommen heraus und reden das schön. Das finde ich einfach unglaublich! (Beifall bei den NEOS. – Abg. Heinzl: Sie können nicht einmal lesen! Das sind Men­schen, die zu krank sind zum Arbeiten! Sie sollten sich schämen!)

11.05


Präsident Karlheinz Kopf: Nun gelangt Herr Abgeordneter Dr. Huainigg zu Wort. – Bitte.

 


11.06.47

Abgeordneter Dr. Franz-Joseph Huainigg (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Ho­hes Haus! Wir beschließen heute das Conterganhilfeleistungsgesetz. Seit ich Abgeord­neter bin – das sind auch schon zehn Jahre –, hat mich und uns dieses Thema verfolgt und beschäftigt. Und ich bin sehr froh, dass es jetzt hier zu einer Lösung gekommen ist und dieses Conterganhilfeleistungsgesetz beschlossen wird, das dafür sorgt, dass die Opfer von Contergan wirklich entsprechend entschädigt werden und auch eine monat­liche Rente bekommen.

Eine Contergan-Behinderung ist eine sehr schwere Behinderung. Durch die kurzen Gliedmaßen ist der Körper mehr gefordert als bei einem nichtbehinderten Menschen. Die Belastung des Körpers ist sehr gewaltig, und dadurch schreitet auch der Alte­rungsprozess rascher voran. Und es ist großartig, wie diese Menschen ihr Leben meis­tern und bewältigen.

Ich möchte noch auf ein zweites Thema zu sprechen kommen, das auch im Ausschuss Thema war, nämlich die eugenische Indikation. Da geht es um Spätabtreibungen, die


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nicht die Fristenregelung betreffen, und ich glaube, dass es wichtig wäre, heute auch darüber zu diskutieren, wo alle Parteien dafür sind, dieses Thema auch einer Lösung zuzuführen.

Bei einem Verdacht auf eine Behinderung des ungeborenen Kindes sind Frauen in ei­ner sehr schwierigen Situation. Da braucht es Begleitung, Unterstützung, Beratung. Fe­tozid, die Tötung im Mutterleib, ist auch eine Diskriminierung von Menschen mit Be­hinderung. Mein Anliegen an Sie, Herr Sozialminister, in dessen Aufgabenbereich auch die Umsetzung der UN-Konvention durch einen Arbeitskreis liegt, wäre, dass in diesem Arbeitskreis auch diese Diskriminierung besprochen wird und eine Beseitigung dersel­ben stattfindet.

Und ein drittes Thema: Morgen findet im Sozialministerium eine Tagung zum Thema Entwicklungszusammenarbeit und Menschen mit Behinderung statt. Diese Initiative von Ihnen, Herr Minister, möchte ich ausdrücklich begrüßen, weil ich glaube, dass es sehr wichtig ist, dass jedes Ministerium in diesem Bereich etwas beiträgt und die glo­bale Verantwortung auch wahrnimmt.

Es gibt weltweit 1 Milliarde Menschen mit Behinderungen, davon leben 80 Prozent in Entwicklungsländern, nur 19 Prozent haben Zugang zu Rehabilitation. Das sind meist all jene, die in den Industrieländern leben. Ich glaube, dass gerade der Austausch un­serer Erfahrungen, wie wir mit der UN-Konvention umgehen, wie wir Entdiskriminie­rung, Gleichstellung und Barrierefreiheit herstellen, sehr beispielgebend sein könnte. Es geht um die Menschenwürde, und die Menschenwürde gehört auch in der Verfas­sung verankert. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Steinbichler.)

11.11


Präsident Karlheinz Kopf: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abge­ordnete Dr. Belakowitsch-Jenewein zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


11.12.12

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein (FPÖ): Herr Präsident! Meine Da­men und Herren! Herr Abgeordneter Keck hat in seiner Rede gesagt, dass die FPÖ in Wien einen 21-jährigen Studenten als Stadtschulratsvizepräsident vorgeschlagen hätte und auch vor den VfGH gezogen ist aufgrund dessen, dass der Herr Bürgermeister ihn nicht angelobt hat. Der VfGH hätte eine Entscheidung getroffen und damit die Meinung des Bürgermeisters bestätigt.

Das ist unrichtig! Ich berichtige tatsächlich: Der VfGH hat gar nicht entschieden. Er hat sich nämlich für nicht zuständig erklärt. (Beifall bei der FPÖ.)

11.12


Präsident Karlheinz Kopf: Nun gelangt Herr Abgeordneter Kickl zu Wort. – Bitte.

 


11.12.53

Abgeordneter Herbert Kickl (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Das war jetzt eine wichtige Ergänzung der Kollegin. Der VfGH hat sich für unzuständig erklärt – einmal mehr in einer politisch gar nicht so wenig brisanten Frage. Es gibt auch immer mehr Personen, die davon sprechen, dass diese Unzuständigkeitserklärungen des VfGH, ich sage es einmal so, politische Auftragsarbeit sind. Wahrscheinlich sollte man sich das in nächster Zeit auch einmal etwas genauer anschauen. (Hallo- und He-Rufe bei SPÖ und ÖVP.)

Ich habe mich aber nicht deshalb zu Wort gemeldet, sondern weil der Kollege Neu­bauer eine ganze Reihe von äußerst unqualifizierten Repliken auf seine großartige Re­de hier geerntet hat, und da muss man doch das eine oder andere richtigstellen. (Ironi­sche Heiterkeit bei der SPÖ.)


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Ja, ja, es ist auch eine Strategie, dass man versucht, den eigenen sozialpolitischen Kahlschlag, den man da seit Jahren betreibt, wurscht, wessen Gesicht das Ministerium gerade ziert, dadurch besser zu machen, dass man versucht, irgendwelche Halbrichtig­keiten aus der Geschichte zu exhumieren.

Tatsache ist, wenn wir von der Neiddebatte reden: Es gibt keine Partei, die so sehr mit der Neiddebatte politisch argumentiert (Abg. Schieder: Wie die FPÖ!), wie es die SPÖ tut. Seit Jahren! Und es gibt kein besseres Beispiel dafür als die Millionärssteuer. Die ganze Debatte um die sogenannte Millionärs-, Reichen- und Wie-sie-auch-immer-heißt-Steuer ist nichts anderes als eine einzige Neiddebatte, permanent geschürt und angezündelt von der SPÖ, nicht deswegen, weil sie bezwecken will, dass es irgendje­mandem von den Kleinverdienern, von den Mindestpensionisten et cetera in diesem Land besser geht, nein, sondern weil sie schlicht und ergreifend – und jetzt bin ich bei Ihrer Parteigeschichte – offensichtlich aufgrund dieser Problematik, sich aus dem Mar­xismus herauszuwurschteln, immer noch ein angespanntes Verhältnis zum Begriff des Eigentums hat.

So erkläre ich mir das, dass Sie derartig auf Kriegsfuß stehen mit allem, was Ver­mögen betrifft. Da geht es nicht um die Reichen, sondern da geht es um Ihr Feindbild Eigentum. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. El Habbassi.)

Sie tun ja gerade so, als ob jemand, der es im Leben zu etwas gebracht hat, sich das alles zusammengestohlen hätte. Das ist genau dieses Feindbild-Schüren und das ist genau dieses Missgunst-Säen, für das in diesem Land die SPÖ zuständig ist und nie­mand anderer.

Wie Ihr Lösungsvorschlag aussieht, das wissen wir ja, die Sozialistische Jugend hat es ja gesagt: Bitte die Reichen aus dem Land vertreiben! Die gegenteilige Komponente heißt dann: Und diejenigen, die wir mit unserem Sozialsystem bezuschussen müssen, die holen wir herein! Die holen wir herein in Mengen, Monat für Monat immer mehr, die Arbeitslosenstatistiken explodieren. Und für all das haben wir Geld! Da habe ich noch nie gehört von Ihnen von der ÖVP oder von den Bedenkenträgern der Sozialdemokra­tie: Das können wir uns alles nicht leisten! Um Gottes willen, wo soll denn das hin­führen? – Da sind Sie mucksmäuschenstill und liegen vor den internationalen Entwick­lungen auf dem Bauch und wagen es nicht einmal mehr, den Kopf zu heben und irgendein Wort dagegen zu sagen. Da können Sie Ihre siebzigjährigen Geburtstage fei­ern, wie Sie wollen, das macht die Sache auch nicht besser! (Beifall bei der FPÖ.)

Sagen Sie doch den österreichischen Pensionistinnen und Pensionisten, den Mindest­pensionisten, dass sie Ihnen diese 1 200 € im Jahr einfach nicht wert sind! Sagen Sie es ihnen ganz klar! Und sagen Sie ihnen auch ganz klar dazu, dass es für Sie kein Problem ist, dass jemand, der subsidiär schutzberechtigt ist, weil ihn als Drogendealer in seiner Heimat vielleicht eine etwas strengere Strafe erwartet, als er sie hier zu er­warten hätte, und nicht abgeschoben wird, von uns die Mindestsicherung bekommt! (Beifall bei der FPÖ.)

Sagen Sie das dazu! Das habe ich von Ihnen noch nie gehört, dass wir uns das nicht leisten können oder dass wir uns das nicht leisten wollen. Das ist die Unehrlichkeit in dieser ganzen Debatte.

Politik ist immer eine Frage von Verteilen. Ja, die Ressourcen sind nicht unbegrenzt, aber die Frage ist: Welche Schwerpunkte setze ich in der Verteilung? – Und da haben Sie schon lange aufgehört, auch nur ansatzweise die Interessen der österreichischen Bevölkerung zu vertreten.

Da macht es die Sache auch nicht besser, wenn Sie permanent die Rettung eines Pen­sionssystems wie des ASVG-Systems propagieren, aber dann Jahr für Jahr diejenigen,


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die die vollen Beiträge gezahlt haben, um die volle Erhöhung kommen. Denen wird ja nie die volle Pensionserhöhung gewährt, sondern Jahr für Jahr fallen die wieder durch und nehmen diese Verluste mit. Wissen Sie, was das Ergebnis sein wird? Es wird irgendwann einmal eine Aufkündigung dieser Generationengerechtigkeit geben, weil die Leute sich sagen werden: Wieso soll ich volle Länge einzahlen, wenn ich dann un­term Strich letztendlich auf dem Niveau der Mindestsicherung hängenbleibe? Das wird das Ergebnis sein, und das ist dann auch die von Ihnen viel gepriesene Harmonisie­rung des Sozialsystems.

Auch noch ein Wort zum Pflegegeld, weil Sie sagen, da haben Sie nicht gekürzt, da haben Sie nur umgeschichtet. In Wahrheit ist Ihnen das Pflegegeld in den unteren Stu­fen deshalb ein Dorn im Auge, weil Sie es nicht kontrollieren können über Sachleistun­gen, weil Ihre ganzen Institutionen dort nicht zum Zug kommen, weil es in der Familie bleibt und weil halt oft Frauen diese Tätigkeit ausüben. Das passt Ihnen nicht in Ihr ideologisches Konzept, dass es Familien gibt, in denen diese Pflegearbeit fantastisch geleistet wird. (Beifall bei der FPÖ.)

Das ist Ihnen ein Dorn im Auge. Hinaus ins Heim, und da ist es wurscht, auch wenn der Platz noch teurer ist! Hauptsache, unter sozialistischer Kontrolle! Vielleicht dann auch noch dazu verwendet, dass man Wahlkarten möglichst günstig ausfüllen kann.

Die Sozialdemokratie der Gegenwart ist in vielen Bereichen genau das Gegenteil des­sen, was sie historisch einmal gewesen ist. Sie verteilen heutzutage von unten nach oben. Wenn Sie Milliardensummen nennen, die die Mindestpensionsanpassung kosten würde, dann haben Sie damit die Summe genannt, die Sie diesen Menschen Jahr für Jahr stehlen. Ist Ihnen das klar? Ich bedanke mich für diese erhellenden Worte: 7 Mil­liarden € pro Jahr enthalten Sie eigentlich den Mindestpensionisten vor! Jetzt wissen wir, wer die Krisen zahlt. Jetzt wissen wir, wer die Spekulationsverluste zahlt. Jetzt wis­sen wir, wer diese internationalen Verschiebungen von Euros quer über den Kontinent finanziert. Es sind zu einem großen Teil die Mindestpensionisten! (Abg. Rädler: Hypo!)

Sie verteilen also von unten nach oben und nicht, wie Sie es immer behaupten, von oben nach unten. Und Sie verteilen leider auch vom Inländer zum Ausländer, sonst könnte es nicht immer noch der Fall sein, dass wir Hunderte Millionen an Familienleis­tungen ins Ausland verschieben oder dass wir für Leute, die in Österreich keine Pen­sionsbeiträge geleistet haben, die Pensionen auf die Mindestpension auffetten. (Beifall bei der FPÖ.)

So schaut es aus in diesem viel gepriesenen Europa, das eine schiefe Ebene ist!

Meine Damen und Herren! Sie brauchen sich bei dieser österreichfeindlichen Politik nicht zu wundern – und daran werden auch Ihre Hochämter, die Sie in den letzten Ta­gen begangen haben, sei es SPÖ oder sei es Gewerkschaftsbund, nichts ändern –, wenn Ihnen auch in weiterer Folge die Wählerinnen und Wähler in Scharen davonlau­fen werden. (Beifall bei der FPÖ.)

11.19


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Fichtinger zu Wort. – Bitte.

 


11.19.40

Abgeordnete Angela Fichtinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucher auf der Galerie und liebe Fernsehzuschauer zu Hause! Ich darf noch einmal kurz auf das Thema Conter­gan eingehen.

Contergan – das ist schon eine Weile her und sagt vielen gar nichts mehr –, Contergan war ein Beruhigungsmittel, es wurde in den Jahren 1957 bis 1961 vertrieben und hat


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zu furchtbaren Fehlbildungen bei Neugeborenen und manches Mal sogar zu Totgebur­ten geführt.

Es wurde an Schwangere ausgegeben, um die typische Morgenübelkeit zu bekämpfen. Der Pharmakonzern Grünenthal konnte in den Testreihen keinerlei negative Auswir­kungen feststellen und stufte das Medikament daher als harmlos ein. Leider wurden weltweit sehr, sehr viele Kinder mit Fehlbildungen geboren. Das erste Contergan-Opfer war ein Kind eines Mitarbeiters der Firma Grünenthal, dieser hat seiner Frau eine Pro­be nach Hause mitgebracht, sie hat damit besser einschlafen können. Ihr Kind ist dann leider ohne Ohren geboren worden.

In Österreich war das Medikament dank Ingeborg Eichler rezeptpflichtig. Sie hat, Gott sei Dank, als einziges Mitglied der österreichischen Zulassungskommission für Arznei­mittel ihr Veto eingelegt und so dafür gesorgt, dass das Medikament bei uns rezept­pflichtig geblieben ist. Das war eine sehr positive Sache, sonst wären in Österreich sicher viel, viel mehr Kinder behindert zur Welt gekommen.

Aufgrund der gemeinsamen Schaffung des Conterganhilfeleistungsgesetzes werden Menschen, die keinen Anspruch auf Leistung nach dem deutschen Conterganstiftungs­gesetz haben, nunmehr eine monatliche Rente erhalten. Es wurde heute schon mehr­mals erwähnt, wie hoch diese ist. Ich glaube, das ist neben der Einmalzahlung eine sehr positive Sache.

Bezüglich der diversen Anträge zu diesem Tagesordnungspunkt möchte ich noch an­merken, dass die geforderten monatlichen Rentenzahlungen mit diesem Gesetz umge­setzt werden.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, ich freue mich, dass wir mit diesem kleinen Bei­trag gemeinsam das Leid der betroffenen Personen etwas lindern können. Auch wenn es nicht so viele Menschen betrifft, ist es trotzdem ein wichtiges Signal. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich darf abschließend zu den populistischen Anträgen der FPÖ noch einmal erwähnen: Ich ersuche herzlich, das beschlossene Budget nicht aus den Augen zu lassen, und meine, das sollte nicht vergessen werden. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Ab­geordneten der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch-Jenewein.)

11.22


Präsident Karlheinz Kopf: Zu einer zweiten Stellungnahme hat sich Herr Bundesmi­nister Hundstorfer zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.

 


11.22.57

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte die Sitzung nicht über Gebühr verlängern (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Ja, dann lassen Sie es!) – der Abgeordne­te Kickl hat seine Ausführungen gemacht und geht wieder, das sind wir eh gewohnt (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Er kommt gleich wieder!) –, aber ich möchte Ihnen zur Neiddebatte etwas sagen, und ich glaube, Sie sollten einmal zuhören, was wir sagen: Ja, es gibt Millionäre, es gibt Milliardäre, die hat es früher gegeben, die wird es morgen geben. Das ist überhaupt nicht das Thema. Das Thema ist: Leisten sie den gleichen Beitrag zur Finanzierung des Sozialstaates wie alle anderen? Darum führen wir diese Debatte, und nur darum geht es. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grü­nen. – Abg. Kickl: Sie haben einen Bauchfleck hingelegt, einen der Sonderklasse!)

Das ist unser Motiv. Jemand, der sehr viel hat, sehr viel verdient, noch dazu eventuell nur aus Finanztransaktionen sehr viel verdient, kann zur Finanzierung eines Sozial­staates mehr beitragen als der durchschnittliche Arbeiter und Angestellte. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Das ist das Thema, und dass es diese Menschen morgen auch noch


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 57

geben wird, das ist überhaupt nicht mein Problem. (Abg. Kickl: Deswegen steigt ja jetzt die Luxuspension!)

Herr Abgeordneter Kickl, wenn Sie sich hier herstellen und sagen: Pensionen exportie­ren, dann muss ich sagen, ich freue mich, dass ich nun den zirka 6 000 Österreichern, die ihren Lebensabend auf Mallorca verbringen, mitteilen kann, Sie wollen nicht mehr, dass wir die Pension dorthin überweisen, das ist nämlich das, was Sie da gesagt ha­ben. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Nein, Sie haben nicht zugehorcht!) – Das haben Sie da gesagt, hören Sie sich doch zu! Sie müssen bei allem Populismus auch Ihren eigenen Worten zuhören. Freuen Sie sich, dass die zirka – weiß ich nicht –  (Zwi­schenruf des Abg. Deimek.)

Entschuldigen Sie, wir haben eine Verantwortung aus unserer Geschichte (Abg. Dei­mek: Ja genau, für die Ausländer haben Sie Verantwortung!), und ich stehe zur Ver­antwortung für die Vergangenheit dieses Landes, und ich stehe dazu, dass wir den Menschen, denen im Holocaust Unrecht getan wurde, unseren Beitrag überweisen. Das ist der entscheidende Unterschied. (Anhaltender Beifall bei SPÖ und ÖVP, bei Ab­geordneten der Grünen sowie der Abg. Meinl-Reisinger. – Abg. Kickl: Das ist der letzte Strohhalm!)

Sie wollen die Vergangenheit am liebsten negieren. (Oh-Rufe bei der FPÖ.) Ich stehe zu dieser Vergangenheit, und demzufolge haben wir auch die Verpflichtung, für diese Personengruppe, die monatlich kleiner wird, einen gewissen Beitrag zu leisten. Und darum geht es.

Sie wissen, dass ein Asylberechtigter oder subsidiär Schutzberechtigter, wenn er straf­fällig wird, seinen Status verliert – ab die Reise! (Ruf bei der FPÖ: Den können Sie gar nicht abschieben!) Das wissen Sie ganz genau, und Sie wissen auch ganz genau (weitere Zwischenrufe bei der FPÖ), wer die Pflege in diesem Land aufrechterhält, wel­che Menschen stationär, welche Menschen in der 24-Stunden-Betreuung tätig sind, und die sind uns überhaupt kein Dorn im Auge.

Ich weiß nicht, was Sie da immer hochziehen wollen, die Familie ist die Grundkonstruk­tion dessen (Abg. Deimek: Darum haben Sie die Gebühren gekürzt, genau so geht es!), wo diese Menschen überwiegend betreut werden. Es ist vollkommen klar, dass aber trotzdem auch Menschen mit Pflegestufe 1 und 2 Sachleistungen beziehen, weil es den Begriff „soziale Indikation“ gibt, und demzufolge ist auch klar, dass, wenn wir den Pflegefonds zur Absicherung des Systems den Städten und Gemeinden zur Ver­fügung stellen und ihn jährlich valorisieren, immerhin jedes Jahr um 50 Millionen, da ganz einfach jenen geholfen wird, die unmittelbar auch Sachleistungen brauchen.

Wenn man meint, sich hinstellen zu müssen und zu sagen: Der Mindestpensionist fi­nanziert irgendetwas!, dann muss ich dem entgegenhalten, der Mindestpensionist fi­nanziert überhaupt nichts. Wenn man meint, wir finanzieren jetzt einen Mehraufwand von 12 Milliarden € – denn das ist die Umsetzung Ihrer Forderung all over –, dann wür­de ich Sie wirklich dringend bitten: Erklären Sie bitte den Menschen, wie Sie jedes Jahr 12 Milliarden € finanzieren wollen! Erklären Sie das! Und erklären Sie das bitte nicht (Ruf bei der FPÖ: Mit Ihrer Untätigkeit!) mit einem Jahresgehalt von 500 000 €, das Sie um 100 000 € kürzen wollen, erklären Sie es bitte nicht damit, sondern sagen Sie: Ja, wir haben ein Versicherungsprinzip! Sagen Sie auch, wer die Gruppe der Ausgleichs­zulagenbezieher ist. Wir haben nämlich ganz einfach ein System, in dem wir Menschen in Notlagen absichern. Wir haben ein System, in dem wir diesen 240 000 Österreichern und Österreicherinnen, um die es derzeit geht, ganz einfach sagen: Nein zur Alters­armut, Ja zu einer Grundabsicherung! – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf des Abg. Steinbichler.)

11.27



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 58

Präsident Karlheinz Kopf: Ein zweites Mal zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeord­neter Kickl. – Bitte. (Zwischenruf des Abg. Jarolim.)

 


11.28.07

Abgeordneter Herbert Kickl (FPÖ): Herr Bundesminister! Ich muss Ihnen wirklich et­was sagen: Ich bin erschüttert, ich bin wirklich erschüttert ob der Vorgangsweise, die Sie hier gewählt haben (heftiger Widerspruch bei der SPÖ), denn immer dann, wenn Ihnen nichts mehr einfällt, muss der letzte Strohhalm der Sozialdemokratie herhalten, und das ist die Faschismuskeule, auch wenn es noch so wenig mit dem Thema zu tun hat, über das wir hier gesprochen haben. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Schwentner: Worum geht es denn?)

Es ist wirklich letztklassig, uns hier zu unterstellen, dass wir es nicht genauso ernst nehmen wie Sie mit der Gedenkkultur dieses Landes, vielleicht nehmen wir es sogar noch ein wenig ernster, wenn ich mir den Eiertanz anschaue, den Sie in anderen Be­reichen aufführen, etwa wenn es um die Armenier und ähnliche Dinge geht, aufgrund Ihrer Verquickungen mit den Türken. (Zwischenrufe der Abgeordneten Heinzl, Mayer, Matznetter und Weninger.)

Aber eines sage ich Ihnen auch noch dazu: Es geht nicht um die Pensionisten, von de­nen wir gesprochen haben, sondern ich habe von Menschen gesprochen, die in Öster­reich keine Pensionsbeiträge gezahlt haben, weil sie aus anderen EU-Ländern in unser Pensionssystem hineinschlüpfen, weil sie dort mit viel, viel niedrigeren Beiträgen An­wartschaften erworben haben und dann in Österreich den Ausgleich auf die Mindest­pension bekommen. (Abg. Neubauer: So ist es!) Die Europäische Union macht das mit ihrer schiefen Ebene, dass sich fast alles von Osten nach Westen, sprich zu uns, ver­lagert, weil wir halt hier eine exponierte Position haben, möglich. Und davon war die Rede und nicht davon, ob irgendjemand auf Mallorca eine Pension bekommt, wenn er in Österreich die Beiträge dafür geleistet hat. Drehen Sie mir nicht das Wort im Mund um, Herr Minister, das ist abenteuerlich, was Sie hier versuchen! (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Steinbichler.)

Und was die Familie betrifft: So schön und so gut und so fein können Sie es mit der Familie nicht meinen, denn es gibt jetzt mehrere Gruppen von multipel Geschädigten – durch Ihre Sozialpolitik, durch Ihre Finanzpolitik, durch Ihre Familienpolitik, wenn man das überhaupt so nennen darf –, und die Familien gehören dazu. Führen Sie einmal ei­ne Rasterfahndung durch und schauen Sie, wo Sie die Familien überall treffen, und das Pflegegeld ist eine Komponente davon (Abg. Heinzl: „Rasterfahndung“! – Zwi­schenrufe der Abgeordneten Greiner und Weninger), das ist ein Stich ins Herz für viele Menschen, die diese paar Euro für ihre Lebensbewältigung ganz, ganz dringend brauchen. (Beifall bei der FPÖ.)

Versuchen Sie nicht, das wegzuwischen, und vergleichen Sie das nicht mit irgendwel­chen Erhöhungen in einem ganz, ganz anderen Bereich! Das eine hat mit dem ande­ren überhaupt nichts zu tun!

Ein Wort auch noch zum Thema, wir können uns das nicht leisten: Ich bin mir ziemlich sicher, dass man mit etwas gutem Willen – Kollege Neubauer hat das skizziert – sehr, sehr schnell einige Milliarden finden kann. Und wenn Sie diesen Satz ernst nehmen, wenn Sie das immer berücksichtigt haben, dann frage ich Sie, Herr Bundesminister – dann können Sie mir das beim nächsten Mal beantworten –: Woher kommt der Schul­denberg, auf dem Österreich sitzt? Woher kommt dieser milliardenschwere Schulden­berg (Abg. Matznetter: Wie wär’s mit der Hypo Alpe-Adria? – Ruf bei der FPÖ: Blöd­sinn!), der uns schon fast in griechische Verhältnisse hineinmanövriert? Woher kommt das, wenn Sie immer drauf geschaut haben, dass wir uns alles leisten können, was ausgegeben wird?! (Abg. Matznetter:  Milliarden €!)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 59

In Wirklichkeit haben Sie nie darauf geschaut, ob wir uns das leisten können, was wir ausgegeben haben, und dazu kommt bei diesen unverantwortlichen Ausgaben mit dem Ergebnis eines gigantischen Schuldenbergs auch noch eine falsche Schwerpunktset­zung. Mit dieser Kritik werden Sie sich in weiterer Folge auch noch auseinandersetzen müssen, ob Ihnen das passt oder nicht. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Matznetter: Bei der Rasterfahndung kommt Meischberger heraus!)

11.31

11.31.10

 


Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung, meine Damen und Herren, und diese Abstimmung nehme ich über jeden Ausschussantrag getrennt vor.

Zunächst kommen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 1: Entwurf betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Kriegsopferversorgungsgesetz, das Opferfürsor­gegesetz, das Heeresversorgungsgesetz, das Verbrechensopfergesetz, das Behinder­teneinstellungsgesetz sowie das Bundesbehindertengesetz geändert werden, das Kriegsopfer- und Behindertenfondsgesetz aufgehoben und ein Bundesgesetz, mit dem eine Rentenleistung für Contergan-Geschädigte eingeführt wird, erlassen wird, samt Ti­tel und Eingang in 527 der Beilagen.

Der von Frau Abgeordneter Mag. Jarmer im Zuge ihrer Rede verlesene Antrag liegt schriftlich nicht vor. Gemäß § 53 Abs. 4 der Geschäftsordnung sind Abänderungsan­träge jedoch schriftlich zu überreichen.

Da dies nicht erfolgte, gilt der Antrag als nicht eingebracht und kann daher auch nicht zur Abstimmung gebracht werden.

Ich ersuche daher jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf in der Fas­sung der Regierungsvorlage sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstim­mig angenommen.

Dritte Lesung: Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen wollen, um ein Zeichen. – Das ist eben­falls einstimmig. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 2: Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 565 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dafür ist, der gebe bitte ein Zeichen. – Das ist die Mehrheit und somit ange­nommen.

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 3: Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 566 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dafür ist, der gebe bitte ein Zeichen. – Das ist die Mehrheit und somit ange­nommen.

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 4: Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 567 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dafür ist, der gebe bitte ein Zeichen. – Das ist wiederum die Mehrheit und somit angenommen.

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 5: Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 568 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dafür ist, der gebe bitte ein Zeichen. – Das ist die Mehrheit und somit ange­nommen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 60

11.34.066. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (528 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz und das Mutterschutzgesetz 1979 geändert werden (569 d.B.)

7. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 1013/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sozial- und Arbeitsrechtliche Absicherung von Eltern im Falle von Fehl- und Totgebur­ten und Kindstod (570 d.B.)

8. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 641/A(E) der Abgeordneten Martina Schenk, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Österreich braucht ein Anti-Mobbing-Gesetz“ (571 d.B.)

 


Präsident Karlheinz Kopf: Wir kommen nun zu den Punkten 6 bis 8 der Tagesord­nung, über die die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Schatz. – Bitte.

 


11.35.07

Abgeordnete Mag. Birgit Schatz (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zur Regierungsvorlage zum Thema Arbeitsschutz einen Kommentar abge­ben. Derzeit sind zirka 3,5 Millionen Menschen in Österreich in Beschäftigung, und mehr Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, als man glaubt, haben zumindest hin und wieder mit gefährlichen Substanzen zu tun. Die Spannbreite der Betroffenen ist relativ groß. Das sind nicht nur die naheliegenden Bereiche wie in der chemischen Industrie oder in Labors, sondern in hohem Maße betroffen ist etwa Reinigungspersonal oder sind zum Beispiel auch FriseurInnen durch das Haarefärben, es sind aber auch etwa Angestellte in Kfz-Werkstätten, Autolackierereien, die eben mit Lacken und Farben hantieren. Das sind nur ein paar Beispiele.

Der Umgang mit solchen gefährlichen, gesundheitsschädlichen Substanzen wird über den Arbeitnehmerschutz, über das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz, geregelt, damit keine gravierenden gesundheitlich negativen Folgen durch den Umgang mit gefährli­chen Substanzen entstehen. In der Novelle, die heute vorliegt, geht es hauptsächlich um die Kennzeichnung von gefährlichen Substanzen, dass also jeder, der damit zu tun hat, weiß: Ich muss aufpassen, dass mir nichts passiert – wenn zum Beispiel etwas verschüttet wird, etwas eingeatmet wird et cetera.

Ich bin nicht zufrieden mit dieser Novelle, beziehungsweise stehe ich einigen Rege­lungspunkten skeptisch gegenüber. Worum geht es konkret? – Es steht etwa drin, dass eine Kennzeichnung nur erfolgen muss, wenn – Zitat – dem nichts entgegensteht.

Was könnte zum Beispiel einer Kennzeichnung entgegenstehen? – Da wird genannt: wenn das Behältnis die Beschriftung verunmöglicht oder erschwert, zum Beispiel weil das ein Rohr ist. Es fällt mit wirklich schwer, nachzuvollziehen, warum es nicht immer möglich sein soll, draufzuschreiben, welche Substanz das ist und auf welche Weise diese für den Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin gefährlich ist.

Der zweite Punkt, bei dem ich Bedenken habe, ist, dass die Räume, in denen solche gefährlichen Substanzen gelagert werden, nur gekennzeichnet werden müssen, wenn


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 61

da drinnen erhebliche Mengen gelagert werden. Was eine erhebliche Menge im Detail ist, wird aber im Gesetz nicht geregelt. Das Problem ist ja außerdem nicht, dass je­mand, der da jeden Tag etwas herausholt, womöglich nicht weiß, was sich da drinnen befindet und worauf er aufpassen muss, sondern das Problem entsteht, wenn da je­mand hineinkommt, der eben nicht in den Umgang mit dieser Substanz eingewiesen ist, wie das Gesetz es fordert.

Die Stellungnahme der Arbeiterkammer zu dieser Novelle sagt, das können zum Bei­spiel Notdienste sein, die Feuerwehr, die Rettung, wenn da drinnen etwas passiert. Die müssen wissen, dass sie einen Raum betreten, in dem gefährliche Substanzen lagern. Ich sage, es kann auch externes Reinigungspersonal sein, das da einmal plötzlich hi­neinmuss, das kann ein Handwerker sein, der da drinnen irgendeine Installation wartet, das Licht et cetera. Insofern finde ich, es ist notwendig, dass Räume, in denen ge­fährliche Stoffe lagern, generell als solche erkennbar sind. (Beifall bei den Grünen.)

Der dritte Kritikpunkt ist die lange Übergangsfrist. Zehn Jahre lang soll das alte Kenn­zeichnungssystem noch immer gültig und aufrecht sein. Das bedeutet, in diesen zehn Jahren hat man entweder die alte Kennzeichnung oder die neue Kennzeichnung oder beides parallel, und das führt ganz sicher zu Verwirrung. Und Verwirrung in diesem Zu­sammenhang bedeutet immer Gefahr für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen. Des­halb bin ich mit diesen zehn Jahren einfach nicht zufrieden.

Meine Damen und Herren, ich weiß, einige der Punkte, die ich hier kritisiere, werden im Weiteren noch in einigen Verordnungen geregelt und konkretisiert, aber das Problem dabei ist, dass uns diese Verordnungen nicht vorliegen. Sie sind zum großen Teil auch noch gar nicht ausverhandelt. Wenn daher im Gesetz fehlende Schutzniveaus auf­scheinen, die eventuell später in der Verordnung definiert werden, dann wissen wir heute nicht, auf welches Niveau sich die Sozialpartner einigen werden. Das ist mir, wenn es um Verantwortung geht, einfach zu wenig – um Verantwortung für Gesundheit und Leben von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen. Mir genügt diese Vertröstung auf die Verordnungen leider nicht.

Ein Punkt, den ich noch kurz ansprechen möchte, ist der Umgang mit Blei. Im Prinzip sind Jugendliche und Frauen bis dato völlig davon ausgeschlossen, mit Blei zu hantie­ren, weil Blei einfach hochgiftig und krebserregend ist, die Fruchtbarkeit beeinträchtigt und bei Schwangerschaften extrem negative Konsequenzen für den Embryo haben kann.

Das Verbot für Jugendliche wird jetzt im Gesetz leicht verändert. Mir wurde aber vom Ministerium zugesichert, dass ein absolutes Verbot bei Jugendlichen bestehen bleiben wird, wenn auch wiederum verschoben in die Verordnung.

Bei Frauen ist das aber anders – zwar nicht durch die vorliegende Novelle, aber durch etwas, was Sie gestern beschlossen haben, versteckt in der Aufhebung eines Vorbe­haltes zu einer UN-Konvention. Frauen waren bisher hundertprozentig davor geschützt, in ihrer Arbeit mit Blei in Kontakt zu kommen. Nunmehr wird der Luftgrenzwert für Män­ner auch für Frauen gültig sein. Erst wenn Blei im Körper nachgewiesen wird, wird wie­der ein höheres Schutzniveau für Frauen wirksam, und das ist meiner Meinung nach nicht akzeptabel.

Ja, Blei ist auch für Männer schädlich, krebserregend, hochgiftig. (Beifall bei den Grü­nen.) Aber dass deshalb das Schutzniveau für Frauen gesenkt werden muss, kann ich einfach nicht akzeptieren, und deshalb haben die Grünen auch als Einzige gegen die­sen Punkt gestimmt.

Meine Damen und Herren, wie gesagt, wir Grünen sind nicht bereit, beim Gesundheits­schutz von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen Kompromisse zu machen, und des-


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halb können wir dieser Novelle, die sicher auch positive Aspekte hat, nicht zustimmen. Es ist uns nicht gut genug. (Beifall bei den Grünen. Abg. Schatz überreicht Bundes­minister Hundstorfer einige Schriftstücke.)

11.42


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Spindelberger. – Bitte.

 


11.42.07

Abgeordneter Erwin Spindelberger (SPÖ): Auch ich möchte in meinem Redebeitrag auf die vorliegenden Änderungen des Arbeitnehmerschutzgesetzes eingehen, in denen es darum geht, ein neues europaweites System zur Einstufung und Kennzeichnung von gewissen Schadstoffen und Chemikalien einzuführen.

Ebenso wird mit dieser Arbeitnehmerschutznovelle eine längst überfällige Ausnahme­regelung beseitigt, denn in der Vergangenheit galt für krebserregende benzolhaltige Ar­beitsstoffe, wie sie zum Beispiel in zweitaktmotorbetriebenen Geräten wie Kettensä­gen, Motorsensen und Heckenscheren Verwendung fanden, eine Ausnahmeregelung, die nun Gott sei Dank der Vergangenheit angehören wird, weil Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die ständig mit solchen Arbeitsgeräten hantiert haben, einer extremen Gesundheitsgefährdung ausgesetzt waren. Da es nunmehr möglich ist, benzinhaltige Treibstoffe durch Alkylatbenzin zu ersetzen, brauchen wir auch keine Ausnahmerege­lung mehr.

Vielleicht noch ein paar Anmerkungen zu Kollegen Loacker, der einen Antrag einge­bracht hat, eine bessere arbeits- und sozialrechtliche Absicherung von Eltern im Fall von Tot‑ oder Fehlgeburten einzuführen. Insbesondere soll dem Antrag zufolge für Mütter im Falle eines Kindstodes knapp vor Ende des Mutterschutzes dieser abermals um acht Wochen verlängert werden.

Kollege Loacker, Sie haben ja recht, dass es derzeit im Mutterschutzgesetz keine spe­ziellen Regelungen zur Absicherung der Arbeitnehmerin nach einer Fehlgeburt gibt. Al­lerdings kommt es im Rahmen einer Fehlgeburt im Normalfall zu ärztlichen Behand­lungen und damit auch zu einem Krankenstand, der wiederum eine Entgeltfortzahlung bewirkt. Da so ein Krankenstand auch zeitlich flexibler ist, erscheint es daher wenig sinnvoll, Ihrem Antrag Folge zu leisten und einen fixen Zeitraum für den Schutz der Mütter einzuführen.

Was den ebenfalls tragischen Fall eines Kindstodes oder einer Totgeburt betrifft, möch­te ich nur erwähnen, dass in diesem Fall das Mutterschutzgesetz bereits jetzt Regelun­gen vorsieht, die es ermöglichen, nach dem Ende der Schutzfrist aufgrund einer psy­chischen oder physischen Belastung eine weitere Freistellung zu beantragen. Das wa­ren alles Gründe dafür, warum wir Ihrem Antrag nicht die Zustimmung geben konnten. (Beifall bei der SPÖ.)

11.44


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Schenk. – Bitte.

 


11.45.00

Abgeordnete Martina Schenk (STRONACH): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich widme mich in meinem Redebeitrag, was nicht überraschen wird, meinem Antrag „Österreich braucht ein Anti-Mobbing-Gesetz“, weil ich dieses Thema für sehr wichtig halte und vor allem auch im Sinne der Betrof­fenen sprechen möchte. Wir haben intensive Kontakte mit Mobbing-Betroffenen in ei­ner Selbsthilfegruppe in Graz, die Eva Pichler leitet. Sie ist selbst eine Betroffene von Mobbing und hat bereits sehr viel darüber berichtet und aufgezeigt, was im Argen liegt


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 63

und was geändert werden muss. Wir haben gemeinsam im Jahr 2013 die Petition an den Nationalrat eingebracht und nun auch den Antrag, dass Österreich ein Anti-Mob­bing-Gesetz braucht.

Wir wissen alle, Mobbing stellt eine enorme psychische und physische Belastung dar, man rutscht gesellschaftlich ab. Mobbing endet nicht selten mit dem Freitod. Mobbing gibt es in vielen Bereichen: in der Arbeitswelt, im Bildungsbereich, in Freizeitinstitu­tionen, in der Nachbarschaft und ganz besonders auch im Internet, das Cybermobbing. Cybermobbing wurde im neuen Entwurf des Strafgesetzbuches berücksichtigt, Mob­bing allgemein und Mobbing in der Arbeitswelt allerdings nicht.

Wir haben, wie gesagt, nicht zum ersten Mal eine diesbezügliche Initiative eingebracht. Ich habe das in den letzten Jahren öfters gemacht – leider erfolglos.

Wenn ich mir die Diskussion und die Behandlung des gegenständlichen Antrags im So­zialausschuss ansehe, wo mein Kollege Marcus Franz den Antrag ausführlich begrün­det und auch erklärt hat, die Resonanz aber sehr gering blieb und kaum jemand etwas dazu sagte, dann finde ich das schon sehr schlimm.

Die Problematik ist eben diese: Es wird darauf nicht reagiert, und das ist für die Mob­bing-Betroffenen wirklich ein Schlag ins Gesicht. (Beifall beim Team Stronach.  Abg. Belakowitsch-Jenewein: Wahrscheinlich sind alle noch nicht wirklich gemobbt wor­den!)

Das von uns verlangte Anti-Mobbing-Gesetz soll die Zersplitterung der vielen Schutz­normen in einzelne Bereichen aufheben und alle im Rechtsbereich verstreuten Schutz­maßnahmen zusammenfassen, sodass die von Mobbing Betroffenen echte Rechtssi­cherheit haben, dass sie wissen, wo sie sich hinwenden können und was sie machen sollen, und nicht 25 Beratungen brauchen, um sich zur Wehr setzen zu können.

Wir fordern in diesem Antrag das Anti-Mobbing-Gesetz und darüber hinaus die Erstel­lung einer umfassenden Studie, denn es gibt kaum Zahlen. Wir haben keine Zahlen. Wir lesen aber täglich in Zeitungsberichten und hören in den Medien, dass die Zahl von Mobbingfällen in den Schulen steigt.

Die Volksanwaltschaft hat zum Thema Schutz gegen Mobbing an Schulen im Jänner dieses Jahres ein amtswegiges Prüfverfahren eingeleitet, weil auch sie erkannt hat, dass es ein großes Thema ist, und dieses Problem durch das amtswegig eingeleitete Prüfverfahren aufgreift.

In den Stellungnahmen lese ich dann – zur Petition gab es ja auch eine Stellungnahme seitens Ihres Ministeriums –, das Phänomen Mobbing werde weiterhin beobachtet und im Bedarfsfall würden geeignete Maßnahmen geprüft. – Sehr geehrter Herr Minister, meine Damen und Herren, was denken sich denn die von Mobbing betroffenen Leute, die wirklich unten sind, die fertig sind, die keine Perspektive mehr haben? – Sie fühlen sich total im Stich gelassen, im Regen stehen gelassen, und das ist unseres Land und auch dieses Hohen Hauses nicht würdig.

Ich darf auch darauf hinweisen, dass zahlreiche europäische Staaten bereits ein Anti-Mobbing-Gesetz verabschiedet und somit auch ein klares Zeichen gegen Mobbing ge­setzt haben.

Ein kurzer Vergleich vielleicht noch: Im Rahmen der Strafrechtsreform soll ein Para­graph zum Thema Po-Grapschen aufgenommen werden, ein Anti-Mobbing-Gesetz hat anscheinend keinen Platz und wird hier nicht berücksichtigt. Meine sehr geehrten Da­men und Herren, das kann ich nicht nachvollziehen und finde es im Sinne der Betrof­fenen wirklich schade. Ich werde da auch weiter aktiv bleiben und weitere Initiativen setzen und hoffe auf ein Umdenken hier im Hohen Haus und auf eine Mehrheit, sodass


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 64

wir hier eine Hilfestellung für Betroffene ermöglichen und ihnen echte Rechtssicherheit geben können. – Danke. (Beifall beim Team Stronach.)

11.49


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Hammer. – Bitte.

 


11.49.47

Abgeordneter Mag. Michael Hammer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Mit der Novelle des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes und des Mutter­schutzgesetzes beschließen wir Änderungen im Zusammenhang mit dem Chemikalien­recht, wobei es um die Umsetzung einer europäischen Verordnung, der CLP-Verord­nung geht, welche die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen zum Inhalt hat.

Es geht bei dieser Novelle zwar nur um technische und terminologische Anpassungen. Ich möchte aber grundsätzlich festhalten, dass gerade in diesem Bereich, wo es um Substanzen, Gemische und Stoffe geht, natürlich die Schutzbestimmungen für die Ar­beitnehmerinnen und Arbeitnehmer von besonderer Bedeutung sind, weil vor allem die Gesundheit am Arbeitsplatz ein besonders wichtiges Anliegen ist.

Ich möchte auch festhalten, dass es schon darum geht, praktikable und unbürokrati­sche Lösungen zu finden und nicht irgendwo eine zwar notwendige, für die Betriebe aber hinderliche Bürokratie aufzubauen. Ich glaube, das ist mit dieser Umsetzung ge­lungen und steht schon diametral dem entgegen, was die Grünen dazu ausführen. Aber ich denke, mein Kollege Obernosterer wird darauf noch im Detail eingehen.

Wir haben unter diesem Tagesordnungspunkt auch eine Reihe von Oppositionsanträ­gen behandelt, die sich im großen Themenbereich Vereinbarkeit von Familie und Beruf bewegen. Gerade uns von der ÖVP ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein wichtiges Anliegen.

Ich möchte dazu auch festhalten, dass die Bundesregierung ein Maßnahmenprogramm zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf, das sogenannte Vereinbarkeitspaket, erarbei­tet und verhandelt hat, welches auch im Regierungsprogramm festgeschrieben ist. Es geht dabei um den Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen, wo ja schon kräftige Impulse gesetzt werden. Es geht auch um die beantragte Berücksichtigung von Pfle­geeltern beim Karenzurlaub, den Kündigungsschutz bei Fehlgeburten, Arbeitszeitflexi­bilisierungen und eine Reihe weiterer Maßnahmen.

Ich glaube, mit diesem Paket setzen wir wieder einen Schritt zur besseren Verein­barkeit von Familie und Beruf, der besonders für unsere Familien wichtig ist.

Ein Satz noch zum Anti-Mobbing-Gesetz. Es ist richtig, dass Mobbing entschieden be­kämpft gehört. Es gibt verschiedene Maßnahmen, durch die das auch erfolgt. Die Not­wendigkeit für ein Anti-Mobbing-Gesetz sehen wir absolut gar nicht. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

11.51


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Loacker. – Bitte.

 


11.51.59

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Geschätzte Zuschauerinnen und Zuschauer auf der Be­suchergalerie und vor den Bildschirmen! Ganz kurz: Der Regierungsvorlage stimmen wir zu, bürokratische Hürden gehören niedrig gehalten. Aber man muss auch dazusa-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 65

gen, es handelt sich um eine nötige Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben, also die Eu­phorie dürfen wir auch niedrig halten.

Wichtiger ist mir jetzt die Diskussion über unseren Antrag, in dem es um die arbeits- und sozialrechtliche Absicherung von Eltern geht, wenn es zu Fehlgeburten kommt, zu sehr frühen Totgeburten oder zu einem sehr frühen Kindstod. Ich habe mich ein biss­chen gewundert, dass vonseiten der ÖVP überhaupt keine Stellungnahme dazu kommt. Kollege Spindelberger hat ausgeführt, dass die SPÖ dem Antrag nicht zu­stimmt, weil sie das Gefühl haben, es wäre der Mutterschutz, verbunden mit dem Be­schäftigungsverbot, zu starr.

Ich möchte erklären, warum wir uns diesem Thema nähern. Es geht um Fälle, wo Schwangerschaften und Geburten nicht so verlaufen, wie wir das allen jungen Müttern, allen jungen Familien wünschen. Da sieht das Gesetz in einigen besonderen Fällen keine Regelungen vor, und es handelt sich meines Erachtens um ein Tabuthema, bei dem sich viele schwertun, es anzusprechen. Wenn jemand sein Kind sehr früh verliert, dann geht es um eine psychisch und für die Mütter auch körperlich sehr belastende Situation, die eine rechtliche Absicherung verdient.

Um zu illustrieren, zu welch schwierigen Situationen es da kommen kann: Wenn es zu einer Totgeburt kommt und das Geburtsgewicht jenseits der 500 Gramm liegt, dann hat die Mutter Anspruch auf 16 Wochen Mutterschutz. Aber wenn dieses Geburtsgewicht von 500 Gramm knapp unterschritten ist, dann gibt es null Mutterschutz. Dann aber zu sagen: Na, dann lass dich halt vom Arzt arbeitsunfähig schreiben!, halte ich für unsen­sibel. Das halte ich für eine Zumutung, weil die betroffene Frau in einer solchen Le­benssituation den Kopf woanders hat als dabei, sich arbeitsunfähig schreiben zu las­sen und in der Firma eine Krankmeldung abzugeben.

Wenn man sich den Kündigungsschutz ansieht, dann verhält es sich ähnlich. Während in einem Fall der Kündigungsschutz bis vier Wochen nach Ende des Mutterschutzes dauert, ist bei einer solchen Fehlgeburt der Kündigungsschutz sofort mit Ablauf des Krankenstandes verloren. Also da haben wir einige Ungleichbehandlungen, die unse­res Erachtens nicht sachgerecht sind.

Ein weiterer Fall: Wenn das Kind geboren wird, aber kurz vor Ablauf des Mutterschut­zes verstirbt, dann müsste die Mutter nach Ablauf dieses Mutterschutzes, möglicher­weise wenige Tage nach dem Tod des Kindes, wieder arbeiten gehen. Auch da halten wir das Verweisen auf den Arzt und auf die Möglichkeit, sich krankschreiben zu lassen, für eine unsensible Zumutung. Außerdem gibt es Fälle – Gott sei Dank selten genug! –, dass ein Kind während des Kindergeldbezugs verstirbt. Auch in einem solchen Fall sind viele Fragen zu klären: Ist die vereinbarte Karenz noch aufrecht? Wurde im Be­trieb eine Ersatzkraft eingestellt? Muss die Frau gleich wieder arbeiten gehen?

Ebenso sind die soziale Absicherung, das Arbeitslosengeld, die Mindestsicherung of­fene Fragen. Man stellt da die jungen Eltern in einer Phase, in der sie ihren Kopf ganz woanders haben, vor extrem schwierige Situationen. Das sind Fälle, für die der Ge­setzgeber, der ansonsten alles durch und durch regelt, nichts vorgesehen hat.

Die Väter gehören ebenfalls mit berücksichtigt. Da kommen unsere rechtlichen Rege­lungen aus einer anderen Zeit, als das Kinderkriegen bei der Mama lag und den Papa nichts anging. Auch da, glaube ich, müssen wir den Blick in die richtige Richtung len­ken. Vielleicht waren unsere Vorschläge im Ausschuss zu konkret, und wir haben es den Mehrheitsfraktionen zu einfach gemacht, ein Haar in der Suppe zu finden.

Deswegen bringe ich jetzt folgenden Antrag ein, in welchem die Sache etwas globaler formuliert ist und der es Rot und Schwarz leichter machen soll, mitzugehen und im Sin­ne der jungen Eltern eine Regelung zu treffen:


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 66

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Arbeits- und Sozialrechtliche Absicherung im Falle von Fehl- und Totgeburten und Kindstod

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz und die Bundesmi­nisterin für Familie und Jugend werden aufgefordert eine verbesserte arbeits- und so­zialrechtliche Absicherung von Eltern im Falle einer Fehlgeburt, einer Totgeburt oder eines Kindstodes umzusetzen.“

*****

Mit diesem Antrag wollen wir einen Anstoß geben, damit in diesem Bereich etwas ge­schieht und wir faire Lösungen finden. Ich würde es für ein gutes Zeichen halten, wenn der Nationalrat diesem Antrag zustimmen würde. – Vielen Dank. (Beifall bei NEOS und Grünen.)

11.57


Präsident Karlheinz Kopf: Der soeben von Herrn Abgeordnetem Loacker eingebrach­te Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kollegin und Kollegen betreffend Arbeits- und Sozialrechtliche Absicherung im Falle von Fehl- und Totgeburten und Kindstod

eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Ausschusses für Arbeit und So­ziales über den Antrag 1013/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sozial- und Arbeitsrechtliche Absicherung von Eltern im Falle von Fehl- und Totgeburten und Kindstod (570 d.B.) – TOP 7

Das österreichische Arbeits- und Sozialrecht weist leider noch immer Lücken bzw. rechtliche Graubereiche auf, die einem entwickelten Wohlfahrtsstaat nur bedingt ent­sprechen. Beispielsweise entsprechen die arbeits- und sozialrechtlichen Folgen im Fal­le eines Kindstodes während des Mutterschutzes bzw. Karenz oder einer Totgeburt nicht unbedingt den Bedürfnissen und Notwendigkeiten der betroffenen Eltern. Im Falle eines solchen emotionalen Ausnahmezustandes muss darauf wertgelegt werden, dass (in den meisten Fällen) den Müttern eine entsprechende unbürokratische Absicherung gewährt wird und die Betroffenen durch soziale Netze in der ersten Zeit nach einem solchen tragischen Tod, ausreichend aufgefangen werden. Dabei soll der bürokrati­sche Aufwand für die Betroffenen gering gehalten werden, um einerseits eine ausrei­chende Trauerphase, aber auch eine körperliche Regeneration, zu ermöglichen.

Solche Fälle können in verschiedenen sozial- und arbeitsrechtlichen Stadien zum Tra­gen kommen, weshalb unterschiedliche Gesetzesänderungen zu Bedenken sind, um entsprechende Graubereiche zu beseitigen und Rechtssicherheit zu schaffen. Es geht hier nicht nur um die Rechtssicherheit für die betroffenen Eltern, sondern auch um eine Rechtssicherheit für die Arbeitgeber_innen, die in den entsprechenden Situationen oft vor unangenehme Entscheidungen gestellt werden.

Bei der Betrachtung der Problematik ist insbesondere der Zeitpunkt des Endes der Schwangerschaft bzw. der Zeitpunkt des Todes des Kindes von Bedeutung.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 67

Fehl- und Totgeburten

Nach einer Fehlgeburt (Geburtsgewicht unter 500 Gramm, kein Lebenszeichen) sieht das Mutterschutzgesetz keine Freistellung für betroffene Frauen vor. Betroffene Frauen werden aufgrund des medizinischen Eingriffes krank geschrieben, ein darüber hinaus­gehender Schutz ist trotz einer oft bereits monatelangen Schwangerschaft und Geburt nicht gegeben. Selbst wenn man in diesem Zusammenhang eine Krankschreibung als ausreichend erachtet, sollten hier die Umstände ins Auge gefasst werden, die auch eine Begründung des Mutterschutzes darstellen: der gesundheitliche und körperliche Schutz der Mutter. Aus diesem Grund scheint eine arbeits- und sozialrechtliche Absi­cherung durch einen Krankenstand nicht der Situation entsprechend.

Im Falle einer Totgeburt (Geburtsgewicht mindestens 500 Gramm und ohne Lebens­zeichen) hat die betroffene Frau Anspruch auf vollen Mutterschutz, also 16 Wochen in Summe. Gerade in diesem Fall kommt eine quasi willkürlich festgelegte Grenze des Geburtsgewichtes zu tragen, die eine Ungleichbehandlung deutlich macht. Wiegt das Kind über 500 Gramm hat die Mutter Anspruch auf vollen Mutterschutz. Bei einigen Gramm darunter hat die Mutter keinerlei Ansprüche. Aus diesem Grund ist diese 500 Gramm-Grenze auch arbeits- und sozialrechtlich in Frage zu stellen. Insbesondere auch deswegen, weil ein geringfügiger Gewichtsunterschied nicht darüber Aufschluss geben kann, inwiefern die körperliche Verfassung der Mutter tatsächlich durch eine Schwangerschaft bzw. durch eine Fehl- bzw. Totgeburt angeschlagen ist.

Wesentlich sind in diesem Zusammenhang auch die Auswirkungen auf den Kündi­gungsschutz der betroffenen Mütter. Dieser endet bei einer Fehlgeburt sofort, bei einer Totgeburt endet der Kündigungsschutz je nach Zeitpunkt der Geburt vier Wochen nach Ablauf des Mutterschutzes. Zwar gäbe es Möglichkeiten einer Anfechtung oder von Schadenersatz bei einer Kündigung nach einer Fehlgeburt nach dem Gleichbehand­lungsgesetz, aber auch hier zeigt sich, wie unterschiedlich die Folgen der Anwendung der 500 Gramm-Grenze für die Mütter sind. Eine entsprechende Angleichung sollte des­halb angedacht werden bzw. ein Überdenken der 500 Gramm-Grenze.

Kindstod

Im Falle eines Kindstodes muss der Zeitpunkt betrachtet werden, in dem dieser eintritt. Wenn der Tod des Kindes in die Zeit des Mutterschutzes fällt, ist jedenfalls eine soziale Absicherung bis zum Ende des Mutterschutzes gegeben (da der Mutterschutz nicht an das Kind, sondern an die Geburt geknüpft ist) – Der Kündigungsschutz endet vier Mo­nate nach Ende des Mutterschutzes. Falls der Mutterschutz kurz nach dem Kindstod endet sollte angedacht werden, eine Verlängerung des Mutterschutzes bzw. eine auto­matische Dienstfreistellung zu ermöglichen. Ohne Kind ist nach Ablauf des Mutter­schutzes kein Kinderbetreuungsgeld (und Karenz) vorgesehen. Verstirbt das Kind bei­spielsweise in der letzten Woche des Mutterschutzes, wäre jegliche sozialrechtliche Ab­sicherung eine Woche später zu Ende.

Verstirbt das Kind während des Bezuges von Kinderbetreuungsgeld bzw. in der Karenz besteht ab dem Folgetag des Todes kein Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld. In die­sem Fall müssen sich die betroffenen Frauen (Männer) schon am Folgetag beim Ar­beitgeber melden. Dieser könnte die umgehende Arbeitsaufnahme fordern. Tut er dies, wird den betroffenen Eltern vorgeschlagen, in Krankenstand zu gehen. Durch die psy­chische Ausnahmesituation sind die betroffenen Eltern tatsächlich nicht arbeitsfähig, ein Krankenstand ist aber eine unzureichende Lösung, da dieser für die Eltern wieder mit Bürokratie und Hürden und Einschränkungen verbunden ist. Bei Aufforderung zum Dienstantritt ist auch zu beachten, dass in diesem Fall der Kündigungsschutz noch immer im Krankenstand, ist eine Kündigung leichter zu rechtfertigen. Erfolgt keine Auf­forderung zum Dienstantritt, weil z.B. eine Karenzvertretung eingestellt wurde, müsste


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 68

sich die Betroffene beim AMS arbeitslos melden, um sozialrechtlich durch den Bezug von Arbeitslosengeld abgesichert zu sein. Problematisch ist diese Situation auch da­hingehend, wenn eine betroffene Mutter oder ein betroffener Vater aufgrund einer Nicht-Erwerbstätigkeit bzw. nicht ausreichender Versicherungszeiten, keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat und dementsprechend zur Absicherung ein bürokratischer Spießrutenlauf nötig ist, um eine bedarfsorientierte Mindestsicherung zu beziehen. Gerade in einer solchen Lebenssituation stellt dies eine nicht zu bewältigende Situation für die Eltern dar.

Wie bereits erwähnt ist die angesprochene Situation auch für die jeweiligen Arbeitge­ber_innen keine angenehme und ein entsprechender Rechtsrahmen würde es diesen erleichtern Entscheidungen zu treffen. Der Dienstgeber ist gezwungen, eine Entschei­dung zu treffen, so könnte er eine Rückkehr verlangen, muss diese aber nicht ermögli­chen, was in vielen Fällen aufgrund der Einstellung einer Karenzvertretung auch er­folgt. Eine automatische Verlängerung des Kinderbetreuungsgeldbezuges und der Ka­renz würde hier einen entsprechenden Zeitraum schaffen, in dem Dienstgeber_innen und die betroffenen Eltern Lösungen suchen können, anstatt dies quasi sofort nach dem Tod des Kindes zu verlangen.

Situation der Väter

Auch Väter trifft ein solcher Zwischenfall schwer, zwar nicht körperlich, emotional bzw. psychisch. Eine Dienstfreistellung – wie bei anderen familiären Angelegenheiten – wä­re im Falle von Fehl-/Totgeburten zu berücksichtigen. Gegenwärtig sind die konkreten familiären Angelegenheiten und die entsprechend zustehende Dienstfreistellung kollek­tivvertraglich geregelt. Ursprünglich sollen solche Dienstfreistellungen jedoch aus­schließlich ermöglichen, die erforderlichen Behördengänge zu erledigen. Gerade in diesem Zusammenhang sollte aber auch eine erweiterte Dienstfreistellung gewährt werden.

Die beschriebenen Situationen und dementsprechenden arbeits- und sozialrechtlichen Rahmenbedingungen zeigen deutlich auf, dass eine genauere Betrachtung und Bear­beitung der Problematik wichtig ist, um entsprechende rechtliche Graubereiche zu be­seitigen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz und die Bundesmi­nisterin für Familie und Jugend werden aufgefordert eine verbesserte arbeits- und so­zialrechtliche Absicherung von Eltern im Falle einer Fehlgeburt, einer Totgeburt oder eines Kindstodes umzusetzen.“

*****

 


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Dr. Belakowitsch-Je­newein. – Bitte.

 


11.57.33

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst zur Regierungsvorlage: Dazu wurde ja, denke ich, schon alles gesagt. Wir werden dieser Vorlage unsere Zustim­mung geben, weil ich glaube, dass es eine Vereinfachung und letztlich eine notwen-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 69

dige Umsetzung ist. Die Verschlechterungen, Frau Kollegin Schatz, die Sie hier ange­führt haben, sehe ich in dieser Massivität, ehrlich gesagt, nicht. Ich kann dem nicht ganz folgen.

Ich möchte aber auf den Antrag des Kollegen Loacker eingehen, nämlich auf die schwie­rige sozialrechtliche Absicherung für Eltern bei Problemen. Wir haben jetzt schon viel gehört, vor allem Ihre Stellungnahme im Ausschuss, Frau Kollegin Königsberger-Lud­wig, und die des Kollegen Spindelberger.

Der ganz große Unterschied zwischen dem Mutterschutz und einem Krankenstand ist meiner Ansicht nach natürlich der Kündigungsschutz. – Ja, Frau Kollegin, Sie haben recht, manches Mal mag es, zumindest vermeintlich, besser sein, schnell wieder arbei­ten zu gehen. Dem Argument kann ich wohl etwas abgewinnen, obwohl ich manchmal denke: Es ist vielleicht auch nur eine Verdrängung. – Aber das zu bewerten, steht mir jetzt gar nicht zu.

Die Frage, die sich allerdings stellt, ist: Müssen wir nicht doch eine Änderung über­legen, die man vielleicht auch flexibel gestalten kann? Es gibt den starren Mutter­schutz. Das ist auch gut so. Ich möchte den auch nicht aufweichen, aber die Frage ist, ob es nicht sozusagen eine Verlängerung auf Antrag geben kann, die man genau de­finiert.

Ich glaube schon, dass ein verlängerter Mutterschutz in manchen Fällen sinnvoll wäre. Es gibt von der Volksanwaltschaft einige Fälle, die natürlich Extremfälle sind, aber ge­nau die sind es, die vermutlich zu diesem Antrag geführt haben. Da gibt es das Bei­spiel der Frau N. Sie brachte ihr Kind in der 32. Schwangerschaftswoche zur Welt, und es war aufgrund eines Chromosomendefektes unter 500 Gramm schwer. Das heißt, die Frau musste rein theoretisch am Tag nach dieser Geburt wieder arbeiten gehen. Da gibt es null Absicherung, null Mutterschutz, und ich glaube, da müsste man natür­lich einen Ansatz finden und manches Mal von diesem starren Gefüge der 500 Gramm weggehen, weil eben genau dieser Fall zeigt, dass es aufgrund von Erkrankungen auch in einer sehr späten Schwangerschaftswoche zu einem sehr geringen Geburtsge­wicht kommen kann.

Ein anderer Fall, der hier von der Volksanwaltschaft beschrieben wurde, ist der plötz­liche Kindstod im Zuge der Geburtsphase, das heißt, dieses Kind wurde still geboren, und daher hatte die Frau nur den achtwöchigen Mutterschutz und war damit letztlich überfordert.

Ich denke, dass man sich sehr wohl auch beim Mutterschutz neben dem bestehenden System einen variablen Mutterschutz für Extremfälle überlegen kann, der eben nicht verpflichtend ist. Sie sagen, dass es Mütter gibt, die nach acht Wochen arbeiten gehen wollen, da sie glauben, dass es ihnen hilft. Da möchte ich nicht diejenige sein, die sie bevormundet. Aber jenen, die es brauchen oder die sagen, sie würden gerne noch einige Zeit dieses Trauma verarbeiten, soll man auch die Möglichkeit geben, den Mut­terschutz um vier Wochen zu verlängern.

Etwas ist mir noch aufgefallen, etwas, das der Kollege Loacker noch in seinem Antrag angesprochen hat, nämlich folgende Geschichte: Ist ein Kind in einem Brutkasten, in einem Inkubator und stirbt nach sieben Wochen, dann endet der Mutterschutz. In die­sem Fall ist es natürlich schon ein bisschen schwieriger, aber auch da könnte man flexibel noch maximal vier Wochen anhängen, da gibt es sicher Möglichkeiten. Das sind allerdings spezielle Fälle.

Da ich jetzt schon darauf eingegangen bin, möchte ich ganz kurz zum Antrag des Kol­legen Franz, den er betreffend den Tod eines Kindes allgemein einbringen wird, etwas sagen. Ich glaube, man sollte das nicht vermengen und vermischen. Ich denke, der


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Tod eines Kindes ist etwas, was sich wahrscheinlich keiner von uns vorstellen möchte, aber ich halte eine Vermischung dieser beiden Thematiken nicht für sinnvoll. Ich habe mir Ihren Antrag durchgelesen. Wir werden dem in dieser Form nicht unsere Zustim­mung geben, zumal ich keine Ungleichbehandlung sehe, denn es macht wohl einen Unterschied, ob ich unmittelbar nach der Geburt ein Kind verliere, eben eine stille Ge­burt habe, oder ob das, sage ich jetzt einmal, bei einem zehnjährigen Kind geschieht.

Es macht vielleicht für die Psyche keinen Unterschied, wohl aber einen körperlichen Unterschied. Wir werden Ihrem Antrag daher keine Zustimmung geben, wiewohl ich Ihre Intention positiv sehe. Ich glaube, dass man sehr viel mehr an rechtlicher Absi­cherung machen muss, denn bei den Beispielen, die Sie gebracht haben – dass zum Beispiel Handelsangestellte beim Tode eines Kindes einen Arbeitstag frei bekommen, das ist eine Verhöhnung –, da bin ich wohl bei Ihnen, da gehört mit Sicherheit mehr getan. Aber in dieser Form werden wir die Zustimmung nicht geben. (Beifall bei der FPÖ sowie der Abgeordneten Königsberger-Ludwig und Loacker.)

12.02


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Franz. – Bitte.

 


12.02.41

Abgeordneter Dr. Marcus Franz (STRONACH): Wertes Präsidium! Hohes Haus! Ich darf mit einem Zitat aus der Antike beginnen, von Euripides: „Läßt für die Sterblichen größeres Leid je sich erdenken, als sterben zu sehen die Kinder?“

Dieser Satz drückt schon alles aus, worum es heute bei dieser Thematik geht.

Ich denke, der Tod von Kindern, seien es neugeborene Kinder, sei es eine Totgeburt, sei es ein zehnjähriges Kind, sei es ein sechs Monate altes Baby, ist immer ein extrem schreckliches Ereignis. Ich bin nicht Ihrer Meinung, dass das unterschiedlich zu bewer­ten ist, und wenn, dann nur hinsichtlich der emotionalen Qualität der Verbindung zwi­schen Vater, Mutter und Kind, denn je größer ein Kind ist, desto mehr Emotionalität ist da. Das Todesereignis rund um die Geburt oder auch vor der Geburt ist ja mit weniger Emotionalität und weniger Bezug zum Kind verbunden als ein späterer Kindstod.

Ich sehe da eine große Problematik im Umgang mit der Trauer, wie wir sie heute pfle­gen. Wir reden immer von der Kälte, die die Gesellschaft durchdringt, von der sozialen Kälte, geben aber den archaischen, urtümlichen Gefühlen viel zu wenig Raum. Sie ha­ben das Beispiel schon zitiert, dass man laut Kollektivvertrag nur einen Tag frei be­kommt. „Frei bekommen“, das ist überhaupt ein komischer Ausdruck für einen Trau­ertag. Einen Trauertag nach dem Tod eines Kindes halte ich für völlig inadäquat. Wir haben früher vom Trauerjahr gesprochen und reden heute noch immer davon. Ich den­ke, man muss als Mutter und als Vater nicht ein Jahr trauern und nicht in die Arbeit ge­hen, aber das sind ganz wichtige Punkte, denen wir uns auch gerade in einer Zeit widmen müssen, in der die Emotionalität auf der Abschussliste steht und verloren geht, wo wir alle nur mehr von Not, Armut et cetera sprechen.

Es ist auch eine extreme emotionale Armut zu beobachten, und gerade in diesem Be­reich steht es Politikern gut an, mehr zu tun, um zum Beispiel auch die kollektivver­tragliche Situation für Eltern, deren Kindern etwas zugestoßen ist – ein tödlicher Unfall zum Beispiel, wenn das Kind zu Tode gekommen ist –, zu verbessern und für diese bedauernswerten Menschen etwas zu tun. (Beifall beim Team Stronach.)

Daher gestehe ich dem Abgeordneten Loacker zu, dass er meine Anregungen aus der Debatte im Gesundheitsausschuss aufgenommen hat und sich ein bisschen besser über die unterschiedlichen Definitionen von Abort, Frühabort, Spätabort, Totgeburt et cetera informiert hat. Da werden Menschen in Klassen eingeteilt, nämlich zum Teil


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 71

noch ungeborene Menschen, denen misst man unterschiedliche Wertigkeiten zu. Auch der Trauer und dem Umgang der Gesellschaft mit den trauernden Eltern misst man un­terschiedliche Wertigkeiten zu, die werden eingeteilt.

Daher werden wir dem Antrag zwar zustimmen, aber weitergehend einen Entschlie­ßungsantrag einbringen, der sich aus unserer Sicht dieser wirklich grundlegenden emotionalen Problematik globaler widmet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Franz, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Gleichbehandlung bei der Dienstfreistellung bei Tod eines Kindes“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat ehestmöglich eine Regie­rungsvorlage zuzuleiten, die eine einheitliche Regelung mit einer Gleichbehandlung aller Eltern im Falle des Todes eines Kindes vorsieht, egal aus welchem Arbeits- oder Versicherungsverhältnis die Finanzierung dafür letztendlich getragen wird.“

*****

Danke schön. (Beifall beim Team Stronach.)

12.06


Präsident Karlheinz Kopf: Der von Herrn Abgeordnetem Dr. Franz soeben einge­brachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Franz, Kolleginnen und Kollegen

betreffend „Gleichbehandlung bei der Dienstfreistellung bei Tod eines Kindes“

Eingebracht zu TOP 7: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 1013/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sozial- und Arbeitsrechtliche Absicherung von Eltern im Falle von Fehl- und Totgeburten und Kindstod (570 d.B.)

Der Tod eines Kindes stellt eine Ausnahmesituation für die betroffenen Eltern dar und führt bei vielen Eltern arbeitsrechtlich zu einem Problem: Nach dem Tod eines Neuge­borenen verfällt für die Mutter der Karenzanspruch, sie ist somit gezwungen, sofort wieder zu arbeiten. Auch beim Tod eines Kleinkindes erlischt der Anspruch auf Kinder­betreuungsgeld. Einen Schutzzeitraum gibt es hier nicht!

Laut § 1154b Abs.5 und Abs. 6 ABGB gilt für Arbeiter folgendes:

„(5) Der Dienstnehmer behält ferner den Anspruch auf das Entgelt, wenn er durch an­dere wichtige, seine Person betreffende Gründe ohne sein Verschulden während einer verhältnismäßig kurzen Zeit an der Dienstleistung verhindert wird. (Quelle: (BGBl I 2000/44), https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/BgblPdf/2000_44_1/2000_44_1.pdf)

(6) Durch Kollektivvertrag können von Abs. 5 abweichende Regelungen getroffen wer­den, es sei denn, die Dienstverhinderung im Sinne des Abs. 5 besteht aufgrund per­sönlicher Betroffenheit des Dienstnehmers oder der Dienstnehmerin durch eine Ka­tastrophe. Bestehende Kollektivverträge gelten als abweichende Regelungen.“ (Quelle: (BGBl 2013/145), http://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/BgblAuth/BGBLA_2013_I_145/
BGBLA_2013_I_145.pdf)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 72

Ein Sonderurlaub bezüglich Todesfall wird im Kollektivvertrag geregelt.

Für Angestellte gilt § 8 Abs.3 AngG:

„(3) Der Angestellte behält ferner den Anspruch auf das Entgelt, wenn er durch andere wichtige, seine Person betreffende Gründe ohne sein Verschulden während einer ver­hältnismäßig kurzen Zeit an der Leistung seiner Dienste verhindert wird.“

Es gibt hier keine fixe Angabe, der Sonderurlaub wird hier verhältnismäßig gegeben.

Im Kollektivvertrag für Angestellte des Metallgewerbes (Quelle: Gewerkschaft der Pri­vatangestellten, Druck, Journalismus, Papier) ist dies wie folgt geregelt:

㤠8 Freizeit bei Dienstverhinderung

Bei angezeigtem und nachträglich nachgewiesenem Eintritt nachstehender Familienan­gelegenheiten ist jedem Angestellten eine Freizeit ohne Schmälerung seines monatli­chen Entgeltes in folgendem Ausmaß zu gewähren:

Beim Tod des (der) Ehegatten (-gattin) oder des (der) eingetragenen Partners (Partne­rin) 3 Arbeitstage

Beim Tode des Lebensgefährten (Lebensgefährtin), wenn er (sie) mit dem Angestellten im gemeinsamen Haushalt lebte 3 Arbeitstage

Beim Tode eines Elternteiles 3 Arbeitstage

Beim Tode eines Kindes. Bei Stief- oder Adoptivkindern nur, sofern sie mit dem Ange­stellten im geimsamen Haushalt lebten 3 Arbeitstage

Beim Tode von Geschwistern, Schwiegereltern und Großeltern 1 Arbeitstag.“

Im Kollektivvertrag für die Handelsangestellten Österreichs ist dies wie folgt geregelt:

Bei angezeigtem und nachträglich nachgewiesenem Eintritt nachstehender Familienan­gelegenheiten besteht gemäß § 8 Abs. 3 Angestelltengesetz Anspruch auf Fortzahlung des Entgeltes z.B. in folgenden Fällen:

 „() c) bei Tod des Ehegatten bzw. Lebensgefährten, wenn er (sie) mit dem Ange­stellten im gemeinsamen Haushalt lebte 2 Arbeitstage

() e) bei Tod der Eltern, Schwiegereltern oder der Kinder 1 Arbeitstag.“

Die unterfertigten Abgeordneten stellen nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat ehestmöglich eine Regie­rungsvorlage zuzuleiten, die eine einheitliche Regelung mit einer Gleichbehandlung al­ler Eltern im Falle des Todes eines Kindes vorsieht, egal aus welchem Arbeits- oder Versicherungsverhältnis die Finanzierung dafür letztendlich getragen wird.“

*****

 


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Obernosterer. – Bitte.

 


12.06.23

Abgeordneter Gabriel Obernosterer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Lie­be Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren auf der Galerie und zu Hause vor den Fernsehgeräten! Zum Tagesordnungspunkt 6, Arbeitnehmer­schutz-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 73

und Mutterschutzgesetz, eine Umsetzung von EU-Recht, die wir heute beschließen wol­len. Frau Kollegin Schatz, ich habe Ihren Ausführungen dazu, warum Sie diesem Ge­setz nicht zustimmen wollen, sehr aufmerksam zugehört. Sie glauben, dass dieser Schutz zu wenig weit geht.

Ich möchte Sie einladen, einmal zu mir in meinen Betrieb zu kommen, in die Wäsche­rei, in die Lagerräume, wo Chemikalien aufbewahrt werden, um dort zu sehen, welcher Informationsstand dort heute schon gewährleistet sein muss. Oder vielleicht wäre es überhaupt besser, einmal mit einem Arbeitsinspektor mitzugehen, wenn er diese Be­triebe kontrolliert. Sie können sich vorstellen, diese Schutzmaßnahmen, Vorschriften und Auflagen sind wirklich weitreichend. Sie wissen, als wir das Thema letztes Mal im Ausschuss behandelt haben, war mein Kommentar dazu – wir sind jetzt statt bei neun bei zehn Gefahrengütern, es ist also ein Punkt dazugekommen –: Wichtig ist der Ar­beitnehmerschutz, das ist einer der wichtigsten Punkte in einem Betrieb.

Das betrifft ja nicht nur den Arbeitnehmer, das betrifft ja den Arbeitgeber genauso. Wir haben im Betrieb auch einige Sicherheitsbeauftragte, diese Leute werden eingeschult. Wir müssen aber darauf achten, wie das in der Praxis ausschaut, wenn wir immer wie­der neue Auflagen, in dem Fall wieder eine Erweiterung, machen.

Wir wissen es: Wenn wir auf der Straße unterwegs sind und alle paar hundert Meter eine Verbotstafel steht, dann schauen wir mit der Zeit nicht mehr, was dort steht, und genauso ist es bei diesen Lagerräumen. Wenn neue Vorschriften dazukommen, müs­sen wir darauf achten, welche Vorschriften, welche Auflagen, welche Plakate, die dort hängen müssen, wir weggeben können, damit die Mitarbeiter, aber auch der Unterneh­mer, wenn sie in den Betrieb gehen, immer wieder aufmerksam gemacht werden, wo­rauf sie aufpassen müssen.

Wir kennen alle die Praxis: Wenn dort ein, zwei oder drei Tafeln stehen, wenn etwas klar deklariert ist, dann schaut man hin und man weiß, was los ist. Hängen dort 10 oder 15 Tafeln, dann liest das keiner mehr durch, schaut keiner mehr hin, obwohl es einen Sicherheitsbeauftragten gibt, der sich damit und mit den Mitarbeitern auseinandersetzt.

Ich glaube sehr wohl, dass diese Verordnung, die jetzt umgesetzt wird, ausreichend ist. Wir müssen aber auch in Zukunft darauf achten, was neu dazu kommt, was zu er­gänzen ist und was an altem Bestand da ist, das wir nicht mehr brauchen und weg­geben können; denn unser aller Ziel muss ein ordentlicher Mitarbeiterschutz sein.

Ganz kurz noch zu Tagesordnungspunkt 8, zu diesem Antrag zum Anti-Mobbing-Ge­setz von Frau Schenk vom Team Stronach: Dieser Antrag wird nicht das erste Mal eingebracht. Er wurde vom Justizministerium ja schon öfter geprüft. (Abg. Schenk: Zy­nisch!) Wir kennen auch die Stellungnahme des Justizministeriums, die ganz klar ist. Das bestehende Gesetz ist ausreichend, und weitere Punkte (Abg. Schenk: Keine Rechtssicherheit!), die dort hineinkommen sollten, würden praktisch dieses Gesetz noch unübersichtlicher machen. Da vertraue ich auf das Justizministerium. Deshalb stimmen wir diesem Antrag nicht zu. Ich danke vielmals. (Beifall bei der ÖVP.)

12.09

12.10.01

 


Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vor­nehme.

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 6: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz und das Mutterschutzgesetz geändert wer­den, samt Titel und Eingang in 528 der Beilagen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 74

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung diesem Gesetzesantrag zustimmen wollen, um ein Zeichen. – Das ist wiederum die Mehrheit. Der Gesetzent­wurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 7: Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 570 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen. – Das ist die Mehr­heit und somit angenommen.

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Loacker, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Arbeits- und Sozialrechtliche Absicherung im Falle von Fehl- und Totgeburten und Kindstod.

Wer dafür ist, gebe bitte ein Zeichen. – Das ist die Minderheit und somit abgelehnt.

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Franz, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „Gleichbehandlung bei der Dienstfreistellung bei Tod ei­nes Kindes“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen. – Das ist die Min­derheit und somit abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 8: Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 571 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen. – Das ist die Mehr­heit und somit angenommen.

12.12.219. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 945/A der Ab­geordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz geändert wird (572 d.B.)

10. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 948/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend schritt­weise Senkung der Arbeiterkammerumlage (573 d.B.)

11. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 20/A der Ab­geordneten Mag. Judith Schwentner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 24. Oktober 1967 betreffend den Familienlastenausgleich durch Beihilfen (Familienlastenausgleichsgesetz 1967) idF des BGBl. I Nr. 81/2013 geändert wird (574 d.B.)

12. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 1043/A(E) der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Umsetzung des Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz (575 d.B.)

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 75

Präsident Karlheinz Kopf: Wir kommen nun zu den Punkten 9 bis 12 der Tagesord­nung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Ich erkenne keinen Wunsch auf mündliche Berichterstattung.

Wir gehen daher gleich in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Kassegger. – Bitte.

 


12.13.38

Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Wir besprechen jetzt einige sehr heterogene Tagesord­nungspunkte, ich werde zu Tagesordnungspunkt 10 sprechen, zum Antrag des Kolle­gen Loacker zur Senkung der Arbeiterkammerumlage. Bevor ich dies mache, möchte ich sehr herzlich eine Abordnung der Bürgerinitiative „Hochwassersicheres Wörgl“ be­grüßen. – Herzlich willkommen. (Allgemeiner Beifall.)

Beim gegenständlichen Antrag geht es um die schrittweise Senkung der Arbeiterkam­merumlage. Dieser Antrag ist im Ausschuss für Arbeit und Soziales – ich bin geneigt zu sagen: erwartungsgemäß – abgelehnt worden. Dafür gestimmt haben die NEOS und die Freiheitliche Partei. Anlässlich der Diskussion zu diesem Antrag sind auch ein paar interessante Zahlen zur Sprache gekommen, die ich kurz ansprechen möchte.

Arbeiterkammerumlage: Die Steigerungsquoten in den letzten Jahren sind nicht uner­heblich, wir reden da von ungefähr 400 Millionen € Zwangsbeiträgen. Das korrespon­dierende Beispiel, sozusagen in der schwarzen Reichshälfte, ist die Wirtschaftskam­mer mit Wirtschaftskammerbeiträgen in der Höhe von ungefähr 800 Millionen €.

Es ist immer wieder das Gleiche bei diesen Institutionen, die ich als sogenannten ge­schützten Bereich bezeichnen möchte, da sie den besonderen Schutz des Gesetzge­bers genießen, der im konkreten Fall sogar verfassungsrechtlich abgesichert ist. Sie erinnern sich: 2007 wurde die Zwangsmitgliedschaft in den Kammern im Verfassungs­rang mit den korrespondierenden Fixeinnahmen für diese Institutionen einbetoniert.

Man trifft immer wieder auf dieselben Bereiche, das geht auch aus einer Anfragebe­antwortung hervor. Es geht immer um die Themen Sonderpensionen, Rücklagen, Rück­stellungen in doch erheblicher Höhe, und so ist es auch in diesem Punkt. In der Arbei­terkammer ist auffällig, dass die personalabhängigen Rückstellungen für Sonderpen­sionen, Abfertigungen et cetera in den letzten zehn Jahren um 91 Prozent gestiegen sind und rund 130 Millionen € betragen. Die allgemeinen freien Rücklagen sind in den letzten zehn Jahren auch stark gestiegen und betragen 111 Millionen €, das heißt, das ist das Geld, dass sich diese Parallelkönigreiche als Reserve auf die Seite legen kön­nen. Gleichzeitig wissen wir im allgemeinen Budget schon nicht mehr wohin vor lauter Schulden. Das heißt, in diesem geschützten Bereich hat man die Möglichkeit, sich Geld auf die Seite zu legen

Was ist jetzt die Leistung? – Wie gesagt, bei Sonderpensionen und Rücklagen ist das immer eine Frage der Input-Output-Relation. Wir sind – und das sagen wir auch immer wieder, das gilt sowohl für die Wirtschaftskammer als auch für die Arbeiterkammer – nicht davon überzeugt, dass eine gesunde Relation besteht zwischen dem, was es die Unternehmen kostet, und dem, was es ihnen bringt. – Ich sage bewusst Unternehmen und nicht Unternehmer, denn der Dienstgeber und der Dienstnehmer sitzen ja gemein­sam im gleichen Boot, in das von dieser schwarz-roten Regierung fortwährend Löcher gebohrt werden. Wir beklagen uns – oder Sie beklagen sich –, dass jetzt das Wirt­schaftswachstum in Österreich praktisch zum Erliegen gekommen ist, dass sozusagen der Vortrieb dieses Bootes zum Erliegen gekommen ist. Es ist klar: Diejenigen, die im Boot sitzen, nämlich die Privatwirtschaft, sind ausschließlich damit beschäftigt, das Wasser aus dem Boot zu schöpfen, und können sich nicht mehr darum kümmern, dem Boot einen Vortrieb zu geben.


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Ein Thema in diesem Bereich ist auch, dass immer sehr, sehr viel Geld für Kampagnen ausgegeben wird – in der Arbeiterkammer zum Beispiel, und ich zitiere hier Franz Gosch, einen christlichen Gewerkschafter aus der Steiermark, der anlässlich des Wahl­kampfes vor den Arbeiterkammerwahlen gesagt hat: „Für derartige Kampagnen wer­den Hunderttausende Euro an Pflichtmitgliedsbeiträgen der steirischen Arbeitnehme­rinnen und Arbeitnehmer verschwendet. Dieses Geld wird von den Beschäftigten Mo­nat für Monat hart erarbeitet. Die FSG“ – die Fraktion Sozialdemokratischer Gewerk­schafter – „soll ihre Werbung aus eigener Tasche zahlen. Die Gelder der AK sind für ihre Mitglieder und nicht für Funktionäre einzusetzen.“ (Beifall bei der FPÖ sowie bei Abgeordneten der NEOS.)

Wie gesagt, wir haben diesem Antrag selbstverständlich zugestimmt, da wir auch der Meinung sind, das wäre ein gutes Signal für die Entlastung der Unternehmen gewesen. Wir sprechen ja von Lohnnebenkosten, wo wir leider Europameister sind. Die Arbei­terkammerbeiträge zu senken hätte eine Entlastung der Unternehmen bedeutet, auch die Wirtschaftskammerbeiträge zu senken wäre ein schönes Signal im Rahmen der Steuerreform gewesen.

Welche Signale geben Sie den Unternehmen im Rahmen der Steuerreform? Sie er­höhen die Kapitalertragsteuer, Sie verlängern die Abschreibungsdauer, Sie erhöhen privilegierte Umsatzsteuerbereiche, Sie erhöhen außerordentlich die Höchstbeitrags­grundlage für die Sozialversicherung, und Sie streichen die Bildungsprämie. Was sind das für Signale? – Das ist sicher kein Signal, das unseren Unternehmern hilft, in Zu­kunft in diesen schwierigen Zeiten erfolgreich zu sein. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir wissen alle, dass sich nichts ändern wird, ÖVP und SPÖ werden nichts tun, um diesen Zustand zu ändern. Warum nicht? – Diese Institutionen sind selbstverständlich Eckpfeiler ihrer Macht, und es geht um Machterhalt. Ich kann nur andeuten bezie­hungsweise klar feststellen: Wäre die FPÖ an der Macht, dann würden wir viele Löcher stopfen. In diesem Bereich kann ich zusagen, dass wir die Kammerbeiträge massiv senken würden, denn das würde eine Entlastung für die Unternehmen darstellen. Wir würden mittelfristig selbstverständlich auch die Abschaffung der Zwangsmitgliedschaft anstreben. Warum? – Weil das systemisch einen positiven Druck auf die Kammern ausüben würde, mehr Effizienz und Effektivität an den Tag zu legen! (Beifall bei der FPÖ.)

12.19


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Wimmer zu Wort. – Bitte.

 


12.20.00

Abgeordneter Rainer Wimmer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich möchte ebenfalls zum Antrag der NEOS Stellung nehmen, bei dem es darum geht, die Arbeiterkammern ganz massiv zu schwä­chen. Es ist für mich nicht verwunderlich, dass die Freiheitlichen hier eins zu eins sozu­sagen mitgehen und mitstreiten. Es ist in diesem Antrag ja daran gedacht, dass inner­halb von fünf Jahren das Budget der Arbeiterkammern um 50 Prozent reduziert werden soll. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wissen, wenn eine Institution um 50 Prozent weniger Budgetmittel zur Verfügung hat, dass natürlich auch die Qualität der Leistung dieser Institution massiv leidet. Das ist ein Angriff auf die Arbeitnehmerinnen und Ar­beitnehmer, meine sehr geschätzten Damen und Herren, und das wird es natürlich mit uns nicht geben. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Frage, die mich beschäftigt, ist – an die NEOS gerichtet, aber auch an die Freiheit­liche Partei –: Warum machen Sie so etwas? Oder: Was steckt dahinter? Sie wissen doch ganz genau, dass die Menschen die Arbeiterkammer wie einen Schutzschild brau-


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chen. Es gibt ja sehr, sehr viele Beispiele, die immer wieder belegen, wie wichtig diese Institution ist und wie viel Geld die Menschen von dieser Institution zurückerstritten be­kommen.

Jetzt weiß ich schon, Sie sagen, natürlich habe das damit überhaupt nichts zu tun – Herr Loacker, Sie haben mir das im Ausschuss bestätigt –, aber in Wirklichkeit geht es Ihnen darum, die Rechte der Arbeitnehmer zurückzudrängen. Und da werden wir dage­genhalten, ob Sie das wollen oder nicht! (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Da wäre es viel gerechter und auch ehrlicher, wenn Sie den wirklichen Grund nennen würden, wenn Sie sagen würden: Jawohl, wir wollen, dass die Menschen vielleicht bes­ser ausgebeutet werden können. Jawohl, wir müssen Vorsorge treffen, dass sie länger arbeiten, als das Arbeitszeitgesetz es vorsieht. – Sagen Sie es ganz ehrlich! Stellen Sie sich heraus und sagen Sie die Wahrheit! Wir haben Sie durchschaut, Herr Loacker! (Beifall bei der SPÖ.)

Kolleginnen und Kollegen, ich habe nicht sehr viel Redezeit, aber vielleicht nur ein paar Dinge:

„Werdende Mutter gefeuert – AK erkämpfte 5000 Euro Schadenersatz“.

„AK erkämpfte fast 13.000 Euro Nachzahlung für Ordinationshilfe“.

„AK erkämpft fast 75.000 Euro für acht Bauarbeiter“.

„AK verhalf Mechaniker zu 6700 Euro Nachzahlung“.

„AK erkämpfte 18.000 Euro für Leiharbeiter“.

„AK erkämpfte 18.500 Euro für Linzer Kellnerin“.

Und so geht es weiter, meine Damen und Herren!

2014 wurden 454 Millionen € durch die Arbeiterkammer erstritten. Das heißt gleichzei­tig, dass man diese den Arbeitnehmern vorenthalten hatte. Das ist in Wirklichkeit der Grund, warum hier ein massiver Angriff gestartet wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Abschließend: Herr Abgeordneter Kassegger, wir ha­ben Sie ebenfalls durchschaut. Und die Menschen draußen in den Betrieben wissen auch, wer hinter Ihnen steht. Es haben ja gestern zwei bemerkenswerte Betriebsrats­wahlen in Oberösterreich stattgefunden: einmal bei BMW Steyr – dort haben die frei­heitlichen Arbeitnehmer zwei Drittel ihrer Mandate verloren (Boah-Rufe bei der SPÖ) – und einmal bei Plasser & Theurer in Oberösterreich – da haben die Freiheitlichen die Hälfte ihrer Mandate verloren. Ich glaube, das ist eine deutliche Antwort auf das Ansin­nen, das Sie hier stellen wollen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.23


Präsident Karlheinz Kopf: Nun gelangt Frau Abgeordnete Mag. Schwentner zu Wort. – Bitte.

 


12.23.40

Abgeordnete Mag. Judith Schwentner (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! – Der ist da hinten irgendwo. (Bundesminister Hundstorfer spricht, neben der Regierungs­bank stehend, mit Abg. Neubauer.) – Werte Zuschauerinnen und Zuschauer! Ich gehe in erster Linie auf meinen Antrag ein, der sich auf die Anrechnung der erhöhten Fami­lienbeihilfe, die Menschen mit Behinderung bekommen, bezieht. In einigen Bundeslän­dern ist es Praxis – oder war es Praxis, wie mir zu Ohren gekommen ist –, dass diese erhöhte Familienbeihilfe, die bei Behinderung zusteht, bei der Mindestsicherung ange­rechnet wird und sich dadurch die Mindestsicherung reduziert.

Jetzt habe ich auch vernommen, wie gesagt, dass das in keinem Bundesland mehr der Fall sein soll, und Sie, die Regierungsparteien ÖVP und SPÖ, haben im Ausschuss si-


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gnalisiert, dass Sie dem Antrag nicht zustimmen werden. Trotzdem, auch wenn es jetzt nicht der Fall ist, bin ich da sehr skeptisch, weil wir aus der Praxis wissen, dass die Harmonisierung zwischen den Bundesländern, was die Mindestsicherung anbelangt, mangelhaft ist. Darüber haben wir auch gestern diskutiert.

Deswegen meine Frage und meine Bitte an Sie: Was spricht dagegen, diesem Antrag zuzustimmen, sodass es wirklich auch in Zukunft nicht der Fall sein kann, dass eine bei Behinderung zustehende erhöhte Familienbeihilfe bei der Mindestsicherung angerech­net wird?

Ich möchte in diesem Zusammenhang auch insgesamt auf Unzulänglichkeiten bei der Mindestsicherung eingehen.

Was ist die Mindestsicherung? – Die Mindestsicherung ist das letzte soziale Netz, das wir zu bieten haben für Menschen in einer äußerst schwierigen Lebenssituation, für viele Menschen, die durch ihren Beruf nicht genügend Einkommen haben und nicht damit auskommen und daher über die Mindestsicherung noch ein bisschen etwas da­zubekommen – viel zu wenig, wie wir meinen, aber immerhin. Es geht um Menschen, die durch alle Netze gefallen sind und in dieser Situation auf die Mindestsicherung an­gewiesen sind. Der Herr Minister – vielleicht möchte er einmal zuhören? – hat heute auch schon erwähnt, dass es da mittlerweile um 250 000 Menschen geht, wenn man auch die Kinder, die Mindestsicherungsempfänger sind, miteinberechnet. (Abg. Räd­ler: 170 000 in Wien!)

Ja, in Wien, und ich kann Ihnen sagen, warum: Weil es in der Praxis oft so ist, dass die Gemeinden für die Mindestsicherung zuständig sind, und weil die Mindestsicherung bei uns noch immer ein Thema ist, wo Menschen das Gefühl haben, sie sind als Bezieher dieser Leistung stigmatisiert, und daher Angst haben, darum anzusuchen. Und in Wien, wo erstens viel mehr Menschen leben ... (Abg. Rädler: Geh, das ist ja ! Sie haben ja keine Ahnung!) – Ja, reden Sie mit Menschen, die die Mindestsicherung be­kommen! Ich habe manchmal das Gefühl, ich weiß nicht genau, wo Sie sind und wie abgehoben Sie sind, aber offensichtlich haben Sie mit jenen Menschen, die darauf an­gewiesen sind, ganz wenig zu tun. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Rädler: Ich bin Bür­germeister! Aber Sie haben keine Ahnung!)

Spielen Sie nicht Zahlen gegen Zahlen aus, sondern schauen Sie, wie viele Menschen in Österreich darauf angewiesen sind! Und es kann nicht – das ist die Hauptaussage – von der Postleitzahl abhängig sein, wie viel ich bekomme, wie sehr ich schikaniert werde oder nicht, wie sehr ich Verfahren oder langen Entscheidungsdauern in den ein­zelnen Bundesländern ausgeliefert bin, sondern es muss von Westen bis Osten ganz gleich gewährleistet sein, dass man entsprechenden Zugang (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Rädler) und ein Recht auf diese Mindestsicherung hat, die wirklich das letzte soziale Netz ist, das wir anzubieten haben. (Abg. Rädler: Hängematte!)

Deswegen bitte ich Sie noch einmal um Ihre Unterstützung – wir haben auch gestern darüber diskutiert –: Wir haben einen entsprechenden Antrag eingebracht, der quasi einen bundesweiten Rahmen vorsieht, der nämlich gewährleisten soll, dass Menschen in Österreich, egal, wo sie leben, egal, welche Postleitzahl sie haben, den gleichen An­spruch und den gleichen Zugang zu dieser Mindestsicherung haben. (Abg. Rädler: Ur­laub für Arbeitslose!) Und ich verbitte mir in diesem Zusammenhang Polemik von Ihrer Seite. – Danke. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Rädler: Urlaub für Arbeitslose! – Ruf: Träumerei! – Abg. Rädler: Fern der Realität!)

12.27


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Obernosterer. – Bitte.

 



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12.27.41

Abgeordneter Gabriel Obernosterer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Lie­be Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren auf der Ga­lerie – ganz besonders heute die HAK Hollabrunn! Ein recht herzliches Grüß Gott hier im Hohen Haus!

Die Tagesordnungspunkte 9 bis 12 werden ja in einem Block verhandelt. Die Punkte 9 und 10 befassen sich mit der Arbeiterkammer – das wurde schon von den Vorrednern angesprochen. Bei Tagesordnungspunkt 9 geht es um das separate Ausweisen der Arbeiterkammerbeiträge, weil sie ja mit den Sozialversicherungsbeiträgen gekoppelt sind. Das wird in einzelnen Fällen gemacht, es ist gesetzlich nicht verankert, und es ist ja auch vorgesehen, dass dieses Thema dem Finanzausschuss zugewiesen und dann dort separat behandelt wird.

Zu Tagesordnungspunkt 10, der Forderung, in den nächsten fünf Jahren die Arbeiter­kammerbeiträge um die Hälfte zu reduzieren: Wir wissen, Österreich ist ein Sozialpart­nerstaat – Arbeiterkammer, Wirtschaftskammer –, dieses System hat sich bewährt. Wir wissen aber auch, dass die Wirtschaftskammer wie auch die Arbeiterkammer immer wieder auch an sich selbst arbeiten muss, um auf der einen Seite mit den Beiträgen nicht zu teuer zu sein, auf der anderen Seite aber das bestmögliche Service zu bieten. Jede dieser beiden Institutionen ist sich, glaube ich, ihrer Aufgabe auch wirklich be­wusst und ist auch ihren Beitragszahlern gegenüber verpflichtet, das in der Waage zu halten.

Vor einigen Jahren erfolgte vonseiten der Wirtschaftskammer in diesem Zusammen­hang eine 30-prozentige Absenkung der Beiträge. Jede dieser Institutionen hat für sich die Verantwortung, das Beste für ihre Mitglieder zu machen, und dies auch zum besten Preis; deshalb liegt das, wie gesagt, auch in der Hand der jeweiligen Institutionen.

Nun zum Tagesordnungspunkt 12, dem Antrag betreffend Umsetzung des Krankenan­stalten-Arbeitszeitgesetzes, der von den Freiheitlichen eingebracht wurde: Es geht hier, glaube ich, schwerpunktmäßig gerade um Wien, darum, dort die Gesundheitsvor­sorge mittel- und langfristig zu sichern. Wir wissen – der Herr Sozialminister hat das im Vorfeld mit den einzelnen Gesundheitsreferentinnen und ‑referenten abgesprochen –, in sieben Bundesländern sind die Gehaltsverhandlungen mit den Ärzten fertig, Tirol und Wien befinden sich noch in der Warteschleife. Laut den Ausführungen des Herrn Bundesministers – im letzten Ausschuss hat er uns auch darüber informiert – sind sie dort kurz vor dem Abschluss.

Die Zuständigkeit liegt in dieser Angelegenheit nicht beim Bund, sondern die Zustän­digkeit für die Ärzte und die Krankenvorsorge liegt, wie gesagt, auf Landesebene. – Dan­ke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

12.30


Präsident Karlheinz Kopf: Nun gelangt Frau Klubobfrau Ing. Dietrich zu Wort. – Bitte.

 


12.30.47

Abgeordnete Ing. Waltraud Dietrich (STRONACH): Geschätzter Herr Präsident! Ge­schätzter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Arbeiterkammerbeiträge sind Zwangs­beiträge (Ruf bei der SPÖ: Pflichtbeiträge!) – sie werden einfach vom Arbeitgeber einbehalten, und der Arbeitnehmer kann sich nicht entscheiden: Will ich bei dieser Ar­beitnehmervertretung dabei sein oder nicht?

Und, Herr Kollege Wimmer, wenn die AK so toll ist, so professionell arbeitet, dann bräuchten Sie ja keine Angst zu haben, wenn dieser Zwang aufgehoben würde, denn alle Arbeitnehmer würden selbstverständlich gerne bei der Arbeiterkammer dabei sein und sich von der Arbeiterkammer vertreten lassen. (Beifall bei Team Stronach und NEOS.)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 80

Ich kann Ihre Ängste nicht verstehen. Gute Arbeit, qualitätvolle Arbeit würde dafür sor­gen, dass die Arbeitnehmer gerne bei Ihnen wären. Aber Sie wollen die Leute durch Zwang dabei halten. Sie wollen sogar, dass der Arbeitgeber den Beitrag einbehält – und wir reden da, meine geschätzten Damen und Herren, von 390 Millionen € im Jahr! –, dass die Arbeitnehmer gar nicht wissen, wie viel Geld in diese Institution fließt. Ich sage Ihnen: Wir wollen Bewusstseinsbildung als mittleren Schritt und als Endschritt alle Zwänge weg, Selbstbestimmung! (Abg. Schopf: Nur der Herr Stronach! Ja, ge­nau! – Abg. Ehmann: Der Herr Stronach!)

Ja, wir reden von mündigen Bürgern. Wir wollen keine Leute, die zwangsbeglückt wer­den! Wir trauen es den Bürgern zu, dass sie selbst entscheiden können. (Beifall beim Team Stronach.)

Meine geschätzten Damen und Herren! So wie bei den Gewerkschaftsbeiträgen soll je­der sich entscheiden können: Bin ich dabei? Bin ich nicht dabei? So wollen wir das auch bei der AK haben – das heißt, im Nachhinein überweisen und von der Steuer ab­setzen können. Das wäre unser Weg.

In diesem Sinne bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ing. Waltraud Dietrich, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Steuer­liche Absetzbarkeit des Arbeiterkammer-Beitrages“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat einen Gesetzesentwurf vor­zulegen, der die steuerliche Absetzbarkeit der Arbeiterkammer-Zwangsbeiträge vorsieht.“

*****

Ich ersuche um Annahme. (Beifall beim Team Stronach.)

12.33


Präsident Karlheinz Kopf: Der soeben von Frau Klubobfrau Dietrich eingebrachte Ent­schließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ing. Dietrich, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Steuerliche Ab­setzbarkeit des Arbeiterkammer-Beitrages“

Eingebracht zu TOP 10: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 948/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen be­treffend schrittweise Senkung der Arbeiterkammerumlage (573 d.B.)

Wie die Tageszeitung Standard am 10.02.2015 online berichtete, durfte sich die Arbeit­nehmervertretung über ein kräftiges Plus in den vergangenen zehn Jahren freuen: „Im Jahr 2013 haben die Beschäftigten mehr als 390 Millionen Euro an Kammerumlage ab­geliefert. Das bedeutet einen Anstieg um mehr als 40 Prozent im Vergleich zu 2004. Zur Orientierung: Die Inflation machte im selben Zeitraum nur 24 Prozent aus. Erklär­bar ist der Anstieg leicht. Die AK-Umlage macht 0,5 Prozent des Bruttoeinkommens aus. Da die Zahl der Beschäftigten von Jahr zu Jahr steigt, steigen automatisch auch die Einnahmen der AK.“


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 81

Fast alle Arbeitnehmer gehören der Arbeiterkammer an, denn selbst Arbeitslose sind AK-Mitglieder, wenn sie mehr als ein Jahr in einem Arbeitsverhältnis gestanden sind oder einen längeren Bezug einer Leistung aus der Arbeitslosenversicherung hatten. Lehrlinge, geringfügig Beschäftigte, Arbeitnehmer in Karenz sowie Präsenz- und Zi­vildiener sind ebenso AK-Mitglieder. Wer Mitglied ist und wer nicht, entscheidet der Gesetzgeber, einige Personengruppen sind von der Mitgliedschaft ausgenommen wie zum Beispiel öffentlich Beschäftigte in der Hoheitsverwaltung, Beschäftigte in der Land- und Forstwirtschaft, die meisten Freiberufler sowie leitende Angestellte.

Der Mitgliedschaftsbeitrag ist im Arbeiterkammergesetz von 1992 gesetzlich festgelegt.

„§ 61. (1) Zur Bestreitung der Auslagen hebt jede Arbeiterkammer von den kammerzu­gehörigen Arbeitnehmern, die der Umlagepflicht unterliegen (§ 17), eine Umlage ein. (2) Die Höhe der Umlage wird für die einzelnen Arbeiterkammern von der Hauptver­sammlung der Bundesarbeitskammer beschlossen. Sie darf höchstens 0,5% der für die gesetzliche Krankenversicherung geltenden allgemeinen Beitragsgrundlage betragen, dabei darf die Höchstbeitragsgrundlage nach § 45 Abs. 1 lit. a des Allgemeinen Sozial­versicherungsgesetzes, BGBl. Nr. 189/1955, in der jeweils geltenden Fassung, nicht überschritten werden. (3) Die Arbeitgeber haben für die bei ihnen beschäftigten umla­gepflichtigen kammerzugehörigen Arbeitnehmer, für die sie gemäß § 58 Abs. 2 ASVG den Beitrag des Versicherten zur gesetzlichen Krankenversicherung schulden, die Ar­beiterkammerumlage bei jeder Lohn- oder Gehaltszahlung vom Lohn oder Gehalt ein­zubehalten.“

Eine steuerliche Absetzbarkeit der Arbeiterkammerumlage ist nicht vorgesehen, ob­wohl Gewerkschaftsbeiträge, sonstige Beiträge zu Berufsverbänden und Interessens­vertretungen und selbst eingezahlte Sozialversicherungsbeiträge sehr wohl als Wer­bungskosten geltend gemacht werden können.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat einen Gesetzesentwurf vor­zulegen, der die steuerliche Absetzbarkeit der Arbeiterkammer-Zwangsbeiträge vorsieht.“

*****

 


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hechtl. – Bitte.

 


12.33.30

Abgeordneter Johann Hechtl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätz­tes Hohes Haus! Ich möchte kurz auf Tagesordnungspunkt 9 eingehen, den Antrag der NEOS, in dem es um das gesonderte Ausweisen der Arbeiterkammerumlage auf der Lohnabrechnung geht.

Ich möchte klar erklären, dass die Sozialdemokratie und damit auch die SPÖ immer für Transparenz ist, immer für Transparenz sind (Abg. Neubauer: Wie bei den schwarzen Akten!), und wir wollen diese Transparenz auch auf der Lohnabrechnung gerne wieder­sehen. (Abg. Neubauer: Die schwarzen Akten sind sehr transparent!) Das zuständige Ministerium ist das Bundesministerium für Finanzen, und deshalb ist hier auch die Zu­weisung an den Finanzausschuss vorgesehen.

Zum Tagesordnungspunkt 10, der schon mehrmals angesprochen wurde: Die Forde­rung nach einer Senkung der Arbeiterkammerumlage, des Beitrags zur gesetzlichen In-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 82

teressenvertretung der Arbeitnehmer, kursiert ja schon einige Zeit. Und es ist bezeich­nend, dass das immer wieder von denselben Gruppen kommt, die damit quasi einen Anschlag auf diese erfolgreichen Arbeiterkammern in Österreich machen. (Abg. Neu­bauer: Was heißt „Anschlag“? Wie definieren Sie „Anschlag“?)

Und wenn wir das betrachten, auf der einen Seite die Einnahmen der Arbeiterkammern aus der Umlage, die gesetzlich geregelt ist mit 0,5 Prozent des Bruttoeinkommens, auf der anderen Seite aber auch den Output – also die Leistungen, die diese Arbeiterkam­mern für die Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer in Österreich erbringen –, so kön­nen wir feststellen, und das wird von Unabhängigen bestätigt, dass auf 1 € Arbeiter­kammerumlage eine Gegenleistung von 3 € kommt. Ich glaube, das zeigt deutlich, dass durch die Leistungen der Arbeiterkammern die Beiträge in mehr als doppeltem Maße wieder an die Arbeitnehmer zurückgehen.

Der Leistungsbericht – weil auch hier immer Transparenz eingefordert wird – zeigt deutlich – und ich darf das vielleicht an einem Beispiel der Arbeiterkammer Niederös­terreich festmachen, wo der Jahresbericht jährlich ausgewiesen und veröffentlicht wird und auch von den Mitgliedern und den Kontrollorganen Einsicht genommen werden kann –: Die Arbeiterkammern leisten einen wesentlichen Beitrag. Gerade in Zeiten wie diesen, in denen wir 70 Jahre Gründung der Zweiten Republik feiern, sei daran erin­nert: Es waren auch die Arbeiterkammern, die in der Paritätischen Kommission auf­grund der Sozialpartnerschaft wesentlich daran beteiligt waren, dass dieses Land so aufgebaut werden konnte.

Geschätzte Damen und Herren! Da die Zeit etwas knapp wird, sei vielleicht nur noch hinzugefügt: Es werden – so wurde mir berichtet – zwei Anträge von den NEOS einge­bracht, und zwar bezieht sich der eine darauf, die gesetzliche berufliche Vertretung und ihre Zweckmäßigkeit vom Rechnungshof zu prüfen. Das Arbeiterkammergesetz sieht genau vor, für welchen Zweck die Arbeiterkammerumlage verwendet werden darf: Die Arbeiterkammer hat die Aufgabe, die wirtschaftlichen, beruflichen, sozialen und kultu­rellen Interessen der Dienstnehmer zu vertreten und zu fördern. Wie sie diese Interes­sen vertritt und fördert, fällt unter die Selbstverwaltung und ist nicht Angelegenheit des Kontrollorgans, des Rechnungshofes – wobei ich anfügen möchte, dass bereits 1996 beschlossen wurde, dass der Rechnungshof die Arbeiterkammern und die gesetzlichen Interessenvertreter prüfen darf und diese Prüfung ab 1997 gesetzlich erfolgen konnte.

Der zweite Antrag zielt ab auf die Abschaffung der Zwangsmitgliedschaft. Geschätzte Damen und Herren! Diese Polemik kennen wir schon zur Genüge. Wir wissen ganz ge­nau, Zwang gibt es nicht bei den Arbeiterkammern, sondern eine Pflichtmitgliedschaft. Und wo ist der Unterschied? – Der Unterschied ist, dass Personen, die aufgrund einer Pflichtmitgliedschaft oder Nicht-Pflichtmitgliedschaft Arbeiterkammerumlage einbezah­len, sich auch befreien lassen können. Das sind vor allem jene Personen, die erhebli­chen Einfluss auf die Führung eines Unternehmens haben – die sind trotz ihres Un­selbständigenstatus nicht Mitglieder der Arbeiterkammer. Ich glaube, das zeigt auch ein bisschen den polemischen Gehalt mancher Aussagen, der bei den Debatten zu die­sem Thema immer wieder zutage tritt.

Sie werden verstehen, dass wir solche Anträge ablehnen, wenn sie gestellt werden. Wir möchten uns aber auch bei den Arbeiterkammern, bei den Organen der Selbstver­waltung, bei den Funktionärinnen und Funktionären, die wirklich tagtäglich großartige Arbeit leisten, und vor allem bei den Beschäftigten der Arbeiterkammern, die vor Ort mit den Problemen der Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer konfrontiert sind – und das sind gerade in diesen Zeiten nicht wenige, das weiß ich selbst aus meiner Tätig­keit –, recht herzlich für ihre Tätigkeit und ihren Einsatz bedanken. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.38



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 83

Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Wortmeldung: Herr Klubobmann Dr. Strolz. – Bitte.

 


12.38.29

Abgeordneter Mag. Dr. Matthias Strolz (NEOS): Herr Präsident! Herr Minister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Bürgerinnen und Bürger, die Sie heute auf der Galerie sitzen oder an den Bildschirmen zuschauen! Ich möchte zu den Tagesord­nungspunkten 9 und 10 sprechen, zum Thema Arbeiterkammer.

Natürlich brauchen wir Transparenz! Wenn allen Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh­mern 0,5 Prozent ihres Einkommens einfach weggeschnitten werden, dann ist es doch nur fair, dass wir das auf dem Lohnzettel ausweisen. (Beifall bei NEOS und Team Stronach.) Es ist ja grotesk, dass man da unter Zwang Leuten etwas wegschneidet und das nicht einmal ausweist. Also wie man so etwas ablehnen kann, das kriege ich ir­gendwie intellektuell nicht hin – außer, natürlich, wenn man sagt: Ich will meine Pfrün­de schützen! (Abg. Neubauer: Genau!)

Es gibt ein volles Bekenntnis von NEOS dazu, dass die Arbeiterkammer, die Wirt­schaftskammer, die Sozialpartnerschaft insgesamt große historische Verdienste um Ös­terreich haben. Sie haben uns natürlich mit in den Olymp des Wohlstands geführt. Das war die richtige Ansage im Jahr 1945. Sie haben vieles richtig gemacht, nur: sie sind nie im 21. Jahrhundert angekommen. (Abg. Hechtl: Stimmt ja nicht!)

Gabriel Obernosterer, Sie sagen zum Beispiel, die Wirtschaftskammer hat sich eh neu erfunden: minus 30 Prozent bei den Umlagen. – Ja, das ist natürlich eine Marketing­partie! Die letzten zehn Jahre hat die Wirtschaftskammer zusätzlich plus 32 Prozent an Zwangsbeiträgen abgeschöpft bei den Mitgliedern, während die Mitglieder seit 2008 sieben Jahre in der Krise sind.

Während im öffentlichen Bereich und bei Unternehmen, überall die Mittel knapp sind, hat die Wirtschaftskammer in den letzten zehn Jahren in absoluten Zahlen Personal aufgebaut. Diese Institutionen gehören, wenn sie sich nicht reformieren, an einen Ort – und das ist der Ort, den wir demnächst ohnehin bauen –, nämlich in das Haus der Geschichte. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenrufe bei der SPÖ.) Oder sie reformieren sich. Aber sie können die Leute nicht weiter abzocken und so tun, als würden sie das im Sinne der Menschen machen. Sie machen es im Sinne ihrer Tintenburgen – fette Apparate allerorts. Das ist das Problem.

Die Arbeiterkammer: in den letzten zehn Jahren plus 40 Prozent! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Während die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den letzten Jahren an Kaufkraft verloren haben, molk die Arbeiterkammer den Arbeitnehmerinnen und Arbeit­nehmern in den letzten zehn Jahren 40 Prozent mehr heraus. Das ist moralisch nicht okay. (Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wenn Sie sagen, die NEOS legen es mit minus 50 Prozent zu steil an, dann legen Sie einen anderen Vorschlag vor, wo Sie zumindest auf ein bisschen etwas verzichten, wenn es den Menschen schon nicht gut geht!

Leute, die heute 30 sind, haben im Vergleich zu Leuten, die vor zehn Jahren 30 waren, 10 Prozent weniger Kaufkraft. Paare können sich, auch wenn beide arbeiten, mit Anfang 30 zunehmend nicht mehr ein Eigenheim leisten. Und Sie melken in zehn Jah­ren plus 40 Prozent heraus – das ist unerhört! Dagegen werden wir ankämpfen. (Beifall bei NEOS und FPÖ.)

Wenn Sie sagen, das ist aber so wichtig, das geht gar nicht anders, dann muss ich ein­fach festhalten: Von 28 EU-Staaten gibt es nur noch in sechs Ländern Pflicht- und Zwangsmitgliedschaften. Wir sind die Ausnahme, nicht der Normalfall.

Da war ich zuletzt – weil Christoph Leitl sagt, ohne Wirtschaftskammer gibt es keinen Außenhandel und die Wirtschaft bricht zusammen – in Zürich bei der „Zürcher Zeitung“


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und habe lokalen Politikern, Wirtschaftstreibenden und Wirtschaftsressortleitern unser Kammersystem erklärt. Ich musste ihnen das dreimal erklären, bis sie mir geglaubt ha­ben, dass wir eine Zwangsmitgliedschaft haben. Das war für sie intellektuell gar nicht zugänglich. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Das heißt, so wie es sich der Leitl nicht ohne Wirtschaftskammer vorstellen kann, so können es sich 50 Kilometer über der Grenze die anderen nicht vorstellen, dass es so ist wie bei uns. Deswegen wird die Wahrheit wahrscheinlich irgendwo dazwischen lie­gen.

Klares Bekenntnis: Die Wirtschaftskammer, Arbeiterkammer sind wichtige Institutionen auch in der Zukunft – wenn sie sich neu erfinden. Ansonsten ab ins Haus der Ge­schichte, und dieser Platz wird ihnen auch zugewiesen werden. Das ist ja keine Frage. Der Zug der Zeit ist in eine andere Richtung unterwegs als Sie. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Und wenn Sie sagen, dann bricht alles zusammen, dann halte ich dem Folgendes entgegen: Es gibt natürlich Interessenvertretungen ohne Pflichtmitgliedschaft, die be­weisen, dass sie mit guter, effizienter, effektiver Arbeit freiwillige Mitglieder anziehen können, zum Beispiel der Apothekerverband. 94 Prozent sind freiwillig zahlende Mit­glieder, während nur ein Drittel der Pflichtmitglieder und Zwangsmitglieder der Wirt­schaftskammer zur Wahl geht.

Wer hat mehr Legitimität? – Die, wo 94 Prozent freiwillig dabei sind, oder jene, die ge­molken werden und von denen zwei Drittel daheimbleiben, wenn eine Wahl ansteht?

ÖGB – ein Leuchtfeuer, ein Beispiel dafür, dass freiwillige Mitgliedschaft funktioniert: 1,2 Millionen Mitglieder – wunderbar!

Deswegen bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Strolz, Kollegin und Kollegen betreffend Abschaffung der Zwangs­mitgliedschaft in gesetzlichen beruflichen Vertretungen

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat schnellstmöglich eine Geset­zesinitiative vorzulegen, die die Abschaffung der Zwangsmitgliedschaft in gesetzlichen beruflichen Vertretungen vorsieht.“

*****

Auf in die Zukunft oder auf ins Haus der Geschichte! (Beifall bei den NEOS und bei Ab­geordneten der FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

12.43


Präsident Karlheinz Kopf: Der von Herrn Klubobmann Dr. Strolz soeben eingebrach­te Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Matthias Strolz, Kollegin und Kollegen

betreffend Abschaffung der Zwangsmitgliedschaft in gesetzlichen beruflichen Vertre­tungen


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eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Ausschusses für Arbeit und So­ziales über den Antrag 948/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend schrittweise Senkung der Arbeiterkammerumlage (573 d.B.) – TOP 10

Die verschiedenen Kammern haben als gesetzliche berufliche Vertretungen zweifellos anerkennenswerte historische Verdienste um den sozialen Ausgleich in Österreich erreicht. Auf Grund ihrer tief verankerten Denkmuster und des einengenden Parteizu­griffs war der Sprung ins 21. Jahrhundert für die Kammer nicht schaffbar. Währenddes­sen hat sich die politische Landkarte grundlegend verändert. Heute gibt es viele Selbst­ständige, Freiberufler, aber auch Arbeitnehmer_innen, die sich von ihren Kammern und ihren politischen Funktionär_innen nicht vertreten fühlen.

Europaweit gibt es nur noch in sechs der 27 EU-Mitgliedsstaaten das System der Zwangsmitgliedschaft in gesetzlichen beruflichen Vertretungen. In Deutschland wird der Widerstand insbesondere gegen die Zwangsmitgliedschaft in der Industrie- und Handelskammer (IHK) immer größer, was inzwischen eine Klage vor dem Bundes-ver­fassungsgericht nach sich zog. Die EU-Kommission hat inzwischen festgestellt, dass die Pflichtmitgliedschaften z.B. ein Hemmnis für die Wettbewerbsfähigkeit von Unter­nehmen sind. Inzwischen dürfte klar sein, dass die Zwangsmitgliedschaften auch ein Hemmnis für die Transparenz, Wirtschaftlichkeit und Effizienz der Interessensvertre­tungen selbst ist.

Die Menschen wollen von ihren Vertreter_innen weniger Bürokratie, weniger Partei­eneinfluss, mehr Freiheit und ein echtes Sprachrohr für ihre Interessen. Es braucht deshalb moderne, effiziente, effektive Interessenvertretungen und Serviceorganisa­tionen, die keine Pflichtmitgliedschaften mehr brauchen. Dass moderne und gut organi­sierte Interessensvertretungen keine Pflichtmitgliedschaft brauchen, zeigen genügend freiwillige Interessenvertretungen. Positivbeispiele für Interessensvertretungen, die kei­ne Pflichtmitgliedschaft brauchen, sind z.B. der Apothekerverband bei dem 94% aller Apotheker freiwillig Mitglied sind, weil der Verband eine kostengünstige, effiziente und serviceorientierte Interessensvertretung ist. Der ÖGB kennt keine Zwangsmitglied­schaft und dennoch sind fast 1,2 Millionen Arbeitnehmer_innen freiwillig Mitglied. Auch die österreichische Hotelvereinigung vertritt beispielsweise 50% aller 4- bzw. 5- Sterne-Hotels in Österreich, und das auf freiwilliger Basis.

Eine starke Arbeiter- und eine starke Wirtschaftskammer brauchen keinen Zwang – sie überzeugen durch ihre Leistung. Daher fordern wir die Abschaffung der Zwangsmit­gliedschaften in gesetzlichen beruflichen Vertretungen. Die Freiwilligkeit der Mitglied­schaft würde auch die Interessensvertretungen selbst zu entsprechend dringenden Re­formen zwingen.

Gegenwärtig scheinen verschiedene Kammern nicht zu wissen, was sie mit ihren Zwangsbeiträgen anstellen sollen. Es ist nicht erklärbar, weshalb enorme Steigerungen der Personalstände, die Finanzierung von Luxuspensionen und auch die Übernahme von Haftungen und Schaffung ausgelagerter Gesellschaften nötig ist. Vielmehr drän­gen diese Entwicklungen auf dringend notwendige Reorganisationsmaß-nahmen ins­besondere der Wirtschafts- und der Arbeiterkammern hin, damit diese entsprechende betriebswirtschaftliche Grundsätze anwenden müssen und sich nicht auf Kosten der Zwangsmitglieder vor effizienzsteigernden Reformen verwehren können.

Im Artikel 20 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte heißt es unmissverständ­lich: „Niemand darf gezwungen werden, einer Vereinigung anzugehören.“ Dieses grund­legende Prinzip sollte auch in Österreich umgesetzt werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 86

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat schnellstmöglich eine Geset­zesinitiative vorzulegen, die die Abschaffung der Zwangsmitgliedschaft in gesetzlichen beruflichen Vertretungen vorsieht.“

*****

 


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Grillitsch. – Bitte.

 


12.44.02

Abgeordneter Fritz Grillitsch (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Eine sehr interessante Diskussion, wo eigentlich die Sozialpartnerschaft und ihre historischen Verdienste allseits erwähnt und gepriesen werden. Das sollte man auch erwähnen.

Die Sozialpartnerschaft ist nicht nur ein Teil von Arbeitnehmern und Wirtschaft, son­dern dazu gehört auch die Landwirtschaft. Das möchte ich hier auch festhalten. Ein ganz wesentlicher Punkt, weil wir erkennen müssen, dass diese Sozialpartnerschaft mit diesen drei tragenden Säulen große Verdienste um den Wohlstand dieser Republik hat. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich glaube, etwas, was so gut funktioniert und funktioniert hat, darf nicht auf politischer Ebene mutwillig infrage gestellt werden, meine Damen und Herren.

Man muss hinterfragen, ob diese Systeme in ihrem Tun und Handeln vielfach noch zeitgerecht sind – ja. Dann machen Sie es so, wie es wir in der Landwirtschaftskammer gemacht haben, beispielsweise in der Steiermark, und haben Sie den Mut, vor die Mit­glieder zu treten und sie zu fragen, ob sie das so noch wollen. (Abg. Strolz: Machen wir das!) Aber keine Zwangsbestimmung über das Parlament, sondern lassen Sie den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern das Recht, selbst zu bestimmen, wie ihre In­teressenvertretung auszusehen hat! (Abg. Strolz: Machen wir eine Urabstimmung! – Beifall bei Abgeordneten der NEOS.) Das sollten Sie auch tun, wenn Sie nur mehr 40 Prozent Wahlbeteiligung bei Arbeiterkammerwahlen haben, meine Damen und Her­ren.

Daher: Gefährden wir nicht, Herr Kollege, den sozialen Frieden! Der muss uns auch et­was wert sein, meine Damen und Herren. Daher sage ich: Ich bin oftmals schon auch verwundert über das Agitieren der Arbeiterkammer und einzelner Proponenten, bei­spielsweise des Herrn Muhm. (Abg. Kickl: Ah!) Denn da wird neuer Klassenkampf be­trieben, den ich nicht verstehe. – Herr Kollege Katzian, du bist da ohnehin von einer anderen Sorte, Gott sei Dank. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Aber das verstehe ich einfach nicht, dass man einen derartigen Klassenkampf herauf­beschwört, Eigentum und Leistungen nicht anerkennt und ständig versucht, über Ge­setzesmaßnahmen und als ideologischer Berater des Herrn Bundeskanzlers, der Herr Muhm nämlich, hier auch den sozialen Frieden infrage zu stellen.

Das, was wir hier in diesem Hohen Haus tun sollten, ist, zu erkennen, dass wir Arbeit brauchen, dass wir Einkommen brauchen, dass wir Kaufkraft brauchen. Daher sollten wir uns ansehen, wie die Wertschöpfungsketten funktionieren und wer da die meisten Vorteile hat, wer die Umsätze und die Gewinne maximiert und wie es den Produzenten und Konsumenten geht, damit wir letztlich in diesen Wertschöpfungsketten auch zu ei­nem fairen Anteil für alle kommen.

Es wäre auch unsere Aufgabe, hier in diesem Haus einmal intensiv darüber zu disku­tieren. (Beifall bei der ÖVP.)

12.47



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 87

Präsident Karlheinz Kopf: Nun gelangt Frau Abgeordnete Dr. Belakowitsch-Jenewein zu Wort. – Bitte.

 


12.47.16

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte jetzt zu meinem Antrag Stellung nehmen, nämlich zu der Aufforderung an den Herrn Bundesminister, so nett zu sein und vor allem dafür Sorge zu tragen, dass die Umsetzung der Arbeitszei­trichtlinie für Ärzte in Wien auch erfolgt beziehungsweise nicht zu Nachteilen für Pa­tienten führt.

Wir haben dieses Gesetz beschlossen. Das war damals im Herbst ein, wenn ich mich recht erinnere, einstimmiger Beschluss hier im Nationalrat. Im Ausschuss waren wir noch sehr kritisch, und zwar jetzt gar nicht wegen des Inhalts, sondern wegen der Vor­gangsweise, weil das Ganze ja nicht über eine Regierungsvorlage gekommen ist, son­dern es war ein Initiativantrag der beiden Regierungsparteien. Wir haben das damals insofern kritisiert, als die Aufforderung der EU, dieses Gesetz umzusetzen, ja schon zehn Jahre bekannt war. Sozusagen fünf vor zwölf kommt dann schnell eine Initiative der Bundesregierung, ohne dass irgendjemand die Möglichkeit hat, hier eine Stellung­nahme abzugeben.

Das war eine interessante Diskussion, ich würde sagen, keine böse, aber doch eine sehr lebhafte Diskussion. Der Herr Bundesminister hat im Zuge dessen gesagt, wir könnten alle versichert sein, dass sämtliche Stakeholder sowie alle Länder mit an Bord waren.

Was danach passiert ist, war, dass es in zwei bis drei Bundesländern immer wieder Probleme gegeben hat. Bis zum Schluss ist Wien übriggeblieben. Das ist besonders pikant, weil das ja, Herr Bundesminister, Ihr Heimatbundesland ist.

Da stellt sich die Frage, warum es gerade in Wien so schlecht funktioniert. Die Ge­sundheitsstadträtin von Wien hat in einem Interview dazu gesagt hat, dass sie sozusa­gen überrascht war, dass das jetzt umgesetzt wird, und dass Wien überhaupt keine Ahnung hatte.

Wörtlich sagt die Gesundheitsstadträtin in einem „Kurier“-Interview: „Wir müssen ein Ärzte-Arbeitszeit-Gesetz umsetzen, das der Nationalrat im Herbst auf Vorgabe der EU beschlossen hat. Ob es sinnvoll war, dass er nur eine Frist von sechs Wochen für die Umsetzung eingeräumt hat, ist eine andere Frage.“ – Also offensichtlich war die Frist zu kurz.

Weiter sagt sie dann: „Diese EU-Richtlinie wurde zehn Jahren lang nicht umgesetzt. Dass der Bund sie jetzt plötzlich umsetzt, war für Wien nicht vorhersehbar.“

Ich weiß, Herr Bundesminister, Sie hören das jetzt nicht gerne und Sie haben mir auch im Ausschuss wiederum versichert und auch die Sektionschefin hat dies versichert, dass auch die Frau Stadträtin an den Verhandlungen, die neun Monate, glaube ich, ha­ben Sie gesagt, gedauert haben, teilgenommen hat.

Entweder hat sie es verschlafen, oder das ist jetzt eine Ausrede dafür, dass sie einfach nicht gehandelt hat. Ich möchte das jetzt gar nicht weiter werten. Aber Tatsache ist, dass es in Wien jetzt eine Teileinigung gibt, wobei auch über diese Teileinigung noch einmal abgestimmt werden muss. Also noch ist überhaupt nichts in Wien beschlossen.

Und was ist noch passiert? – Unabhängig davon, dass es solche Probleme gibt, wer­den in Wien zusätzlich Ärzte auch noch abgebaut. Das hat ja zu den ganz großen Pro­blemen geführt. Ich habe im Ausschuss erwähnt, das war damals ganz aktuell, dass es plötzlich in einer Geburtsklinik, nämlich in der Wiener Semmelweisklinik, keinen Kinder-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 88

arzt mehr geben soll, mit der Begründung, es hat dort schon so lange keine Zwischen­fälle mehr gegeben.

Herr Bundesminister, genau in diesem Sinne war dieser Antrag an Sie gestellt, dass Sie als Vermittler auftreten mögen in Wien, dass das auch umgesetzt wird, und zwar so umgesetzt, dass nicht die Patienten die Last tragen sollen, dass es nicht zu einer schlechteren Versorgung in Wien kommen darf nur aufgrund der Umsetzung dieser EU-Richtlinie. Derzeit überschlagen sich die Ereignisse in Wahrheit, und die Meldun­gen aus den Wiener KAV-Krankenhäusern sind ja nicht die besten in den letzten Ta­gen. Es gibt dort Gangbetten, die es offiziell gar nicht geben darf, und all diese Dinge. Das heißt, es liegt da natürlich einiges im Argen.

Das sind alles Probleme, die Sie nichts angehen. Aber eines ist sicher, und da können Sie sich nicht ganz ausnehmen, Sie sind letztlich der Bundesminister, der für diese Ar­beitszeitregelung verantwortlich ist. Daher ist es wohl auch Ihre Aufgabe, wenn Sie sagen, die Länder waren alle eingebunden, und ich glaube Ihnen das, dass Sie jetzt auch darauf achten, dass die Länder diese Gesetzesvorgabe des Bundes auch wirklich so umsetzen, wie wir das hier gemeinsam sozusagen beschlossen haben, und dass es nicht zu Nachteilen für die Patienten kommt. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeord­neten der ÖVP.)

12.51


Präsident Karlheinz Kopf: Nun gelangt Herr Abgeordneter Knes zu Wort. – Bitte.

 


12.51.40

Abgeordneter Wolfgang Knes (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Den Angriff auf die Sozialpartnerschaft, der heute hier zum x-ten Mal erfolgt ist, können wir aus SPÖ-Sicht sicher nicht so im Raum ste­hen lassen.

Herr Loacker, lassen Sie sich etwas ins Stammbuch schreiben: Wenn schon Ihr Ob­mann hier spricht und sagt: Ab in die Geschichte!, dann muss ich Ihnen, Herr Strolz, wirklich eines sagen, dann haben Sie die Geschichte noch nie wirklich nachgelesen. Sie wissen ganz genau, was 1793 bis 1794 passiert ist. In dieser Zeit haben nämlich die Jakobiner das Wahrnehmen der ersten Arbeitnehmerinteressen wirklich mit Tot­schlag zerstört. 1845 hat bereits das Gewerbe einen Antrag hier in Österreich gestellt und auch hier die Kammer gegründet. 1920 wurden letztendlich die Arbeitnehmerinter­essen vertreten, was leider Gottes dann in den Kriegsjahren durch einen Führer zer­stört wurde. Last but not least wurde 1945 ein neuerlicher Antrag gestellt. – So viel zu Ihrer Geschichte, zur Demaskierung der Interessen, die Sie vertreten.

Ich wünsche Ihnen viel Glück in der Geschichte, denn wir werden es unseren Arbeit­nehmerinnen und Arbeitnehmern sehr wohl sagen, was Sie hier nämlich vorhaben.

Was wollen Sie? – Sie wollen unseren Sozialstaat Österreich deswegen zerschlagen, weil Sie nirgends vorkommen, bei keiner einzigen Wahl, in keiner einzigen Kammer, nicht einmal antreten haben Sie können, weil Sie nicht das entsprechende Personal haben. Das ist aber Ihr Problem. (Beifall bei der SPÖ.)

Das zweite Thema ist folgendes: Wenn Sie schon hier sprechen, dann sagen Sie bitte die Wahrheit, was Sie wollen! Wir wissen es, wir haben Sie durchschaut, mein Kollege Rainer Wimmer hat es hier angesprochen, Sie wollen Lobbyismus in Österreich ein­führen. (Abg. Strolz: Lobbyist sind ja Sie!) Dabei bekommen Sie noch die Unterstüt­zung von Herrn Kickl und letztendlich auch vom Team Stronach. Sie wollen die golde­nen Regeln vom Team Stronach hier einführen, was nichts anderes heißt als Gold re­giert die Welt.

Geschätzter Herr Kollege Strolz, wissen Sie überhaupt, was Sie hier machen? – Nein, anscheinend nicht! Wir werden jedenfalls als SPÖ und auch mit der breiten Mehrheit


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 89

der Koalition allemal das verhindern, nämlich zum Wohle unserer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, und zu Ihren Ansinnen sicherlich ein klares Njet sagen, auch wenn Sie wie ein Murmeltier immer wieder aufstehen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Strolz: Aus der Geschichte!)

Geschätzter Herr Strolz, es würde den Rahmen sprengen, aber hier stehen elf goldene Regeln der Sozialpartnerschaft (der Redner verweist auf ein Schriftstück), und was es bedeutet, wenn es Lobbyisten machen. Ich lasse Ihnen das schriftlich zukommen. Bitte lesen Sie sich das dann auch durch, aber nicht nur bis 1945, weiter ist Ihr Horizont heute nicht gegangen.

Ich wünsche den NEOS in der Zukunft viel Glück, nämlich auch bei der Geschichte ih­rer Partei. (Beifall bei der SPÖ.)

12.54


Präsident Karlheinz Kopf: Nun gelangt Frau Abgeordnete Mag. Schatz zu Wort. – Bitte.

 


12.55.00

Abgeordnete Mag. Birgit Schatz (Grüne): So, jetzt möchte ich seitens der Grünen die von Männern dominierte Debatte zur von Männern dominierten Arbeiterkammer auch noch ergänzen. Ich halte die Diskussion zur Pflichtmitgliedschaft an sich ja schon für sehr interessant. Ich finde es ein bisschen schade, dass wir im Ausschuss die Debatte nur relativ klein gehalten haben, auch weil nicht alle Ihre Anträge dort vorgelegen sind, es sind ja einige unselbstständige, die jetzt erst dazugekommen sind. Vielleicht haben wir Gelegenheit, dort auch noch wirklich breiter darüber zu diskutieren.

Wobei ich sagen muss: Kritik an der Pflichtmitgliedschaft höre ich dauernd, wenn es in Richtung Wirtschaftskammer geht; an der Arbeiterkammer eigentlich nur ganz, ganz selten und immer im Zusammenhang mit Geld, nie, wenn es um die Leistungen der Ar­beiterkammer geht. Ich höre eigentlich nie Kritik an den Leistungen der Arbeiterkam­mer von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.

Persönlich – und ich glaube, ich kann in dieser Hinsicht sicher auch für die Grünen sprechen – bin ich eine Vertreterin der Pflichtmitgliedschaft. (Beifall bei der SPÖ.) Ich möchte Ihnen zwei Gründe nennen, die für mich dabei ausschlaggebend sind. Das ist natürlich das System der Sozialpartnerschaft in ihren historischen Verdiensten, aber auch in ihrer Rolle im jetzigen System, denn man muss sich schon im Klaren sein: Überlegen Sie sich selbst einmal, wie viele unserer Beschlüsse im Prinzip von der So­zialpartnerschaft vorverhandelt und ausverhandelt sind!

Wenn Sie jetzt die Pflichtmitgliedschaft abschaffen, dann gibt es keine Legitimation mehr für quasi diesen großen Konsens, der von der Sozialpartnerschaft vorverhandelt wird. (Abg. Strolz: Dann haben wir Parlamentarismus!) Ja, aber das ist eine weitge­hende Strukturreform, die Sie hier nicht andiskutieren. Sie machen das auf einer Ober­fläche. Wenn Sie das österreichische System völlig verändern wollen, dann sagen Sie es! Das wäre aber das, was Sie hier verlangen. (Abg. Strolz: Wir wollen eine De­mokratie daraus machen!) Nein, denn auch das andere ist demokratisch legitimiert, wie Sie ja wissen, auch diese Institutionen sind gewählt. (Beifall bei der SPÖ.)

Und das Zweite, für mich auch noch ein wesentlicher Punkt: Die Arbeiterkammer an sich ist ja auch eine Solidargemeinschaft von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen. Das heißt, durch die flächendeckende Mitgliedschaft sind dort quasi alle Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen auch gleich repräsentiert, was bei der freiwilligen Mitgliedschaft nicht der Fall ist. Sie wissen, dass freiwillige Mitgliedschaften gewissen, ich sage jetzt einmal, thematischen Schwankungen in ihrer Stärke unterworfen sind.

Ein gutes Beispiel ist für mich der Bereich des Tourismus, mit dem ich mich immer wieder intensiv auseinandersetze. Der Bereich des Tourismus ist gewerkschaftlich re-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 90

lativ schwach, wenn ich das so sagen darf. Seit man bei der vida ist, ist es ein bisschen besser geworden, aber trotzdem. Die Arbeiterkammer macht im Bereich der Arbeits­verhältnisse im Tourismus ziemlich viel, und ich bin sehr froh darüber, dass es da immer wieder Vorstöße gibt und auch sozusagen wissenschaftliche Hintergrundarbeit.

Insofern spricht auch das für mich im Sinne dieses solidarischen Ausgleichs für diese flächendeckende Mitgliedschaft. – Also das dazu.

Zum anderen die Geschichte mit dem Geld, wie viel auch immer die Kürzung betragen wird, denn wir sind uns ja da nicht einig, was Ihr Antrag eigentlich bedeutet. Ich bin ab­solut der Meinung, dass die ArbeitnehmerInnenseite gegenüber der ArbeitgeberInnen­seite strukturell und finanziell ohnehin schon benachteiligt ist. Und warum? – Weil wir wissen, dass es einfach extrem finanzkräftige Unternehmer, Arbeitgeber gibt, die je­derzeit bereit sind, sehr viel Geld in die Hand zu nehmen, um ihre Interessen politisch durchzusetzen. Das kann die ArbeitnehmerInnenseite nicht. Insofern bin ich froh, dass es die Arbeiterkammer gibt und zumindest diese finanziellen Mittel zur Verfügung hat, die ihr eben aufgrund der Beitragsregelungen zukommen. (Beifall bei Grünen und SPÖ.) Also auch ein Nein zur Schwächung in finanzieller Hinsicht.

Aber trotzdem finde ich auch, dass nicht, gerade was die finanzielle Gebarung betrifft, alles total optimal ist. Ich würde das aber nicht so ansetzen, wie Sie das im Ausschuss gemacht haben, nämlich dass Sie sagen, das ist nicht die Kompetenz der Arbeiter­kammer. Wenn Sie sich das Gesetz anschauen, dann sehen Sie, es ist wirklich ziem­lich breit, was die Arbeiterkammer machen soll. Also da zu sagen, Mieterberatung wäre nicht ihre Kernaufgabe, wie Sie es genannt haben, das sehe ich überhaupt nicht so.

Aber zum Beispiel das Kampagnenunwesen, das auch von der FPÖ genannt worden ist, ich finde, das muss man sich anschauen. Bei der Arbeiterkammer selbst gibt es Funktionäre, die das kritisieren und sagen: Das ist eigentlich ein Personenkult rund um einzelne Präsidenten, was da geschieht. Da muss man hinschauen. (Präsident Hofer übernimmt den Vorsitz.)

Wir wissen auch, dass es immer wieder sozusagen finanzielle Probleme rund um Un­ternehmen, Institutionen gibt, die unter Aufsicht der Arbeiterkammer sind, zum Beispiel beim bfi, aber auch bei Bildungshäusern et cetera. Da passieren grobe Management­fehler, grobe wirtschaftliche Desaster werden da hinterlassen. Auch da, finde ich, muss man hinschauen.

Das Dritte ist die Sache mit der Transparenz. Ich weiß, dass es bundesländermäßig sehr unterschiedlich gehandhabt wird, was die Transparenz der Gebarung überhaupt betrifft. Hier braucht es einen besseren Standard. Insofern würden wir Grüne Ihrem An­trag zur Ausweitung der Rechnungshofkompetenz zustimmen, denn wir finden, Trans­parenz ist eine Grundanforderung an jeden modernen politischen Betrieb, und das wür­den wir unterstützen. (Beifall bei den Grünen.)

13.00


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Loacker. – Bitte.

 


13.00.23

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Hohes Haus! Wir haben die Abschaffung der Kammerumlage 2 der Wirt­schaftskammer beantragt. Das ist jetzt leider nicht Thema, es geht also nicht um eine Seite, es sollen alle gleichermaßen zum Handkuss kommen. Kollege Grillitsch hat an anderer Stelle schon die Arbeiterkammer-Pflichtmitgliedschaft abschaffen wollen und sich dazu geäußert, das hat er heute so leider nicht gesagt.

In neun Jahren sind die Umlagen um 40 Prozent gewachsen, während die Inflation un­gefähr 20 Prozent ausgemacht hat. (Abg. Rossmann: Gott sei Dank steigen sie stär-


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ker als die Preise!) Für 2016 erhöhen wir außertourlich die Höchstbeitragsgrundlage und pulvern noch einmal zusätzliche 4 Millionen € in dieses Fass ohne Boden. Es geht mir um die Frage: Was macht die Arbeiterkammer mit diesem Geld?

Es gibt Arbeiterkammer-Landesorganisationen, die ein Zehntel der Umlage 1 : 1 in eine Rücklage zuführen, das wird erst gar nicht in die Hand genommen. Sie haben dicke Pensionen zu finanzieren. Manche Landeskammern haben in dieser Zeit das Personal um 40 Prozent aufgestockt und manche haben Paläste gebaut. Es wurden Gesell­schaften ausgegliedert und Landes-Arbeiterkammern haben für solche Gesellschaften Haftungen übernommen. Wenn das ausgelagert wird, dann sind diese Dinge der Auf­sicht durch den Herrn Bundesminister entzogen, und umso wichtiger ist es, dass Kon­trolle geschaffen wird.

Daher bringe ich den schon erwähnten Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Loacker, Kollegin und Kollegen betreffend Prüfungskompetenz des Rechnungshofes bei gesetzlichen beruflichen Vertretungen

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, eine Novelle des Bundesverfassungsgesetzes vorzulegen, die den Art. 127 BV-G insofern adaptiert, so dass es dem Rechnungshof möglich ist, die gesetzlichen beruflichen Vertretungen auf ihre Zweckmäßigkeit zu überprüfen. Außerdem soll eine gesonderte Veranlassung der Veröffentlichung des Be­richtes des Rechnungshofes durch den Vorsitzenden des satzungsgebenden Organs nicht mehr vorgesehen sein. Weiters muss der Art. 127 BV-G dahingehend geändert werden, dass die Prüfkompetenzen des Rechnungshofes klar auf die Kammerunter­nehmen ausgeweitet werden.“

*****

Warum? – Wir haben schon gehört, die Arbeiterkammer macht fett Fernsehwerbung. Sie können nicht einen Abend vor dem Fernseher sitzen und ORF schauen, ohne dass nicht diese Werbung mit der schiefen Ebene mehrfach daherkommt. Da frage ich mich, wieso eine Organisation mit Zwangsmitgliedschaft überhaupt Werbung machen muss. Wem dient das, außer dass man sich bei den Medien Wohlwollen einkauft, indem man dort inseriert und Spots schaltet? (Zwischenruf des Abg. Katzian.)

Es gibt Landes-Arbeiterkammern, die machen Beratung für Nichtmitglieder. Wie kom­men die Zwangsmitglieder dazu, die Beratung von Nichtmitgliedern mitzufinanzieren? Das hat mit Zweckmäßigkeit und Arbeitnehmervertretung Nüsse zu tun, gar nichts. (Abg. Schopf: Wer? Wo? Herr Loacker, wo?) – In Vorarlberg zum Beispiel ist das der Fall. Wenn Sie das nicht wissen, müssen Sie bei Ihren Kollegen im Ländle nachfragen.

56 Prozent der Österreicher wohnen im Eigentum, entweder gehört es ihnen selber, oder sie wohnen als Ehepartner oder Kind dort, wo der Eigentümer wohnt. Die Arbei­terkammer, die in manchen Bundesländern 70 Prozent der Mitglieder im Eigentum wohnen hat, macht Mietervertretung, aber die Eigentümer, die rennen an. Wenn ich als Wohnungseigentümer ein Rechtsproblem habe, macht die Arbeiterkammer original gar nichts für mich.

Des Weiteren: Die Arbeiterkammer macht ja nicht nur Arbeitnehmervertretung, da hat Kollege Hechtl recht. Das ist richtig, das ist eine Kernaufgabe der Arbeiterkammer, nämlich die Arbeitnehmer in ihren Rechten und ihren Interessen zu vertreten. Das soll sie tun, und dafür soll sie auch die finanzielle Ausstattung haben.


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Aber da wird alles Mögliche getestet. Es gibt Arbeiterkammern, die testen die Qualität von Wurstsemmeln oder wie voll in verschiedenen Gaststätten das Bier eingeschenkt ist. Es werden Espressomaschinen von der Arbeiterkammer getestet, und da frage ich mich, was sind das für Arbeitnehmerinteressen, die da geprüft werden.

Die Energieeffizienz von Wäschetrocknern wird getestet. Und die Arbeiterkammer Oberösterreich hat gestern ein neues Highlight herausgegeben: eine Studie darüber, welches Mittel am besten gegen Wimmerl und Pickel nützt. – Ja, klassische Arbeitneh­merinteressen, die mit dem Geld der Zwangsbeitragszahler vertreten werden.

Dann gibt es Arbeiterkammer-Direktoren – sogar mehrere; ich bringe Ihnen ein rotes und ein schwarzes Beispiel –, die politisch aktiv sind. Es ist in Österreich bekannt, dass Direktor Muhm die SPÖ in Wirtschaftsfragen berät. Das macht er sicher alles gratis, und das macht er sicher alles in seiner Freizeit. Der Vorarlberger Arbeiterkammer-Di­rektor, ein Schwarzer, ist Stadtrat in Feldkirch. Wenn Sie auf die Homepage der Stadt Feldkirch gehen und Stadtrat Keckeis suchen, dann finden Sie unter seinen Kontakt­daten die E-Mailadresse der Arbeiterkammer Vorarlberg.

Jetzt frage ich mich: Gibt es nicht in Wien Zwangsmitglieder, die nicht rot sind und deshalb keine Lust haben, den Berater des Bundeskanzlers zu finanzieren? Und gibt es nicht in Vorarlberg Arbeiterkammer-Mitglieder, die nicht schwarz sind und keine Lust haben, die Stadtratstätigkeit von Arbeiterkammer-Direktor Keckeis zu finanzieren?

Daher gehört die Arbeiterkammer auf ihre gesetzlichen Aufgaben reduziert, und für die­se gesetzlichen Kernaufgaben genügt die Hälfte der Umlagen locker. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS.)

13.05


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Antrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht daher mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kollegin und Kollegen betreffend Prüfungs­kompetenz des Rechnungshofes bei gesetzlichen beruflichen Vertretungen

eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Ausschusses für Arbeit und So­ziales über den Antrag 948/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend schrittweise Senkung der Arbeiterkammerumlage (573 d.B.) – TOP 10

Der Rechnungshof hat gegenüber verschiedenen öffentlichen Einrichtungen unter­schiedliche Prüfungskompetenzen. Einzelne Rechtsträger verfügen hierbei über Son­derregelungen. Manche davon mögen gerechtfertigt sein, doch gerade für Prüfungen des Rechnungshofes bei den gesetzlichen beruflichen Vertretungen finden sich einige Sonderregelungen, die aus unserer Sicht nicht gerechtfertigt sind.

In Artikel 127b Abs. 3 ist zum Beispiel nicht vorgesehen, dass der Rechnungshof die Zweckmäßigkeit der Gebarung prüfen darf. Weshalb gesetzliche berufliche Vertretun­gen von der Prüfung der Zweckmäßigkeit ausgenommen sind, ist fraglich, vor allem weil dadurch Prüfungen des Rechnungshofes wesentlich an Aussagekraft und Bedeu­tung verlieren.

Eine weitere interessante Regelung findet sich in § 20a Abs. 4. „Der Vorsitzende des satzungsgebenden Organs (des Vertretungskörpers) hat die Veröffentlichung des Be­richtes des Rechnungshofes zu veranlassen.“ Aus diesem Grund wäre es rechtlich


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möglich, dass der Vertretungskörper einer gesetzlichen beruflichen Vertretung die Ver­öffentlichung eines Berichtes verhindern kann. Auch wenn es sich hier um scheinbar nicht angewendetes Recht handelt, ist fraglich, wieso auf diese Passage nicht ver­zichtet werden kann. Dadurch wird nämlich in der gegenwärtigen Rechtslage legiti­miert, dass die Vertretungskörper der gesetzlichen beruflichen Vertretungen Berichte der Öffentlichkeit vorenthalten können. Dadurch kann verhindert werden, dass entspre­chend unangenehme Befunde des Rechnungshofes jemals an die Öffentlichkeit ge­langen.

Ein Problem, mit dem der Rechnungshof in seiner Arbeit immer wieder konfrontiert ist, ist, dass gesetzlich nicht klar geregelt ist, dass der Rechnungshof auch Unternehmun­gen der gesetzlichen beruflichen Vertretungen prüfen darf. Um hier eine Rechtssi­cherheit für den Rechnungshof zu gewähren, ist eine Klarstellung nötig, dass der Rechnungshof auch diese Prüfungskompetenz hat. Insbesondere hinsichtlich des Me­dientransparenzgesetzes und des Parteiengesetzes bedarf es einer eindeutigen ge­setzlichen Regelung, da Kammerunternehmen derzeit zum Teil eine Meldung der Stammdaten mit Hinweis auf fehlende Prüfungszuständigkeit des Rechnungshofes ver­weigern.

Insbesondere die Tatsache, das beispielsweise die Arbeiterkammer Vorarlberg Haftun­gen in Millionenhöhe übernimmt und ausgelagerte Gesellschaften geschaffen hat, ma­chen eine Änderung der Prüfungskompetenzen deutlich, um Transparenz für die Zwangs­mitglieder bereitstellen zu können. Wodurch ein verantwortungsvollerer Umgang mit den eingehobenen Zwangsbeiträgen gefördert werden soll.

Mit der vorgeschlagenen Änderung der Bundesverfassung wären all diese Klarstellun­gen, Erleichterungen und Verbesserungen von Prüfungen des Rechnungshofes bei Prüfungen der gesetzlichen beruflichen Vertretungen gewährleistet. Es ist nicht klar weshalb Vertretungen, die auf Zwangsmitgliedschaften beruhen, nicht geprüft werden können wie andere öffentliche Einrichtungen. Solange eine Mitgliedschaft in den jewei­ligen beruflichen Vertretungen gesetzlich vorgeschrieben ist, soll den Zwangsmitglie­dern entsprechende Informationen durch ein Mehr an Transparenz ermöglicht werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, eine Novelle des Bundesverfassungsgesetzes vorzulegen, die den Art. 127 BV-G insofern adaptiert, so dass es dem Rechnungshof möglich ist, die gesetzlichen beruflichen Vertretungen auf ihre Zweckmäßigkeit zu überprüfen. Außerdem soll eine gesonderte Veranlassung der Veröffentlichung des Berichtes des Rechnungshofes durch den Vorsitzenden des satzungsgebenden Or­gans nicht mehr vorgesehen sein. Weiters muss der Art. 127 BV-G dahingehend geän­dert werden, dass die Prüfkompetenzen des Rechnungshofes klar auf die Kammer­unternehmen ausgeweitet werden."

*****

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Alm. – Bitte.

 


13.05.27

Abgeordneter Mag. Nikolaus Alm (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minis­ter! Was die wenigsten Zuseherinnen und Zuseher, die ich hiermit auch herzlich be­grüße, wissen, ist, dass die SPÖ jeden Tag um zirka 17 Uhr ein Kleinformat ins Haus


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geliefert bekommt. Es würde sich empfehlen, vielleicht einmal ein anderes Kleinformat in die Hand zu nehmen. Ich habe da eine Ausgabe von „DER STANDARDkompakt“, in der als Headline heute steht: „Studie: Österreich immer weniger wettbewerbsfähig“ – Das sollte uns zu denken geben.

Ich zitiere aus diesem Artikel:

„In Europa weist Österreich gemeinsam mit Spanien in den letzten zehn Jahren die höchste Teuerung auf, die fließe wiederum über die Lohnverhandlungen auf die Kos­tendynamik, “ – Zitatende –, sagt Ulrich Schuh von Eco Austria.

Der Kostendruck im Personalbereich auf die Unternehmen ist irrsinnig hoch. Wer trägt denn diesen Druck? – Den tragen sehr wohl auch die Arbeitnehmerinnen und Arbeit­nehmer, die mit ihren echten Bruttogehältern natürlich auch die Lohnnebenkosten fi­nanzieren. Das ist den meisten Menschen gar nicht bewusst, und es ist an dieser Stelle schon mehrfach eingefordert worden, dass hier mehr Transparenz herrschen soll; auch Kollege Hechtl hat dem zugestimmt.

Wir haben dazu auch einen Antrag über einen transparenten Lohnzettel eingebracht, wo neben den üblicherweise ausgewiesenen Abzügen auch das ausgewiesen werden sollte, was sonst noch in so einem Bruttolohn zu finden ist. Das sind insgesamt über zehn Positionen, von denen sich die wenigsten jetzt auf den Lohnzetteln wiederfinden.

Darunter ist auch die Arbeiterkammerumlage, die im Gegensatz zu den Forderungen, die Richtung Steuerreform damit verbunden sind, sehr wenig zur Entspannung der Ar­beitnehmerinnen und Arbeitnehmer beiträgt, denn an dieser Stelle will die Arbeiterkam­mer, obwohl sie sich das leisten könnte, natürlich nicht sparen.

Die angesprochene Steuerreform beziehungsweise Tarifreform bringt den Arbeitneh­merInnen eigentlich nur kurz Entspannung. Das automatische Inkassobüro, die kalte Progression, wird diese Effekte binnen weniger Jahre wieder einkassieren.

Und was gibt es für die Unternehmen bei dieser Steuerreform? – Gar nichts. Die Un­ternehmen haben nach wie vor das Gleiche brutto auszubezahlen. Die einzige Re­duktion, die es gab, war letztes Jahr im Zuge des Abgabenänderungsgesetzes zweimal eine Reduktion von 0,1 Prozent bei den Lohnnebenkosten. Das macht pro Mitarbeiterin und pro Mitarbeiter pro Jahr 30 € aus. Das ist nicht unbedingt eine Maßnahme, die neue Arbeitsplätze schaffen kann. Die Steuerreform bringt den Unternehmen also gar nichts.

Was tut die Wirtschaftskammer dagegen? – Sich zurücklehnen und zuschauen. Die Wirtschaftskammer wird mit Pflichtabgaben gespeist, arbeitet aber nicht im Sinne der Unternehmerinnen und Unternehmer und schon gar nicht unternehmerisch, denn sie kann ja Pflichtbeiträge einkassieren. Die Frage ist, warum wir uns das als Unternehmer weiter leisten müssen.

Deswegen regen wir eine schrittweise Umstellung zu einer freiwilligen Interessenver­tretung an, die in mehreren Stufen erfolgen soll und verschiedene Maßnahmen vor­sieht. Eine ist zum Beispiel ein Opt-out bis 2019 für EPU, die es am dringendsten notwendig haben und zuerst selbst entscheiden sollen, ob sie Beiträge zahlen oder nicht.

Ein Punkt ist auch die mehrmals erwähnte Abschaffung der Kammerumlage 2, und da­zu habe ich einen Antrag mitgebracht, der da lautet:

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 95

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Gesetzesvorlage vorzu­legen, welche eine schrittweise Streichung der Kammerumlage II bis 2020 vorsieht.“

*****

Das heißt, eine Abschichtung binnen fünf Jahren.

Schlussendlich soll am Ende dieser Entwicklung eine Umwandlung der Wirtschafts­kammer in eine freiwillige Interessenvertretung stehen, die den Gesetzen des Marktes streng gehorchend sich auch wirklich für Unternehmen einsetzt. (Beifall bei den NEOS.)

13.09


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, ord­nungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Niko Alm, Kollegin und Kollegen betreffend schrittweise Streichung der Kammerumalge 2

eingebracht im Zuge der Debatte über Bericht des Ausschusses für Arbeit und So­ziales über den Antrag 948/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend schrittweise Senkung der Arbeiterkammerumlage (573 d.B.)

Die Wirtschaftskammer hat als gesetzliche Vertretung der Wirtschaft zweifellos aner­kennenswerte historische Verdienste um den sozialen Ausgleich in Österreich erreicht, doch braucht es zeitgemäße Rahmenbedingungen für die organsierte Vertretung von Interessen. In ganz Europa gibt es nur noch wenige Staaten, in denen das System der Zwangsmitgliedschaft sowohl für Unternehmer_innen als auch für Arbeitnehmer_innen gesetzlich verankert ist.

Im Artikel 20 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte heißt es unmissverständ­lich: „Niemand darf gezwungen werden, einer Vereinigung anzugehören.“ Dieses grund­legende Prinzip sollte auch hierzulande umgesetzt werden.

Die Wirtschaft braucht weniger Bürokratie, weniger Parteieneinfluss, mehr unterneh­merische Freiheit und ein echtes, effizientes Sprachrohr für Unternehmertum. Es braucht eine moderne, effiziente, effektive Interessenvertretung und Serviceorganisa­tion – eine Wirtschaftskammer 2.0, die keine Pflichtmitgliedschaft mehr braucht. Bei je­dem Euro an Mehrinvestitionen und bei jedem zusätzlichen Mitarbeiter kassiert die Wirtschaftskammer mehr Beiträge. Dies ist nicht nur ein finanzieller Mehraufwand für die Unternehmen sondern auch wettbewerbsschädlich.

Die Kammerumlage 2 (KU 2), besser bekannt als Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag zum Familienlastenausgleichsfonds (DZ zum DB-FLAF), wird stets von der monatli­chen Lohnsumme eines Betriebes berechnet und belastet die Unternehmen in erhebli­chem Ausmaß. Doch wie heißt es so schön? In diesem Fall: "Des einen Leid, des anderen Freud‘. Wie die nachstehende Tabelle zeigt, generierten die Wirtschaftskam­mern in Österreich über die Kammerumlage II im Jahr 2013 nämlich erhebliche Ein­nahmen in der Höhe von insgesamt mehr als 308 Mio. Euro.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 96

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In Zeiten von Rekordarbeitslosigkeit – im Jänner 2015 waren fast 500.000 Menschen ohne Job - und stetigen Lippenbekenntnissen der Bundesregierung zur Stärkung des Unternehmertums und der Wettbewerbsfähigkeit müssen konkrete Handlungen gesetzt werden, um den Unternehmer_innen mehr finanziellen Spielraum zu verschaffen und die Prinzipien der Bevormundung und Zwangsmitgliedschaft zu beenden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Gesetzesvorlage vorzu­legen, welche eine schrittweise Streichung der Kammerumlage II bis 2020 vorsieht."

*****

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Loacker; zweite Wortmeldung. – Bitte.

 


13.09.43

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Noch eine Wortmeldung zum Antrag der Kollegin Dr. Belakowitsch-Jenewein betreffend die Ärztearbeitszeit.

Wir haben im Ausschuss diesem Antrag nicht zugestimmt, weil es ein Wien-Thema ist, aber inhaltlich hat sie natürlich völlig recht: Die Umsetzung des Gesetzes war von vorn­herein vermurkst, und zwar schon auf Bundesebene – wir haben das auch massiv kri­tisiert – mit der typisch großkoalitionären Umgehung des parlamentarischen Prozesses.

In Wien tut man jetzt so, als ob man völlig überrascht wäre von dieser Regelung. Seit 1998 hat man gewusst, dass man bei der Ärztearbeitszeit etwas tun muss. Seit 2003 gibt es diese EU-Richtlinie, und jetzt muss sie umgesetzt werden. Da können sich Frau Wehsely und Frau Dr. Oberhauser nicht aus der Verantwortung stehlen. Das haben sie vermurkst.

Wenn man jetzt gleichzeitig die Arbeitszeit reduziert und 382 Stellen abbaut und dann behauptet, das sei ohne Leistungsverlust möglich, dann kann das nur mit einer Gering-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 97

schätzung der ärztlichen Tätigkeit zu tun haben, sonst gibt es das doch gar nicht. Dem­zufolge war der Aufschrei zu Recht groß, und 87 Prozent der Belegschaft haben ge­sagt, so wie das die Stadträtin will, geht es nicht.

Wenn jetzt diskutiert wird, den Spitalsärzten ein Opt-out schmackhaft zu machen, weil man es anders nicht hinbekommt, dann verschiebt man zeitlich den Kollaps des Sys­tems ein bisschen. Systemisch korrigiert wird überhaupt nicht.

In Wirklichkeit wird es darum gehen, mittelfristig den hohen Standard, den wir haben, zu halten, und dafür gehören Maßnahmen gesetzt: teure und ineffiziente Rettungsfahr­ten reduzieren, den niedergelassenen Bereich stärken und nicht mit zwei Primary Health Care Centern die Primärversorgung aufzubauen mit Zeithorizonten, die jenseitig sind und in übernächste und noch spätere Jahrzehnte hineinführen, und wir brauchen mehr unterstützendes Personal in den Spitälern, damit sich die Ärzte auf die Behand­lung der Patienten konzentrieren können.

Kurz gesagt: Man muss den Menschen die Wahrheit sagen. Entweder es ändert sich wirklich etwas an den Strukturen oder es wird zu einer Leistungsreduktion kommen, und daran ist nicht die EU schuld. Das hat die Stadt Wien schon lange gewusst. – Danke. (Beifall bei NEOS und FPÖ.)

13.12


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Kickl. – Bitte.

 


13.12.14

Abgeordneter Herbert Kickl (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Noch einmal zur Arbeiterkammer, weil es doch eine recht spannende Debatte gewesen ist. Mir ist aufgefallen, dass dann, wenn es um die Ver­teidigung der Leistungen der Arbeiterkammer gegangen ist, sehr, sehr viel mit der Ver­gangenheit argumentiert wurde; das hat bis zu den Jakobinern zurückgereicht. Die Re­dezeit war zu knapp, sonst wären wir wahrscheinlich irgendwo bei Adam und Eva ge­landet. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Wie auch immer.

Aber was dahintersteckt, ist, dass man meistens die Geschichte besonders exzessiv bemüht, wenn es daran fehlt, Argumente für die Gegenwart und für die Zukunft zu fin­den. Ich glaube, dass das auch in Ihrem Fall wahrscheinlich das Motiv gewesen sein dürfte. Die politische Alltagsarbeit zeigt uns ja, dass es dort, wo gerade Vertreter der Arbeiterkammer auf Basis von fundierten Studien zu ganz anderen Meinungen kom­men und uns ganz andere Dinge als das empfehlen, was die SPÖ hier umsetzt, es sehr leise ist. Da berufen Sie sich nie auf die verdienstvolle und qualitativ so wertvolle Arbeit der Arbeiterkammer, sondern da versuchen Sie, die Dinge zu schubladisieren.

Und es ist Ihnen immer unangenehm, wenn eine andere Fraktion die Dinge – etwa im Zusammenhang mit der Problemlage der Ostöffnung des Arbeitsmarktes – dann he­rausholt und Ihnen die eigenen Studien der Arbeiterkammer unter die Nase hält. Da habe ich von Ihnen noch nie gehört, dass das so verdienstvolle Leistungen der Arbei­terkammer sind und wir deswegen diese Institution erhalten müssen.

Sie von der SPÖ tun ja immer so, als wäre die Arbeiterkammer einzig eine Einrichtung zur Rechtsberatung. Schön wäre es, wenn dem so wäre. In Wahrheit schaut es ganz anders aus. Und ich werde Ihnen noch etwas dazu sagen: Moralisch sehr bedenklich finde ich es für die selbsternannten Arbeiterführer des Jahres 2015, wie Sie von der Sozialdemokratie heute angetreten sind, dass Sie das Problembewusstsein nicht ha­ben und das Kernproblem nicht erkennen, dass in einem Zeitraum, in dem die realen Löhne der zwangsweise bei der Arbeiterkammer zugeordneten Schutzbefohlenen um 14 Prozent gesunken sind, gleichzeitig bei den Einnahmen der Arbeiterkammer eine Steigerung um 40 Prozent der Einnahmen gegeben ist.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 98

Also bei den einen geht es nach unten, das sind die zwangsweisen Schutzbefohlenen – und bei den anderen geht es massiv nach oben. (Zwischenruf des Abg. Unterrainer.)

Sie erkennen nicht einmal irgendeinen Bedarf, das nachzujustieren und kommen im­mer mit dem Thema „Rechtsberatung“ daher. Ja, wenn die Rechtsberatung alles wäre, was Sie tun; Sie beschäftigen sich ja noch mit ganz anderen Dingen; Kollege Loacker hat schon einiges genannt. Mich stört noch viel mehr, dass die Arbeiterkammer in der Zwischenzeit dazu verkommen ist, in vielen Bereichen zur Propagandaabteilung der SPÖ degradiert worden zu sein. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie haben es mit Ihrer Kampagne „Lohnsteuer runter!“ so weit getrieben, dass sich die SPÖ jeden einzelnen Euro sparen hat können. Die haben gar nichts mehr selber zu machen brauchen. Das hat alles die Arbeiterkammer übernommen – mit Zwangsmit­gliedsgeldern. Dieses Geld wäre besser dort investiert, wo es um die wirklichen Schutz­interessen der österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern geht. (Zwi­schenruf des Abg. Unterrainer.)

Das erste Inserat von Ihnen ist erschienen, als ohnehin schon alle Parteien in diesem Haus dafür waren, dass es zu einer Tarifsenkung kommt. Dann kommen Sie her und bis zum heutigen Tag inserieren Sie diesen Schmarrn, nachdem schon alles durch ist, um sich dieses Federl auf den Hut zu stecken und machen dabei in Wahrheit nichts anderes als die Kasse der SPÖ zu entlasten – und das aus Zwangsmitgliedsbeiträgen zu finanzieren. Das ist doch unglaublich! (Beifall bei der FPÖ.)

Damit noch nicht genug; Sie machen auch historisch wertvolle Arbeit: der Kampf gegen Rechts. Das ist auch so etwas, wo Sie glauben, dass Sie durch irgendwelche Propa­gandaaufsätze in Ihren Druckwerken, die dann die Zwangsbefohlenen zugeschickt be­kommen, denen die Wähler abspenstig machen können. – Die haben aber schon lange erkannt, dass hier hierinnen die Freiheitliche Partei ihre Schutzinteressen vertritt, und da Ihnen das nicht gefällt, gehen Sie her und packen einmal mehr die Faschismuskeu­le aus. (Beifall bei der FPÖ.)

Dann bekommen die Arbeiterkammerblätter einen anderen Inhalt. Dann geht es nicht mehr um Rechtsberatung, sondern dann treten dort die selbsternannten Experten aus dem „Dokumentationsarchiv“ oder woher auch immer auf und beschäftigen sich aus­führlich mit längst vergangenen Kapiteln unserer Geschichte. Auch das ist Missbrauch der Gelder der Zwangsbefohlenen! Das sage ich Ihnen auch einmal ganz deutlich. (Zwi­schenrufe bei der SPÖ.)

Noch etwas, weil ich jetzt gerade diese viel zu engen Verschmelzungen der Parteiar­beit mit der Arbeit der Arbeiterkammer aufgezeigt habe: Es gibt ja eine interessante Einrichtung innerhalb der Arbeiterkammer, das ist die sogenannte Sozialakademie. Jetzt schaue ich wahrscheinlich schon in ein paar wissende Gesichter. 65 Jahre wird diese Sozialakademie alt, und diese Sozialakademie bietet Kurse auf hohem Niveau. (Heiterkeit.)

Nur muss man zwei Jahre Zeit haben, von Montag bis Freitag in einen solchen Kurs hi­neingehen, und dann bekommt man dort allerhand beigebracht: Rhetorik, Moderation, Beratung, Projektmanagement, Kampagnen et cetera, et cetera. Das Problem bei die­sen ganzen Dingen ist aber, dass das alles so zugeschnitten ist, dass es eigentlich nur für Sie passt. Sie sind die Einzigen, die in den Genuss dieser ganzen Einrichtungen kommen; das ist sehr interessant. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Königsberger-Ludwig: Wer sind „sie“?)

Jetzt frage ich mich, ob das stimmt, was ich gehört habe, nämlich dass die Kosten für diese Ausbildung von den Zwangsgeldern der Arbeiterkammerbeiträge gezahlt werden, dass Sie dort quasi eine kostenlose Ausbildung bekommen. Und stimmt das auch –


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 99

Sie können ja hier herausgehen und sagen, dass es nicht stimmt –, dass die Arbeits­zeit dann auch noch ausgeglichen wird mit Arbeiterkammergeldern? Stimmt das?

Das würde mich wirklich interessieren. Wenn dem nämlich so ist, dann gibt es da schon eine gehörige Schieflage, die im System herrscht. Mich hat es nicht gewundert, als ich mir die Rednerliste angeschaut habe: Abgeordneter Hechtl, Abgeordneter Krist, Abgeordneter Muchitsch, Abgeordneter Schopf, Abgeordneter Spindelberger, Abgeord­neter Wimmer, alles namhafte Absolventen der Sozialakademie der Arbeiterkammer. (Aha-Rufe bei der FPÖ. – Gegenrufe bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das ist interessant, das ist sehr interessant! Und auf der Ministerebene: Gerald Klug, Verteidigungsminister, Alois Stöger, dann haben wir den Herrn Foglar als ÖGB-Prä­sidenten; Herr Kaske ist auch dabei. Sie wurden, glaube ich, vergessen, Herr Hunds­torfer. Ich weiß es nicht oder es war unsere Recherche unvollständig in der Kürze der Zeit. (Heiterkeit bei der FPÖ.)

Aber eines ist auf jeden Fall klar: Wenn das so ist, dass das alles für Sie im Wesent­lichen kostenlos ist und dass das finanziert wird aus den Mitteln derer, die bei Ihnen Zwangsbefohlene sind und die dieses Geld Monat für Monat vom Bruttogehalt abgezo­gen bekommen, wenn es stimmt, dass aus diesen Töpfen auch sozusagen Entschädi­gungen gezahlt werden, da Sie für diese Zeit freigestellt sind, dann gibt es da Repara­turbedarf.

Noch etwas zum Abschluss: Wenn es um die Frage geht, wo denn die Rechte der Ar­beitnehmerinnen und Arbeitnehmer wirklich vertreten werden, da muss ich auch ein Wort dazu verlieren, dass so manches, das im Ausschuss besprochen wird, so man­ches an Anträgen, die wir einbringen zum Schutz der österreichischen Arbeitnehmer, den Weg hier herein gar nicht mehr findet, da SPÖ und ÖVP es permanent vertagen, weil sie es hier nicht ablehnen wollen, weil es ihnen unangenehm ist.

Und dann kommen Sie daher und sagen: Bitte, hört auf, das immer wieder einzubrin­gen! Dabei haben wir genügend Beispiele dafür, dass es bei Ihnen manchmal länger dauert, bis Sie draufkommen, was vernünftig ist und was nicht.

Ich spreche von zwei Anträgen, die ganz wesentlich sind. Das eine ist der Antrag auf sektorale Schließung des österreichischen Arbeitsmarktes für Arbeitnehmer aus dem EU-Ausland und aus Drittstaaten. Das Zweite ist die Einführung der Mindestsicherung nach dem Prinzip des Herkunftslandes. Das heißt, das Land, aus dem jemand kommt, soll dafür zahlen.

Sie haben uns im Ausschuss gesagt: Es hat sich nichts geändert, wir brauchen darü­ber nicht zu diskutieren. – Jetzt werde ich Ihnen sagen, was sich im Laufe der letzten Monate geändert hat, und ich finde es erschütternd, dass Sie das nicht bemerkt haben: Zum einen galoppieren die Arbeitslosenzahlen nach oben, und mehr noch als der nor­male Galopp findet der Galopp dort statt, wo es um die arbeitslosen Ausländer geht. Ih­nen ist das offenbar entgangen. Die Steigerungsraten dort sind doppelt so hoch, und aus freiheitlicher Sicht ist es unverantwortlich, nicht einzugreifen, sondern zuzuschau­en, wie es dort nach oben geht – und gleichzeitig zu sagen: Bitte, weiter hereinspaziert! Das ist doch unverantwortlich! (Beifall bei der FPÖ.)

Sie sagen, es hat sich nichts geändert, und Herr Hundstorfer hat dann im Fernsehen ausrichten lassen: Wer den Schutz des österreichischen Arbeitsmarktes will, der soll bitte gleich sagen, dass er aus der EU austreten will!

Jetzt schauen wir einmal nach Deutschland und was die deutsche Regierung dort in einem ganz anderen Bereich gemacht hat, nämlich, wenn es um die Autobahnmaut geht. Man hat sich dort zu einer Lösung durchgerungen, bei der man gesagt hat: Wir vertreten in diesem Bereich die Interessen der deutschen Autofahrer; die bekommen das von uns zurück – und die anderen sollen zahlen!


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 100

Haben Sie von Frau Merkel gehört, dass diese aus der EU austreten will? – Mir ist nichts dergleichen bekannt, überhaupt nichts dergleichen ist bekannt (Zwischenbemer­kung von Bundesminister Hundstorfer) – das mag schon sein –, denn statt, dass Sie sich hinstellen und sagen: Diese Initiative ist interessant, von diesem Umdenken soll­ten wir uns einmal etwas abschauen, wir hängen uns dort hinten an!, gehen Sie gleich klagen, anstatt einmal ähnliche Dinge für den Arbeitsmarkt zu übernehmen oder einmal zu hinterfragen und umzudenken. Das hat sich geändert! (Beifall bei der FPÖ.)

Es hat sich noch etwas geändert, nämlich, wenn es um die Mindestsicherung und den Auszahlungsmodus nach dem Herkunftslandprinzip geht. Es waren nicht wir Freiheit­lichen, sondern es waren vor allem die Herren Voves und Niessl im laufenden Wahl­kampf, die eine Debatte vom Zaun gebrochen haben – ohnehin mit ein paar Jahren Verspätung –: Ja, was tun wir denn mit denjenigen, die nicht bereit sind, sich in Öster­reich zu integrieren? – Es sind übrigens auch hauptsächlich die, die trotz jahrelangen Aufenthalts in der Arbeitslosigkeit landen, weil sie noch immer nicht lesen und schrei­ben können, aber von einer Bringschuld – so etwas überhaupt einmal einzufordern – sind Sie ja nach wie vor weit entfernt.

Aber was können wir denn mit denjenigen tun? Was nehmen wir ihnen denn weg? Herr Kurz hat gesagt: Schicken wir sie vielleicht irgendwo Tafel löschen in der Pause. Ich habe gar nicht gewusst, dass man das nicht mehr machen muss, aber wie auch immer.

Da sagen wir Freiheitlichen: Bitte drehen wir doch das Prinzip um! Drehen wir es um und schauen einmal: Was geben wir jemandem dann, wenn er sich bei uns integriert hat – nicht umgekehrt! Also zuerst die Integration und dann die Sozialleistung! Das, was Sie machen, ist: zuerst die Sozialleistung, und die „Dankbarkeit“ sei dann die Inte­gration, die jedoch in viel zu vielen Fällen nicht erfolgt. (Beifall bei der FPÖ.)

Das heißt, es gibt einiges zu tun. Es gibt einiges, wo sich die Sozialdemokratie, die Ar­beiterkammer und auch die Gewerkschaft anlässlich ihres 70-Jahr-Jubiläums in den Spiegel schauen können. Ich hoffe, dass es im einen oder anderen Bereich zu einer Änderung des Verhaltens kommt. Die österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeit­nehmer hätten es sich verdient. (Beifall bei der FPÖ.)

13.23


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Katzian. – Bitte.

 


13.23.13

Abgeordneter Wolfgang Katzian (SPÖ): Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Es war ja eh irgendwie klar, dass man am Schluss nicht ohne einen Seitenhieb auf die Ausländer auskommt, auch wenn man vorher auf die Arbeiterkammer hinge­haut hat, aber dazu möchte ich nichts sagen. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Ich möchte sagen, dass ich sehr froh bin über diese Debatte, die jetzt über die Arbei­terkammer gelaufen ist, denn wenn sich die Zuschauerinnen und Zuschauer angese­hen und angehört haben, was alles kritisiert wurde, was die Arbeiterkammer macht, dann ist das gar kein so schlechtes Portfolio, das dargestellt wurde, wofür sich Arbeit­nehmerinnen und Arbeitnehmer nicht schämen müssen, sondern, ganz im Gegenteil, wo sie froh sind, dass es so eine Interessenvertretung wie die Arbeiterkammer gibt. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Kickl, ich war nicht auf Ihrer Liste. Ich habe die Sozialakademie leider nicht be­suchen können. Das hat sich damals in meiner beruflichen Entwicklung anders erge­ben. Mir tut es leid, weil die Sozialakademie eine ganz tolle Einrichtung ist (Zwischen­ruf der Abg. Belakowitsch-Jenewein), wo viele, vor allem auch betriebliche Funktio­närinnen und Funktionäre, ausgebildet werden, ordentliche Rahmenbedingungen im Bereich des Arbeitsrechtes erhalten, Grundlagen im Bereich der Ökonomie und vieles


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 101

anderes. Die Sozialakademie ist eine der wichtigsten Ausbildungsstätten und Kader­schmieden für Arbeitnehmervertreterinnen und Arbeitnehmer. (Abg. Kickl: Wer zahlt’s? Wer zahlt’s?) Das lassen wir uns von niemandem zerstören! Nehmen Sie das zur Kenntnis, bitte! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Kickl: Wer zahlt’s?)

Zweites Thema  (Abg. Kickl: Wer zahlt’s? – Ruf bei der FPÖ: Reden Sie wei­ter !) – Zweites Thema, das kritisiert wurde – wir haben gehört, die Sozialakademie ist kritisiert worden –, „Lohnsteuer runter“ hat Herr Kickl kritisiert. (Rufe bei der FPÖ: Wer zahlt’s, wollen wir wissen!) Wir werden mit 1. Jänner 2016 die größte Steuerent­lastung für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Zweiten Republik haben. Auch wenn Ihnen das nicht gefällt: Das ist ein Ergebnis der gemeinsamen Vorgangs­weise von Arbeiterkammer und ÖGB. (Beifall bei der SPÖ. – Ironische Heiterkeit des Abg. Neubauer.)

Ganz ehrlich, wenn sich die ArbeitnehmerInnen auf Sie verlassen hätten, Herr Kickl, hätten sie mit 1. Jänner wahrscheinlich keine Steuerentlastung. Auch das muss man sehr deutlich sagen. (Beifall bei der SPÖ.)

Weiters ist der Konsumentenschutz kritisiert worden. Da hat Kollege Loacker versucht, das ins Lächerliche zu ziehen, indem er gesagt hat: Na ja, die untersuchen da irgend­welche Geschichten, das steht einer Arbeitnehmervertretung nicht zu. – Ich glaube, es ist in der österreichischen Bevölkerung, und zwar weit über die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hinaus, anerkannt, was die Arbeiterkammer im Bereich des Konsumen­tenschutzes tut. Das wird auch immer wieder bei vielen Fernsehsendungen, in denen es darum geht, die Interessen der Konsumenten zu vertreten, öffentlich gewürdigt. Wir können stolz darauf sein, dass es so eine Einrichtung wie den Konsumentenschutz – mit Unterstützung der Arbeiterkammer – in Österreich gibt. (Beifall bei der SPÖ.)

Dann können wir natürlich grundsätzlich diskutieren: Braucht es Organisationen oder braucht es Einrichtungen, Körperschaften öffentlichen Rechts mit Pflichtmitgliedschaf­ten? – Jede Gemeinde ist eine Körperschaft öffentlichen Rechts. Da kann man sich auch nicht aussuchen, ob man dabei ist oder nicht. In Österreich hat man sich dazu entschie­den, dass es Körperschaften öffentlichen Rechts, Interessenvertretungen mit Pflichtmit­gliedschaft für Arbeitgeber und Arbeitnehmer gibt. (Zwischenruf des Abg. Steinbichler.)

Es hat auch in den 1990er-Jahren schon einmal eine sehr intensive und wilde Diskus­sion darüber gegeben, ob denn das alles noch zeitgemäß wäre. 1996 hat es die Urab­stimmung zur Arbeiterkammer gegeben. Natürlich sagt Herr Strolz: Jedes Jahr könnten wir eine Urabstimmung machen (Abg. Strolz: Ja!), oder jedes zweite Jahr! (Abg. Strolz: Aber ein bisschen Zeit  brauchen wir schon!  damals bei der BAWAG !) Die Urabstimmung war 1996, und ich kann Ihnen sagen: Über zwei Drittel der Arbeit­nehmerinnen und Arbeitnehmer sind zu dieser Urabstimmung hingegangen, und über 90 Prozent haben gesagt: Wir wollen eine Arbeiterkammer mit Pflichtmitgliedschaft! (Beifall bei der SPÖ.)

Also tun Sie nicht so, als wäre das noch nie zur Debatte und zur Diskussion gestan­den! (Abg. Strolz: Trauen Sie sich mehr!) Ja, man kann über alles diskutieren, man kann alles besser machen, und ich stehe nicht an, dass auch wir viele Dinge besser machen könnten, aber eines geht ganz sicher nicht: Nur weil manchen die Arbeit dieser Arbeiterkammer, die tolle Arbeit für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, nicht in den Kram passt, weil sie da und dort hineinspucken, weil sie Interessen ver­treten, dann gleich mit der Keule zu kommen: Wir hauen euch auf den Misthaufen der Geschichte! – das ist letztklassig, Herr Strolz! Letztklassig! (Abg. Strolz: Aus der Ge­schichte!) Das haben wir alle miteinander nicht notwendig! (Beifall bei der SPÖ.)

13.28


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Kickl. – Bitte.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 102

13.28.16

Abgeordneter Herbert Kickl (FPÖ): Herr Präsident! Herr Kollege Katzian, schade, dass Sie nicht auf dieser Sozialakademie gewesen sind. Ihre Rede hat jetzt gerade bewiesen, dass Sie es dringend nötig gehabt hätten! (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.)

Ansonsten sage ich Ihnen schon: Ich weiß nicht, wie man in so kurzer Zeit so viele Dinge verdrehen und auf den Kopf stellen kann. Es ist erstaunlich. Deswegen muss ich diese Dinge wieder gerade richten. (Zwischenruf des Abg. Katzian.)

Niemand hat etwas dagegen, dass die Lohnsteuertarife in Österreich geändert werden. Am längsten hat übrigens die Sozialdemokratie gebraucht, um da draufzukommen, denn da werden Sie Anträge der Freiheitlichen finden, als Sie da heraußen noch ge­meinsam eingehängt in schöner, sozialpartnerschaftlicher Eintracht das alles niederge­stimmt haben und gesagt haben, das ist unleistbar, was Sie jetzt als Ihre größte Errun­genschaft aller Zeiten anpreisen.

Nicht diese Lohnsteuersenkung haben wir kritisiert. Wenn wir etwas Inhaltliches kriti­sieren, dann, dass Sie das „Inkassobüro“ der kalten Progression vergessen haben. Viel­leicht hat die Arbeiterkammer dazu auch etwas zu sagen, denn in ein paar Jahren ist sie wieder weg. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Loacker.)

Ich erwähne das nur, damit es nicht unerwähnt bleibt. Was wir kritisiert haben, ist die Propagandawalze, die Sie aus meiner Sicht eigentlich unter einer missbräuchlichen Ver­wendung dieser Arbeiterkammergelder in die Welt gesetzt haben. Jetzt haben Sie Ihre Mitglieder sowieso zwangsbefohlen, die können sich gar nicht aussuchen, ob sie dabei sind. Dieses Gesetz ist sowieso auf dem Weg, weil es hier drinnen eine Mehrheit gibt. Wofür machen Sie dann die Werbung? Wen wollen Sie denn damit überzeugen? (Abg. Katzian:  Inhalt!) Wollen sie damit neue Mitglieder gewinnen? – Das kann nicht sein. Die sind eh alle bei Ihnen zwangsverpflichtet! (Zwischenruf des Abg. Steinbichler.)

Also machen Sie die Werbung für die Partei! – für wen denn sonst? Das ist Missbrauch dieser Gelder und überhaupt nichts anderes. Ich glaube nicht, dass das die einfachen Arbeiter freut, dass Sie so mit ihrem Geld umgehen. (Beifall bei der FPÖ sowie der Ab­geordneten Franz und Loacker.)

Das ist, glaube ich, ein ganz entscheidender Punkt. Wenn Sie es versäumt haben, Ihre Dinge in der Sozialakademie zu lernen, lege ich Ihnen Kollegen Cap ans Herz – er sitzt ja jetzt im Renner-Institut, ist auch für Bildung zuständig, wäre eigentlich die adäquate Stelle, gehört der Partei. Machen Sie es dort, und geben Sie uns bitte am Ende noch Auskunft darüber, denn das war meine Frage zur Sozialakademie: Wer zahlt das?

Zahlt das die Partei? Zahlen Sie das selber, oder zahlt das die Arbeiterkammer? – Das Interessante ist: Auf diese Frage habe ich keine Antwort gehört. Das ist dann die „Trans­parenz“ der SPÖ (Zwischenrufe bei der SPÖ): Ja, wir sind immer für die Transparenz, aber bitte bei den anderen anfangen! (Beifall bei der FPÖ sowie den Abgeordneten Franz und Loacker.)

13.30


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Bundesminister Hundstorfer zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.

 


13.30.50

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es ist kurz notwendig, eine klei­ne Cool-down-Phase einzulegen.

Herr Abgeordneter Kickl, es verwundert mich, aber lesen Sie das Arbeiterkammerge­setz, dann wissen Sie, was die Aufgaben der Arbeiterkammer sind, dann wissen Sie,


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 103

was da drinnen steht, dann wissen Sie, dass unter anderem die Ausbildung  (Abg. Kickl: Ich möchte ja von Ihnen nur hören, dass die Zwangsversicherten das zahlen!) – Dann wissen Sie auch, dass die Ausbildung von Betriebsrätinnen und Betriebsräten auch eine dieser Kernaufgaben ist, und da werden Sie auch  (Abg. Kickl: Wir reden nicht von Betriebsräten! – Beifall bei der SPÖ.)

Schauen Sie, das ist genau Ihr Problem: Sie sind zwar in der Arbeiterkammer vertre­ten, Sie sind als Gruppe vertreten, Sie haben sogar, glaube ich, in einem Land einen Vorstandsplatz, wenn ich das richtig im Kopf habe, Sie sind aber wahrscheinlich nicht flächendeckend vertreten, denn dann wüssten Sie, dass die Ausbildung von Betriebs­rätinnen und Betriebsräten eine der Kernkompetenzen ist. (Abg. Kickl: Sie vermischen hier ganz genau zwei Dinge!) – Nein, überhaupt nicht, denn es können sich überhaupt nur, Herr Kickl, Betriebsrätinnen und Betriebsräte für die SOZAK anmelden. – Punkt eins. (Ruf bei der FPÖ: Das will ja eh keiner!)

Punkt zwei: Nur sie können sich dort anmelden, und es gehen auch Personen hin, die nicht einmal ansatzweise etwas mit der Sozialdemokratie zu tun haben, denn, wie Sie auch wissen, wir haben in zwei Bundesländern Präsidenten, die, glaube ich, mit der Sozialdemokratie nicht allzu viel am Hut haben: in Tirol und Vorarlberg (Abg. Kickl: Deswegen sind  eingesprungen!), wobei ich weiß, dass der Wirtschaftsbundflügel den Tiroler Präsidenten manchmal mehr der Sozialdemokratie zuordnet als der ÖVP.

Spaß beiseite, so ist das, und dass Sie meinen Namen nicht auf der Liste gefunden ha­ben, möchte ich für Sie auch aufklären: Ich bin nicht arbeiterkammerpflichtig und dem­zufolge kein Mitglied der Arbeiterkammer, demzufolge kann ich auch nie – ob ich will oder nicht – auf die SOZAK, das war nie möglich. Ich war dort zeitweise als Vortra­gender, aber nie als Teilnehmer, weil ich, wie gesagt, aus einer Struktur komme, in der ich nicht arbeiterkammerpflichtig bin. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mayer – in Richtung FPÖ –: Wäre das auch geklärt!)

13.33

13.33.10

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Es ist dazu niemand mehr zu Wort gemeldet. Die De­batte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vor­nehme.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 9: Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 572 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Ich weise den Antrag 945/A dem Finanzausschuss zu.

Wir kommen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 10: Antrag des Aus­schusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 573 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 104

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Ing. Dietrich, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Steuerliche Absetzbarkeit des Arbeiterkammer-Beitrages“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Dr. Strolz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abschaffung der Zwangsmit­gliedschaft in gesetzlichen beruflichen Vertretungen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Mag. Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Prüfungskompetenz des Rechnungshofes bei gesetzlichen beruflichen Vertretungen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Mag. Alm, Kolleginnen und Kollegen betreffend schrittweise Streichung der Kammerumlage 2.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist abgelehnt.

Wir gelangen jetzt zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 11: Antrag des Aus­schusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 574 der Beilagen zur Kenntnis zu neh­men.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 12: Antrag des Ausschus­ses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 575 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

13.35.5013. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 977/A(E) der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Transparenz in der Pensionsversicherungsanstalt (576 d.B.)

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen zum 13. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Belakowitsch-Jenewein. – Bitte.

 


13.36.18

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben gerade beim vorigen Tages­ordnungspunkt viel über Transparenz oder eben wenig vorhandene Transparenz ge­hört; da betraf es die Arbeiterkammer.

Wir gehen jetzt weiter zur Pensionsversicherungsanstalt. In der Pensionsversiche­rungsanstalt hat es einen Kriminalfall gegeben beziehungsweise gibt es einen Krimi­nalfall – dieser ist ja noch nicht aufgeklärt –, da geht es um vergaberechtliche Proble­matiken. Da gibt es die Vizegeneraldirektorin, ich nenne sie einmal Frau E., diese steht im Verdacht, bei der Vergabe ihren Lebensgefährten bevorzugt zu haben, trotz aller Widrigkeiten.

Wie auch immer: Dieser Fall liegt bei Gericht, es ist letztlich auch Aufgabe des Ge­richtes, das aufzuklären. Die Frage ist allerdings: Wie kann denn so etwas passieren?


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 105

Kann so etwas immer wieder einmal passieren? Warum ist das so? – Das Problem ist, wir haben 22 Sozialversicherungsträger, und in all denen kann immer irgendetwas sein, weil natürlich weder die Geschäftsführung noch sonst irgendjemand in einen Menschen hineinschauen kann; Menschen können sich auch im Laufe ihres Lebens verändern. In diesem Zusammenhang wäre es natürlich nicht uninteressant, wenn man ein bisschen mehr Transparenz hätte und wenn man einmal wüsste, was denn eigent­lich an Vergaben gegeben ist. Wir hätten gerne gewusst, wie viele Vergaben es so gab.

Ich habe eine schriftliche Anfrage an Herrn Bundesminister Hundstorfer gestellt, auf die ich dann als Antwort bekommen habe: Ja, das ist leider aufgrund des verwaltungs­technischen Aufwandes nicht möglich. – Das hat mich im ersten Moment zwar etwas überrascht, aber seit dem Ausschuss kann ich verstehen, dass der Herr Bundesminis­ter diese Frage nicht beantworten kann. Er hat nämlich im Ausschuss gesagt: Es gibt ungefähr 4 000, und man weiß das jetzt nicht alles so genau. Er hat das dann noch ein bisschen ins Lächerliche gezogen, er hat nämlich gesagt, wenn da irgendwo eine Ge­schäftsstelle eine Gartenbegrünung um 1 000 € beauftragt, dann kann er das nicht wis­sen.

Da muss ich Ihnen schon sagen, Herr Bundesminister, das halte ich für einen sehr lässigen Umgang, wirklich wahr, denn auch, wenn es Aufträge um 1 000 € sind, ist das in der Summe sehr viel Geld, das in Wirklichkeit von den Zwangsversicherten hinein­fließt, und da sollte man schon ein bisschen vorsichtiger sein.

Die Menschen bezahlen das, und man sollte aufpassen, was man macht, und man sollte Kontrolle und auch Transparenz haben, und bei 22 Sozialversicherungsträgern, und ich rechne das jetzt hoch, wenn jeder dieser Sozialversicherungsträger im Jahr 4 000 Aufträge freihändig vergibt, was da alles passieren kann, also da würde ich meinen, da sind Sie ganz massiv gefordert, Herr Bundesminister, hier einmal eine Auf­klärung, eine Transparenz sicherzustellen, und das ist auch einer der Gründe, warum wir dringend eine Zusammenlegung der Sozialversicherungen brauchen, um zumin­dest einmal ein bisschen mehr Überblick zu bekommen.

In diesem Sinne würde ich Sie schon bitten, dieses Thema etwas ernster zu nehmen und nicht so drüberzufahren und zu sagen, das können wir nicht, und nur immer ins Lächerliche zu ziehen, denn, Herr Bundesminister, es sind die Menschen, die auch die Aufklärung möchten. Es geht hier nicht mehr um den Kriminalfall alleine. Es geht da­rum, was mit den anderen 3 999 Auftragsvergaben ist. Ist dort wirklich alles in Ordnung gewesen? Können Sie das überhaupt überprüfen? – Wenn Sie sagen, Sie wissen nicht einmal genau, wie viele es sind, dann muss ich Ihnen schon sagen, dann haben Sie meines Erachtens Ihre Aufsichtspflicht massivst verletzt.

In diesem Sinne bitte ich um Zustimmung zu diesem Antrag. (Beifall bei der FPÖ.)

13.39


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Muchitsch. – Bitte.

 


13.40.05

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es geht um ein sehr ernstes Thema. Frau Kollegin Belakowitsch-Jenewein, ich nehme das sehr ernst. Bei Auftragsvergaben ist es wichtig, dass sie erstens fair vonstattengehen und zweitens für den Mitbewerber nachvollzieh­bar sind.

Fakt ist, dass es einen Anlassfall gegeben hat. Aufgrund dieses Anlassfalles sind Sie aktiv geworden, nämlich mit einem Entschließungsantrag. Wir haben das im Aus­schuss behandelt. Fakt ist auch, dass, wenn man alle Ausschreibungen veröffentlichen


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 106

wollte, der Verwaltungsaufwand ein Wahnsinn wäre. Aber es gibt durchaus eine Kon­trollmöglichkeit, die für diese öffentlichen Aufträge gilt.

Glauben Sie mir – Vertreter der Wirtschaft werden Ihnen das bestätigen –, die Mitbe­werber sind bei einer Ausschreibung vielleicht an zweiter oder dritter Stelle und schau­en ganz genau, ob der Auftrag ordnungsgemäß vergeben worden ist oder nicht. Des­wegen gibt es natürlich auch Fälle wie diesen.

Fakt ist, politisch ist dieses Thema heute entschieden worden; der Vorstand der Pen­sionsversicherungsanstalt hat in diesem Fall, den Sie angeschnitten haben, die Entlas­sung ausgesprochen. Fakt ist auch, dass jetzt schon alle Mitbewerber bei diesen Aus­schreibungen Einspruch erheben können und das auch machen, und alle diese Ein­sprüche werden schon jetzt auf der Homepage des Bundesverwaltungsgerichtes ver­öffentlicht. Das heißt, dort besteht schon die Möglichkeit der Einsicht.

Aber was für die Zukunft viel wichtiger ist, und daraus sollten wir wirklich lernen: Wir brauchen dieses neue Bundesvergabegesetz – wobei ich nicht müde werde, an alle zu appellieren, da mitzutun –, das den öffentlichen Auftraggeber ganz klar verpflichtet. zu prüfen, nämlich bis zum letzten Subunternehmer hinunter, bis zum Ein-Personen-Un­ternehmen; sodass diese Vergaben transparent und nur mit Zustimmung des Auftrag­gebers erfolgen können und auch die Mitbewerber die Möglichkeit haben, da mitzuge­stalten und darauf zu achten, dass der Auftrag fair vergeben wird. Das ist mein Appell.

Ansonsten sind wir uns ja einig, aber dieser Antrag ist heute natürlich von uns abzu­lehnen, weil er dem Aufwand gegenüber nicht gerechtfertigt ist. Und wie gesagt, poli­tisch ist entschieden worden; alles andere fällt in den Zuständigkeitsbereich des Ge­richtes, und das neue Bundesvergabegesetz wird uns in diesen Sachen wesentlich bes­ser helfen können. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

13.42


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Mag. Hammer zu Wort. – Bitte.

 


13.42.47

Abgeordneter Mag. Michael Hammer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Mein Vorredner hat noch einmal darauf hingewiesen, was der Ausgangs­punkt dieses Antrages war. Es sind die Vorwürfe, die mittlerweile auch gerichtsanhän­gig sind, zu denen ermittelt wird, wo jetzt die Justiz am Zug ist. Damit ist, glaube ich, zumindest dieser konkrete Fall genau dort, wo er hingehört.

Ich möchte aber auch sagen – das wurde schon angesprochen, und ich glaube, da sind wir uns alle einig –, es braucht natürlich transparente Regelungen und Richtlinien, was die Vergabe im öffentlichen Bereich betrifft. Es wurde das Bundesvergabegesetz angesprochen, das Regelungen dazu enthält. Ich möchte aber auch zum Konkreten, zur Pensionsversicherungsanstalt sagen, dass natürlich nicht alles der Kontrolle des Ministeriums oder der Kontrolle von uns als Parlament unterliegt; weil wir dort im Be­reich der Selbstverwaltung sind, wo es auch entsprechende Aufsichtsorgane gibt.

Die sind zuständig, und dort gibt es auch entsprechende Richtlinien und Vorgaben für solche Vergaben; und ich glaube, es geht darum, diese wirklich transparent zu halten und auf deren Einhaltung zu drängen. Gegen Kriminalfälle wie diesen ist man nicht ge­feit, aber ich glaube, diese Transparenz sollte gegeben sein.

Wenn es diese Richtlinien und Vorgaben gibt, dann muss man nicht jeden einzelnen Vergabefall im Detail prüfen, aber die Einhaltung der entsprechenden Richtlinien und Vorgaben muss kontrolliert werden. (Beifall bei der ÖVP.)

13.44


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Bundesminister Hundstorfer zu Wort gemeldet. – Bitte.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 107

13.44.08

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Ich mache das ganz kurz. Ich glaube, die beiden Vorredner haben Ihnen gesagt, wie der Stand der Dinge innerhalb der Pensionsversicherung ist, was heute Vormittag ent­schieden wurde. Da geht es so und so weiter, das ist ja gerichtsanhängig; das ist ja nicht das Thema.

Das Thema ist, dass wir selbstverständlich für den sogenannten EU-Vergabe-Jahres­bericht statistische Daten erheben müssen. Sie haben gesagt, ich hätte das ins Lä­cherliche gezogen. Ich habe das nicht ins Lächerliche gezogen, sondern wir haben 4 000 Vergaben im Wert von rund 5 Millionen €, das heißt, 4 000 Vergaben allein im unterschwelligen Bereich. Sie können sich aber sicher sein, aufgrund des Anlassfalles wurde natürlich über vieles nachgedacht. Aber Sie meinen ja nicht die unterschwelligen Vergaben, Sie meinen ja andere. Mein Gartenbaubeispiel war ein durchaus korrektes, denn irgendwer muss gewisse Arbeiten tätigen, auch das ist eine Vergabe, und das war nicht lächerlich, sondern so ist es de facto.

Der langen Rede kurzer Sinn: Sie können sicher sein, dass wir natürlich weitere Dis­kussionen haben; wobei grundsätzlich das Vergabegesetz in der Pensionsversiche­rung kein Fremdwort ist, sondern sehr wohl vieles gelebt wird; allein die ganze tech­nische Umsetzung des Pensionskontos in Bezug auf Druckerei und so weiter, das sind alles Dinge, die sehr wohl vergabegesetzmäßig behandelt worden sind.

Demzufolge werden wir aus dem Anlassfall lernend natürlich da oder dort noch einmal schauen: Passen die Compliance-Sachen? Passen diverse weitere Vergabesachen? Denn grundsätzlich passt es. Wir haben in diesem Bereich das, was der Rechtsrahmen absteckt, immer eingehalten. Die Frage ist, ob man da oder dort nachschärfen muss. (Beifall bei der SPÖ.)

13.46


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Schwentner. – Bitte.

 


13.46.24

Abgeordnete Mag. Judith Schwentner (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Ich gebe Ihnen recht, da geht es um ein ganz wichtiges Thema. Das haben wir schon im Ausschuss gesagt und darüber waren wir uns auch jetzt in der Diskussion alle einig. Es geht nämlich um 6,7 Millionen pflichtbeitragszahlende Menschen in Österreich, die ihre Pflichtbeiträge an die Sozialversicherungsträger, an die verschiedensten Versicherun­gen zahlen; und wir alle haben das Recht, zu erfahren, wie mit den Geldern umgegan­gen wird.

Es hat nicht nur diesen einen Fall gegeben, der jetzt gerade im Gespräch war, nämlich in der Pensionsversicherungsanstalt, sondern auch einen zweiten großen Fall, nämlich in der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt, der AUVA. Dort war es die Obfrau, die ihren Dienst quittieren musste, weil sie sich offensichtlich in einen Freunderlwirtschafts­apparat verstrickt hat, teilweise an ihren Lebensgefährten Aufträge vergeben hat. Da geht es zum einen um Gutachten, zum anderen geht es auch in der PVA um viel grö­ßere Bereiche, nämlich auch um die Auftragsvergabe in Richtung Kuranstalten, Reha-Kliniken und so weiter.

Es ist nicht nachvollziehbar. Auch wenn Sie, Herr Minister, jetzt sagen, das sei teil­weise gelebte Praxis, muss ich sagen, offenkundig nur teilweise. Und der größere Teil, davon gehe ich aus, ist weniger gut gelebte Praxis.

Ich gehe auch davon aus, dass die beiden Fälle – und die sind tatsächlich ernst zu nehmen, weil es um ziemlich viel Geld geht und es wirkliche Kriminalfälle sind, da sind


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wir uns alle einig – hoffentlich nicht die Spitzen eines Eisbergs sind. Ich glaube, man muss da sehr viel genauer hinschauen.

Deswegen haben wir im Ausschuss gesagt, wir stimmen diesem Antrag nicht zu, weil wir nicht glauben, dass ein allgemein gehaltener Bericht da Aufschluss geben wird. Wir von den Grünen haben stattdessen einen anderen Weg gewählt, wir haben nämlich ei­ne sehr umfangreiche Anfrage im Laufen. Ich erhoffe mir, dass diese Anfrage Auf­schluss geben wird über Vergabepraxis, über die Vorgehensweisen, aber auch über Richtlinien, über mehr Transparenz in diesem ganzen Bereich, wo es um wirklich viel Geld geht und um unser aller Rechte als Beitragszahlerinnen und -zahler, nämlich das Recht auf Transparenz und Nachvollziehbarkeit in der Vergabe.

Insofern bitte ich Sie um Unterstützung, Herr Minister. Die gelebte Praxis möge tat­sächlich eine nachvollziehbare Praxis werden. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

13.49

13.49.10

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und So­ziales, seinen Bericht in 576 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

13.49.3714. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 1029/A der Abgeordneten Erwin Spindelberger, Dr. Erwin Rasinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998 geändert wird (532 d.B.)

15. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 103/A(E) der Abgeordne­ten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend ver­pflichtende Lehrpraxisausbildung samt Finanzierung durch die öffentliche Hand bei der Ausbildung zum Allgemeinmediziner (Dauer 12 Monate) (533 d.B.)

16. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 691/A(E) der Abgeord­neten Dr. Eva Mückstein, Kolleginnen und Kollegen betreffend fehlenden Konnex der Ärzteausbildung Neu zur Gesundheitsreform (534 d.B.)

17. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 785/A(E) der Abgeordne­ten Dr. Eva Mückstein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbesserung der stationären Versorgung von SchmerzpatientInnen (535 d.B.)

18. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 683/A(E) der Abgeordne­ten Dr. Eva Mückstein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Wiedereinführung


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der Statistik des GÖG/ÖBIG betreffend die Versorgung im Bereich psychischer Erkrankungen (536 d.B.)

19. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 768/A(E) der Abgeordne­ten Dr. Eva Mückstein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bundesqualitätsleit­linie für Schmerztherapie (537 d.B.)

20. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 920/A(E) der Abgeordne­ten Dr. Marcus Franz, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Definition des Em­bryo ab dem Zeitpunkt der Befruchtung der Eizelle“ (538 d.B.)

21. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 753/A(E) der Abgeordne­ten Dr. Marcus Franz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung des Be­rufsbildes „medizinischer Dokumentationsassistent“ (539 d.B.)

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen nun zu den Punkten 14 bis 21 der Ta­gesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Karlsböck. – Bitte.

 


13.50.01

Abgeordneter Dr. Andreas F. Karlsböck (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren hier im Plenum, auf der Galerie und zu Hause! Zuallererst, weil wir die Gesundheitsagenda besprechen und Sie, Herr Minister, für die Frau Minister hier sitzen, möchte ich im Namen meiner Fraktion – ich denke, Sie können das dann für die Ihre machen, aber ich glaube, ich darf das auch in Ihrem Namen machen – der Frau Minister von dieser Stelle aus alles Gute wünschen, eine gute Genesung und dass sie bald wieder hier auf der Regierungsbank Platz nehmen kann. (Allgemeiner Beifall.)

Wir haben jetzt mit diesem Tagesordnungspunkt ein wirklich inhomogenes Potpourri von Anträgen zu besprechen, wobei wir, wenn wir auf alle Anträge hier eingehen woll­ten, sicherlich stundenlang reden könnten. Die Conclusio und der große Bogen, der sich hier hinüberspannt, sind Reparaturmaßnahmen im Rahmen des Strukturplans Ge­sundheit, wenn man so möchte.

Der Strukturplan Gesundheit ist ja mehr oder weniger hier ins Leben, diskutiert und auch beschlossen worden, nämlich für eine Verbesserung des Gesundheitssystems. Ein Punkt davon war der, dass man gesagt hat, man möchte gerne die Spitalsambu­lanzen entlasten und mehr den niedergelassenen Bereich forcieren. Da beginnt mein Kritikpunkt: SPÖ und ÖVP beschließen Gesetze, ohne dass auch nur ansatzweise überlegt wird, wie da die Wechselwirkungen ausschauen könnten. Deswegen stehen wir heute hier und müssen über Reparaturmaßnahmen beraten.

Zum Beispiel ist, wie gesagt, angedacht worden, die Spitalsambulanzen zu entlasten und in den niedergelassenen Bereich auszulagern. Allerdings haben wir in den vergan­genen Monaten gesehen, dass der niedergelassene Bereich sukzessive ausgedünnt wird und tatsächlich nichts getan wird, um den niedergelassenen Bereich, vor allem die


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praktischen Ärzte, zu unterstützen und aufzuwerten. Die Regierung hat in ihrem Zen­tralismuswahn alles nur Mögliche getan, um niedergelassene Ärzte zu blockieren, aus­zuhungern. Wie soll der niedergelassene Bereich hier diese Schwemme an Patienten aufnehmen?

Die Schwächung des praktischen Arztes dürfte hier im Großen und Ganzen als Pro­gramm festgeschrieben worden sein, meine Damen und Herren. Anders kann ich mir nicht erklären, dass in bestimmten Bereichen Österreichs tatsächlich heute schon ein struktureller Engpass an praktischen Ärzten besteht, und auf der anderen Seite kaum Maßnahmen ergriffen werden, um dagegen anzukämpfen – wie zum Beispiel mit einer Erhöhung der Vertragszahlen im niedergelassenen Bereich, vor allem auf dem Land.

Die Menschen wollen einfach den praktischen Arzt, keine anonymisierten Primärzen­tren. Das ist nämlich eine Konsequenz aus dieser neuen Gesundheitsreform, die be­schlossen worden ist. Die Regierung geht dazu über, in diesem Bereich zu zentrali­sieren. In diesen Zentralisierungsagenden – ich möchte schon fast sagen, in diesem Zentralisierungswahn – stellen sich einige Blüten ein.

Die Gebietskrankenkassen sind ursprünglich als Selbstverwaltungsinstrument der Ver­sicherten eingerichtet worden. – Wir haben heute übrigens auch über die Arbeiterkam­mer gehört, über den Sinn und Zweck dieser Institution. – Die Gebietskrankenkassen haben seinerzeit vor allem den Auftrag gehabt – und haben ihn heute noch – in struk­turell unterversorgten Gebieten die ärztliche Versorgung sicherzustellen.

Davon kann heute keine Rede mehr sein, denn wir haben ja keine strukturell unver­sorgten Gebiete mehr. Das kann wieder kommen, aber heutzutage sind die Gebiets­krankenkassenambulatorien ja nur in den sogenannten besten Luxuslagen angesie­delt: Mariahilfer Straße, 1. Bezirk und dergleichen in Wien. Sie besitzen darüber hinaus umfassende Privilegien: Sie zahlen keine Steuern, für sie gibt es die Ausfallhaftung und dergleichen mehr.

Ich spreche das deswegen an, weil die Gebietskrankenkasse – und da sind wir wieder beim Ausdünnen des niedergelassenen Bereichs und dieser Blockierung des nieder­gelassenen Bereichs – dazu übergegangen ist, die Ärzteschaft unter einen Generalver­dacht zu stellen. Der Generalverdacht lautet: Wir schauen einmal nach, ob das tat­sächlich so ist, dass die Mehrzahl der niedergelassenen Ärzte im strukturellen Bereich falsch abrechnet. Wir schicken euch Testpatienten, wir unterstellen euch einem Gene­ralverdacht. So weit, so gut, könnte man sagen. Es steht ihnen zu, nachzusehen, ob da wirklich einige schwarze Schafe vorhanden sind.

Jetzt wird mir aber zugetragen – und jetzt kommt das Empörende –, dass die Gebiets­krankenkassen in Salzburg und in Wien vor allem im zahnärztlichen Bereich bei fri­schen Einstellungen den jungen Kollegen Umsatzziele vorgeben. Die Gebietskranken­kassen der Stadt oder des Landes Salzburg verlangen, dass die jungen Kollegen, die dort arbeiten möchten, mindestens 200 € Umsatz pro Stunde machen. In Wien, habe ich gehört, soll der Umsatz 1 000 € am Tag betragen.

Ich persönlich sehe es als problematisch an, als ethisch nicht in Ordnung, wenn eine Körperschaft öffentlichen Rechts und vor allem eine Gebietskrankenkasse ihren Mitar­beitern Umsatzziele vorgibt, zumal in den Statuten steht, dass diese Gebietskranken­kasse mehr oder weniger dafür da ist, um Strukturdefizite auszugleichen. – So viel zur Ungleichbehandlung.

Ich glaube überhaupt, dass es vor allem betreffend den Bereich der Gebietskranken­kasse hier im Hohen Haus einmal eine umfassende Diskussion geben müsste. Wir sind auch da, wo wir bei der Arbeiterkammer waren: Die Gebietskrankenkasse hatte ursprünglich nur den Auftrag, ein Inkassobüro zu sein, muss sich aber natürlich, um zu überleben, ununterbrochen neu definieren.


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Auch zu der unsäglichen Diskussion in Wien mit den Ärzten und dem Krankenanstal­tenverbund ist heute schon viel gesagt worden. Herr Minister, wir können Sie davon nicht entbinden, da Ihre Aufsichtspflicht als Minister wahrzunehmen, aber nicht nur das, auch in den ganzen Strukturen, wo Sie eingebunden waren und auch sind, ein bisschen Dampf zu machen.

Es kann tatsächlich nicht sein, dass 10 Prozent der Wiener Spitalsärzte eingespart werden sollen, dass, worüber die Abteilungen, die Abteilungsleiter empört sind, da Le­gionen von Managern losgeschickt werden, die schauen sollen, wo man einsparen kann, wo man reduzieren kann, wo man ausdünnen kann. Da wird mit unhaltbaren Zahlen gearbeitet, da werden laut Plan auch bei Nachtdiensten Primarärzte eingebun­den. – Herr Minister, das ist wirklich zu unterbinden!

Herr Minister! Wenn die Stadt Wien und ihre Strukturen, vom Krankenanstaltenverbund bis hin zur Frau Stadträtin, nicht imstande sind, in dieser Angelegenheit Ordnung zu schaffen, fordere ich Sie auf, da einmal wirklich auf den Tisch zu hauen. Sie beweisen ja auch hier, dass Sie das können. Wir ersuchen Sie darum, und zwar nicht im In­teresse der Partei, nicht im Interesse von uns Abgeordneten, sondern im Interesse der Patienten! (Beifall bei der FPÖ.)

13.57


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Spindelberger zu Wort. – Bitte.

 


13.57.18

Abgeordneter Erwin Spindelberger (SPÖ): Bevor ich auf die unqualifizierten Äuße­rungen meines Vorredners und auf den Antrag der Kollegin Belakowitsch-Jenewein eingehe, möchte ich im Namen meiner Kollegin Conny Ecker die Damen des Katholi­schen Bildungswerkes aus Franking recht herzlich auf der Galerie begrüßen. (Allge­meiner Beifall.)

Herr Dr. Karlsböck, verzeihen Sie mir, aber offensichtlich haben Sie in den letzten Sit­zungen des Gesundheitsausschusses überhaupt nicht mitbekommen, worum es bei dieser Gesundheitsreform geht. Es geht dabei nämlich genau um das Gegenteil des Zentralisierungswahns, über den Sie gesprochen haben. Mit dieser Gesundheitsreform soll eine bessere Versorgung als bisher gewährleistet werden (Abg. Belakowitsch-Je­newein: Das merkt man!), sei es die ärztliche oder medikamentöse Versorgung im ländlichen Raum.

Gerade Sie sollten, wenn Sie nur ein bisserl aufgepasst hätten, wissen, dass die Ge­sundheitsplattformen in den Ländern unter Einbeziehung der Ärztekammer, der Sozial­versicherungsträger und der Länder gerade dabei sind, Pilotprojekte zu entwickeln. – Also verzapfen Sie hier im Hohen Haus doch nicht immer so einen Blödsinn! (Zwi­schenrufe bei der FPÖ.)

Auf Ihren Antrag eingehend, Frau Kollegin Belakowitsch-Jenewein: Wenn wir heute über das Ärztegesetz Neu reden, so ist zu sagen, dass im Ärztegesetz, so wie es jetzt seit 1. Jänner in Kraft ist, erstmals drinsteht, dass die Ausbildung eines Arztes bezie­hungsweise einer Ärztin zur AllgemeinmedizinerIn eine sechsmonatige Lehrpraxis be­inhaltet. Ich denke, dass das ein guter Schritt in die richtige Richtung ist. Und die Dauer dieser verpflichtenden Lehrpraxis soll ja, so wie in Ihrem Antrag gefordert, wenn auch in Etappen, auf 12 Monate ausgeweitet werden.

Aber worum es mir wieder geht, ist die Doppelbödigkeit der FPÖ insgesamt: Auf der einen Seite stellt sich Herr Kickl heute her und verurteilt massiv das Budgetdefizit des Bundes, andererseits fordern Sie in Ihrem Antrag, dass die Kosten für diese Lehrpraxis vom Bund übernommen werden sollen. Auf der einen Seite soll der Bund mehr bren-


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nen, auf der anderen Seite kritisieren Sie das Ganze. – So kann es nicht laufen! (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Nein, nein!)

Ich bin massiv dagegen, alles dem Bund umzuhängen. Denn wenn wir jetzt sagen, wir machen eine Ausbildung Neu, dann wissen Sie auch, dass wir dementsprechend das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert haben, sodass jetzt für den Hauptver­band die Möglichkeit besteht, mit der der Ärztekammer Gesamtverträge bezüglich die­ses Einsatzes von Turnusärzten in den Lehrpraxen abzuschließen. Ich fände es wirk­lich besser, über andere Alternativen zu reden, statt alles dem Bund umzuhängen.

Da gibt es auf der einen Seite das viel gepriesene Vorarlberger-Modell, bei dem Bund, Länder und Sozialversicherung genauso wie die Ärztekammer gemeinsam die Finan­zierung dieser Lehrpraxen übernehmen. Und: Wer sagt, dass nicht die Lehrpraxenin­haber – wie auch alle anderen Wirtschaftsbereiche, die Lehrlinge ausbilden – für diese Kosten während der 6-monatigen Ausbildung aufkommen? Meiner Meinung nach ist es nicht zumutbar, dass alles der Bund zahlt.

Ich darf abschließend in Zusammenhang mit der Ärzteausbildung noch folgenden An­trag einbringen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Erwin Spindelberger, Dr. Erwin Rasinger, Kolleginnen und Kollegen zu 532 der Beilagen

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

1. Nach Z 11 wird folgende Z 11a eingefügt:

„11a. In § 235 Abs. 12 wird der Ausdruck ‚Dezember 2014‘ durch den Ausdruck ‚Mai 2015‘ ersetzt.

2. § 236 in der Fassung der Ziffer 12 lautet:

‚Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. x/2015

§ 236. Die §§ 4 Abs. 3 Z 2, 14 Abs. 1 und 3, 27 Abs. 10, 30 Abs. 1, 37 Abs. 3 Z 4, 59 Abs. 3, 117b Abs. 1 Z 18, 117c Abs. 1 Z 6 und 7, 122 Z 6 und 125 Abs. 4 zweiter Satz treten mit 1. Juli 2015 in Kraft.‘“

*****

(Beifall bei der SPÖ.)

14.01


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der vorgelesene Antrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht daher mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Erwin Spindelberger, Dr. Erwin Rasinger, Kolleginnen und Kollegen

zum Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 1029/A der Abgeordneten Erwin Spindelberger, Dr. Erwin Rasinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998 geändert wird (532 d.B ):


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 113

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

1. Nach Z 11 wird folgende Z 11a eingefügt:

„11a. In § 235 Abs. 12 wird der Ausdruck „Dezember 2014“ durch den Ausdruck „Mai 2015“ ersetzt.“

2. § 236 in der Fassung der Z 12 lautet:

„Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. x/2015

§ 236. Die §§ 4 Abs. 3 Z 2, 14 Abs. 1 und 3, 27 Abs. 10, 30 Abs. 1, 37 Abs. 3 Z 4, 59 Abs. 3, 117b Abs. 1 Z 18, 117c Abs. 1 Z 6 und 7, 122 Z 6 und 125 Abs. 4 zweiter Satz treten mit 1. Juli 2015 in Kraft.“

Begründung

Durch die Verlängerung der Frist bis 31. Mai 2015 in § 235 Abs. 12 soll den Trägern der Ausbildungsstätten die Möglichkeit eröffnet werden, weitere Ausbildungsstellen be­willigt zu erhalten. Die Frist bis 31. Mai 2015 harmoniert mit der Befristung des letzt­möglichen Beginns der ärztlichen Ausbildung nach der alten Rechtslage.

*****

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Dr. Mückstein. – Bitte.

 


14.01.59

Abgeordnete Dr. Eva Mückstein (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehr­ter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe der Frau Gesundheitsmi­nisterin heute schon über Facebook meine besten Wünsche ausgerichtet, möchte es aber auch noch einmal öffentlich sagen, dass ich ihr alles, alles Gute wünsche und hof­fe, dass es ihr bald wieder besser geht. (Allgemeiner Beifall.)

Dieser bunte Strauß, den wir letztens im Gesundheitsausschuss diskutiert haben, ist durch die Wortmeldungen meiner Vorredner noch ein bisschen bunter geworden. Ich möchte mich wieder auf das konzentrieren, was wir eigentlich besprochen haben. Punkt 1 ist dabei unser Antrag zur Verbesserung der Versorgung von Schmerzpatien­tInnen und der Antrag betreffend eine Bundesqualitätsleitlinie für Schmerztherapie, die es diesbezüglich braucht. Da oben (in Richtung in Bankreihen sprechender Abgeord­neter sowie in Richtung Besuchergalerie:) ist es sehr laut. Es ist dann wirklich schwie­rig, hier zu reden!

Die Versorgung von chronischen Schmerzpatienten sollte unbedingt verbessert wer­den. Es sollte eigene Schmerzbetten und qualifizierte Schmerzzentren dafür geben. Kollege Rasinger und Kollege Franz haben diesbezüglich im Gesundheitsausschuss widersprochen und gesagt, dass die Schmerzbehandlung in den jeweiligen Abteilun­gen gut abgedeckt sei. Ich habe daraufhin noch einmal recherchiert, und diese Aus­sage stimmt, so glaube ich, nur teilweise: Dort, wo es um sehr komplexe chronische Schmerzzustände geht, ist es sehr wohl wichtig, qualifizierte Stationen und Betten zu haben und zusätzlich auch noch den niedergelassenen Bereich auszubauen.

Wichtig ist auch, dass es grundsätzlich an einem Strukturkonzept fehlt, damit in Zu­kunft die Patienten nicht monatelang im Kreis geschickt werden. Wir brauchen geord­nete Patientenwege. Zudem müssen wir uns fragen: Was ist ein Schmerzzentrum im Vergleich zu einer Schmerzambulanz? Wie viele solche Einrichtungen brauchen wir?


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Und: Was genau braucht es zusätzlich noch im niedergelassenen Bereich? Beispiels­weise gibt es in meiner Gemeinde ein niedergelassenes Schmerztherapiezentrum, das meiner Meinung nach sehr qualifiziert arbeitet, aber wieder nur für den orthopädischen Bereich.

Ich bin froh darüber, dass mein Antrag in einen gemeinsamen Antrag umgewandelt wurde und auch angenommen wird, zumindest was diesen einen Punkt betrifft. Die GÖG wird beauftragt, Bundesqualitätsstandards für die Verbesserung der Versorgung von SchmerzpatientInnen zu erstellen, was hoffentlich bald geschieht. Diesbezüglich hat die Frau Ministerin Oberhauser Nachholbedarf eingeräumt und dabei erfreulicher­weise auch davon gesprochen, dass man überlegen muss, ob nicht auch Cannabis-Medikamente in die Schmerztherapie einbezogen werden sollten.

Der zweite Punkt, den ich ansprechen möchte, betrifft die Statistik zur psychotherapeu­tischen Versorgung von GÖG/ÖBIG. Diese Statistik wurde seit 1992 alle zwei Jahre he­rausgegeben.

Wir wissen, dass in Österreich etwa 900 000 Menschen das Gesundheitswesen auf­grund von psychischen Problemen in Anspruch nehmen. 840 000 Personen nehmen Psychopharmaka, aber nur sehr wenige bekommen dann qualifizierte psychiatrische und psychotherapeutische Versorgung, auch deswegen, weil gerade die psychothera­peutische Versorgung – meines Erachtens rechtswidrig – kontingentiert und privatisiert wurde. Dies stößt immer wieder auf massive Kritik und hat nach sich gezogen, dass wir eine extreme Mangelversorgung in diesem Bereich haben.

Wie reagiert Österreich darauf? – Mit der typischen österreichischen Lösung, der „Kopf-
in-den-Sand“-Politik: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß, also stellen wir die Erhebung von Verwaltungsdaten ein. Genau das ist passiert. Seit 2011 gibt es keine derartige Statistik mehr. Wir wissen also nicht mehr, wie viele Menschen überhaupt in Psychotherapie sind oder psychotherapeutische Medizin in Anspruch nehmen. Das ist ein untragbarer Zustand. Ich bedanke mich auch da bei der Frau Ministerin, die zuge­sagt hat, diese Statistik ab 2016 wieder in Auftrag zu geben.

Ein weiterer Antrag, den wir eingebracht haben, fordert, dass in der neuen Ärzteaus­bildung, so wie sie momentan im Entwurf vorliegt, der Konnex zur Gesundheitsreform besser abgebildet sein sollte. Wir haben vorhin gehört, dass die Spitalsambulanzen entlastet werden sollen und es zunehmend Primärversorgungszentren geben soll. Da­zu gibt es erste Pilotprojekte. Diese Primärversorgungszentren stellen darauf ab, dass unterschiedliche Berufsgruppen und auch unterschiedliche Disziplinen miteinander ar­beiten. Dazu braucht es aber meines Erachtens bereits in der Ausbildung ganz be­stimmte Voraussetzungen. Zudem braucht es verbindliche Kooperationsmodelle, damit so eine Zusammenarbeit wirklich funktionieren kann.

Herr Dr. Rasinger hat im Gesundheitsausschuss gesagt, dass die Zusammenarbeit von Ärzten und anderen Gesundheitsberufen seiner Meinung nach ganz gut funktio­niert. Ich finde, diese Zusammenarbeit funktioniert nur partiell und vor allem nicht ver­bindlich. Ich sehe immer wieder – und das wir wissen ja auch aus der Statistik –, dass beispielsweise Menschen mit psychischen Problemen immer noch fünf Jahre lang im Kreis geschickt werden, bis sie zur richtigen Behandlung kommen. Auch bei Kindern mit Entwicklungsrückständen vergehen oft viele Jahre, bis sie alle Therapien bekom­men und bei den richtigen Leuten landen.

Ich möchte abschließend noch zu einem Thema etwas sagen, über das im Anschluss eine namentliche Abstimmung abgehalten wird, nämlich zum Antrag des Kollegen Franz zur Definition des Embryos ab der Befruchtung. Es gab dazu auch im Ausschuss eine längere Diskussion. Ich bin der Meinung, dass es sich dabei um eine ethisch-reli­giöse-philosophische Frage handelt, die hier im Parlament nicht beantwortet werden kann.


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Darüber hinaus möchte ich, weil ja diese Frage immer wieder aufgeworfen wird, an dieser Stelle ein für alle Mal sagen: Es gibt dafür keinen gesamtgesellschaftlichen Kon­sens. Zudem möchte ich auch festhalten, dass Sie, Herr Kollege Franz, mit Ihrer Hal­tung weit außerhalb eines möglichen gesellschaftlichen Konsenses stehen und sich daher auch nicht wundern dürfen, dass derartige Anträge immer wieder abgelehnt wer­den. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

14.09


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Rasinger. – Bitte.

 


14.09.26

Abgeordneter Dr. Erwin Rasinger (ÖVP): Sehr geehrter Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Ich möchte aus diesen vielen Anträgen, die wir unter einem Tagesordnungspunkt zu behandeln haben, zwei Punkte herausgreifen, nämlich erstens die Schmerzbehandlung und zweitens den Antrag vom Marcus Franz zum medizini­schen Dokumentationsassistenten.

Wir sind bei der Schmerztherapie mit unserer Meinung nicht weit auseinander, das hat auch die Frau Abgeordnete Mückstein gesagt. Ich glaube aber, den Menschen wird weniger durch die Leitlinien, wie Sie sie ja ursprünglich wollten, geholfen, sondern durch die Möglichkeit, diese Standards zu leben.

Wenn man sich kritisch fragt, wo Österreich im internationalen Vergleich in der Schmerz­behandlung liegt, so ist die Antwort klar: Wir sind sicher in Bezug auf die Qualität nicht schlecht positioniert. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Das glaube ich nicht!)

Probleme haben wir in Österreich im Bereich des Zugangs zu Schmerzmitteln. Es gibt einfach sehr viele Menschen, die Schmerzen haben, und die Möglichkeiten der Schmerz­therapie sind – Gott sei Dank! – sehr groß geworden. Als ich mit der Medizin angefan­gen habe, steckte die Schmerztherapie wirklich in den Kinderschuhen. Damals hat es kaum die Möglichkeit gegeben, Morphine zu geben. Die Menschen haben wirklich schreckliche Schmerzen gehabt, vor allem bei Krebs im Endstadium.

Derzeit haben wir in Österreich teilweise im ambulanten Bereich Probleme im Schmerz­mittelzugang, obwohl der Zugang manchmal relativ gut ist. Manchmal haben wir Prä­parate, die aus verschiedenen Gründen – scheinbar aus Kostengründen – sehr schwer abgebbar sind. Damit man weiß, wovon ich rede: Das ist Tapentadol, das ist Lyrica, das ist Targin, das ist Dronabinol, das ist das Pflaster Qutenza. Gerade Schmerzpa­tienten, die das ja nicht aus Jux und Tollerei nehmen, sollte man meiner Meinung nach nicht mit extremen Auflagen und Bewilligungspflichten sekkieren.

In einer Frage haben Sie mich falsch interpretiert: Ich bin nicht der Meinung, dass es keine entsprechenden Abteilungen geben sollte, vielmehr meine ich, dass jedes Spital einen schmerztherapeutischen Schwerpunkt haben sollte. Wie das organisiert ist, ist wieder eine andere Frage.

Zum zweiten Punkt, dem Dokumentationsassistenten: Lieber Marcus Franz, du warst selber Primar im Hartmannspital. Ich halte es für abwegig, diesbezüglich den deut­schen Weg zu gehen, und zwar zuerst einmal die ärztliche und pflegerische Tätigkeit so kompliziert zu machen, dass sich keiner mehr auskennt, um dann für die Ärzte den Dokumentationsassistenten als eigenen Beruf in Anspruch zu nehmen. Das Buch der Dokumentation in Deutschland ist so dick, da kennt sich keiner aus! (Abg. Belako­witsch-Jenewein: Das ist schon so!) Angesichts dessen ist es kein Wunder, dass das – trotz der Dokumentationsassistenten, die ja auch wieder von irgendwelchen ge­heimnisvollen Kontrolloren überprüft werden müssen – zu 20 Prozent nicht stimmt, wie dort die zuständigen Überprüfungsgremien rügen. Ich halte diesen Bürokratiewahn für Schwachsinn.


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Die neueste Studie in Deutschland – und die wird auch für Österreich nicht ganz so falsch sein – hat ergeben, dass alleine im ärztlichen Bereich die Dokumentation circa viereinhalb Stunden pro Tag ausmacht.

Ich glaube, unser Ziel sollte es sein, die Dokumentation abzubauen – und da sind wir von der ÖVP sehr dahinter –, statt sie aufzubauen hin zu einem völlig sinnlosen Po­panz, bei dem am Schluss auch das Personal sagt: Ich bin nicht Arzt oder Kranken­schwester geworden, um zu dokumentieren! Ich will mit Menschen reden, und ich will Menschen in ihren schwierigen Situationen auch helfen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

14.13


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Franz. – Bitte.

 


14.13.16

Abgeordneter Dr. Marcus Franz (STRONACH): Herr Präsident! Hohes Haus! Es freut mich, dass ich so eifrig erwähnt werde. Ich möchte mich aber jetzt auf ein Thema kon­zentrieren, und zwar möchte ich mit Ihnen über die Menschwerdung und über die rechtliche Definition, ab wann ein Mensch ein Mensch ist, reden. Das ist eine Grund­satzfrage, und die muss man sehr wohl im Parlament diskutieren, ebenso wie überall anders. Einige von uns, oder sogar sehr viele, wollen sich um diese Grundsatzfragen ständig herumschwindeln.

Gehen wir einmal zurück zum ABGB. Da gibt es den § 22, der uns sagt:

„Selbst ungeborne Kinder haben von dem Zeitpuncte ihrer Empfängniß an, einen An­spruch auf den Schutz der Gesetze.“

Das ist eine relativ eindeutige Formulierung, die jedoch in Zeiten wie diesen nicht mehr wirklich brauchbar ist, denn es stellt sich die Frage: Was ist die Empfängnis?

Für diesen Zeitpunkt der Empfängnis gibt es keine klare juristische und medizinische Definition. Daher müssen wir uns durchringen, das definieren zu wollen. In anderen Ländern gibt es ganz klare Embryonenschutzgesetze, dort gibt es Gesetze, wie man mit dieser sehr heiklen Phase der Menschwerdung umzugehen hat, dort setzt man sich gesellschaftlich und politisch damit auseinander.

Meine Damen und Herren! In Österreich haben wir zuletzt 1996 im Rahmen eines OGH-Urteils mit dieser Frage zu tun gehabt. Damals hat der Oberste Gerichtshof diese Frage im Zuge von Erbstreitigkeiten behandelt und festgestellt: Der relevante Zeitpunkt der Empfängnis ist die „Vereinigung von Samen und Eizelle“. – Das ist in dem Urteil von 1996 nachzulesen.

Seit damals haben wir uns damit nicht mehr beschäftigt, uns reicht also ein Richter­spruch, ohne dass wir ein Gesetz dazu haben. Meine Fraktion und auch die Fraktion der FPÖ finden, dass sich der Gesetzgeber sehr wohl mit dieser Frage auseinander­setzen muss. Das ist keine österreichische Eigenart oder österreichische Idee, sondern ein EU-weites – um nicht zu sagen: weltweites – Problem oder Thema.

Warum ist es so wichtig, für diese Phase des Lebens klare Gesetze zu haben? – Wir haben internationale Rechtsdebatten um die Stammzellen, um Embryonen im Frühsta­dium. Wir haben zum Beispiel in England circa 2 Millionen tiefgefrorene Embryonen, und kein Mensch weiß, was man mit diesen kleinen Menschlein anfangen soll. Wir ha­ben Patentrechtstreitigkeiten von Gentechnikfirmen, und wir stehen unmittelbar vor der Frage: Wie weit soll die technische Erzeugung des Menschen gehen? – Am Horizont ist ein großes Ziel erkennbar, und zwar die absolute Trennung von Sexualität und Fort­pflanzung: Die Fortpflanzung wird technologisiert, und die Sexualität wird zum Spaß erklärt. Das halte ich für eine Grundsatzfrage des Menschseins überhaupt.


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Meine Damen und Herren! Damit beschäftigt sich nicht nur der Marcus Franz, oder vielleicht noch die FPÖ oder das Team Stronach, vielmehr setzen sich in ganz Europa große Gruppen, ganze Länder, ganze Politikergarden damit auseinander.

Auch der Generalanwalt Cruz Villalón hat im Jahr 2014 eine Empfehlung für den Euro­päischen Gerichtshof abgegeben, was denn ein Embryo überhaupt ist. Er hat gesagt: Als menschlicher Embryo gilt alles, was ein Mensch werden kann. Im Jahr 2011 hat es dazu auch ein EuGH-Urteil gegeben, wonach jede befruchtete Eizelle ein menschlicher Embryo sei.

Nur in Österreich trauen wir uns nicht, Embryos zu erwähnen, weder im Fortpflan­zungsmedizingesetz noch in sonstigen Gesetzen, da reden wir immer von entwick­lungsfähigen Zellen. Wissen Sie, wo der Embryo am häufigsten erwähnt wird? – Im Tierschutz. Im Tierschutz gibt es Embryonen, beim Menschen gibt es keine. Wir wollen uns damit nicht auseinandersetzen, weil wir zum Schummeln neigen, diese Fragen gerne außen vor lassen und uns lieber der Beliebigkeit des Alltags widmen. Das halte ich für ein grundsätzliches Problem.

Wann beginnt das Menschsein? – Aus unserer Sicht und aus der Sicht vieler anderer ist dies keine religiöse Frage, oder zumindest nicht nur eine religiöse Frage, sondern eine grundsätzliche, fundamentale, ethische und daher auch politische Frage. Aus un­serer Sicht beginnt es mit der Zeugung, das sagt auch der EuGH, das sagt der Ge­neralanwalt der EU, das sagen andere Länder. Es geht dabei um die Achtung und die Würde vor dem menschlichen Leben, damit befruchtete Zellen nicht Gegenstand von Geschäftemachereien oder überhaupt von Erzeugungen neuer Menschen werden.

Daher ist es aus unserer Sicht dringend notwendig, diesbezüglich eine klare Entschei­dung zu treffen und diese auch gesetzlich zu verankern, statt das immer den Richtern zu überlassen, die dann im Einzelfall darüber entscheiden, ob Menschenmaterial – ich sage das absichtlich so abfällig – menschlich ist oder ob man es einer industriellen Verwertung zuführen kann.

Das ist eine Grundsatzfrage, und wenn Sie sagen: Wir wollen das nicht in der Politik haben!, dann frage ich mich: Wozu sind Sie dann in die Politik gegangen? Wollen Sie die Grundsatzfragen ausklammern? Das Fundamentale ist wurscht, da machen wir ir­gendetwas und leben die Beliebigkeit?! – Ich halte das, mit Verlaub gesagt, für den vollkommen falschen Ansatz.

Wir brauchen ein klares Bekenntnis zum Menschsein. Ich halte das für überaus wich­tig, daher habe ich auch, gemeinsam mit der FPÖ, diese Abstimmung zu einer nament­lichen Abstimmung gemacht. In dieser Frage muss man Farbe bekennen, sich eben zu etwas bekennen, statt immer diese heiklen Fragen des Lebens zu umschiffen. – Dan­ke. (Beifall beim Team Stronach sowie des Abg. Karlsböck.)

14.18


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Loacker. – Bitte.

 


14.18.35

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Im Ausschuss sind einige Anträge bezüglich der Berufs­bilder im Gesundheitswesen behandelt worden. Diese Berufsbilder unterliegen aber, wenn die Bundesregierung es schafft, in der Gesundheitsreform einige Schritte weiter­zukommen, ohnehin einer Veränderung.

Gerade bei der Ärzteausbildung geht eigentlich die jetzt vorliegende Änderung von ei­nem Berufsbild aus, das ein Ablaufdatum hat. Wenn wir weggehen von dem Modell des niedergelassenen Arztes als Einzelkämpfer hin zu Primärversorgungszentren, dann


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wird sich natürlich auch das Berufsbild des Arztes wandeln, und zwar hin zum Team­spieler, zum disziplinübergreifenden kooperierenden Arzt. Das findet leider keinen Nie­derschlag in den gesetzlichen Änderungsvorschlägen, die uns heute vorliegen.

Wenn man Böses denkt, könnte man sagen: Die Regierung glaubt ja selber nicht an die eigene Ernsthaftigkeit, wenn es um die Umsetzung der Gesundheitsreform geht. Ich habe an dieser Stelle schon gesagt, wenn die Frau Bundesminister bis Ende 2016 mit der Gesundheitsreform 1 Prozent der Bevölkerung erreicht haben will und sie in dem Tempo weitermacht, dann werden wir in 200 Jahren alle Österreicher damit er­reicht haben. Das ist in der bewährten Tradition des rot-schwarzen Stillstands.

Dazu gehören auch viele andere Dinge, wie zum Beispiel, dass Ärzte keine anderen Ärzte anstellen dürfen, ohne eine Krankenanstalt zu eröffnen. Wir haben unflexible Re­gelungen für Gruppenpraxen. Wir haben ein System, das immer mehr Leistungen aus dem gesetzlich sozialversicherten Bereich in den privaten Bereich hinausdrückt. Des­wegen wird auch das Berufsbild zumindest des Kassenarztes immer unattraktiver.

Es wird weiters – Kollege Spindelberger hört es nicht gern, es ist trotzdem eine Tat­sache – eine Verschiebung von Leistungen in den privaten Bereich bewirkt, indem man im öffentlichen Bereich eine Verknappung erzeugt. Wenn ich die Zahl der Kassenärzte künstlich niedrig halte und in der Zwischenzeit die Zahl der Wahlärzte steigt, bringe ich immer mehr Patienten, die monatelang auf einen Facharzttermin warten müssen, dazu, dass sie sagen: Na, dann nehme ich halt das Geld in die Hand! Es ist teuer, es schmerzt mich, aber es ist es mir wert, zum Wahlarzt zu gehen, weil ich beim Kas­senarzt so viele Monate warten muss.

Sie produzieren mit Ihrer Politik sehenden Auges eine Zweiklassenmedizin. (Abg. Be­lakowitsch-Jenewein: Die ist schon längst da!) Aber Sie streiten es ab, anstatt den Menschen ehrlich zu sagen, was Sache ist. Da ist es mir unverständlich, dass die Re­gierungsparteien beim Themenkreis Gesundheitsreform mit einem derartigen Schne­ckentempo vorangehen und untätig bleiben. (Beifall bei den NEOS.)

14.21


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Doppler. – Bitte.

 


14.22.03

Abgeordneter Rupert Doppler (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr ge­ehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Herr Minister (in Richtung des am Rand der Regierungsbank stehenden Bundesministers Hundstorfer), gesegnete Mahlzeit! Der Vor­redner hätte Ihnen diese Mahlzeit nicht gegönnt; ich gönne sie Ihnen sehr.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Verbesserung der stationären Versorgung von Schmerzpatientinnen und Schmerzpatienten: Schmerzbehandlungen sind eine wichtige und richtige Einrichtung, auch im stationären Bereich. Hier muss alles unternommen werden, dass solche Einrichtungen weiter ausgebaut und nicht ein­gespart werden, denn, meine sehr verehrten Damen und Herren, was Menschen mit Schmerzen, vor allem Menschen mit chronischen Schmerzen oft durchmachen, ist kei­nem Menschen zumutbar!

Zwei Sätze noch, meine sehr verehrten Damen und Herren, zu der medizinischen Do­kumentationsassistentin oder dem ‑assistenten: Herr Dr. Rasinger – er ist jetzt nicht da –, wir haben ja im Gesundheitsausschuss auch über die ausufernde Bürokratie ge­sprochen, und ich glaube, Sie haben hier vollkommen recht. Allerdings hat ein solches Berufsbild auch seinen Reiz, denn eines muss man schon bedenken, meine sehr ver­ehrten Damen und Herren: Was für Ärztinnen und Ärzte, für Schwestern, für Pfleger an Dokumentationen vorhanden ist, ist fast nicht zu bewältigen.


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Ich glaube, es ist ganz, ganz wichtig, dass der Arzt, die Ärztin, der Pfleger, die Schwes­ter wieder Zeit für die Patienten haben und diese Dokumentationswut nicht weiter vo­rangetrieben wird. Ich glaube, in diesem Sinne wäre es einfach auch interessant, ein solches Berufsbild zu haben. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

14.23


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Königsberger-Ludwig. – Bitte.

 


14.24.01

Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich mit dem Antrag vom Herrn Abgeordneten Dr. Franz beschäftigen. Er fordert in seinem Entschließungsan­trag die Gesundheitsministerin auf, ein Gesetz vorzulegen, dass die Eizelle ab dem Zeitpunkt der Befruchtung als Embryo gilt und auch als Mensch definiert ist.

Herr Dr. Franz zitiert in seinem Antrag aus einem Artikel in der „Zeit“. Ich habe mir das angeschaut. Aufgrund eines Anlassfalls – da ist es um einen Patentstreit gegangen, einem kanadischen Unternehmen war das Forschen mit Stammzellen untersagt wor­den – hat der EuGH mehr oder weniger tätig werden müssen, weil das EuGH-Urteil aus dem Jahr 2011, das auch Sie heute in Ihrer Rede angesprochen haben, die Frage eigentlich offenlässt, wann ein Embryo nicht getötet werden darf. Deswegen musste oder sollte der EuGH tätig werden, um zu definieren, wann ein Embryo tatsächlich auch als Embryo gilt.

Jener Herr Villalón, den Sie angesprochen haben, hat in seinem Gutachten gesagt, dass es entscheidend ist, ob die Eizelle ein Potenzial zur Menschwerdung hat. Genau da, Herr Kollege Dr. Franz, fängt für uns und auch für mich eigentlich die Schwierigkeit an, wie man mit dieser Frage umgeht. Frau Kollegin Mückstein hat es angesprochen: Es ist eine zutiefst ethische Frage, es ist eine religiöse Frage, es ist eine philosophi­sche Frage. Es ist auch eine wissenschaftliche Frage – das wurde ebenfalls angespro­chen –, weil es natürlich auch um Patente, um Stammzellenforschung geht.

Ich habe mir das angeschaut: Auch da gibt es ja unterschiedliche Richtungen. Die eine Ebene in der Wissenschaft sagt, dass der Organismus vom Moment der Befruchtung an als Embryo gilt. Die andere wissenschaftliche Meinung besagt aber, dass erst dann von einem Embryo gesprochen werden kann, wenn sich nach mehreren Zellteilungen einer befruchteten Eizelle die sogenannten Keimblätter bilden. Das ist jetzt natürlich sehr wissenschaftlich, aber so definiert das eben die Wissenschaft.

Und, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, ich habe mir auch angeschaut, wie Reli­gionen mit dem Lebensrecht eines Embryos umgehen. Auch da gibt es eigentlich keine einheitliche Meinung. Die katholische Kirche und die orthodoxen Kirchen sagen na­türlich, dass das menschliche Leben mit der Befruchtung beginnt; dies aber erst – und das habe ich auch nicht gewusst – seit dem Jahre 1869, als Papst Pius sagte, dass es um die Beseelung der Eizelle geht.

Bei der protestantischen Kirche beginnt das menschliche Leben zwar auch schon mit der befruchteten Eizelle, aber sie hat eine ganz andere Meinung zur Stammzellenfor­schung. Auch das ist ein interessanter Aspekt seitens der protestantischen Kirche.

Die jüdische Religion und auch der Islam sagen, dass das menschliche Leben erst ab dem 40. oder ab dem 120. Tag beginnt und erst dann die Eizelle als Embryo gesehen werden kann.

Der Hinduismus und der Buddhismus sagen, dass das Leben beginnt, wenn Eizelle und Samen verschmelzen. Aber auch sie sagen, dass man betreffend Stammzellen­forschung – speziell dann, wenn es dem Lebensschutz oder der Gesundung von ande­ren Menschen dienen kann – noch nicht ausdiskutiert hat.


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Genau da, Herr Kollege Dr. Franz und auch Kolleginnen und Kollegen von der Freiheit­lichen Partei, sehen wir von der Sozialdemokratie das große Problem, dass wir in Ös­terreich einen Gesetzestext vorlegen, womit wir in Österreich einfach bestimmen, wann das menschliche Leben tatsächlich beginnt. Bundesministerin Oberhauser hat es ja auch im Ausschuss gesagt: Wir möchten keine österreichische Definition über den Beginn des Lebens. Deswegen werden wir diesen Antrag heute auch ablehnen. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ sowie der Abg. Windbüchler-Souschill. – Abg. Deimek: Eine einsame Klatscherin bei den Grünen ...!)

14.27


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Belakowitsch-Jenewein. – Bitte.

 


14.27.54

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ja, ein bunter Mix an Anträgen, die wir heute hier zu diskutieren haben – ich möchte auf mehrere eingehen, zunächst ein­mal auf die Geschichte mit der Ausbildung in der Lehrpraxis.

Herr Kollege Spindelberger, ich bin sehr froh darüber, dass die Frau Bundesminister ein bisschen anders argumentiert hat als Sie heute, denn sie hat nämlich gesagt, das steht weiterhin in Verhandlung, und sie hat es noch lange nicht weggeschoben. Es kann auch nicht so sein, und das sage ich Ihnen jetzt gleich: Wenn Sie sagen, es sollen sozusagen die Ausbildner in der Lehrpraxis bezahlen, sprich der praktische Arzt, der diesen Lehrpraktikanten anstellt, dann kann ich Ihnen jetzt schon garantieren, dass Sie keine Leute mehr bekommen werden, die das um ein paar hundert Euro machen, nachdem sie zweieinhalb Jahre im Krankenhaus Turnus gemacht haben.

Eines muss ich Ihnen schon auch sagen: Bisher war es so, dass Ärzte einfach im Krankenhaus ausgebildet worden sind. Da mussten auch die Länder bezahlen. Jetzt wird ein halbes Jahr der Ausbildung quasi verlagert. Die Frage ist: Da spart sich die öffentliche Hand etwas – also sollte man hier schon auch um einen Kompromiss in der Bezahlung ringen. In dem Antrag ging es jetzt gar nicht um die Bezahlung, sondern hier ging es einzig und allein sozusagen um die Ausdehnung des Ganzen. – Das war mein Antrag.

Zu den Anträgen der Kollegin Mückstein betreffend die Schmerztherapie gab es eine sehr, sehr lebhafte Diskussion im Ausschuss. Ich glaube, Schmerzpatienten wollen in erster Linie einmal eine adäquate Therapie haben, und sie wollen sie sehr rasch ha­ben. Sie wollen nämlich zuerst einmal schmerzfrei sein und erst dann, sozusagen in ei­nem zweiten Schritt, die Ursache bekämpfen. Ich glaube schon, dass wir in Österreich hier manches Mal ein bisschen eine Unterversorgung haben – wobei ich jetzt nicht insgesamt allgemein sagen will, dass wir schlecht drauf sind. Aber es ist für Patienten oftmals wahnsinnig schwer, überhaupt einen Termin auf einer Schmerzambulanz zu bekommen. Es gibt Schmerzpatienten, die dann auf Palliativstationen ausweichen, wo man ja auch gut damit umgehen kann.

Das ist jetzt manches Mal ein etwas unbefriedigender Zustand, den wir da haben, al­lerdings nicht nur im stationären Bereich. Ich sehe das auch im ambulanten Bereich, denn viele Schmerzpatienten wollen ja nicht unbedingt immer stationär aufgenommen werden, sondern sie wollen ihr Leben mit einer guten Therapie ganz normal wieder weiterleben.

Ich halte diesen Antrag für gut, und übrigens auch den zweiten, der dann ein gemein­samer geworden ist. Wir hätten diesem Antrag unsere Zustimmung gegeben. Ebenso Ihrem Antrag über die Statistik betreffend die Versorgung für psychische Erkrankun­gen: Ich glaube, eine Statistik zu führen kann kein Fehler sein.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 121

Jetzt zum Thema Dokumentationsassistent. Herr Kollege Rasinger – jetzt ist er leider nicht mehr da –, ich weiß, Sie haben auch schon im Ausschuss dargelegt, dass Sie das nicht möchten und dass die Dokumentation immer mehr wird. Ja, das stimmt, Sie haben recht: Man müsste die Dokumentation zurückdrängen. Auch die Frau Bundes­minister hat gesagt, sie möchte die Dokumentation zurückdrängen.

Jetzt muss ich schon auch anmerken: Das ist ein frommer Wille, und Sie werden da unsere Unterstützung bekommen. Aber noch ist sie nicht zurückgedrängt! Noch sind wir im Istzustand, und noch frisst sie ein enormes Ausmaß an Zeit der Ärzte. Daher, glaube ich, muss man sich mit diesem Istzustand auseinandersetzen. Besonders inter­essant ist, dass Herr Kollege Rasinger, der hier seit 20 Jahren Gesundheitssprecher ist, sagt, er will all das, was allein in den letzten 20 Jahren an Dokumentation dazu­gekommen ist, weghaben. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ja, wir wollen das wahrscheinlich alle gemeinsam weghaben. Sollte das in den nächs­ten Jahren gelingen, dann wird sich für ein entsprechendes Berufsbild vielleicht he­rausstellen, dass wir es nicht mehr brauchen. Aber ich glaube, in der derzeitigen Si­tuation wäre es sinnvoll, das einzuführen. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

14.31


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Diesner-Wais. – Bitte.

 


14.31.51

Abgeordnete Martina Diesner-Wais (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Werte Damen und Herren im Plenum! Wir haben es ja schon gehört: Wir haben im Block Gesundheit eine Menge an Anträgen. Ich möchte auch zu einigen Stel­lung nehmen.

Wenn wir über die Lehrpraxisausbildung sprechen, so geht es in diesem Antrag um ei­ne verstärkte Förderung für die Lehrpraxen für die Allgemeinmediziner. Das ist eine ganz wichtige Sache, denn wir stehen ja vor dem Punkt, dass wir gerade im ländlichen Raum verstärkt Ärzte brauchen, und da ist natürlich die Ausbildung dahin gehend not­wendig. Wir haben bereits im letzten Ärztegesetz beschlossen, dass eine Lehrpraxis sechs Monate dauert und stufenweise von neun auf zwölf Monate verlängert wird. Die Krankenversicherung übernimmt auch einen Teil der Kosten; das hat die Frau Kollegin im Vorfeld schon angesprochen.

Weiters möchte ich auch zu den Schmerzpatienten sprechen. Hier hat es bereits eine Weiterentwicklung gegeben. Doch für jeden Menschen, der Schmerzen hat, ist eine Hilfe notwendig, daher sehe ich auch manche Lücken, die das Gesetz noch aufweist. Es sind da zum Beispiel die Kassenleistungen unzureichend geregelt. Eine eigene Leistungsposition der Krankenversicherung wäre da eine Option, und es wäre gut, wenn man das prüfen könnte.

Der Patient hat oft auch bürokratische Hindernisse bei der chefärztlichen Bewilligung. Da muss es in Zukunft auch bessere Lösungen geben.

Wichtig ist mir auch, dass man nicht nur die Symptome behandelt, sondern dass man auch auf die Krankheitsursachen eingeht. Der stationäre Bereich ist Ländersache und wird nicht auf Bundesebene geregelt.

Zum Dokumentationsassistenten, den Kollege Franz vorgeschlagen hat, möchte ich sagen, dass ich mich da der Meinung meines Kollegen Dr. Rasinger anschließe. Er sagt, dass hier mit einem zusätzlichen Beruf natürlich auch Schwächen auftreten, denn wenn die Dokumentation ausgelagert wird, entstehen auch Informationslücken und Fehler. Es ist auch in meinem Sinn, dass man sagt, die Dokumentationen, die wir bis


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jetzt schon machen müssen, gehören einfach durchforstet und vermindert, auf so viel Dokumentation wie notwendig und mehr Zeit für den Patienten. Das ist unser Motto.

Bei der Ausbildungsreform für die Turnusärzte, die mit 1. Juni 2015 in Kraft tritt, wurden schon einige Verbesserungen erreicht. Ich glaube, gerade im Bereich der Turnusärzte müssen wir noch weitere Anreize schaffen, denn das sind die Ärzte, die wir künftig auch bei uns haben werden. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

14.35


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hechtl. – Bitte.

 


14.35.14

Abgeordneter Johann Hechtl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätz­te Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich möchte nur kurz auf den Antrag 1029/A eingehen, wodurch eine Änderung des Ärztegesetzes 1998 erfolgen wird. Im Prinzip geht es darum, dass der übertragene Wirkungsbereich beziehungsweise der eigene Wirkungsbereich in einigen Teilen neu geregelt wird. Neben legistischen und redaktio­nellen Anpassungen sind Verfahren zur Prüfung des Vorliegens oder Nichtvorliegens der Erfordernisse für die Aufnahme oder Eintragung in die Ärzteliste sowie für die Aus­tragung aus der Ärzteliste nunmehr im eigenen Wirkungsbereich der Österreichischen Ärztekammer durchzuführen, beziehungsweise sind diese nicht mehr im übertragenen Wirkungsbereich durchzuführen.

Zum Antrag 103/A, in dem es darum geht, die verpflichtenden Lehrpraxen im Ausmaß von zwölf Monaten samt Finanzierung durchzusetzen, möchte ich wie schon meine Vorrednerin darauf verweisen, dass bereits mit 1. Jänner 2005 das Gesetz in Kraft ge­treten ist, wonach in Ausbildungspraxen nunmehr die Praxis schrittweise von sechs auf zwölf Monate angehoben wird. Auch die Sicherstellung der Finanzierung der Lehr­praxen ist bereits mit dieser Gesetzesänderung geregelt worden, und zwar dahin ge­hend, dass sich nun die Sozialversicherung oder die Sozialversicherungsträger an der Finanzierung der Lehrpraxen beteiligen können.

Geschätzte Damen und Herren, wir haben eines der besten Gesundheitssysteme. Das beste Gesundheitssystem braucht auch die besten Ärztinnen und Ärzte. Die besten Ärztinnen und Ärzte brauchen eine hervorragende Ausbildung. Darum sind wir seitens der Politik bemüht.

Ich darf unserer Bundesministerin, die ja heute nicht hier ist, alles Gute und beste Ge­nesung wünschen! Wir vom SPÖ-Klub freuen uns, wenn sie wieder bei uns im Hohen Haus ist. – Danke. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und FPÖ.)

14.37


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Franz. – Bitte.

 


14.37.30

Abgeordneter Dr. Marcus Franz (STRONACH): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich möchte mich noch einmal zur Frage des medizinischen Dokumentars äußern, damit hier keine Missverständnisse entstehen. Dieses Berufsbild gibt es in Deutschland be­reits seit 1969 mit großem Erfolg. Es wird auch in Österreich schon versuchsweise durchgeführt, und zwar in einzelnen Spitälern in Vorarlberg, auch dort mit sehr großem Erfolg.

Es geht hier keineswegs darum, die Bürokratie auszuwalzen oder auszuweiten oder die Dokumentation noch zu verstärken, sondern ganz im Gegenteil entlastet dieses Be­rufsbild den Arzt. Das führt den Arzt und die Ärztin wieder zur Kernaufgabe der Medizin zurück. Wenn Sie so wollen: Wir würden auch keine Ordination ohne qualifizierte Ordi­nationshilfe führen, oder wir würden auch die Medizin ohne Krankenschwestern oder Pfleger nicht führen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 123

Das heißt, wenn wir heute ein Dokumentationsangebot und eine Dokumentationspflicht haben, die sehr groß ist, die immer größer wird und schon vier Stunden unserer Tä­tigkeit pro Tag in Anspruch nimmt, dann, bitte schön, brauchen wir jemanden, der uns dabei hilft! Gleichzeitig können wir auch die Dokumentation eindämmen. Es ist ja nicht gesagt, dass durch jemanden, der etwas dokumentiert, die Dokumentationswut noch größer wird. Im Gegenteil, wenn sich die Ärzte auf ihre Kernaufgabe konzentrieren können, nämlich auf die Medizin, und jemanden haben, der ihnen bei der Dokumen­tation hilft, dann kann das für alle Beteiligten nur gut sein.

Ich ersuche daher alle, hier zuzustimmen. – Danke schön. (Beifall beim Team Stro­nach.)

14.39


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Yilmaz. – Bitte.

 


14.39.07

Abgeordnete Nurten Yilmaz (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zu dem Antrag „Definition des Embryo ab dem Zeitpunkt der Befruchtung der Eizelle“ ein paar Sätze sprechen. In diesem Zusammen­hang schließe ich mich der Rede meiner Kollegin Königsberger-Ludwig zu hundert Prozent an. Das ist eine Diskussion, in der weder das Gesundheitsministerium die De­finition führen kann und möchte noch ich.

Das ist eine Aufgabe der Wissenschaft, und deshalb soll dieser Begriff durch Wis­senschaft und Lehre definiert werden. Wie bereits erwähnt wurde, wird diese Frage nach dem Beginn des Lebens aus gesellschaftspolitischer und religiöser Sicht sehr un­terschiedlich gesehen und diskutiert.

Eine zentrale Frage ist auch, welche Rechtsfolgen an bestimmte Begrifflichkeiten ge­knüpft werden. Geänderte Definitionen hätten mitunter Auswirkungen auf die neuen Regelungen des Fortpflanzungsmedizinrechts und auf das Zivilrecht. Was wir keines­falls wollen, sehr geehrte Damen und Herren, ist eine beliebig herbeigeführte Defini­tion, weil das eben eine Aufgabe der Wissenschaft ist. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

14.40

14.40.54

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht eine der Berichterstatterinnen beziehungsweise einer der Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen jetzt zu einem recht umfangreichen Abstimmungsvorgang; ich bitte daher um Aufmerksamkeit.

Wir kommen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vor­nehme.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 14: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998 geändert wird, in 532 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Spindelberger, Dr. Rasinger, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde daher zunächst über die vom erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abän­derungsantrag betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abge­stimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Spindelberger, Dr. Rasinger, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag betreffend Einfügung einer neuen Zif­fer 11a und Änderung der Ziffer 12 eingebracht.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 124

Wer dem seine Zustimmung erteilt, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussbe­richtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung erteilen, um ein beja­hendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Ge­setzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig. Der Gesetz­entwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 15: Antrag des Gesund­heitsausschusses, seinen Bericht 533 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 16: Antrag des Ge­sundheitsausschusses, seinen Bericht 534 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 17: Antrag des Ge­sundheitsausschusses, seinen Bericht 535 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 18: Antrag des Ge­sundheitsausschusses, seinen Bericht 536 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Ferner gelangen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 19, die dem Aus­schussbericht 537 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend Bundesqua­litätsleitlinie für Schmerztherapie.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Zustim­mung. – Das ist mehrheitlich angenommen. (E 76.)

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 20: Antrag des Gesund­heitsausschusses, seinen Bericht 538 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Es ist namentliche Abstimmung verlangt worden.

Da dieses Verlangen von 20 Abgeordneten gestellt wurde, ist die namentliche Abstim­mung durchzuführen. Ich gehe daher so vor.

Die Stimmzettel, die zu benützen sind, befinden sich in den Laden der Abgeordne­tenpulte und tragen den Namen der Abgeordneten sowie die Bezeichnung „Ja“ – das sind die grauen Stimmzettel – beziehungsweise „Nein“ – das sind die rosafarbenen. Für die Abstimmung können ausschließlich diese amtlichen Stimmzettel verwendet wer­den.

Meine Damen und Herren, ich bitte um Aufmerksamkeit! Wir stimmen über die Kennt­nisnahme eines Berichts ab. Ich erwähne das, damit nicht jemand irrtümlich den fal­schen Stimmzettel einwirft.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 125

Gemäß der Geschäftsordnung werden die Abgeordneten namentlich aufgerufen, den Stimmzettel in die bereitgestellte Urne zu werfen.

Ich ersuche jene Abgeordnete, die für die Kenntnisnahme des Berichts stimmen, „Ja“-Stimmzettel, jene, die dagegen stimmen, „Nein“-Stimmzettel in die Urne zu werfen. Bitte achten Sie sorgfältig darauf, nur einen Stimmzettel einzuwerfen.

Ich bitte nunmehr die Schriftführerin, Frau Abgeordnete Mag. Musiol, mit dem Namens­aufruf zu beginnen; Herr Abgeordneter Buchmayr wird sie später dabei ablösen.

*****

(Über Namensaufruf durch die Schriftführerin Mag. Musiol beziehungsweise den Schriftführer Buchmayr werfen die Abgeordneten ihren Stimmzettel in die Wahlurne.)

*****

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Die Stimmenabgabe ist beendet.

Die damit beauftragten Bediensteten des Hauses werden nunmehr unter Aufsicht der Schriftführer die Stimmenzählung vornehmen.

Die Sitzung wird zu diesem Zweck für einige Minuten unterbrochen.

*****

(Die zuständigen Bediensteten nehmen die Stimmenzählung vor. – Die Sitzung wird um 14.48 Uhr unterbrochen und um 14.53 Uhr wieder aufgenommen.)

*****

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und gebe das Abstimmungsergebnis bekannt.

Abgegebene Stimmen: 153; davon „Ja“-Stimmen: 116, „Nein“-Stimmen: 37.

Der Ausschussbericht ist somit zur Kenntnis genommen.

Gemäß § 66 Abs. 8 der Geschäftsordnung werden die Namen der Abgeordneten unter Angabe des Abstimmungsverhaltens in das Stenographische Protokoll aufgenommen.

Mit „Ja“ stimmten die Abgeordneten:

Alm, Antoni, Aslan, Aubauer, Auer;

Bacher Walter, Bayr, Becher Ruth, Berlakovich, Brosz, Brunner, Buchmayr;

Cap;

Darabos, Diesner-Wais, Durchschlag;

Ecker, Ehmann, El Habbassi, Eßl;

Feichtinger Klaus Uwe, Fekter, Fichtinger Angela;

Gahr, Gerstl, Gessl-Ranftl, Glawischnig-Piesczek, Greiner Karin, Groiß, Gusenbauer-Jäger;

Hakel Elisabeth, Hammer Michael, Hanger Andreas, Haubner, Hechtl, Heinzl, Hell, Himmelbauer, Hofinger Manfred, Holzinger, Huainigg;

Jank, Jarmer, Jarolim;


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 126

Karl, Katzian, Keck, Kirchgatterer, Knes, Köchl, Königsberger-Ludwig, Krainer Kai Jan, Krist, Kucharowits, Kucher, Kuntzl, Kuzdas;

Lettenbichler, Lichtenecker, Lipitsch, Loacker, Lopatka;

Matznetter, Maurer, Mayer, Meinl-Reisinger, Moser, Mückstein, Musiol, Muttonen;

Obernosterer, Ofenauer, Ottenschläger;

Pendl, Pfurtscheller, Pirklhuber, Plessl, Pock, Preiner, Prinz;

Rädler, Rasinger, Rauch Johannes, Rossmann;

Schatz, Schellhorn, Scherak, Schieder, Schittenhelm, Schmid Julian, Schmuckenschla­ger, Schönegger, Schopf, Schultes, Schwentner, Sieber Norbert, Singer Johann, Spin­delberger, Steinacker, Steinhauser, Strasser;

Tamandl, Töchterle, Troch;

Unterrainer;

Vogl;

Weninger, Willi, Wimmer, Windbüchler-Souschill, Winzig, Wittmann, Wurm Gisela;

Yilmaz;

Zakostelsky, Zinggl.

Mit „Nein“ stimmten die Abgeordneten:

Angerer;

Belakowitsch-Jenewein, Bösch;

Darmann, Deimek, Dietrich, Doppler;

Ertlschweiger;

Franz;

Hafenecker, Hagen, Haider, Hauser, Hofer;

Jannach;

Karlsböck, Kassegger, Kitzmüller, Kunasek;

Lausch, Lintl, Lugar Robert;

Mölzer, Mühlberghuber;

Neubauer Werner;

Podgorschek;

Riemer, Rosenkranz Walter;

Schellenbacher, Schenk, Schmid Gerhard, Schrangl, Steinbichler, Strache;

Vavrik;

Weigerstorfer, Winter.

*****

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen nun zur Abstimmung über Tagesord­nungspunkt 21: Antrag des Gesundheitsausschusses, seinen Bericht 539 der Beila­gen zur Kenntnis zu nehmen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 127

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

14.54.1622. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 969/A(E) der Abgeord­neten Ulrike Weigerstorfer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erhöhung des Straftatbestandes der Tierquälerei“ (540 d.B.)

23. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 313/A(E) der Abgeordne­ten Ulrike Weigerstorfer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Standards der 1. Tierhaltungsverordnung für Masthühner“ (541 d.B.)

24. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 434/A(E) der Abgeordne­ten Ulrike Weigerstorfer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Standards der 1. Tierhaltungsverordnung für Puten“ (542 d.B.)

25. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 1053/A(E) der Abgeordne­ten Ulrike Weigerstorfer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Stellung von Tier­schutzorganisationen in Strafverfahren“ (543 d.B.)

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir kommen nun zu den Punkten 22 bis 25 der Ta­gesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Ich darf mitteilen, dass der Herr Bundesminister – das wurde mit den Fraktionsführern besprochen – bei dieser Debatte nicht anwesend sein wird, aber das ist kein Präjudiz für künftige Debatten.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Herr Abgeordneter Riemer, Sie sind zu Wort gemeldet. Wir haben noch 5 Minuten bis 15 Uhr. Das geht sich aus. – Bitte.

 


14.55.34

Abgeordneter Josef A. Riemer (FPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Hohes Haus! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Im Antrag betreffend „Erhöhung des Straftatbe­standes der Tierquälerei“ wird die Bundesregierung aufgefordert, eine Straferhöhung vorzunehmen.

Ich sage noch einige Punkte zum Thema Tierschutz vorweg, nämlich zum § 222 StGB. Wer ein Tier hält und betreut, ist verpflichtet, es artgerecht zu pflegen und zu er­nähren. „Wer ein Tier 1. roh misshandelt oder ihm unnötige Qualen zufügt oder 3. mit dem Vorsatz, dass ein Tier Qualen erleide, auf ein anderes Tier hetzt, ist zu bestrafen.“ Ebenso ist zu bestrafen, wer einem Tier ungerechtfertigt Schmerzen, Lei­den oder Schäden zufügt.

Jedermann hat die Aufgabe, ein Tier mit Futter und mit Tränke zu versorgen – egal, ob während der Haltung oder beim Transport, egal, ob das mit Qualzucht oder mit ande­ren Vorgängen zu tun hat.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 128

Man sieht schon, es gibt ein Konglomerat an Regelungen, die aber in der Praxis letzt­endlich meist zahnlos erscheinen. In Österreich ist gemäß § 222 für Tierquälerei ein Strafausmaß von bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe oder eine Geldstrafe von bis zu 360 Tagessätzen vorgesehen.

Wenn man sich das so anhört, denkt man, dass das reicht, ich möchte aber ein, zwei Punkte aus der Praxis herausnehmen. Da gab es den Fall der jugendlichen Migranten, die willkürlich junge Wildschweine gequält, bestialisch zu Tode gebracht haben. Deren Strafausmaß belief sich im Wesentlichen auf nichts, nämlich psychiatrische Behand­lung. – Schön.

Gehen wir in die Südsteiermark. Da hat sich ein Bauer während der Sommerzeit bei ungefähr 30 Grad über drei Monate nicht um seine 14 Rinder gekümmert, acht davon sind verreckt.; Strafausmaß: drei Monate. – Schön.

In Graz-Umgebung hat eine Bäuerin über ein Jahr ihre Tiere verwahrlosen lassen, kaum gefüttert und getränkt; Strafausmaß: 55 Tagessätze à 5 €. Da sieht man schon, dass da einiges im Argen liegt.

Positiv zu erwähnen wäre natürlich, dass man in Deutschland bis zu drei Jahre ins Ge­fängnis geht, ebenso in der Schweiz.

Im Strafrechtsänderungsgesetz 2015 sieht man vor, dass man den Strafrahmen unge­fähr auf zwei Jahre anhebt. Warum man die Tagessätze streicht, ist für mich nicht nachzuvollziehen. Ich verweise diesbezüglich auf das von Tierschutzombudsleuten ausgearbeitete Dokument vom 22. August 2013 an die damalige Bundesministerin für Justiz Mag. Karl. Da ist eine gute Zusammenfassung sämtlicher Tierschutzombuds­leute drinnen. Die soll – so hat es die Frau Bundesministerin Oberhauser verspro­chen – in das neue Gesetz eingearbeitet werden.

Der nächste Punkt in diesen Strafbestimmungen wäre der § 220a. Dahingehend sollte sich der Herr Justizminister mit einer Thematik auseinandersetzen, und zwar inwieweit künstlerische Aktionen, bei denen Tiere öffentlich gequält werden, hier berücksichtigt werden, ohne damit gegen die Freiheit der Kunst oder gegen die Meinungsfreiheit zu verstoßen. – Bitte keine Qualen aufseiten der Tiere.

Ich verweise auch auf den hervorragenden Antrag aus der Steiermark bei der Lan­destierschutzreferenten-Konferenz und auf die Resolution der Kärntner für höhere Strafen für Tierquäler. Hier ist eindeutig definiert, dass man dem nur mit einer drasti­schen Erhöhung des Strafrahmens entgegenwirken kann. Der Schutz von Lebewesen müsste höchste Priorität in unserer Gesellschaft haben.

Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mario Kunasek, Josef Riemer und weiterer Abgeordneter betreffend „Erhöhung des Straftatbestandes der Tierquälerei“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Gesundheit und der Bun­desminister für Justiz werden aufgefordert, dem Nationalrat umgehend einen Geset­zesentwurf vorzulegen, der eine Erhöhung des derzeitigen Strafrahmens für Tierquäle­rei auf drei Jahre vorsieht“.

*****


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 129

Wir von der FPÖ werden auch dem Antrag zustimmen, dass das Mindestmaß an Stan­dards für die Hühner und die Puten aufrechtbleibt. Wir dürfen nicht vergessen: Tiere sind keine Ware, sind keine Sache, es sind Lebewesen, und daher bitte ich Sie, diese Anträge auch zu unterstützen. (Beifall bei der FPÖ.)

15.00


Präsident Ing. Norbert Hofer: Ich unterbreche die Verhandlungen über die Tagesord­nungspunkte 22 bis 25.

15.00.46Kurze Debatte über die Anfragebeantwortung 3443/AB

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen nun zur kurzen Debatte über die Anfra­gebeantwortung des Bundesministers für Europa, Integration und Äußeres mit der Ord­nungszahl 3443/AB. Die erwähnte Anfragebeantwortung ist bereits verteilt worden, so­dass sich eine Verlesung durch den Schriftführer erübrigt.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung kein Redner länger als 5 Minuten sprechen darf, wobei dem Erstredner zur Begründung ei­ne Redezeit von 10 Minuten zukommt. Stellungnahmen von Mitgliedern der Bundesre­gierung oder zu Wort gemeldeten Staatssekretären sollen nicht länger als 10 Minuten dauern.

Ich ersuche nun Herrn Abgeordneten Dr. Rosenkranz als Antragsteller des Verlangens, die Debatte zu eröffnen. Die Redezeit beträgt 10 Minuten. – Bitte.

 


15.01.40

Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister Kurz! Im wahrsten Sinn des Wortes haben wir hier heute eine Kurz-Debatte, zu der wir Sie geladen haben. Es geht um eine Anfrage. Die Vorgeschichte: Es hat seitens der ÖVP in Niederösterreich, in Gerasdorf, einen Neujahrsempfang gegeben, und da wur­de in dem Lokalblatt „Bezirksblätter“ der Herr Bundesminister zitiert, der gesagt hat, dass der durchschnittliche Zuwanderer von heute gebildeter sei als der durchschnittli­che Österreicher. (Präsidentin Bures übernimmt wieder den Vorsitz.)

Das hat jetzt einige verwundert, denn wir haben nicht genau gewusst, wie sich das be­gründen lässt. Ist unser Bildungssystem in Österreich tatsächlich schon so furchtbar und katastrophal? Was sind die Gründe dahinter? Vor allem weiß man nicht immer, ob ein Zitat überhaupt richtig wiedergegeben worden ist. Wie auch immer, das führte zu einer parlamentarischen Anfrage, und die habe ich mit meinen Kolleginnen und Kolle­gen auch entsprechend gestellt: Ob dieses Zitat von Ihnen stammt? Woher kommt das? – Daraufhin haben wir die Antwort von Ihnen bekommen.

Es waren insgesamt zehn Fragen. Auf die zehnte Frage haben Sie geantwortet, dass das Meinungen sind und nicht Dinge der Vollziehung. Es ist zu akzeptieren, dass Sie das im Rahmen einer Anfragebeantwortung nicht machen. Auf die Fragen 1 bis 9 ant­worten Sie, dass Sie sich auf Daten der Statistik Austria aus dem Jahr 2013 beziehen, und Sie geben auch die Quellen ganz genau an: „migration & integration 2014“ mit den entsprechenden Seitenangaben; dann noch eine Studie zur Integrationsforschung, die vom Integrationsfonds selbst erstellt wurde und in der dann einige Punkte und einige Zahlen genannt werden.

Das Interessante bei einer Statistik ist halt, dass man die auslegen und lesen kann, wie man möchte, und dass man das eine oder andere vielleicht auch geflissentlich und auch vonseiten eines Mitarbeiterstabes in irgendeiner Form weglässt oder nicht ganz sieht oder die Parameter anders sieht.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 130

Es ist halt so bei der Statistik: Wenn man mit einem Fuß auf einem Eisblock steht und mit dem anderen Bein im glühenden Kohlebecken, dann hat man zwar Erfrierungen und Verbrennungen, aber statistisch gesehen hat man warme Füße. So gesehen ha­ben wir uns jetzt die Quellen, die Sie uns selbst gegeben haben, angeschaut.

Wir empfanden, dass diese Statistik, so, wie Sie es darstellen, nicht stimmen könnte. Zu welchem Zweck auch immer – das obliegt wieder der Interpretation –, man versucht in der ÖVP, die Migrationsströme nach Österreich in einer besonderen Form besser darzustellen, als sie vielleicht sein mögen, denn gefühlt kommt es mir so vor, dass es nicht unbedingt so ausschaut, wenn man sehr viele Menschen mit Migrationshinter­grund sieht, und das sind jetzt nicht nur unbedingt die Forscher, die natürlich auch an den Universitäten tätig sind, sondern auch jene, die man unter Umständen am Bau sieht. Das sind alles ehrenwerte Berufe, aber gefühlsmäßig halten wir, wie gesagt, Ihre Darstellung der Statistik für nicht stimmig.

Tatsächlich findet man dann die Ausschnitte heraus, die verwendet werden: Zum Bei­spiel werden bei der österreichischen Bevölkerung nur die Personen im Alter zwischen 25 und 64 herangezogen; also alle, die jünger als 25 Jahre sind, und alle, die älter als 64 Jahre sind, werden in dem Vergleich nicht herangezogen.

Umgekehrt gibt es ganz interessante Zuwanderergruppen nach Österreich, die auch in diese Studien mit einbezogen werden, wie zum Beispiel die Studierenden. Studieren­de, die nach Österreich kommen, die wir als Partei, als FPÖ, nicht als die klassischen Zuwanderer sehen, sondern die hier ein Studium machen und zum Großteil auch wie­der unser Land verlassen, um dann ihre Berufe anderswo auszuüben, werden beim Bildungsniveau, bei dieser Punktaufnahme, anscheinend mitgezählt.

Und was noch besser ist, ist Folgendes: Wissen Sie, wer darüber hinaus bildungsmä­ßig besonders hoch qualifiziert nach Österreich zuwandert? Österreicher, die ins Ausland arbeiten gegangen sind und dann, nach Jahren, wieder nach Österreich zu­rückkommen. Nach dieser Statistik ist das eine durchaus erkleckliche Zahl, und auch das sind Zuwanderer, die das Bildungsniveau nach oben drücken.

Da brauche ich Ihnen jetzt nicht alle Zahlen vorzulesen, aber in der von Ihnen zitierten und zugrunde gelegten Publikation lese ich zum Beispiel – das fällt nicht in das Alters­limit hinein – auf Seite 10 unter der Überschrift „Handlungsfelder und Integrationsindi­katoren“ Folgendes:

„Die ... Sprachstandsbeobachtung zeigt, dass 90% der 4½- bis 5½-jährigen deutsch­sprachigen Kinder, die einen Kindergarten besuchten, ein altersgemäßes Sprachni­veau besitzen, während 58% der 4½- bis 5½-jährigen Kinder, deren Erstsprache nicht Deutsch war, zusätzliche Fördermaßnahmen benötigten.“

Die sind in der Statistik nicht erfasst. Es wird auch eine Tatsache sein; nur jetzt zu sa­gen, dass die alle besser gebildet sind – so wird das wohl nicht sein.

Dann wird es ganz konkret:

„Die Anzahl und der Anteil ausländischer Studierender in Österreich steigen weiterhin, wobei die meisten aber zum Studium zuwandern. Im Wintersemester 1991/92 waren ... 20 000 Ausländer/-innen ... inskribiert, im Wintersemester 2012/13 bereits 68 000.“ – Allein aus Deutschland waren es 25 800.

Die Statistik Austria schreibt sogar weiter:

„Aufgrund der Zuwanderung von Studierenden erhöht sich das Qualifikationsniveau der Bevölkerung“.

Das heißt, das sind Zahlen – und da würde ich halt schon auch ganz gerne wissen, warum man diese Statistik so schön färbt –, dass man eben sagen kann: Der durch-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 131

schnittliche Zuwanderer ist besser qualifiziert, besser gebildet als der durchschnittliche Österreicher. Wobei in der Präambel der Statistik Austria noch Folgendes steht:

„So sind Zugewanderte in den höchsten und niedrigsten Bildungsschichten überpropor­tional vertreten“ – bei den Höchstgebildeten der Studie sind also die Forscher und die Studierenden, die kommen und wieder gehen, eingerechnet, und jene, die überdurch­schnittlich in den niedrigsten Bildungsschichten vertreten sind, sind wahrscheinlich die, die dann hier bleiben; unser Sozialsystem macht es gerne möglich –„, während die in­ländische Bevölkerung überdurchschnittlich häufig die mittlere Bildungsebene ... be­setzt.“

Das heißt, dort, wo der Durchschnitt liegt, ist überwiegend die österreichische Bevöl­kerung zu Hause, aber der Herr Bundesminister sagt: Im Durchschnitt – und so weiter.

Herr Bundesminister, ich weiß nicht, warum und wieso Sie diese Äußerung getätigt ha­ben: Vielleicht wollten Sie koalitionsintern betreffend die Bildungsministerin im Bereich Unterricht oder sonst wo etwas vom Zaun brechen, damit Sie dann sagen können: Bil­dung, die gehört halt der SPÖ, da versuchen wir wieder etwas unterzubringen. Oder Sie versuchen, das bis jetzt gescheiterte System der Rot-Weiß-Rot-Karte, der Rot-Weiß-Rot-Karte plus in irgendeiner Form schönzureden immerhin hat es sich bei die­ser Veranstaltung, bei der die Medien anwesend waren, um eine Parteiveranstaltung der ÖVP gehandelt. Anders kann ich es mir nicht erklären, denn die Zahlen, wenn man diese Studie insgesamt nimmt, lassen einen zu anderen Schlüssen kommen.

Man sieht auch ganz klar, dass – wenn man nicht gerade Deutschland heranzieht – bei den anderen Zuwanderergruppen, die man ja auch wahrnimmt, zum Beispiel nur 6 Pro­zent der ex-jugoslawischen und 4 Prozent der türkischen Migranten einen Uniab­schluss haben. Also dort, von wo auch besonders starke Gruppen nach Österreich kommen, ist das Bildungsniveau nicht so hoch.

Herr Bundesminister! Bei mir entsteht der Eindruck, dass Ihnen diese Aussage in ir­gendeiner Form passiert ist, und bei der Anfragebeantwortung versucht man jetzt – in irgendeiner Form und unter Heranziehung von Zahlen, die man da selektiv heraus­nimmt – den Eindruck zu erwecken, dass das alles stimmt.

Herr Bundesminister, ich glaube nicht, dass Sie den Bezug zur Realität in Österreich deswegen verloren haben, weil Sie aufgrund Ihres neuen Berufs und Ihrer Zuständig­keit sehr viel im Ausland sind, was an sich im Wesen des Außenministers liegt. (Abg. Rädler: Ja, schon!) – Richtig! Kollege Rädler gibt mir ausnahmsweise sogar einmal recht. Also ich muss sagen, das begrüße ich, denn es ist nicht besonders leicht, ihm irgendetwas recht zu machen. Insbesondere deshalb, weil ich einmal gar nichts gegen Herrn Landeshauptmann Pröll gesagt habe, ist er noch relativ ruhig in der Bank ge­blieben – an sich sitzt er ja deswegen hier. (Heiterkeit des Abg. Rädler.)

Herr Bundesminister, warum ist diese Anfragebeantwortung so ausgefallen? Was ist der Hintergrund dafür, dass Sie diese Aussage gemacht haben? Haben Sie die Statis­tik schon vorher gekannt oder erst später eingesehen, um Ihre Aussage zu rechtferti­gen? (Beifall bei der FPÖ.)

15.10


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Kurz. Herr Minister, Ihre Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte.

 


15.10.43

Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres Sebastian Kurz: Frau Präsi­dentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrter Herr Abgeord­neter Rosenkranz! Ich freue mich, dass ich die Möglichkeit habe, zu dem Thema heute ein paar Worte zu sagen, denn ich habe in den letzten Monaten ja durchaus mitbekom-


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men, dass es dazu von der FPÖ in zahlreichen Leserbriefen, aber auch sozialen Me­dien die eine oder andere Unterstellung gegeben hat.

Da ist immer wieder geschrieben worden, der Kurz hätte gesagt, Zuwanderer wären gescheiter oder wären intelligenter. Mich erinnert das alles ein Stück weit an die De­batte, die wir im Integrationsbereich viel zu oft haben, nämlich die linke Träumerei auf der einen Seite und die rechte Hetze auf der anderen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Belakowitsch-Jenewein: Die ist aber nicht sachlich, Ihre Aussage! – Zwischenruf des Abg. Walter Rosenkranz.)

Ich glaube, was es braucht, ist weder das eine noch das andere, sondern möglichst viel Sachlichkeit. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Wir waren eh sachlich! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ. Abg. Walter Rosenkranz: Hören wir zu!) – Herr Abgeord­neter Rosenkranz hat gerade vorgeschlagen, dass Sie mir zuhören. (Zwischenruf des Abg. Neubauer.) Insofern darf ich fortsetzen und versuchen, Ihnen ganz sachlich dar­zulegen, dass es Zahlen gibt, die vielleicht nicht die Erwartungshaltung von jedem tref­fen, die vielleicht auch nicht jeden freuen, aber die durchaus vorhanden sind, und man sollte sie, glaube ich, auch ernst nehmen.

Ich darf zunächst mit der Liste der Herausforderungen beginnen. Wenn man die Sta­tistik Austria genau liest oder wenn man sich das Statistische Jahrbuch für Migration und Integration ansieht, dann erkennt man schnell, Herr Abgeordneter Rosenkranz, dass die Liste der Herausforderungen lang ist. Kinder mit Migrationshintergrund haben zum Beispiel deutlich öfter einen Sprachförderbedarf als Kinder ohne Migrationshinter­grund.

Jugendliche mit Migrationshintergrund sind wesentlich öfter weder im Arbeitsmarkt noch im Bildungssystem verankert als Jugendliche ohne Migrationshintergrund.

Wenn man die Erwerbstätigkeit der Frau heranzieht, ist diese bei Migrantinnen wesent­lich schlechter als bei Österreicherinnen, der Mehrheitsbevölkerung.

Es gibt sehr viele Zahlen in diesen Broschüren und auch in der Statistik Austria, die uns zeigen, dass wir vor zahlreichen Herausforderungen stehen und dass es da natür­lich Bereiche gibt, in denen die Zahlen eine ganz eindeutige Sprache sprechen.

Auf der anderen Seite – und jetzt komme ich zu dem von Ihnen angesprochenen Punkt – muss man auch klar sagen, wenn man sich die Zuwanderungszahlen nach Ös­terreich anschaut, dass es nicht nur viele Menschen gibt, die nach Österreich zuwan­dern, sondern dass sich die Zuwanderung in den letzten Jahrzehnten auch sehr stark verändert hat. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Genau!) Vor einigen Jahrzehnten waren dies vor allem Gastarbeiter, davon ganz viele mit einem sehr niedrigen Bil­dungsniveau, sehr viele hatten nicht einmal einen Hauptschulabschluss, es gab auch Zuwanderer, die nicht einmal alphabetisiert waren. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Die haben wir immer noch!)

Und im Vergleich dazu kommt heute der Großteil unserer Zuwanderer aus der Euro­päischen Union – mit einem ganz anderen Bildungsniveau als es die Zuwanderer da­mals hatten. Sie haben angesprochen, dass das damit zu tun hat, dass sehr viele Stu­dierende nach Österreich kommen, und Sie haben vollkommen recht, Herr Abgeord­neter! Und genau deshalb habe ich in meine Anfragebeantwortung auch hineinge­schrieben, dass sich das Qualifikationsniveau der Zuwanderer vor allem durch die Zu­wanderung von Studenten erhöht.

Sie haben auch vollkommen recht, wenn Sie sagen, dass die Österreicher, die zu­rückkehren, auch überdurchschnittlich gut ausgebildet sind. Aber Herr Abgeordneter Rosenkranz, all das sollte uns nicht traurig stimmen, sondern es sollte uns freuen. Ich bin der Meinung, dass wir im Integrationsbereich genug Herausforderungen und Pro-


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bleme haben, und ich persönlich freue mich darüber, dass sich das Qualifikationsni­veau der Zuwanderer nach Österreich von vor 30 Jahren im Vergleich zu heute deut­lich verbessert hat.

Und ich bin auch froh darüber, dass heute ein Großteil unserer Zuwanderer aus der Europäischen Union kommt und im Durchschnitt eine wesentlich bessere Ausbildung hat als die Zuwanderer, die vor einigen Jahrzehnten nach Österreich gekommen sind (Abg. Walter Rosenkranz: ... Österreicher eine bessere Ausbildung bekommen! – Zwi­schenruf der Abg. Belakowitsch-Jenewein), weil ich glaube, dass Österreich von qua­lifizierter Zuwanderung wesentlich mehr profitiert als von einer nichtqualifizierten Zu­wanderung. (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Abgeordneter! Es gibt manche Zahlen, die ideologisch wahrscheinlich besser ins Weltbild der Grünen passen, und es gibt andere Zahlen, die ideologisch besser ins Weltbild der FPÖ passen. Ich bitte nur darum, dass die Fakten ernst genommen wer­den. Ich bin mir absolut sicher – und ich glaube, da teilen Sie meine Meinung –, dass es schlecht wäre, Herausforderungen kleinzureden, so zu tun, als gäbe es sie nicht. Aber auf der anderen Seite, wenn sich das Qualitätsniveau unserer Zuwanderer in den letzten Jahrzehnten positiv entwickelt, dann sollten wir das freudig zur Kenntnis neh­men! – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten der SPÖ sowie des Abg. Loacker.)

15.15


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Yilmaz. Die Redezeit beträgt gemäß Geschäftsordnung für alle weiteren Redner 5 Minuten. – Bitte.

 


15.15.56

Abgeordnete Nurten Yilmaz (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesmi­nister! Geschätzte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Dr. Ro­senkranz, Sie sind überdurchschnittlich gebildet, Sie haben ein Studium abgeschlos­sen, Sie gehören zu den 15,6 Prozent der Frauen und Männer, die in Österreich gebo­ren sind und sich Akademiker nennen dürfen. Diese Kennzahl 15,6 Prozent stammt aus einer Untersuchung der Statistik Austria aus dem Jahre 2013.

In derselben Untersuchung steht: Zuwanderinnen und Zuwanderer aus dem Ausland sind zu 21 Prozent Akademiker. Es gibt also unter den Zuwanderinnen und Zuwande­rern mehr Akademiker als unter den hier Geborenen. Ich frage Sie: Wo ist das Pro­blem? – Österreich benötigt gut ausgebildete Fachkräfte. Wir benötigen Menschen, die Know-how mitbringen. Wir können nur mit Niedriglohnländern wie China und Indien konkurrieren, wenn wir hier im Land auf Technologie und Wissen setzen. Also noch einmal: Wo liegt das Problem? – Wo ist das Problem, wenn Herr Außenminister Kurz diese Fakten in Gerasdorf anspricht? Nicht Österreich, meine sehr geehrten Damen und Herren, hat ein Problem mit der Tatsache, dass die Zuwanderer überdurchschnitt­lich gebildet sind, sondern die FPÖ. (Bundesminister Kurz steht in den Bankreihen und spricht mit Abg. Walter Rosenkranz.)

 


Präsidentin Doris Bures: Entschuldigung, Frau Abgeordnete! – Herr Bundesminister, ich glaube, es ist ein Gebot der Höflichkeit, der Rednerin zuzuhören. Danke vielmals. – Bitte, Frau Abgeordnete. (Bundesminister Kurz begibt sich zur Regierungsbank.  Abg. Walter Rosenkranz: Der Herr Minister hat sich eine nächste Anfragebeantwortung er­spart!)

 


Abgeordnete Nurten Yilmaz (fortsetzend): Danke, Frau Präsidentin. – Die FPÖ hat ein Problem mit der Tatsache, dass die Zuwanderer überdurchschnittlich gebildet sind, denn das widerspricht dem von der FPÖ so gerne gezeichneten Bild der ungebildeten Zuwanderer, die unser Sozialsystem ausnutzen wollen. Darum darf man es auch nicht


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öffentlich aussprechen. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Ja, ja! Richtig!) Das werfen Herr Dr. Rosenkranz und die FPÖ unserem Integrationsminister vor. „Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar“ hat Ingeborg Bachmann einmal gemeint. Da hat sie aber noch nicht die Strache-FPÖ gekannt – der ist die Wahrheit nicht zumutbar.

Es gibt Menschen, die sind überzeugt, dass die Kondensstreifen der Flugzeuge in Wirklichkeit Gifte freisetzen, um uns alle zu manipulieren, und echte FPÖler glauben fest daran, dass Zuwanderer nicht lesen und schreiben können, unser Sozialsystem ausnützen und im Übrigen gemeingefährlich sind. (Zwischenruf der Abg. Belako­witsch-Jenewein. – Abg. Neubauer: Wissen Sie eigentlich, was Sie da von sich ge­ben?!) Echten Glauben können auch keine evidenzbasierten Fakten erschüttern, denn: Was nicht sein darf, das kann nicht sein! Darum blenden Verschwörungstheoretiker alle Fakten aus, die gegen ihre Verschwörung sprechen. (Abg. Neubauer: Das ist ja unglaublich!) Für diese verschwörungstheoretische Gruppe ist das ungemein wichtig, denn, meine sehr geehrten Damen und Herren, was bliebe der FPÖ übrig, wenn sie auf Fremdenfeindlichkeit und rassistische Attitüden verzichten würde. (Abg. Kitzmül­ler: Was hätten Sie zu sagen, wenn es uns nicht gäbe!?) Was wäre die FPÖ ohne ihre regelmäßigen Ausfälle gegen Toleranz und ein friedliches Miteinander? (Zwischenrufe der Abgeordneten Belakowitsch-Jenewein und Darmann.) Sie hätten Ihren Kern ver­loren, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Strache-FPÖ ist eine Gegenpartei. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Sie lebt davon, gegen etwas zu sein, in erster Linie gegen Zuwanderung und Integration. Das ist die Basis der FPÖ-Attacken gegen Minister Kurz und seine Aussage. Das ist die sozialpsy­chologische Dimension der Diskussion, die wir aktuell jetzt führen.

Es geht hier gar nicht um Fakten, es geht um Gefühle, und dafür ist die Statistik Austria nicht zuständig. Deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erheben Daten – nicht mehr und nicht weniger. Es würde mich nicht wundern, wenn auch die Statistik Austria in das Visier der FPÖ kommen würde. Warum? – Weil sie Dinge verbreitet, die laut FPÖ nicht stimmen können. Also muss die Statistik Austria Teil der Verschwörung gegen die – unter Anführungszeichen – „echten“ Österreicher sein. (Ruf bei der FPÖ: Wir sehen, Sie schauen dauernd am Zettel nach! Sie wissen nicht, was Sie reden! – Abg. Walter Rosenkranz: Wieso schreiben Sie die Rede, bevor Sie gehört haben, was ich sage? – Abg. Belakowitsch-Jenewein: Die schreibt sie ja nicht selber! – Abg. Walter Rosen­kranz: Stimmt!)

Sehr geehrte Damen und Herren, jetzt zu einem handfesten Problem. Zu viele Zuwan­derinnen und Zuwanderer sind überdurchschnittlich gebildet und ausgebildet. Aber ihre Bildung wird bei uns nicht anerkannt oder die Nostrifizierung erfolgt zu schleppend. Deshalb müssen ausgebildete Ärztinnen bei uns als Putzfrauen arbeiten und ausgebil­dete Ingenieure als Taxifahrer. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Da haben Sie recht! Än­dern Sie es!) Das ist für niemanden positiv – weder für die Betroffenen noch für Ös­terreich –, dass wir auf ihr Know-how verzichten müssen.

Wir haben eine sehr widersprüchliche Situation in Österreich: Einerseits gehen viele ausgebildete Mediziner ins Ausland, da sie dort bessere Einkommenschancen haben, andererseits blockieren wir ausgebildeten Menschen den Weg, hier in Österreich ent­sprechend ihrer Qualifikation zu arbeiten. Es ist zwar gut, wenn der Taxifahrer rasch Erste Hilfe leisten kann, weil er sechs Jahre lang Medizin studiert hat, aber besser wä­re es, wenn er im Spital arbeiten würde. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Matznetter. – Ruf bei der FPÖ: Ah, die Rede hat der Matznetter geschrieben!)

15.21


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter El Hab­bassi. – Bitte.

 



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15.22.01

Abgeordneter Asdin El Habbassi, BA (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! (Rufe und Gegenrufe zwischen FPÖ und SPÖ.) – Wenn Sie Ihre Gespräche beendet haben, dann würde ich gerne ein paar Dinge ausführen.

Was wir heute wieder erleben dürfen, ist: Wenn der FPÖ etwas persönlich nicht passt oder ihre Gefühlswelt mit den Fakten nicht übereinstimmt, dann macht sie es hier politisch zum Thema. (Zwischenruf bei der FPÖ.)

Ein Beispiel von gestern: Wenn es dem Herrn Klubobmann Strache, der sehr gerne raucht, nicht passt, dass er zum Rauchen vor das Lokal gehen muss, dann wird natür­lich gleich gegen die Einführung des Raucherschutzes gewettert. Wenn der Herr Ro­senkranz heute gefühlt nicht mit den Daten der Statistik Austria übereinstimmt (Abg. Walter Rosenkranz: Nein, mit der Aussage! Zuhören!), dann wird hier heute darüber gesprochen, wie Statistiken zu deuten sind und was genau diese Dinge auszusagen haben.

Ich glaube, es ist wichtig, dass wir hier sachlich bleiben. (Abg. Neubauer: Dann ma­chen Sie es auch, dann bleiben Sie sachlich!) Es wurde vorhin schon angeführt: Der Herr Minister hat sich in seiner Aussage darauf bezogen, dass Zuwanderung heute etwas anderes ist als Zuwanderung vielleicht vor 40 Jahren. Und die Wahrnehmungen, die Sie haben und die wahrscheinlich auch viele andere teilen, sind, dass viele, von denen wir den Eindruck haben, dass sie zugewandert sind oder Migrationshintergrund haben, vielleicht kein Studium abgeschlossen haben oder Matura besitzen. Aber das betrifft die Zuwanderung vor 40 Jahren, davon war ein Großteil Gastarbeiter. Die Zu­wanderung heute ist anders, da gibt es eben ganz andere Voraussetzungen, viele Zu­wanderer sind Studenten, haben eine höhere Ausbildung oder machen eine solche hier in Österreich.

Und ich finde es dann schon sehr faszinierend, wenn man zuerst über diese Datenlage spricht und dann nicht zur Kenntnis nehmen will, dass das alles sehr relativ ist. Wir haben schon die Daten gehört: Rund 50 Prozent der Zuwanderer der EU-Staaten ha­ben eine höhere Qualifikation, damit sind in diesen Umfragen Matura und Hochschul­studium gemeint, während von den Österreicherinnen und Österreichern rund 30 Pro­zent Matura oder eine akademische Ausbildung haben. Das sind einfach Fakten, die vorliegen, die aber nicht bedeuten, dass es nicht auch andere Beispiele gibt. Sie haben es auch sehr präzise ausgeführt, einerseits sehr hochgebildete und andererseits  (Abg. Walter Rosenkranz: Ausschließlich präzise!) – Ausschließlich präzise ! (Abg. Walter Rosenkranz: Ich verwende nämlich nur das Material der Statistik Austria! Sonst gar nichts!) – Das ist richtig. Darauf beziehe ich mich jetzt auch, falls jemand diese Da­ten haben will.

Man sollte schon auch bedenken, dass formale Bildung relativ ist. Die Tatsache, ob je­mand eine akademische Ausbildung oder Matura hat, sagt noch lange nichts über die Bildung aus. Wir werden und müssen leider immer wieder wahrnehmen, dass auch sehr hochausgebildete Personen, auch Mandatare, immer wieder durch unterdurch­schnittlich niveaulose oder Tiefenniveau aufweisende Aussagen glänzen, zum Beispiel, wenn es darum geht, dass Flüchtlinge als „Erd- und Höhlenmenschen“ bezeichnet wer­den. Es gibt andere Äußerungen, für die auch schon Leute aus Ihren Reihen rechts­kräftig wegen Verhetzung verurteilt worden sind.

Statistische Spielereien hin oder her – am Ende des Tages dürfen wir uns davon nicht blenden lassen. Man hat den Eindruck, dass hier versucht wird, aus einer Aussage bei einer Diskussion Kleingeld für die politischen Auseinandersetzungen in anstehenden Landtagswahlen zu schlagen. Aber wir kommen nicht darum herum, dass bei Zuwan­derung nicht alles paletti ist und dass wir, so wie wir positive Fakten nicht verschwei-


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gen wollen, auch nicht verschweigen wollen, dass es Probleme gibt, die es zu lösen gilt. Da sprechen wir vor allem über den Bildungsbereich, und in diesem hat es jahr­zehntelang Versäumnisse gegeben. (Abg. Walter Rosenkranz: Wer hat denn da re­giert? – Abg. Belakowitsch-Jenewein: Im Bildungsbereich!)

Die Regierung mit Bundesminister Kurz setzt genau da an. Gemeinsam mit den Bun­desländern werden in den nächsten Jahren 90 Millionen € in die sprachliche Frühförde­rung investiert. Dabei geht es darum, dass wir die Voraussetzungen schaffen, dass Menschen, die hierhergekommen sind, aber auch alle anderen Österreicherinnen und Österreicher, möglichst gute sprachliche Bildung erhalten, weil wir Deutsch, die Be­herrschung der Unterrichtssprache und der Amtssprache als Voraussetzung für eine gutes Miteinander sehen.

Sie haben ja vom Fühlen gesprochen, Sie haben es ja präzise gesagt, Sie rechnen Zuwanderer mit Matura oder mit Studium gefühlt nicht zur Zuwanderung dazu. Das sind sehr differenzierte Aussagen, die aber in der Mehrheit nicht als solche wahrge­nommen werden. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Sie haben wieder einmal nicht zuge­hört! Schade, dass Sie nicht sachlich bleiben können! – Abg. Walter Rosenkranz: Sie sollten meinen präzisen Ausführungen mit gespitzten Ohren lauschen!) Am Ende des Tages ist es wichtig, dass Sie von dieser Polemik wegkommen, dass wir die Probleme ansprechen, dass wir handeln, dass wir nicht nur Debatten führen, sondern dass es auch Aktionen und Maßnahmen gibt, die diese Regierung trifft, um ein gutes Zusam­menleben in Österreich von allen – ob zugewandert oder nicht – zu gewährleisten. – Besten Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

15.26


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Bela­kowitsch-Jenewein. – Bitte.

 


15.26.56

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bun­desminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ja, das ist ein durchaus emotionales Thema – wobei, Herr Bundesminister, Sie mit Ihrer Aussage natürlich dieses Thema sozusagen herausgefordert haben.

Wenn Sie in einer Anfragebeantwortung auch von den Studierenden sprechen, Herr Bundesminister, dann muss man schon bedenken: Studierende, die aus dem Ausland nach Österreich kommen, bleiben – laut WIFO – zu maximal 20 Prozent in Österreich. Ich erinnere beispielsweise an die Studienrichtung Medizin, wie viele Zuwanderer wir da quasi haben, die natürlich wieder gehen. Das sind ja nicht die klassischen Zu­wanderer, die den Arbeitsmarkt bereichern, sondern im Gegenteil, die werden hier auf Steuerkosten der Österreicherinnen und Österreicher ausgebildet, um dann woanders ihre in Österreich erworbene Qualifikation auch an den Mann zu bringen – wenn man das so sagen kann.

Herr Bundesminister, Sie haben als Integrationsstaatssekretär im Innenministerium be­gonnen, und das Innenministerium ist sozusagen Gründer des Österreichischen Inte­grationsfonds gewesen. Der Österreichische Integrationsfonds sieht das allerdings ganz anders, als Sie das sehen. Ein Blick auf seine Homepage hätte gereicht, dort steht nämlich wörtlich:

„In den 60er-Jahren hatten wir im Wirtschaftswunder einen Arbeitskräftemangel. Man hat also Gastarbeiter angeworben – aber bewusst wenig gebildete, mit dem Kalkül, dass die weniger auf ihren Rechten bestehen und nur brav arbeiten würden. Man hatte Angst davor, zu gebildete Menschen zu holen! Leider“ –

und jetzt kommen die wesentlichen Punkte des Satzes –


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„ist auch die zweite Generation bildungsfern geblieben, da haben Kindergärten und Schulen versagt. Man hat das den Eltern überlassen, anstatt die Kinder an höhere Bil­dung heranzuführen. Wer nicht genug Unterstützung aus der Familie hat, hat in unse­rem Bildungssystem keine Chance.“

Das heißt nichts anderes als: Wir haben natürlich ein ganz großes Bildungsproblem. Und wenn Sie das mit den Studierenden, die auch nach Österreich kommen, jetzt auf­werten oder gegenrechnen wollen, dann mag das – abgesehen von einer statistischen Unschärfe – sein.

Ich halte von solchen Aussagen einmal prinzipiell überhaupt nichts. Studierende sind nämlich vom Arbeitsmarkt meist ohnehin ausgeschlossen. Das ist das eine. Das Zwei­te ist – und jetzt bin ich bei Ihnen, Frau Kollegin Yilmaz –: Wenn Sie sagen, es ist schlecht, wenn ein Ingenieur als Taxifahrer oder eine Ärztin als Klofrau oder was auch immer arbeitet, dann bin ich hundertprozentig bei Ihnen, aber dann müssen wir das ändern. Sie sind doch Teil einer Regierungspartei! Und dann frage ich mich, warum die Nostrifikation immer noch so lange dauert. Also es geht nicht, zu sagen: Die FPÖ ist so böse, wir wollen das eh alles anders haben!, es aber nicht zu machen. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Loacker.)

Da dürfen Sie dann nicht jammern! Da sage ich Ihnen ganz ehrlich: Das ist schon ein bisschen eine vorgeschobene Debatte.

Ich möchte daran erinnern: Es gab vom Obmann des Sozialausschusses mit einigen Mitgliedern des Sozialausschusses einen Termin mit den beiden Direktoren des AMS. Und daran, Herr Bundesminister Kurz, hätten Sie vielleicht auch teilnehmen sollen. Denn: Am AMS schaut die Geschichte ganz anders aus.

Die Arbeitslosigkeit unter Ausländern ist exorbitant höher. Der Grund ist – und das sind die Aussagen des Herrn Kopf vom AMS –, dass Ausländer viel schlechter gebildet sind und zu 60 Prozent nur maximal über einen Pflichtschulabschluss verfügen. (Abg. Wal­ter Rosenkranz: Ist das ein Neuzuwanderungstheoretiker?) – Herr Kopf steht ja wohl nicht im Verdacht, der FPÖ anzugehören.

Schauen wir uns die Arbeitslosenzahlen an! Der Herr Bundesminister für Arbeit und Soziales sagt ja auch immer so gerne: Ja, die Ausländer, die jetzt kommen, sind ja alle so super gebildet! Gleichzeitig sagt er aber dann auch wiederum: Die, die jetzt ar­beitslos sind, sind die, die halt kaum eine Ausbildung haben. Je höher der Ausbil­dungsgrad ist, umso weniger sind arbeitslos! – Da passen die Zahlen in der Statistik nicht zusammen.

Ich würde meinen, es ist auch relativ irrelevant, ob jetzt da ein bisschen mehr Ge­scheite oder dort ein bisschen mehr Gebildete sind, Tatsache ist, dass wir ein gene­relles Problem haben, dass Sie mit Ihrer Aussage zu verwischen und zu verwaschen versucht haben.

Wir haben ein Problem mit Zuwanderern, die nach Österreich kommen, die nicht nur keine Ausbildung haben, sondern die vor allem auch nicht willens sind, auf dem Ar­beitsmarkt Fuß zu fassen, oder für die es eben keine Arbeit gibt.

Das versuchen Sie mit solchen Aussagen zu verwischen und streuen den Leuten Sand in die Augen, so nach dem Motto: Das sind alles so furchtbar Gescheite! Dann kommt noch die Frau Yilmaz und sagt: Ach, die Armen müssen jetzt auch noch Klo putzen, obwohl sie fertige Akademiker sind!

Sie beide – also Sie (in Richtung der Abg. Yilmaz) sind jetzt Abgeordnete, aber Sie (in Richtung Bundesminister Kurz) sind sogar auf der Regierungsbank – müssten das,


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wenn es dieses Problem gäbe, lösen, sonst würden Sie sich ja an dieser Problematik mitschuldig machen.

Das wissen Sie aber ganz genau. Sie wissen auch selbst, dass diese Aussage nicht sachlich war, genauso wie heute Ihre Beantwortung in keiner Weise sachlich war. Sie stellen sich her und sagen, hier die linken Träumer und dort die rechten Hetzer. – Was ist daran sachlich? Es sind unterschiedliche Meinungen von unterschiedlichen Frak­tionen, mit denen werden Sie sich als Minister auseinandersetzen müssen. (Beifall bei der FPÖ.)

Eine sachliche Aufarbeitung war das keine, Herr Bundesminister! Ihre Aussage in der Bezirkszeitung war eine reine Pauschalaussage: Alle Ausländer sind gut gebildet, alle Österreicher sind schlecht gebildet! – Das sind Pauschalierungen, Herr Bundesminis­ter! Das ist mehr als unsachlich, und Sie sind heute leider dieser Linie treu geblieben. Das ist schade, denn das Thema ist viel zu wichtig und brennt viel zu sehr unter den Nägeln, als dass man damit so umgeht.

Noch eines möchte ich Ihnen zum Abschluss sagen: Wenn es denn so wäre, dann frage ich mich schon, Herr Bundesminister, wenn wir die ganzen klugen und geschei­ten Zuwanderer hätten, warum müssen dann so viele Vereine Alphabetisierungskurse für Zuwanderer und für bildungsbenachteiligte MigrantInnen anbieten? (Präsidentin Bu­res gibt das Glockenzeichen.) In alle diese Vereine fließen jeden Monat Tausende und Aberhunderttausende Euros an Förderungen. – Die wären ja wohl nicht nötig, wenn alle AusländerInnen und Zuwanderer so gebildet wären. (Beifall bei der FPÖ.)

15.32


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Wal­ser. – Bitte.

 


15.33.00

Abgeordneter Dr. Harald Walser (Grüne): Frau Präsidentin! Herr linker Träumer auf der Regierungsbank! (Abg. Auer: He! Wie haben wir es denn?) Das war die Wortwahl der Freiheitlichen Partei. Ich habe das nur zitiert.

 


Präsidentin Doris Bures: Das war jetzt ein Zitat, Herr Abgeordneter?

 


Abgeordneter Dr. Harald Walser (fortsetzend): Bitte?

 


Präsidentin Doris Bures: War das jetzt ein Zitat und keine persönliche Beleidigung? (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

 


Abgeordneter Dr. Harald Walser (fortsetzend): Das war ein Zitat der Frau Dagmar Belakowitsch-Jenewein. Aber ich möchte auf ein anderes Zitat – leider hören der Herr Minister und auch Herr Rosenkranz nicht zu (Abg. Walter Rosenkranz steht an der Regierungsbank und spricht mit Bundesminister Kurz) – von Frau Belakowitsch-Jene­wein eingehen, das sie soeben von sich gegeben hat.

Wir haben ein ganz großes Bildungsproblem, haben Sie gesagt. Glauben Sie mir, als ehemaliger Lehrer kann ich das nur unterstreichen. Und als Lehrer – ich habe mich zu diesem Beruf hingezogen gefühlt – muss ich Ihnen sagen: Dieses Bildungsproblem schmerzt. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Warum sind Sie nicht Lehrer geblieben?) Wenn ich durch Österreich ziehe und überall feststelle, wie schlecht die Leute Deutsch können, dann schmerzt das besonders. Besonders auffallen tut mir das, wenn ich FPÖ-Plakate sehe. (Der Redner zeigt in der Folge die von ihm angesprochenen und zi­tierten Plakate.)

Bildungsproblem FPÖ Horn: „WIR SETZEN SICH EIN DAS“ – ohne scharfes S, Bei­strich vorne fehlt auch, aber das sind Kleinigkeiten – „DER KINDERGARTEN IN BREI­TENEICH ERHALTEN BLEIBT“.


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Bildungsproblem der FPÖ! Ich muss sagen: Da sollten wir ansetzen, da sollten wir ver­suchen, bildungsmäßig weiterzumachen!

Aber ich bin noch nicht fertig. Leider habe ich noch weitere Plakate für Sie. Hier wieder die FPÖ, die für sich wirbt und „Heimat im Herzen- Zukunft im Visier“ hat. Sie möchte „ZUHÖREN – VERSTEHEN – ANBACKEN“. Also nicht anpacken, sondern sie möchte anbacken. Was Sie da backen, was für ein Brot Sie da backen, weiß ich nicht. Ich sage nur: Arme Zuwanderer, arme MigrantInnen, wenn sie sich am Bildungsniveau der FPÖ orientieren!

Man soll ja nicht beleidigend sein, aber die FPÖ in Loosdorf bezeichnet sich selber als doof – zwar leider nur mit einem O, aber „FPÖ LOOSDOF“. Ich würde das nicht wa­gen, aber die FPÖ Loosdorf macht sich dazu.

Aber wir haben auch Plakate von (Abg. Höbart: Jedes Plakat der Grünen ist ohne Fehler!) – Nein, nein, nicht so aufgeregt, Herr Kollege! Es gibt noch weitere Plakate. Ein Kollege steht ja dort hinten, der Kollege Gerald Hauser hat ein eigenes Plakat ge­macht. Er möchte „KEINE Sozialwohnungen ohne DEUTSCHKENTNISSE“. Die Deutschkenntnisse mit einem N, da ist vielleicht ein N zu wenig, muss ich sagen. Man hätte eventuell daran denken können, ein zweites N dazuzugeben. (Heiterkeit bei Grü­nen und ÖVP. – Zwischenrufe des Abg. Hauser.) – Herr Hauser, das nächste Mal schaue ich es mir gerne an.

Aber es ist noch nicht fertig, nein! Das geht weiter, hier gibt es FPÖ-Plakate en masse. Hier: Die FPÖ möchte, dass man auch „Deinem Herzen“ folgt. Ich zitiere: „Weil wir nicht das blaue vom Himmelversprechen, sondern ins schwarze treffen!“

Das Blaue ist kleingeschrieben – bisschen Rechtschreibung sollte sein –, „Himmelver­sprechen“ zusammengeschrieben, das ist eine neue Variante. Ich glaube, Sie haben die neue Rechtschreibung ein bisschen falsch verstanden, aber ich kann Sie gerne aufklären. Und ins Schwarze treffen natürlich auch klein.

Es geht dann unten weiter: „Weil wir handeln“ – kleingeschrieben statt großgeschrie­ben, das sind halt Nomen, das andere sind Verben, wenn ein Artikel davorsteht, wird es großgeschrieben. Ich meine, da gibt es so bestimmte Regeln. Machen wir – das nächste Mal. (Lebhafte Heiterkeit. – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch-Jenewein.)

Frau Belakowitsch-Jenewein, wir haben in der Tat ein Bildungsproblem, aber lassen Sie mich weitermachen!

„Angst vor EINBRÜCHEN“ hat die FPÖ in Wiener Neustadt. „WIR FORDERN Einfüh­rung der Grenzkontrollen um dem Kriminaltourismus zu stoppen“. – Nun, ich habe als Vorarlberger festgestellt, dass Akkusativ, Dativ hier in Ostösterreich  – gut, schauen wir darüber hinweg. (Abg. Lopatka: Kampf den Dativ!)

„Unsere Hausordnug“, das könnten Sie im FPÖ-Klub aufhängen – Sprache lernen steht da als Erstes. Es war auch falsch geschrieben, „Sprache lernern“, aber trotz­dem  (In Richtung des sich zum Präsidium begebenden Abg. Walter Rosenkranz.) – Herr Kollege, wollen Sie es mitnehmen in den FPÖ-Klub? Gerne! (Heiterkeit und Beifall bei Grünen, SPÖ, ÖVP, Team Stronach und NEOS.)

Herr Kollege – ich hoffe, er haut jetzt nicht ab, denn ich habe von ihm auch noch ein schönes Zitat –, der Bildungssprecher der FPÖ möchte im letzten Entschließungsan­trag, „Deutsch als ‚Pausensprache‘“, „dass, unter Berücksichtigung der den sprachli­chen Minderheiten bundesgesetzlich eingeräumten Rechte, jeder Schüler verpflichtet wird“ – Komma fehlt – „sich im Geltungsbereich der Verordnung () sich ausschließ­lich in Deutsch zu verständigen.“

Man kann sich auch auf Deutsch verständigen, und einmal „sich“ reicht auch. Herr Kol­lege, ich muss leider zum Schluss kommen, ich hätte noch mehr aus der FPÖ-Küche.


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Ich würde sagen: Deutsche Sprache, schwere Sprache. Seien Sie gnädig mit den Zu­wanderinnen und Zuwanderern! Sie haben mehr als genug eigene Probleme. (Beifall bei Grünen, SPÖ, ÖVP, Team Stronach und NEOS. – Abg. Jarolim: Ich glaube, man kann das nicht besser auf den Punkt bringen!)

15.38


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Klubvorsitzende Ing. Diet­rich. – Bitte.

 


15.39.04

Abgeordnete Ing. Waltraud Dietrich (STRONACH): Geschätzte Frau Präsident! (Ru­fe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von Grünen und SPÖ.)

 


Präsidentin Doris Bures: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zwischenrufe sind gut und notwendig, aber nicht dann, wenn die Rednerin zu Wort kommen soll.

Frau Klubvorsitzende, Sie haben das Wort!

 


Abgeordnete Ing. Waltraud Dietrich (fortsetzend): Geschätzte Frau Präsident! Ge­schätzter Herr Minister! Ich glaube, es besteht Einigkeit darin, dass Bildung der Schlüs­sel zum Wohlstand einer Volkswirtschaft ist.

Egal, woher jemand kommt, ob er zugewandert ist oder in Österreich geboren wurde, wichtig ist, dass er die Möglichkeit des Zugangs zur Bildung hat und damit ein wich­tiges Element in unserer Volkswirtschaft, ein wichtiger Mensch sein kann.

Herr Minister Kurz, Ihre Aussage, der durchschnittliche Zuwanderer ist besser gebildet als der durchschnittliche Österreicher, gibt mir sehr zu denken, denn mit dieser Aus­sage bestätigen Sie das, was wir Jahr für Jahr in den PISA-Studien mitverfolgen: dass nämlich das Bildungsniveau in Österreich von Jahr zu Jahr sinkt und man in der Bil­dungspolitik massivst versagt.

Meine geschätzten Damen und Herren, Sie selbst haben das Zeugnis für diese Bun­desregierung abgegeben, und es wäre aus Ihrer Sicht, glaube ich, Ihre dringende Aufgabe, Ihre Kollegin zu motivieren, im Bildungsbereich endlich sinnvolle Maßnahmen zu setzen – Maßnahmen, die bewirken, dass das Bildungsniveau wirklich wieder an­steigt.

Was die Zuwanderung betrifft, haben wir eine ganz klare Vorstellung, und zwar: Wir wollen eine verantwortungsvolle Einwanderungspolitik. Wir wollen, dass jene Men­schen, die in Österreich gebraucht werden, nach Österreich kommen können und sie hier auch eine Chance auf einen Job haben. Wir wollen nicht, dass quasi eine Zu­wanderung ins soziale Netz stattfindet. Dagegen verwahren wir uns. (Beifall beim Team Stronach.)

Ich bezweifle auch Ihre Aussage, wenn Sie sagen, der durchschnittliche Zuwanderer ist gebildeter als der durchschnittliche Österreicher, denn das würde dann bedeuten, dass sich dieses Bild auch bei den Arbeitslosen widerspiegelt. Das schaut aber völlig anders aus. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Kurz.)

Herr Minister Kurz, denken wir das weiter! Jetzt ist der Zuwanderer gebildeter als der Österreicher, dann kommen die Leute zu uns, und siehe da: Laut Statistik Austria von 2013 sind 7 Prozent der 14- bis 15-jährigen Jugendlichen mit Migrationshintergrund ar­beitslos, gehen keiner Beschäftigung nach, sind in keiner beruflichen Ausbildung, tun praktisch gar nichts. Das heißt, gebildete Menschen kommen zu uns, und am Ende des Tages, in der nächsten Generation, haben wir dann Leute, die nicht mehr unsere Sprache können, die nicht integriert wurden und die keine gute Zukunft vor Augen ha­ben.


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Das heißt, Ihre Aussage, der durchschnittliche Zuwanderer sei gebildeter als der durch­schnittliche Österreicher, bedeutet, wir haben eine verfehlte Bildungspolitik und wir haben auch eine massiv verfehlte Integrationspolitik. Und da, Herr Minister, wären Sie gefordert! (Beifall beim Team Stronach sowie des Abg. Walter Rosenkranz.) Sie wä­ren gefordert, endlich eine Integrationspolitik zu machen, die diesen Namen auch ver­dient. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall beim Team Stronach.)

15.43


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster hat sich Herr Abgeordneter Mag. Loacker zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


15.43.17

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Geschätzte Zuschauerinnen und Zuschau­er auf der Galerie! Also ich vermute schwer, es ist dies das erste Mal in der Zweiten Republik, dass der Parlamentsnachmittag von einem Bericht aus dem Bezirksblatt Mis­telbach dominiert wird. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Nein, Gerasdorf!) Das ist also quasi die Auszeichnung für die Mistelbacher heute. (Abg. Lopatka: Nichts gegen Mis­telbach!)

Wenn wir zur Zuwanderung kommen, möchte ich schon die FPÖ ein bisschen bei ih­rem eigenen Wort nehmen: Als AMS-Chef Kopf vor einigen Tagen darauf aufmerksam gemacht hat, dass auf dem Arbeitsmarkt gut qualifizierte Zuwanderer weniger gut qua­lifizierte Arbeitskräfte verdrängen, die möglicherweise Migrationshintergrund haben, aber schon länger hier sind, da war der Aufschrei insbesondere bei den Freiheitlichen groß und sie haben sich mit Presseaussendungen geradezu überschlagen. (Zwischen­ruf des Abg. Wurm.)

Muss man sich aber halt auch einmal der Frage nähern, welche Zuwanderer man in Österreich haben möchte und welche nicht, und wenn man mit den Unternehmen re­den – und es gibt ja genug in Ihrer Partei, die gute Kontakte in die Industrie haben –, dann erfährt man, dass es international um einen Wettstreit um die besten Arbeits­kräfte geht, um die bestqualifizierten (Abg. Neubauer: Nicht um die schlechtesten!), und Österreich sollte stolz sein, wenn gut qualifizierte Menschen hierher drängen. Wir sollten auch bei der Zuwanderung darauf schauen, dass unser Land ein attraktives Zuwanderungsland für gut Qualifizierte bleibt, und da hätte ich es begrüßt, wenn Sie einen konstruktiven Zugang gewählt hätten, indem Sie nämlich zum Beispiel bei der Rot-Weiß-Rot-Karte ansetzen.

Wir haben eine wunderbare EU-Binnenmigration, auch da profitieren die Österreicher von gut qualifizierter Zuwanderung (Abg. Belakowitsch-Jenewein: ... Bulgarien, Ru­mänien!), aber wenn es um die Zuwanderung aus Drittstaaten geht, da haben wir eine bürokratische Schikane aufgebaut, die ihresgleichen sucht, und ich empfehle jedem von Ihnen einmal einen Arbeitnehmer auf seinem bürokratischen Weg zur Rot-Weiß-Rot-Karte zu begleiten. Da bekommen Sie als Österreicher, der das Behördenwesen kennt, graue Haare!

Und wenn wir jetzt vor der Situation stehen, dass eine Überarbeitung der Blue-Card-Richtlinie auf europäischer Ebene ansteht, dann sollten wir uns auch da wieder be­mühen und überlegen, welche Schritte wir setzen können, dass die Zuwanderungsre­geln so aufgebaut werden, dass gut Qualifizierte zu uns kommen. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: ... wir haben schon so gut Qualifizierte!)

Da ist natürlich auch die SPÖ mit in der Verantwortung, die mit ihrer einwanderungs­feindlichen Politik die FPÖ-Politik befeuert, weil Sie immer so tun, als ob dann die gan­zen Bauarbeiter arbeitslos wären, wenn über die Rot-Weiß-Rot-Karte hochqualifizierte Schlüsselkräfte nach Österreich kommen. Da haben auch Sie das Bild verdreht und


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sind mit in der Verantwortung, wenn es darum geht, ein zuwanderungsfeindliches Kli­ma in Österreich zu schüren. Da erwarte ich mir eigentlich von einer sozialdemokrati­schen Partei ein arbeitnehmerfreundlicheres Bild in dieser Diskussion.

Als Freiheitliche Partei hätte man auch noch fragen können: Na wie schaut es mit dem Zuzug aus? Wie schaut es dort aus mit den Deutschkenntnissen? Wie schaut es bei der Heiratspolitik aus? – Es kommt nach wie vor zu Zwangsverheiratungen von Bür­gern, die die Staatsbürgerschaft verliehen bekommen haben, und in weiterer Folge zum Zuzug von Menschen, die von der deutschen Sprache überhaupt keine Kenntnis haben. Da wären auch ein paar kritische Worte auf einer vernünftigen Sachebene möglich gewesen, aber ich glaube, so, wie Sie das heute aufgezogen haben, war das kein konstruktiver Beitrag, die Zuwanderungspolitik in Österreich erfolgreich zu gestal­ten. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenruf des Abg. Neubauer.)

15.47


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

15.47.23Kurze Debatte über die Anfragebeantwortung 3332/AB

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen nun zur Durchführung der kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 3332/AB des Bundesministers für Landesverteidigung und Sport. Die erwähnte Anfragebeantwortung ist bereits verteilt worden, sodass sich eine Verlesung durch den Schriftführer erübrigt.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung kein Redner/keine Rednerin länger als 5 Minuten sprechen darf, wobei dem Erstredner zur Begründung eine Redezeit von 10 Minuten zukommt.

Ich erteile als Erstredner Herrn Abgeordnetem Dr. Pilz als Antragsteller des Verlangens das Wort. – Bitte. (Abg. Neubauer: Dass der schon da ist?!)

 


15.48.10

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister, willkom­men bei uns im Hohen Haus! Sie wissen, warum wir Sie eingeladen haben. Ich be­danke mich beim Kollegen Schönegger von der Österreichischen Volkspartei, dessen Anfrage wir zum Anlass genommen haben, hier diese Besprechung durchzuführen.

Der Kollege Schönegger hat im Jänner zu Recht 22 Fragen an den Verteidigungsmi­nister gestellt, wie und mit welchen Folgen im österreichischen Bundesheer gespart wird. Aber eines hat er damals nicht gewusst, nämlich dass er im Zusammenhang mit der Frage 23 fragen muss, ob es nicht eine Selbstverständlichkeit ist, dass in einer Zeit, in der der schärfste Sparkurs in der Geschichte nicht nur des Bundesheeres, son­dern des Bildungswesens, des Sozialwesens, des Gesundheitswesens verfügt wird, der Ressortchef selbstverständlich ein Vorbild zu sein hat. Es ist eine Selbstverständ­lichkeit, dass, wenn der Minister sagt: Alle antreten zum Sparen!, der Minister der Erste ist, der spart. (Beifall bei den Grünen.)

Sie wissen ganz genau, was passiert ist, das ist ja kein großes Geheimnis: Der Beitrag des Verteidigungsministers hat vor wenigen Tagen in der Schweiz stattgefunden. Ich erspare mir die ganze Geschichte, sie ist wirklich hinlänglich und leidlich bekannt: Dienstbesuch in der Schweiz, und plötzlich kommt der Minister drauf, er fliegt nur hin und nicht gemeinsam mit seiner dienstlichen Begleitung zurück, sondern er muss zu einem privaten Auslandseinsatz nach Frankreich aufbrechen.


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Wie macht ein österreichischer Verteidigungsminister mit dem Namen Klug einen pri­vaten Auslandseinsatz? – (Abg. Neubauer: Ein paar Gläser Champagner ...! – Abg. Darmann: „Situationselastisch“!) Er lässt sich den leeren Dienstwagen von seinem Dienstchauffeur in die Schweiz nachführen, damit er mit Dienstwagen und Dienstchauf­feur seinen privaten Frankreich-Einsatz absolvieren kann.

Wir wissen bis heute nicht, was er dort getan hat – das geht uns auch überhaupt nichts an, das war ein privater Besuch –, nur: Eines geht uns etwas an, und zwar nicht nur in Sparzeiten, aber gerade in Sparzeiten: Warum sich der Minister einen leeren Dienst­wagen mit Chauffeur nachkommen lässt, um dann privat in Frankreich spazieren zu fahren. (Die Abgeordneten Neubauer und Darmann: „Situationselastisch“!)

Und es geht auch darum, zu fragen: Ja, bitte schön, was hat das gekostet? Und es geht auch darum, zu fragen: Ja, bitte schön, wer soll das zahlen?

Und da gibt es klare Antworten des Ministers: Gekostet hat es nichts, ich habe eine Pauschale, da wird mir etwas abgezogen! – Ist ja klar! Der Verteidigungsminister kann um 590 € einen ganzen Monat lang seinen großen Dienst-BMW privat nutzen. (Abg. Neubauer: Mit Chauffeur?!) Da sagt der Minister zu Recht: Daran bin ich nicht schuld, das sind möglicherweise schlechte Gesetze!, und das stimmt auch. Das darf er auf­grund § 17 Bezügegesetz und § 9 Bundesbezügegesetz – da haben wir darüber zu re­den, ob wir das verbessern –, aber eines darf er mit Sicherheit nicht: Er darf nicht sagen, der Chauffeur ist ein BMW-Bestandteil und ist deswegen von dieser Regelung umfasst. (Abg. Deimek: Ein Ersatzteil!)

Herr Minister Klug, der Chauffeur ist kein BMW-Bestandteil! Der Gesetzgeber – und das sind wir – hat sich sehr wohl überlegt, warum es keinen Anspruch auf private Nut­zung des Chauffeurs gibt. Und das – und wir werden auch im Finanzministerium nach­fragen und das vom Finanzminister bestätigen lassen –, diese Verwendung, dieser Missbrauch des Chauffeurs war nicht nur inakzeptabel, sondern war gesetzwidrig. (Bei­fall bei den Grünen.)

Das ist am Anfang vom Bundeskanzleramt und von Finanzministerium auch zugege­ben worden, nur, als man gesehen hat: Um Gottes willen, da entsteht jetzt großer poli­tischer Schaden!, da hat die SPÖ, da hat offensichtlich der Bundeskanzler dem SPÖ-Sektionschef Matzka im Bundeskanzleramt einen Auftrag gegeben: Bitte dringend eine juristische Räuberleiter für den Verteidigungsminister! – Und dann ist gebastelt worden, und dann war der Chauffeur plötzlich Autobestandteil, und dann hat der Minister plötz­lich einen Anspruch gehabt.

Das werden wir alles parlamentarisch klären, aber eines klären wir heute mit Ihnen, Herr Bundesminister, und deswegen sind Sie heute hier im Haus: Sind Sie nach wie vor der Meinung, dass das in Ordnung war? Sind Sie angesichts von Sparplänen über­all in dieser Republik, die zum Großteil etwas Ärmere als Sie treffen, sind Sie also nach wie vor der Meinung, dass es in Ordnung war, sich Dienstwagen und Chauffeur für eine private Spritztour nach Frankreich nachkommen zu lassen? Sind Sie nach wie vor der Meinung, dass Sie das alles gratis bekommen und dass Ihnen das zusteht? Sind Sie nach wie vor der Meinung, dass das Ihr Dienstwagen ist, Ihr Chauffeur ist und nicht der Dienstwagen der Republik Österreich und der Chauffeur der Republik Österreich? Sind Sie nach wie vor der Meinung, dass Sie nichts zurückzuzahlen haben?

Wenn Sie nach wie vor dieser Meinung sind und wenn Sie jetzt möglicherweise auf­stehen und sagen: Ja, ich sehe schon ein, die Optik ist schief!, wenn Sie also nicht mehr zugeben, als dass möglicherweise die Optik schief ist, dann rate ich Ihnen nicht nur, die Optik geradezustellen, sondern uns davon zu überzeugen, was die Republik Österreich davor schützt, dass Ihre nächsten Reiseziele vielleicht Spanien oder Portu­gal oder Italien oder was Ihnen sonst gerade gefällt heißen. Was hindert Sie dann an den nächsten Auslandseinsätzen mit privatem Dienstwagen und privatem Chauffeur?


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Diesbezüglich sage ich Ihnen in aller Deutlichkeit, Herr Bundesminister: Das wollen wir hier und heute abstellen! Und wenn ich sage „hier und heute abstellen“, dann bin ich mir sicher, dass ich nicht nur für grüne Abgeordnete spreche und nicht nur für Opposi­tionsabgeordnete spreche, denn ich habe das auch in den Regierungsparteien hier in diesem Haus gespürt: Einer großen Mehrheit von Abgeordneten reicht es! Ihr reicht diese Art, die Republik Österreich in ein schiefes Licht zu bringen, Ihr Amt in ein schie­fes Licht zu bringen und die gesamte Politik in ein schiefes Licht zu bringen.

Deswegen empfehle ich Ihnen Folgendes: Der allererste Schritt heißt – und das ist eine Selbstverständlichkeit –, alles aufzuklären: alles auf den Tisch, jedes Detail, jede Rechnung, jeder Kostenbestandteil!

Und ich rate Ihnen als Zweites, sich zu entschuldigen – nicht bei uns als Abgeordne­ten, sondern erst einmal bei den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern, denn das sind deren Gelder, mit denen Sie in dieser Art und Weise umgehen (Beifall bei den Grü­nen), und dann auch bei den Bediensteten in Ihrem eigenen Haus und bei den Ange­hörigen der Truppe, denen Sie schärfste Sparmaßnahmen zumuten, aber selbst sa­gen: Mit dem Geld des Ministeriums fahre ich wie Gott in Frankreich spazieren!

Dann gibt es einen dritten Punkt, und der heißt zurückzahlen. – Das ist nicht Ihr Geld, Herr Minister Klug, das ist das Geld der Republik Österreich, und ich fordere Sie auf, hier in diesem Hohen Haus eine Erklärung abzugeben, dass Sie alle Rechnungen vorlegen und bis auf den letzten Euro und bis auf den letzten Cent privat begleichen werden!

Und der letzte Punkt beziehungsweise die letzte Frage, die sich stellt, ist die Frage nach dem politischen Charakter, und ist die Frage, ob Sie nach dieser Affäre noch in der Lage sind, an der Spitze des Verteidigungsressorts zu stehen. Ich glaube nach wie vor, dass Sie zuerst einmal folgende Frage selbst beantworten sollten: Sind Sie noch in der Lage, auch wenn Sie sich entschuldigt haben, auch wenn Sie den Schaden wieder gutgemacht haben – das sind für mich Voraussetzungen, damit man überhaupt ernst­haft über Ihren Verbleib als Bundesminister in diesem Haus diskutiert; aber auch wenn Sie diese Schritte gesetzt haben, müssen Sie sich ernsthaft diese Frage stellen –, sind Sie also noch in der Lage, das Bundesministerium für Landesverteidigung zu führen? – Die Antwort auf diese Frage von uns Abgeordneten, Herr Bundesminister, wird sehr von Ihrer Beantwortung und von Ihrer jetzigen Stellungnahme abhängen.

Deswegen fordere ich Sie noch einmal auf: Klären Sie alles auf, zahlen Sie alles zu­rück, entschuldigen Sie sich bei den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern und bei den Angehörigen Ihres Ressorts, und legen Sie klar, ob Sie überhaupt noch in der Lage sind, als Bundesminister für Landesverteidigung dieser Republik zu dienen! – Ich per­sönlich habe meine Zweifel daran, aber das letzte Wort werden weder ich noch Sie, sondern wird der österreichische Nationalrat sprechen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der NEOS.)

15.58


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Mag. Klug. Die Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Herr Bundesminister.

 


15.58.30

Bundesminister für Landesverteidigung und Sport Mag. Gerald Klug: Sehr ge­schätzte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Ho­hes Haus! Zu der vom Abgeordneten Pilz thematisierten Nutzung meines Dienstwa­gens möchte ich gleich zu Beginn kurz Stellung nehmen.

Ich habe mich rechtlich genau erkundigt, bevor ich die Reise angetreten habe, und ich habe mich auf die öffentlichen Bedenken hin jetzt noch einmal rückversichert, damit


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auch wirklich keinerlei Zweifel besteht. Die Art und Weise, wie ich den Dienstwagen verwendet habe, ist rechtlich so vorgesehen. Es gibt dazu eine eindeutige Regelung, wie mir auch durch den zuständigen Präsidialchef des Kanzleramts bescheinigt wurde.

Die auf Basis des Bundesbezügegesetzes zu entrichtende Pauschale in der Höhe von 590,79 €, die ich monatlich zahle (Abg. Pilz: Mit Chauffeur?), deckt die private Nutzung mit und ohne Fahrer im In- und Ausland zur Gänze ab. (Abg. Pilz: Das ist die Unwahr­heit! – He-Rufe bei der SPÖ.)

Lassen Sie mich noch einmal betonen, dass der Bund im konkreten Bereich der Dienst­wagen nicht nur klare Regelungen, sondern auch ein effizientes Beschaffungswesen im Wege von Rahmenvereinbarungen hat. (Abg. Brosz: Wenn das jeder machen wür­de!) Die Dienstwagen werden gemeinsam durch die Bundesbeschaffung GmbH im Wege eines Leasingvertrages beschafft, um größtmögliche Preisvorteile zu erzielen. (Abg. Moser: Das interessiert uns gar nicht!) Somit steht der jährlichen Autoleasingrate für den Bund in Höhe von 651,36 € die jährliche Beitragsleistung in Höhe von 7 089,48 € gegenüber. (Abg. Moser: Das ist ja kein Thema!)

Ich möchte in diesem Zusammenhang noch einmal festhalten: Es gibt eine eindeutige Regelung. Abgesehen davon ist mir aber bewusst, dass die Optik alles andere als gut war. Es gilt daher auch in Zukunft, mit großer Sorgfalt die Nutzung des Dienstwagens im Ausland abzuwägen. (Abg. Pilz: Von Ihrem Nachfolger! – Heiterkeit bei Abgeordne­ten der ÖVP. – Ruf bei den Grünen: Wirklich peinlich die Anfragebeantwortung!)

Unabhängig davon, ob es jetzt angesprochen wurde oder nicht, möchte ich auf die An­fragebeantwortung eingehen.

Sehr geehrte Damen und Herren, Sie wissen, dass ich in alle Ausschüsse und ins Ple­num stets sehr gut vorbereitet gehe. (Abg. Pirklhuber: Um das geht es nicht!) Manch­mal höre ich auch zu viele Details, um mit Ihnen allen engagiert zu allen angespro­chenen Themen zu diskutieren. Mein Ziel ist es, innerhalb der verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen stets ordnungsgemäß und umfassend Auskunft zu geben. Im Landesverteidigungsausschuss und im Sportausschuss habe ich seit meinem Amtsan­tritt jedes Mal eine Aktuelle Aussprache mit den Abgeordneten geführt. (Abg. Hübner: Um das geht es ja nicht!)

Gerade bei der letzten Sitzung des Landesverteidigungsausschusses war ich im Ge­gensatz zu einem gewissen Abgeordneten durchgehend präsent und habe drei Stun­den lang auskunftsfreudig über alle Themen der Landesverteidigung informiert (Abg. Hübner: Besser aufhören!), wie sich das auch in der „Parlamentskorrespondenz“ nie­dergeschlagen hat. (Abg. Pirklhuber: Ist das jetzt ein Fehler oder keiner?!)

Gerade als ehemaliger Parlamentarier weiß ich um die Bedeutung des Interpellations­rechtes. In meiner Funktion als Bundesminister, der für die nationale Sicherheit verant­wortlich ist, muss ich aber auch auf das Spannungsverhältnis zwischen Interpellations­recht und Amtsverschwiegenheit aus Gründen der umfassenden Landesverteidigung hinweisen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Es ist klar geregelt, was ich als Minister sagen muss, und es ist ebenso klar geregelt, was ich sagen darf. Genau diese rechtliche Verpflichtung auf Basis unserer Bundesverfassung ist es, die sich in meinen Beantwortungen abbildet.

Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete! Nachdem sich das Verlangen auf die Besprechung der Anfrage betreffend die geplanten Einsparungen von 200 Millionen € seitens der Abgeordneten Schönegger, Kolleginnen und Kollegen bezieht, möchte ich auch konkret zum Strukturpaket ÖBH 2018 Stellung nehmen. Wie Sie wissen, war es zur Erfüllung der erforderlichen Einsparungspotenziale und -ziele von 200 Millionen €


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pro Jahr wichtig, entsprechende Strukturmaßnahmen zu setzen. Nach intensiven Ver­handlungen kam es am 23. Dezember 2014 zur Einigung auf Regierungsebene. Der Ministerratsbeschluss erfolgte dazu am 20. Jänner 2015.

Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete! Wesentliche Punkte der Einigung auf das Strukturanpassungspaket ÖBH 2018 sind folgende: Das Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport erhält zusätzliche Budgetmittel in Höhe von 616 Millio­nen € zur Deckung des dringend benötigten Investitionsbedarfs, wovon 350 Millionen € als Sonderfinanzierung bis 2019 und der Rest als Finanzierungszusage ab 2020 fest­gelegt wurden. Diese Mittel werden für notwendige Investitionen bei den Luftstreitkräf­ten, zur Verbesserung der Mobilität und des Schutzes der Truppe, zur Umsetzung der Wehrdienstreform sowie zur Stärkung der Miliz eingesetzt.

Das Fliegerabwehrbataillon 3 in Salzburg und das Miliz-Versorgungsbataillon werden aufgelöst. Das Panzerbataillon 33 in Zwölfaxing wird in ein Jägerbataillon umgewan­delt. Weitere Strukturanpassungen erfolgen durch Straffungen der Strukturen aller Ver­bände.

Weiters ist die Reduktion der schweren Waffen fortzusetzen. Jedenfalls bleiben 40 Stück „Leopard“ 2A4 und 42 Stück M-109 im Betrieb.

Gleichfalls erfordern die geplanten strukturellen Veränderungen eine Anpassung der militärischen Nutzung von militärischen Standorten. In der Logistik und in der Ausbil­dungsorganisation werden die Strukturen an den verringerten Bedarf angepasst. Im Ministerium beziehungsweise bei den Kommanden und den Ämtern wird generell um 15 Prozentpunkte gekürzt.

Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Ich bin davon überzeugt, dass in einer gemeinsamen Kraftanstrengung die Umsetzung dieses Paketes bis 2017 erfolgreich abgeschlossen sein wird.

Darüber hinaus möchte ich noch die aktuellen Entwicklungen zum Budgetrahmen an­sprechen, da diese ja Gegenstand der aktuellen Beratungen sind. Mit dem aktuellen Vorschlag, der grundsätzlich einen Kostendämpfungspfad verfolgt, ist es gelungen, nach mehr als einem Jahrzehnt beim Budget für die Landesverteidigung eine Trend­umkehr zu erreichen, nämlich eine Steigerung über die Jahre 2015 bis 2019 hinweg.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Diese Entwicklung ist auch Ih­nen zu verdanken, die sich unermüdlich für das österreichische Bundesheer eingesetzt haben. – Herzlichen Dank dafür. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Schönegger.)

16.07


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Pendl. Ich mache darauf aufmerksam, dass die folgenden Rednerinnen und Redner eine Redezeit von 5 Minuten haben. – Bitte. (Abg. Moser – in Richtung des sich zum Rednerpult bege­benden Abg. Pendl –: Sie müssen sich beim Bundesminister bedanken!)

 


16.08.10

Abgeordneter Otto Pendl (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Besuchergalerie und vor den Bildschirmen! Jenen, die sowohl die Materie, aber vor allem auch die Leistungen kennen – da bleibe ich jetzt einmal bei der Anfrage –, sei gesagt: Mit den letzten Worten ist der Herr Bundesminister ja genau auf diese Anfrage eingegangen. Ich möchte hier nicht vom Rednerpult verhehlen, dass ich zum Ausdruck bringe – ich tue es oft, aber aus innigster Überzeugung –, bei all diesen De­batten leidet meistens die Organisation darunter. Das haben weder die Soldatinnen noch die Soldaten verdient. Ich möchte ihnen auch hier und heute sagen: Unsere Soli­darität und unseren Dank haben sie auf alle Fälle! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)


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Ich weiß schon, was hier immer der politische Ablauf ist. Ich sage auch ganz offen, die einen freuen sich, braucht man sich keine Geschichten zu erzählen, jetzt werden wir wieder einen anpatzen, die anderen greifen sowieso an. Ich möchte nur sagen: Mehr, als dass vonseiten des betroffenen Ministers zum Ausdruck gebracht wird, dass die Optik nicht wirklich gut war, da sollten wir aufpassen, dass wir nicht immer bei all diesen Geschichten den Fokus aus den Augen verlieren – ich habe selber meine ei­gene Meinung dazu; ich stehe nicht an, diese auch zu sagen –, wenn wir darüber diskutieren, ob die Obersten Organe des Staates Dienstautos haben: Ja oder nein? (Abg. Neubauer: Darum geht es gar nicht!)

Wenn wir noch eine Weile weiterdiskutieren – ich kenne das ja seit Jahren –, wenn wir da weiterdiskutieren, sind wir am Ende des Tages in Wirklichkeit bei einem Punkt, bei dem wir alle zusammen, Kollege Lopatka – da können wir miteinander grinsen –, keine Freude haben, wie das Spiel ausgeht, denn wir könnten erzählen, was in den letzten 15 Jahren gelaufen ist. (Abg. Lopatka: Das war nicht die Frage, Kollege Pendl, das Dienstauto! – Abg. Schrangl: Vorbildwirkung!)

Können wir nicht eine Debatte führen?! Jetzt haben wir weder eine Staatspolizeisache noch eine Krisensache, ich gehe davon aus, dass wir wenigstens über ein Dienstauto unaufgeregt diskutieren können, über den Chauffeur auch. Da ist ja kein Staatsnot­stand ausgebrochen. Ich glaube, wir haben wichtigere Themen, auch wenn die Optik – ich sage es noch einmal – in diesem Zusammenhang nicht wirklich gut ist. (Zwischen­ruf des Abg. Deimek.)

Kein Grund zur Aufregung, wir können das ganz unaufgeregt diskutieren! Wenn Sie wollen, erzähle ich Ihnen auch die Geschichten, wo Ihre Minister überall herumge­fahren sind, aber das erspare ich mir, denn auf dieses Niveau will ich mich hier nicht begeben.

Kollege Pilz hat es auf seine Art und Weise so vorgetragen, dass wir gesagt haben, jetzt schauen wir einerseits, was der Betroffene zu dieser Sache sagt, andererseits sind es ja wir, die sich überlegen müssen, wie wir mit diesem Thema, das für alle gilt, umgehen – für das Auto wie für den Chauffeur. Ich habe ja nichts anderes gesagt, Kol­lege Lopatka. Ich habe immer nur gesagt: Aufpassen, dass man nicht bei Einzelfällen, wo zugegebenermaßen – ich sage es noch einmal, zum dritten Mal, dann sage ich es nicht mehr – die Optik auch meiner Meinung nicht zufriedenstellend ist, das Kind mit dem Bade ausschüttet! Bei dem bleibe ich, sonst haben wir alle miteinander am Ende des Tages keine Freude.

Ich sage auch, ich bin zutiefst überzeugt davon, dass so, wie die Diskussion momentan läuft, wie die Berichterstattung läuft, viele sagen werden: Aha, die richten es sich wie­der alle. – Diese Diskussion gibt es ja. Aber trotzdem glaube ich, dass wir hier zu­mindest, weil es um eine gesamtstaatliche Problematik geht – das sage ich schon – ganz einfach sauber und unaufgeregt zu diskutieren haben, denn sonst erweisen wir der Sache keinen guten Dienst.

Noch dazu ist meine Angst bei dieser Art von Diskussionen immer: Ich will nicht den Ap­parat irgendwie mithereinbringen. Der hat es eh schwer genug. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Ja, das wissen wir, das brauchen wir jetzt nicht zu wiederholen. Ihr braucht euch ja nicht gleich wieder aufzuregen! Ich sage nur, wir sollten hier geschärft den Fokus da­rauf richten, was Sache ist, und schauen, dass wir alle anderen unbeschadet aus die­ser ganzen Diskussion herausbringen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Lopatka.)

Das ist es, worum es mir und auch meiner Fraktion geht. Ich lade Sie wirklich alle ein: Versuchen wir, diese Diskussion sachlich im Interesse des österreichischen Bundes­heeres und auch im Interesse des Ansehens der Gesamtpolitik hinter uns zu bringen! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

16.12



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Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Schön­egger. – Bitte.

 


16.12.54

Abgeordneter Mag. Bernd Schönegger (ÖVP): Frau Präsidentin! Meine sehr geehr­ten Damen und Herren hier im Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren zu Hause! Herr Bundesminister! Ich darf Ihnen versichern, es gab für einen Wehrsprecher schon angenehmere Situationen, um ans Rednerpult zu treten.

Sehr geehrter Minister! Am Sonntag mussten wir im „profil“ lesen: Stimmung beim Heer noch schlechter als unter Darabos.

Sehr geehrter Minister! Diese Entwicklung ist bedauerlich, zumal wir nach Ihrem für das österreichische Bundesheer wirklich schon existenzbedrohenden Amtsvorgänger Darabos durchaus die Hoffnung und den Eindruck hatten, dass wir mit Ihnen als Mi­nister endlich wieder jemanden haben, der das Herz, aber auch den nötigen Verstand für die österreichische Landesverteidigung mitbringt.

Ich will der „profil“-Schlagzeile nicht unbedingt recht geben, wenn man schreibt, die Stimmung im Bundesheer sei noch schlechter als unter Darabos, leider muss man konstatieren: Die Stimmung ist nicht besser geworden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die nun losgetretene Debatte um die private Nutzung des Dienstwagens will ich im Grunde gar nicht allzu lange und vor allem nicht länger als notwendig kommentieren. Faktum ist, dass es hier augenscheinlich rechtlich eine klare Regelung gibt, ich aber unabhängig von der rechtlichen Beurteilung – und da bin ich dem Minister dankbar – auch der Meinung bin, dass die Optik hier nicht beson­ders gut war. Und das hat er klar zum Ausdruck gebracht.

Ich sehe das sehr biblisch: Fehler können passieren. Und: Wer frei von Fehlern ist, der werfe den ersten Stein. – Daher: Stehen wir zu dem Fehler, der da passiert ist – das hat er getan, der Herr Minister –, widmen wir uns wieder den wichtigen Fragen in der Landesverteidigung und halten wir uns nicht mit Dienstwagendebatten auf! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist es, was wir in der Landesverteidigung brauchen. Ich brauche Sie nicht daran zu erinnern, wie die sicherheitspolitische Lage in Europa ist. Ich brauche Sie nicht daran zu erinnern, dass wir auf diesem Kontinent ei­nen bewaffneten Konflikt in der Ukraine haben. Ich brauche Sie nicht an die Dramatik im Mittelmeer oder an die unfassbaren Gräueltaten der IS oder von Boko Haram zu er­innern. All das sind die wahren Themen, um die es gehen sollte.

Widmen wir uns diesen Herausforderungen gemeinsam, beschädigen wir uns nicht sel­ber weiter als Politik, indem wir uns – ich wiederhole es – mit diesen Bassena-Debat­ten um Dienstwagen aufhalten, und messen wir diesen Debatten nicht eine Bedeutung bei, die nicht angemessen ist! Diese Bedeutung haben solche Debatten nicht.

Das ist ja in Ihrem Sinne, Herr Minister. Ich schlage vor – nach dem Trial-and-Error-Prinzip –, da ist ein Fehler passiert, der wurde gemacht, der wurde erkannt. Gehen wir wieder über in den Arbeitsmodus und kümmern wir uns um die Landesverteidigung!

Apropos Arbeitsmodus: Diese Anfragebesprechung heute hätte eigentlich meine parla­mentarische Anfrage zum Thema gehabt – beziehungsweise, besser gesagt, Ihre Be­antwortung oder Ihre leider teilweise Nichtbeantwortung. Hier möchte und hier muss ich wohl etwas klarstellen: Ich glaube, da liegt ein Missverständnis vor, denn diese par­lamentarische Anfrage, die von mir gestellt wurde, hatte eigentlich zum Ziel, Ihnen, dem Ressort, dem Bundesheer, eine Hilfestellung im Aufsuchen von Sparpotenzialen zu geben. Ich sage nur: Doppel- und Mehrfachgleisigkeiten bei Publikationen. Ich spre-


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che da von der „ÖMZ“ und „TRUPPENDIENST“, von umfangreichen Dokumentations­druckwerken der Landesverteidigungsakademie oder von umfangreichen Inseraten­schaltungen, jetzt zum Beispiel halbseitig und ganzseitig betreffend „Girls‘ Day beim Bundesheer“.

Oder ich spreche – das wurde leider gar nicht beantwortet – von externen Beratungs­kosten. Damit wollte ich nichts Böses, sondern wirklich nur schauen: Wo können wir ein Sparpotenzial heben, um Alternativen zu schmerzhaften Einschnitten bei Kaser­nenschließungen aufzuzeigen? Da haben wir noch Gesprächsbedarf betreffend die Ka­sernen Horn und Tamsweg, aber auch in der Frage der Militärmusik. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Schieder.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es darf im Bereich der Landesverteidigung niemals darum gehen, politisches Kleingeld zu wechseln. Es muss um ein zukunfts­fähiges, modernes österreichisches Bundesheer gehen. Ich sage Ihnen: Umbau statt Abbau muss die Devise sein! Es geht um die Sicherheit in unserem Land in einer höchst unsicheren Zeit.

Was die Landesverteidigung braucht, ist ein Minister, der seinen Regierungskollegen kraftvoll und mit guten sachlichen Argumenten erklären kann, warum und wieso die Landesverteidigung welches Budget zur Erreichung der Ziele braucht. Was die Lan­desverteidigung braucht, ist ein Minister, der stark ist, sich auf die Arbeit fokussieren kann und sich nicht mit solchen Debatten aufhalten muss. (Abg. Moser – demonstrativ Beifall spendend –: Ja, das stimmt!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was wir nicht brauchen, ist eine solche De­batte; das habe ich schon gesagt. Mein Appell: Beenden wir dies, gehen wir in den Ar­beitsmodus über, alle gemeinsam! Kümmern wir uns um die militärische Landesvertei­digung, beenden wir die ministerielle Selbstverteidigung!

Herr Minister! Ich reiche Ihnen die Hand. Gehen wir das gemeinsam an und bringen wir die Landesverteidigung wieder auf Kurs! Wir sind Ihr Partner dabei. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Heinzl: Reichen wir eurem Finanzminis­ter auch die Hand!)

16.18


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Bösch. – Bitte.

 


16.18.26

Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Mei­ne Damen und Herren! Herr Kollege Schönegger, die Krokodilstränen der ÖVP in Be­zug auf die Demontage des österreichischen Bundesheeres sind völlig fehl am Platz. Sie tragen die Mitverantwortung für diesen Niedergang unserer Armee! (Beifall bei der FPÖ.)

Aber ich bin den Grünen sehr dankbar für die heutige Anfragebesprechung bei dieser Plenarsitzung, weil ich hoffe, Herr Bundesminister, dass diese Anfragebesprechung zu einer Erhellung unseres Verhältnisses führt – zu einer Erhellung des Verhältnisses zwi­schen Ihnen als Ressortführer und uns als Abgeordneten, dazu, uns zu informieren und in den Ausschusssitzungen auch Rede und Antwort zu stehen.

Kollege Schönegger hat Ihnen eine schriftliche Anfrage in Bezug auf Beratungsleistun­gen gestellt, die extern für das österreichische Bundesheer zugekauft werden. Diese Frage stellt Ihnen ein Mitglied Ihres Koalitionspartners, ein Abgeordneter der ÖVP, Herr Bundesminister, und Sie geben ihm zur Antwort, dass Sie nicht in der Lage seien, diese Frage zu beantworten. (Ruf bei der FPÖ: Unfassbar!) Und das, so glaube ich, ist einfach unerträglich.


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Herr Bundesminister, Sie führen das Ressort zu wenig! Wenn ein Bundesminister will, dass Auskunft gegeben wird zu berechtigten Fragen von Abgeordneten, dann hat er si­cherzustellen, dass diese Anfragebeantwortung auch stattfindet. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich möchte im Interesse von uns allen diese Anfrage an Sie wiederholen, Herr Bundes­minister. Geben Sie uns bei der nächsten Ausschusssitzung, geben Sie uns bei der nächsten Gelegenheit endgültig Auskunft darüber, wie viele externe Beratungstätig­keiten Sie in Ihrem Ressort vergeben haben! Das ist nur ein kleines Zeichen Ihres Um­ganges mit uns, Herr Bundesminister. Sie haben uns in der letzten Ausschusssitzung über einen längeren Zeitraum Rede und Antwort gestanden, und ich habe das respek­tiert, Sie haben aber über einen weiten Zeitraum nur Dinge referiert, die uns schon be­kannt gewesen sind. Wir möchten aber neue Dinge von Ihnen erfahren.

Dieses Bedürfnis der Abgeordneten müssen Sie verstehen, Herr Bundesminister. Sie kommen in die Sitzung des Rechnungshofausschusses, und ich frage Sie dort, wie Sie die Miliz organisieren wollen. Sie geben mir zur Antwort, das sei noch nicht festgelegt, Sie hätten sich mit dem Koalitionspartner noch nicht darauf geeinigt, in welche Rich­tung das gehen wird. Am nächsten Tag geben Sie eine Pressekonferenz, präsentieren den neuen Milizbeauftragten und erklären das neue System, wie Sie die Miliz in den nächsten Jahren organisieren wollen. – Das, Herr Bundesminister, hätten wir von Ih­nen gerne im Ausschuss gehört! Sie haben es ja mit uns Abgeordneten mit kompeten­ten Menschen zu tun, die, auch wenn sie nicht den Regierungsparteien angehören, es ernst meinen mit dem Bundesheer, mit Ihrem Ressort und mit der Sicherheitspolitik in diesem Lande. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie sollten uns als Partner sehen, Herr Bundesminister, und nicht nur als Gegner! Auch wir von der Opposition, vor allem wir von den Freiheitlichen, wollen ein starkes Bun­desheer, ein Bundesheer, das der Sicherheit unserer Bevölkerung dient, und wir wollen diesen Niedergang, dem das Bundesheer ausgesetzt ist, stoppen.

Dazu abschließend noch eine kurze Bemerkung betreffend Dienstwagen, Chauffeur, missbräuchlichen Einsatz. Lieber Kollege Pendl, es geht nicht um die Frage, ob Bun­desminister Chauffeure haben sollen, das ist eine Selbstverständlichkeit, es geht auch nicht um die Frage, ob man dieses Service angemessen privat nutzt, denn jeder Mi­nister wird einmal nach Hause oder wohin auch immer fahren müssen – es geht um die Dosis des Missbrauchs! Ich gebe Ihnen recht, Herr Kollege Pilz, es geht um die Dosis des Missbrauchs. Dieser Missbrauch schadet dem Institut Bundesheer und nicht, dass man aufzeigt, dass er geschehen ist. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Pilz.)

Deshalb, Herr Bundesminister, stellen auch wir Freiheitliche fest: Auch wenn Sie recht­lich diesen Missbrauch rechtfertigen können, ist er politisch nicht akzeptabel. Es hat in Ihrer Partei schon andere Missbrauchsfälle in diese Richtung gegeben. Ich appelliere daher an die SPÖ, in sich zu gehen und die Glaubwürdigkeit der Politik nach außen hin auch ins Kalkül zu bringen und diese Dinge abzustellen. Wir Abgeordneten haben auf alle Fälle die Pflicht, darauf zu achten, dass ein solcher Missbrauch in diesem Ausmaß nicht stattfindet.

Herr Bundesminister, Sie sollten sich darum bemühen, das Bundesheer wieder auf ei­nen guten Kurs zu bringen. Kämpfen Sie für mehr Finanzmittel, kämpfen Sie für eine gute Struktur des Bundesheeres, reißen Sie das Steuer herum und hören Sie mit der Demontage des Heeres auf! (Beifall bei der FPÖ.)

16.23


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Mo­ser. – Bitte. (Zwischenruf des Abg. Heinzl. – Abg. Moser – auf dem Weg zum Redner­pult –: Ja sicher! Immer bescheiden bleiben! Mit dem Fahrrad, Herr Kollege Heinzl!)

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 151

16.23.27

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Werte Frau Präsidentin! Herr Bundesmi­nister! Meine Damen und Herren hier und zu Hause! Zuerst eine Korrektur im Sinne des Kollegen Walser: Die zitierten FPÖ-Plakate waren bis auf eines original. Eines war sozusagen irgendwie nachgemacht, das ist korrekt.

Herr Kollege Pendl! Völlig unaufgeregt halten wir Tatsachen fest. Es ist unbestreitbar, der Herr Minister hat es heute auch schon gesagt: Er hat sich rechtlich genau erkun­digt, die Art und Weise sei rechtlich sogar so vorgesehen: mit dem Dienstwagen einen Freund in Frankreich zu besuchen, den Dienstwagen samt Chauffeur aus Wien zu be­ordern, mit Chauffeur nach Frankreich zu fahren, mit Chauffeur wieder nach Hause zu fahren.

Der Herr Minister hat, völlig unaufgeregt, auch festgestellt – ich wiederhole es unaufge­regt –: Das Ganze ist möglich um lockere 590,79 € pro Monat. In einem Jahr sind das – der Herr Minister hat es völlig unaufgeregt gesagt –, 7 000 €: Dafür bekomme ich ein ganzes Jahr lang einen Chauffeur, 24 Stunden täglich! – Interessant. So sieht der Herr Minister die Rechtslage.

Herr Minister, Sie haben § 9 des Bundesbezügegesetzes zitiert. Darf ich Sie jetzt fra­gen: Wie lautet § 9, Herr Minister? – (In Richtung Bundesminister Klug:) Keine Antwort!

Darf ich ihn Ihnen vorlesen, Herr Minister? – Keine Antwort!

Ich lese vor:

 „§ 9 (1) Dem Bundespräsidenten, den Mitgliedern der Bundesregierung, den Präsiden­ten des Nationalrates, dem Präsidenten des Bundesrates und dem Präsidenten des Rechnungshofes und den Staatssekretären gebührt ein Dienstwagen.

(2) Die Anspruchsberechtigten haben für die Benützung des Dienstwagens einen mo­natlichen Beitrag von 1,5% des Anschaffungspreises dieses Dienstwagens, höchstens aber von 7% des Ausgangsbetrages nach § 2 zu leisten.

(3) Mit Einverständnis des Präsidenten des Bundesrates ist dessen Dienstwagen auch seinen Stellvertretern für Dienstfahrten in der Bundeshauptstadt zur Verfügung zu stel­len.“ – Das sagt § 9 Bundesbezügegesetz.

Herr Minister, wo steht denn das, dass die Art und Weise, wie Sie Ihren Dienstwagen samt Chauffeur für die Fahrt nach Frankreich genutzt haben, rechtlich so vorgesehen ist? – In § 9 steht das nicht. Dort steht nichts von Nutzungsmöglichkeiten für Auslands­fahrten samt Chauffeur.

Sie haben uns – ich bin jetzt wirklich bemüht, absolut korrekt zu sein – auch § 17 ge­nannt. Herr Minister, was sagt § 17? Ich lese es Ihnen gerne wieder vor.

„§ 17. Auf das Verfahren nach diesem Bundesgesetz ist das Allgemeine Verwaltungs­verfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51, anzuwenden.“

Jetzt frage ich mich: Herr Minister, welche situationselastische Ausdeutung dieses § 17 und dieses § 9 haben Sie rechtlich zur Hand, sodass Sie uns hier erklären können, die Art und Weise ist rechtlich so vorgesehen, in der Sie in Frankreich einen Freund be­suchten. Ich möchte das gerne wissen. Ich möchte gerne wissen, wo sich diese Geset­zesgrundlage findet. Sie haben zitiert, ich habe Ihnen vorgelesen, was Sie uns ange­geben haben – dort steht nichts Derartiges drin! Ihre Erklärung ist höchst dürftig. Höchst dürftig, eigenartig! Wir werden nachforschen und mit Hilfe anderer Experten ans Werk gehen. Ihren Experten haben Sie uns ja nicht genannt.

Kommen wir zu einem anderen Aspekt, zu diesem Chauffeur-Aspekt, denn das ist der Hauptaspekt für uns. Es geht ja um die Dienstleistung, die erbracht worden ist, und um


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diese Bagatelle an finanzieller Gegenleistung, weswegen Sie wahrscheinlich steuerlich noch Schwierigkeiten haben werden. Man kann ja steuerlich sozusagen nicht etwas einbekennen, bei dem die Leistung um ein Vielfaches größer ist als der Preis, den man dafür zahlt und steuerlich zur Geltung bringt.

Gehen wir noch auf einen anderen Aspekt ein: Sie haben wörtlich gesagt, die Optik ist alles andere als gut. – Ich habe interessanterweise schon am Montag gelesen, dass Sie gesagt haben, die Optik ist schlecht. Sie wird anscheinend bei Ihnen von Tag zu Tag wieder besser. Wir hätten uns erwartet, dass Sie die Gelegenheit wahrnehmen und sich dafür entschuldigen. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Rädler.)

Ich gebe zu, Sie sind ein belasteter Mensch, Sie haben Führungsaufgaben in einer Ko­operation, in einer Institution, die sehr stark auf Führung hin orientiert ist. Jeder Grund­wehrdiener soll vorgeführt bekommen, was Führungsqualität ist, viele Menschen beim Bundesheer bemühen sich, korrekte, anständige, vorbildhafte Führungsfunktion zu per­sonalisieren, erlebbar zu machen, spürbar zu machen, rackern sich tagtäglich ab, da­mit Führungsqualität auch etwas wert ist und auch positiv vermerkt werden kann – und dann steht dieser Institution eine Ministerführung gegenüber, die Gesetzestexte nicht nur mehr als situationselastisch, sondern unserer Ansicht nach sogar sehr gesetzwidrig auslegt. Wo bleibt da die Führungskultur? Wo bleibt da die Glaubwürdigkeit?

Herr Kollege Pendl, Sie haben ganz zu Recht teilweise auch von „wir“ gesprochen. Wir müssen uns wehren, denn wir wollen nicht in einen Topf, in einen Dienstwagen gesetzt werden mit Menschen, die sich rechtlich eventuell durch irgendwelche Hintertürln, die uns unbekannt sind, denn nach unserer Lektüre geht das nicht, Dinge herausnehmen, die compliance-mäßig – ich sage es jetzt extra in der Wirtschaftssprache –, die verhal­tensmäßig, die vorbildmäßig, die führungsmäßig unterm Hund sind; entschuldigen Sie die Formulierung. Das geht nicht!

Wir PolitikerInnen – ich habe heute wieder zwei Schülergruppen zu Besuch gehabt – stehen von Angesicht zu Angesicht einer Bevölkerung gegenüber (Präsidentin Bures gibt das Glockenzeichen), die wenig Geld hat, die immer weniger verdient, der gegen­über es nicht zu rechtfertigen ist, dass die Führungsfigur einer Institution, wo der Spar­stift ...

 


Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete, würden Sie bitte zum Schlusssatz kom­men!

 


Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (fortsetzend): , wo der Sparstift – ich bin beim Schluss – täglich Benzin streicht, sich herausnimmt, privaten Vorlieben auf Kosten der Allgemeinheit nachzugehen. Herr Minister, die letzte Chance hatten Sie heute, bitte machen Sie den Weg frei! – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

16.30


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Vet­ter. – Bitte.

 


16.30.41

Abgeordneter Dr. Georg Vetter (STRONACH): Frau Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Wir reden jetzt schon lange über die Einhaltung von Regeln. Es geht um eine Anfragebeantwortung, und ich möchte zumindest so tun, als würde ich mich an die Re­gel halten, wirklich zum Thema dieser Anfragebeantwortung zu reden, in der es näm­lich um Zeitungen geht: um die Zeitung „Der Soldat“, um die Zeitung ÖMZ und um die Zeitung „Truppendienst“. Dass irgendeine Wortspende bis jetzt damit zu tun gehabt hat, habe ich eher vermisst. Man hat den Minister wegen eines Regelverstoßes gerügt, ohne einmal zumindest die Form zu wahren und auf diese Zeitungen zu verweisen. Solche Zeitungen sind wirklich wichtig beim Bundesheer, Herr Kollege Schönegger.


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Sie sind wirklich wichtig, und es tut mir auch leid, dass eine Zeitung wie „Der Soldat“ nicht mehr erscheint, denn ich habe diese Zeitung gerne gelesen. Ich lese auch den „Truppendienst“ und ich lese auch die ÖMZ.

Ich glaube an den Primat der Politik des Soldaten und ich glaube nicht an den Primat des Politikers, und das bedeutet auch, dass der Soldat, so sehr er die Politik und die Verfassung schätzt, beachtet, nicht unpolitisch sein darf. Der moderne Soldat ist auch politisch und auch kritisch. Insofern sehe ich es kritisch, wenn infolge des Sparzwan­ges Zeitungen verschwinden, wenn Artikel nicht geschrieben werden können. – So weit zur Anfragebeantwortung.

Wenn es darum geht, sich über einen möglichen Regelverstoß zu echauffieren, dann muss ich Ihnen sagen, dass ich das gar nicht beurteilen kann, denn soweit ich weiß, war der Minister dienstlich in der Schweiz, und das wird er wohl mit seinem Dienst­wagen sein dürfen. Über die Frage, ob er dann noch in das freiheitsliebende Frank­reich einen kleinen Ausflug machen darf, können wir juristisch diskutieren, dazu wird es unterschiedliche Meinungen geben, aber, meine Damen und Herren, es spricht Bände, dass wir uns über eine solche Dienstreise eine halbe, eine dreiviertel Stunde lang der­art erregen können. (Beifall bei Abgeordneten des Teams Stronach.)

Wer von jenen, die sich heute so erregt haben, hat sich darüber erregt, dass dieses Bundesheer 1 Milliarde € zu wenig zur Verfügung hat, dass es zu wenig Panzer gibt, dass es kein neues Dienstrecht gibt, dass es seit Jahren ausgehungert wird? – Aber über diese Dienstreise kann man sich echauffieren. Ich glaube niemandem, der hier ein Lippenbekenntnis zum Bundesheer abgibt und gleichzeitig den Minister anpatzt, weil er in Wirklichkeit das Bundesheer meint.

Meine Damen und Herren! Es ist – ich sage es einmal ziemlich neutral – unser aller Schuld, dass das Bundesheer heute so dasteht. Die Politik tut seit Jahren und Jahr­zehnten zu wenig, weil wir die Situation, in der wir sind, 70 Jahre Frieden, einfach für zu selbstverständlich nehmen und daher dieses Bundesheer zu wenig ausstatten.

Jetzt haben wir endlich einen Minister, dessen Herz für dieses Bundesheer schlägt, im Gegensatz zu vielen seiner Vorgänger, meine Damen und Herren (Beifall beim Team Stronach), und das ist in Wirklichkeit, wenn Sie so wollen, sein großes Vergehen: dass er sich für das Bundesheer einsetzt. Er bekommt kaum Geld, er bekommt immer weni­ger Geld, er muss sparen, verteilen, Schnitte vornehmen, Menschen unglücklich ma­chen. Natürlich führt das zu diesem Klima im Bundesheer, das heute vorherrscht, aber dafür dürfen Sie nicht ihn verantwortlich machen. Wir als Bundesfinanzgeber müssten eigentlich mehr Geld zur Verfügung stellen, würden wir diese Lippenbekenntnisse wirklich ernst nehmen. Die stiefmütterliche Behandlung des Bundesheers ist die Schuld der Gesamtpolitik. Den Minister jetzt stellvertretend zu schlagen dafür, dass dieses Bun­desheer seit Jahren totgespart wird, ist völlig scheinheilig. (Abg. Lopatka: Warum gibt es dafür keinen Ordnungsruf?)

Ich, meine Damen und Herren, werde heute nicht die Brille des Staatsanwaltes aufset­zen, um ihn anzuschauen. Das, meine Damen und Herren, halte ich – falls es erlaubt ist, das zu sagen – für scheinheilig. – Danke. (Beifall beim Team Stronach. – Abg. Lo­patka: Ich habe dafür einen Ordnungsruf bekommen!)

16.35


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Vavrik. – Bitte.

 


16.35.49

Abgeordneter Mag. Christoph Vavrik (NEOS): Frau Präsidentin! Herr Bundesminis­ter! Hohes Haus! Liebe Zuschauer! Ich werde mich nicht weiter äußern über den Fall


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Dienstwagen. Ich glaube, zu diesem Thema ist alles gesagt worden, was gesagt wer­den kann, von mehreren Abgeordneten und auch vom Herrn Bundesminister. Da sich die Anfrage auf das Budget bezog, und auch Sie, Herr Bundesminister, das Thema aufgegriffen haben, möchte ich das Budget thematisieren, darüber diskutieren, wo das Bundesheer heute steht.

Lieber Georg, du hast den Herrn Bundesminister verteidigen wollen, und auch mir geht es schon fast so, auch ich möchte das fast tun, denn er ist angeschlagen. Ich habe Kampfsport gemacht, dort gibt es eine Regel: Wenn der Gegner am Boden ist, dann tritt man nicht auf ihn, man wartet, bis er wieder aufstehen kann! Herr Kollege Schön­egger hat sogar das Neue Testament bemüht. Im katholischen Glauben heißt es, Frie­de den Menschen guten Willens, aber in der Politik ist es anders, Herr Bundesminister! Da geht es nicht nur um den guten Willen, sondern da geht es auch um die Er­gebnisse. Und es tut mir leid, Ihnen sagen zu müssen, auch wenn Sie heute bildlich am Boden liegen: Die Ergebnisse sind nicht da!

Das Bundesheer ist heute so schlecht aufgestellt wie noch nie. Sie walten über eine systematische Demontage dieses Heers in jeder Hinsicht. Es ist eine finanzielle De­montage, es ist eine strukturelle Demontage, es ist eine moralische Demontage. In ei­nem kurzen Zeitraum von sechs Monaten hatten wir zuerst ein Strukturpaket mit einer Einsparung von 200 Millionen € jährlich. Weil Sie sich gegenüber Ihren Kollegen nicht durchsetzen und mehr fürs Bundesheer rausholen konnten, kam das Strukturpaket. – So weit, so schlecht.

Dann kamen Sie – Ende Dezember bestätigt durch Ministerratsbeschluss – im Jänner mit der frohen Botschaft: Es gibt jetzt doch ein Sonderinvestitionsbudget in der Höhe von 616 Millionen € – Sie haben es heute noch einmal erwähnt –, davon 350 Millionen fix zugesagt bis 2019, da sich doch verschiedene Stellen besorgt geäußert haben, bis hin zum Herrn Bundespräsidenten, dass das Bundesheer vielleicht vor die Hunde geht und das doch nicht sein kann.

Gut, eine gewisse Erleichterung, obwohl ich schon fragen muss, Herr Bundesminister: Die übrigen 266 Millionen, ab dem Jahr 2019, von wem wurden die zugesagt? Ich weiß nicht, von wem. – Von den beiden Wehrsprechern der „Sozialistischen Volkspartei“ – ich fasse sie zusammen, ÖVP, SPÖ – Pendl und Schönegger? Und an wen? Eine Zu­sage an eine Regierung, die es noch gar nicht gibt?

Aber zurück zum Budget! – Keine drei Monate später heißt es im Rahmen des Finanz­rahmens, es wird eingespart, 40 Millionen jährlich. Wenn man das alles summiert, kommt man – das stimmt, Herr Bundesminister – im Vergleich zu 2015 2019 auf eine ganz, ganz leichte nominelle Erhöhung. Das ändert nichts an der Tatsache, dass das Bundesheer finanziell ausgehungert ist, dass das Bundesheer weniger als 2 Milliarden Budget hat, dass wir, obwohl viele Länder rund um uns, bis hin zu Schweden, aufrüs­ten, weiter abrüsten, dass das Budget weniger als 0,6 Prozent des BIP ausmacht, dass davon 70 Prozent für Personalausgaben vorgesehen sind.

Wenn ich Sie, Herr Bundesminister, im Landesverteidigungsausschuss frage: Was sind Ihre Pläne zur Vorlage eines neuen Dienst- und Besoldungsrechts?, dann heißt es, Sie verhandeln mit dem ÖAAB. – Das kann doch nicht die Antwort eines Ministers sein, dass Sie mit dem ÖAAB verhandeln; das ist eine Teilorganisation einer anderen Partei. Ich erwarte vom Ressort einen Vorschlag! Dann muss man natürlich in Verhandlungen gehen mit den anderen Parteien, mit verschiedenen Interessengruppen, das schon, aber man beginnt nicht unbedingt damit.

Das Ergebnis davon ist, dass die Wehrfähigkeit des Bundesheers in Frage gestellt ist, das wissen wir alle. Es gibt keinen Offizier, von den Generalsrängen bis zu den Stabs­wachtmeistern, den ich in einem Vieraugengespräch getroffen habe, der mir nicht ge-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 155

sagt hat, das Heer ist nicht mehr in der Lage, seinen verfassungsmäßigen Auftrag zu erfüllen; von den Generälen bis zu den Wachtmeistern, alle, quer durch alle Parteien im Übrigen. Das kann ich Ihnen versichern, Herr Bundesminister. Vielleicht dringt das nicht bis zu Ihren Ohren vor, aber dann sage ich es Ihnen jetzt.

Was jedoch noch viel schlimmer ist: Die Wehrwilligkeit ist jetzt infrage gestellt. Die Mo­ral dieses Bundesheers liegt auf dem Boden, sie war noch nie so schlecht. Wir schaf­fen es nicht einmal mehr, Kandidaten für neue Piloten zu bekommen. Die Verunsiche­rung ist sehr hoch. Und jetzt heißt es, vermutlich wird noch einmal am Gehalt ge­schraubt.

Sie haben in Ihre Broschüre „Strukturpaket“ vom 3. Oktober geschrieben – ich zitiere –:

„Das Grundgehalt bei den Soldaten ist so gering, dass ein Streichen dieser Zulagen zu einer Gehaltkürzung zweistelligen Prozentbereich führen kann. Grundsätzlich soll mit der Truppendienstzulage die Mehrbelastung der Berufssoldaten berücksichtigt wer­den.“ (Präsidentin Bures gibt das Glockenzeichen.)

Ich komme zum letzten Satz: Herr Bundesminister, wenn Ihnen das Bundesheer wirk­lich am Herzen liegt, dann müssen Sie jetzt Zeichen setzen. Es gibt zwei Arten von Zeichen, das eine ist das Zeichen, dass Sie sagen: Okay, das war es!, und vielleicht ist dem Bundesheer auf diese Weise am meisten geholfen, wenn der Ressortleiter sagt: Wenn ich das Vertrauen der einen Partei und den Rückhalt in der anderen nicht habe, dann sei es! Oder Sie schaffen es doch – das wird auch von anderen Ressorts und KollegInnen vorgehüpft –, das Bundesheer wieder auf die Beine zu bringen. – Danke. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Franz.)

16.41


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

16.42.02Fortsetzung der Tagesordnung

 


Präsidentin Doris Bures: Ich nehme die Verhandlungen über die Punkte 22 bis 25 der Tagesordnung wieder auf.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ehmann. 3 Minuten freiwillige Redezeitbe­schränkung. – Bitte.

 


16.42.11

Abgeordneter Michael Ehmann (SPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte in meinem Beitrag wieder zu den Tagesordnungspunkten, die vor den Kurzdebatten diskutiert wurden, zurückkommen und mich kurz mit dem Entschließungsantrag der Kollegin Weigerstorfer auseinander­setzen, der die „Standards der 1. Tierhaltungsverordnung für Masthühner“ betrifft. Selbst­verständlich steht das auch im Zusammenhang mit dem Tierschutz, na klar, der uns sehr am Herzen liegt. Dafür steht auch das Engagement unseres Tierschutzsprechers Dietmar Keck, der heute noch dazu Stellung nehmen wird.

Nun zu den Fakten: Aufgrund einer EU-Richtlinie aus dem Jahr 2007 hat Österreich bis zum Juni 2010 Zeit gehabt, das in nationales Recht umzusetzen, was auch geschehen ist. In Ihrem Entschließungsantrag dazu wollen Sie nun die Besatzdichte von derzeit 30 Kilogramm pro Quadratmeter auf 25 Kilogramm pro Quadratmeter verringern.

Für die Zuseherinnen und Zuseher eine kurze Erklärung dazu: Die Besatzdichte sagt nichts anderes aus, als wie viele Hühner auf einem Quadratmeter sein dürfen, gemes­sen in Kilogramm.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 156

Dazu ist aber schon zu sagen, dass die derzeitige Besatzdichte in Österreich, für die wir uns entschieden haben, schon den höchsten Standard in der gesamten Europäi­schen Union aufweist. (Ruf bei der FPÖ: Wie in der Schweiz auch!) Laut EU wäre nämlich eine Besatzdichte bis maximal 42 Kilogramm pro Quadratmeter möglich.

Natürlich würde für die heimische Geflügelwirtschaft eine Erhöhung einen wirtschaftli­chen Vorteil bringen. Und abgesehen davon sehe ich schon auch die Problematik der ProduzentInnen, die darin besteht, dass es in Einzelfällen bei der Abholung zu Termin­problemen kommen kann. Was bedeutet das dann? – Der Abholtermin verzögert sich beispielsweise um einige Tage, die Masthühner wachsen in dieser Zeit aber logischer­weise weiter, daher wäre für die Zukunft die Möglichkeit einer Toleranzgrenze in die­sem Zusammenhang zu diskutieren beziehungsweise einzurichten, um Abhilfe zu schaf­fen. Andernfalls könnten die Geflügelproduzenten ja die gesetzlichen Bestimmungen nicht einhalten.

Folglich sind im Zusammenhang mit dem derzeit bestehenden Kompromiss der Be­satzdichte und dem Thema Gewinnorientierung, aber auch zu den bereits bestehenden hohen österreichischen Tierschutzstandards auf rechtlicher Ebene keine weiteren Schrit­te angedacht – wobei wir noch einmal erwähnen sollten, dass Österreich bereits jetzt in Europa den höchsten Standard beim Thema Besatzdichte aufweist. Daher werden wir diesen Entschließungsantrag ablehnen.

Viel wichtiger ist es, weitere Ziele, wie die Reduktion von Antibiotika, die Bekämpfung von Salmonellen, das Finden neuer Tierschutzindikatoren, zu verfolgen beziehungs­weise daran weiterzuarbeiten. Daher wurde unter anderem auch vereinbart, dass das Bundesministerium für Gesundheit mit der Geflügelwirtschaft und dem Lebensmittel­handel diesbezüglich Gespräche aufnimmt. Es soll eine neue Basis für ein heimisches Geflügel-Label geschaffen und umgesetzt werden, um eben Qualität vor Quantität zu stellen. Und ich denke, das dient in letzter Konsequenz Tier und Mensch in Österreich. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.45


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Brunner. – Bitte.

 


16.45.44

Abgeordnete Mag. Christiane Brunner (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kol­leginnen und Kollegen, Zuseherinnen und Zuseher, so Sie noch hier sind! Ich freue mich, dass es Tierschutz-Anträge ins Plenum geschafft haben, das ist ja bei Tier­schutz- und Umweltanliegen nicht selbstverständlich. Schön, dass wir diese Initiativen heute diskutieren können.

Ich werde versuchen, auf alle Anträge der Kollegin Weigerstorfer einzugehen, und möchte dann auch noch ein paar Initiativen von mir einbringen.

Zunächst zu den Besatzdichten bei den Masthühnern, die gerade angesprochen wur­den: Ja, das stimmt, die Standards in Österreich sind besser als auf EU-Ebene. Vor Kurzem war aber auch in Österreich in Diskussion, die Besatzdichte wieder anzuhe­ben. Dieser Antrag hat also, denke ich, durchaus seine Berechtigung, und es ist nicht gesagt, dass wir nicht noch besser werden dürfen.

Ehrlich gesagt, ich habe es ziemlich satt, dass wir im Umwelt- und Tierschutzbereich immer sagen, dass wir ohnehin besser sind als andere Länder, weshalb wir nichts mehr tun müssen. Wir sind alle für Tierschutz, aber für die Wirtschaft wäre eine weitere Verbesserung trotzdem ein Nachteil, deswegen machen wir lieber doch nichts – aber für den Tierschutz sind wir alle! – Das ist schon ein bisschen widersprüchlich. Wir soll­ten aktive Umweltschutz- und Tierschutzpolitik als Chance erkennen, gerade für öster-


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reichische Betriebe, auch in der Landwirtschaft. Wenn das ordentlich ausgezeichnet wird, ist das, glaube ich, die einzige Chance, die die österreichische Landwirtschaft überhaupt hat. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Riemer.)

Das betrifft jetzt die Situation von Geflügel. Wir haben im Ausschuss auch die Situation von Katzen diskutiert. Engagierte Tierschützerinnen und Tierschützer kennen ja viele Beispiele von verwahrlosten Katzen, Katzen, die Krankheiten haben, vor allem im bäu­erlichen Bereich. Da besteht auf gesetzlicher Ebene einfach Klärungsbedarf, gesetzli­che Unschärfen sollten wir klären. Und es braucht dringend auch Kastrationsprogram­me, die engagierten TierschützerInnen dabei helfen, Kastrationen auch wirklich durch­zuführen, damit diese Verwahrlosungen ein Ende haben.

Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Brunner, Kolleginnen und Kollegen betreffend 2. Tierhaltungs­verordnung, Kastration von Katzen

Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Gesundheit wird aufge­fordert,

die Anlage 1 der 2. Tierhaltungsverordnung so zu ändern, dass der vom Verordnungs­geber intendierte Geltungsbereich in Bezug auf die Kastration von Katzen klar zum Ausdruck gebracht wird und nicht weiter rechtlich im Dunkel bleibt,

in Zusammenarbeit mit den Ländern Förderprogramme für Katzenkastrationen aufzu­setzen, um bereits ausgewilderte Katzenpopulationen zu begrenzen.

*****

Wir haben noch zwei Anträge auf der Tagesordnung, die sich auf die Stellung von Tierschutzorganisationen in Verfahren und auf den Straftatbestand der Tierquälerei be­ziehen. Ein Antrag bezieht sich auf die Parteistellung von Tierschutzorganisationen. Wir werden dem zustimmen. Ich glaube allerdings, dass das noch gewisse Unschärfen hat. Wir sind selbst dabei, in unserem Klub auch zu prüfen, welche Möglichkeiten es da gibt, eventuell auch analog zur Parteistellung von Umweltorganisationen gemäß Um­weltverträglichkeitsprüfungsgesetz. Ich denke, diesem Antrag kann man als Initiative einmal zustimmen. Die Gesundheitsministerin könnte das ja dann in einer Regie­rungsvorlage noch genauer ausformulieren. Wir werden das, wie gesagt, bei uns im Klub auch noch prüfen.

Dem Antrag auf Erhöhung des Straftatbestandes der Tierquälerei werden wir selbstver­ständlich zustimmen. Mein Kollege Steinhauser und ich haben einen sehr ähnlichen An­trag eingebracht, der auch schon dem Justizausschuss zugewiesen wurde und der im Justizausschuss das nächste Mal diskutiert werden wird. Ich denke, es ist höchst an der Zeit, dass festgestellt wird, dass Tierquälerei kein Kavaliersdelikt ist. Unser Um­gang mit unseren Tieren ist ein Spiegelbild auch unserer Gesellschaft. Das sollten wir ernst nehmen, und ich hoffe, dass dieser Antrag heute schon durchgeht, aber spätestens in der nächsten Sitzung des Justizausschusses eine positive Erledigung erfahren wird. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie der Abgeordneten Riemer und Weigerstorfer.)

16.49


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, ord­nungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 158

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Christiane Brunner, Wolfgang Pirklhuber, Freundinnen und Freunde betreffend 2. Tierhaltungsverordnung, Kastration von Katzen

eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 313/A(E) der Abgeordneten Ulrike Weigerstorfer, Kolleginnen und Kollegen betreffend "Standards der 1. Tierhaltungsverordnung für Masthühner" (541 d.B.)

Begründung

Gemäß Punkt 2 Abs. 10 der Anlage 1 zur 2. Tierhalteverordnung sind Katzen, die mit regelmäßigem Zugang ins Freie gehalten werden, von einem Tierarzt kastrieren zu lassen, insofern diese Tiere nicht zur kontrollierten Zucht verwendet werden oder in bäuerlicher Haltung leben.

Tierschutzinitiativen berichten von Problemen mit Streunerkatzen im Umfeld von Bau­ernhöfen. Diese Initiativen dokumentieren ausgewilderte Katzenpopulationen, die krank, unterernährt und von Parasiten befallen sind. Um ein Ausbreiten einzudämmen, so be­richten diese Organisationen, veranlassen sie Kastrationen der Streunertiere, die sie mit Privatmitteln finanzieren müssen.

Laut dem Urteil des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich, vom 18. September 2014 (Geschäftszeichen LVwG-WT-14-0021), fehlt es an einer Legaldefinition der Be­grifflichkeit "bäuerliche Haltung" und es lägen auch keine Materialien (VwGH 20.9.2012, 2012/10/0139) zur fraglichen Regelung vor. Deshalb müsse die Regelung unter "Rück­griff auf die "allgemeinen Regeln des Sprachgebrauches" erfolgen. In seiner Erkenntnis kommt das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich zu dem Schluß, ""Demgemäß ist der den fraglichen Themenkreis betreffenden Stellungnahme des Bundesministers für Gesundheit vom 13. März 2009, 17010.0020/9-L1.3/2009 (7.SPET 24.GP) insoweit entgegenzutreten, als sich die Bestimmung schon ihrem Wortlaut nach gerade nicht auf Tiere bezieht, die "vielleicht zwar regelmäßig auf einem bäuerlichen Hof mitgefüt­tert" würden, "aber ansonsten verwildert", als Streunertiere lebten und damit gerade nicht gehalten werden.

Wendet man sich dem beigesetzten Adjektiv ("bäuerlich") zu, so lässt sich aus diesem bloß erschließen, dass die Haltung im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebes erfolgt, wobei abermals eine Einschränkung i.S.d. obzitierten Stellungnahme des Bun­desministers für Gesundheit aus dem Wortlaut nicht abgeleitet werden kann. Was unter dem Terminus der bäuerlichen Haltung zu verstehen ist, bleibt im Ergebnis völlig dunkel.""

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Gesundheit wird aufge­fordert,

die Anlage 1 der 2. Tierhaltungsverordnung so zu ändern, dass der vom Verordnungs­geber intendierte Geltungsbereich in Bezug auf die Kastration von Katzen klar zum Ausdruck gebracht wird und nicht weiter rechtlich im Dunkel bleibt,

in Zusammenarbeit mit den Ländern Förderprogramme für Katzenkastrationen aufzu­setzen, um bereits ausgewilderte Katzenpopulationen zu begrenzen.

*****

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 159

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Eßl. – Bitte.

 


16.50.02

Abgeordneter Franz Leonhard Eßl (ÖVP): Meine geschätzten Damen und Herren! Der erste Entschließungsantrag betrifft die Erhöhung des Straftatbestandes der Tier­quälerei. Ohne inhaltlich auf diesen Antrag eingehen zu wollen, möchte ich sagen, dass ich der Meinung bin, dass dieser vom System her besser in den Justizausschuss gehört. Daher gibt es einen Antrag, diesen dem Justizausschuss zuzuweisen. Ich darf auch dazusagen, da soll sich der Justizausschuss gleich auch anschauen, wie man ständig wiederkehrende Einbruchsdelikte in bäuerliche Anwesen besser ahnden kann.

Punkt zwei, Geflügelhaltung, Anträge der Kollegin Weigerstorfer: Ich darf dazu klar und deutlich sagen: Wenn Sie wollen, dass in Zukunft Geflügelfleisch ausschließlich aus dem Ausland kommt, dann sollten Sie diesem Antrag zustimmen. Wenn Sie wollen, dass Geflügelfleisch in Zukunft ausschließlich aus intensiver Tierhaltung mit niedrigen Standards kommt, dann sollten Sie diesem Antrag ebenfalls zustimmen.

Nein, wir haben in Österreich bereits hohe Standards, die wesentlich besser sind als in anderen Ländern der Europäischen Union und darüber hinaus.

Die Geflügelwirtschaft hätte sogar angeboten, ein umfangreiches Gesundheitsprogramm zu machen, wenn man hinsichtlich der Besatzdichte Flexibilität zeigen würde. Das ist aber bis jetzt nicht zum Tragen gekommen. Ich bin der Meinung, wir sollten Anreize schaffen, dass die Tierhalter von sich aus Verbesserungen vornehmen. Das, glaube ich, würde für die Zukunft das Beste sein.

Die ÖVP steht zum Tierschutz. Die ÖVP will aber Tierschutz mit Augenmaß und Haus­verstand. Und die ÖVP will einen Tierschutz, mit dem die Bäuerinnen und Bauern auch wettbewerbsfähig bleiben können. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zum nächsten Punkt, der als Antrag vorliegt: Parteistellung für Tierschutzorganisa­tionen. Es gibt den Verband Österreichischer Tierschutzorganisationen, der ist Mitglied im Tierschutzrat mit beratender Stimme und entsendet Vertreter in die Tierversuchs­kommission des Bundes mit beratender Stimme. Das ist meiner Ansicht nach auch in Ordnung, aber für eine Parteistellung in Gerichts- und Strafverfahren fehlt meines Er­achtens jegliche Legitimation.

Dabei ist durchaus zu bemerken, dass es Tierschutzorganisationen gibt, die bewusst Gesetze brechen. Vor gut einem Monat ist in einen Stall eingebrochen worden, ein Brandanschlag verübt und ein Drohbrief hinterlassen worden, in dem es hieß, dass das nächste Mal das Haus brennen würde. Das ist nicht nur Terror gegenüber den bäu­erlichen Familien, das bedeutet auch Stress für die Tiere und ist eigentlich auch Tier­quälerei. Das hat mit Tierschutz nichts zu tun! (Beifall bei der ÖVP.)

Damit nicht genug: Sogenannte Tierschützer sind auch in das Büro eines Nationalrats­abgeordneten eingedrungen, haben sich dort verbarrikadiert und haben Akten durch­wühlt. (Abg. Pirklhuber: Warst das du selbst?) Diese Aktion wurde von einem gewis­sen Dr. Balluch geleitet.

Ich glaube, es wäre falsch, solchen Personen Parteistellung in Behörden- und Ge­richtsverfahren zu geben. Darum wird die ÖVP diesen Antrag ablehnen und dem Aus­schussbericht zustimmen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Brunner: Ich kann Ihnen auch Geschichten erzählen, wie in Wohnungen von Tierschützern eingedrungen wurde!)

16.53


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Wei­gerstorfer. – Bitte.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 160

16.53.55

Abgeordnete Ulrike Weigerstorfer (STRONACH): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ich glaube, in einem sind wir uns auf jeden Fall alle einig: dass Tierschutz einen höheren Stellenwert benötigt und dass vor allem auch Tierquälerei in unserer Gesellschaft de­finitiv keinen Platz haben sollte.

Ich komme zu meinem ersten Antrag, zur Erhöhung des Strafmaßes in Sachen Tier­quälerei. Derzeit ist es so, dass das Strafausmaß bis zu einem Jahr beträgt. In der Ver­fassung und in anderen Gesetzen ist durchaus vorgegeben, dass wir eine gewisse Wertschätzung Tieren gegenüber an den Tag legen sollen. Wer ein Tier hält und be­treut, ist verpflichtet, es artgerecht zu pflegen, zu ernähren, unterzubringen, und Tieren dürfen weder Schmerzen noch Leid zugefügt werden. Das sind die Vorschriften.

Wir wissen allerdings alle ganz genau, in der Praxis sieht es leider anders aus. Darum müssen wir uns natürlich fragen, ob diese Schutzvorschriften tatsächlich wirksam ge­nug sind, denn Tierquälerei, wir wissen es, ist weit verbreitet, und leider häufen sich die Vorfälle stetig.

Der Beweis liegt auf der Hand: 2013 gab es 603 Anzeigen wegen Tierquälerei, im Jahr 2014 waren es insgesamt schon 802. Wir haben es kurz gehört vom Kollegen Riemer, besonders dramatisch war der Vorfall, wo Jugendliche aus reiner Langeweile Wildschweinjunge zu Tode gequält haben. Wir alle können uns erinnern, wie ein Schwan einfach aus Spaß gesteinigt worden ist und so zu Tode kam. Ich glaube, wir alle sind uns einig, dass das in der heutigen Gesellschaft definitiv keinen Platz hat. (Beifall bei Team Stronach und SPÖ.)

Wir haben auch gehört, dass es in unseren Nachbarländern da schon Fortschritte ge­geben hat. Diese haben nämlich auch erkannt, dass man da etwas verändern muss. Deutschland hat 1998 das Strafmaß auf drei Jahre angehoben, ebenso die Schweiz vor zwei Jahren. Darum würde ich mir wünschen, dass wir hier in Österreich auch die­sen zwei Beispielen folgen, denn ich glaube, es ist uns allen klar, dass die Wertschät­zung Tieren gegenüber die Basis für ein gewisses Sozialverhalten ist. Eine Erhöhung des Strafmaßes, davon bin ich wirklich überzeugt, wird einen wesentlichen Beitrag zu einer gewissen Sensibilisierung und Bewusstseinsbildung leisten. Und noch wichtiger: Ich denke doch, dass somit einige Tiere vor unnötigem Leid bewahrt werden.

Zusätzlich wünschen wir uns natürlich auch, dass in diesem Fall nicht die Bezirksge­richte die Ansprechstelle sind, sondern die Landesgerichte. Und da gibt es eine gute Nachricht: Die beiden zuständigen Minister, nämlich sowohl Justizminister Brandstetter als auch Gesundheitsministerin Oberhauser, haben bereits in einem Interview im Jän­ner erklärt, in diese Richtung grünes Licht geben zu wollen. Ich freue mich sehr, dass es diesbezüglich auch Anträge von FPÖ und Grünen gibt.

Ich möchte jetzt noch ein Wort zu den Ausführungen des Kollegen Keck sagen. Ich bitte Sie, die Anträge in Zukunft ein bisschen genauer zu lesen, denn ich habe keine Verbesserung der Besatzdichten gefordert, sondern keine Verschlechterung, das heißt die Beibehaltung des momentanen Standes. Das ist, denke ich, doch ein biss­chen ein Unterschied. Natürlich sind wir auch eine Wirtschaftspartei, aber Wirtschaft darf natürlich nie auf Kosten anderer gehen – in diesem Bereich sind es die Tiere.

Fakt ist, es wurde etwa vor einem Jahr überlegt, die Besatzdichte zu verändern, weil es zu weniger Ausfällen kam. Zu dieser Verschlechterung sage ich ein klares Nein, das ist ein absolutes No-Go. Die Argumentation fand ich besonders interessant: denn man be­nötigt weniger Antibiotika. – Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. (Zwi­schenruf.) – Ein Widerspruch?

Ich darf Ihnen sagen, dass weltweit mehr Antibiotika im Nutztierbereich verwendet wer­den als in der Humanmedizin. Und um eine Zahl zu nennen, die uns, glaube ich, alle


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ein bisschen schockieren sollte: Allein in Österreich waren es 2013 55 Tonnen Anti­biotika in der Nutztierhaltung! Ist das heutzutage noch notwendig? (Zwischenruf des Abg. Riemer.) Letztendlich geht es um unsere Gesundheit. (Zwischenruf bei der ÖVP.) – In der Nutztierhaltung. Herr Kollege, ein Pferd ist kein Nutztier, wenn ich Sie hier kurz korrigieren darf. (Ruf bei der ÖVP: Ein Pferd ist sehr wohl ein Nutztier!)

Zusätzlich freue ich mich sehr, dass ich hier auch von ÖVP-Seite durchaus Unterstüt­zung bekommen habe, denn Herr Auer, der sich nun offensichtlich auch vermehrt für den Tierschutz einzusetzen scheint, hat bei der Gesundheitsministerin nachgefragt, und ich darf sie hier diesbezüglich zitieren. Ihre Antwort war:

„Von einer Anpassung der Besatzdichten wurde nach langer Diskussion Anfang De­zember 2014 von mir Abstand genommen, da rein durch die geforderte Erhöhung der Besatzdichten für die Haltung von Masthühnern und Puten eine nachhaltige Absiche­rung der heimischen Geflügelwirtschaft nicht gewährleistet gewesen wäre.“

Ich bedanke mich bei der Frau Ministerin für diese Unterstützung und sehe dies als ei­nen ersten Schritt in die richtige Richtung.

Und wenn Sie die Wirtschaft nochmals ansprechen: Glauben Sie wirklich, dass wir wirt­schaftlich gesehen bei den Besatzdichten bei den Masttieren, bei den Nutztieren mit Ländern wie Polen, Italien, Deutschland zum Teil auch mithalten können? Sehen wir es doch eher als Chance für die Wirtschaft – wir reden hier von 140 Betrieben in Öster­reich! –, dass diese Betriebe den „Feinkostladen Österreich“ beleben und sagen, wir setzen auf Qualität, denn wir wertschätzen unsere Tiere, und natürlich inkludiert das auch die Nutztiere.

Da das Licht schon leuchtet, möchte ich enden mit einem Satz von Leonardo da Vinci: „Wahrlich ist der Mensch der König aller Tiere, denn seine Grausamkeit übertrifft die ihrige.“

Danke fürs kurz Nachdenken! (Beifall beim Team Stronach, bei Abgeordneten der Grü­nen sowie des Abg. Riemer.)

17.00


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schopf. – Bitte.

 


17.00.46

Abgeordneter Walter Schopf (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Ich möchte ebenfalls zu den Anträgen von Kollegin Weigerstorfer ein paar Sätze sagen.

Zuerst zu den beiden Anträgen, die letztendlich hier behandelt werden: Sie sind mitt­lerweile rund ein Jahr alt und haben zum Ziel, wie schon ausgeführt, dass die strengen österreichischen Bestimmungen betreffend Besatzdichte bei Masthühnern und Mastpu­ten nicht verwässert werden. (Präsident Kopf übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren! Beide Anträge wurden ja sehr ausführlich im Gesundheits­ausschuss diskutiert und mehrheitlich abgelehnt – allerdings nicht, weil wir für eine Ab­senkung der Standards wären, sondern, weil die Befürchtung, dass hier aufgrund von EU-Bestimmungen die Standards verschlechtert werden, unbegründet ist. Die österrei­chischen Standards – das haben einige Vorredner und Vorrednerinnen bereits er­wähnt – bei Masthühnern genauso wie bei Puten sind die strengsten in der Europäi­schen Union, und das bleibt aufgrund der Aktivitäten unserer Bundesregierung auch in Zukunft so.

Meine Damen und Herren, als Beschäftigter in der Gewerkschaft weiß ich, Waren aus Österreich, Produkte aus Österreich gewinnen im internationalen Wettbewerb nicht über


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die Menge, nicht über die Masse, nicht über den Preis, sondern über die Qualität die­ser Produkte. Das Gleiche gilt für in Österreich hergestellte Lebensmittel. Wir sollten uns daher in Zukunft um die Steigerung der Produktqualität kümmern, Stichwort: weni­ger Einsatz von Antibiotika. Wir sollten versuchen, das Bewusstsein der Konsumentin­nen und Konsumenten in diese Richtung zu schärfen.

Ich möchte diese Gelegenheit auch dazu nützen, die österreichischen Handelsriesen, die österreichischen Handelskonzerne aufzufordern (Abg. Pirklhuber: Sehr richtig, sehr richtig!), ob das der Rewe-Konzern mit BILLA, Merkur, Penny ist, ob das Spar, Hofer, Lidl, und wie sie alle heißen, sind, viel mehr das österreichische Qualitätsgeflü­gel in die Supermarktregale zu bringen. Ich denke, das wäre eine ganz entscheidende und wichtige Aufgabe der österreichischen Konzerne. (Beifall bei der SPÖ und bei Ab­geordneten der ÖVP.)

Also mir ist wichtig, dass wir wie gesagt gemeinsam mit diesen Unternehmungen ver­suchen wollen, zu erreichen, dass wir als Konsumentinnen und Konsumenten in Zu­kunft mehr österreichische Hühner und österreichische Puten in den Regalen vorfin­den. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Auer.)

17.03


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Pirklhuber zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


17.03.32

Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Herr Präsident! Meine Da­men und Herren! Keine Frage, diese Ausführungen meiner Kolleginnen und Kollegen vorher waren ja insofern klar, als herausgekommen ist, Tierschutz ist auch ein wich­tiger Teil der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung. Das ist an sich für die Bauern etwas ganz Normales, Selbstverständliches, weil nur Nutztiere, die artgerecht gehalten wer­den, auch Leistung bringen, leistungsfähig sind, sozusagen das tun können, was dann auch zu Qualität führt.

Natürlich ist Qualität nicht ausschließlich eine Frage des Tierschutzes. Man müsste es durchaus auch einmal von der Seite beleuchten. Ein paar Punkte, die hier relevant sind: die Rasse eines Tiers, die Haltung und die Fütterung, eben nicht nur die Haltung, auch die Fütterung, der Transport – Transport ist auch ein Teil des Tierschutzes – und eine stressfreie Schlachtung, um einige Aspekte anzusprechen, die dann wirklich zu Qualität auf dem Teller führt.

Also wir müssen sehen: Der Tierschutz ist ein integraler Bestandteil von Qualität. Was wir jetzt nicht haben, ist ein entsprechender Preis, und was wir auch nicht haben, ist die entsprechende Kennzeichnung. Das, was wir für die österreichische Qualitätspro­duktion brauchen, ist auch die entsprechende Darstellung der Tierhaltungsqualität auf dem Produkt. (Beifall bei Abgeordneten der Grünen.)

Wir haben es in einigen Bereichen, nämlich konkret im biologischen Landbau – darauf werde ich konkret eingehen –, aber was wir brauchen, ist ein Gütesiegelgesetz, das positiv auslobt, was tierschutzrelevant ist, und gleichzeitig auch verhindert, dass Tritt­brettfahrer das Image der rot-weiß-roten Fahne ausnützen und Importprodukte, die hier verarbeitet werden, dem Konsumenten als österreichische Ware unterjubeln. Also das soll es nicht sein.

Ein Beispiel, Kollege Eßl, zu den Besatzdichten: Du hast zu Recht gesagt, wir haben die besten. Vergleichen wir es jetzt einmal wirklich vom Biostandard bis zum interna­tionalen oder europäischen Standard: Wir haben bei Biomastgeflügel zehn Tiere oder maximal 21 Kilo am Quadratmeter; also das ist deutlich weniger als die 30 Kilo. Wir ha­ben die 30 Kilo in Österreich, in Deutschland sind es 39. Bei Puten ist der Unterschied noch wesentlich größer. Das ist ein Punkt.


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Und Kollegin Weigerstorfer hat zu Recht gesagt, der Antibiotikaeinsatz mit 55 Tonnen in Österreich liegt etwa auf derselben Höhe wie in der Humanmedizin. Wir sind hier vom Einsatz her gesehen nicht der Spitzenreiter in der Europäischen Union, sowohl im tierischen Bereich als auch im humanmedizinischen Bereich. – Das ist ja gut so, bitte! Das ist gut so, denn wenn wir hier Spitzenreiter wären, dann hätten wir auch massiv mehr Probleme mit Kreuzresistenzen, Probleme auf der Gesundheitsebene, eben durch massiven Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung.

Also daher: Tierschutz – ja, ist notwendig; Alternativen zu Antibiotika – ja, auch not­wendig. Das hat noch keiner angesprochen. Kollege Eßl! Auch das ist eine Möglichkeit. Wir haben in Österreich den Europamarktführer für alternative Stoffe, nämlich für phy­togene Futtermittelzusätze; ich will da keine Firmenwerbung machen. Diese Firma sitzt in Steyregg in Oberösterreich, arbeitet seit 25 Jahren auf diesem Gebiet. Da werden als Futterzusatzstoffe Produkte wie Kräuter, Öle, Gewürze eingesetzt, die auch bei­tragen, das Wohlbefinden, die Vitalität der Tiere zu stärken. Und es funktioniert, meine Damen und Herren! Es funktioniert! Das ist die Alternative. (Beifall bei den Grünen.)

Richtige Tierschutzmaßnahmen, richtige Fütterungsmaßnahmen, auch ein Gütesiegel­gesetz und entsprechende Preise – dann können die Bäuerinnen und Bauern davon le­ben und auch die Konsumenten diese Produkte genießen!

Jetzt ein kleiner Exkurs, Kollege Eßl, zu der Frage: Wie sieht es denn aus mit, sagen wir einmal, Auswüchsen, mit Tierschutzauswüchsen, wie Sie es bezeichnen würden? Gibt es da Dinge, mit denen über die Stränge geschlagen wird? – Also eines ist sicher: Alles hat seine Grenzen. Auch beim Tierschutz muss man darauf achten, dass man auf einem Auge nicht blind wird, Kolleginnen und Kollegen. Und wenn Katzen heute im ur­banen Raum als reine Wohnungskatzen gehalten werden, ohne eine Minute des Aus­laufs, ohne die Möglichkeit, ihr natürliches, artgerechtes Verhalten auszuleben, dann sage ich ganz ehrlich von dieser Stelle aus: Das sollten wir auch thematisieren im Tier­schutz.

Wir sollten hinterfragen, ob es wirklich sinnvoll, richtig ist, in Ballungsräumen, in kleinen Wohnungen große Hunde zu halten, die kaum Platz und Auslauf haben und sich nicht artgerecht verhalten können. Auch das gehört einmal gesagt und ist mir wichtig. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von SPÖ und Team Stronach.) Kolleginnen und Kollegen, die soziale Funktion, die Tiere für uns Menschen haben, sollte nicht da­zu führen, dass wir artgerechtes Verhalten unterbinden. Das sollte es nicht sein.

Tierschutz endet auch dort – selbstverständlich endet er dort! –, wo in Ställe eingebro­chen wird oder gar mit Brandstiftung gedroht wird, Kollege Eßl. Wir haben uns immer klipp und klar davon distanziert. Das hat mit Tierschutz nichts zu tun. Das ist eine Frage des Strafrechts. Das haben wir auch nicht gesetzlich neu zu regeln, denn dafür gibt es ein Strafrecht. So sehe ich das. Aber es ist auch nicht klug – in Richtung Land­wirtschaft gesagt –, damit pauschal alle Tierschutzorganisationen zu kriminalisieren. Das haben wir alles schon gehabt hier im Haus. Das macht keinen schlanken Fuß, das bringt nichts für die Landwirtschaft und bringt auch nichts für die Weiterentwicklung des Tierschutzes in Österreich.

Ein Beispiel ist auch diese Katzenproblematik. Wir haben das im Ausschuss bespro­chen. Sie haben diesen Antrag der Kollegin Weigerstorfer vertagt, weil Sie gesagt ha­ben, da braucht es eine Verordnung, das gehört auf dem Verordnungswege geklärt.

Wenn Sie unseren Antrag heute genau lesen, dann werden Sie sehen, wir haben hier das Verwaltungsgericht Niederösterreich mit seiner Rechtsmeinung zitiert. Wenn Sie die lesen, werden Sie draufkommen, das Gesetz ist nicht klar, die Stellungnahmen des Ministeriums waren nicht klar – und hier braucht es eine Klärung! Nur, dass Sie mich richtig verstehen. (Abg. Eßl: Dann sollten wir darüber noch reden!) – Ja, danke, Kol-


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lege Eßl! Ich bin auch der Meinung, darüber sollten wir reden; darum haben wir diesen Antrag eingebracht. Wenn Sie ihn in Ruhe lesen, werden Sie sehen, es geht darum, dass wir diese Klärung herbeiführen wollen. Wir wollen hier einen Anstoß leisten.

Ich möchte hier gar nicht mit meiner Meinung hinter dem Berg halten, weil es meine persönliche Meinung ist: Wenn man heute ein Kinderbuch aufschlägt, sieht man drin­nen meistens einen Bauernhof, wo Kätzchen herumlaufen. Katzen am Bauernhof sind etwas ganz Selbstverständliches. Es ist eigentlich ein normales Kulturgut, in dem wir heute sozusagen ... (Abg. Steinbichler: Das ist kein Kulturgut, das ist eine Notwen­digkeit, weil sonst fressen dich die Ratten und die Mäuse auf!) – Ja, gut. Kollege Stein­bichler rekurriert auf das, was eine Katze tut: Mäuse fangen. Selbstverständlich, das ist die Funktion, die die Katze am bäuerlichen Hof immer gehabt hat.

Aber worum es geht, ist, dass es auch Missbrauch bei der Katzenhaltung gibt und die Behörden keine Möglichkeit zum Einschreiten haben. Dann kommt es eben zu einer enormen Populationsvergrößerung und zu wirklichen Problemfällen in einzelnen Ge­bieten und Gemeinden. Auch dafür sollte es Handhaben geben, und da wollen wir eine Lösung finden.

Abschließend, meine Damen und Herren: Es geht auf jeden Fall darum, der Gefahr einer weiteren Industrialisierung und einer flächenungebundenen Tierhaltung den Rie­gel vorzuschieben. Wir wollen Qualitätsproduktion in Österreich. Wir wollen keine flä­chenungebundene Massentierhaltung, keine industrielle Tierhaltung. Wenn Sie sagen, das gäbe es nicht: Das gibt es! Es gibt Betriebe, die entsprechend gewidmet sind, ohne dass sie Futterflächen haben. Und das ist nicht bäuerlich! Das ist industrielle Tier­produktion, und die müssen wir abstellen.

Wohin soll es gehen? – Wir wollen bäuerliche Arbeitsplätze erhalten. Wir wollen die Qualität der Lebensmittel entsprechend weiterentwickeln. Wir wollen möglichst artge­rechte Tierhaltung und so wenig Medikamente wie möglich einsetzen. Das muss das Ziel sein, und in diese Richtung sollten wir weiter aktiv gemeinsam diskutieren. – Dan­ke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

17.12


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Schmuckenschla­ger. – Bitte.

 


17.12.25

Abgeordneter Johannes Schmuckenschlager (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Geschätzte Damen und Herren! Eine Diskussion rund um den Tierschutz ist immer eine sehr emotional geführte Debatte. Das ist aber selbstverständlich, weil uns ja die Tiere auch am Herzen liegen. Doch wir dürfen Debatten über Tierquälerei nicht mit Debatten über Tierhaltung und Tiernutzhaltung verwechseln. Ich glaube, dieses hohe öffentliche Interesse ist absolut berechtigt, und es ist auch wichtig, diese Themen noch prominenter und auch öfter hier im Hohen Haus zu diskutieren. (Abg. Brunner: Dann hört auf, alles zu vertagen!)

Der Thematik mit der Besatzdichte bei den Puten und den Hühnern müssen wir uns stellen, aber wir müssen da auf eines ganz besonders achtgeben, nämlich dass wir – die Sprecherin vom Team Stronach kommt ja aus dem Pferdebereich – das Pferd nicht von hinten aufzäumen. Denn wenn wir damit beginnen, die Tierhalteverordnungen in Österreich immer schärfer und damit Tierhaltung unmöglich zu machen, müssen wir aufpassen, dass wir nicht eine elitäre Diskussion führen und letztendlich Tierleid ex­pandieren, am Ende des Tages aber in den Märkten Produkte haben, die unter viel schlechteren Bedingungen produziert worden sind, und in Österreich keine Produktion mehr stattfindet.


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Wir müssen vielmehr die Preis/Wert-Diskussion führen. Da bin ich auch der Ministerin Oberhauser dankbar, denn sie hat das im Ausschuss ganz klar dargestellt: Diese Diskussion beginnt beim Preis im Geschäft. Und hier hat sie auch die Arbeiterkammer in die Verantwortung genommen, indem sie gesagt hat: Nur vom Billigstpreis zu spre­chen ist auch nicht die richtige Einstellung. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Rahmenbedingungen, die wir in Österreich haben, haben dazu geführt, dass wir zum Beispiel bei der Pute nur mehr unter 40 Prozent am heimischen Markt produzieren können. Das ist erschreckend, weil wir hier Wertschöpfung generieren könnten, Ar­beitsplätze schaffen könnten und auf den neuen Wegen in der Tierhaltung, von denen auch Kollege Pirklhuber gesprochen hat, weiter voranschreiten könnten. Wenn wir die Produktion hier beenden, dann werden auch diese neuen Wege enden.

Wenn wir vom Tierschutz reden, müssen wir auch ein Wort zum Tierhalterschutz sa­gen, denn wir müssen auch an jene denken, die 365 Tage im Jahr im Stall stehen und sich um diese Tiere kümmern. Diese dürfen wir nicht vernachlässigen. Wenn es Ein­brüche gibt, wenn man ohne große Folgen in einen Stall einbrechen kann, fremdes Ei­gentum beschädigen kann, Unruhe schafft, dann gehört das als Straftatbestand ins Ge­setz aufgenommen. (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Bundesminister, momentan wird eine Novelle ausgearbeitet, und ich bitte Sie wirklich, auch im Hinblick auf die Hygieneverordnung der Europäischen Union im Be­reich der Schweinehaltung, genau zu prüfen, wie es gesetzlich umgesetzt werden kann, dieses unerlaubte Eindringen in Ställe möglichst hintanzuhalten.

Ich kann das für den Bauernbund und für meine Fraktion, die ÖVP, mit absoluter Über­zeugung sagen, wir sind nicht gegen Tierschutzorganisationen, absolut nicht. Es gibt die verschiedensten Ausprägungen, und ich glaube, das Wesentliche ist hier der Dia­log. Den müssen wir führen, und dazu lade ich gerne ein. Aber den führen wir in Dis­kussionsforen und nicht mit Einbrechern in unseren Ställen. (Beifall bei der ÖVP.)

17.16


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Keck zu Wort. – Bitte.

 


17.16.08

Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister! Tierschutz ist ein sehr emotionales Thema und Tierschutz berührt je­den Menschen. Und es gibt keinen Menschen in Österreich, der sagt, er sei kein Tier­schützer, so jemand findet man nicht. Daher ist auch eine Diskussion um Besatzdich­ten, Tierquälerei und so weiter eine sehr emotionale Angelegenheit.

Ich möchte jetzt auf den ersten Antrag der Kollegin Weigerstorfer eingehen, nämlich den betreffend Besatzdichte. Kollegin Weigerstorfer, Sie haben gesagt, die Besatzdich­te sollte nicht verringert werden, das würden Sie nicht in Ihrem Antrag fordern. Ich ha­be Ihren Antrag hier. Sie haben ja gesagt, ich solle ihn lesen – ich habe ihn gelesen, und da steht eine Begrenzung der Besatzdichte mit 25 Kilo pro Quadratmeter drinnen. Also wenn das nicht eine Forderung ist, die Besatzdichte zu senken, dann weiß ich nicht, was Sie in Ihrem Antrag schreiben und was andere daraus lesen.

Worum geht es denn bei der Besatzdichte, meine Damen und Herren? Wenn man sich mit dieser Thematik befasst, dann sollte man wirklich mit allen reden. Mit den Hühner­mästern sollte man reden, mit den Putenmästern sollte man reden, mit den Tierschüt­zern sollte man reden – und sich alles sehr, sehr genau ansehen. Und ich habe das gemacht, meine Damen und Herren. Wir haben die Problematik – es ist hier schon an­geschnitten worden –, dass wir einen hohen Antibiotika-Einsatz, Campylobacter-Bakte­rien, Salmonellen, Fußballenkrankheiten bei den Hühnern haben, und da ist es not­wendig, etwas zu tun.


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Wir haben mit der QGV – das ist die Qualitätsgeflügelvereinigung – gesprochen und gefragt: Was kann man tun, um hier Änderungen herbeiführen zu können? Da ist uns gesagt worden, es sind Maßnahmen anhand von Parametern getroffen worden, und es wurden Projekte gestartet. Der Antibiotika-Einsatz ist bei denen, die an diesem Projekt teilgenommen haben, um mehr als 50 Prozent gesenkt worden, die Campylobacter-Bakterien sind komplett verschwunden, es sind auch keine Salmonellen mehr vorge­kommen, es waren auch keine Beulen auf den Fußballen mehr feststellbar, und die Anzahl der toten Hühner ist fast auf null gesenkt worden, meine Damen und Herren.

Da haben wir festgestellt, dass die Maßnahme, wie wir sie getroffen haben – Kilo­gramm auf Quadratmeter, wie es auch die EU vertritt – eine der falschesten ist, denn Sie müssen jetzt eines bedenken: Der Hühnermäster bestellt sich seine Küken, rechnet sich das mit den Küken aus, denn nach der Mastzeit, diese dauert in etwa 30 bis 32 Tage, haben die Hühner ein Gewicht, jetzt sage ich eine Hausnummer, von 1,2 Kilo in etwa. Und dann müssen sie vom Schlachter abgeholt werden, denn dann hat er die 30 Kilo pro Quadratmeter erreicht. (Zwischenruf des Abg. Pirklhuber.) – Nur als Bei­spiel jetzt! 1,8 Kilo sind es ungefähr. – Das rechnet er sich aus und bestellt sich die An­zahl der Küken. Dann hat er aber das Problem, dass der Schlachter sagt, ich kann deine Hühner nicht zum vereinbarten Termin abholen, und eine Woche später kommt – und auf einmal ist er auf 35 Kilo pro Quadratmeter und hat sich strafbar gemacht.

Da sollte man sich überlegen – nicht nur in Österreich, auch EU-weit –, ob nicht die Regelung besser wäre, dass man nicht mehr sagt: Kilo pro Quadratmeter – es ist nicht berechenbar! –, sondern: Stückzahl pro Quadratmeter, weil sich dann jeder darauf verlassen kann, dass das passen wird. So würde man, glaube ich, allen helfen.

Zum zweiten Antrag von der Kollegin Weigerstorfer betreffend „Erhöhung des Straftat­bestandes der Tierquälerei“. Da ist ja der Herr Bundesminister gerade der Richtige, wenn er hier sitzt. Es hat einen Antrag im Petitionsausschuss gegeben, der ist an den Justizausschuss weitergeleitet worden, der sich jetzt damit befassen muss. Ich sage, ja, natürlich soll der Strafrechtsrahmen für Tierquälerei erhöht werden, aber – das muss man jetzt auch sagen, und das ist an die Adresse des Bundesministers gerich­tet – wenn es eine Verurteilung wegen Tierquälerei gibt, dann sollte der Strafrahmen auch ausgenützt werden. Denn der Strafrahmen wird selten bis gar nicht ausgenützt, es werden Minimalststrafen ausgesprochen. Und wir können erhöhen, was wir wollen: Wenn die Strafen nicht in dem Ausmaß ausgesprochen werden, dann nützt das gar nichts. Aber wie gesagt: Wir sind dafür, dass der Strafrahmen bei Straftatbeständen der Tierquälerei erhöht wird.

Dann die Parteienstellung für Tierschutzorganisationen (Zwischenruf der Abg. Brun­ner): Meine Damen und Herren, als das Bundestierschutzgesetz eingeführt wurde, ha­ben wir uns schon Gedanken darüber gemacht, wie die Parteienstellung in Verfahren, Verwaltungsverfahren, Verwaltungsstrafverfahren ausschauen könnte, was man da machen kann; und schon damals war die Idee da, Tierschutzorganisationen einzubin­den. Dann ist man auf die Idee gekommen, Tierschutzombudsleute zu bestellen, die Parteienstellung in diesen Verwaltungsstrafverfahren und Verwaltungsverfahren ha­ben. In den zehn Jahren, seit wir diese eingerichtet haben, sind wir damit sehr gut ge­fahren. Sie haben diese Aufgabe wirklich gut gemacht.

Man sollte sich überlegen, ob man diesen Tierschutzombudsleuten nicht auch im Be­reich des Strafrechts Parteienstellung zukommen lassen könnte, aber auf alle Fälle nicht den Tierschutzorganisationen oder dem Verband der Tierschutzorganisationen, weil – und das muss man da auch sagen – nicht alle Tierschutzorganisationen in die­sem Verband österreichischer Tierschutzorganisationen sind. Die zwei größten, näm­lich Vier Pfoten und Animal Life, sind dort nicht dabei, das heißt, sie hätten keine Mög­lichkeit, da irgendetwas zu machen. Daher, glaube ich, sollten es wirklich ganz unab-


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hängige Personen sein, das sind die Tierschutzombudsleute, und da könnte man da­rüber diskutieren, dass man das macht.

Und eines noch: Wenn Tierschützer kriminell werden – ich sage das dauernd hier am Rednerpult –, dann gehören sie ausgeforscht, verurteilt und abgestraft. Es kann nicht sein, dass sich Menschen, egal, ob Tierschützer oder sonst irgendetwas, nicht an die österreichischen Gesetze halten. Das betrifft jeden; sie gehören ausgeforscht und ver­urteilt.

Zum Schluss möchte ich wieder auf die Besatzdichte zurückkommen. An eines, meine Damen und Herren, muss man bitte auch denken: die Konzerne, die Druck auf unsere Landwirte machen. Ich verweise auf einen Film zu den Hühnermästern, der vor Kur­zem im deutschen Fernsehen gesendet wurde. Da hat ein Hühnermäster bekannt ge­geben, wie das mit der Firma ALDI SÜD ausschaut: Die kommen zu einem Bauern, machen ihm ein lukratives Angebot und sagen: Wir nehmen dir alle Hendln ab, fürs ganze Jahr, unterschreib den Vertrag, der Preis stimmt, alles super! (Zwischenrufe der Abgeordneten Pirklhuber und Kitzmüller.) Er unterschreibt, kündigt allen anderen Abnehmern, die er gehabt hat, und ist nur mehr bei ALDI SÜD.

Im Jahr darauf kommt ALDI SÜD wieder und sagt: Wir haben eh einen Vertrag, aber nicht mehr zu dem Preis – 50 Prozent weniger! Der Hühnermäster hat keine anderen Abnehmer mehr und muss sich dem beugen, was ALDI SÜD verlangt. Auch das ist eine Aufgabe, die wir angehen müssen: zu schauen, dass diese Landwirte nicht von den großen Konzernen erpresst werden.

Eine Möglichkeit ist, wie es Kollege Schopf schon gesagt hat: Wir haben dafür zu sor­gen, dass diese Produkte in die Regale kommen, und wir als Konsumenten müssen auch schauen, dass die österreichischen Produkte, in dem Fall die Hühner und die Pu­ten, von unseren österreichischen Mästern gekauft werden und nicht Produkte aus der Slowakei oder von sonst irgendwo, wo die Tierschutzstandards auf keinen Fall einge­halten werden. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie der Abgeordneten Steinbichler, Pirkl­huber und Mückstein.)

17.22


Präsident Karlheinz Kopf: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abge­ordnete Weigerstorfer zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


17.23.02

Abgeordnete Ulrike Weigerstorfer (STRONACH): Herr Präsident! Nachdem es jetzt zweimal vorgekommen ist, habe ich den Entschließungsantrag jetzt vor mir. Natürlich habe ich in die Erklärung hineingeschrieben: Ich wünsche mir, „laufend Verbesserun­gen anzustreben“, aber ich darf jetzt aus dem tatsächlichen Entschließungsantrag vor­lesen, damit es hier zu keinen Unklarheiten kommt. (Zwischenruf der Abg. Belako­witsch-Jenewein.)

Es steht hier wörtlich: „Der Nationalrat wolle beschließen: ‚Der Bundesminister für Ge­sundheit wird aufgefordert, im Rahmen der 1. Tierhaltungsverordnung keine Schlech­terstellung der Haltungsbedingungen für Mastgeflügel über eine Besatzdichte von 30 kg/m² vorzusehen‘“. (Abg. Auer: Keine tatsächliche Berichtigung! Keine tatsächliche Berichti­gung!)

So viel dazu, um das hier einmal klarzustellen. Die Frau Ministerin hat ja auch in dieses Horn geblasen, darum freue ich mich schon auf die Abstimmung. (Beifall der Abgeord­neten Pirklhuber und Mückstein. – Abg. Belakowitsch-Jenewein: Das war keine tat­sächliche Berichtigung! – Abg. Auer: Diese Toleranz wünschen wir uns auch! – Weite­re Zwischenrufe.)

17.24



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 168

Präsident Karlheinz Kopf: Damit sich die kleine Aufregung wieder legen kann: Frau Abgeordnete Weigerstorfer hat zwar den zu berichtigenden Sachverhalt am Beginn nicht erwähnt, aber sie hat dann das vorgelesen, was sie offenbar dem entgegenhalten wollte; insofern kann ich das schon akzeptieren und so stehen lassen. (Abg. Pirklhu­ber: Zu Recht, Herr Präsident, zu Recht!)

Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.

Die Debatte ist damit geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vor­nehme.

Zunächst Abstimmung über Tagesordnungspunkt 22: Antrag des Gesundheitsaus­schusses, seinen Bericht 540 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Ich weise den Antrag 969/A(E) dem Justizausschuss zu.

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 23: Antrag des Gesundheitsausschusses, sei­nen Bericht 541 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dafür ist, gebe bitte ein Zeichen. – Das ist die Mehrheit, somit angenommen.

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Brunner, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend 2. Tierhaltungsverordnung, Kastration von Katzen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen. – Das ist die Min­derheit und somit abgelehnt.

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 24: Antrag des Gesundheitsausschusses, sei­nen Bericht 542 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dafür ist, der gebe bitte ein Zeichen. – Das ist die Mehrheit und somit ange­nommen.

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 25: Antrag des Gesundheitsausschusses, sei­nen Bericht 543 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dafür ist, gebe bitte ein Zeichen. – Das ist die Mehrheit und somit angenommen.

17.26.2126. Punkt

Bericht des Ausschusses für Menschenrechte über den Antrag 841/A(E) der Ab­geordneten Franz Kirchgatterer, Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller, Kollegin­nen und Kollegen betreffend die Menschenrechtslage im österreichischen Straf­vollzug und Maßnahmenvollzug (578 d.B.)

 


Präsident Karlheinz Kopf: Wir kommen zum 26. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Lausch. – Bitte.

 


17.26.50

Abgeordneter Christian Lausch (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Wir diskutieren hier den Entschließungsantrag 841/A(E), und ich kann vorweg­nehmen, wie schon im Ausschuss angekündigt: Wir werden diesen Entschließungsan­trag ablehnen, weil er in vielen Punkten unrichtig ist. Ich zeige mich hier ein bisschen enttäuscht, muss ich sagen, von den Grünen und von den NEOS, dass sie diesen Ent-


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schließungsantrag durchwinken – bei den Regierungsparteien verstehe ich es noch –, denn wenn es einem mit Verbesserungen im österreichischen Strafvollzug wirklich ernst ist und man es wirklich ernst meint, dann kann man so einen Antrag, der so voller Fehler und eigentlich Unwahrheiten ist, nicht durchwinken.

Ich werde auf die einzelnen Punkte eingehen. Das ist ein bisschen ein Kraut-und-Rü­ben-Antrag, ich habe es eh schon im Ausschuss gesagt – aber gut, soll so sein. Etwas lieblos wird der Herr Bundesminister darin aufgefordert, umzusetzen, was er schon – die meisten Sachen – seit Monaten oder seit fast einem Jahr versprochen, aber bis da­to noch nicht umgesetzt hat.

Es geht einmal um den Maßnahmenvollzug und, Punkt 2, um die hundert Planstellen mehr, die der Herr Bundesminister, ich glaube, vor einem Jahr – oder ist es schon ein bisschen länger her – versprochen hat: Umgesetzt hat er in diesem Jahr 27. Da sieht man, wie sehr es dieser Bundesregierung und diesem Bundesminister um den Maß­nahmenvollzug geht. So hat er zum Beispiel in der größten Justizanstalt Österreichs, in der Justizanstalt Wien-Josefstadt, null Planstellen mehr, in der Justizanstalt Stein – im­merhin hundert im Maßnahmenvollzug – null Planstellen mehr geschaffen, in der Jus­tizanstalt Wien-Mittersteig null Planstellen mehr, in der Justizanstalt Göllersdorf, eben­falls Maßnahmenvollzug, null Planstellen mehr. Diese 27 Planstellen machen nicht ein­mal ein Drittel von den versprochenen hundert aus.

Herr Bundesminister Brandstetter, so lang, glaube ich, dauert die Periode gar nicht mehr, bis Sie die 100 versprochenen realisiert haben. Eigentlich haben Sie „nur“ – un­ter Anführungszeichen, muss man sagen – den eüH bedient, denn die Justizanstalt Sim­mering bekommt fünf Planstellen mehr und so weiter und so fort.

Beim Maßnahmenvollzug zeigen Sie sich zwar immer sehr verständnisvoll und beto­nen, dass Ihnen die Situation dort furchtbar leid tut, so wie uns allen, aber bis jetzt ha­ben Sie sehr viel angekündigt, aber noch nichts umgesetzt. (Beifall bei der FPÖ.)

Das betrifft auch den Zukauf von Facharbeitern, und da steht wirklich in diesem Ent­schließungsantrag drinnen – das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen las­sen –: „Damit konnte einerseits die Beschäftigungsquote in den Justizanstalten ange­hoben und anderseits die Anzahl der Schließtage von Betrieben und die Einschluss­zeiten verringert werden. Das im Oktober 2014“ – also vor gerade einmal einem halben Jahr – „gestartete Projekt“ – also noch nichts Fixes – „ist als Erfolgsmodell zu bezeich­nen.“

Also ich verstehe es nicht, wir haben keine Zahlen, wir haben hier eigentlich noch kei­nen Bericht, der dem Parlament oder dem Justizausschuss zugeleitet wurde, und Sie sprechen hier schon überschießend von einem „Erfolgsmodell“, obwohl man ja wissen muss – ich habe es Ihnen gerade vorgerechnet –: Es darf ja kein Facharbeiter ohne ei­nen Justizwachebeamten den Betrieb offen halten. Rechnen Sie mir das vor! Jetzt ha­ben wir 27 Planstellen mehr gekriegt, wahrscheinlich sind in diesem Jahr mehr in Pen­sion gegangen als diese 27, die neu dazugekommen sind, und jetzt sprechen Sie in diesem Entschließungsantrag davon, dass sich die Schließtage in den Betrieben und die Einschlusszeiten verringert haben?! Wie kommen Sie darauf?

Da muss ich Kollegen Kirchgatterer und Kollegin Pfurtscheller fragen: Wie kommen Sie darauf? Haben Sie Zahlen, die wir nicht haben? Wir haben keine Zahlen! Wenn Sie welche haben, dann würde ich Sie bitten: Geben Sie uns diese auch weiter! Sie spre­chen hier überschießend von einem „Erfolgsmodell“.

Genauso beim Jugendstrafvollzug – auch ein großes Thema in diesem Entschlie­ßungsantrag –, da behauptet man: „die Zahl der Jugendlichen in Haft ist deutlich ge­sunken. So sind derzeit nur mehr knapp 90 Jugendliche im Gefängnis (2012 waren es noch 144).“ Gleichzeitig fordert man aber, ein neues Jugendkompetenzzentrum zu


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bauen, und – man höre und staune! – das plant man in Gerasdorf am Steinfeld, 70 Ki­lometer weit weg von Wien. Das ist weder wirtschaftlich, sparsam noch zweckmäßig: 70 Kilometer Süd Autobahn, da fährt man – ohne Stau, ich habe mir das im Internet angeschaut – über eine Stunde hinaus und über eine Stunde wieder herein. Jetzt kann man davon ausgehen, eine Verhandlung bei Jugendlichen dauert ein bis zwei Stun­den – da sind drei Beamte für vier Stunden beschäftigt, nur weil der Herr Justizminister sich bei rückläufigen Zahlen ein Jugendkompetenzzentrum Gerasdorf in den Kopf setzt. Wenn man von einer sparsamen Bundesregierung ausgeht, weil man vorne und hinten eh kein Geld hat, widerspricht das diesem Gedanken eindeutig und klar.

Wenn Sie behaupten, Sie wollen die Justizanstalt Josefstadt entlasten, dann muss ich Ihnen sagen: Dort sind mit heutigem oder gestrigem Tag 27 männliche und sieben weibliche Jugendliche in Haft – und da sprechen Sie in dem Antrag, Kollege Kirchgat­terer, davon, ein eigenes Jugendkompetenzzentrum bauen zu wollen? Für 34 Jugendli­che? Und einen Pendelverkehr auf der Süd Autobahn wollen Sie einrichten? Darum verstehe ich auch die Zustimmung von den Grünen und den NEOS nicht, denn wenn man sich den Antrag näher anschaut, ist da nichts ernst gemeint, da sind einfach nur lauter Fehler drinnen und so weiter und so fort.

Noch einmal: Wenn es Ihnen mit Verbesserungen im Maßnahmenvollzug ernst ist, hät­te ich mir schon erwartet, dass Sie schauen, dass einige Justizanstalten, die mit dem Maßnahmenvollzug beschäftigt oder schon seit Jahren überbelastet sind, die Josef­stadt, Stein, endlich Planstellen bekommen. Das haben Sie nicht gemacht, haben Sie nicht umgesetzt! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich muss wirklich sagen, Herr Bundesminister, da sind wir von den Freiheitlichen in letzter Zeit sehr enttäuscht von Ihnen, denn außer schönen Worten und großen Ankün­digungen hören wir von Ihnen nichts. Was Umsetzungen betrifft, wird immer vertröstet, Sie verstehen immer alles, Sie haben für alles Verständnis, aber ich glaube, das hilft dem österreichischen Strafvollzug nicht. Sie sollten endlich einmal von den Verspre­chungen in die Umsetzung gehen. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

17.33


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Dr. Fekter zu Wort. – Bitte.

 


17.33.43

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Minister! Wir diskutieren hier einen Entschließungsantrag aus dem Men­schenrechtsausschuss, auch wenn sich dieser Antrag zum Strafvollzug und zum Maß­nahmenvollzug mit Justizangelegenheiten befasst.

In etwa 9 000 Strafgefangene haben wir, davon sind um die 10 Prozent im Maßnah­menvollzug. 375 Personen sind gemäß § 21 Abs. 1 und 404 Personen gemäß § 21 Abs. 2 Strafgesetzbuch untergebracht. Das heißt, der ursprüngliche Wunsch, dass man sie in speziellen therapeutischen Institutionen unterbringt, ist bedauerlicherweise nach einer provisorischen Übergangsregelung in den ersten 15 Jahren in eine halbe Lösung mit Sonderabteilungen in den Justizanstalten und dann erst vor einigen Jahren in verbesserte Spezialeinrichtungen, wie beispielsweise Göllersdorf oder Asten, über­führt worden.

Der Herr Minister hat nach Vorfällen im Vorjahr eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die heuer im Jänner ihre Vorschläge präsentiert hat. Die Arbeitsgruppe hat einige Reform­maßnahmen angeregt und 100 Empfehlungen ausgesprochen. Davon ist ein großer Teil bereits umgesetzt – Herr Minister, ein Dankeschön dafür! –, insbesondere die Ein­führung von Sozialnetzkonferenzen oder betreuten Wohngemeinschaften. Die Einfüh­rung einer österreichweiten Jugendgerichtshilfe ist auf dem Weg, der Bereich Aus- und Fortbildung ist verbessert worden, aber es gibt noch einiges zu tun.


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Die Reformvorschläge beziehen sich insbesondere auf die zurechnungsunfähigen Tä­ter – und man muss schon sagen, der überwiegende Teil sind Täter; Täterinnen ma­chen einen wesentlich geringeren Anteil aus. Der Maßnahmenvollzug ist auch ein Bund-Land-Thema, denn wenn wir die Täter in die Gesundheitseinrichtungen der Länder überführen, dann wollen die Länder natürlich dafür auch Geld haben. Ich weiß, dass das immer zähe Verhandlungen sind.

Sie haben im Ausschuss versprochen, dass Sie sich auch der mangelnden Qualität der Gutachten sowohl bei der Zuweisung als auch bei der Entlassung aus dem Maßnah­menvollzug annehmen werden, und die Arbeitsgruppe regt die Einführung von Quali­tätsmindeststandards an.

Auch das Entlassungsmanagement soll optimiert werden. Von den etwa 850 im Maß­nahmenvollzug untergebrachten Personen werden jährlich um die 100 entlassen, und das ist nicht so unproblematisch. Es geht da um kranke Personen, um gefährliche Per­sonen oder um Personen, die eben zum Zeitpunkt der Tat unzurechnungsfähig waren. Dort das Management zu verbessern, ist auch eine weitere Anregung.

Es hat mich gefreut, im Ausschuss zu hören, dass Sie die Vorschläge der Arbeitsgrup­pe zügig umsetzen werden, und ich hoffe, dass wir dann im Maßnahmenvollzug die modernsten Standards haben werden, die es gibt. Es hat sich in der Gesellschaft ei­niges entwickelt, auch in der Therapie und in der Betreuung dieser Personen, und mit dem Augenmerk, das Sie auf den Jugendstrafvollzug gelegt haben, sind wir zumindest auf dem richtigen Weg. (Beifall bei der ÖVP.)

17.38


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Kirchgatterer zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


17.38.19

Abgeordneter Franz Kirchgatterer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Mei­ne Damen und Herren! Hohes Haus! Zwei Fragenkomplexe stellen sich im Justizbe­reich aus Sicht des Menschenrechtsausschusses, zum einen folgende Fragen: Gelingt die Eingliederung zum Beispiel in die Arbeitswelt nach dem Straf- und Maßnahmenvoll­zug, in welchem Ausmaß gelingt diese Eingliederung und wie hoch ist die Erfolgsquote der Eingliederung ganz besonders bei den Jugendlichen?

Der andere Fragenkomplex ist umschrieben mit dem Bereich der Negativfälle, die es in den Justizhaftanstalten gibt, die es nicht geben sollte. Ich möchte bei dieser Gelegen­heit die Arbeit der Volksanwaltschaft besonders positiv hervorheben, die unangemelde­ten Kontrollen, die wertvolle fachkundige Arbeit. Wir wissen aus den Medien von ver­schiedenen Fällen, einem Fall der Verwahrlosung und Übergriffen auf Jugendliche.

Meine Damen und Herren! Es geht um die positive Weiterentwicklung des Haftvollzu­ges in den Justizanstalten, und diese positive Weiterentwicklung bedingt vor allem auch die Wertschätzung aller, die in diesem Bereich tätig sind. Ganz besonders die Qualitätssicherung, die interdisziplinäre Fachaufsicht, die systemübergreifenden Pro­jekte und der positive Umgang mit den Verbesserungsvorschlägen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor Ort sind vier wichtige, konkrete Anliegen von einer bedeutend län­geren Liste, die allgemein positiv bewertet und anerkannt sind.

Meine Damen und Herren, ich möchte nicht hinterm Berg halten und das Thema an­sprechen, das im Menschenrechtsausschuss einen wichtigen Teil der Beratungen ein­genommen hat, nämlich die Vorratsdatenspeicherung. Sie wurde von allen politischen Gruppierungen angesprochen. Ich möchte ganz kurz auf die historische Entwicklung der Vorratsdatenspeicherung in Österreich eingehen. Diese wurde unter Blau-Schwarz von der FPÖ-Justizministerin Gastinger in Brüssel unterschrieben und damit für Öster-


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reich verpflichtend gemacht. Im Jahr 2011 wurde sie unter Androhung von enormen Strafzahlungen an die EU, die andernfalls anfallen würden, im Nationalrat beschlossen.

Wir haben übrigens in Österreich das liberalste Gesetz aller EU-Staaten gehabt. Nach der Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof und den Erfahrungen in Europa, aber auch weltweit, dass durch die Vorratsdatenspeicherung Terror weder verhindert noch eingedämmt werden kann, sehen wir, die SPÖ, in einer Neueinführung keine Lö­sung zum Schutz der Österreicherinnen und Österreicher. Einen Spitzelstaat wollen wir nicht! (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

17.41


Präsident Karlheinz Kopf: Nun gelangt Herr Abgeordneter Mag. Steinhauser zu Wort. – Bitte.

 


17.41.53

Abgeordneter Mag. Albert Steinhauser (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Die heutige Debatte zeigt schon eine erfreuliche Weiterentwicklung: Ich kann mich er­innern, jahrelang hat es keine Diskussion über den Strafvollzug gegeben, sondern Still­stand und so etwas wie das Ignorieren von Problemen.

Heute tritt niemand mehr ans Rednerpult und sagt, im Strafvollzug sei alles in Ord­nung, vielmehr sagt eigentlich jeder und jede, dass es einen dringenden Reformbedarf gibt und es wichtig ist, dass diese Reformen stattfinden. Das wird sichtbar, allein wenn man sich den Maßnahmenvollzug und seine historische Entwicklung anschaut. Als man das Instrument „Maßnahmenvollzug“ für geistig beeinträchtigte Täter geschaffen hat, waren 1980 rund 200 TäterInnen im Strafvollzug. Mittlerweile liegt die Zahl bei 800. Warum ist diese Zahl so angestiegen? – Weil es einerseits immer mehr Einwei­sungen und andererseits immer weniger Entlassungen gibt beziehungsweise immer öf­ter angehalten wird.

Es gibt Personen, die bekommen sieben, acht, neun Monate Strafe, sitzen aber zwei, drei Jahre über diese Strafe hinaus im Maßnahmenvollzug. Im Durchschnitt sitzt jeder Verurteilte im Maßnahmenvollzug zwei Jahre länger als das ursprüngliche Strafaus­maß, zu dem er verurteilt war, betrug. Die Idee war eigentlich, durch eine besondere Betreuung möglicherweise sogar schneller zu entlassen. Davon ist man weit weg, das ist eine absolute Illusion.

Die Folgen dieser Entwicklung sind, dass natürlich die Kosten steigen und dass immer weniger Ressourcen für die wichtige Betreuung vorhanden sind und der Maßnahmen­vollzug seiner ursprünglichen Aufgabe gar nicht mehr gerecht werden kann. In der Ur­sprungsdebatte war vorgesehen, dass auf 15 bis 20 Insassen ein Therapeut, also ein Psychologe, beziehungsweise ein Arzt kommt. Von so einem Betreuungsverhältnis sind wir Lichtjahre entfernt.

Das führt dazu, dass Personen immer länger im Maßnahmenvollzug sitzen und die Therapie immer später beginnt. Mir schreiben Leute aus dem Maßnahmenvollzug, die sagen: Wir verstehen es nicht, wir sitzen in Haft, aber die Therapie beginnt nicht, obwohl wir im Maßnahmenvollzug sitzen und dort eigentlich die Idee ist, dass mit der Therapie relativ schnell begonnen wird. Bei manchen beginnt die Therapie erst, wenn die eigentliche Haftstrafe um ist und die Anhaltung über die Strafe hinaus beginnt. (Abg. Lausch: Bei den meisten! Bei fast allen!)

Das nächste Problem betrifft die Gutachter bei den Entlassungsgutachten. Da gibt es eine Studie der Universität Ulm – Herr Justizminister, Sie kennen sie –, die den öster­reichischen Gutachtern ein katastrophales Zeugnis ausstellt.

Da heißt es unter anderem: „Zudem wurde knapp die Hälfte der Gutachten zumindest in geringfügigem Ausmaß in ihrem Umfang aufgebauscht.“ Dieselbe Auskunft wird in


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anderen Worten vielfach wiederholt. Nur ein Drittel der Gutachter hat eine neutrale Hal­tung. Neutralität gehört eigentlich zur Grundeinstellung eines Gutachters. In einem Teil der Gutachten werden Aussagen zu psychologischen Phänomenen getroffen, ohne diese auf einen einzigen psychometrischen Test zu stützen. 40 Prozent der Gutachten werden in der Studie als mangelhaft oder ungenügend bewertet.

Dieses Ergebnis ist ernüchternd, und zwar in zweifachem Sinn, weil wir ja eine falsche Negativprognose oder eine falsche Positivprognose haben könnten. Bei der falschen Positivprognose könnte jemand aus dem Maßnahmenvollzug entlassen werden, der ei­gentlich nicht entlassen werden sollte. Das wäre schlecht, weil das natürlich zu Straf­taten führen könnte, die verhindert werden sollten. Aber genauso problematisch ist ei­ne falsche Negativprognose, weil es bedeutet, dass jemand, der nach dem Absitzen seiner Strafe entlassen werden könnte, weiter angehalten wird. Das ist menschen­rechtlich natürlich ein unhaltbarer Zustand. Daher ist die Frage der Qualität der Gut­achten eine ganz zentrale Frage, wenn wir uns die Problematik des Maßnahmenvoll­zugs anschauen.

Ein letzter Punkt zum Maßnahmenvollzug ist die Frage der Nachbetreuung. Auch da gibt es das übliche Bund-Länder-Problem. Der Strafvollzug wird vom Bund finanziert, die Nachbetreuung von den Ländern. Daher gibt es einen Mangel an Nachbetreuung. Auch das müssen wir lösen, denn wir könnten Personen in die Nachbetreuung ent­lassen, in der sie ein therapeutisches Setting bekommen, das es ihnen bereits ermög­licht, in Freiheit zu sein. Wenn es aber keine Nachbetreuung gibt, ist eine solche Ent­lassung möglicherweise nicht durchführbar.

Jetzt haben wir einen sehr guten Bericht einer ExpertInnengruppe, den wir teilen und auch inhaltlich unterstützen und der ganz konkrete Reformvorschläge enthält, welche die Qualität des Maßnahmenvollzugs weiterentwickeln würden. Dabei zeigt sich natür­lich die gesamte Problematik der Ressourcen. Die besten Ideen sind nicht umsetzbar, wenn sie nicht finanzierbar sind. Es muss uns auch klar sein: All das, was in Arbeits­gruppen erarbeitet wird, ist so lange Papier, solange der Justizminister nicht vom Fi­nanzminister mehr Geld bekommt. Das wird eine der Schlüsselfragen sein – nicht, weil alles teuer sein muss, sondern weil ein qualitativer Strafvollzug natürlich etwas kostet und weil die Situation nicht von selbst besser wird.

Herr Justizminister, Sie sind an die Fragen des Maßnahmenvollzugs, aber auch des Re­gelvollzugs durchaus reformfreudig herangegangen und zeigen, dass Sie etwas bewe­gen wollen. Das muss man Ihnen auch als Oppositionspolitiker durchaus attestieren. Ich hoffe, dass Sie mit Ihrem Reformmut nicht wie beim Projekt der Weisungsfrei­stellung der Staatsanwaltschaft auf halbem Wege steckenbleiben, sondern dieses Re­formprojekt zu Ende führen und das, was die ExpertInnengruppe vorschlägt, auch tat­sächlich umsetzen.

Über den Antrag könnte man jetzt diskutieren. Es stimmt schon: Manche Details sind nicht ganz glücklich. Ich sehe es aber als so etwas wie eine Willensbezeugung des Parlaments, dass die von der Arbeitsgruppe erstellten Reformen durchgeführt werden sollen. In diesem Sinn möchte ich mit der Zustimmung heute ein Signal setzen, weil es notwendig ist, und wünsche Ihnen gutes Gelingen. Von reinen Reformversprechen haben wir nichts, aber ich gehe davon aus, dass Sie willens sind. Danke schön. (Beifall bei den Grünen sowie der Abgeordneten Königsberger-Ludwig und Meinl-Reisinger.)

17.47


Präsident Karlheinz Kopf: Als nächster Redner gelangt Herr Abgeordneter Dr. Sche­rak zu Wort – Bitte.

 


17.47.57

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bun­desminister! Herr Kollege Kirchgatterer, nur kurz vorweg: Danke für das klare Bekennt-


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nis gegen die Vorratsdatenspeicherung. Sie hätten es uns noch einfacher machen kön­nen, indem Sie den Antrag im Ausschuss nicht vertagt hätten. Sie haben auch dort ge­sagt, Sie sind dagegen, und Kollege Buchmayr auch. Eine Zustimmung hätte uns noch mehr Freude bereitet.

Herr Kollege Lausch, Sie haben schon recht. – Wir haben schon bessere Anträge hier im Plenum diskutiert, bei Weitem bessere, aber, und das ist der wesentliche Punkt, der Antrag bringt auch etwas ins Bewusstsein. Wenn Frau Kollegin Fekter am Rednerpult zu Beginn ihrer Ausführungen sagt: Na ja, das ist zwar ein Antrag aus dem Menschen­rechtsausschuss, aber eigentlich geht es um Justizthemen!, dann weiß ich, wieso wir den Antrag hier beschließen sollen: weil es ein menschenrechtliches Problem ist und nicht nur ein Justizthema. Es ist ein massives menschenrechtliches Problem, und da besteht in Österreich seit Jahren Nachholbedarf. (Beifall bei den NEOS sowie bei Ab­geordneten der Grünen.)

Das Urteil des deutschen Bundesverfassungsgerichts hat klar festgelegt, dass das so­genannte Abstandsgebot ein grundrechtliches Gebot ist. Das ist vier Jahre her, und seitdem haben wir in Österreich nichts gemacht. Die Rechtslage ist in beiden Ländern ziemlich ähnlich. Das deutsche Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass die Si­cherungsverwahrung in Deutschland verfassungswidrig ist und hat einige Parameter aufgestellt, wie man sie neu gestalten sollte. Diese Parameter treffen auch auf Öster­reich zu, nur haben wir sie nicht umgesetzt.

Der wesentliche Grund, wieso es diese neuen Parameter braucht, liegt darin, dass die Maßnahme ein so schwerer Eingriff in ein Grundrecht, nämlich in das Grundrecht der Freiheit, ist und wir Menschen unterbringen können, und das lebenslang, unbegrenzt. Sie können ein Leben lang im Maßnahmenvollzug sein. Das ist ein ganz massiver, ei­ner der schwerwiegendsten Eingriffe in die persönliche Freiheit. Das Abstandsgebot, das ein grundlegender Parameter ist, legt fest, dass es eine klare Trennung zwischen Strafvollzug und Maßnahmenvollzug geben muss. Diese klare Trennung ist nicht nur im örtlichen Sinn, sondern auch im qualitativen Sinn gemeint.

Es ist eben genau das, was in Österreich nicht immer funktioniert. In diversen Voll­zugsanstalten ist dieses Abstandsgebot nicht klar vollzogen. Des Weiteren ist auch klar, und das hat auch das deutsche Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass das Ultima-Ratio-Prinzip, welches im Strafrecht generell immer voranzustellen ist, auch in diesem Fall voranzustellen ist.

Wenn wir momentan knapp 900 Untergebrachte im Maßnahmenvollzug in Österreich haben, dann lässt mich das stark zweifeln, ob das Ultima-Ratio-Prinzip hier angewen­det wird. Ich frage mich, ob es nicht auch gelindere Mittel geben würde, sodass diese Menschen eine Therapie angehen könnten und man schauen könnte, dass diese kran­ken Menschen – denn das sind diese Menschen ja in der Regel – entsprechend be­handelt werden.

Darüber hinaus gibt es das Minimierungsgebot, das bedeutet die kontinuierliche Locke­rung der freiheitseinschränkenden Maßnahmen, das Motivierungsgebot – das heißt, dass man die Leute auch dazu motiviert, dass sie die entsprechende Therapie anneh­men – und das Individualisierungsgebot – das heißt, dass man explizit auf die Perso­nen eingeht. Auch der Rechtsschutz muss entsprechend ausgeweitet werden und ein Unterstützungsangebot muss da sein. Momentan ist es ja so, dass Rechtsanwälte zu Anhörungen nicht unbedingt immer zugelassen werden, sondern dass das eher selten der Fall ist.

Ein ganz wesentlicher Punkt ist auch das Kontrollgebot, das immer strenger wird, je länger eine Person in der Maßnahme sitzt. Das heißt, dass jedes Mal, wenn man über­prüft, ob eine Person aus der Maßnahme entlassen werden könnte, strengere Überprü-


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fungskriterien zur Anwendung kommen, dass die Person zum Beispiel einem Richter vorgeführt werden muss. Genau das wird in Österreich nur sehr flapsig eingehalten.

Sie sehen, wir haben da ein ganz massives menschenrechtliches Problem, und das schon seit Jahren. Ja, Sie haben vollkommen recht, der Antrag ist, wie gesagt, nicht der beste, den wir hier jemals diskutiert haben, aber er schafft Bewusstsein. Und der Herr Justizminister hat ja ein Bekenntnis abgegeben, dass er etwas ändern will – jetzt muss man es halt auch einmal tun. Es ist mir schon klar, dass das auch etwas mit bud­getären Mitteln zu tun hat, aber es ist ein massives menschenrechtliches Problem, dass wir in Österreich in diesem Bereich nicht schon längst etwas getan haben, um diesen Menschen, diesen kranken Menschen – denn das sind sie ja in der Regel – auch wirklich die Hilfe zu geben, die sie benötigen. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abge­ordneten der Grünen.)

17.51


Präsident Karlheinz Kopf: Nun hat sich Herr Bundesminister Dr. Brandstetter zu einer Stellungnahme zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.

 


17.52.02

Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Die Themen Strafvollzug und Strafvollzugsreform sind zu wichtig und auch zu ernst, um sie zum Gegenstand bil­liger politischer Polemik zu machen. Ich möchte mich daher nur auf einige grundsätz­liche Bemerkungen beschränken.

Ich kann nur bestätigen, was auch Herr Kollege Steinhauser schon gesagt hat: Es be­stehen massive Mängel, auch unter dem Aspekt der Menschenrechtssituation. Wir wis­sen alle, dass wir da auch unter internationaler Kontrolle stehen – so wie jeder andere Staat auch, der sich der EMRK verpflichtet fühlt. Wir wissen aber auch, dass der öster­reichische Strafvollzug in früheren Zeiten europaweit an der Spitze lag. Jetzt ist das nicht mehr so, einfach deshalb, weil man sich mit diesem Themenbereich zu lange Zeit zu wenig beschäftigt hat. Man hat das verdrängt, das war ein unangenehmes Thema, man konnte damit nicht wirklich Stimmen gewinnen, es war nicht populär. Insofern bin ich dankbar für den Antrag, weil damit das Thema Strafvollzugsreform wieder stärker in das allgemeine Bewusstsein gerückt wird, und das brauchen wir.

Ich habe ja von Anfang an gesagt, dass die notwendigen Reformen die Möglichkeiten meines Ressorts übersteigen. Wir müssen wirklich tiefgreifende Änderungen vorneh­men. Wir haben in einigen Bereichen, das sei nicht verschwiegen, schon auch einiges erreicht, gerade im Bereich der Untersuchungshaft bei Jugendlichen. Die Sozialnetz­konferenzen funktionieren, die Wohngruppen in Wien funktionieren, und es ist auch völlig falsch, dass dieses Jugendhaftkompetenzzentrum in Gerasdorf nur als eine Ein­richtung für Untersuchungshäftlinge gedacht war – überhaupt nicht! Worum geht es denn dort? – Wenn man gesehen hat, wie veraltet dort die Arbeitsmöglichkeiten und Werkstätten sind, dann ist jedem klar, dass da etwas geschehen muss, denn das Wichtigste im Strafvollzug ist es, eine sinnvolle Beschäftigungsmöglichkeit anzubieten, damit auch die Wiedereingliederung in die Gesellschaft größtmögliche Chancen hat. Und daran arbeiten wir, das ist der Hauptzweck der Ausbauten, die wir in Gerasdorf vorhaben.

Aber lassen Sie mich zum eigentlichen Problem zurückkommen, denn das ist ja auch der Grund, weshalb ich Ihre Unterstützung brauche und auch für den Antrag dankbar bin: Wir leben in Zeiten, in denen es Staaten in Europa gibt, die offenbar reich genug sind, um ihre Häftlinge in andere Länder exportieren zu können. Ich sage Ihnen ganz offen, das ist eine Entwicklung, die mich eher bedrückt.


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Es ist für mich ganz wichtig, dass der Strafvollzug etwas ist, was als hoheitliche Auf­gabe grundsätzlich auch weiterhin in der Hand von bestausgebildeten Beamten bleibt, und das ist ja auch ein Grund dafür, weshalb es nicht so schnell möglich ist, neue Plan­stellen, die wir Gott sei Dank bekommen haben, zu besetzen. 27 von den neuen Plan­stellen haben wir besetzt, 30 besetzen wir mithilfe des Mobilitätsprogrammes des Bun­des, und jemand, der so lange im Strafvollzug tätig war wie Herr Kollege Lausch, der vorhin gesprochen hat, müsste wissen, dass die Ausbildungszeit aufgrund dieser be­sonderen Qualifikation, die Justizwachebeamte brauchen, halt auch eine gewisse Zeit braucht, im Regelfall eben zwölf Monate. (Abg. Lausch: Ja, eh! Die Sicherheit ...!)

Aber bleiben wir beim Grundsätzlichen, meine Damen und Herren Abgeordnete! Ja­wohl, wir haben große Mängel im Strafvollzug. Ich glaube, dass wir auch wissen, wo wir ansetzen müssen. Wir werden bis Mitte Oktober im Rahmen einer Arbeitsgruppe, bei der natürlich der Herr Finanzminister federführend ist, Klarheit darüber haben, was wir an Änderungen bei den Standorten in welchem Zeitrahmen durchführen können – auch das ist ganz wichtig. Und ich sage Ihnen ganz offen: Das ist eine Riesenaufgabe, vor der wir stehen und die wir bewältigen müssen, aber es ist notwendig. Egal, ob es jetzt populär ist oder nicht, man muss diese Aufgabe angehen, im Interesse der Würde jener Menschen, die uns anvertraut sind, aber auch im Interesse einer sinnvollen Wie­derintegration in den Arbeitsprozess und in die Gesellschaft.

Ich sage es unumwunden: Es ist schon seit einem Jahr mein Eindruck, dass sich der Strafvollzug in Österreich, so wie er sich entwickelt hat, zumindest in manchen Berei­chen wirklich in einer Krise befindet – jawohl. Jetzt sagt man landläufig, jede Krise ist eine Chance. Ich sage Ihnen unumwunden: Wenn das so ist, dann haben wir jetzt eine verdammt große Chance, aber wir können sie nur gemeinsam nützen, und wir können daher wirklich gemeinsam versuchen, auch gesamtgesellschaftlich die Voraussetzun­gen dafür zu schaffen, jene Änderungen durchzubekommen, die notwendig sind.

Da es schon angesprochen wurde: Der Maßnahmenvollzug ist eines der größten Pro­bleme. Ja, entsprechend den Empfehlungen der Expertengruppe Maßnahmenvollzug, die wahrscheinlich viele von Ihnen kennen – und jeder kann sich von unserer Home­page herunterladen, was von den Experten empfohlen wurde –, wollen wir Verände­rungen umsetzen, selbstverständlich. Das bedeutet, dass Personen, die sozusagen ob­jektiv ein Delikt verwirklicht haben, aber in Wirklichkeit aufgrund ihrer Krankheit über­haupt nicht schuldfähig sind und daher auch nicht bestraft werden können, auch als das behandelt werden, was sie sind, nämlich Patienten, und Patienten gehören ins Kran­kenhaus und nicht ins Gefängnis. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP, Grünen und NEOS.)

Ja, es ist doch so, und ich möchte das nur deutlich machen: Patienten gehören ins Kran­kenhaus und nicht ins Gefängnis. Und wenn, um es an einem Beispiel klarzumachen, hier vor dem Parlament ein Mensch mit einem großen Prügel in der Hand herumläuft und von sich gibt, er fürchtet sich vor den Marsmenschen und deshalb hat er den Prü­gel, und wenn ein Marsmensch kommt, wird er ihn sofort mit dem Prügel behandeln, dann wird dieser arme Mensch irgendwann einmal in einer psychiatrischen Klinik lan­den, und man wird versuchen, ihn dort von seiner Wahnvorstellung zu befreien. Er ist ein Patient. Und wenn derselbe Mann mit derselben Wahnvorstellung seinen Prügel benützt, um die Windschutzscheibe eines Autos einzuschlagen, weil sich da drinnen Menschen befinden, die er für Marsmenschen hält, dann landet er bei uns. Er hat die­selbe Wahnvorstellung, und spätestens der Richter wird sagen, dieser Mensch ist zu­rechnungsunfähig, schuldunfähig, kann nicht bestraft werden – aber er bleibt bei uns!

Ja wo ist denn da der Unterschied?! – Das ist ein Patient, und der gehört ins Kran­kenhaus und nicht ins Gefängnis. (Abg. Pirklhuber: Richtig!) Und das ist die Proble­matik beim Maßnahmenvollzug. Das sind genau die Patienten, die wir in Wirklichkeit


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zur bestmöglichen Betreuung in das Gesundheitsressort transferieren müssen. Natür­lich stehen hier mühsame Verhandlungen mit den Krankenanstaltenträgern – also kon­kret auch mit den Ländern – an. Die scheue ich auch nicht, die haben zum Teil auch schon begonnen, aber es kann nicht sein, dass eine so wesentliche Frage, die geklärt und endlich gelöst werden muss, dann letztlich an der Frage scheitern kann, welche öf­fentliche Institution jetzt welche Budgetanteile zahlt. Letztlich ist es eine Verpflichtung der öffentlichen Hand, und es ist doch völlig sekundär, auf welcher Ebene der öffentli­chen Hand jetzt letztlich diese Budgetmöglichkeiten eröffnet werden, die man da ein­fach braucht. (Zwischenruf des Abg. Lausch.)

Und noch etwas möchte ich ergänzend sagen: Ich stehen noch unter dem Eindruck ei­nes hervorragenden Symposiums, das heute stattgefunden hat, mit den wirklich füh­renden internationalen Experten zum Thema Radikalisierung und Deradikalisierung im Strafvollzug.

Ja, Kollege Steinhauser hat völlig recht. Ich kenne die Studie aus Ulm. Das ist ja auch einer der Gründe, weshalb ich mich an internationalen Vorbildern orientiere. Ich glau­be, dass wir die Chance und die Möglichkeit haben, Österreich wieder nach vorne zu bringen, indem wir uns an internationalen Standards orientieren und damit auch die bes­ten Möglichkeiten schaffen, um den Strafvollzug in Österreich wieder dort hinzukriegen, wo er einmal war und wo er wieder hingehört, nämlich ganz nach vorne. Das geht nur mit Ihrer Unterstützung, um diese bitte ich, und insofern danke ich für den Antrag. (Bei­fall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP, Grünen und NEOS.)

17.59


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Ofenauer. – Bit­te. (Abg. Jarolim: Der Herr Lausch war nicht bei dem Symposium! Abg. Schrangl: Nein, er war hier im Plenum! Abg. Lausch: Sie eher schon, Kollege Jarolim! Sie schon! Sie haben eine schwere, eine schwer Traumatische! Heiterkeit bei der FPÖ. Bundesminister Brandstetter: Es waren sämtliche Anstaltsleiter aus ganz Österreich da!)

 


17.59.49

Abgeordneter Mag. Friedrich Ofenauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherin­nen und Zuseher! Wir sprechen über die Menschenrechtslage im Strafvollzug und im Maßnahmenvollzug.

Die Einhaltung menschenrechtlicher Standards und die Überprüfung der Einhaltung ist in einem funktionierenden demokratischen Rechtsstaat eine Notwendigkeit und eine Selbstverständlichkeit. Wenn es Mängel gibt, wie sie schon angesprochen wurden, dann ist sicherlich die Zustimmung zu diesem Antrag und die Umsetzung der in diesem Antrag genannten Maßnahmen ein Weg, um die Qualität im Strafvollzug und im Maß­nahmenvollzug weiter zu heben.

Eine Strafhaft ist eine äußerst einschneidende Maßnahme, die zum einen das Unrecht der Tat verdeutlicht, deren Zweck aber weniger die Vergeltung als vielmehr die Reso­zialisierung, die Wiedereingliederung in die Gesellschaft sein muss, wobei ich aufgrund der Erodierung mancher Grundsätze doch den Eindruck habe, dass man manchmal eher von einer Sozialisierung sprechen muss.

Besonderes Augenmerk müssen wir dabei auch auf die Jugendlichen legen. Die Sozia­lisierung geschieht meiner Ansicht nach am besten, wenn jemand eine Aufgabe, eine Beschäftigung hat. Ich halte es deshalb auch für notwendig, in den Strafvollzugsan­stalten handwerkliches Personal zur Unterstützung der Strafvollzugsbediensteten zur Ver­fügung zu stellen, denn damit können Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt werden, die dann wiederum die Wiedereingliederung oder Eingliederung in die Gesellschaft er-


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leichtern. Jede Beschäftigung, die ein Mensch hat, gibt seinem Tag Struktur, und eine Struktur gibt einem Menschen Halt.

Erwähnen möchte ich in diesem Zusammenhang auch die Taskforce Jugendstrafvoll­zug, die Vorschläge zur Verbesserung erstattet hat. Von denen wurden bisher in etwa 45 Prozent umgesetzt oder befinden sich bereits in Umsetzung. Darunter sind die Empfehlungen, die Unterbringung in Wohngemeinschaften als Alternative zur U-Haft zu prüfen, die österreichweite Einführung einer Jugendgerichtshilfe und die bereits an­gesprochene Einführung von Sozialnetz-Konferenzen, wo eben das soziale Umfeld der Jugendlichen in Haft, Familie und Freunde miteingebunden wird.

Die Zahlen, die vom Ministerium dazu vorgelegt wurden, beweisen die Wirksamkeit die­ser Maßnahme: Im Frühsommer 2013 waren 130 Jugendliche österreichweit in Haft, bis jetzt sind es zirka 90 Jugendliche.

Unser Ziel muss es sein, die Haftzeiten zu verringern, gleichzeitig aber auch Maßnah­men zu setzen, die die Gefahr eines möglichen Rückfalls weitgehend reduzieren. Des­halb braucht es auch ein Jugendhaftkompetenzzentrum, wo es besondere Schulungs- und Ausbildungsmaßnahmen und Betreuungsangebote gibt, die die Resozialisierung oder Sozialisierung erleichtern.

Bei Problemen im Strafvollzug muss rasch und zielgerichtet eine Lösung gefunden wer­den. Herr Justizminister Brandstetter zeigt gerade im Bereich des Maßnahmenvoll­zugs, wie es geht. So soll eine Generaldirektion für den Strafvollzug direkt im Minis­terium angesiedelt werden, und die Arbeitsgruppe zum Maßnahmenvollzug, die vom Herrn Bundesminister eingerichtet wurde, hat einen umfangreichen Änderungskatalog vorgelegt. Ich bin davon überzeugt, dass wir viele dieser Punkte rasch umsetzen und so den Maßnahmenvollzug in Österreich besser gestalten können.

Dazu zählt natürlich, die Qualität der Gutachten im Maßnahmenvollzug zu verbessern (Abg. Meinl-Reisinger: Dann hätten Sie meinem Antrag gestern zugestimmt!), aber auch, die Ausbildung der Richter in diesem Bereich dahingehend zu verbessern, zu­rechnungsunfähige Täter im Gesundheitswesen behandeln zu lassen, wie es bereits angesprochen wurde – allerdings ist diese Maßnahme natürlich auch mit den Ländern zu verhandeln –, oder den Maßnahmenvollzug in therapeutischen Zentren durchzufüh­ren.

Diese Schritte sind richtig, wichtig und notwendig, und ich bin der Überzeugung, dass wir mit unserem Bundesminister an der Spitze auf einem sehr guten Weg sind, Miss­stände zu beseitigen und die Maßnahmen und Verhältnisse im Maßnahmenvollzug und im Jugendvollzug weiter zu verbessern, um den Strafvollzug in Österreich wieder an die Spitze zu bringen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

18.04


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Buch­mayr. – Bitte.

 


18.04.20

Abgeordneter Harry Buchmayr (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Man muss die bereits angeführten zahlreichen Umsetzungen und geplanten Projekte im Straf- und Maßnahmenvollzug wirklich sehr positiv bewerten. Der hohe Reformbedarf, der durchaus erwähnt wurde, ist auch durch die starke Zu­nahme von Anhaltungen in den letzten zehn Jahren entstanden. Da gab es nahezu ei­ne Verdoppelung.

Oberstes Ziel ist – und das muss es immer sein – ein möglichst hoher Resozialisie­rungsgrad unter Einhaltung der Menschenrechte. Ich nehme an, dass das auch der Grund war, warum das Thema auch im Menschenrechtsausschuss behandelt wurde.


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Der Rechtsstaat hat zwar das Recht zur Freiheitsentziehung durch das Strafrecht, es ist aber nicht erlaubt, Menschenrechte zu verweigern, um ein bestimmtes Verhalten einzufordern oder den Strafvollzug kostengünstiger zu gestalten. Menschenrechte sol­len vor staatlichem Zugriff auf die Psyche und die Autonomie schützen.

Österreich hat betreffend das Thema Menschenrechte weltweit einen sehr guten Ruf. Ich bin mir sicher, dass dies auch unter Herrn Bundesminister Brandstetter so bleiben wird. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.05


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Meinl-Reisinger. – Bitte.

 


18.05.50

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrter Herr Minister Rupprechter! – Herr Justizminister Brandstetter ist nicht mehr da. – Es geht sehr stark um das Thema Verantwortung. Ich glaube, dass wir als Parlament, als Gesellschaft die Verantwortung dafür haben, gerade in diesen sehr schwierigen Bereichen näher hinzuschauen, aber auch dafür, Maßnahmen auf den Weg zu bringen.

Ich muss schon sagen, ich verstehe den Kollegen Lausch, und ich möchte noch einmal verdeutlichen, warum wir diesem Antrag zustimmen: Ich erachte es tatsächlich für wichtig, zuzustimmen. Auch wenn es ein Kraut- und Rüben-Antrag ist, ist es aber zu­mindest ein Antrag, der dieses Thema in das Bewusstsein dieses Hauses und in das Bewusstsein der Öffentlichkeit bringt.

Ich verstehe aber eines nicht, und das macht mich wütend, nämlich dass wir hier Be­schwichtigungsreden, Betroffenheitsreden hören, allerorts Bekundungen hören, dass jetzt eh Maßnahmen auf den Weg gebracht werden, und gleichzeitig wissen wir aber schon seit Langem, was zu tun wäre.

Es ist richtig, es gibt diesen Bericht der Arbeitsgruppe Maßnahmenvollzug. Ich habe mich im letzten Jahr intensiv mit dem Maßnahmenvollzug beschäftigt, ich habe auch hier im Haus eine Enquete gemacht, mit Expertinnen und Experten gesprochen und werde auch einen Abschlussbericht vorlegen. Die Maßnahmen liegen auf dem Tisch, und während wir hier darüber diskutieren, in großer Betroffenheit vielleicht, was wir alles zu tun gedenken, sitzen 900 Menschen in dieser Maßnahme. Kollege Scherak hat darauf hingewiesen: Es ist ein menschenrechtswidriger Zustand. – Dem schauen wir zu! Das erzeugt meine Wut und meine Ungeduld, die ich hier zum Ausdruck bringen möchte, gerade auch aus der Erfahrung, die ich gemacht habe, weil ich in die Justizan­stalten gegangen bin.

Ich möchte noch eine andere Frage stellen. Ich habe eingangs gesagt, es geht um die Verantwortung, die wir haben und die die Gesellschaft hat, gerade in diesem Bereich hinzuschauen: Das sind kranke Menschen, die primär Hilfe brauchen. Es geht aber auch um die Frage: Wer übernimmt Verantwortung?

Kollege Steinhauser hat richtig gesagt, es gibt falsch positive und falsch negative Gut­achten. Die Qualität der Gutachten ist ein wesentlicher Aspekt dabei, und ich bedauere es sehr, dass mein Antrag zur Überprüfung der Qualität der Gutachten gestern von SPÖ und ÖVP abgelehnt wurde. Hier hätten Sie schon ein Zeichen setzen können, dass Sie es ernst meinen.

Aber wenn ich die Frage stelle, wer Verantwortung übernimmt, so ist auch die Frage nach dem richtigen gesetzlichen Rahmen zu stellen. Wir haben einen, der seit den siebziger Jahren besteht. Der gesetzliche Rahmen ist gleich geblieben, aber in der Praxis hat sich alles verändert. Ich behaupte, es liegt auch daran, dass sehr viele


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Stellen lieber falsch positive Gutachten in Kauf nehmen. In einem Fall, wo wir zum Bei­spiel wissen, dass von zehn Leuten einer wieder rückfällig wird, behalten wir lieber zehn Leute in der Maßnahme, als uns weiter zu bemühen, diesen einen ausfindig zu machen und als Einzelnen in der Maßnahme zu behalten.

Das ist schon eine Tendenz, die sehr fraglich ist. Es geht also wirklich auch darum, dass sich am gesetzlichen Rahmen nichts geändert hat, in der Praxis alles, und es meiner Meinung nach eine Änderung des gesetzlichen Rahmens braucht. Wir sind ja der Gesetzgeber, wir können Maßnahmen setzen.

Ich würde schon dafür plädieren, dass wir ein stärkeres Zeichen als diesen heutigen Antrag setzen, zum Beispiel in Bezug auf die Qualität der Gutachten, zum Beispiel be­treffend die Frage, welche Delikte denn zu einer Einweisung in die Maßnahme führen. Auch da wissen wir, dass es Möglichkeiten gäbe – beispielsweise durch eine Konkreti­sierung, dass es nur Hands-on-Delikte betrifft –, diesen Zuweisungsbereich deutlich zu beschränken.

Ich glaube, das sind wir auch denjenigen schuldig, die Tag für Tag in dieser Maßnah­me sitzen und keinerlei Perspektive haben, keinerlei Hoffnung haben, ja nicht einmal wissen, was sie eigentlich tun können, um eine Perspektive zu bekommen, aber sich tagtäglich in einer menschenrechtswidrigen Situation befinden.

Ich habe einen Maßnahmenkatalog, basierend auf Aussagen der Expertinnen und Ex­perten, die bei mir bei der Enquete waren, ausgearbeitet, der überschneidet sich in vie­len Teilen mit diesem Maßnahmenkatalog der Arbeitsgruppe Maßnahmenvollzug.

Ich möchte daher heute folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Meinl-Reisinger und Kollegen betreffend die rasche Umsetzung der Expertenvorschläge für den Maßnahmenvollzug

Der Nationalrat möge beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Justizminister, wird aufgefordert, dem Natio­nalrat so rasch wie möglich einen Gesetzesentwurf zuzuleiten, durch den die Vorschlä­ge der Expertenkommission für eine Reform des Maßnahmenvollzugs qualitätsvoll um­gesetzt werden. Bei der Umsetzung soll vor allem die Schaffung eines eigenen Geset­zes für den Maßnahmenvollzug und die Einbindung des Gesundheitsressort berück­sichtigt werden.“

*****

Ich habe in meinem Antrag eine Reihe von Vorschlägen gemacht, die Gutachten habe ich schon angesprochen. Ich glaube, es braucht jedenfalls auch eine Ausbildungsre­form bei den Justizwachebeamten und -beamtinnen. Natürlich reden wir von psychisch kranken Personen, die eigentlich ein Fall für das Gesundheitssystem sind, aber auch hier muss man aus der Praxis, auch aus meiner Erfahrung, eines sagen: Ich habe mir die Justizanstalt Mittersteig und das Forensische Zentrum Asten angeschaut. Ich weiß schon, das eine, das sind die zurechnungsfähigen geistig abnormen Rechtsbrecher, das heißt, die verbüßen dort ihre Strafe und sind dort in der Maßnahme, genau das ist ja die menschenrechtswidrige Situation, im anderen Fall sind es die Zurechnungsun­fähigen, aber Sie glauben nicht, dass beide Anstalten im gleichen Land sind.

Eigentlich muss ich es so sagen: Um schnell etwas zu tun, ist mir fast wurscht, ob das Gesundheitsressort oder das Justizressort zuständig ist. Die Qualität, die im Forensi-


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schen Zentrum Asten geboten wird, wo therapeutisches, medizinisches Personal im Fokus steht und primär tätig ist, und Justizwachebeamte eigentlich nur am Eingang stehen, die schafft eine ganz andere Situation, als man sie in der Justizanstalt Mitter­steig vorfindet.

Ich glaube, wir könnten hier schneller aktiv werden und schneller etwas tun, um diesen Menschen, die jetzt im Maßnahmenvollzug sitzen und eigentlich nicht wissen, was sie tun können, um schneller rauszukommen, auch Hoffnung zu geben. Danke. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Grünen.)

18.12


Präsident Karlheinz Kopf: Der von Frau Abgeordneter Mag. Meinl-Reisinger soeben eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Ver­handlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Beate Meinl-Reisinger und Kollegen

betreffend die rasche Umsetzung der Expertenvorschläge für den Maßnahmenvollzug

eingebracht im Zuge der Debatte über TOP 26 Bericht des Ausschusses für Men­schenrechte über den Antrag 841/A(E) der Abgeordneten Franz Kirchgatterer, Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Menschen­rechtslage im österreichischen Strafvollzug und Maßnahmenvollzug (578 d.B.)

Der Maßnahmenvollzug ist in den vergangenen Monaten, nicht zuletzt durch mediale Berichte über unhaltbare Zustände der Verwahrlosung von Insassen, zu Recht in Kritik geraten. Seit der großen Strafrechtsreform und der damit einhergehenden Einführung des Maßnahmenvollzugs in den 70er Jahren, hat sich vieles geändert. Während die rechtlichen Grundlagen dieselben sind, ist die Praxis eine gänzliche andere. Das zeigen nicht zuletzt die stark steigenden Zahlen der Insassen im Maßnahmenvollzug sowie die steigende Anhaltedauer. Auch die Fallzahlen, der der Maßnahme zugrunde­liegenden Deliktstypen haben sich stark verändert. So gibt es verstärkt Fälle gefährli­cher Drohung, die zu einer Einweisung in die Maßnahme führen. Zudem werden ver­stärkt Ersttäter länger als früher in der Maßnahme untergebracht und in den Fällen des § 21/2 StGB bleiben geistig abnorme Rechtsbrecher für längere Zeit als früher nach Verbüßen der Haftstrafe in der Maßnahme.

Allgemein gilt es zu sagen, dass insbesondere der Maßnahmenvollzug als Schnittstelle zwischen Justiz-, Gesundheits- und Sozialagenden einmal mehr Beispiel dafür ist, wie in Österreich aufgrund zersplitterter Kompetenzlage zwischen Bund und Ländern sys­temübergreifende Arbeit nur schlecht gelingt. Gesundheit, Soziales und Justiz sind da­bei kommunizierende Gefäße. Innerhalb dieser Systeme muss ein Ausgleich gelingen zwischen der Sicherheit der Bevölkerung und einem menschenrechtskonformen, thera­peutischen, auf Resozialisierung fokussiertem Umgang mit so genannten geistig ab­normen Rechtsbrechern.

NEOS hat aus Anlass dieser Vorfälle und der auch weiter bekannt gewordenen Miss­stände im Oktober 2014 eine Enquete zur Reform des Maßnahmenvollzugs veranstal­tet. Auf Basis der Stellungnahme der renommierten Experten konnten wir einen weit­reichenden Forderungskatalog entwickeln:

1. Nachschärfen der Anlasstat des §21 StGB: Anheben des Strafandrohungsausmaß oder durch Reduktion auf so genannte „Hands-on“ Delikte


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2. Schaffung eines eigenen sprachlich modernisierten Gesetzes für den Maßnahmen­vollzug mit der Zielsetzung der Resozialisierung inklusive Ausbau der Rechtsschutz­möglichkeiten während des Vollzugs (Öffentlichkeit der Anhörung, Protokolle, etc.); Flexibilisierung der Entlassungs-, Aussetzungs- und Widerrufsmöglichkeiten sowie Transparenz bei sämtlichen Vollzugsentscheidungen, um Anreize für die Häftlinge zur Kooperation zu schaffen; kontinuierliche Erhöhung der Voraussetzungen für eine An­haltung, je länger diese schon andauert

3. Abgehen von der strengen Trennung der Täter nach § 21 Abs 1 und Abs 2 StGB, die sich durch die Durchlässigkeit bei der Betreuung äußert

4. Enge Kooperation der Ressorts Justiz, Soziales und Gesundheit zur Strategiepla­nung, Infrastrukturbereitstellung und Budgetierung für den Maßnahmenvollzug: Ausbau der Nachbetreuungseinrichtung unter Verpflichtung der Länder (für Maßnahmenvollzug und Untergebrachte) durch Errichtung von Spezialeinrichtungen und Erhöhung der Dichte

5. Verbindliche Qualitätsstandards für Gutachten im Maßnahmenvollzug und Einbezie­hung einer externen Kontrollinstanz (zB Prüfung der Gutachten in Deutschland)

6. Prüfung einer eigenen Zuständigkeit für den Maßnahmenvollzug bei Staatsanwalt­schaft und Gerichten sowie einer erweiterten Berichtspflicht zur zentralen Steuerung und Strategieumsetzung im Maßnahmenvollzug

7. Erstellung und verpflichtende Einhaltung eines Qualitätshandbuchs für Mitarbeiter im Maßnahmenvollzug, um eine einheitliche Betreuung auf hohem Niveau zu gewährleis­ten; Betreuung und Supervision aller im Maßnahmenvollzug tätigen Mitarbeiter in Hin­blick auf die besonderen Umstände ihrer Tätigkeit

8. Umsetzung einer Ausbildungsreform für Justizwachebeamte, deren Fokus vor allem auf der Einhaltung der Menschenrechte liegt sowie eine verpflichtende Spezialausbil­dung für Führungskräfte im Maßnahmenvollzug, um die Organisationsentwicklung ana­lysieren und steuern zu können

9. Hauptsächliche Betreuung der Untergebrachten durch Therapeuten, Pädagogen, Psy­chologen etc mit gleichzeitiger Zurückdrängung der Justizwache in reine Sicherungs­funktionen. Strenge Einhaltung des Abstandsgebots (Trennung von Vollzug der Haft und des Maßnahmenvollzugs)

10. Aufklärungskampagne innerhalb der Justizwache und bei der Bevölkerung in Hin­blick darauf, dass die Behandlung und Betreuung der Täter der beste Opferschutz ist sowie ein gesellschaftliches Eingeständnis und Verständnis, dass wir niemals vollkom­mene Sicherheit herstellen können

11. Schaffung eines Beauftragten für den Maßnahmenvollzug in der Generaldirektion und Einführung eines „Patientenanwaltes“ für im Maßnahmenvollzug Untergebrachte mit regelmäßiger Berichtspflicht an den Nationalrat

12. Niederschwellige Ansprech- und Beratungsangebote für potentielle Täter, um die Straffälligkeit aufgrund psychischer Beeinträchtigungen zu verhindern (vgl Charite-Pro­jekt für Pädophile)

Am 30. Jänner 2015 wurde auch der Expertenbericht der Kommission zur Reform des Maßnahmenvollzugs vom BMJ veröffentlicht. Der Bericht enthält sehr vielfältige und konkrete Vorschläge für Reformen im Maßnahmenvollzug. Die Vorschläge der Kom­mission müssen allerdings an ihrer raschen und hochwertigen Umsetzung gemessen werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden


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Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Justizminister, wird aufgefordert, dem Natio­nalrat so rasch wie möglich einen Gesetzesentwurf zuzuleiten, durch den die Vor­schläge der Expertenkommission für eine Reform des Maßnahmenvollzugs qualitäts­voll umgesetzt werden. Bei der Umsetzung soll vor allem die Schaffung eines eigenen Gesetzes für den Maßnahmenvollzug und die Einbindung des Gesundheitsressort be­rücksichtigt werden.“

*****

 


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Yilmaz. – Bitte.

 


18.12.25

Abgeordnete Nurten Yilmaz (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Ich möchte einmal mehr in Erinnerung rufen, welch großen Scha­den eigentlich die Schließung des Jugendgerichtshofes in Österreich bewirkt hat. Die Unterbringung der Jugendlichen im Grauen Haus bescherte viele Missstände und skan­dalöse Vorfälle.

Ministerin Karl hat nach einer absolut inakzeptablen Erstreaktion auf einen tragischen Fall die Taskforce Jugend U-Haft in die Wege geleitet, nämlich Maßnahmen für den Ju­gendstrafvollzug zu erarbeiten, und erfreulicherweise hat Bundesminister Brandstetter bereits Schritte eingeleitet beziehungsweise gesetzt.

Es freut mich, dass die Jugendgerichtshilfe, die es bisher nur in Wien gab, auf alle an­deren Bundesländer ausgeweitet wird. Die Jugendgerichtshilfe – ich werde nicht sehr viel darauf eingehen, das wird mein Kollege Antoni später machen – besteht aus drei Säulen: Durchführung von Jugenderhebungen, Krisenintervention und Haftentscheidungs­hilfe. Im Hinblick darauf, was diese Institution eigentlich für unseren Rechtsstaat be­deutet, kann ich es nur noch begrüßen, und ich freue mich, dass wir in dieser Angele­genheit der Rechtsstaatlichkeit noch einen großen Schritt nach vorne machen. Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Auer.)

18.14


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Königsber­ger-Ludwig. – Bitte.

 


18.14.23

Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte auch noch einmal ganz kurz auf den Maßnahmenvollzug eingehen und noch einmal in Erinnerung rufen, dass er 1975 ein­geführt wurde und damals das Strafgesetzbuch vorgesehen hat, dass vor allem durch die von auf den Betroffenen abgestellten Therapien die als gefährlich eingestuften Tä­ter als geheilt entlassen werden sollten. Das war eigentlich der Ursprung des Maßnah­menvollzugs.

Heute – das haben wir heute hier schon gehört – sieht die Situation leider ganz anders aus. Die Zahlen von Menschen, die sich im Maßnahmenvollzug befinden, sind explo­sionsartig um fast 61 Prozent in den letzten zehn Jahren gestiegen, die Anhaltezeit – und das finde ich auch sehr bedenklich – hat sich von durchschnittlich 3,5 Jahren auf fünf Jahre erhöht. Trotz der Feststellung durch TherapeutInnen bei der jährlichen Be­gutachtung, dass ein Drittel dieser Menschen als geheilt entlassen werden könnte, passiert das nicht, und das vor allem deswegen – das haben wir heute auch schon gehört –, weil es einfach zu wenig Nachbetreuung gibt.


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Ich glaube, da muss man auch ganz speziell ansetzen, dass man Beziehungsnetz­werke aufbaut. Es gibt das Projekt der sozialen Netzwerke in der Jugendgerichtshilfe, das muss man, finde ich, auch auf den Maßnahmenvollzug ausweiten, denn es ist doch ganz wichtig, dass Menschen, die vielleicht immer mit Unterstützung leben wer­den müssen, diese Netzwerke tatsächlich auch vorfinden.

Ich bin eigentlich recht zuversichtlich. Diese Arbeitsgruppe, die einberufen wurde, die mit ganz vielen Expertinnen und Experten und – für mich als Behindertensprecherin auch ganz wichtig – mit der Vorsitzenden des Monitoringausschusses zur Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen besetzt war, hat einen Maßnahmenkatalog erarbeitet, der jetzt vorliegt. Das sind insgesamt 93 Empfeh­lungen an uns, an den Gesetzgeber, an den Minister; die sollten jetzt – das haben wir heute auch schon gehört – tatsächlich umgesetzt werden, vor allem auch deswegen, weil es wirklich darum geht, die menschenrechtliche Situation von Menschen, die im Maßnahmenvollzug sind, zu verbessern.

Ich freue mich auch darüber, dass ein Punkt in diesen 93 Maßnahmen in die Richtung geht, dass man sich auch mit der Bezeichnung der Menschen beschäftigt, denn es ist nicht mehr zeitgemäß, wie über diese Menschen im Strafgesetzbuch gesprochen wird. Das hat mit der neuen Behindertenpolitik nichts mehr zu tun, mit dem Selbstbewusst­sein und dem Selbstverständnis von Menschen mit Behinderungen, und ich denke, auch das ist neben allem, was heute schon angesprochen worden ist, wichtig und gut.

Ich bin zuversichtlich, dass wir das in den nächsten Monaten umsetzen werden und hoffe auch, dass die Finanzierungsfrage, die es auch in diesem Bereich gibt, nicht wie­der dazu führen wird, dass man das Problem hin- und herschiebt, denn das hilft, wie Sie richtig sagen, Frau Kollegin Reisner-Meinl (Heiterkeit und Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger) – ja, okay, heute habe ich schon Ludwigsberger geheißen! –, den Menschen im Maßnahmenvollzug tatsächlich nicht. Ich glaube, dass wir alle wollen, dass diese menschenrechtlich doch sehr zu hinterfragende Situation abgestellt wird. Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.17


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Hagen. – Bitte.

 


18.17.36

Abgeordneter Christoph Hagen (STRONACH): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Herr Bundesminister Rupprechter ist in Vertretung für Herrn Justizminis­ter Brandstetter da, darum möchte ich auf den Ausschuss replizieren, in dem wir die­ses Thema auch schon behandelt haben. Ich habe dort darauf aufmerksam gemacht und bis heute keine andere Antwort oder nichts vom Minister gehört, ich nehme an, dass Sie mir das auch nicht beantworten können. Es geht mir darum, dass in dieser Gesetzesvorlage darüber gesprochen wird, dass Jugendliche, die in Untersuchungs­haft sind, in gewisse Wohnheime gegeben werden sollen, das heißt betreutes Wohnen anstatt Haft.

Es gibt aber Grundvoraussetzungen für die Untersuchungshaft, das sind Verdunke­lungsgefahr, Verabredungsgefahr oder Fluchtgefahr. Der Herr Minister hat mir das bis­her nicht beantwortet – vielleicht können es Ihnen Ihre Berater weitergeben und Sie beantworten mir das –, wie das gehen soll, dass eine Person, bei der es Gründe für ei­ne Untersuchungshaft gibt, in eine Einrichtung für betreutes Wohnen kommt, wo alles drunter und drüber geht, wo man sich abreden kann, wo man ja nicht in einem Einzel­zimmer ist, denn dann wäre es ja eine Haftanstalt mit Einzelhaft, was eigentlich die Untersuchungshaft in den meisten Fällen ist. Wie soll das gehen? Das hat mir der Herr Minister bisher nicht erklären können.


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Auch wenn in diesem Gesetzesvorschlag viele positive Dinge vorkommen, gibt es auch vieles – und ich glaube, der Kollege Lausch hat eh schon einiges angesprochen –, was nicht so hundertprozentig ist. Deshalb können wir diesem Gesetzesvorschlag genau aus diesem Grund nicht zustimmen, weil die Rechtssicherheit nicht gegeben ist. Das hat mir bis jetzt niemand erklären können. Gibt es einen Grund für eine Untersu­chungshaft? Wenn kein Grund vorliegt, dann gehört er auch nicht ins betreute Woh­nen, sondern freigelassen. Das ist der Punkt, über den man diskutieren muss. Da habe ich keine ausreichende Antwort bekommen.

Dieser Gesetzesvorschlag ist ein Kraut-und-Rüben-Vorschlag. Es ist darin vieles offen. Es ist kein Gesetz, das man mit gutem Gewissen beschließen kann. (Abg. Meinl-Rei­singer: Das ist ein Entschließungsantrag!) – Oder dieser Entschließungsantrag. Das ist wurscht, das ist auch ein Gesetzesantrag – vielleicht für die NEOS. (Abg. Brosz: Wie bitte?! Ein Entschließungsantrag ist ein Gesetzesantrag? – Jetzt war er schon bei drei Fraktionen und weiß das noch immer nicht!)

Aber der Punkt ist, dass es hier darum geht, ein Gesetz zu beschließen beziehungs­weise einen Antrag zu beschließen, der meiner Ansicht nach nicht ausgereift ist. Und deswegen ersuche ich, dieses Vorhaben abzulehnen. (Beifall beim Team Stronach.)

18.20


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Mag. Unterrai­ner. – Bitte.

 


18.20.27

Abgeordneter Mag. Maximilian Unterrainer (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Damen und Herren auf der Galerie und vor den Bildschirmgeräten! „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren!“ – Im ersten Artikel der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte steht nichts davon, dass es unfreie Menschen gibt. Er handelt nicht davon, dass man die Würde des Menschen verletzen darf.

Wenn wir heute über den österreichischen Strafvollzug sprechen, dann sprechen wir über Menschen, die zwar inhaftiert sind, deren Menschrechte aber unteilbar sind und die mit Würde zu behandeln sind. Wenn wir am Eingang des Parlaments eben lesen: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren“, so soll dies uns Abgeordneten doch auch irgendwo als Wegweiser für unsere Arbeit dienen. Im öster­reichischen Strafvollzug sind Fehler passiert. Diese Tatsache kann man nicht vom Tisch wischen. Diese Fehler erfordern Konsequenzen, diese Fehler erfordern organi­siertes Durchgreifen, und diese Fehler erfordern neue Regeln und Regelungen. Und ich freue mich, dass unser Justizminister auf diese Missstände umgehend und umfas­send reagiert hat und reagiert. Es wurden laufend Verbesserungen und Reformen durchgeführt. Es wird immer mehr unternommen, damit die Häftlinge resozialisiert wer­den und dass das alte Bild vom eingesperrten und quasi geknechteten Delinquenten, wenn man so will, längst Teil der Geschichte ist.

Insgesamt wurde die Situation im Strafvollzug auch erheblich verbessert. 100 neue Beamte wurden beziehungsweise werden eingestellt. Bei den Reformen und Verbes­serungen hat sich unser Minister auch an den internationalen Best-Practice-Beispielen orientiert. Und es freut mich, dass die Zahl der inhaftierten jugendlichen Straftäter er­heblich abgenommen hat. Zurzeit haben wir etwa 90 Jugendliche in Haft, 2012 waren es noch 144 Jugendliche. Ich unterstütze vollinhaltlich den vorliegenden Entschlie­ßungsantrag, in dem unter anderem betreute Wohngruppen als Alternative für die U-Haft von jugendlichen Straftätern ebenso gefordert werden wie ein Modell einer bun­desweiten Jugendgerichtshilfe. Schlussendlich geht es doch darum, bestmöglich Reso­zialisierung zu gewährleisten und um die Entkriminalisierung von jugendlichen Straftä­tern.


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Inhaftierte sind Teil unserer Gesellschaft, das ist eine Tatsache. Und ich möchte mit einem weiteren Zitat aus dem ersten Artikel der Allgemeinen Erklärung der Menschen­rechte schließen: Wir „sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen“, ohne Un­terschied und ohne Unterlass. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

18.22


Präsident Karlheinz Kopf: Vorläufig letzter Redner dazu ist Herr Abgeordneter An­toni. – Bitte.

 


18.23.04

Abgeordneter Konrad Antoni (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Ich möchte in meinem abschließenden Beitrag noch explizit auf das The­ma Jugendgerichtshilfe eingehen. In diesem Zusammenhang möchte ich eingangs aber nochmals in Erinnerung rufen, dass in Österreich über einen sehr, sehr langen Zeitraum, nämlich in der Zeit von 1929 bis 2003, bereits eine diesbezügliche Institution vorhanden war, der international hoch anerkannte und renommierte Jugendgerichtshof in der Rüdengasse in Wien. Dieser wurde, wie wir heute schon gehört haben, vom da­maligen Justizminister Böhmdorfer – trotz erheblicher Proteste und negativer Stellung­nahmen von nahezu allen Expertinnen und Experten – abgeschafft und damit eine, so meine ich, sehr wichtige Einrichtung im Jahr 2003 zerstört.

Als dann im Jahr 2013 dramatische Missstände im Jugendstrafvollzug bekannt wur­den – ich erinnere diesbezüglich an den Tatbestand der Misshandlung eines 14-jähri­gen Insassen in der Jugendabteilung der Justizanstalt Josefstadt –, wurde daraufhin von der damaligen Justizministerin Karl eine Taskforce Jugendliche ins Leben gerufen, mit dem Ziel, Verbesserungen im Jugendstrafvollzug zu erarbeiten. Wenn wir uns jetzt das aktuelle Regierungsprogramm 2013 bis 2018 unter dem „Schwerpunkt Jugend“ an­sehen, finden wir dort den Passus der „Prüfung und Umsetzung der Ergebnisse der ‚Task Force Jugendliche‘“.

Ich denke, ein ganz wesentlicher Punkt ist die Ausweitung der angesprochenen Ju­gendgerichtshilfe auf ganz Österreich, deren Einrichtung bis dato nur in Wien zugäng­lich war. Im Speziellen unterstützt die Jugendgerichtshilfe die Gerichte bei der Erfüllung der ihnen übertragenen Aufgaben, im Besonderen beim Verfassen von Jugenderhe­bungen für das Strafverfahren, in der Krisenintervention, aber auch bei der Erstellung von Haftentscheidungen mit der Zielsetzung der Verkürzung beziehungsweise Vermei­dung der U-Haft.

Ich möchte auch noch positiv anmerken, dass durch das Einsetzen von Psycholo­ginnen, Psychologen und Sozialarbeiterinnen, Sozialarbeitern in der Jugendgerichtshil­fe im Fall einer konkreten Krise rasch und konsequent Maßnahmen durch die Jugend­gerichtshilfe gesetzt werden können.

So darf ich abschließend noch festhalten, dass es sich bei der Jugendgerichtshilfe um eine wichtige Einrichtung handelt, und es ist erfreulich, dass mittlerweile auch in Graz ein diesbezügliches Projekt gestartet wurde. Nichtsdestotrotz, eine Ausweitung der Ju­gendgerichtshilfe auf ganz Österreich muss für die Zukunft weiter forciert werden. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.26

18.26.10

 


Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 578 der Beilagen an­geschlossene Entschließung betreffend die Menschenrechtslage im österreichischen Strafvollzug und Maßnahmenvollzug.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen. – Das ist die Mehr­heit und somit angenommen. (E 77.)


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Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Meinl-Reisin­ger, Kolleginnen und Kollegen betreffend die rasche Umsetzung der Expertenvorschlä­ge für den Maßnahmenvollzug.

Wer dafür ist, der gebe bitte ein Zeichen. – Das ist die Minderheit und somit abge­lehnt.

18.27.1827. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Bericht des Bun­desministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über die Aktivitäten der AMA-Marketing GesmbH (Geschäftsjahr 2013) aufgrund der Ent­schließung des Nationalrates vom 8. Juli 2014, E 29-NR/XXV.GP (III-129/502 d.B.)

 


Präsident Karlheinz Kopf: Wir kommen zum 27. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Jannach. – Bitte.

 


18.27.47

Abgeordneter Harald Jannach (FPÖ): Herr Präsident! Herr Landwirtschaftsminister! End­lich ist er da, der Bericht der AMA-Marketing. Wir haben ihn ja schon seit zwei Jahren verlangt, und jetzt hat sich die AMA-Marketing doch entschieden, nicht nur bei den Bauern bis ins Schlafzimmer hineinzuschauen, sondern selbst auch einmal Zahlen zu veröffentlichen. Auch wenn wir nicht ganz zufrieden sind, ist es trotzdem einmal ein po­sitiver Schritt, dass die AMA-Marketing diesem Wunsch der Abgeordneten nachgekom­men ist. Leider – das muss ich auch feststellen – ist es noch immer nicht gelungen, dass wir ein Interpellationsrecht in Bezug auf die AMA-Marketing haben, denn diese ist hier vom Interpellationsrecht der Abgeordneten ausgenommen. Wir können also den Bericht zur Kenntnis nehmen oder eben nicht zur Kenntnis nehmen, aber Nachfragen ist in diesem Bereich nicht gestattet, und das würden wir uns noch wünschen.

Kurz zu einzelnen Punkten aus diesem Tätigkeitsbericht: Es werden Einnahmen aus Zwangsbeiträgen von Landwirten in der Höhe von 18 Millionen € pro Jahr erzielt. Den Großteil dieser Einnahmen lukriert die AMA-Marketing aus dem Milchsektor – das sind 45 Prozent, also 8 Millionen €. Hier ist für uns eigentlich eines unverständlich: Nach­dem die Quote im Milchbereich abgeschafft worden ist, wäre es meiner Ansicht nach auch angebracht, darüber nachzudenken, ob die AMA-Marketing hier noch Marketing­beiträge in diesem Ausmaß einheben muss. Wir fordern also eine klare Senkung der Marketingbeiträge in diesem Bereich, denn es ist nicht nachvollziehbar, warum der Milchsektor den Großteil dieser Marketingbeiträge aufbringen muss.

In diesem Zusammenhang sei auch erwähnt, dass die AMA-Marketing nicht nur für die­sen Bereich Marketingbeiträge einhebt, sondern auch für jeden anderen Bereich im landwirtschaftlichen Sektor – außer für den Getreidebereich. Im Getreidebereich haben wir keine Marketingbeiträge, und – wir haben schon im Ausschuss darüber diskutiert – das ist eine Lex Niederösterreich. Da haben sich die niederösterreichischen Agrarier, also die Großgetreidebauern und -produzenten erfolgreich dagegen gewehrt, sodass sie Marketingbeiträge zahlen müssen. Jetzt kann man sagen, okay, das geht vielleicht auch noch in Ordnung. Aber was nicht geht, ist, dass die AMA-Marketing gleichzeitig Werbung für Brot und Getreide mit dem AMA-Gütesiegel macht. Denn das muss ja ir­gendjemand finanzieren! Und da gibt es jetzt meiner Ansicht nach Querfinanzierungen aus anderen Bereichen der Landwirtschaft in diesen Getreidesektor hinein.

Was ganz bemerkenswert an diesem Tätigkeitsbericht ist, ist der Umstand, dass gera­de der, der keine Marketingbeiträge zahlt, nämlich der Getreidebauer in Niederöster-


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reich, vom ehemaligen Finanzminister Josef Pröll vertreten wird. Josef Pröll sitzt im Auf­sichtsrat der AMA-Marketing. Er ist also dafür, dass er die Hypo zwangsverstaatlicht hat, belohnt worden und wird hier meiner Ansicht nach mit einem Versorgungsposten bedacht. Das ist ungerechtfertigt! (Beifall bei Abgeordneten der FPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Ich komme noch darauf zu sprechen.

Zu Josef Pröll muss man nämlich noch etwas sagen: Er wurde zuerst im Raiffeisen-Sektor versorgt, bei Leipnik-Lundenburger – das wissen alle hier herinnen –, die im Üb­rigen im letzten Jahr ein großes Minus in der Höhe von 124 Millionen € geschrieben haben. Das ist also der erfolgreiche Vorstandsvorsitzende Josef Pröll, der gemeinsam im Vorstand im Übrigen eine Jahresgage von knapp 1 Million € kassiert – so wird er von Raiffeisen versorgt. Und dass er im AMA-Aufsichtsrat drinnen sitzt, das betrachte ich als Schande und als Affront gegenüber den österreichischen Bauern, die ihn zwangs­finanzieren müssen. (Beifall bei Abgeordneten der FPÖ.)

Ein weiterer Punkt in diesem Tätigkeitsbericht – und das ist eine grundsätzliche Sache des AMA-Gütesiegels, wir haben das schon mehrfach erwähnt –: Das AMA-Gütesiegel wird immer als bestes aller Gütesiegel gepriesen, aber wir haben hier ein Glaubwür­digkeitsproblem – darauf habe ich auch schon hingewiesen. Das AMA-Gütesiegel sagt nämlich nichts über die Gentechnikfreiheit von Produkten und Lebensmitteln aus. Sie können sagen, das AMA-Biosiegel vielleicht, aber das AMA-Gütesiegel, das auf unzäh­ligen Produkten drauf ist, sagt nichts über Gentechnikfreiheit aus. Das AMA-Gütesiegel sagt auch nichts darüber aus, ob ein Produkt ausschließlich aus Österreich kommt.

Wir haben einen großen Verarbeitungsbereich – ich rede hier nicht von Frischfleisch, ich rede hier von den Verarbeitungsprodukten, auch von Milchprodukten, in dem Fall von Joghurt –, wo es noch immer die unsägliche Drittel-Regelung gibt, die festlegt, dass ein Drittel der Rohstoffe nicht aus Österreich stammen muss. Ich halte es für ein unglaubwürdiges Markenzeichen, wenn nicht alle Zutaten, die im verarbeiteten Produkt drinnen sind – im Fall von Joghurt, Wurst oder Faschiertem –, aus Österreich stam­men. Hier müssen alle Zutaten aus Österreich stammen, dann hat das Gütesiegel mei­ner Ansicht nach Glaubwürdigkeit. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Kommt mir jetzt nicht mit irgendwelchen Studien! Die AMA hat auf ihrer Homepage den Bericht der Stakeholder-Tagung vor eineinhalb Jahren veröffentlicht und da wird na­türlich bekannt gegeben, dass 98 Prozent der Österreicher das AMA-Gütesiegel ken­nen. Das stimmt, das glaube ich, obwohl es eine Studie der AMA-Marketing ist. Aber die Bekanntheit des Gütesiegels sagt noch nichts über den Inhalt aus, denn diese Stakeholder-Tagung hat auch von einem unabhängigen, von der AMA beauftragten Institut für Grundlagenforschung feststellen lassen, was die Menschen mit dem AMA-Gütesiegel – obwohl man jährlich 20 Millionen € hineinbuttert in die Werbung, und das seit 20 Jahren! – verbinden, welche Assoziationen sie mit dem AMA-Gütesiegel haben.

Was sagen die Österreicher? – Kontrollierte Qualität aus Österreich? Das sagen noch 65 Prozent. Aber Ware aus Österreich sagen nur mehr 30 Prozent. Und Frische: 3 Pro­zent. Das ist vernichtend angesichts dieses enormen Werbeaufwandes, den die AMA-Marketing seit Jahrzehnten mit Zwangsgeldern der Bauern betreibt – um zu solchen Ergebnissen zu kommen, die nicht von der AMA-Marketing selbst erforscht worden sind. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Pirklhuber.)

Ich komme zu noch einem Punkt, der mir in diesem Marketingbericht auch aufgefallen ist, das ist das Personal, das Personal der AMA-Marketing. Hier steht: 53 Angestellte. Jetzt wissen wir: 53 Angestellte, für die der Personalaufwand 2,8 Millionen € beträgt, mit den gesetzlichen Beiträgen 3,9 Millionen €. – Wir haben jetzt einmal zu rechnen be­gonnen.

Ein Landwirt in Österreich verdient laut Grünem Bericht durchschnittlich 23 600 €, An­gestellte verdienen laut Statistik Austria pro Jahr im Durchschnitt 41 000 €. Was die


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Bediensteten der AMA betrifft – es sind zwar Vollzeitäquivalente, aber wenn man es umrechnet: 53 Angestellte, 3,9 Millionen € einschließlich Gehaltsabgaben –, so ver­dient ein Angestellter in der AMA-Marketing im Schnitt über 73 000 €! Und das ist mehr als ungerecht. (Abg. Schimanek: Unglaublich!) Der Landwirt verdient 23 000 €, die An­gestellten in der AMA-Marketing verdienen 73 000 € (Abg. Matznetter: Mit Lohnneben­kosten!), inklusive der Lohnnebenkosten – ohne Lohnnebenkosten sind es 55 000 €, lieber Kollege Matznetter. Und auch das ist meiner Ansicht nach sehr, sehr ungerecht. Hier muss man Dinge einfach ändern.

Wir fordern also erstens ein Interpellationsrecht. Wir fordern, dass die AMA-Marketing­beiträge gesenkt werden. Wir fordern, dass Gerechtigkeit geschaffen wird, dass alle Landwirte Beiträge zahlen – wenn schon AMA-Marketingbeiträge gezahlt werden –, auch die Getreidebauern, auch die Bauern, die Fischproduktion betreiben, oder die Zu­ckerrübenbauern. Wir verlangen eine Überprüfung der Werbemaßnahmen der AMA-Marketing und wir fordern vor allem eine Überprüfung der Gehalts- und Bezügestruktur in der AMA-Marketing. – Danke. (Beifall und Bravoruf bei der FPÖ.)

18.35


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Auer. – Bitte.

 


18.35.11

Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminis­ter! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben es wieder einmal gesehen: Seriöse Darstellung ist mit dem Kollegen Jannach nicht in Einklang zu bringen. Es ist schade, es ist wirklich schade, wenn hier so getan wird – indem man die gesamten Ab­gaben, die Sozialversicherungsbeiträge und die Lohnkosten in einen Topf wirft –, als verdiene der Einzelne so viel. Es ist eine Zumutung, Kollege Jannach, das so darzu­stellen. Schämen Sie sich! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Das eherne Gesetz der Wirtschaft lautet ganz einfach: Wer nicht wirbt, der stirbt. – Und es ist notwendig. (Abg. Kickl: Sie sterben ja offenbar  der Werbung!) Machen Sie sich um unsere Bereiche keine Sorgen, Herr Kollege Kickl. In Ihren Bereichen haben Sie vielleicht mehr Arbeit vor sich.

Meine Damen und Herren! Man kann über Werbung und Marketing immer streiten. Aber wenn für die österreichische Qualität, die die Bäuerinnen und Bauern erzeugen, rund dieser Betrag für Werbung ausgegeben wird, und auf der gegenüberliegenden Seite stehen die Handelsketten, die Hunderte Millionen für Werbung ausgeben (Abg. Pirklhuber: 300!) – ich weiß, Kollege Pirklhuber –, womit diese Handelsketten aber nicht nur für österreichische Qualität, sondern auch für viele andere Bereiche werben, da gehen Sie dann her und mokieren sich über die Beiträge, die die Bauern aufbrin­gen?!

Es ist auch notwendig, Werbung zu machen, Werbung zu betreiben, denn gerade die österreichischen Bauern produzieren Produkte hervorragender Qualität. Und es ist ja bemerkenswert, ich lese heute in der gestrigen Ausgabe der „Oberösterreichischen Nachrichten“ unter dem Titel „Strengere Regeln für Pestizide“ Folgendes: 9 766 Trink­wassertests wurden durchgeführt, und bei 98 Prozent gab es keine Beanstandungen. – Einen derartig tollen Wert sollen mir andere Betriebszweige einmal vorhüpfen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Und dann wird manchmal so getan, als ob die österreichischen Bauern die Umwelt ver­giften würden! Das bestätigt der Kollege Anschober aus Oberösterreich. (Abg. Pirklhu­ber: Ist eh klar!)

Meine Damen und Herren, offensichtlich funktioniert die Bewirtschaftung des Landes, offensichtlich gehen die Bauern sorgsam damit um, offensichtlich produzieren sie nach-


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haltig, und offensichtlich sind sie auch in der Lage, zukunftsfähig zu bewirtschaften. Und wenn in diesem Bericht der AMA das eine oder andere aufgezeigt wird, so sollten wir durchaus auch wissen, dass bei der Qualitätssicherung die Qualitätsbezeichnung vielleicht noch ein wenig verbesserungsbedürftig ist – das ist durchaus gar keine Fra­ge –, dass sie vielleicht nachvollziehbarer zu machen ist.

Aber die entscheidende Frage ist: Wie gelingt diese Werbung? Wie gelingt diese Dar­stellung des österreichischen Qualitätsprodukts, von der auch der Tourismus profitiert (Abg. Kickl: Auch die niederösterreichischen Getreidebauern, auch die! Wieso zahlen die nichts? Erklären Sie mir das! Sie sagen, Sie kennen sich so gut aus!), und wir Bau­ern umgekehrt vom Tourismus? Das ist eine Einheit, gar keine Frage, und sollte eine gute Partnerschaft sein. (Abg. Kickl: Aber warum zahlen die Niederösterreicher dann nichts?)

Herr Kollege Kickl, bleiben Sie bei Ihrem Leisten! (Abg. Kickl: Das können Sie mir doch sagen! Warum sagen Sie mir denn das nicht?) Sie verstehen von Landwirtschaft leider nichts. Das ist bedauerlich, aber vielleicht können Sie noch einmal eine Nach­hilfestunde bei irgendeinem Experten nehmen. Das muss nicht ich sein, da gibt es ge­nug andere. Sie sind natürlich ein schwieriger Fall. Mir ist durchaus bewusst, dass das bei Ihnen schwierig sein wird. Das verstehe ich. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Wichtig ist, sich in Erinnerung zu rufen, warum denn diese Marketing-Beiträge eingeführt wurden: Zur Förderung und Sicherung des Absatzes von land- und forstwirtschaftlichen Erzeugnissen und der daraus hergestellten Erzeugnisse, zur Erschließung und Pflege von Märkten für diese Erzeugnisse im In- und Ausland und zur Verbesserung des Vertriebes dieser Erzeugnisse.

Es wird immer so getan, als wären wir in Österreich eine Insel der Seligen. Wenn man sich heute den Marktbericht aus Deutschland ansieht, dann sieht man, der Schwei­nepreis geht nach unten. Was passiert? – In Österreich geht er auch nach unten. Das ist die Realität des Marktes, und wir müssen daher mit einer besseren Qualität punk­ten. Dazu soll diese AMA-Marketing-Organisation beitragen. Sie hat eine durchaus po­sitive Arbeit geleistet. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Kickl: SOKO AMA!)

18.39


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Doppler. – Bitte.

 


18.39.42

Abgeordneter Rupert Doppler (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr ver­ehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Es liegt uns der erste Tätigkeitsbericht der AMA-Marketing vor. Auftrag dieser Einrichtung ist es, den Absatz österreichischer land­wirtschaftlicher Produkte zu fördern. – So weit, so gut.

Dieser Bericht, Herr Minister, ist besser als nichts, aber bei Weitem nicht zufrieden­stellend.

Wünschenswert, meine sehr verehrten Damen und Herren, wäre eine Auflistung nach Rubriken, nach Mittelherkünften, nach Geldquellen, eine Auflistung der Verwaltungs­kosten und der Personalkosten. (Abg. Eßl: Das ist drin!) Es läuft eine Prüfung, ob der Rechnungshof diese Einrichtung prüfen darf, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das ist eine notwendige Sache.

2013 betrug die Summe für Marketingzwecke gut 17 Millionen €, 18 Prozent davon für den Printsektor, 14 Prozent für Events und Werkverträge. Und da wäre eine Prüfung dringend notwendig. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)


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18.40


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Preiner zu Wort. – Bitte.

 


18.40.58

Abgeordneter Erwin Preiner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Kol­leginnen und Kollegen! Es ist heute das erste Mal, dass ein Bericht der AMA-Marke­ting GesmbH hier im Plenum diskutiert wird. Der Bericht bezieht sich auf das Ge­schäftsjahr 2013.

Man sieht, Transparenz und Nachhaltigkeit sind keine leeren Schlagwörter, sondern haben auch in der Landwirtschaft Einzug gehalten. Auch im Regierungsprogramm für die laufende Gesetzgebungsperiode sind Transparenz und Nachhaltigkeit in den Be­reichen ländlicher Raum und Landwirtschaft bereits explizit ausgewiesen. Ich habe da­her gefordert, dass ein entsprechender Bericht nicht nur im Ausschuss, sondern auch hier im Plenum öffentlich diskutiert wird.

Ich bedanke mich sehr herzlich beim Koalitionspartner, bei Herrn Kollegen Auer, aber auch bei den beiden Oppositionsparteien, den Grünen und den NEOS, dass sie zu­gestimmt haben, dass der Bericht im Landwirtschaftsausschuss sehr sachlich und de­tailliert diskutiert wurde und heute auch öffentlich zur Diskussion gestellt wird.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, welche Aufgabenbereiche hat eigentlich die AMA-Marketing GesmbH? – Ich möchte ganz kurz nur zwei Zielvorstellungen nennen: zum einen, Maßnahmen zu setzen, um landwirtschaftliche Produkte im In- und Ausland verkaufen zu können, das heißt, nachhaltig Werbemaßnahmen zu setzen für den Absatz, den Verkauf der landwirtschaftlichen Produkte, und zum Zweiten, die Konsu­mentInnen notwendigerweise auch über die Qualität der Produkte zu informieren.

2013 hat das Budget der AMA-Marketing GesmbH in Summe 23,2 Millionen € betra­gen – wir haben es vorhin bereits gehört –, davon stammen 2,3 Millionen € aus EU-Förderungen und 17,9 Millionen € direkt aus AMA-Marketing-Beiträgen der Beitrags­pflichtigen.

Ich glaube aber, es ist notwendig, hier einiges genauer zu beleuchten. Wie gesagt, der Bericht an und für sich ist ein erster richtiger und wichtiger Schritt in Richtung mehr Transparenz. Die SteuerzahlerInnen, aber auch die Beitragspflichtigen sollen wissen, wie ihr Geld investiert wird.

Der Bericht gibt aber auch Anlass zur Kritik. Ich möchte einige Beispiele anführen. Ich glaube, wir brauchen die Gleichbehandlung aller landwirtschaftlichen Betriebe, und bin der Meinung, dass auch die Betriebe, die Getreide produzieren, einen entsprechenden Marketingbeitrag leisten sollten. Andererseits wissen wir, dass Betriebe, die Direktver­markter sind und ihren eigenen Wein ins Ausland exportieren, AMA-Marketing-Beiträge zahlen. Ich möchte daran erinnern, dass das bei den milchproduzierenden Betrieben nicht der Fall ist.

Ich habe im Bericht der AMA-Marketing GesmbH nicht gesehen, dass dieser eine de­taillierte Spartenaufstellung im Bereich des Biolandbaus enthält, und hoffe, dass das im Bericht 2014 nachgeliefert wird.

Ansprechen möchte ich auch noch die Werbeeinschaltungen. Es ist klar, dass Wer­bung gemacht werden muss. Im vierten Quartal 2013 wurden für Werbeschaltungen in diversen Medien in Summe 1,2 Millionen € ausgegeben, wobei sich die Frage stellt, ob dieser Betrag in dieser Höhe notwendig gewesen ist.

Zum Abschluss noch ein wichtiger Bereich, der mir persönlich ebenfalls am Herzen liegt. Das AMA-Gütesiegel gibt es, wie wir wissen, in Österreich bereits seit dem Jahr 1994. Dabei hat sich in einem Zeitraum von über zwei Jahrzehnten bereits sehr vieles geändert. Die Anbaumethoden, die Produktionen in der Landwirtschaft sind mo­derner geworden. Das Konsumentenverhalten hat sich ebenfalls geändert. Es ist daher notwendig, dass auch das AMA-Gütesiegel, das aus dem Jahr 1994 stammt, einer Evaluierung unterzogen wird.


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Ich wünsche den Landwirten, den Bauern in Österreich gutes Gelingen im Ernte- und Arbeitsjahr 2015 und uns KonsumentInnen gesunde, leistbare und nach Möglichkeit auch GVO-freie Produkte.

Ein herzliches Dankeschön an die Experten der AMA-Marketing GesmbH für die Er­stellung des Berichtes. Ich bin schon gespannt, wie der Bericht über das Jahr 2014 aussehen wird. (Beifall bei der SPÖ.)

18.45


Präsident Karlheinz Kopf: Nun gelangt Herr Abgeordneter Dr. Pirklhuber zu Wort. – Bitte.

 


18.45.41

Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Ja, meine Damen und Her­ren, es ist schon einiges gesagt worden, insbesondere, dass wir dem Bericht zustim­men, weil von uns gemeinsam beschlossen wurde, dass er vorgelegt werden muss. Wir begrüßen auch, dass es hier eine Plenardebatte zu diesem Bericht gibt. Und ich denke, das ist der erste Schritt, um einfach Klarheit und Transparenz herzustellen. Das erwarten sich die Beitragszahler, die Bäuerinnen und Bauern, das erwarten sich aber auch die Konsumentinnen und Konsumenten, die im österreichischen Lebensmittel­handel AMA-Gütesiegel-Produkte kaufen oder das AMA-Biosiegel kennen und beim Einkauf davon ausgehen, dass da alles mit rechten Dingen zugeht.

Jetzt ist die erste und wichtigste Frage für mich: Was legitimiert eigentlich die AMA, dass sie Markenzeichen führt und diese auch in der Öffentlichkeit bewirbt? Wir kennen ja auch andere, es wird ja auch im Bericht dargestellt, zum Beispiel „Ja! Natürlich“, die Handelsketten wurden angesprochen, die haben Eigenmarken. Es gibt andere Marken, wie „Qualität aus Österreich!!“, die auch beworben werden.

§ 21a des AMA-Gesetzes legt genau fest, was die AMA tun kann. Sie kann nämlich Richtlinien erlassen. Meine Damen und Herren! Das ist eigentlich die Geschichte! Die AMA kann Richtlinien erlassen, und Sie, Herr Bundesminister, müssen diese Richt­linien genehmigen. Das heißt, Sie haben eine ganz wesentliche Funktion, obwohl die AMA per Gesetz eigenständig aktiv ist. Sie als Minister müssen die jeweiligen Richtli­nien genehmigen, und zwar Richtlinien zur Vergabe von Gütezeichen. So steht es drin­nen! Es steht nicht drinnen, dass diese Zeichen per se anders sind als andere Gü­tezeichen, sondern es steht nur drinnen, dass sie eigenständige Richtlinien erlassen können.

Worauf ich hinaus will, werte Kolleginnen und Kollegen, Herr Bundesminister, ist Fol­gendes: Es ist in keinem Gesetz in Österreich festgelegt, was ein Gütezeichen ist. Bis heute gibt es keine Nachfolgeregelung zu der alten Gütezeichenverordnung, die vor einigen Jahren ausgelaufen ist. Das ist ein echtes juristisches Dilemma. Wir haben ei­gentlich verschiedenste Institutionen, die behaupten, sie machen Öffentlichkeitsarbeit mit Gütezeichen.

Was ist die reale Substanz dieser Zeichen? – Sie sind im Markenregister eingetragen, die Zeichen der AMA genauso wie die Zeichen des Rewe-Konzerns oder von anderen Vereinen.

Meine Damen und Herren, das ist eine Gesetzeslücke, und dieser Bericht dokumentiert erstmals klipp und klar, dass das ein Faktum ist, weil die AMA ja auch jährlich erhebt, wie diese Gütezeichen bei den Konsumentinnen und Konsumenten in Österreich be­kannt sind. Aber was ein Gütezeichen ist, das ist nirgendwo festgelegt. Welche Güte­zeichen die AMA zum Vergleich auswählt und warum gerade diese für den Vergleich ausgewählt wurden, geht aus diesem Bericht mit keinem Wort, mit keiner Klarstellung, mit keinem gesetzlichen Hinweis hervor.


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Ich würde es verstehen, wenn solche, die staatlich als Gütezeichen zugelassen sind, verglichen würden. Aber da geht es teilweise um private Zeichen wie „Bio Austria“. Ich bin selbst Biobauer, Mitglied in diesem Biobauer-Verband. Aber warum dieses Zeichen als privates Markenzeichen mit verglichen wird – ja, das hat natürlich Qualität –, geht für mich aus diesem Bericht nicht hervor.

Also, Herr Bundesminister, da sehe ich ähnlich wie Kollege Auer, der das vielleicht auf andere Punkte, etwa die Herkunftszeichnung, bezogen hat, Verbesserungsbedarf.

Nur dann, wenn wir für die Bevölkerung, die Gesellschaft klarlegen, was wir überhaupt vergleichen und was Gütezeichen sind, können wir diese auch bewerten, können wir diese auch entsprechend bewerben und können wir diese auch durchgängig argumen­tieren. Also das ist mein wirklicher Appell an Sie! (Beifall bei den Grünen.)

Einige Kritikpunkte sind vom Kollegen Jannach ja auch schon angemerkt worden, ins­besondere was die Vertretung im Aufsichtsrat betrifft. Das ist eine politische Frage. Wie ein Ex-Minister dort sozusagen einen prominenten Platz im Aufsichtsrat bekommt, müss­te man auch einmal erläutern.

Also ich kann nicht nachvollziehen, warum gerade Ex-Minister Pröll jetzt im Aufsichts­rat der AMA sitzt. Aber, Herr Bundesminister, vielleicht können Sie Stellung dazu be­ziehen, denn Sie werden ja auch dazu eine Meinung haben, oder das Ministerium wird auch diese Frage relevant finden.

Was aus meiner Sicht auch noch ein Problem ist, das in diesem Bericht auch nicht dar­gestellt wird und eigentlich immer vergessen wird, ist Folgendes: Öffentlichkeitsarbeit für die Landwirtschaft macht nicht nur die AMA. Die AMA macht Werbeeinschaltungen, und zwar ganz wesentlich, in allen möglichen Medien. Das ist sauber aufgelistet. Aber wer auch sehr viel Öffentlichkeitsarbeit für bäuerliche Produkte, für die Landwirtschaft macht, das sind die Landwirte, die Bäuerinnen und Bauern selbst, das sind die Direkt­vermarkter, das sind die Urlaub-am-Bauernhof-Betriebe. Sie sind jene, die tagtäglich mit ihrer Arbeit Öffentlichkeitsarbeit machen für Qualität aus Österreich, nämlich tat­sächlich vor Ort, regional, saisonal, vom Hof, direkt.

Da fehlt mir eine Initiative der AMA, auch wenn sich da natürlich die Frage der Bei­tragsregelung stellt und man fragen muss: Wie schaut es mit Beiträgen aus?, aber alle Bauern liefern Beiträge. Es sind die Bäuerinnen und Bauern, die den Hauptkuchen der Beiträge liefern, und gerade diese Betriebe sind im AMA-Aufsichtsrat, im AMA-Gre­mium überhaupt nicht abgedeckt.

Kollege Jannach hat zu Recht gesagt: Die Milchbetriebe bilden sozusagen den Haupt­stock des Budgets von über 10 Millionen €; sie liefern auch die meisten Beiträge. Und da muss man einmal die ganz konkrete politische Frage stellen: Was hat zum Beispiel die Faire Milch, die Marke der IG-Milchbauern, eigentlich von der Agrarmarkt Austria? Was tut die AMA für Milchbauern in Österreich, die sich zu kleinen Genossenschaften zusammenschließen und eigenständige Marken – das ist auch eine Marke, die könnte man auch abfragen – führen? Im Rahmen des Markenzeichenbereiches könnte man abfragen: Wer kennt die Faire Milch? (Abg. Sieber: Die Milch wird beworben!)

Natürlich, Kollege Sieber, die Milch wird beworben, aber die Frage ist trotzdem: Wel­che Aktivitäten werden gesetzt, um auch kleine Projekte zu fördern und voranzubrin­gen? Ich habe eben Beispiele genannt.

Was wir nicht vergessen sollten und was auch, glaube ich, Kollege Preiner gemeint hat, ist, dass die spezifischen Maßnahmen, die für den Biosektor gesetzt werden – und das würde man eigentlich erwarten –, aufgelistet werden sollten.

Die AMA sagt ja auch klar: Dieser Sektor ist nachhaltig am Wachsen, etwa der Milch­bereich. Zirka 15 Prozent im Lebensmittelhandel sind Bio-Milchprodukte, bei den Eiern


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sind es sogar mehr, um die 20 Prozent, also gute Margen. Trotzdem wäre es interes­sant, das gesamte Milch- und auch das gesamte Bio-Segment konkreter auszuarbeiten und nachvollziehbar zu machen, was genau die Strategie der AMA ist.

Die echte Achillesverse, das, wo die AMA angreifbar ist, sind die Richtlinien im Fut­termittelbereich. Wenn ich ein Gütezeichen führen will, dann brauche ich einheitliche Vorschriften. Wie soll ich einer Konsumentin/einem Konsumenten erklären, dass bei dem einen AMA-Gütesiegel für Fleisch 30 Prozent Gentechnik-Soja aus Brasilien oder Argentinien oder den USA gefüttert wurde und beim anderen gentechnikfreies Soja, möglicherweise aus dem Donau-Soja-Projekt, aus unserer Region, aus Mitteleuropa? Wie soll ich das einem Konsumenten erklären: einmal Gentechnik im Futter und einmal gentechnikfrei? – Das ist ein Widerspruch, Herr Bundesminister, den Sie dringend und zwingend beseitigen müssen. Ich gebe Ihnen ein halbes Jahr dafür, eine Initiative zu starten.

Das ist überfällig, mehr als überfällig. Warum überfällig? – Kommissionspräsident Jun­cker hat dieser Tage sogar einen Vorschlag gemacht, wonach Länder in Zukunft auch im Futtermittelbereich Gentechnik-Soja verbieten können.

Ich meine, die Implikationen, Herr Bundesminister, dieses Vorschlages kann man dis­kutieren und auch kritisieren, da bin ich dabei, aber grundsätzlich ist es sehr spannend, dass die EU die Möglichkeit einräumt, dass ein Mitgliedstaat sagt: Wir verbieten – es geht nicht um Freiwilligkeit – sogar Gentechnik im Futtermittelbereich zu 100 Prozent! Das ist eine Möglichkeit, die die Kommission hier ins Auge fasst.

Ich denke, Sie haben jetzt endlich zu handeln, nämlich zumindest im Freiwilligenbe­reich Gentechnikfreiheit zu 100 Prozent umzusetzen, denn das AMA-Gütesiegel ist ja nicht verpflichtend; das AMA-Biosiegel ist sowieso für Produkte, die gentechnikfrei sind.

Das ist ein Gebot der Stunde, und dazu fordere ich Sie heute auf. Wir werden ganz ge­nau beobachten, ob Sie diese notwendigen und richtigen Schritte setzen, denn sonst ist das Konsumententäuschung. Und da werden wir nicht länger zuschauen – keinen Tag länger, Herr Bundesminister! (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

Und das Letzte: Im bäuerlichen Interesse ist auch, dass Lebensmittel-Dumping mit Gü­tezeichen nicht stattfinden darf. Da fordere ich jetzt von dieser Stelle aus den AMA-Aufsichtsrat auf, seine Aufsichtsratsfunktion wirklich wahrzunehmen. Denn wenn der­zeit wirklich Fleisch mit der Auslobung des AMA-Gütesiegels im Lebensmittelhandel mit 50 Prozent Preisnachlass beworben wird – beworben wird, meine Damen und Her­ren! –, dann ist das letztlich auch Betrug an den Bäuerinnen und Bauern und an den KonsumentInnen.

Was wird hier vorgegaukelt? – Dass die beste Qualität um den halben Preis zu erhal­ten ist. Das kann und soll meiner Meinung nach nicht möglich sein, sondern da ist es richtig, ehrlich und offen zu sagen: Qualitätsprodukte haben ihren Preis! Nur dann kön­nen wir eine bäuerliche Landwirtschaft in Österreich aufrechterhalten und eine Indus­trialisierung der Tierproduktion in unserem Land verhindern. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

18.56


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Schellhorn zu Wort. – Bitte.

 


18.56.09

Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Kollege Auer hat zuerst von Pestiziden gesprochen, und das, was in Oberösterreich geschieht, ist sehr löblich, aber ich glaube auch, dass er in seinem Re-


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debeitrag auch giftige Bonbons verteilt hat (Beifall bei Abgeordneten der NEOS), und zwar giftige Bonbons insofern, als er uns weismachen möchte, dass mit diesem durch­aus sehr positiven Bericht, der zum Teil auch sehr transparent ist, alles in Ordnung ist.

Die AMA lukriert Einnahmen in Höhe von mehr als 17 Millionen €, das dürfen wir nicht vergessen. Der Output ist allerdings sehr klein. Kollege Jannach hat bereits gesagt, dass den Großteil natürlich die Milchbauern liefern, und der zweitgrößte Anteil kommt von den Schweinemästern, das ist auch klar. – Ja, von dir, Herr Kollege.

Punkt zwei ist die Erfüllung der Verpflichtung zur Erschließung und Pflege von Märkten für diese Erzeugnisse im In- und Ausland. Wir wissen, wir hatten ein kleines Problem mit Russland, wir hatten dann die Initiative des Landwirtschaftsministers in Asien, aber eines ist auch klar zu sehen – und da müssen wir uns mit den Werbemaßnahmen ein­mal genauer befassen; viele von uns haben heute oder in den letzten Tagen dieses Buch bekommen (der Redner hält ein Buch mit dem Titel „Österreich kocht“ in die Höhe) –: Jedes Mal – und diesen Eindruck habe ich –, wenn ein Mitarbeiter des Kabi­netts des Landwirtschaftsministeriums dieses verlässt, gründet er eine Agentur, und dann kommt irgendeine Angebotsgruppe heraus, sodass wir vor dem Wald an Güte­siegeln, von dem auch Kollege Pirklhuber gesprochen hat, und Angebotsgruppen – Ku­linarisches Erbe, GenussRegion et cetera – gar keine Bäume mehr sehen. Das stimmt mich traurig, und dafür ist auch der Einsatz dieser 17 Millionen € nicht in Ordnung.

Ja, es gibt das Bekenntnis zum Tourismus. Aber was ist in der letzten Zeit geschehen, welche Zusammenarbeiten und Kooperationen wurden gestartet? – Keine! Es wurden Doppelgleisigkeiten aufgebaut, die an Geldverschwendung kaum mehr zu überbieten sind. Man sollte da effizient arbeiten, das Maximum lukrieren und das auch effizient plakatieren. (Beifall bei den NEOS, den Grünen sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

Wenn ich dieses Buch anschaue, dann frage ich mich: Für wen soll dieses Buch sein? Wen soll dieses Buch erreichen? Und dann blättere ich in diesem Buch und komme darauf, es gibt offensichtlich keine GenussRegion Schweinefleisch in Tirol, aber es gibt in diesem Buch Tiroler Rezepte mit Schweinefleisch. Es kommt darin Kürbiskernöl vor, das keine Ursprungsbezeichnung hat.

Wen will ich damit erreichen? Was will ich damit? – Oder wurde das nur für die Na­tionalratsabgeordneten gedruckt, damit sie endlich Ruhe geben und still sind, wenn sie endlich wissen, was die GenussRegionen tun? – Das soll es nicht sein. Das soll es wirklich nicht sein!

Wenn es so ist, wie du richtig gesagt hast: Wer nicht wirbt, der stirbt!, dann muss klar sein, an wen sich die Werbung richten soll, für wen diese landwirtschaftlichen Produkte vertrieben werden sollen und für wen diese AMA-Gesellschaft entsprechend dastehen soll. Und dazu, zu den GenussRegionen, hat auch der Rechnungshof in seinem Be­richt Stellung genommen. Ich zitiere jetzt:

„Der Rechnungshof vermisste für die Kampagne Genuss Region Österreich einen kon­kreten Anlass und die Vorgabe von quantifizierten Wirkungszielen seitens des BMLFUW. Er kritisierte, dass das BMLFUW die jährliche Basisabgeltung für die GRM Genuss Re­gionen Marketing GmbH ohne eine Personal- und Sachkostenvorschau und ohne ein an die tatsächliche Organisationsstruktur angepasstes Entwicklungskonzept vergab.“ – Zitatende.

Da frage ich mich: Was wurde dort gemacht? Wurde da irgendwer beschäftigt? – Es ist schon auch so, dass, wie Kollege Jannach sagt, die hohen Kosten der Mitarbeiter, dieser 53, fast an die Wirtschaftskammer oder an die Arbeiterkammer erinnern. In die­ser Hinsicht geht es feucht-fröhlich so weiter. Die feiern einen ab, wo irgendeine Land­wirtschaftsmesse ist, damit es halt eine Gaudi gibt. Das kann es nicht sein!


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Ich fordere daher – und es muss auch ein konkretes Bemühen geben –, hier große Bil­der zu zeichnen, wie die Vermarktung von Bauern, Tourismus, von landwirtschaftlichen Produkten, von Erzeugern und Tourismus erfolgen kann und wo eine Symbiose herge­stellt werden kann und wo Doppelgleisigkeiten abgeschafft werden sollen. Nur in dieser Hinsicht darf es weitergehen, ansonsten ist die AMA „für die Fisch“. (Beifall bei NEOS und Grünen sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

19.01


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Schultes zu Wort. – Bitte.

 


19.01.34

Abgeordneter Ing. Hermann Schultes (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren im Hohen Haus! Abenteu­erlich, was wir hier hören! Man könnte verzweifeln. Es gibt jetzt den ersten AMA-Mar­keting-Bericht, und was wir daraus lernen, ist, dass sinnerfassendes Lesen offensicht­lich bei Kollegen noch nicht angekommen ist. Denn sonst hätte zum Beispiel Kollege Jannach manches nicht gesagt. Oder meinem Vorredner wäre vielleicht aufgefallen, dass in seinem Genuss-Region-Kochbuch „Österreich kocht“ die AMA gar nicht vor­kommt. Das hat mit der AMA so viel zu tun, wie  (Abg. Schellhorn: Gehört die nicht zur AMA?) – Nein, hat nichts damit zu tun. Das war reine Themenverfehlung, aber macht nichts, das kommt bei euch öfters vor. So ist das Leben. (Präsident Hofer über­nimmt den Vorsitz.)

Meine geschätzten Damen und Herren, die AMA hilft uns, dass wir in Österreich un­sere Qualitätsstrategie verfolgen können. Die Qualitätsstrategie der Landwirtschaft baut darauf auf, dass wir auf der einen Seite Wertschöpfung dadurch generieren, dass die Bauern immer besser werden, die Bauern und Bäuerinnen viel lernen, die Ver­marktungseinrichtungen immer besser werden, wir das gut kontrollieren und wir auf der anderen Seite bei den Konsumenten neben dem Wissen um die Produkte, das leider heute wieder neu gelernt werden muss, auch Wertschätzung für die Produkte, für die Landschaft und für Österreich aufbauen.

Das macht die AMA. Das macht sie sehr gut, das macht sie mit dem Geld der Bauern. Darum etwas Respekt für die Bauern und Respekt auch für die gute Leistung und ein Dan­ke an die AMA! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine geschätzten Damen und Herren, ich muss jetzt noch ein bisschen was zum Kol­legen Jannach sagen. Kollege Jannach ist hier herausgegangen und hat sich wirklich in tiefster Weise über unseren ehemaligen Vizekanzler Sepp Pröll ausgelassen. (Abg. Pirkl­huber: Er hat Fragen gestellt!) Was er da gesagt hat, ist erstunken und erlogen! Kei­ne der Zahlen, die er genannt hat, sind wahr. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

19.03.10*****

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Herr Abgeordneter Schultes, wir wissen, dass wir diese Worte normalerweise nicht verwenden und das einen Ordnungsruf nach sich zieht. Die­sen Ordnungsruf erteile ich nun. (Beifall bei FPÖ und Grünen.)

Ich bitte außerdem, Kollegen im Haus nicht vorzuwerfen, dass sie des Lesens nicht mächtig sind. Auch das wird hier nicht gerne gehört. Dies, obwohl ich ein großer Freund der lebhaften Debatte bin.

*****

Bitte fortzusetzen, Herr


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 197

Abgeordneter.

 


Abgeordneter Ing. Hermann Schultes (fortsetzend): Wenn jemand diesen Bericht ge­lesen hätte, dann wäre er draufgekommen, dass da viel drinnen steht, dass da eine Strategie drinnen steht, die wirklich erstaunlich ist und ein Zeichen dafür, dass mit wenig Geld sehr viel erreicht worden ist. Kompliment an die Leute, die in der AMA arbeiten! Kompliment an die Leute, die in der AMA für dieses Geld arbeiten! Das sind Fachleute, die sind ihr Geld dreimal wert.

Aber jetzt noch einmal zurück zu Sepp Pröll: Er führt die Leipnik-Lundenburger, und tatsächlich, dieses Unternehmen hat im letzten Jahr rote Zahlen gebaut – aber bei Weitem nicht einmal die Hälfte von dem, was Herr Jannach erzählt hat. Seine Zahlen sind also entweder Fantasie oder erfunden oder bewusst erfunden; dann sagt man eben anders dazu. (Zwischenruf bei der FPÖ.)

Der nächste Punkt ist der, dass die Zahlen, die dort an roten Zahlen drinstehen, in einer Zeit entstanden sind, in der er selber noch gar nicht für das Unternehmen ver­antwortlich war, nicht im Unternehmen war. Im Gegenteil, ihm ist es gelungen, in die­sem Unternehmen den wirtschaftlichen Erfolg auf schwarze Zahlen umzudrehen. Aber auch da müsste man ein bisschen mehr lesen und nachdenken.

Was Sie über sein Gehalt gesagt haben, das war pure, maßlose, schamlose  – Was darf ich denn noch sagen, wenn es nicht wahr ist? (Der Redner blickt fragend in Rich­tung des den Vorsitz führenden Präsidenten Hofer. – Heiterkeit.) – Es war einfach so weit weg von jeder Wirklichkeit, dass er ein paar Jahre arbeiten müsste, um das tat­sächlich verdienen zu können. Ich wünsche ihm, dass er noch so lange bei der Leipnik-Lundenburger ist, dass er das wirklich verdient. Ihre Quellen sind erbärmlich, Herr Jan­nach, schämen Sie sich! (Abg. Kitzmüller: Entschuldigung, diese Wortmeldung ist er­bärmlich!)

Es tut mir wirklich weh, dass ein so gutes Unternehmen wie die AMA und die AMA-Gü­tezeichen von solchen Leuten so beleidigt werden, denn die Bauern leisten etwas. (Zwi­schenrufe bei der FPÖ.) Die Kunden bekommen beste Qualität, und wir können dafür dankbar sein, dass es das in Österreich gibt. (Abg. Kitzmüller: Das ist eine unver­schämte Wortmeldung!) Unsere Qualitätsstrategie ist unübertroffen, und die besten Le­bensmittel der Welt verdienen die beste Werbung der Welt. Die AMA bringt das! – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

19.06


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Ab­geordneter Jannach zu Wort gemeldet. Ich mache auf die Bestimmungen der Geschäfts­ordnung dazu aufmerksam. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


19.06.11

Abgeordneter Harald Jannach (FPÖ): Herr Präsident! Ich melde mich zu einer tat­sächlichen Berichtigung zu Wort. Ich möchte aber nicht das wiederholen, was der liebe Kammerpräsident Schultes jetzt gesagt hat, denn sonst bekomme ich auch einen Ord­nungsruf.

Ich zitiere aus dem „WirtschaftsBlatt“: Verlust im Vorjahr: 124,2 Millionen €. Der Ex-Fi­nanzminister Josef Pröll ist dort Vorstandsvorsitzender, bitte. (Abg. Eßl: Was hat das mit einer tatsächlichen Berichtigung zu tun?) – Jetzt kommt die Gage. Jetzt berichtige ich tatsächlich. Die Zahlen, die ich gesagt habe, die stimmen nicht, hat Kollege Schul­tes gesagt, um es höflich zu formulieren – er hat es ein bisschen drastischer formuliert. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich stelle tatsächlich richtig: Der Konzern Leipnik-Lundenburger hat im Vorjahr 124,2 Mil­lionen € Verlust gemacht – laut „WirtschaftsBlatt“. Vorsitzender: Dipl.-Ing. Josef Pröll, ehe­maliger Finanzminister; Leipnik-Lundenburger gehört dem Raiffeisenkonzern.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 198

Zu den Bezügen sage ich auch noch etwas, denn Kollege Schultes hat behauptet – (Abg. Steinbichler: Der Herr Präsident!) Entschuldigung, der Herr Präsident Schul­tes –, dass die Zahlen erstunken und erlogen sind. Ich zitiere wörtlich:

Höher ausgewiesen sind in der Bilanz auch die Bezüge des dreiköpfigen Vorstands, dem Josef Pröll angehört. Sie sind im Geschäftsjahr von 868 000 € auf 989 000 € ge­stiegen. (Ruf bei der FPÖ: Das ist unglaublich!)

Zusätzlich zu der Unterstellung, dass die Zahlen falsch sind: Die Bezüge der Aufsichts­ratsvorsitzenden, und auch die stimmen – Vorsitz: Christian Konrad, Mitglieder: Walter Rothensteiner, Klaus Buchleitner, Erwin Hameseder, Gottfried Wanitschek –, belaufen sich auf 160 000 €. – Danke. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Eßl: Das war keine tatsächli­che Berichtigung! Das ist eine schwache Vorsitzführung, Herr Präsident!)

19.08


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Gusenbauer-Jä­ger. – Bitte.

 


19.08.08

Abgeordnete Marianne Gusenbauer-Jäger (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Wer­ter Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wie schon lautstark von meinen Vorrednern angekündigt, diskutieren wir heute den AMA-Bericht und natürlich die Leis­tungen, die die AMA erbracht hat. Eine Leistung möchte ich hervorheben, und zwar eine für mich sehr wichtige Leistung, nämlich die Kennzeichnung der Lebensmittel mit dem AMA-Gütesiegel.

Österreich ist ein Volk der Pickerl, das kann uns nachgesagt werden. Wir haben Park­pickerl, Umweltpickerl, Autopickerl, Autobahnpickerl und so weiter. Schaut man sich die Landschaft der Gütesiegel an, so könnten wir wahrlich auch behaupten, Österreich ist ein Volk der Gütesiegel. Diese Gütesiegel waren zur Orientierung unserer Konsu­mentinnen und Konsumenten gedacht. Leider führten sie durch die große Anzahl zu Ver­wirrung.

Ich denke, es ist wichtig für uns Konsumentinnen und Konsumenten, dass wir ein Gü­tesiegel zusammenbringen, und zwar das AMA-Gütesiegel. Dieses AMA-Gütesiegel be­deutet: Wo AMA-Gütesiegel drauf ist, ist Österreich drin. (Beifall bei der SPÖ.)

Allerdings reicht das den Konsumentinnen und Konsumenten noch immer nicht, denn sie wollen wissen, was dieses Produkt enthält und wie es verarbeitet worden ist, in wel­cher Form und so weiter.

Das heißt wiederum, dass die AMA gefordert ist, hier Transparenz zu schaffen. Herr Kollege Pirklhuber hat auch schon gesagt, dass es wichtig ist, dass einheitliche Regeln zur Verleihung der Gütesiegel geschaffen werden.

Zum vorliegenden Bericht möchte ich noch sagen, es ist wichtig und richtig, dass es ihn gibt. Es ist gut, dass durch die Initiative der SPÖ dieser Bericht gemacht worden ist. (Abg. Hauser: Das war schon eine freiheitliche Initiative!) – Wenn Sie mitgewirkt haben, ist das sehr, sehr gut, aber die SPÖ hat sich dafür sehr eingesetzt.

Es gibt natürlich noch Erhebliches zu tun, das ist in den Diskussionen von vorhin he­rausgekommen, aber das ist einmal ein erster Bericht. Wir hoffen, dass es eine Eva­luierung in diese Richtung gibt. Das wurde natürlich von den Vorrednern auch schon so gesagt.

Ich erwarte mir von einer GesmbH mit einem Umsatzvolumen von zirka 20 Millionen €, dass es eine detaillierte Darstellung der Bilanz gibt, darüber hinaus eine genaue Be­schreibung der Organe inklusive der Aufsicht und Kontrolle, der quantitativen Abde­ckung der einzelnen Leistungsbereiche, vielleicht auch eine Information über die Mitar­beiterinnen und Mitarbeiter und so weiter. Da gibt es noch viel zu tun.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 199

Wir sind frohen Mutes und sehen dem nächsten Bericht mit großen Interesse entge­gen. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

19.11


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Willi. – Bitte.

 


19.11.59

Abgeordneter Georg Willi (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Her­ren! Ich habe schon ein Problem damit, wenn die Bauernbündler oft so selbstgefällig dastehen und sagen: Wir wissen, wo es lang geht! – und die anderen haben quasi kei­ne Ahnung. (Beifall bei Grünen und NEOS sowie der Abg. Gisela Wurm.)

Am Beispiel meines Vaters habe ich erlebt, wie schwer es ist, Veränderungen in der Landwirtschaft herbeizuführen. Wenn man sich die Geschichte der letzten 30 Jahre anschaut, war es eine kleine Gruppe innerhalb der Landwirtschaft und eine Gruppe – da waren viele Grüne dabei – kritischer KonsumentInnen, engagierter Bürgerinnen und Bürger, die die notwendigen Veränderungen in der Landwirtschaft herbeigeführt ha­ben. Ich würde mir von den Bauernbündlern daher etwas mehr Demut erwarten. (Bei­fall bei Grünen und NEOS.)

Herr Minister, ich bedanke mich für den Bericht. Ein Bericht ist immer ein Anlass, zu schauen, was wir tun, ob wir gut oder weniger gut arbeiten. Ich denke, dass die wei­teren Berichte der AMA-Marketing GmbH zu einer Verbesserung ihrer Arbeit führen werden.

Ich anerkenne eine Fülle von interessanten Zahlen, die uns auch in der politischen Ar­beit helfen. Interessant ist zum Beispiel, dass der AMA-Bericht aufzeigt, dass die Um­sätze bei den Frischeprodukten zwar zugenommen haben, dass aber die Absatzmen­gen zurückgegangen sind. Hintergrund ist: Wir leben in einer Welt, in der die Men­schen für Frischeprodukte immer weniger ausgeben.

Ich war selbst über die Zahl erstaunt: Ein durchschnittlicher österreichischer Haushalt gibt für Frischeprodukte nur 141 € im Monat aus. Das ist wenig, denn die Leute gehen immer mehr außer Haus essen, greifen zu Fertigprodukten und kochen immer weniger. Ich gebe zu, ich bin ein Spätberufener in Sachen Kochen, aber ich empfinde Kochen als etwas unheimlich Kreatives. (Beifall des Abg. El Habbassi.)

Wenn man selber kocht, dann weiß man auch, was Qualität ist, dann bekommt man einen besseren Blick dafür. Letztlich führt das dazu, dass der kritische Blick der Konsu­mentInnen dahin führt, dass die Produktqualität besser wird und am Ende hoffentlich der Bauer, der gute Produkte produziert, auch einen höheren Preis bekommt. Das hal­te ich für eine ganz dringend notwenige Bildungsaufgabe. Zu dem komme ich dann aber am Schluss.

Was sehen wir noch? – Wir sehen Österreich als einen Markt, wo Werbung unheimlich viel bewirkt. Wenn ich mir die Abendnachrichten und die Pausen dazwischen an­schaue, dann ist es wahnsinnig „gesund“, zu Fertigprodukten zu greifen. Ich muss nur das Packerl aufmachen, es in den Topf geben – und ich kriege offensichtlich das beste und qualitätsvollste Essen.

Aber das stimmt natürlich nicht. Es mag das eine oder andere gute Fertigprodukt ge­ben, aber das ist die Ausnahme. In all den Fertigprodukten wird zu schlechterer Qua­lität gegriffen, einfach weil es billig sein muss. Das verstehe ich ja, aber das ist nicht die Qualität, die ich mir wünsche. Da sollte die AMA dagegen halten. Sie sollte den Konsumentinnen und Konsumenten klarmachen, was es bedeutet, wenn man zu hoch­wertigen frischen Produkten greift, was deren Inhalt ist und dass es Sinn macht, nicht nur 141 € im Monat für frische Produkte auszugeben, sondern eben mehr, mit dem Ef­fekt hoffentlich am Ende, dass den Bäuerinnen und Bauern mehr für ihre Arbeit bleibt. (Beifall bei den Grünen.)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 200

Der Bericht zeigt noch etwas, nämlich eine enorme Marktkonzentration in Österreich. Drei große Lebensmittel-Einzelhandelskonzerne, nämlich „Hofer“, „Spar“ und „Rewe“, dominieren den Markt mit 86 Prozent. Die können natürlich enorm viel vorgeben. Und was tun die? – Das hat mein Kollege Pirklhuber schon aufgezeigt: Die geben ganz viel von diesen Frischeprodukten über Aktionen weiter. Und die Botschaft lautet, wie Pirkl­huber gesagt hat: Kauf bei uns billig, und du bekommst AMA sogar zum halben Preis.

Das kann es nicht sein, und da sollte die AMA-Marketing GesmbH nicht mitspielen. Die sollten nicht sagen, AMA ist billig. Es geht um die Qualität, und Qualität muss ihren Preis haben. (Abg. Eßl: Genau das macht sie!)

Das Nächste: Wir lesen im AMA-Bericht darüber, wie viel exportiert wird. Ich weiß ja, das Steckenpferd unseres Landwirtschaftsministers ist der Handel. Er ist ja in Wahrheit unser geheimer Handelsminister, und er versucht sicherzustellen, dass wir ganz viel exportieren.

Jetzt zwei Dinge: Erstens, der agrarische Export ist nicht so hoch, er macht 7,6 Prozent des Gesamtexportes von Österreich aus; das ist also nicht so viel. – Wir importieren im Übrigen mehr agrarische Produkte, als wir exportieren – und das seit vielen Jahren.

Aber wo sind unsere Hauptabsatzmärkte? – Das sind Deutschland, Italien, Ungarn, Slo­wenien, und lediglich 24 Prozent der agrarischen Exporte gehen in Drittländer außer­halb der EU. Das heißt, die Märkte österreichischer Produkte sind quasi vor der Haus­tür. Das ist doch super! Unsere Nachbarn greifen zu österreichischen Produkten, und darauf sollte man setzen. (Ruf bei der ÖVP: Tun wir doch!)

Aber was tut unser Minister? – Er lässt sich abfeiern, wenn er ein Handelsabkommen mit China oder Korea zusammenbringt. Und er kokettiert mit TTIP, weil er glaubt, jetzt exportieren wir die großen Mengen in die USA. – Überhaupt nicht! Wenn wir den USA-Markt aufmachen, dann kommt der USA-Markt zu uns herein, und der ist zehnmal stär­ker als wir. Der macht uns nieder und macht unsere kleinstrukturierte Landwirtschaft nieder – und draufzahlen werden die Bäuerinnen und die Bauern. (Beifall bei Grünen und NEOS sowie der Abg. Weigerstorfer.)

Herr Minister, ich glaube ja noch immer an Ihre Bekehrung. Sie als katholischer Mensch sind befähigt, sich zu bekehren, und bei TTIP erwarte ich das. Sie sind da auf dem fal­schen Weg, wenn Sie auf Märkte setzen, die weit weg sind.

Im Übrigen sind Sie auch Umweltminister, und als solcher wären Sie dafür verantwort­lich, dass man mit kurzen Wegen auskommt und nicht lange Wege macht, die natürlich ihren Umweltpreis haben, nämlich in Form von Schadstoffen, die diese vielen Trans­porte erzeugen.

Meine Damen und Herren, es kann also nicht sein, dass wir mit TTIP liebäugeln und mit viel importiertem Futtermittel wiederum Fleisch erzeugen, das wir dann nach Korea und China exportieren. Ich habe das an anderer Stelle schon ausgeführt.

Ich will also eine AMA, die weniger eine Marketing-Einrichtung ist, sondern vor allem eine Bildungseinrichtung wird, die die Österreicherinnen und Österreicher dahin ge­hend bildet, was ein gutes Produkt ist, wie es schmecken soll, wie vielfältig es sein kann.

Da fällt mir der Spruch eines alten Käsemeisters aus Vorarlberg ein, der gesagt hat: Unser größtes Problem ist der Geschmacksverlust der Konsumentinnen und Konsu­menten! – Er hat damals natürlich „Konsumenten“ gesagt; ich sage: Konsumentinnen und Konsumenten. – Der Geschmacksverlust ist also das größte Problem. Die Leute wissen nicht mehr, wie guter Käse schmecken sollte, ein frisches Radieschen, gutes Fleisch. Sie sind mit minderer Qualität zufrieden, weil sie ständig mit minderer Qualität konfrontiert werden.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 201

Wenn die AMA es schaffen würde, mit ihrer Aufklärungs-, sprich Bildungsarbeit die Konsumentinnen und Konsumenten dahin zu führen, dass sie diese Qualität, den gu­ten Geschmack, die Vielfalt, all das nachfragen, dann glaube ich, dass wir einen Quan­tensprung in der Qualität unserer Landwirtschaft machen, dass die Bäuerinnen und Bauern dafür ihren fairen Preis bekommen, etwas, das alle einfordern und das den Bäuerinnen und Bauern zusteht. Das würde ich mir wünschen.

Daher, Herr Minister, meine Bitte am Schluss: Schauen Sie, dass die AMA-Marketing GesmbH zu einer Bildungseinrichtung für hohe Qualität und guten Geschmack wird. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

19.20


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Ing. Schultes. – Bitte.

 


19.20.29

Abgeordneter Ing. Hermann Schultes (ÖVP): Zweiter Anlauf, keine tatsächliche Be­richtigung, einfach ein Redebeitrag.

Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Zuerst einmal zu den Ausführungen meines Vorredners, des Herrn Willi. Danke, das war jetzt zumindest ein respektvoller Redebeitrag, der die AMA wertschätzt und auch den Bauern Wertschätzung entgegen­bringt. Das gefällt mir, das ist gut. Damit, dass Sie die AMA als Bildungseinrichtung se­hen, werden Sie ihr schon ziemlich gerecht, und wenn Sie dann die Berichte von 2014 und 2015 sehen, werden Sie jubeln, denn da hat sich, auch mit dem neuen Chef, ei­niges geändert. Die AMA will die wirkliche Landwirtschaft zeigen und den Menschen die Qualität aus der wirklichen Landwirtschaft näherbringen. (Beifall bei der ÖVP. – Zwi­schenrufe bei der FPÖ.)

Zur tatsächlichen Berichtigung, die Herr Jannach vorgetragen hat: Er hat vorgelesen, dass drei Vorstandsmitglieder gemeinsam irgendetwas um die 900 000 € bekommen. Dividiert durch drei wird man schon in der Nähe sein. Okay? – So einfach ist die Welt. Dividiert durch drei, und man ist in der Nähe. So liest man einen Vorstandsbericht, und wenn man dann Geschäftsergebnisse nachlesen will, dann liest man, dass eine Wert­berichtigung nichts anderes zeigt  (Abg. Steinbichler: Ist das eine tatsächliche Be­richtigung oder ?) – Ich erkläre ihm jetzt, was er gelesen hat, denn das, was er ge­lesen hat, braucht offensichtlich eine Erklärung. (Zwischenrufe bei der FPÖ. – Zwischen­ruf des Abg. Brosz.)

Eine Wertberichtigung zeigt das, was früher war und nicht funktioniert hat, aber noch in den Büchern steht – das muss man dann berichtigen. Wenn diese Summe kleiner wird, dann wird es in der betriebswirtschaftlichen Darstellung so etwas wie woanders ein Verlust. Dem wird das gegengerechnet, was an Erträgen gekommen ist. Der Verlust wird kleiner, die Erträge machen den Verlust kleiner. In der Bilanz steht dann das wirkliche Ergebnis. Das heißt, er hat nicht 120 Millionen € Verlust gemacht, sondern er hat ein positives Ergebnis gemacht, das durch die Wertberichtigung der letzten Jahre zu einem Bilanzminus geworden ist. So einfach ist die Welt – Handelsschule, 3. Jahr­gang. (Zwischenruf des Abg. Steinbichler. – Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeord­neten von ÖVP und FPÖ.)

Ich wünsche Ihnen eine gute Unterhaltung für alle weiteren Ausschüsse, denn ganz offensichtlich können Sie sich mit eins und eins ist zwei ganz gut unterhalten. – Danke. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Schönegger: Bilanzen lesen leicht gemacht!)

19.23


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Bundesminister Dipl.-Ing. Rupprechter zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 202

19.23.13

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Andrä Rupprechter: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Lassen Sie mich ebenfalls zu diesem Bericht Stellung nehmen, zu den Aktivitäten der AMA-Marketing GesmbH. Herr Abgeordneter Willi, ich tue das in aller Demut.

Die AMA-Marketing GesmbH ist eine eigenständige Gesellschaft der Agrarmarkt Aus­tria und untersteht nicht dem direkten Einflussbereich meines Ressorts. Damit sind die AMA-Marketing-Aktivitäten auch nicht vom Interpellationsrecht erfasst. Als Serviceleis­tung und aus Respekt gegenüber dem Hohen Haus und auch als Beleg der von mir angekündigten Transparenz habe ich diesen Bericht ermöglicht.

Wir haben im Ausschuss auch eine wirklich ausgezeichnete, ausführliche und sehr kons­truktive Debatte über diesen Bericht geführt, und deswegen bin ich teilweise ein biss­chen verwundert über die Tonalität von Teilen der Opposition hinsichtlich dieses Be­richts. Herr Abgeordneter Jannach und Herr Abgeordneter Schellhorn! Sie wissen selbst, dass Ihre Aussagen, beispielsweise zu den Personalaufwendungen, unsachlich, un­richtig und rein populistischen Charakters sind. (Abg. Kitzmüller: Meine Güte!)

Mit dem vorliegenden Bericht wird in ausgezeichneter Weise über die Tätigkeit der AMA-Marketing GesmbH im Jahr 2013 Rechenschaft abgegeben. Ich möchte jetzt gar nicht im Detail auf diese Aktivitäten eingehen. Wir haben im Ausschuss eine sehr sach­liche Debatte geführt. Es standen den Abgeordneten im Ausschuss Geschäftsführer Dr. Michael Blass und Dipl.-Ing. Martin Greßl in sehr profunder Art und Weise als Aus­kunftspersonen zur Verfügung. Sie haben auch wirklich eingehend zu allen Fragen der Abgeordneten Stellung genommen. Wir haben eine sehr hochstehende und fachliche Debatte geführt und, wie gesagt, die heutigen Debattenbeiträge von Teilen der Opposi­tion entsprechen nicht ganz dieser Diskussion, die wir im Ausschuss geführt haben.

Mir ist es aber ein Anliegen, nochmals auf die Erfolgsgeschichte der AMA-Marketing ein­zugehen. Denn in den mehr als 20 Jahren haben sich die Agrar-Marketing-Aktivitäten fest etabliert, und gerade das AMA-Gütesiegel ist zu einem Eckpfeiler der Qualitätspro­duktion im agrarischen Bereich und im Lebensmittelbereich insgesamt geworden. Das AMA-Gütesiegel steht heute für Verlässlichkeit, für Glaubwürdigkeit, für Herkunft und für Identität, und dem entspricht auch die hohe Anerkennung bei den Konsumenten, die Vertrauen in dieses Gütesiegel haben. (Zwischenruf des Abg. Steinbichler.)

Herr Abgeordneter Willi, es wurde gerade gesagt – und das entspricht auch den Tat­sachen –: Die AMA-Marketing ist heute schon diese Bildungseinrichtung, von der Sie gesprochen haben. Ich war selbst in den Geburtsstunden der AMA und auch der AMA-Marketing dabei. Ich kann heute nach 20 Jahren sagen: Dieses Kind hat sich hervor­ragend entwickelt, und es wurde diesem Kind ja auch schon mit dem Namen in die Wiege gelegt, denn AMA ist der Imperativ von „ich liebe“. – Vielen Dank, Hohes Haus. (Beifall bei der ÖVP.)

19.26


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Schopf. – Bitte.

 


19.26.55

Abgeordneter Walter Schopf (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Sehr verehrte Da­men und Herren! Es ist schon mehrmals erwähnt worden, es ist ein interessanter, guter Bericht. Ich möchte in diesem Zusammenhang unserem Landwirtschaftssprecher Er­win Preiner herzlich Danke sagen, er war einer der Initiatoren dieses Berichts. – Dan­ke, lieber Erwin! (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Sehr verehrte Damen und Herren, ich möchte mich vor allem mit jenen Kapiteln, die die Kontrolltätigkeit betreffen, kritisch auseinandersetzen. Man liest in diesem Bericht


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 203

sehr viel über die Kontrolltätigkeit. Im Jahr 2013 fanden immerhin 15 000 Vor-Ort-Kon­trollen statt, davon zirka 7 000 im Bereich der Milch und Milcherzeugnisse, 2 000 im Bereich Fleisch und Fleischerzeugnisse und zirka 2 000 Kontrollen im Bereich von Obst, Gemüse und Speiseerdäpfeln. Dazu kommen noch rund 10 000 Produktanalysen und die Kontrollen in den zahlenmäßig kleineren Programmen, AMA-Biosiegel, AMA-Handwerksiegel und AMA-Gastrosiegel.

Interessant dabei ist, meine Damen und Herren, dass im Bericht nur die Anzahl der Kontrollen ausgewiesen worden ist, nicht jedoch die Ergebnisse dieser Kontrollen. Ich denke, wenn dem Parlament ein Kontrollbericht vorgelegt wird, wäre es doch sinnvoll und wichtig – vor allem für die Abgeordneten, um die richtigen parlamentarischen und juridischen Konsequenzen daraus zu ziehen –, auch zu erfahren, welche Ergebnisse bei diesen Kontrollen existieren.

Wir wissen, wie viele Betriebe kontrolliert worden sind. Wir wissen aber nicht, in wie vielen Betrieben nicht kontrolliert worden ist. Wie hoch ist die Prüfungsdichte? – Wir kennen, wie erwähnt, die Anzahl der Kontrollen, aber wir wissen nicht, wie viele Kon­trollen zu Beanstandungen geführt haben. Zudem wäre dann noch interessant zu wis­sen, was die häufigsten Gründe für eventuelle Beanstandungen waren und welche Kon­sequenzen sich daraus ergeben werden.

Wir haben bereits in der Sitzung des Landwirtschaftsausschusses am 11. März darü­ber diskutiert, und ich habe dort ersucht, auch diese Daten in die zukünftigen Berichte aufzunehmen. Um diese Anregung zu unterstreichen, habe ich kurz darauf eine parla­mentarische Anfrage gestellt, um die entsprechenden Daten für den Berichtszeit­raum 2013 zu erfragen. Im Gegensatz zum Herrn Minister bin ich nämlich der Ansicht, dass die AMA-Marketing schon vom parlamentarischen Anfragerecht erfasst sein müsste, immerhin wird sie durch zweckgebundene öffentlich-rechtliche Mittel finanziert, wie auch im vorliegenden Bericht dargelegt wird und auch von der EU-Kommission be­stätigt wurde. (Abg. Schrangl: Bravo! – Abg. Kitzmüller: Eben!)

Die Frist für die Beantwortung ist Mitte Mai, konkret der 18. Mai, und ich hoffe sehr, dass die Antworten ausführlich sein werden und dass die entsprechenden Daten schrift­lich geliefert werden. – Ich danke. (Beifall bei der SPÖ.)

19.29


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Ab­geordneter Brosz zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


19.29.59

Abgeordneter Dieter Brosz, MSc (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich bin zwar kein Landwirtschaftsexperte, aber bei der Geschäftsordnung kenne ich mich aus. Daher muss ich Sie tatsächlich berichtigen.

Herr Minister, Sie haben behauptet, dass dieser Bericht eine Serviceleistung wäre, die Sie dem Hohen Haus unterbreitet hätten. – Das ist möglicherweise Ihre Darstellung, es ist auf jeden Fall nicht richtig.

Der Bericht kann nämlich nur dann zur Verhandlung gebracht werden, wenn es eine ge­schäftsordnungsmäßige Grundlage gibt. Und diese geschäftsordnungsmäßige Grund­lage gibt es, weil es eine Entschließung des Landwirtschaftsausschusses gegeben hat, dass Sie als Bundesminister verpflichtet sind, dem Nationalrat einen solchen Bericht vorzulegen.

Zum Verhältnis von Regierung und Parlament ist mir nur wichtig, das klarzustellen. Das ist keine „Serviceleistung“, sondern ein Recht, das das Haus in Anspruch genommen hat. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.)

19.30


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Eßl. – Bitte.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 204

19.30.53

Abgeordneter Franz Leonhard Eßl (ÖVP): Herr Präsident! Meine geschätzten Da­men und Herren! Wir diskutieren den Bericht über die Aktivitäten der AMA-Marketing Gesellschaft. Mit rund 23 Millionen € setzt die AMA-Marketing umfangreiche Aktivitäten mit dem Ziel, den Absatz der Erzeugnisse der österreichischen Landwirtschaft zu stär­ken.

Gerade dann, wenn man dieses Ziel verfolgt, verwundert es mich natürlich, dass der Kollege Jannach jetzt das Auslaufen der Quote damit in Verbindung bringt, diese Ab­satzaktivitäten, die Werbemaßnahmen, einschränken zu wollen. Jetzt, gerade jetzt dür­fen wir nicht nachlassen, da muss man dranbleiben und Werbeaktivitäten setzen. (Zwi­schenruf des Abg. Steinbichler.)

Spätestens seit dem EU-Beitritt ist es so, dass wir die Preise nicht mehr von der Markt­ordnung vorgegeben bekommen, staatlich verordnet bekommen, sondern dass Ange­bot und Nachfrage die Aufgabe der Preisgestaltung übernehmen.

Meine geschätzten Damen und Herren! Wir wissen, dass die Bäuerinnen und Bauern beste Produkte erzeugen. Wir haben hervorragende Verarbeitungsbetriebe, die eine tolle Veredelung der Produkte machen. Bleibt noch, dass diese Produkte auch entspre­chend vermarktet werden und zu guten Preisen auf dem Markt verkauft werden kön­nen.

Gute Preise brauchen wir deshalb, weil die Bäuerinnen und Bauern Einkommen er­wirtschaften müssen, weil sie vom Verkauf der Produkte leben sollen. Wir haben dabei gute Verbündete. Wir haben die Konsumentinnen und Konsumenten als gute Verbün­dete, denn sie wissen: Wenn sie heimische Produkte kaufen, dann helfen sie nicht nur den Bauern, sondern sie wissen ganz genau, dass sie indirekt auch den eigenen Ar­beitsplatz sichern, dass sie auch dem eigenen Lebensraum Lebensqualität geben.

Wo wir Handlungsbedarf haben, ist im Bereich der Gastronomie, im Bereich der Groß­küchen. Zwei Millionen Österreicherinnen und Österreicher nehmen die Hauptmahlzeit täglich außer Haus zu sich, und darum soll sich eine Bewusstseinsbildung, ein Posi­tivwettbewerb bei der Gastronomie, aber auch bei den Großküchen entwickeln, wo man sagt: Derjenige, der sehr viele heimische Produkte verkocht, der ist der Bessere.

Dabei kommt der AMA-Marketing eine entscheidende Bedeutung zu. Dem Heimmarkt gebührt sicherlich das Hauptaugenmerk. Aber auch exportierte Waren führen zu Erlö­sen, bedeuten Wertschöpfung. Export bedeutet auch Arbeitsplätze für die heimische Landwirtschaft. Niemand würde je auf die Idee kommen, bei der Voest zu sagen, es ist schlecht, dass sie viel exportiert. – Nein, genau in diese Richtung sollten wir uns in der Zukunft noch ausweiten!

Ich bedanke mich bei Bundesminister Andrä Rupprechter, der da wirklich Initiativen ge­setzt hat, um auch außerhalb Österreichs Märkte zu finden. Er öffnet die Türen. Ver­kaufen müssen natürlich die Betriebe – und der AMA-Marketing kommt dabei auch eine entsprechende Bedeutung zu. Darum sollten wir diesen Bericht auch zustimmend zur Kenntnis nehmen. – Ich bedanke mich für den Bericht, bedanke mich bei den Bäu­erinnen und Bauern für die gute Arbeit und wünsche alles Gute. (Beifall bei der ÖVP.)

19.34


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Gahr. – Bitte.

 


19.34.44

Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätz­te Damen und Herren! Ich glaube, eingangs, Kollege Jannach, sollte man schon einmal erwähnen, dass die AMA-Marketing-Beiträge sinnvoll und effizient eingesetzt werden, und ich glaube, der Bericht gibt das auch wieder.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 205

Kollege Schellhorn! Man kann alles schlechtreden, aber als Touristiker würde ich mir mehr Verantwortung erwarten, und man sollte auch einmal positive Dinge erwähnen. Kollege Georg Willi! Ich glaube grundsätzlich, dass ich einige Dinge von dir unter­schreibe, aber dass wir selbstgefällig wären in dieser Richtung, dem kann ich absolut widersprechen. Wir bemühen uns tagtäglich, für die österreichische Landwirtschaft und für die österreichischen Bauern, und dieses Recht gestehen wir uns auch selber zu. Dass unser Bundesminister Rupprechter in Europa und weltweit für österreichische Produkte wirbt, das sollte uns ja gerade wichtig und recht sein. Ich möchte mich dafür auch einmal bedanken.

Ja, wir haben drei starke Partner, aber ich glaube, da braucht es einen starken Ge­genpol, Kollege Willi, und diese AMA-Marketing GesmbH ist dieser Gegenpol, weil er nicht nur Firmen bewirbt, sondern weil er insgesamt ein Bild der österreichischen Land­wirtschaft darstellt, weil er nicht Einzelne ins Schaufenster stellt, sondern möglichst viele miteinbezieht. Es ich wichtig, dass wir mit dieser AMA-Marketing GesmbH auch die österreichische Landwirtschaft und das Bild der Landwirtschaft transportieren.

Eine Zahl sollte man auch einmal erwähnen. Die österreichische Landwirtschaft ist ja sehr kleinstrukturiert. Es beteiligen sich 43 000 landwirtschaftliche Erzeuger, 1 900 Be- und Verarbeiter und 1 300 Restaurants an Programmen der AMA-Marketing GesmbH. Das zeigt auch, wie schwierig es ist, einen gemeinsamen Weg, einen gemeinsamen Bogen zu finden. Aber die Entwicklung über die letzten 20 Jahre zeigt uns, dass die AMA – und der Rechnungshof hat das ja durchaus auch anerkannt – eine positive Ent­wicklung genommen hat, indem wir Österreich den Vorrang geben, den Rohstoffen aus Österreich, aber auch den Dienstleistungen.

Abschließend sind für mich drei Dinge entscheidend und wichtig für die Zukunft. Wich­tig ist, dass es uns gelingt, mit dieser AMA-Marketing GesmbH heimische Lebensmittel in unsere Haushalte, in die öffentlichen Einrichtungen, aber besonders in die Gastro­nomie – und hier hätte ich durchaus einige Wünsche – zu bringen, dass es uns gelingt, durch Kennzeichnung den Konsumenten eine ehrliche Botschaft zu vermitteln, und ins­gesamt ist es wichtig, dass es uns gelingt, dass Produzent und Verarbeiter gemeinsam den Konsumenten dienen, die Wertschöpfung für unser Land steigern und Arbeits­plätze in Österreich sichern.

Ich glaube, dass diese Mittel, die verwendet werden, gut eingesetzt sind, denn sie brin­gen dem Standort und unseren Menschen etwas. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

19.37


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Sieber. – Bitte.

 


19.37.51

Abgeordneter Norbert Sieber (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Ho­hes Haus! Nachdem wir vor einem Jahr im Ausschuss gemeinsam zur Erkenntnis ge­kommen sind, dass der Tätigkeitsbericht nicht ganz ausreicht, hat der Minister dafür gesorgt, dass wir diesen Bericht nun zugeleitet bekommen und als eine schöne Dis­kussionsgrundlage haben. Ich glaube, es war auch ein schönes Jubiläumsgeschenk, denn das AMA-Gütesiegel feierte im Jahr 2014 sein 20-Jahr-Erfolgsjubiläum.

Von einer Erfolgsgeschichte kann man mit gutem Recht sprechen. Wie kaum eine an­dere Marke hat das AMA-Gütesiegel einen hohen Bekanntheits- und auch Vertrauens­grad. So hat eine Befragung des IGF im Jahr 2014 ergeben – Kollege Jannach, und ich möchte es trotzdem sagen, auch wenn es Ihnen nicht passt –, dass 98 Prozent der Be­fragten zu Protokoll geben, das AMA-Gütesiegel zu kennen, und 95 Prozent auch sa­gen, dass sie ihm vertrauen. Das ist ein Wert, der sensationell ist. Allein diese Zahlen zeigen, dass in den letzten 20 Jahren gute Arbeit von den Verantwortlichen der AMA-Marketing geleistet wurde.


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Dieser Bericht gibt auch die Gelegenheit, diese Arbeit transparent darzustellen. Eines möchte ich aber besonders herausstreichen: Auch wenn die AMA-Marketing eine gute Institution der Politik ist, sind die Beiträge doch fast durchgängig von den Bauern. Die AMA-Marketing ist also eine Organisation der Bauern für die Bauern mit einem deut­lichen Mehrwert für Konsumentinnen und Konsumenten. (Abg. Pirklhuber: Für den Handel auch!) Die Konsumentinnen und Konsumenten können sich absolut darauf ver­lassen, dass überall dort, wo das rot-weiß-rote AMA-Zeichen drauf ist, auch Österreich drin ist.

Das beste Marketing, meine Damen und Herren, ist aber für die sprichwörtliche Katz, wenn das Produkt nicht den Vorstellungen der Konsumentinnen und Konsumenten ent­spricht. Die österreichischen Milchbetriebe zum Beispiel produzieren im europäischen Vergleich mit höchsten Qualitätsstandards. Wir produzieren in Österreich flächende­ckend gentechnikfrei. Die Milch wird in Österreich in überschaubaren Einheiten produ­ziert.

Der Tierschutz ist in unseren Betrieben kein Lippenbekenntnis, sondern gelebte Reali­tät. Jeder Landwirt, der investiert, investiert immer auch viel Geld in den Tierschutz. Wir haben in Österreich 15 Prozent und damit europaweit den höchsten Biomilchanteil. Spezialitäten wie Heumilch, Biowiesenmilch und so weiter werden auf Wunsch der Konsumentinnen und Konsumenten in höchster Qualität produziert. Milchprodukte in einer Qualität und Vielfalt, dass einem eigentlich das Herz lachen sollte, können wir in Österreich genießen.

Last but not least haben wir in Österreich eine Käsepalette, die ihresgleichen sucht. Mit dieser Palette sind wir immer wieder national und auch international an vorderster Front bei den Prämierungen zu finden, und dieser Käse ist auch unser Exportschlager, auf den wir sehr stolz sind.

All das, meine Damen und Herren, können Sie in diesem Bericht nachlesen, und ich empfehle Ihnen allen diesen Bericht als Gute-Nacht-Lektüre. – Danke sehr. (Beifall bei der ÖVP.)

19.41


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Ing. Hofinger. – Bitte.

 


19.41.31

Abgeordneter Ing. Manfred Hofinger (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Geschätz­ter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich möchte ganz kurz zum AMA-Bericht Stellung nehmen. Ich glaube, die Instrumente der AMA und der AMA-Marketing zur Qualitätssteigerung und Vermarktungsförderung funktionieren sehr, sehr gut.

Es haben die Landwirte etwas davon, es haben die Konsumenten etwas davon. Die Konsumenten haben Lebensmittel von sehr hoher Qualität, nachvollziehbarer Herkunft, wobei es natürlich eine unabhängige Kontrolle gibt. Das ist genau das, was die Konsu­menten schätzen. Das AMA-Gütesiegel hat sich bei den Konsumenten schon einge­prägt, und das, weil so viele Kontrollen stattfinden.

Auch die Landwirte profitieren von diesem AMA-Gütesiegel, weil sie so bessere Ver­kaufserlöse erzielen können. Dass wir mit dem AMA-Gütesiegel auf das richtige Pferd gesetzt haben, erkennt man auch daran, dass die neue EU-Verordnung bezüglich De­klarierung vom Fleisch genau in diese Richtung geht: Bei Fleisch von Geflügel, Schwei­nen, Ziegen und Schafen muss jetzt deklariert werden, wo die Tiere aufgewachsen sind und wo sie geschlachtet worden sind. Ich glaube, das ist ein Beweis dafür, dass wir da völlig richtig liegen.


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Ich möchte mich bei den AMA-Mitarbeitern sehr herzlich für diesen sehr guten Bericht bedanken. Vor allem möchte ich mich aber bei den ganz vielen Landwirten, den 43 000 Landwirten, die bei dem AMA-Gütesiegel mittun, bedanken, nämlich dafür, dass sie sich diesen strengen Kontrollen unterziehen.

Jetzt möchte ich noch ganz kurz etwas zum Abgeordneten Jannach sagen. (Abg. Jan­nach: Wieder?) Ich finde es schade, dass, nachdem wir im Ausschuss ein sehr gutes Gespräch über diesen Bericht geführt haben, der Bericht nur verwendet wird für eine Polemik und für die Abrechnung mit irgendwelchen Personen, die sich hier nicht zu Wort melden können.

An Herrn Schellhorn hätte ich noch eine Bitte. Herr Schellhorn! Sie könnten den Land­wirten sehr wohl helfen, wenn Sie in der Gastronomie dafür sorgen könnten, dass die Herkunft der Lebensmittel angegeben wird. Das würde allen helfen, den Konsumenten und den Landwirten. – In diesem Sinne sage ich Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

19.43


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Steinbichler. – Bitte. (Ruf bei der ÖVP: Die Wahrheit und die ganze Wahrheit! – Abg. Schönegger: Was haben wir alle angestellt?)

 


19.44.01

Abgeordneter Leopold Steinbichler (STRONACH): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Zu­seher auf der Galerie und an den Fernsehgeräten!

Es war höchst interessant, diese einzelnen Redebeiträge zu hören. Ganz besonders interessant war, dass dem Kollegen Jannach vom Kollegen Auer unterstellt wurde, er hätte die Einkommen der AMA-Angestellten nicht richtig dargestellt, weil er die Brutto-Beträge angegeben hat. Das wird er beim VÖM, dem Verband Österreichischer Milch­verarbeiter, gelernt haben.

Die sind sicherheitshalber gleich ins Wirtschaftsministerium gegangen mit ihrer Presse­konferenz. Kollege Eßl! Du hast gesagt, endlich haben wir einen freien Markt. Das musst du den Salzburger Bauern erklären. Mal sehen, ob sie sich über den freien Markt freuen werden, darüber, dass sie mit ihrer Gebirgslandschaft endlich einmal mit den Gunstlagen im Westen und im Osten um die Wette produzieren können.

Belüge sie bitte nicht von dieser Stelle, denn bisher haben sie beim Milchkontingent Gott sei Dank nur für die überlieferte Menge einen Beitrag zahlen müssen; in Zukunft werden sie ihn für jeden Liter zahlen müssen, und dann können Sie Ihren Bauern in die Augen schauen. Bleiben Sie bei der Wahrheit, erzählen Sie keine Märchen!

Der Kollege Jannach hat nichts anderes gemacht als der VÖM bei der Pressekonfe­renz in der Wirtschaftskammer. Dort zu sagen, ein durchschnittlicher Milchbauer hat 16,8 Kühe und verdient damit 43 000 € Milchgeld, ist ein Affront, den ich noch bei keiner Gehaltsdarstellung erlebt habe. (Zwischenruf des Abg. Pirklhuber.)

Wenn ich da laut Vollkostenrechnung die Produktionskosten wegrechne, dann sind wir bei sage und schreibe 9 500 €; und den Stundenlohn kann sich jeder selber ausrech­nen, wenn er 365 Tage im Jahr jeden Tag zweimal melken und die Tiere betreuen muss.

Übrigens, heute ist ein sehr spannender Nachmittag. Ich möchte auch etwas klarstellen zur Diskussion zum vorhergehenden Punkt, wobei ich mich beim Kollegen Keck für seinen hervorragenden Redebeitrag bedanke. (Demonstrativer Beifall des Abg. Kirch­gatterer.) Ich bitte, endlich zwischen Nutztierhaltung und Zootierhaltung zu unterschei­den. (Zwischenruf der Abg. Winzig.)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, es gibt genug Dokus darüber, was in der indus­triellen Landwirtschaft wirklich los ist, zum Beispiel „We Feed the World“ und „Unser täg-


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lich Brot“, die sich jeder ansehen kann. Seien wir also froh und bedanken wir uns bei unseren Bäuerinnen und Bauern und bei unseren Konsumenten und Konsumentinnen für diese hervorragende Qualität, die auf der einen Seite produziert wird und auf der anderen Seite genossen werden kann. (Beifall beim Team Stronach.)

Vielleicht noch etwas dazu: Die heutige „Kronen Zeitung“ ist sehr aussagekräftig und schreibt zum AMA-Gütesiegel: Minus-25-Prozent-Wochenende am kommenden Wo­chenende – Zitatende. Allerdings bei Tierfutter. (Der Redner hält die genannte Zeitung mit dem entsprechenden Werbeinserat in die Höhe.)

Da stelle ich gleich die erste konkrete Frage zu diesen dargestellten sensationellen Er­folgen der AMA: Ein Kilogramm Katzenkabanossi kostet 56 €, das AMA-Gütesiegel-Hendl hingegen 3,49 €. Über die Situation der Hendlmäster und ihrer Geflügelschlacht­höfe brauche ich mich nicht zu äußern. Ihr könnt jederzeit einen Hendlmäster oder ei­nen Geflügelschlachthofbesitzer fragen – die kämpfen alle um das nackte Überleben. Denn die Konkurrenz kommt aus China, aus dem Osten. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Kolleginnen und Kollegen! Ganz langsam, jetzt kommen wir zum Punkt. (Hei­terkeit bei der FPÖ.)

Da würde ich mir erwarten, Frau Kollegin Winzig, Spezialistin überhaupt für regionale Kleingewerbebetriebe – die werde ich in Zukunft auch schützen, denn du machst es nicht, du bist ja für TTIP (Abg. Winzig: Ich kenn’ mich aber aus, im Gegensatz zu dir!) –, da würde ich mir von diesen ganzseitigen AMA-Beiträgen – die ja höchst objek­tiv sind, da wird von den Journalisten ja überhaupt keine Meinungsbildung verlangt – erwarten, dass hier die Wahrheit geschrieben wird.

Letzte Berichte vom internationalen Hageldirektor Kurt Weinberger, der am Sonntag geschrieben hat, wir sind bei der Ernährungsouveränität weit weg von einer Eigenver­sorgung. Lest bitte auch die Berichte von Kollegen und Kolleginnen! Zu den AMA-Mar­keting-Beiträgen komme ich dann extra. (Ruf bei der ÖVP: Was ist ein Hageldirektor?)

Aber Herr Minister, ich darf das so zeigen. (Der Redner hält ein doppelseitiges Inserat mit der Überschrift „Business-Plan“, abgedruckt in der Zeitung „Die Presse“, in die Hö­he.) Ganzseitige Bewerbungen, doppelseitige Bewerbungen! Ich verstehe schon, dass du, wenn du in China herumfährst und polnische Schweine als österreichische verkau­fen willst, deinen Businessplan vorstellen willst. Du kannst es gerne haben, aber du wirst das hoffentlich gelesen haben, bevor du die Inserate bezahlt hast. (Zwischenbe­merkung von Bundesminister Rupprechter.)

Doppelseitige Inserate, welcher Businessplan bitte? Du wirst es hundertprozentig in der Beantwortung erklären. (Neuerliche Zwischenbemerkung von Bundesminister Rupp­rechter.) – Sicher, hundertprozentig, und dazu wollte ich auch etwas sagen, nämlich zu den hervorragenden Exporterlösen, zu der hervorragenden Qualität, die wir haben.

Danke für deine Anfragebeantwortung. Ein Kilogramm Weltmeisterkäse wird in Rumä­nien um 1,25 € verramscht – dafür brauchen wir zehn Liter wertvolle Milch! –, in Un­garn wird dieser Käse um 2,25 € verramscht. Und dann spricht man von Exporterfol­gen? Die müssen irgendwo anders stattfinden, in der Realität sind sie schwer nach­vollziehbar.

Kollege Schellhorn hat dieses wertvolle Buch gezeigt. (Der Redner hält ein Exemplar des Buchs „Österreich kocht“ in die Höhe.) Ich zeige das, damit wir besser verstehen, wo überall geworben wird. Da gibt es nicht drei Einrichtungen, sondern zehn, die dann natürlich im Netzwerk arbeiten.

Und dann ist das Herrliche, Herr Minister: Wenn man im AMA-Marketing-Bericht sieht, dass pro Quartal zwischen 600 000 € und 1,1 Millionen € für Selbstwerbung hergenom­men werden, dann ist es ganz interessant. Es ist ganz interessant, wenn man liest, wie


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viel sich die AMA-Marketing aus den Bauerngeldern nimmt, nämlich 3,1 Millionen €, und dann gibt es noch die GenussRegionen Marketing GmbH, die schon Kollege Schell­horn angesprochen hat, nämlich im Zusammenhang mit einem äußerst interessanten Buch. Und dann wird es interessant. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Das ist die pure Wahrheit. (Der Redner hält ein Schriftstück in die Höhe.)

„g.g.A.“ ist ja, glaube ich, ein eindeutiges Zeichen. Da heißt es immer, da weiß man, dass das Produkt aus der Region kommt, das zeugt angeblich hundertprozentig von der Verbindung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse und Lebensmittel mit dem Her­kunftsgebiet. Mindestens eine Produktionsstufe, also die Erzeugung, die Verarbeitung oder Herstellung wird im Herkunftsgebiet durchgeführt. – Das ist ja wirklich eine hun­dertprozentige Sache! Leutln, da haben wir Handlungsbedarf! (Beifall beim Team Stro­nach, bei Abgeordneten der Grünen sowie des Abg. Loacker.)

Dazu möchte ich dem Herrn Präsidenten Schultes noch Folgendes sagen: Wenn es dir nicht zu schade ist, dass du in der Molkereiversammlung in Gmunden eine IG Milch diffamierst und in den Dreck ziehen willst, die nie einen Groschen an öffentlichem Geld bekommen hat, wo alle Funktionäre ehrenamtlich gearbeitet haben, mit dem eigenen Auto gefahren sind, dann musst du darüber selber nachdenken.

Da du gestern bei der Landwirtschaftskammer-Veranstaltung „20 Jahre EU – Sind wir schon da?“ die Situation beweihräuchert und von einem Erfolg gesprochen hast, bitte ich dich: Sprich wieder einmal mit Bauern! Ich habe dort keine gesehen.

Die Podiumsdiskussion war äußerst interessant. Interessant war auch die äußerst russ­landorientierte Fragenbeantwortung. Die Fragen, die man per SMS stellen hat können, hat der Moderator hervorragend gefiltert. Also das ist keine konstruktive Politik, das ist keine Informationspolitik, mit der wir die Konsumenten erreichen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Und eine letzte Einladung darf ich aussprechen. Vor 20 Jahren, Frau Kollegin Winzig, und Kollege Auer, ihr könnt es bestätigen, haben wir in Regau den Martinimarkt ge­gründet; und diesen Freitag – jeder und jede ist herzlich eingeladen – feiert der Bau­ernmarkt Regau das 20-Jahr-Jubiläum. Dort kooperieren Bäuerinnen und Bauern direkt mit den Konsumenten, dort geben die Bauern und Bäuerinnen den Konsumentinnen und Konsumenten über die Produktionsweise, über die Herkunft mit Handschlag Aus­kunft.

Abschließend darf ich bemerken, und das ist, glaube ich, das Wesentliche: Kollege Schopf hat von mehr Kontrolle gesprochen. Dazu muss ich sagen: Am Bauernhof ist die Kontrolle überbordend.

Ich kann Ihnen vom eigenen Milchviehbetrieb ein Beispiel bringen: Bei Milchkühen, die gemolken werden, die im Stall stehen und nicht gehandelt werden, werden in einem Jahr zehnmal die Ohrmarken abgelesen. Wenn das zu wenig Kontrolle ist, dann müs­sen wir noch einen Chip einsetzen. (Zwischenruf des Abg. Sieber.)

Na bitte! Schau, Kollege, das Thema ist zu ernst, das ist keine Märchenstunde. Wenn du bei der Leistungskontrolle bist, hast du alle sechs Wochen deinen Probemelker im Haus, dann hast du die Tiergesundheitsdienstkontrollen, dann hast du die AMA-Kon­trollen. Herr Kollege, nimm es einfach zur Kenntnis und rede da nicht etwas hinein, das nicht zur Praxis passt. Wir haben ja gesagt, in diesem Haus reden wir über das Leben, und das ist das ganz Wesentliche. (Abg. Matznetter: Wir haben das nicht verstanden!)

Eines möchte ich noch sagen. Ich bedanke mich bei allen Bäuerinnen und Bauern und bei allen Kolleginnen und Kollegen. Und, Herr Minister, die Herausforderung an das Mi­nisterium: Erstens: Heimmarkt mit Qualitätslebensmitteln. Zweitens: Sollte es noch Rest­bestände geben, den Exportmarkt anstreben. Außerdem muss man immer darüber spre-


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chen, was die Bäuerinnen und Bauern für ihre Arbeit bekommen, und das ist etwas anderes als das, was hier genannt wird. – Danke. (Beifall bei Team Stronach und FPÖ sowie bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

19.54


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Jannach. – Bitte.

 


19.54.09

Abgeordneter Harald Jannach (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Zuerst möchte ich mich tatsächlich bei der SPÖ bedanken, weil sie es ermöglicht hat, dass wir hier über diesen AMA-Tätigkeitsbericht überhaupt diskutieren. Ich weiß, dass es auf der ÖVP-Seite größte Widerstände dagegen gegeben hat, dass wir überhaupt diskutieren. (Beifall bei der FPÖ.)

Weil jetzt die Personalkosten bei der AMA-Marketing so oft angesprochen worden sind: Der Minister hat gesagt, das sei alles unsachlich, falsch, unrichtig. Ich kann nur zitie­ren, was hier im Tätigkeitsbericht steht: „53 Angestellte“ und: „Die Gehälter betrugen im Berichtsjahr gerundet 2.839.000 Euro ().“ (Zwischenruf des Abg. Schönegger.) Das sind die Gehälter. Und der gesamte Personalaufwand, da sind nämlich die ganzen So­zialabgaben dabei, beträgt dann 3,9 Millionen €. Herr Minister, das kennen Sie ja.

Wenn ich jetzt durch 53 dividiere – ich weiß schon, dass das nicht ganz richtig ist, denn es sind auch Teilzeitkräfte dabei, das ist hier nicht angegeben, aber in Summe sind es 53 Mitarbeiter –, dann komme ich auf brutto 73 600 €. Und ein Angestellter, in Öster­reich ermittelt von der Statistik Austria, verdient 41 000 €, ein Landwirt verdient 22 000 €, und die AMA verdient, umgerechnet auf die Vollzeitäquivalente, 73 000 €. Netto, wenn Sie das ohne diese Sozialabgaben rechnen, sind es noch immer 55 000 €, und das ist mehr als doppelt so viel, wie ein Landwirt verdient. Dann muss der Bericht der AMA-Marketing da ein bisschen detaillierter sein. Es ist wirklich ein Privilegiensumpf, wenn da solche Gagen gezahlt werden! (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Loacker.)

Dann noch etwas zum Kollegen Schultes. Er hat mir erklärt, dass der Leipnik-Lunden­burger-Konzern von Josef Pröll Gewinn gemacht hätte und meine Zahlen falsch wären. Sinnerfassendes Lesen, Herr Präsident, ist auch eine Gabe, die man haben möchte. Ein Minus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit von 124 Millionen € und eine Gewinn­ausweisung durch Auflösung von Rücklagen von 140 Millionen € ist kein erfolgreiches Geschäftsjahr, das muss ich dir schon einmal sagen.

Also da würde ich dich doch bitten, bei der Wahrheit zu bleiben und nicht zu sagen, okay, er hat ja einen Gewinn gemacht, nur weil er einen Gewinn ausweist, weil er Rück­lagen auflöst. 124 Millionen € Verlust, Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit!

Jetzt sage ich noch etwas zum Aufsichtsrat, und das ist auch ein Gewinn aus dem Tä­tigkeitsbericht. Wie setzt sich der Aufsichtsrat politisch zusammen? Ök.-Rat Franz Ste­fan Hautzinger, ÖVP, Landwirtschaftskammerpräsident; Heinz Leitsmüller, SPÖ, Arbei­terkammer; dann Reinhard Kainz, Wirtschaftsbund; dann Karl Krammer, SPÖ-PR-Be­rater; Andreas Nentwich von Nah & Frisch, C & C.

Lieber Leo Steinbichler, das ist der Aufsichtsrat! Das sind die, die die Sonderangebote machen wie minus 25 Prozent für AMA-Produkte. Vom ÖGB sitzt auch noch jemand drinnen, und das Paradebeispiel für Proporz und Vetternwirtschaft: Josef Pröll, ehema­liger Finanzminister. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Loacker.)

19.57

19.57.10

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 211

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Land- und Forst­wirtschaft, den vorliegenden Bericht III-129 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für dessen Kenntnisnahme eintreten, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen.

19.57.4328. Punkt

Sammelbericht des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen über die Petitionen Nr. 22 und 23, 25, 31, 33, 35 und 36 als auch 42 sowie über die Bür­gerinitiativen Nr. 48, 51, 57 und 58 (561 d.B.)

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nun kommen wir zum 28. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Ing. Höbart. – Bitte.

 


19.58.14

Abgeordneter Ing. Christian Höbart (FPÖ): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kol­legen! Werte Zuhörer vor den TV-Geräten! Ich möchte jetzt nicht auf den Sammelbe­richt aus dem Ausschuss für Bürgerinitiativen und Petitionen eingehen, ich möchte jetzt vielmehr erwähnen, was die Probleme dieses Ausschusses sind.

Wir haben in den letzten Monaten feststellen müssen, dass der Eindruck entsteht, dass die Bundesregierung die Petitionen und Bürgeranliegen, die oftmals von Tausenden Menschen unterschrieben worden sind, eher schubladisieren will. Wir sprechen hier dann von der sogenannten Kenntnisnahme – machen wir schnell einen Sammelbe­richt, bringen wir es ins Plenum, diskutieren wir es schnell weg und stecken es wieder in die Schubladen.

Wir müssen zur Kenntnis nehmen, gerade wenn es darum geht, solche Petitionen Fach­ausschüssen zuzuweisen, dass im Petitionsausschuss eher restriktiv durchgegriffen wird. Und ein weiterer Punkt, der uns schon seit Monaten stört, ist jener, dass gerade aus Ministerien immer wieder Stellungnahmen fehlen. Das hat jetzt den Ausschuss unter dem Vorsitzenden Michael Pock dazu bewogen, die Ministerien zur Räson zu bringen. Wir haben einen Brief verfasst, der an alle Bundesministerien verschickt wur­de, in dem die Ministerien aufgefordert werden, die Stellungnahmen schneller und ef­fektiver dem Parlament zukommen zu lassen.

Der Eindruck, der hier oftmals entsteht, ist jener, dass Ministerien Gesetze machen, Ministerien im Prinzip arbeiten, wie sie wollen und den Parlamentarismus immer mehr auf die Seite schieben. Das kann es aber nicht sein, da müssen wir gegenhalten, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)

Wir gehen sogar noch einen Schritt weiter, über diesen Brief des Petitionsausschusses an die Ministerien hinaus: Wir fordern die Präsidentin des Nationalrates auf, auch ein­mal aktiv zu werden und die Ministerien klar und deutlich aufzufordern, Stellungnah­men schnell abzugeben, um den Parlamentarismus nicht aufzuhalten und den Gesetz­werdungsprozess oder, wie in diesem Fall, Bürgerinitiativen und Petitionen nicht unnö­tig zu behindern. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

20.00


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Lipitsch. – Bitte.

 


20.00.38

Abgeordneter Hermann Lipitsch (SPÖ): Herr Präsident! Werte Kolleginnen, werte Kollegen! Wir haben in unserer letzten Sitzung 43 Petitionen und Bürgerinitiativen ab­gearbeitet, die von der Lehrlingsausbildung – das war ein wichtiger Bereich, der meh-


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rere Petitionen umfasst hat – über das liberale oder liberalere Waffenrecht bis hin zu den Pensionisten reichen, die in den Krankenversicherungsbereichen auch mitbestim­men wollen, oder vom Jugendticket unter 26 Jahren bis zur Jahreskarte für Senioren.

Weiters haben wir uns über bestimmte Handelsabkommen unterhalten, wobei insbe­sondere TTIP und CETA ins Auge stechen. Diesbezüglich haben wir uns heute darauf verständigt, vor dem Sommer ein eigenes Hearing zu veranstalten, um dort die Mei­nung von Experten zu diesen beiden Themen zu hören. Erstmalig haben wir für dieses Hearing auch vorgesehen, jemanden von der Europäischen Union oder von der Euro­päischen Kommission einzuladen, um ebenfalls zu diesen Handelsabkommen Stellung zu nehmen.

Am 27. Jänner hat ebenfalls ein Hearing stattgefunden, bei dem jede Fraktion die Mög­lichkeit hatte, Vertreter einer Petition oder einer Bürgerinitiative einzuladen. Das ist, so glaube ich, sehr gut angekommen. Diese Vorgangsweise gab den Einbringenden von Petitionen und Bürgerinitiativen die Möglichkeit, sich selbst zu präsentieren und ihre Sichtweise der Dinge darzulegen.

Weiters haben wir auch – obwohl dies gerade kritisiert wurde – etliche Zuweisungen an die Ausschüsse durchgeführt. Bei der Beurteilung dieses Punktes unterscheiden sich natürlich die Sichtweisen der Fraktionen mehr oder weniger. Meiner Meinung nach wird wirklich darauf geachtet, dass jene Petitionen und Bürgerinitiativen, die fachlich fundiert sind, auch entsprechend zugewiesen werden oder wir sie, wie beim Thema der se­xuellen Belästigung, direkt dem Ausschuss zuweisen, um in der Gesetzwerdung die Möglichkeit zu schaffen, diese Anliegen der Bürgerinnen und Bürger einzubinden. (Beifall bei der SPÖ sowie demonstrativer Beifall des Abg. Pirklhuber.)

Ich glaube – und das ist heute bereits angeklungen –, dass wir einen neuen Weg ge­funden haben, indem im Ausschuss einfach auch die Zeit vorhanden war, um sich mit Experten, aber auch intern zu unterhalten. Wenn es dadurch eine halbe Stunde länger dauert, dann dauert es eine halbe Stunde länger! Ich glaube, wir haben Hunderte verschiedene Anliegen. Unsere Aufgabe ist es, uns mit diesen Anliegen zu befassen – entweder vor Ort, wie das viele Abgeordnete machen, aber besonders bei den Aus­schusssitzungen – und dabei die Möglichkeit zu schaffen, dass jeder Abgeordnete den gleichen Informationsstand hat. Die Gespräche und der Umgang im Ausschuss sind sehr gut, wir sollten dieses Gesprächsklima erhalten.

Zum Kollegen Höbart möchte ich nur kurz anmerken: Wir haben diesen Brief verfasst, wobei man sagen muss, dass viele Ministerien zeitgerecht abliefern, während eben an­dere säumig sind. Aus diesem Grund haben wir den Brief geschrieben. Ich glaube, das hat seine Wirkung gezeigt, und ich glaube, wir werden in Zukunft unsere Stellungnah­men zeitgerecht bekommen.

Es muss uns klar sein, dass jedes dieser Anliegen, die an uns herangetragen werden, für den Einzelnen das jeweils wichtigste Anliegen ist. Aus diesem Grund müssen wir uns darum kümmern, dass diese Anliegen auch dementsprechend bearbeitet werden. Darauf müssen die Menschen, die ihre Anliegen an uns herantragen, vertrauen kön­nen. (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Pock.)

20.04


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Pirkl­huber. – Bitte.

 


20.04.23

Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Kollege Lipitsch! Ich wür­de diesem Bericht heute gerne meine Zustimmung geben können. Leider gibt es aber tatsächlich eine Kontroverse. Zwar führen wir 80 Prozent der Verhandlungen und der


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Besprechungen wirklich sehr einvernehmlich und setzen auch unsere Usancen fort, die wir im Ausschuss haben, aber gleichzeitig gibt es auch Dinge, die nicht konsistent sind.

Auf diese Dinge möchte ich, werte Kolleginnen und Kollegen, schon hinweisen! Schließ­lich geht es ja darum, dass dieser wertvolle Ausschuss im Parlament Petitionen und Bürgerinitiativen verhandelt und behandelt, die von sehr unterschiedlichen Kreisen der Bevölkerung an uns herangetragen werden und bei denen es im Ausschuss primär darum geht, diese einer entsprechenden Behandlung zuzuführen. Diese Petitionen und Bürgerinitiativen sollten also genau dorthin gebracht werden, wo sie sachlich vertieft, weiterverhandelt und auch möglichst positiv erledigt werden.

Kollege Lipitsch, Sie haben zu Recht gesagt, dass wir einige Dinge sehr einvernehm­lich – nämlich einstimmig – beschlossen haben, zum Beispiel eben diese Petition Num­mer 42 zum Thema „Vergewaltigung verurteilen. Ein Nein muss genügen. Strafrecht in Österreich verbessern“. Sie haben gesagt: Das ist ein sehr komplexes Thema, das wird unterschiedlich gesehen, aber, bitte, in dem Fall brauchen wir keine Stellungnah­me von einem Ministerium, sondern weisen das sehr wohl gleich dem Justizausschuss zu, denn dort gibt es bereits eine Diskussion und einen Prozess zur Gesetzwerdung. (Abg. Königsberger-Ludwig: Na, weil es eine Regierungsvorlage gab!) Sehr richtig, da haben wir auch zugestimmt.

Aber gleichzeitig gab es andere Initiativen, bei denen wir sogar Stellungnahmen hatten, die wir mit dem selben Recht dem zuständigen Ausschuss zuweisen hätten können! Die Petition, die ich erwähnen möchte, war keine grüne Petition, betraf aber auch ein grünes Grundanliegen, und zwar die Frage der 380-kV-Leitung. Diese Petition wurde eingebracht vom Kollegen Hagen, und seitens der Ministerien wurde auch mit guten Stellungnahmen geantwortet. Wir wissen, dass die Frage des Starkstromwegegeset­zes eine Frage ist, die im Wirtschaftsausschuss zu verhandeln ist. Wir wissen, dass dort tatsächlich auch darüber diskutiert wird, das wurde auch von allen zugegeben. Wir hätten also mit dem selben Recht dieses Anliegen, das auf Meinungen von Sachver­ständigen und Analysen des Naturschutzbundes Salzburg basiert und somit gut abge­sichert sowie auch qualitativ ausreichend argumentiert war, dem Wirtschaftsausschuss zuweisen können. Das wäre ganz logisch gewesen.

Ich möchte Ihnen auch an einem Beispiel zeigen, wie wichtig so eine Handlungsweise wäre: Hier in Händen habe ich einen Gesetzentwurf der deutschen Bundesregierung – der deutschen Bundesregierung, nicht der Opposition! – vom 20. April 2015, und zwar zur wesentlichen Verbesserung der Erdverkabelung im Rahmen von Starkstromwege- Fragestellungen und dem Netzausbau. In Deutschland wurde die Erdverkabelung bis­her in vier Pilotprojekten initiiert. Mit dieser Gesetzesinitiative wird in Deutschland die Erdverkabelung wesentlich ausgebaut. Sie soll auf Projekte mit 10 bis 20 Kilometer Um­fang weiterentwickelt werden.

Meine Damen und Herren, das ist die Realität, das ist die politische Entwicklung in Eu­ropa betreffend Ausbau der Netze. Auch wir haben dies als Thema. Seit Jahren haben wir Petitionen und Bürgerinitiativen, bei denen es um solche Leitungen und die Grund­satzfrage der Erdverkabelung geht. Sie sehen, dass es in Europa genug Initiativen gibt, die diesbezüglich aktiv etwas weiterbringen. Wir hätten die gute Gelegenheit gehabt, das dem Wirtschaftsausschuss zuzuweisen. Über diese Geschichte kann ich leider nicht hinwegsehen.

Abschließend möchte ich aber trotzdem positiv vermerken, dass wir auch weitere Bür­gerinitiativen gut gemeinsam erledigen konnten, beispielsweise die Bürgerinitiative Num­mer 57 zum Thema „Verpflichtung zur Abgabe unverkäuflicher Ware an die Zivilgesell­schaft vor der Müllentsorgung – Anti-Wegwerf-Gesetz“. Dabei haben Bürgerinnen und Bürger gesagt: So geht es nicht weiter, die Politik spricht dauernd davon, das sei na­türlich zu vermeiden, Lebensmittelverschwendung et cetera, doch wir wollen, dass Nä-


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gel mit Köpfen gemacht werden! Wir haben diese Initiative, die übrigens online von mehr als 8 000 Bürgerinnen und Bürgern unterstützt wurde, gemeinsam dem Umwelt­ausschuss zugewiesen. So sollte es sein, Kollege Lipitsch. In einer solchen Form er­warte ich mir auch in Zukunft die Unterstützung des Vorsitzenden. Ich hoffe, dass wir diese Usancen konsequent weiterverfolgen.

Abschließend möchte auch ich noch die Hearings erwähnen. Zudem möchte ich mich beim Vorsitzenden für die Initiative in Bezug auf das Schreiben an die Ministerien be­danken. Ich glaube, dieses Schreiben war notwendig, richtig und auch sachlich ge­rechtfertigt. Man muss dazusagen, dass die meisten Ministerien ihre Stellungnahmen sowieso immer fristgerecht erledigt haben, aber einige waren wirklich säumig, und das war einmal ein Schuss vor den Bug. Wenn das nicht reichen sollte, dann werden wir uns weitere Schritte überlegen müssen, aber ich glaube, dass das in Zukunft funktio­niert.

Unser nächster großer Schritt im Ausschuss wird das Hearing zu den transatlantischen Freihandelsabkommen und zur Bürgerinitiative zu CETA und TiSA sein. Leider sind ja nach wie vor die Hearings im Petitionsausschuss nicht öffentlich. Ich möchte an dieser Stelle wieder darauf hinweisen, dass wir in Zukunft bei BürgerInneninitiativen und Peti­tionen, die ans Parlament herangetragen werden, über eine Änderung der Geschäfts­ordnung auch die Öffentlichmachung solcher Hearings sicherstellen sollten. Das ist ein Plädoyer, diese Fragen weiter zu vertiefen.

Was das Hearing betrifft, haben wir uns auch schon grundsätzlich auf die ExpertInnen-Nominierung geeinigt. Auch Kollege Gahr wird das hoffentlich unterstützen – ich glau­be, du konntest zwar aus Termingründen an dieser Besprechung nicht teilnehmen, aber die Abhaltung dieses Hearings war Konsens. Ich freue mich auch, dass wir dabei die Europäische Kommission ersuchen werden, dass sie für dieses Hearing entspre­chende Experten zur Verfügung stellt. Das wird ein nächster wichtiger Schritt sein in Bezug auf eine der wesentlichen Schlüsselfragen der Zukunft für unsere Bürgerinnen und Bürger, und das geht bis hin zu Kommunen- und KonsumentInneninteressen. Das ist also ein Beispiel für eine gute Zusammenarbeit im Ausschuss.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich mich auch bei den Kolleginnen und Kollegen einmal bedanken für das notwendige Selbstbewusstsein, das wir als Abgeordnete in diesem Haus auch im Ausschuss haben müssen und tatsächlich auch haben. – Herzlichen Dank. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der SPÖ sowie des Abg. Pock.)

20.11


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Gahr. – Bitte.

 


20.11.23

Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kol­legen! Der vorliegende Sammelbericht für Petitionen und Bürgerinitiativen zeigt, dass wir auf unterschiedlichste Weise die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger ernst neh­men. Ich kann nicht nachvollziehen, was Kollege Höbart heute festgestellt hat. Ich darf einfach anhand von drei Beispielen beweisen, wie wir mit Petitionen und Bürgerinitia­tiven umgehen, auch Kollege Pirklhuber ist ja darauf schon eingegangen.

Die Bürgerinitiative, die eine Verbesserung der Lehrlingsausbildung zum Ziel hat, wird dem Wirtschaftsausschuss zugewiesen, um damit die Modernisierung der Berufsbilder voranzutreiben. Es hat dabei 4 000 Unterstützer gegeben. Meiner Meinung nach war es der richtige Schritt, diese Bürgerinitiative dem Wirtschaftsausschuss zuzuweisen.

Die Petitionen und Bürgerinitiativen zu den Freihandelsabkommen TTIP und CETA wer­den im Hearing weiter behandelt, und dabei konnten wir uns durchaus gemeinsam auf dieses Hearing einigen. Meiner Meinung nach ist es auch der richtige Zeitpunkt, um


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sich im Petitionen- und Bürgerinitiativenausschuss über dieses brisante Thema auszu­tauschen und dafür Experten zurate zu ziehen.

Eine weitere Bürgerinitiative, die Initiative für ein Anti-Wegwerf-Gesetz, wurde dem Um­weltausschuss zugewiesen. Diese Initiative setzt sich mit dem sorgsamen Umgang mit Lebensmitteln und deren Weiterverwendung auseinander. Wir haben also wirklich ver­sucht, die möglichst beste weitere parlamentarische Behandlung zu ermöglichen.

Eine Petition für eine bessere Holzbauausbildung in Tirol, die mir persönlich übergeben wurde, wird heute zur Kenntnis genommen. Diese Petition hat auch zwei Stellungnah­men – vom Bildungsministerium und vom Wirtschaftsministerium –, die uns zeigen, dass es diesbezüglich durchaus Verbesserungsmöglichkeiten gibt.

In beiden Stellungnahmen wird quasi die Holzbauausbildung in den Mittelpunkt gestellt. Es soll zukünftig der Lehrberuf „Zimmereitechnik“ mit einer vierjährigen Ausbildungszeit als Ausbildungsversuch eingerichtet werden. Damit wird den speziellen und veränder­ten Ansprüchen beim Thema Holzbau Rechnung getragen. Zudem wird es in Tirol eine Bedarfsanalyse geben, die klären soll, inwieweit ein Arbeitsmarkt und ein Arbeitskräf­tebedarf im Bereich Holzbau gegeben sind. Diese Initiative wird somit vielleicht dazu führen, dass zusätzliche Lehrplätze und Lehrberufsmöglichkeiten geschaffen werden.

Insgesamt darf ich mich bedanken. Ich glaube, wir versuchen im Petitionen- und Bür­gerinitiativenausschuss schon, uns mit allen Anliegen – und das sage ich eindrücklich und nachdrücklich – zu beschäftigen und die Dinge auch ernst zu nehmen. Es gibt durchaus hin und wieder unterschiedliche Auffassungen, aber ich glaube, das ist auch legitim.

Kollege Pirklhuber, der Kollege Ofenauer wird dann auch noch auf die 380-kV-Leitung Bezug nehmen. Diesbezüglich hat es ja zwei Stellungnahmen gegeben, und da waren wir einmal nicht einer Meinung. Aber ich glaube, dass auch da die Anliegen und Wün­sche der Bürgerinnen und Bürger durchaus ernst genommen wurden. In diesem Sinne vielen Dank für die Zusammenarbeit. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

20.14


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Schenk. – Bitte.

 


20.14.34

Abgeordnete Martina Schenk (STRONACH): Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr ge­ehrte Damen und Herren! Ich möchte kurz auf meine Vorredner – den Kollegen Li­pitsch und den Kollegen Pirklhuber – replizieren.

Lieber Kollege Lipitsch, also so, wie du es darstellst, dass nämlich immer sachlich und fachlich zugewiesen wird, so ist es nicht. Ich darf daran erinnern, dass meine Petition, auf die ich dann noch näher eingehen werde, einen konkreten Gesetzesänderungstext beinhaltet und nicht dem Innenausschuss zugewiesen wurde.

Auf der anderen Seite wurde die Petition, die von Frauenbüros und Gewaltschutzzen­tren initiiert und von einer Regierungsabgeordneten in den Ausschuss eingebracht wur­de, sofort an den Justizausschuss zugewiesen, und zwar ohne Einholung einer Stel­lungnahme.

Was diese angesprochenen Petition betrifft – jetzt bin ich bei dir, lieber Wolfgang Pirkl­huber: Du hast vorhin erwähnt, dass diese Zuweisung der Petition 42 einstimmig er­folgte. Sie erfolgte nicht einstimmig, denn das Team Stronach und auch die Freiheitli­che Partei haben dieser Zuweisung nicht zugestimmt. (Abg. Pirklhuber: Entschuldi­gung,  hat sie recht!)

Jetzt komme ich zu meiner Petition mit dem Titel „Mehr Sicherheit durch ein liberales Waffenrecht“. Ich betone das, da anscheinend einige nicht sinnerfassend lesen oder


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nicht gut zuhören können: Es wird immer von einem „liberaleren“ Waffenrecht gespro­chen. Der Titel lautet jedoch: „Mehr Sicherheit durch ein liberales Waffenrecht.“

Dieses Petition habe ich gemeinsam mit der IWÖ, mit der Interessengemeinschaft Li­berales Waffenrecht in Österreich, eingebracht. Diese Petition hat 6 188 Zustimmungs­erklärungen erreicht, und ich finde, das ist ein gutes und stolzes Ergebnis.

Worum geht es in dieser Petition? – Die Petition beinhaltet zwei Kernpunkte: Einerseits die Amnestie für Waffenbesitzer, die verspätet melden oder erst verspätet melden kön­nen, weil eben die Regierung die entsprechende Aufklärungsarbeit nicht geleistet hat, es zu wenig Informationen gab und am Fristende, am 30.6.2014, dann auch noch die Server zusammengebrochen sind. Der erste Punkt dieser Petition, die Amnestie, wur­de umgesetzt, wir haben sie vor einigen Wochen hier im Hohen Haus beschlossen.

Beim zweiten Punkt tut sich leider gar nichts, da schaltet das Ministerium auf stur, da wird weiter so verfahren, wie es seit dem Jahr 2000 – also seitdem die ÖVP im In­nenressort ist – üblich ist, denn seit diesem Jahr gibt es quasi keinen Waffenpass mehr.

Es geht bei diesem Punkt um eine Gesetzesänderung betreffend die Ausstellung des Waffenpasses. Wir wissen, dass der Zugang zum Waffenpass mittlerweile fast unmög­lich ist, weil die Vergabe durch die Ausnützung des behördlichen Ermessens stark ein­geschränkt wird. Die Behörden entscheiden dabei unter Angabe fadenscheiniger Grün­de. Unlängst wurde auch einem Jäger ein Waffenpass verwehrt. Das, meine Damen und Herren, kann man so nicht akzeptieren und auch nicht hinnehmen. (Beifall beim Team Stronach.)

Ich möchte nur kurz das Prozedere erklären. Die Waffenbehörde lehnt ab, die Be­schwerde geht dann an die Landesverwaltungsgerichte oder eben an den Verwal­tungsgerichtshof, und die segnen das brav ab. Wie gesagt, es wird unter Angabe fa­denscheiniger Gründe abgelehnt, man kann dazu die skurrilsten Entscheidungen lesen.

Abhilfe würde eben dieser konkrete Gesetzesänderungsantrag schaffen. Es geht dabei um eine Änderung, bei der die Voraussetzungen für den Waffenpass so klar definiert werden, dass kein Raum mehr für missbräuchliches behördliches Ermessen bleibt.

Diese Petition wurde, wie gesagt, leider von den Abgeordneten der Regierungsparteien nicht dem Innenausschuss zugewiesen. Die Abgeordneten der Oppositionsparteien haben meinem Antrag zugestimmt – teilweise aus sachlichen Gründen, die FPÖ auch aus inhaltlichen Gründen, was lobenswert zu erwähnen ist. Ich finde es aber sehr schade, dass bei diesem Antrag keine Zuweisung an den Innenausschuss erfolgte. Das ist eine Doppelmoral: Bei Regierungspetitionen macht man das, bei Oppositions­anträgen macht man das nicht! (Abg. Schieder: Das ist aber jetzt nicht richtig!) – Sie können sich gerne zu Wort melden, lieber Kollege Schieder. (Abg. Schieder: Ich kann auch einen Zwischenruf machen! – Abg. Weninger:  Schuss geht nach hinten los!)

Ich werde auf jeden Fall an diesem Thema dranbleiben und auch per Antrag mein Be­gehren, mein Verlangen einbringen, damit das im Innenausschuss behandelt wird und diesbezüglich endlich eine vernünftige Lösung gefunden wird. – Danke. (Beifall beim Team Stronach sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

20.18


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Pock. – Bitte.

 


20.19.17

Abgeordneter Michael Pock (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kol­legen und Kolleginnen! Werte Zuseher und Zuseherinnen! Bevor ich auf das bisher Ge­sagte eingehe, möchte zum Allgemeinen Stellung nehmen.

Auf der einen Seite ist das die Frage nach der Aufgabe des Ausschusses. Das zentrale Element und auch Versprechen des Petitions- und Bürgerinitiativenausschusses ist mei-


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ner Meinung nach das, dass wir den Bürgerinnen und Bürgern sagen: Es gibt einen Weg ins Parlament, für den du weder eine Partei noch einen Abgeordneten benötigst. Du brauchst 499 weitere Menschen, die dich unterstützen, dann kann dein Anliegen direkt im Parlament behandelt werden.

Der zweite Punkt ist das Versprechen, dass sich die Entscheidungsträger und ‑träge­rin­nen in diesem Land damit auseinandersetzen. Was passiert, wenn eine Bürgerinitia­tive einlangt? – Dann geht das Ganze zuerst in den Ausschuss, wo alle sechs Parla­mentsfraktionen sich damit auseinandersetzen. Dann geht es zu den Ministerien, wo sich die Sektionschefs und ‑chefinnen damit auseinandersetzen. Minister und Ministe­rinnen setzen sich damit auseinander. Dann kommt es – egal, ob es zur Kenntnis genommen wird oder ob es in den Fachausschuss weitergeht – am spätesten Punkt auch in die Nationalratssitzung. Das bedeutet, alle relevanten EntscheidungsträgerIn­nen haben sich mit dem Thema auseinandergesetzt, und es ist in die Öffentlichkeit ge­setzt worden. Das ist das Mindestversprechen, das wir abgeben.

Im vergangenen Jahr haben wir meiner Meinung nach wirklich sehr gute Fortschritte gemacht, und zwar ohne Ausnahme. Aufseiten sowohl der Oppositionsparteien als auch der Regierungsparteien sind wir sehr weit gekommen. Wir haben unter anderem beim Thema Hypo ein Hearing gemacht. Wir haben zuletzt ein Hearing gemacht, für das wir kein Schwerpunktthema hatten, das im öffentlichen Fokus stand, sondern da konnte jede Fraktion ein Thema wählen. Wir haben die InitiatorInnen und teilweise Ex­perten eingeladen, haben uns dafür ausreichend Zeit genommen und haben es sehr ernst genommen.

Wir planen jetzt ein Hearing zum Thema TTIP und CETA. Da werden wir neben den Experten und Expertinnen, die wir wieder durch die Fraktionen einladen lassen, infor­mell freundlich auch das Wirtschaftsministerium einladen, soweit es Interesse hat, da­ran teilzunehmen. Ich bin auch bereits jetzt mit dem Kabinett von Kommissarin Malm­ström in Kontakt, und ich nehme an, auch vom Kabinett der Kommissarin wird jemand am Ausschuss teilnehmen. Das heißt, wir werden mutmaßlich die europäische, die na­tionale und, wenn alles gut geht, auch die kommunale Ebene im Ausschuss zum The­ma Freihandel vertreten haben, plus Pro- und Contra-ExpertInnen. Das ist das Maß an Wertschätzung, das zumindest erwartet wird.

Es ist nicht alles gut – das ist jetzt nicht der Punkt –, es ist nur der richtige Weg, der eingeschlagen wurde. Das ist nicht ein klassisches Oppositions-Regierungs-Geplänkel, sondern es gilt für alle Parteien, das Versprechen einzulösen, dass Bürger und Bürge­rinnen ihre Anliegen ins Parlament tragen können.

Wo haben wir noch Probleme? – Wir haben auf der einen Seite nach wie vor das The­ma – ich halte das für einen zentralen Konflikt, wir sitzen nämlich trotzdem, Politiker und Politikerinnen, in dem Ausschuss –, dass wir nicht konsistent handeln. Manchmal überwiegt die Logik, und wir weisen zu. Manchmal überwiegt bei einem Thema die po­litische Ablehnung, und das führt dazu, dass etwas nicht in den Fachausschuss weiter­geleitet wird.

Wir hatten zuletzt das Problem, dass vier Ministerien nicht zeitgerecht geantwortet ha­ben. Das waren Justiz, Äußeres, Kunst und Kultur sowie Wirtschaft, Wissenschaft, For­schung. Sowohl Justiz- als auch Außenministerium haben innerhalb von 24 Stunden geantwortet, haben auch Kontaktdaten zur Verfügung gestellt, dass das in Zukunft nicht mehr passieren wird. Ich gehe auch davon aus, dass wir in Zukunft eine deutliche Verbesserung haben werden.

Abschließend gesagt: Wir sind auf dem richtigen Weg. Es ist nicht der Ort für Partei­politik. Das zentrale Ziel ... (Präsident Hofer gibt das Glockenzeichen.) Das ist schon mein Schlusssatz: Das zentrale Ziel für diese Legislaturperiode muss sein, dass wir aus


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der Gnade des Parlaments ein Anrecht der Bürgerinnen und Bürger machen. – Danke schön. (Beifall bei NEOS und Team Stronach sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

20.22


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Winter. – Bitte.

 


20.23.13

Abgeordnete Dr. Susanne Winter (FPÖ): Herr Präsident! Werte Kollegen und Kolle­ginnen! Ich habe den allgemeinen Seufzer der Erleichterung gehört, dass wir an den letzten Tagesordnungspunkt herangekommen sind. Ich habe mitgeseufzt, und ich habe volles Verständnis dafür, ja – aber wenn ich dann so nachdenke, muss ich wohl ein­stimmen in den Chor meiner Vorredner, die sagen, es handelt sich um einen absolut wichtigen, wertvollen Ausschuss. Ich würde mich unendlich freuen, würde das einmal in einem früheren Tagesordnungspunkt, zu einem früheren Zeitpunkt abgehandelt wer­den. (Beifall bei FPÖ, Grünen, Team Stronach und NEOS.)

Das sind wir, denke ich, einmal unserem Souverän – und das ist das Volk – schuldig, denn genau dieser Souverän trägt an uns seine Begehren heran, seine berechtigte Kri­tik, seine berechtigten Forderungen, und das sollte auch endlich einmal entsprechend wertgeschätzt werden. Nur bedarf es dazu, denke ich, noch eines langen Weges und vor allen Dingen noch einiges an Demokratiereform.

Aber was heißt eigentlich Demokratiereform? – Wir leben doch in einer Republik mit demokratischen Prinzipien. Das heißt, irgendwie beißt sich das. Da sollten wir einmal überlegen, wie es sich tatsächlich anfühlt, auch ein Bürger zu sein und hier seine Be­gehren unterbringen zu können.

Es hat in diesem Ausschuss viele sehr interessante Bürgerbegehren gegeben; ich möch­te zwei hervorheben, die mir ganz besonders wichtig sind. Das eine ist eine sehr lusti­ge Petition, nämlich die Petition, die „Den Faschingsdienstag zum gesetzlichen Feier­tag erklären“ wollte. Ich habe das, ganz ehrlich gestanden, recht amüsant und interes­sant gefunden und hätte auch gerne positiv meine Stimme dafür abgegeben, aber das ist nicht möglich. Das wäre endlich einmal ein gesetzlicher Feiertag, der nicht auf Reli­gion zurückzuführen ist, der nicht auf Tradition zurückzuführen ist, sondern auf das Ge­müt und auf die Stimmung der Menschen. (Zwischenruf des Abg. Weninger.) Ich glau­be, viele Österreicher hätten damit Freude gehabt, insbesondere Leute mit Kindern.

Die zweite Petition ist die TTIP-Petition. Man sagt hier, wir brauchen ein Hearing, wir brauchen so und so viele Expertenmeinungen dazu. Ich glaube, die größte Experten­meinung und die Meinung, die das Volk tatsächlich hat, sehen wir, wenn wir auf die Straße gehen und uns anschauen, wie viele Leute in diesen Demonstrationen „Stop TTIP“ mitgehen. Ich habe hier ein Prospekt oder eine Informationsschrift von ATTAC Ös­terreich, ich war selbst bei dieser Demonstration dabei. Das zeigt ganz eindeutig, was die Bevölkerung will. Wir hier sollten uns endlich einmal um das kümmern, was die Be­völkerung will, und nicht immer nur aus politischen oder strategischen Motiven heraus entscheiden und ganz einfach drüberfahren.

Deshalb möchte ich meine Ausführungen beenden mit einem ganz einfachen Satz, den ich eben bei dieser Demonstration gehört habe und der hundertmal skandiert worden ist: We don’t want it! – Daran sollten wir uns halten! (Beifall bei der FPÖ.)

20.26


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Weninger. – Bitte.

 


20.26.26

Abgeordneter Hannes Weninger (SPÖ): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollegin Martina Schenk vom Team Stronach hat eingefordert, dass wir über


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die Petition Nr. 22 ausführlicher diskutieren. Ich mache das natürlich sehr gerne, so wie auch im Ausschuss.

Ein liberaleres Waffenrecht, so wie es das in den USA gibt, steigert bewiesenermaßen sicher nicht die Sicherheit der Bevölkerung. (Abg. Schenk: Nicht ein „liberaleres“, son­dern ein liberales!) Ganz im Gegenteil, liebe Kollegin Schenk, der Revolver unterm Polster und die Schrotflinten an der Garderobe gefährden nur die Menschen (Abg. Schenk: ... sind illegale Waffen!), vor allem Kinder, Jugendliche und Ehepartnerinnen. (Beifall bei der SPÖ.)

Deshalb sagen wir: Wir sind gegen eine weitere Liberalisierung des Waffenrechts. Ich begrüße es auch dezidiert, dass die österreichischen Behörden die Ausstellung von Waf­fenpässen sehr restriktiv handhaben.

Abschließend: Mit Waffen und Gewalt wurden noch nie Konflikte gelöst. Darum sind wir gegen diese Petition. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Köchl.)

20.27


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mühlberghuber. – Bitte.

 


20.27.45

Abgeordnete Edith Mühlberghuber (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich werde mich ganz kurz halten und auf die Petition Nr. 42 eingehen – diese hat ja Frau Wurm eingebracht –, worin gefordert wird: „Vergewaltigung verurteilen. Ein Nein muss genügen. Strafrecht in Österreich verbessern“.

Frau Wurm, ich gebe Ihnen vollkommen recht, jede Vergewaltigung ist zu viel, jede un­sittliche Berührung/Belästigung ist zu viel. Ein Nein muss genügen, menschlich gese­hen auf jeden Fall. Aber die Frage ist, ob es auch vor Gericht praktisch unmöglich ist, ein Nein zu beweisen. Da wird dann, wie schon bis jetzt – dazu gibt es ja auch ein Ge­setz –, wieder Aussage gegen Aussage stehen. Ich glaube auch, kein Strafgesetz kann das menschliche Zusammenleben bis ins Letzte hinein regeln. Aber damit wird sich ja der Justizausschuss beschäftigen, dem ist die Petition auch zugewiesen worden.

Ich wünsche mir für den nächsten Ausschuss, dass auch die Bürgerinitiative „Halbe – Halbe –> Doppelresidenz“ dem Justizausschuss zugewiesen wird. Bei diesem Anlie­gen geht es um die Einführung der Doppelresidenz für Trennungskinder. Es soll eine gleichteilige Betreuung und ein gleichteiliger Aufenthalt der Kinder bei ihren Eltern ge­setzlich verankert werden. Meine Damen und Herren, wenn schon das sogenannte „Po-Grapsch“-Gesetz geschaffen werden soll, dann muss es auch möglich sein, dass das Wohnen für Kinder bei beiden Elternteilen im Gesetz verankert wird. – Danke. (Bei­fall bei der FPÖ.)

20.29


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Schenk zu Wort gemeldet. – Bitte. (Abg. Weninger: Jetzt passt auf!)

 


20.29.48

Abgeordnete Martina Schenk (STRONACH): Genau: Aufpassen, Ohren spitzen und Ohren waschen! Das wäre nicht schlecht.

Eine tatsächliche Berichtigung: Kollege Weninger hat vorhin in seinem Redebeitrag ge­sagt, ich würde ein „liberaleres“ Waffenrecht fordern.

Ich berichtige tatsächlich: Ich fordere ein liberales Waffenrecht und nicht ein „libera­leres“ Waffenrecht.


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Sinnerfassend lesen wäre angebracht, auch bei Abgeordneten, lieber Kollege! – Dan­ke. (Beifall beim Team Stronach. – Abg. Schieder: Aber es war nicht gelesen! Es war gesprochen!)

20.30


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Gerstl. – Bit­te. (Abg. Schieder: Das war jetzt eine tatsächliche Berichtigung? – Weitere Zwischen­rufe.)

 


20.30.00

Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kol­leginnen und Kollegen! Ich möchte ... (Abg. Weninger: Hat sie einen Ordnungsruf ge­kriegt? – Abg. Cap: War das jetzt eine Berichtigung oder nicht? – Der Redner blickt in Richtung Präsidium.)

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (fortsetzend): Danke, Herr Präsident. – Ich möch­te gerne zur Bürgerinitiative „An der Hand“ reden, die wir im Petitionsausschuss zur Kenntnis genommen haben. Ich möchte mich vor allem ganz herzlich bedanken bei den 23 000 UnterzeichnerInnen der Bürgerinitiative, im Besonderen bei Frau Dr. Gud­run ... (Abg. Cap: Harrer!) Pardon? (Abg. Jarolim: Harrer!) Harrer? – Nein, da liegen Sie, glaube ich, nicht ganz richtig – macht aber nichts. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich möchte mich bei der Initiatorin ganz besonders bedanken für die großartige Unter­stützung, für den großartigen Vortrag, den sie hier geleistet hat, und bei den 23 000 Un­terstützern. Diese Bürgerinitiative hat vier Ziele genannt. Erstes Ziel war ein flächende­ckender Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung; zweites Ziel war die weitere Er­forschung und Entwicklung der Palliativmedizin; drittes Ziel war die Sicherstellung der Finanzierung und Machbarkeit der häuslichen Pflege; und das vierte Ziel war das ver­fassungsrechtliche Verbot der Sterbehilfe.

Ich glaube, wir können heute sagen, dass es bisher keine Bürgerinitiative im National­rat gegeben hat, die hier im Haus so intensiv diskutiert wurde. Das hing vor allem damit zusammen, dass wir die Parlamentarische Enquete-Kommission zum Thema „Würde am Ende des Lebens“ dafür eingerichtet gehabt haben. Dort gab es über 500 Exper­tengespräche; knapp zehn Sitzungen, die dazu abgehalten wurden; über 700 Stellung­nahmen, die von Österreicherinnen und Österreichern dazu online direkt an das Parla­ment geliefert wurden; und es wurden alle NGOs und eigentlich die gesamte Zivilge­sellschaft dazu eingeladen, und sie hat auch hier mitgearbeitet, hier im Haus, hier in dem Plenarsaal. Ich möchte mich auch bei allen ganz herzlich dafür bedanken, dass sie hier so intensiv mitgearbeitet haben. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Besonders bedanken möchte ich mich natürlich auch bei jedem Einzelnen von Ihnen, denn Sie haben dazu beigetragen, dass wir in der Enquete-Kommission einen einstim­migen Beschluss herbeigeführt haben mit 51 Empfehlungen, die für die Österreicherin­nen und Österreicher in der letzten Phase des Lebens, glaube ich, ganz besonders be­gleitend und wichtig sind.

Das Einzige, was in diesem Bereich jetzt nicht umgesetzt wurde, war dieses formale Ver­fassungsverbot der Sterbehilfe. Aber ich freue mich auch, sagen zu können, dass wir einstimmig beschlossen haben, dass an der bestehenden Rechtslage keine Änderung durchgeführt werden soll. Wenn Sie so wollen, Vertreterinnen und Vertreter der Bür­gerinitiative: In der Realverfassung hat sich nichts geändert – im Unterschied zu ande­ren Ländern –, im Gegenteil, das wurde somit weiter festgeschrieben. Ich glaube, das ist auch im Sinne der Bürgerinitiative.


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Für diesen Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung brauchen wir 61 Millionen €. Ich möchte da meinen Kollegen Erwin Rasinger zitieren: Er hat gesagt, das ist eigent­lich eine Kleinigkeit, es kann gar kein Problem sein, dass das finanziert wird. – Ich möchte es noch einmal unterstreichen: Es ist weniger als ein Tausendstel unseres Ge­samtbudgets! Dieses eine Tausendstel unseres Gesamtbudgets für die letzten Stun­den, Tage, Wochen und Monate von Sterbenden sollte, glaube ich, aufgebracht wer­den können. Es darf überhaupt keine Frage sein, dass der Nationalrat, der das einstim­mig beschlossen hat, es auch durchsetzt.

Meine Damen und Herren, ich möchte mich abschließend noch ganz herzlich bei mei­ner Kollegin Michaela Steinacker bedanken. Sie hat auch dafür gesorgt, dass das Selbst­bestimmungsrecht der Menschen weiter ausgebaut werden soll, nämlich durch die Pa­tientenverfügung und die Vorsorgevollmacht. Auch hier wollen wir einen leichteren Zugang in der Selbstbestimmung ermöglichen. Liebe Michaela, dafür ein ganz herzli­ches Danke!

Dafür, dass dies alles möglich wurde, noch einmal ein Danke an alle Bürgerinnen und Bürger, an alle Kolleginnen und Kollegen hier im Nationalrat, die diesen einstimmigen Beschluss gefasst haben, und im Besonderen unserer Vorsitzenden in der Parlamenta­rischen Enquete-Kommission, Gertrude Aubauer. Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

20.34


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Hafenecker. Rest­redezeit der Fraktion: 3 Minuten. – Bitte.

 


20.35.08

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Ho­hes Haus! Ich beziehe mich auf die Petition Nr. 25: „Luftraum-Novelle stoppen, keine weiteren Einschränkungen für den Flugsport!“ Zur Erinnerung: Wir haben diese Petition am 10. Oktober eingebracht, um eben die in Ausarbeitung und Umsetzung befindliche Novelle zum Luftraum zu stoppen. Wir wollten damals einen Nachdenkprozess einlei­ten und haben auch vor den Problemen gewarnt, die damit in Verbindung gestanden sind.

Das waren zum einen die massiven Einschränkungen, die für den Flugsport zu be­fürchten waren. Es war weiters die Warnung vor der Überlastung der Fluglotsen, die ja jetzt in kleineren Flugräumen viel mehr Freigaben machen müssen. Es war die War­nung vor der Unfallgefahr in ebendiesen kleineren Lufträumen. Es waren auch die ne­gativen Auswirkungen für den Tourismus, für die Wirtschaft und vor allem für die Flug­branche per se, auf die wir damals hingewiesen haben.

Auch deshalb, weil uns dieses Thema entsprechend wichtig erschienen ist, haben wir dann im Petitionsausschuss ein Hearing dazu gemacht, um diese Probleme noch ein­mal besser herauszuarbeiten. Zusätzlich gab es auch eine Stellungnahme vom BMVIT, und diese, meine sehr geehrten Damen und Herren, liest sich tatsächlich wie Grimms Märchen. Dass die Novelle sozusagen schon umgesetzt ist, ist so ziemlich das Einzi­ge, was an dieser Stellungnahme gestimmt hat.

Nicht gestimmt hat zum Beispiel, dass man ein gemeinsames Ergebnis mit den Stake­holdern erzielt hat, weil die Flugsportler als Stakeholder schlicht und ergreifend vom Verhandlungstisch aufgestanden sind. Es wurde nicht fertigbehandelt. Somit kann es auch nicht stimmen, dass alle Stakeholder zufrieden waren und dieser Entscheidung zu­gestimmt haben.

Weiters steht drin, die Vorbereitungen für das Monitoring der Lufträume laufen auf Hochtouren und sollten im März abgeschlossen sein. – Meine sehr geehrten Damen


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und Herren, auch das ist wieder einmal unwahr! Fakt ist, dass die ACG, die damit be­auftragt worden ist, die TRAs, also die Temporary Reserved Airspaces, bis jetzt nicht eingerichtet hat. Das heißt, es kann nicht einmal eine Evaluierung über die TRAs statt­finden. In Pinkafeld hat man gesagt, man will eigentlich gar nicht mehr reden, man will die nicht umsetzen. Das ist die Wahrheit über das, was im Hintergrund tatsächlich pas­siert ist. Man ist hier, kann man ganz eindeutig und klar sagen, wortbrüchig geworden.

Im Vergleich dazu hat der Aero-Club alle Auflagen erfüllt. Das Monitoring, das Repor­ting Tool ist längst online und die Evaluierung derzeit nicht möglich, weil die ACG säu­mig ist. Mein sehr geehrten Damen und Herren, aus Sicht der Fliegerei handelt es sich hier also um einen schlechten Scherz.

Es ist daher Anlass genug gegeben, dass man diese Petition im zuständigen Fachaus­schuss, dem Verkehrsausschuss, weiterbehandelt hätte. Das ist aber von SPÖ und ÖVP verhindert worden, ähnlich wie auch beim liberalen Waffenrecht. Es sind also 5 469 Unterstützer dieser Petition nicht gehört worden, und es sind 100 000 Personen, die direkt und indirekt mit dem Flug und dem Flugsport verbunden sind, übergangen worden.

Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren von ÖVP und SPÖ, müssen Sie sich am Ende auch die Schlagzeile im „Thermik“-Magazin gefallen lassen, wo geschrieben steht: „Die Neustrukturierung des [...] Luftraumes ist beschlossen, der Entscheidungs­prozess war nur fingiert ein demokratischer.“ Das ist der Eindruck, den Sie hier hinter­lassen haben. (Beifall bei der FPÖ.)

20.38


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Königsberger-Lud­wig. – Bitte.

 


20.38.41

Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Gerstl, Frau Dr. Gudrun Kug­ler hat die Petition eingebracht. Wir können uns beide bei ihr bedanken.

Ich möchte auch zu dieser Bürgerinitiative „An der Hand – nicht durch die Hand eines Menschen sterben!“ sprechen. Kollege Gerstl hat in seinem Redebeitrag schon die vier Forderungen genannt. Ich denke mir, wenn wir uns den Bericht ansehen, der jetzt ge­meinsam von allen Parlamentsparteien beschlossen worden ist, kann man mit Fug und Recht behaupten, dass diese vier Forderungen durchaus erfüllt sind.

Wenn man daran denkt, dass die flächendeckend angemessene Hospiz- und Palliativ­versorgung geplant ist: Da gibt es eine eindeutige Willenskundgebung, dass der Pal­liativ- und Hospizbereich bis 2020 umgesetzt werden soll. Es gibt auch schon Zahlen darüber, mit wie viel Geld man in den nächsten Jahren rechnen muss. Ich denke mir, es geht jetzt vor allem darum, auch der Bürgerinitiative zu sagen: Ja, wir möchten das gemeinsam machen, wir müssen eine gemeinsame Kraftanstrengung umsetzen, damit man die Finanzierung auch tatsächlich sicherstellen kann. BMG, BMASK, Länder, So­zialversicherungen und auch der Finanzminister werden da ganz sicher gefordert sein, und da werden wir alle gemeinsam, denke ich mir, in diese Richtung arbeiten müssen.

Es geht dann auch um die weitere Erforschung und Entwicklung der Palliativmedizin. Dafür gibt es im Punkt 22 des gemeinsamen Berichts ein eindeutiges Bekenntnis, dass an Universitäten auch weiterhin geforscht werden soll, speziell auch im Palliativ- und im Hospizmedizinbereich. Es gibt auch ein Bekenntnis dazu, dass es in der Ausbildung von ÄrztInnen, PflegerInnen und Betreuungspersonen weitere gemeinsame Schritte ge­ben wird müssen, weil es einfach sehr anstrengend, sehr fordernd ist, mit den Men­schen in dieser letzten Phase des Lebens zu arbeiten. Deswegen muss man auch da­rauf ein Augenmerk legen.


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Der dritte Punkt ist die Sicherstellung der Finanzierung und der Machbarkeit der häusli­chen Pflege. Darüber ist zwar in der Enquete-Kommission nicht so viel gesprochen wor­den, aber unser Sozialminister Hundstorfer hat in den letzten Jahren wirklich einen Schwerpunkt darauf gelegt, die Pflege weiterhin finanzierbar zu halten.

Es wurde eine Reihe von Unterstützungsmaßnahmen für pflegende Angehörige be­schlossen – sei es die Pflegekarenz, die Hospizkarenz, die Aufnahme in die Unfall- und Pensionsversicherung und die damit verbundene Übernahme der Kosten –, damit man tatsächlich zu Hause pflegen kann, wenn man das möchte. In diesem Punkt werden wir noch gemeinsam weiterarbeiten müssen – ich bin überzeugt davon –, weil es für viele Menschen ein Wunsch ist, so lange wie möglich zu Hause zu bleiben, und das wird nicht ganz ohne die Angehörigen gehen.

Für alle Zuseherinnen und Zuseher: Es gibt in Österreich im Moment 457 000 Men­schen, die Pflegegeld beziehen. Das sind 5 Prozent der Bevölkerung. Ich denke mir, das ist eine Zahl, die sich durchaus sehen lassen kann, und wir werden, wie schon ge­sagt, in diesem Punkt gemeinsam weiterarbeiten müssen.

Der letzte Punkt, der gefordert wurde, war das verfassungsrechtliche Verbot der akti­ven Sterbehilfe. Das hat der Kollege Gerstl auch schon angesprochen. Es hat in die­sem Punkt keine verfassungsrechtliche Verankerung des Verbotes der aktiven Sterbe­hilfe gegeben, weil zumindest in der Enquete-Kommission herausgekommen ist, dass es dafür keine Notwendigkeit gibt. Mit der Patientenverfügung und der Vorsorgevoll­macht gibt es gute Mittel für die Selbstbestimmung des Menschen am Ende des Le­bens. Ich denke mir, dass das in Zukunft für alle Menschen, egal, wo sie in Österreich wohnen, weiter ausgebaut und besser zugänglich gemacht werden soll, weil das ein ganz besonderer Wert für Menschen ist.

Ich möchte diese Rede wieder einmal mit meinem Gedanken zum Thema beenden: Selbstbestimmung des Menschen am Ende des Lebens hat ganz viel mit der Würde des Menschen am Ende des Lebens zu tun. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

20.42


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Sieber. – Bitte.

 


20.42.34

Abgeordneter Norbert Sieber (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Wir haben im Petitionsausschuss viele interessante Petitionen debattiert und interessante Debattenbeiträge gehört. Ich möchte mich herzlich dafür be­danken. Eine davon war die Petition 22 „Mehr Sicherheit durch ein liberales Waffen­recht“. In dieser Petition wird die Rücknahme beziehungsweise die Änderung diverser Gesetze in Bezug auf das Waffengesetz gefordert.

Es wird auch bemängelt, dass die Behörden bei der Vergabe von Waffenpässen sehr restriktiv vorgehen. Zu diesem Thema sind dann auch sehr interessante Debattenbei­träge gebracht worden. Zum Beispiel wurde bemängelt, dass Polizisten und Bürger im­mer schwerer zu einem Waffenpass für den privaten Besitz von Faustfeuerwaffen kom­men. Dazu ist anzumerken, dass jeder, der sich in seiner Freizeit sportlich mit seiner Waffe in einem Schützenverein oder einem Polizeisportverein engagiert, natürlich pro­blemlos einen Waffenpass bekommt. Selbstverständlich sieht sich die Behörde das aber sehr genau an, denn schlussendlich benötigt auch ein Polizist nicht gezwungener­maßen eine Schusswaffe zu Hause in seiner Wohnung.

Frau Kollegin Schenk, keiner der Polizisten, mit denen ich gesprochen habe, hat mir ge­genüber den Wunsch geäußert, in seiner Freizeit zu Hause auch eine Waffe zu haben. (Zwischenruf der Abg. Schenk.) Geradezu absurd waren aber die Argumente betref­fend die Jäger.


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Da wurde allen Ernstes die Befürchtung geäußert, dass aufgrund der restriktiven Ver­gabe von Waffenpässen die Jagd nicht mehr ausgeführt werden kann und der Wildver­biss beziehungsweise der Wildschaden unseren Wäldern den Garaus machen wird. Hier kann ich Sie beruhigen: Kein Jäger benötigt für das Führen seiner Jagdwaffe – zu­meist sind dies Büchsen oder Flinten – einen Waffenpass. Mit dem Erwerb der Jagder­laubnis, also dem Ausstellen der Jagdkarte, bekommt man automatisch auch eine Waf­fenbesitzkarte, die die jeweilige Person berechtigt, eine Jagdwaffe zu führen.

Den Waffenpass benötigt man ausschließlich für den Besitz von Faustfeuerwaffen oder halbautomatischen Waffen. (Zwischenruf der Abg. Schenk.) 99,9 Prozent aller Jäger brau­chen für die Ausübung der Jagd keine Faustfeuerwaffe. Einige wenige Berufsjäger führen eine Faustfeuerwaffe mit – für den Fall der Notwendigkeit eines Fangschusses bei einem verletzten Wild.

Ja, ich finde es auch in diesen Fällen richtig, dass die Behörde sehr genau hinsieht, ob eine Notwendigkeit für die Ausstellung eines Waffenpasses gegeben ist. Die Propo­nenten dieser Petition wollen mit angstmacherischen Argumenten erreichen, dass der Zu­gang zu Faustfeuerwaffen für jedermann und jederfrau wesentlich leichter möglich ist.

Meine Damen und Herren! Bei uns in Österreich brauchen sich die Bürgerinnen und Bürger nicht zu bewaffnen. In Österreich sorgt unsere hervorragende Exekutive für die Sicherheit! Und das ist gut so. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Abg. Steinhauser.)

20.45


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hechtl. – Bitte.

 


20.45.52

Abgeordneter Johann Hechtl (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Wie bereits angeführt wurde, umfasst der Sammelbericht des Peti­tions- und Bürgerinitiativenausschusses sehr viele Bereiche der Gesellschaft, und die eingebrachten Bürgerinitiativen und Petitionen wurden ausreichend diskutiert und be­handelt.

Ich möchte auf die Bürgerinitiative 51 eingehen, mit der eine Verbesserung der Lehr­lingsausbildung gefordert wurde. Diese Bürgerinitiative wurde von über 4 000 jugendli­chen Menschen und Persönlichkeiten, die in der Arbeitswelt stehen, unterstützt. Das zeigt auf der einen Seite schon, wie viele Gedanken sich die Jugendlichen um ihre Lehrlingsausbildung, um die Berufsausbildung in Österreich generell machen. Das zeigt auch, dass sie Vorschläge zur Verbesserung haben. Auch wenn wir immer davon spre­chen, dass wir in Österreich eines der besten Berufsausbildungssysteme haben, näm­lich die europaweit anerkannte duale Berufsausbildung, so zeigt gerade diese Bürger­initiative, dass es immer wieder Verbesserungen geben muss und hier Verbesserun­gen zu tätigen sind.

Ich nenne nur einige Punkte: die generelle Ausweitung der Berufsschulzeit für alle Lehr­linge auf 1 260 Stunden – das finden wir auch im Arbeitsprogramm der Bundesregie­rung unter dem Punkt „Bildung“ wieder – oder zum Beispiel das Manko, dass die Aus­bilder nicht genügend Zeit haben, um sich mit den Lehrlingen zu befassen. Ich könnte noch einige Punkte, die in dieser Bürgerinitiative angeführt sind, nennen.

Ich möchte auch noch auf die Bürgerinitiative 62 eingehen, in der die Einführung der flächendeckenden Senior/innen-Jahreskarte für Österreich gefordert wird. Mit dieser Jah­reskarte für die Pensionistinnen und Pensionisten kann man sozial gestaffelt mit einer sogenannten Netzkarte in ganz Österreich die öffentlichen Verkehrsmittel benützen. Das ist eine Chance für die Pensionistinnen und Pensionisten, aber auch eine Chance für die öffentlichen Verkehrsunternehmen, damit sie attraktiver werden und eine gewis­se finanzielle Abdeckung erreichen. Ich bin schon neugierig, wie die Stellungnahme


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des Bundesministers für Finanzen bei dieser Bürgerinitiative ausfallen wird. Ich glaube, die Seniorinnen und Senioren in Österreich haben sich eine solche flächendeckende Jahreskarte verdient. (Beifall bei der SPÖ.)

20.48


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächste ist Frau Abgeordnete Diesner-Wais zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


20.48.25

Abgeordnete Martina Diesner-Wais (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Da­men und Herren! Ich möchte mich zuerst bei den Bürgerinnen und Bürgern bedanken, dass sie sich am demokratischen Prozess beteiligen und so viele Initiativen einbringen. Alle werden in verschiedensten Formen behandelt. Ich möchte zur Bürgerinitiative 58 sprechen, in der es um die leistbare Pflege geht, denn das ist etwas sehr Wichtiges. Es haben sich die Zeiten, die Lebensformen, die Berufsformen und die demografische Ent­wicklung verändert. Daher ist es wichtig, dass die Pflege weiterhin gesichert und leist­bar ist.

Wir haben in letzter Zeit in diesem Bereich sehr viel getan; so ist das Pflegegeld ge­schaffen worden, das ständig valorisiert wird, 2014 sind die Pflegekarenz und die Hos­pizkarenz eingeführt worden, und die Pflegereform 2011 und 2012 hat in die Schaffung eines Pflegefonds gemündet, damit die Langzeitpflege auf längere Zeit abgesichert wird.

Mit dem Jahr 2016 wird das Pflegegeld in allen Stufen wieder um 2 Prozent erhöht. Das ist natürlich ein notwendiger Faktor. Man merkt, dass in den letzten Jahren durch die demografische Entwicklung die Kosten im Pflegesektor gestiegen sind. Es sind aber nicht nur die Kosten gestiegen, sondern auch die Leistungen wurden weiter aus­gebaut, wie ich schon angeführt habe.

Momentan werden für das Pflegesystem 3 Milliarden € aufgewendet, und 450 000 Men­schen bekommen Pflegegeld. Die Pflege ist auch ein wichtiger wirtschaftlicher Faktor in unserem Land geworden. Wenn ich Niederösterreich hernehme, so arbeiten 17 500 Men­schen in der Pflege und im Krankenbereich, das sind mehr als 10 Prozent.

Wir bauen auch die Pflege in dem Sinne aus, dass wir zuerst erheben und darauf ach­ten, was benötigt wird. So werden die Hauskrankenpflege und die stationäre Pflege wei­ter geplant und ausgebaut. Im heurigen Jahr werden 6 Millionen € verwendet, um In­vestitionen vorzuziehen, damit dem wirtschaftlichen Faktor Rechnung getragen wird.

Das Pflegesystem ist etwas besonders Wertvolles, und ich sage, es hat sich sehr viel verbessert, aber wir sind ständig daran und es muss unser Ziel sein, es noch besser auszubauen, damit wir diesen guten Standard weiter erhalten können. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Pock.)

20.51


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Keck. – Bitte.

 


20.51.23

Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin seit 13 Jahren im Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen. Ich habe in die­sem Ausschuss Höhen erlebt, ich habe in diesem Ausschuss Tiefen erlebt, ich habe in diesem Ausschuss auch schon Freude erlebt.

Ich habe Tiefen erlebt: Ein ganzes Jahr lang ist keine einzige Petition und keine einzige Bürgerinitiative in das Plenum gekommen, weil es keinen Sammelbericht gegeben hat, weil alle Petitionen und Bürgerinitiativen ein Jahr lang vertagt wurden. Ich habe Höhen erlebt, weil jetzt vierteljährlich ein Sammelbericht zustande kommt, diese Anliegen hier im Plenum diskutiert werden und an Plenartagen schon Tagesordnungspunkt 2 waren.


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Ich habe Freuden erlebt, weil ich viele dieser Petitionen und Bürgerinitiativen persön­lich unterstützt habe und es da zu Gesetzesfindungen gekommen ist – das heißt, dass die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger auch in Gesetzen verarbeitet wurden.

Ich war enttäuscht, als ich dieser Tage die Tagesordnungen für diese beiden Tage be­kommen habe und feststellen musste, dass man es an zwei Plenartagen nur mehr ge­schafft hat, den Tagesordnungspunkt für Petitionen und Bürgerinitiativen als letzten Ta­gesordnungspunkt hintanzustellen.

Meine Damen und Herren! Wenn man sieht, dass wir diesmal acht Petitionen und vier Bürgerinitiativen haben, 16 weitere Petitionen und 15 Bürgerinitiativen im Ausschuss be­handelt haben, und wenn man weiß, dass hinter diesen Petitionen und Bürgerinitiativen Zehntausende Unterstützungserklärungen gestanden sind, wäre es notwendig, einen Tagesordnungspunkt festzulegen, im Rahmen dessen die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger hier im Plenum wirklich an vorderster Stelle vertreten werden.

Folgender Appell geht an die Klubobleute – es sind derzeit nur zwei hier im Saal anwe­send, aber er richtet sich wirklich an alle, weil die Präsidiale die Tagesordnungen im Ein­vernehmen festlegt –: Ich würde mir wünschen, dass wir bei der nächsten Tagesord­nung, wenn wieder solch ein Sammelbericht kommt, mit diesen Ausschussanliegen zu­mindest im vorderen Drittel der Tagesordnung wären. (Beifall bei SPÖ, ÖVP, Grünen und NEOS.)

Meine Damen und Herren! Ich möchte noch ganz kurz auf die Bürgerinitiative 51, „Ver­besserung der Lehrlingsausbildung“, eingehen. Da ich auch Betriebsrat in einem Unter­nehmen, der Voest, bin, in dem eine hervorragende Lehrlingsausbildung geleistet wird, erscheint mir diese Initiative äußerst wichtig, denn alle Jugendlichen haben das Recht auf eine gute und solide Ausbildung, die sie für ihre eigene Zukunft rüstet. Es ist erfreu­lich, dass diese Initiative von Jugendlichen eingeleitet wurde, weil sie eine wirklich pro­fessionelle Ausbildung gewährleistet haben wollen. Das können wir alle miteinander nur voll und ganz unterstützen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Pock.)

20.54


Präsident Ing. Norbert Hofer: Herr Abgeordneter, ich bin sicher, dass Ihr Anliegen in der Präsidiale des Hauses wohlwollend behandelt werden wird.

Als Nächster ist Herr Abgeordneter Mag. Rauch zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


20.54.20

Abgeordneter Mag. Johannes Rauch (ÖVP): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! (Abg. Schönegger: 2 Minuten, Hannes!) Man muss das Ganze heute nicht mehr in die Länge ziehen. Ich glaube, wir sind uns alle einig, dass der Petitionsaus­schuss ein wichtiger Ausschuss ist, dass er eben auch die Stimmung in der Bevölke­rung, das, was die Bevölkerung bewegt, gut widerspiegelt. (Rufe und Gegenrufe zwi­schen Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Ich bin auch ganz d’accord mit der Kollegin Winter und dem Kollegen von der SPÖ, dass es eigentlich an der Zeit wäre, dass der Tagesordnungspunkt Petitionen etwas frü­her zur Diskussion kommt. Ich würde mir auch wünschen, dass dann auch von den Op­positionsparteien mehr Abgeordnete dasitzen, weil ich glaube, es bringt auch eine Wert­schätzung zum Ausdruck, dass wir, wenn Menschen Petitionen einbringen, dann, so gut es geht, vollzählig im Plenum vertreten sind.

Noch ein kurzer Ausflug zur Petition 36 – hier geht es um den Faschingsdienstag, den die Kollegin Winter auch erwähnt hat –: Man muss einfach ganz trocken und nüchtern sagen, wenn man schon beim Faschingsdienstag ist, wir haben in Österreich bereits 13 Feiertage, davon sind elf religiös, zwei sind staatlich. (Abg. Pirklhuber: Weißt du, von wo das kommt? – Weil die Bauern Frondienst leisten mussten!) Ich glaube, wir lie-


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gen da im Europa-Schnitt relativ weit vorne. Deshalb wünsche ich Ihnen keinen schö­nen Feiertag, sondern ich wünsche Ihnen jetzt einen schönen Abend. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

20.55


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Preiner. – Bitte.

 


20.55.42

Abgeordneter Erwin Preiner (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Kolleginnen und Kol­legen! Ich beziehe mich auf die Bürgerinitiative „Verbesserung der Lehrlingsausbil­dung“. Diese Bürgerinitiative wurde im Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen behandelt und mit einstimmigem Beschluss an den zuständigen Wirtschaftsausschuss weitergeleitet. Im ersten Moment könnte man die Sinnhaftigkeit hinterfragen, denn die Bürgerinitiative wurde von Jugendlichen eingebracht, die sich in der Lehrlingsausbil­dung im Tourismus und in der Gastronomie befinden. Das ist ein Bereich, der wahrlich nicht sehr einfach und leicht ist. Daher ist das Engagement der Jugendlichen umso mehr zu würdigen. Mit über 4 000 Unterschriften wurde die Bürgerinitiative unterstützt.

Ein Großteil der Bevölkerung erwartet sich von Jugendlichen kaum persönliches Enga­gement, sondern dass sie froh sind, dass die Lehrlingsausbildung bald zu Ende geht. Aber diese Bürgerinitiative zeigt gerade das Gegenteil davon. Die Initiatoren sind näm­lich aktiv geworden. Vor einigen Wochen hat es hier im Parlament erstmals auch ein Lehrlingsparlament gegeben, in welchem Vertreter dieser Bürgerinitiative aktiv gewe­sen sind.

Worum geht es? – Zwei, drei hard facts diesbezüglich: Die Jugendlichen haben ge­meint – man höre und staune –, es soll die Berufsschulausbildung pro Berufsschuljahr von acht Wochen auf zwölf Wochen verlängert werden, es soll pro Tag nicht mehr als sieben Stunden Unterricht geben und es sollen die Berufsbilder internationaler werden.

Man kann also mit Fug und Recht behaupten, die Jugendlichen sind engagiert, sind motiviert und – ich darf verlauten – sie sind auf dem richtigen Weg. Ich hoffe, dass die­se Bürgerinitiative im Wirtschaftsausschuss entsprechend, nämlich nach den Vorstel­lungen der Einbringer, behandelt wird. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. (Bei­fall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

20.57


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Ofenauer. – Bitte.

 


20.57.37

Abgeordneter Mag. Friedrich Ofenauer (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Kollegin­nen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Auch in der letzten Sitzung des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen hatten wir wieder eine umfangreiche Tagesordnung und viele verschiedene Themenbereiche zu behandeln. Ich werde mich mit der 380-Kilovolt-Leitung beschäftigen, die von Elixhausen nach Kaprun in Salzburg zirka 39 Gemeinden durchquert. Bei einem derart großen Vorhaben sind natürlich viele verschiedene Interessenlagen vorhanden. Zum einen gibt es den Stromnetzbetreiber und die Stabilität des Stromnetzes, weil das Projekt des Ringschlusses einer 380-Kilo­volt-Leitung seit langer Zeit verfolgt wird, um eben die Stabilität des Stromnetzes zu ge­währleisten.

Auf der anderen Seite gibt es aber natürlich Bürgerinnen und Bürger, die sich um die Umweltverträglichkeit des eingereichten Projektes und um den Naturschutz Sorgen machen. Umso verständlicher ist es, wenn viele Betroffene Anrainerinnen und Anrainer ihre Meinung durch Unterstützung dieser Petition kundtun.

Es wurden in diesem Fall zwei Stellungnahmen eingeholt – vom Wirtschaftsministerium und vom Lebensministerium. Demnach hat das Gesetz für diese Fälle eine sogenannte


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Umweltverträglichkeitsprüfung vorgesehen. In diesem Verfahren werden alle infrage kommenden Materiengesetze angewendet und geprüft, ob ein Projekt genehmigt und dann umgesetzt werden kann oder ob diverse umweltrechtliche Regelungen verletzt werden und es dadurch dann nicht genehmigt werden kann.

Genau ein solches UVP-Verfahren ist derzeit bei der Salzburger Landesregierung als zuständiger Behörde anhängig. Erst vor Kurzem hat dazu eine mündliche Verhandlung stattgefunden.

Ich kann nun die Ängste und Befürchtungen der Bürgerinnen und Bürger sehr gut ver­stehen, allerdings würde es den rechtsstaatlichen Grundsätzen massiv widersprechen, wenn Oberbehörden in ein laufendes Verfahren eingreifen würden.

Aufgabe des Gesetzgebers ist es aber auch, zu prüfen, ob Gesetzesänderungen not­wendig wären. In diesem konkreten Fall hat sich das weder aus den Stellungnahmen im Rahmen der Petition noch aus den Stellungnahmen der beiden Ministerien ergeben. Deswegen haben wir diese Petition zur Kenntnis genommen und keinem Fachaus­schuss zugewiesen.

Noch ein Wort zu den von den Kollegen Pirklhuber und Höbart angesprochenen Usancen.

Ich habe schon irgendwie den Eindruck, dass diesen Usancen, die im Petitionsaus­schuss geübt werden, sehr gerne gefolgt wird, wenn sie den Intentionen der Opposition entgegenkommen, nicht aber, wenn sie den Intentionen der Regierungsfraktionen ent­gegenkommen.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine gute Nacht. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Ab­geordneten der SPÖ.)

21.00

21.00.10

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen, seinen Bericht 561 der Beilagen hinsichtlich der Petitionen Nr. 22 und 23, 25, 31, 33, 35 und 36 als auch 42 sowie der Bürgerinitiativen Nr. 48, 51, 57 und 58 zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

21.00.59Einlauf

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 1096/A(E) bis 1128/A(E) eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 4664/J bis 4731/J eingelangt.

21.01.20Verlangen im Sinne des § 99 (2) GOG

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Weiters gebe ich bekannt, dass im Zusammenhang mit dem Selbständigen Antrag 1124/A auf Durchführung eines besonderen Aktes der Ge­barungsüberprüfung durch den Rechnungshof, und zwar betreffend „Vergabeverfahren im Bereich der Sozialversicherungsträger einschließlich Hauptverband“, ein Verlangen von 20 Abgeordneten im Sinne des § 99 Abs. 2 der Geschäftsordnung gestellt wurde.


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Da die gesetzlichen Voraussetzungen gegeben sind, ist diese Gebarungsüberprüfung auch ohne Beschluss des Nationalrates durchzuführen.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betreffen wird, berufe ich für 21.02 Uhr – das ist gleich im Anschluss an diese Sitzung – ein.

Diese Sitzung ist geschlossen.

21.02.09Schluss der Sitzung: 21.02 Uhr

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Parlamentsdirektion

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