Plenarsitzung
des Nationalrates


Stenographisches Protokoll

 

89. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

Mittwoch, 25. September 2019

 

XXVI. Gesetzgebungsperiode

 

 

 

Großer Redoutensaal

 


Stenographisches Protokoll

89. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXVI. Gesetzgebungsperiode

Mittwoch, 25., und Donnerstag, 26. September 2019

Dauer der Sitzung

                                           Mittwoch, 25. September 2019:              9.05 –          24.00 Uhr

                                      Donnerstag, 26. September 2019: 0.00 –   1.12 Uhr

*****

Geänderte Tagesordnung

1. Punkt: Bericht über den Bundesrechnungsabschluss für das Jahr 2018

2. Punkt: Bericht über den Antrag 928/A der Abgeordneten August Wöginger, MMag. DDr. Hubert Fuchs, Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und das Bundesverfassungsgesetz über Ermächtigungen des Österreichischen Ge­meindebundes und des Österreichischen Städtebundes geändert werden

3. Punkt: Antrag der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Staatsgrundgesetz über die allge­meinen Rechte der Staatsbürger geändert wird (870/A)

4. Punkt: Bericht betreffend die politische Einflussnahme auf das Bundesamt für Ver­fassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT-Untersuchungsausschuss) (3/US) gemäß § 51 VO-UA

5. Punkt: Bericht zur Untersuchung der politischen Verantwortung im Zusammenhang mit dem Kampfflugzeugsystem „Eurofighter Typhoon“ von Anfang 2000 bis Ende 2017 (1/US) gemäß § 51 VO-UA

6. Punkt: Antrag der Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker, Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspoli­zeigesetz, das Namensänderungsgesetz, das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Strafgesetzbuch, das Jugendgerichtsgesetz 1988, die Strafprozeßordnung 1975, das Strafregistergesetz 1968, das Tilgungsgesetz 1972, die Exekutionsordnung, das Bun­desgesetz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz geändert wird und Verstöße gegen bestimmte einstweilige Verfügungen zum Schutz vor Gewalt und zum Schutz vor Ein­griffen in die Privatsphäre zu Verwaltungsübertretungen erklärt werden, das Ärztege­setz 1998, das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, das Hebammengesetz, das Kardiotechnikergesetz, das MTD-Gesetz, das Medizinische Assistenzberufe-Gesetz, das Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetz, das Sanitätergesetz, das Zahn­ärztegesetz, das Musiktherapiegesetz, das Psychologengesetz 2013, das Psychothe-


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rapiegesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Verbrechensopfergesetz und das Bundesgesetz mit dem das Bundesgesetz über die Grundsätze für Hilfen für Familien und Erziehungshilfen für Kinder und Jugendliche geändert werden (Gewalt­schutzgesetz 2019) (970/A)

7. Punkt: Antrag der Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker, Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kollegen betreffend Reform des Kindesunterhaltsrechts (989/A)(E)

8. Punkt: Antrag der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schutz nachrichtendienstlicher Informationen (980/A)(E)

9. Punkt: Antrag der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen betreffend ausreichende Ressourcen im BVT zum Schutz gegen Rechtsextremismus (704/A)(E)

10. Punkt: Antrag der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen betreffend Strategie gegen Rechtsextremismus (705/A)(E)

11. Punkt: Antrag der Abgeordneten Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen betreffend personelle Aufstockung der Gleichbehandlungsanwaltschaft (471/A)(E)

12. Punkt: Antrag der Abgeordneten Johannes Schmuckenschlager, Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger, Michael Bernhard, Mag. Bruno Rossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erklärung des Climate Emergency (935/A)(E)

13. Punkt: Antrag der Abgeordneten Elisabeth Köstinger, MMMag. Dr. Axel Kasseg­ger, Josef Schellhorn, Mag. Bruno Rossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz über die Unzulässigkeit der Aufstellung und des Einbaus von Heizkes­seln von Zentralheizungsanlagen für flüssige fossile oder für feste fossile Brennstoffe in Neubauten (Ölkesseleinbauverbotsgesetz – ÖKEVG 2019) (965/A)

14. Punkt: Antrag der Abgeordneten Elisabeth Köstinger, MMMag. Dr. Axel Kasseg­ger, Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ökostromgesetz 2012 (ÖSG 2012) geändert wird (966/A)

15. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Wehrgesetz 2001, das Heeresdisziplinarge­setz 2014, das Heeresgebührengesetz 2001, das Auslandseinsatzgesetz 2001, das Mi­litärbefugnisgesetz, das Sperrgebietsgesetz 2002, das Munitionslagergesetz 2003, das Militärauszeichnungsgesetz 2002, das Verwundetenmedaillengesetz und das Truppen­aufenthaltsgesetz geändert werden (Wehrrechtsänderungsgesetz 2019 – WRÄG 2019)

16. Punkt: Antrag der Abgeordneten Philip Kucher, Gabriela Schwarz, Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes­gesetz über die Pharmazeutische Gehaltskasse für Österreich (Gehaltskassenge­setz 2002) geändert wird (936/A)

17. Punkt: Antrag der Abgeordneten Josef A. Riemer, Kolleginnen und Kollegen be­treffend mehr Tierschutz im Bereich Lebendtiertransporte (945/A)(E)

18. Punkt: Antrag der Abgeordneten Josef A. Riemer, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Verbot der Tötung von männlichen Eintagsküken (946/A)(E)

19. Punkt: Antrag der Abgeordneten Maria Großbauer, Sandra Wassermann, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Status der Welterbestätte „Historisches Zentrum von Wien“ auf der Welterbe-Liste (964/A)(E)

20. Punkt: Antrag der Abgeordneten Ing. Markus Vogl, Kolleginnen und Kollegen betreffend finanzielle Absicherung für den VKI durch Erhöhung der Basisförderung (926/A)(E)


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21. Punkt: Antrag der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz und das Landarbeitsgesetz 1984 geändert werden (577/A)

22. Punkt: Antrag der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bekenntnis zur Reduktion des Einsatzes chemischer Pflanzen­schutzmittel zum Schutz der Biodiversität und des Wassers bei allen öffentlichen Insti­tutionen, den Anstalten öffentlichen Rechts sowie Unternehmen und Gesellschaften mit Mehrheitsbeteiligung des Bundes (948/A)(E)

23. Punkt: Antrag der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Förderung der Forschung und Innovation zur Reduktion des Ein­satzes chemischer Pflanzenschutzmittel zum Schutz der Biodiversität und des Was­sers (949/A)(E)

24. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Korruptionspräventionssysteme in ausgewählten Bundesministerien (BKA, BMB, BMI, BMLFUW) – Reihe Bund 2017/8

25. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Stadt Wien Marketing GmbH – Meldeverpflichtung gemäß Parteiengesetz 2012 – Reihe BUND 2017/30

26. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Bundestheater-Holding GmbH; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2017/42

27. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Versicherungs- und Pensionskas­senaufsicht der FMA – Reihe BUND 2017/46

28. Punkt: Neuwahl des Hauptausschusses

29. Punkt: Neuwahl der Ausschüsse gemäß § 32 Absatz 1 der Geschäftsordnung

*****

Inhalt

Nationalrat

Abschiedsrede von Präsidentin Anneliese Kitzmüller .......................................... 276

Schlussansprache des Präsidenten Mag. Wolfgang Sobotka .............................. 365

Personalien

Verhinderung .................................................................................................................. 17

Ordnungsruf ................................................................................................................. 184

Geschäftsbehandlung

Mitteilung der Präsidentin Doris Bures betreffend Änderung der Tagesordnung                         69

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z 2 GOG             ............................................................................................................................... 69

Antrag des Abgeordneten Mag. Josef Lettenbichler, dem Verkehrsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 992/A der Abgeordneten Mag. Josef Let­tenbichler, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ein Bundesgesetz, mit dem das


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Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 geändert wird“, gemäß § 43 Abs. 1 GOG eine Frist bis 27. September 2019 zu setzen – Annahme ............................................  69, 364

Antrag der Abgeordneten Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kollegen, dem Verfassungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 868/A der Abge­ordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ein Bundes­verfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) geändert wird“, gemäß § 43 Abs. 1 GOG eine Frist bis 27. September 2019 zu setzen – Ablehnung  70, 364

Antrag der Abgeordneten Wendelin Mölzer, Kolleginnen und Kollegen, dem Un­terrichtsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 1023/A der Abgeord­neten Wendelin Mölzer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Ordnung von Unterricht und Erziehung in den im Schulorganisationsgesetz geregelten Schulen (Schulunterrichtsgesetz – SchUG) geändert wird“, gemäß § 43 Abs. 1 GOG eine Frist bis 27. September 2019 zu setzen – Ablehnung  70, 364

Wortmeldungen zur Geschäftsbehandlung betreffend nicht erfolgte Berichts­legung:

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl ............................................................................................ 70

Dr. Nikolaus Scherak, MA ........................................................................................... 70

Mag. Jörg Leichtfried ................................................................................................... 71

Mitteilung der Präsidentin Anneliese Kitzmüller gemäß § 53 Abs. 1 VO-UA betreffend Beendigung des BVT-Untersuchungsausschusses (3/US) .................................................................... 107

Mitteilung des Präsidenten Mag. Wolfgang Sobotka gemäß § 53 Abs. 1 VO-UA betreffend Beendigung des Untersuchungsausschusses zur Untersuchung der politischen Verantwortung im Zusammenhang mit dem Kampfflugzeugsystem „Eurofighter Typhoon“ von Anfang 2000 bis Ende 2017 (1/US)                  132

Anordnung einer namentlichen Abstimmung gemäß § 66 Abs. 3 GOG ................... 128

Unterbrechung der Sitzung ........................................................................................ 129

Antrag der Abgeordneten Rudolf Plessl, Kolleginnen und Kollegen, das Bun­desgesetz, mit dem das Wehrgesetz 2001, das Heeresdisziplinargesetz 2014, das Heeresgebührengesetz 2001, das Auslandseinsatzgesetz 2001, das Militär­befugnisgesetz, das Sperrgebietsgesetz 2002, das Munitionslagergesetz 2003, das Militärauszeichnungsgesetz 2002, das Verwundetenmedaillengesetz und das Truppenaufenthaltsgesetz geändert werden (Wehrrechtsänderungsgesetz 2019 – WRÄG 2019) (509 d.B.), gemäß § 53 Abs. 6 Z 2 GOG an den Landesverteidi­gungsausschuss rückzuverweisen – Ablehnung     316, 316

Aktuelle Stunde (23.)

Thema: „Runter mit den Mieten – neues Wohnrecht für leistbares Wohnen!“                        18

RednerInnen:

Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc ................................................................................. 18

Vizekanzler Dr. Dr. h.c. Clemens Jabloner ............................................................... 20

Johann Singer .............................................................................................................. 22

Mag. Ruth Becher ......................................................................................................... 24

Mag. Philipp Schrangl .................................................................................................. 25

Mag. Gerald Loacker .................................................................................................... 27

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl ............................................................................................ 28


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Andreas Ottenschläger ............................................................................................... 30

Dr. Johannes Jarolim ................................................................................................... 31

Dr. Dagmar Belakowitsch ........................................................................................... 32

Josef Schellhorn .......................................................................................................... 34

Stephanie Cox, BA ....................................................................................................... 35

Aktuelle Stunde – Aktuelle Europastunde (24.)

Thema: „Effektiver EU-Außengrenzschutz als Fundament eines geordneten Asylwesens“          ............................................................................................................................... 37

RednerInnen:

Herbert Kickl ................................................................................................................. 38

Bundesminister Dr. Wolfgang Peschorn .................................................................. 41

Dr. Reinhold Lopatka ................................................................................................... 43

Mag. Jörg Leichtfried ................................................................................................... 45

MEP Mag. Roman Haider ............................................................................................. 46

MEP Claudia Gamon, MSc (WU) ................................................................................. 47

Dr. Peter Pilz ................................................................................................................. 49

Karl Mahrer, BA ............................................................................................................ 50

MEP Mag. Andreas Schieder ...................................................................................... 52

Petra Steger .................................................................................................................. 53

Dr. Nikolaus Scherak, MA ........................................................................................... 54

MEP Mag. Karoline Edtstadler .................................................................................... 56

Angela Lueger .............................................................................................................. 58

Dr. Reinhard Eugen Bösch ......................................................................................... 59

Josef Schellhorn .......................................................................................................... 61

Efgani Dönmez, PMM ................................................................................................... 62

Dr. Alma Zadić, LL.M. ................................................................................................... 63

Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann .................................................................................. 64

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 17

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 66

28. Punkt: Neuwahl des Hauptausschusses ............................................................... 361

29. Punkt: Neuwahl der Ausschüsse gemäß § 32 Absatz 1 der Geschäfts­ordnung                         362

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über den Bundesrechnungsabschluss für das Jahr 2018 (III-292/684 d.B.) .................................................................................................................. 71

2. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 928/A der Abgeord­neten August Wöginger, MMag. DDr. Hubert Fuchs, Mag. Beate Meinl-Reisin­ger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und das Bundesverfassungsgesetz über Ermächtigungen des Österreichischen Gemeindebundes und des Österreichi­schen Städtebundes geändert werden (685 d.B.) ........................................................................................................... 71


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3. Punkt: Antrag der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger geändert wird (870/A) ..................................................................................................... 72

RednerInnen:

Mag. Jörg Leichtfried ................................................................................................... 72

Peter Haubner ............................................................................................................... 73

Mag. Bruno Rossmann ................................................................................................ 75

Erwin Angerer .............................................................................................................. 77

Mag. Dr. Sonja Hammerschmid .................................................................................. 78

Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES .............................................................................. 80

Dr. Peter Pilz ................................................................................................................. 82

Mag. Wolfgang Gerstl .................................................................................................. 84

Dr. Christoph Matznetter ............................................................................................. 87

Mag. Harald Stefan ....................................................................................................... 88

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer ...................................................................................... 89

Mag. Dr. Maria Theresia Niss, MBA ............................................................................ 91

Ing. Robert Lugar ......................................................................................................... 93

Mag. Thomas Drozda ................................................................................................... 94

Josef Schellhorn .......................................................................................................... 96

Mag. Andreas Hanger .................................................................................................. 97

Hannes Amesbauer, BA .............................................................................................. 98

Vizekanzler Dr. Dr. h.c. Clemens Jabloner ............................................................. 100

Mag. Gerald Loacker .................................................................................................. 100

Mag. Peter Weidinger ................................................................................................. 101

Ing. Klaus Lindinger, BSc ......................................................................................... 102

Laurenz Pöttinger ...................................................................................................... 103

Kai Jan Krainer ........................................................................................................... 104

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (tatsächliche Berichtigung) ........................................ 105

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Tatsächliche Erarbeitung eines Bundesge­setzes über die Informationsfreiheit“ – Annahme (E 125) ................................................................................................................................  82, 131

Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 684 und 685 d.B. (namentliche Abstim­mung)  128, 149

Verzeichnis des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung ..................................... 129

Ablehnung des im Antrag 870/A enthaltenen Gesetzentwurfes .................................. 131

4. Punkt: Bericht des Untersuchungsausschusses betreffend die politische Ein­flussnahme auf das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämp­fung (BVT-Untersuchungsausschuss) (3/US) gemäß § 51 VO-UA (695 d.B.) .................................................................................... 106

RednerInnen:

Gabriela Schwarz ....................................................................................................... 106

Kai Jan Krainer ........................................................................................................... 107

Hans-Jörg Jenewein, MA .......................................................................................... 109

Dr. Stephanie Krisper ................................................................................................ 111

Dr. Peter Pilz ............................................................................................................... 112

Mag. Friedrich Ofenauer ............................................................................................ 113

Angela Lueger ............................................................................................................ 116

Mag. Günther Kumpitsch .......................................................................................... 117

Mag. Muna Duzdar ..................................................................................................... 118

Werner Herbert ........................................................................................................... 119

Ing. Reinhold Einwallner ........................................................................................... 121

Werner Herbert (tatsächliche Berichtigung) ............................................................... 122


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Sabine Schatz ............................................................................................................. 122

Hans-Jörg Jenewein, MA (tatsächliche Berichtigung) .............................................. 125

Efgani Dönmez, PMM ................................................................................................. 125

Ing. Maurice Androsch .............................................................................................. 126

Entschließungsantrag der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Reform der Sicherheitsdienste und Ausbau des Rechts­schutzes“ – Annahme (E 126) .  115, 127

Entschließungsantrag der Abgeordneten Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Staatsschutz und Kontrolle“ – Ablehnung ..........................................................  124, 127

Kenntnisnahme vom Bericht des BVT-Untersuchungsausschusses .......................... 127

5. Punkt: Bericht des Untersuchungsausschusses zur Untersuchung der politi­schen Verantwortung im Zusammenhang mit dem Kampfflugzeugsystem „Euro­fighter Typhoon“ von Anfang 2000 bis Ende 2017 (1/US) gemäß § 51 VO-UA (696 d.B.) ......................................................................... 132

RednerInnen:

Andreas Ottenschläger ............................................................................................. 132

Rudolf Plessl ............................................................................................................... 133

Dr. Reinhard Eugen Bösch ....................................................................................... 135

Michael Bernhard ....................................................................................................... 137

Dr. Peter Pilz ............................................................................................................... 138

Mag. Michaela Steinacker .......................................................................................... 139

Irene Hochstetter-Lackner ........................................................................................ 140

Dipl.-Ing. Christian Schandor ................................................................................... 141

Dr. Harald Troch ......................................................................................................... 142

Cornelia Ecker ............................................................................................................ 143

Erwin Preiner .............................................................................................................. 144

Kenntnisnahme vom Bericht des Untersuchungsausschusses zur Untersuchung der politischen Verantwortung im Zusammenhang mit dem Kampfflugzeugsystem „Eurofighter Typhoon“ von Anfang 2000 bis Ende 2017 ............................................................................................................... 145

6. Punkt: Antrag der Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker, Mag. Harald Ste­fan, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Sicher­heitspolizeigesetz, das Namensänderungsgesetz, das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Strafgesetzbuch, das Jugendgerichtsgesetz 1988, die Strafpro­zeßordnung 1975, das Strafregistergesetz 1968, das Tilgungsgesetz 1972, die Exekutionsordnung, das Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz ge­ändert wird und Verstöße gegen bestimmte einstweilige Verfügungen zum Schutz vor Gewalt und zum Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre zu Verwal­tungsübertretungen erklärt werden, das Ärztegesetz 1998, das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, das Hebammengesetz, das Kardiotechnikergesetz, das MTD-Gesetz, das Medizinische Assistenzberufe-Gesetz, das Medizinischer Mas­seur- und Heilmasseurgesetz, das Sanitätergesetz, das Zahnärztegesetz, das Musiktherapiegesetz, das Psychologengesetz 2013, das Psychotherapiegesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Verbrechensopfergesetz und das Bundesgesetz mit dem das Bundesgesetz über die Grundsätze für Hilfen für Familien und Erziehungshilfen für Kinder und Jugendliche geändert werden (Ge­waltschutzgesetz 2019) (970/A) ............................................................................. 145

RednerInnen:

Gabriele Heinisch-Hosek ........................................................................................... 146

Mag. Michaela Steinacker .......................................................................................... 150

Vizekanzler Dr. Dr. h.c. Clemens Jabloner ............................................................. 176


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Mag. Harald Stefan ..................................................................................................... 178

Dr. Alfred J. Noll ......................................................................................................... 180

Karl Mahrer, BA .......................................................................................................... 184

Dr. Johannes Jarolim ................................................................................................. 186

Dr. Markus Tschank ................................................................................................... 187

Dr. Irmgard Griss ....................................................................................................... 189

Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller .................................................................... 192

Gabriele Heinisch-Hosek (tatsächliche Berichtigung) ............................................... 193

Bundesministerin Mag. Ines Stilling ........................................................................ 193

Josef Muchitsch ......................................................................................................... 195

Hannes Amesbauer, BA ............................................................................................ 197

Mag. Verena Nussbaum ............................................................................................. 203

Hannes Amesbauer, BA (tatsächliche Berichtigung) ................................................ 208

Andreas Kühberger ................................................................................................... 208

Mag. Jörg Leichtfried (tatsächliche Berichtigung) ..................................................... 211

Mag. Gerald Loacker .................................................................................................. 211

Sandra Wassermann .................................................................................................. 212

Rainer Wimmer ........................................................................................................... 213

Wolfgang Zanger ........................................................................................................ 216

Mag. Selma Yildirim ................................................................................................... 217

Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller (tatsächliche Berichtigung) ........................ 218

Werner Herbert ........................................................................................................... 218

Petra Bayr, MA MLS ................................................................................................... 221

Dr. Alma Zadić, LL.M. ................................................................................................. 222

Entschließungsantrag der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „Echte Verbesserungen im Gewaltschutz statt Rück­schritte zu Lasten von gewaltbetroffenen Frauen und Kindern“ – Ablehnung                                                                                                                   147, 226

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker, Mag. Ha­rald Stefan, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Gewährleistung einer funk­tionierenden und leistungsfähigen Justiz“ – Annahme (E 127)  174, 226

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Alfred J. Noll, Dr. Johannes Ja­rolim, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ein höheres Justizbudget für einen zielgerichteten Schutz der Menschen vor Straftaten“ – Ablehnung ............................................................................................................  183, 226

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Irmgard Griss, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Pakt für den Rechtsstaat“ – Ablehnung ............................................................................  190, 226

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Michael Hammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Prüfung der Auswirkungen durch Beschlussfassungen vom 19.9.2019 in den Bereichen Langzeitversicherte und Schwerarbeiter“ – An­nahme (E 128) ...........................................................  210, 226

Entschließungsantrag der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „abschlagsfreie Pensionen mit 540 Beitragsmonaten“ – Ab­lehnung ..................  215, 226

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „Prüfung des legistischen Anpassungsbedarfs durch Beschlussfassungen vom 19.9.2019 in den Bereichen Langzeitversicherte und Schwerarbeiter“ – Annahme (E 129) ...........................  219, 22


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7

Annahme des im Antrag 970/A enthaltenen Gesetzentwurfes .................................... 223

7. Punkt: Antrag der Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker, Mag. Harald Ste­fan, Kolleginnen und Kollegen betreffend Reform des Kindesunterhaltsrechts (989/A)(E) ...................................... ... 227

RednerInnen:

Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß ............................................................................... 227

Eva Maria Holzleitner, BSc ........................................................................................ 228

Carmen Schimanek .................................................................................................... 229

Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA ....................................................................... 230

MMMag. Gertraud Salzmann ..................................................................................... 231

Annahme der im Antrag 989/A(E) enthaltenen Entschließung betreffend „Reform des Kindesunterhaltsrechts“ (E 130) .......................................................................................................................... 232

8. Punkt: Antrag der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kol­legen betreffend Schutz nachrichtendienstlicher Informationen (980/A)(E) ....................................................... 232

RednerInnen:

Angela Lueger ............................................................................................................ 232

Mag. Friedrich Ofenauer ............................................................................................ 233

Dr. Stephanie Krisper ................................................................................................ 234

Annahme der im Antrag 980/A(E) enthaltenen Entschließung betreffend „Schutz nachrichtendienstlicher Informationen“ (E 131) ................................................................................................. 234

Gemeinsame Beratung über

9. Punkt: Antrag der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kol­legen betreffend ausreichende Ressourcen im BVT zum Schutz gegen Rechts­extremismus (704/A)(E) .................. 235

10. Punkt: Antrag der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kol­legen betreffend Strategie gegen Rechtsextremismus (705/A)(E) ........................................................................ 235

RednerInnen:

Ing. Christian Höbart ................................................................................................. 235

Nikolaus Prinz ............................................................................................................ 238

Hans-Jörg Jenewein, MA (tatsächliche Berichtigung) .............................................. 241

Sabine Schatz ............................................................................................................. 241

Dr. Peter Pilz ............................................................................................................... 243

Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann ................................................................................ 250

Entschließungsantrag der Abgeordneten Karl Mahrer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Umsetzung eines umfassenden Maßnahmenpaketes zur Bekämpfung von Extremismus“ – Annahme (E 133) .................................................................................................................  240, 251

Entschließungsantrag der Abgeordneten Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ausreichende Ressourcen im BVT zum Schutz gegen Rechtsextremismus“ – Annahme (E 134)           242, 251

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Peter Pilz, Kolleginnen und Kollegen betreffend „BVT, Extremismus und behördliche Auflösung der Vereine der rechtsextremen Identitären Bewegung Österreich“ – Ablehnung ............................................................................................................  245, 251

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Peter Pilz, Karl Mahrer, BA, Hans-Jörg Jenewein, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „BVT, Extre-


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mismus und behördliche Auflösung von ATIB- und Millî Görüş-Vereinen“ – An­nahme (E 135) .................................................................  248, 251

Annahme der im Antrag 704/A(E) enthaltenen Entschließung betreffend „Ausrei­chende Ressourcen im BVT zum Schutz gegen Rechtsextremismus“ (E 132) ........................................................ 251

Annahme der im Antrag 705/A(E) enthaltenen Entschließung betreffend „Strate­gie gegen Rechtsextremismus“ (E 136) ....................................................................................... 252

11. Punkt: Antrag der Abgeordneten Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kol­legen betreffend personelle Aufstockung der Gleichbehandlungsanwaltschaft (471/A)(E) ..................................... 252

RednerInnen:

Carmen Schimanek .................................................................................................... 252

Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß ............................................................................... 254

Mag. Selma Yildirim ................................................................................................... 255

Mag. Doris Hager-Hämmerle ..................................................................................... 256

Mag. Dr. Rudolf Taschner ......................................................................................... 257

Mag. Verena Nussbaum ............................................................................................. 260

Wendelin Mölzer ......................................................................................................... 260

Entschließungsantrag der Abgeordneten Carmen Schimanek, Kolleginnen und Kollegen betreffend „mehr finanzielle Mittel um Gewalt an Frauen zu verhin­dern“ – Annahme (E 138) ......  253, 261

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Dr. Rudolf Taschner, Wen­delin Mölzer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ausweitung des Kopftuchver­botes in Schulen bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres (sowie im öffentlichen Dienst)“ – Annahme (E 139) ...........................................  258, 261

Annahme der im Antrag 471/A(E) enthaltenen Entschließung betreffend „perso­nelle Aufstockung der Gleichbehandlungsanwaltschaft“ (E 137) .................................................................... 261

12. Punkt: Antrag der Abgeordneten Johannes Schmuckenschlager, Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger, Michael Bernhard, Mag. Bruno Rossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erklärung des Climate Emergency (935/A)(E) ................................................................................................. 262

RednerInnen:

Walter Rauch .............................................................................................................. 262

Johannes Schmuckenschlager ................................................................................ 263

Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger ............................................................................... 268

Michael Bernhard ....................................................................................................... 269

Stephanie Cox, BA ..................................................................................................... 270

Mag. Selma Yildirim ................................................................................................... 271

Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann ................................................................................ 274

Mag. Harald Stefan ..................................................................................................... 275

Entschließungsantrag der Abgeordneten Johannes Schmuckenschlager, Kol­leginnen und Kollegen betreffend „künftige Finanzierung des Green Climate Fund“ – Ablehnung ........  265, 277

Entschließungsantrag der Abgeordneten Elisabeth Köstinger, Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger, Walter Rauch, Michael Bernhard, Mag. Bruno Rossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „klares Auftreten der Bundesregierung ge-


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gen den Neubau von Atomkraftwerken und gegen Laufzeitverlängerungen alter Kernkraftwerke“ – Annahme (E 141) ..................................................................  266, 277

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Bruno Rossmann, Michael Bernhard, Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger, Kolleginnen und Kollegen betref­fend „Finanzierung des Green Climate Fund“ – Ablehnung ..............................................................................................................................  270, 278

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Klimacheck bei beabsichtigten Versiegelungen von im Eigentum oder Miteigentum der Republik Österreich stehenden und/oder verwal­teten Wald- oder Grünflächen“ – Ablehnung ...........  273, 278

Annahme der im Antrag 935/A(E) enthaltenen Entschließung betreffend „Erklä­rung des Climate Emergency“ (E 140) .......................................................................................................................... 277

13. Punkt: Antrag der Abgeordneten Elisabeth Köstinger, MMMag. Dr. Axel Kas­segger, Josef Schellhorn, Mag. Bruno Rossmann, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz über die Unzulässigkeit der Aufstellung und des Einbaus von Heizkesseln von Zentralheizungsanlagen für flüssige fossile oder für feste fossile Brennstoffe in Neubauten (Ölkesseleinbauverbotsgesetz – ÖKEVG 2019) (965/A)                          278

RednerInnen:

Elisabeth Köstinger ................................................................................................... 278

Robert Laimer ............................................................................................................. 279

MMMag. Dr. Axel Kassegger ..................................................................................... 280

Ing. Daniela List .......................................................................................................... 281

Bundesministerin Dipl.-Ing. Maria Patek, MBA ...................................................... 282

Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann ................................................................................ 283

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann, Michael Bernhard, Efgani Dönmez, PMM, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ölkesselförderung stoppen“ – Ablehnung              284, 286

Annahme des im Antrag 965/A enthaltenen Gesetzentwurfes .................................... 285

14. Punkt: Antrag der Abgeordneten Elisabeth Köstinger, MMMag. Dr. Axel Kas­segger, Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Ökostromgesetz 2012 (ÖSG 2012) geändert wird (966/A) ................................................................................................... 286

RednerInnen:

Mag. Josef Lettenbichler ........................................................................................... 286

Mag. Muna Duzdar ..................................................................................................... 295

MMMag. Dr. Axel Kassegger ..................................................................................... 296

Josef Schellhorn ........................................................................................................ 297

Mag. Bruno Rossmann .............................................................................................. 299

Elisabeth Köstinger ................................................................................................... 299

Andreas Kollross ....................................................................................................... 300

Christoph Stark .......................................................................................................... 303

Bundesministerin Dipl.-Ing. Maria Patek, MBA ...................................................... 304

Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann ................................................................................ 304

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger, Mag. Bruno Rossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „dringende Finan­zierung des Gewässerschutzes“ – Annahme (E 142)      301, 306

Annahme des im Antrag 966/A enthaltenen Gesetzentwurfes .................................... 306


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15. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Wehrgesetz 2001, das Heeresdiszipli­nargesetz 2014, das Heeresgebührengesetz 2001, das Auslandseinsatzge­setz 2001, das Militärbefugnisgesetz, das Sperrgebietsgesetz 2002, das Muni­tionslagergesetz 2003, das Militärauszeichnungsgesetz 2002, das Verwundeten­medaillengesetz und das Truppenaufenthaltsgesetz geändert werden (Wehr­rechtsänderungsgesetz 2019 – WRÄG 2019) (509 d.B.) ............................................ 306

RednerInnen:

Rudolf Plessl ............................................................................................................... 306

Mag. Michael Hammer ................................................................................................ 308

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff ............................................................................. 309

Dr. Reinhard Eugen Bösch ....................................................................................... 310

Ing. Mag. Volker Reifenberger .................................................................................. 314

Annahme des Gesetzentwurfes in 509 d.B. ................................................................. 316

16. Punkt: Antrag der Abgeordneten Philip Kucher, Gabriela Schwarz, Mag. Ger­hard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Pharmazeutische Gehaltskasse für Österreich (Ge­haltskassengesetz 2002) geändert wird (936/A) ............................ 317

RednerInnen:

Gabriela Schwarz ....................................................................................................... 317

Mag. Gerhard Kaniak ................................................................................................. 317

Annahme des im Antrag 936/A enthaltenen Gesetzentwurfes .................................... 319

Gemeinsame Beratung über

17. Punkt: Antrag der Abgeordneten Josef A. Riemer, Kolleginnen und Kollegen betreffend mehr Tierschutz im Bereich Lebendtiertransporte (945/A)(E) ................................................................ 319

18. Punkt: Antrag der Abgeordneten Josef A. Riemer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbot der Tötung von männlichen Eintagsküken (946/A)(E) ................................................................... 319

RednerInnen:

Franz Leonhard Eßl ................................................................................................... 320

Ing. Maurice Androsch .............................................................................................. 324

Andreas Kühberger ................................................................................................... 328

Josef A. Riemer .......................................................................................................... 331

Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA ....................................................................... 334

Entschließungsantrag der Abgeordneten Franz Leonhard Eßl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „verbindliche Besatzdichtenbestimmungen für die Puten­mast auf EU-Ebene“ – Ablehnung          323, 337

Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Maurice Androsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Einführung europaweiter Standards für die Haltung von Puten“ – Annahme (E 145)  326, 337

Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Maurice Androsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Aufnahme detaillierter Haltungsbestimmungen für Wach­teln in die 1. Tierhaltungsverordnung“ – Annahme (E 146) .................................................................................................................  327, 337

Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Maurice Androsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Einführung von Mindeststrafen im Tiertransportge­setz 2007 (TTG 2007)“ – Ablehnung  328, 336


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Entschließungsantrag der Abgeordneten Josef A. Riemer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Alternativen zur betäubungslosen Ferkelkastration“ – Annah­me (E 147) .........  333, 337

Annahme der im Antrag 945/A(E) enthaltenen Entschließung betreffend „mehr Tierschutz im Bereich Lebendtiertransporte“ (E 143) ...................................................................................... 336

Annahme der im Antrag 946/A(E) enthaltenen Entschließung betreffend „Verbot der Tötung von männlichen Eintagsküken“ (E 144) .................................................................................................. 336

19. Punkt: Antrag der Abgeordneten Maria Großbauer, Sandra Wassermann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Status der Welterbestätte „Historisches Zentrum von Wien“ auf der Welterbe-Liste (964/A)(E)          ............................................................................................................................. 337

RednerInnen:

Dr. Harald Troch ......................................................................................................... 337

Maria Großbauer ........................................................................................................ 338

Sandra Wassermann .................................................................................................. 340

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl .......................................................................................... 341

Mag. Wolfgang Gerstl ................................................................................................ 341

Dr. Dagmar Belakowitsch ......................................................................................... 342

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „die schonungslose Aufklärung des rot-grünen Um­widmungs-Korruptionsskandals“ – Annahme (E 149)              343, 344

Annahme der im Antrag 964/A(E) enthaltenen Entschließung betreffend „Status der Welterbestätte ,Historisches Zentrum von Wien‘ auf der Welterbe-Liste“ (E 148) .............................. 344

20. Punkt: Antrag der Abgeordneten Ing. Markus Vogl, Kolleginnen und Kollegen betreffend finanzielle Absicherung für den VKI durch Erhöhung der Basisförde­rung (926/A)(E) ................. 345

RednerInnen:

Mag. Peter Weidinger ................................................................................................. 345

Ing. Markus Vogl ......................................................................................................... 346

Peter Wurm ................................................................................................................. 346

Annahme der im Antrag 926/A(E) enthaltenen Entschließung betreffend „finan­zielle Absicherung für den VKI durch Erhöhung der Basisförderung“ (E 150) .............................................................. 347

21. Punkt: Antrag der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsge­setz und das Landarbeitsgesetz 1984 geändert werden (577/A) .............................................................................................. 347

RednerInnen:

Mag. Ernst Gödl .......................................................................................................... 347

Josef Muchitsch ......................................................................................................... 348

Dr. Dagmar Belakowitsch ......................................................................................... 351

Mag. Gerald Loacker .................................................................................................. 352

Annahme des im Antrag 577/A enthaltenen Gesetzentwurfes .................................... 352

Gemeinsame Beratung über

22. Punkt: Antrag der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bekenntnis zur Reduktion des Einsatzes chemischer Pflanzenschutzmittel zum Schutz der Biodiversität und des Wassers bei allen


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 14

öffentlichen Institutionen, den Anstalten öffentlichen Rechts sowie Unternehmen und Gesellschaften mit Mehrheitsbeteiligung des Bundes (948/A)(E) ............................... 353

23. Punkt: Antrag der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Förderung der Forschung und Innovation zur Reduktion des Einsatzes chemischer Pflanzenschutzmittel zum Schutz der Biodiversität und des Wassers (949/A)(E) ................................................. 353

RednerInnen:

Dipl.-Ing. Georg Strasser .......................................................................................... 353

Erwin Preiner .............................................................................................................. 354

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer .................................................................................... 357

Entschließungsantrag der Abgeordneten Erwin Preiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „deutliche Reduktion von chemisch-synthetischen Pestizi­den durch die nächste Periode der Gemeinsamen Agrarpolitik 2020+“ – An­nahme (E 153) .................................................................................  356, 358

Annahme der im Antrag 948/A(E) enthaltenen Entschließung betreffend „Be­kenntnis zur Reduktion des Einsatzes chemischer Pflanzenschutzmittel zum Schutz der Biodiversität und des Wassers bei allen öffentlichen Institutionen, den Anstalten öffentlichen Rechts sowie Unternehmen und Gesellschaften mit Mehr­heitsbeteiligung des Bundes“ (E 151) .................................................................. 358

Annahme der im Antrag 949/A(E) enthaltenen Entschließung betreffend „Förde­rung der Forschung und Innovation zur Reduktion des Einsatzes chemischer Pflanzenschutzmittel zum Schutz der Biodiversität und des Wassers“ (E 152) ................................................................................................... 358

Gemeinsame Beratung über

24. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Korruptionspräventionssysteme in ausgewählten Bundes­ministerien (BKA, BMB, BMI, BMLFUW) – Reihe Bund 2017/8 (III-15/679 d.B.) ....................................................................................... 359

25. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Stadt Wien Marketing GmbH – Meldeverpflichtung gemäß Parteiengesetz 2012 – Reihe BUND 2017/30 (III-30/680 d.B.) .................................................................................................................. 359

26. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Bundestheater-Holding GmbH; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2017/42 (III-42/681 d.B.)             ............................................................................................................................. 359

27. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Versicherungs- und Pensionskassenaufsicht der FMA – Reihe BUND 2017/46 (III-46/682 d.B.)              ............................................................................................................................. 359

RednerInnen:

Hermann Gahr ............................................................................................................ 359

Mag. Karin Greiner ..................................................................................................... 360

Dr. Irmgard Griss ....................................................................................................... 360

Kenntnisnahme der vier Berichte III-15, III-30, III-42 und III-46 d.B. ........................... 361

Eingebracht wurden

Anträge der Abgeordneten


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 15

Dr. Alfred J. Noll, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Aufkündigung des Kapitel I des Übereinkommens über die Verminderung der Fälle mehrfacher Staatsangehö­rigkeit und über die Militärdienstpflicht in Fällen mehrfacher Staatsangehörigkeit (Euro­parat 1963), kundgemacht in BGBl Nr. 471/1975 idF BGBl III Nr. 168/2014 (1026/A)(E)

Dr. Alfred J. Noll, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 geändert wird (1027/A)

Carmen Schimanek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Überarbeitung des Abfall­wirtschaftsgesetzes bezüglich Genehmigungsverfahren für Deponien (1028/A)(E)

Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen betreffend Fairness für öffentlich-rechtlich Bedienstete (1029/A)(E)

Zurückgezogen wurden die Anträge der Abgeordneten

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 geändert wird (952/A) (Zu 952/A)

Mag. Muna Duzdar, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ökostromgesetz 2012 (ÖSG 2012) geändert wird (960/A) (Zu 960/A)

Anfragen der Abgeordneten

Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Nach­haltigkeit und Tourismus betreffend das Cape Town Agreement (4174/J)

Dr. Alfred J. Noll, Kolleginnen und Kollegen an die Bundeskanzlerin betreffend die rechtswidrige Verweigerung einer Auskunft (4175/J)

Mag. Günther Kumpitsch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Ver­fassung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend therapeutische Maßnahmen und deren Kosten für straffällig gewordene Personen (4176/J)

Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen be­treffend Wahrnehmung der Eigentümerrechte bei der CASAG (4177/J)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminis­ter für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend ÖBB Tunnelbau im Flachgau (4178/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Nachforderung von Abgaben gem § 57 Abs 3 GSpG (4179/J)

Efgani Dönmez, PMM, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Verwendung von verhängten Geldstrafen (4180/J)

Efgani Dönmez, PMM, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Verwendung von verhängten Geldstrafen (4181/J)

Efgani Dönmez, PMM, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Ver­kehr, Innovation und Technologie betreffend Verwendung von verhängten Geldstrafen (4182/J)

Efgani Dönmez, PMM, Kolleginnen und Kollegen an die Bundeskanzlerin betreffend Verwendung von verhängten Geldstrafen (4183/J)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 16

Efgani Dönmez, PMM, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Verwendung von verhängten Geldstrafen (4184/J)

Ing. Mag. Volker Reifenberger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend die plötzliche und vereinbarungswidrige Schließung der Polizei­schule in Großgmain (4185/J)

Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend im Bundeskanzleramt betreffend die Auszahlung von pauschalem Kinderbetreuungsgeld bzw. der Beihilfe zum pauschalen Kinderbetreu­ungsgeld in den Jahren 2017 und 2018 (4186/J)

Doris Margreiter, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort betreffend Versicherungsvermittlungsnovelle 2018 und ihre Wirkung (4187/J)

Dr. Alfred J. Noll, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend das Weiterbestehen der Jugendge­richtshilfe Wien (4188/J)

Anfragebeantwortungen

der Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend im Bundeskanzleramt auf die Anfrage der Abgeordneten Andreas Kollross, Kolleginnen und Kollegen (4036/AB zu 4064/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Alfred J. Noll, Kolleginnen und Kollegen (4037/AB zu 4061/J)


 


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 17

09.05.23Beginn der Sitzung: 9.05 Uhr

Vorsitzende: Präsident Mag. Wolfgang Sobotka, Zweite Präsidentin Doris Bures, Dritte Präsidentin Anneliese Kitzmüller.

*****


09.05.25Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die vorläufig letzte Sitzung des Nationalrates in dieser Gesetzgebungsperiode ist eröffnet.

Ich darf unsere Gäste auf der Galerie, die Medienvertreter und vor allem die Zu­schauerinnen und Zuschauer zu Hause vor den Fernsehgeräten recht herzlich begrü­ßen. Ich hoffe, es wird eine sehr runde Sitzung. Das britische Unterhaus tagt auch am heutigen Tag. Wir sollten uns den Vergleich ansehen und dann durchaus sagen: Wir können mit dem Mutterland der Demokratie wirklich auf allen Ebenen nicht nur mithal­ten, sondern ein besseres Zeugnis abliefern.

Das Amtliche Protokoll der 88. Sitzung vom 19. September 2019 ist in der Parla­mentsdirektion aufgelegen und wurde nicht beanstandet.

Als verhindert gemeldet ist Frau Abgeordnete Renate Gruber.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Für den heutigen Sitzungstag hat das Bundes­kanzleramt folgende Vertretungen gemeldet:

Die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Dipl.-Ing. Maria Patek, MBA wird am frühen Vormittag durch den Bundesminister für Inneres Dr. Wolfgang Pe­schorn vertreten.

Der Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres Mag. Alexander Schallen­berg, LL.M. wird am frühen Vormittag durch die Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend Mag. Ines Stilling sowie anschließend durch den Bundesminister für In­neres Dr. Wolfgang Peschorn vertreten.

Ich darf die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung, welche sich in einem an­deren Mitgliedstaat der Europäischen Union aufhalten, bekannt geben:

Die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Mag. Elisabeth Udolf-Strobl wird ab 15 Uhr durch die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz Mag. Dr. Brigitte Zarfl vertreten.

Die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Forschung Mag. Dr. Iris Rauskala wird ab 21 Uhr durch den Bundesminister für Finanzen Dipl.-Kfm. Eduard Müller, MBA vertreten.

*****

Ich darf wie immer bekannt geben, dass diese Sitzung von ORF 2 bis 13 Uhr und von ORF III bis 19.15 Uhr übertragen wird, anschließend wird die Sitzung in der TVthek on­line übertragen. Es gibt – wie in der letzten Sitzung das erste Mal eingeführt – auch die Möglichkeit, sich die einzelnen Beiträge herunterzuladen.

Ein Fotograf wird wieder im Dienste der Parlamentsdirektion unterwegs sein.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 18

09.07.53Aktuelle Stunde


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde mit dem Thema:

„Runter mit den Mieten – neues Wohnrecht für leistbares Wohnen!“

Zu Wort gemeldet ist Frau Klubobfrau Rendi-Wagner. Ich darf ihr das Wort erteilen, die Redezeit beträgt 10 Minuten. – Bitte.


9.08.13

Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (SPÖ): Guten Morgen, Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister Jabloner! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! In wenigen Tagen – Sie wissen es alle – wählen wir in Österreich. In wenigen Tagen entscheiden wir, in welche Richtung Österreich nach dem 29. September gehen wird. Ich will diese heutige letzte Nationalratssitzung vor der Wahl dazu nutzen, Klar­heit zu schaffen – Klarheit zu schaffen zu einem Thema, zu dem in den letzten 18 Mo­naten - - (Unruhe im Saal.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka (das Glockenzeichen gebend): Ich bitte um Ruhe!


Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (fortsetzend): Das ist ein Thema, zu dem in den letzten 18 Monaten sehr, sehr wenig gesagt und noch weniger bis gar nichts getan wurde. Heute werden wir ein für alle Mal klären, welche Parteien leistba­res Wohnen in Österreich wirklich fördern wollen. (Beifall bei der SPÖ.)

Heute werden wir klären, welche Partei die Mieten für die Österreicherinnen und Öster­reicher tatsächlich senken will und welche Partei die Mieterinnen und Mieter tatsächlich entlasten will.

Da gab es in den letzten Wochen und Tagen eine Debatte im Wahlkampf; wir haben das genau verfolgt: Da war zum Beispiel ein plötzlicher Meinungsschwenk aufseiten der ÖVP. Ja, die ÖVP hat sich in den letzten Wochen offenbar doch dazu bereit erklärt, unserer Initiative zuzustimmen und die Maklerprovisionen für Mieterinnen und Mieter abzuschaffen, weil die Makler ja von den Vermietern beauftragt werden.

Ehrlich gesagt hatte ich kurz die Hoffnung, dass der Wahlkampf, entgegen eines an­derslautenden Zitats, vielleicht doch die Zeit der fokussierten Einsicht wäre. (Abg. Be­lakowitsch: Distanzieren Sie sich jetzt vom Herrn Bürgermeister?) Wir Sozialdemokra­tinnen und Sozialdemokraten haben das nicht erst im Wahlkampf gesagt und haben keinen Meinungsschwenk vollzogen, nein, wir haben diese Einsicht und diese Haltung seit vielen, vielen Jahren, wir sagen: Die Maklerprovision sollen jene zahlen, die den Makler beauftragen, nämlich die Vermieter und Vermieterinnen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Noll.)

Wie aber ist die Situation in Österreich? Schauen wir uns das an! Wer zahlt die Makler­provision in der Regel? – Es sind die Mieterinnen und die Mieter. Der Vermieter beauf­tragt, die Mieter zahlen. (Zwischenruf der Abg. Steinacker.) Sehr geehrte Damen und Herren, das ist eine verkehrte Welt! Das ist nicht gerecht und deswegen werden wir das auch nicht weiter unterstützen. (Abg. Belakowitsch: Wirklich?)

Was Ihre Versprechungen der letzten Tage und Wochen wert sind, meine sehr geehr­ten Damen und Herren von der ÖVP, hat erst die letzte Woche hier im Hohen Haus einmal mehr bewiesen: ÖVP und FPÖ waren letzte Woche in diesem Hohen Haus nicht auf der Seite der Mieterinnen und der Mieter. Sie waren nicht auf der Seite junger Familien, die auf Wohnungssuche sind, weil ein Kind dazugekommen und die Woh­nung zu klein geworden ist, junger Studentinnen und Studenten oder auch der Men-


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schen in Lehre, die von zu Hause ausziehen, um sich ein neues, kleines Zuhause in der Stadt oder in der nächsten Gemeinde zu suchen. Offenbar ist die FPÖ hier nur auf der Seite eines einzigen Mieters, nämlich jener ihres ehemaligen Parteivorsitzenden H.-C. Strache (Zwischenrufe der Abgeordneten Belakowitsch und Deimek), den sie durch 2 500 Euro bei seiner persönlichen Miete entlastet. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Noll.)

Sehr geehrte ÖVP und FPÖ, Sie scheinen hier ganz klar auf einer Seite zu stehen, nämlich auf jener der Vermieter und der Hauseigentümer. Ja, trotz aller Bekundungen und Versprechungen, auch seitens der Spitzenkandidaten, haben ÖVP, FPÖ und auch NEOS letzte Woche unserem Antrag auf Abschaffung der Maklerprovision für Mieterin­nen und Mieter nicht zugestimmt. (Abg. Haubner: ... zu kurz gegriffen!) Sie haben ihn abgelehnt, einfach abgelehnt. Vorher versprochen, dann gebrochen – einfach abge­lehnt oder auf die lange Bank geschoben, weil Sie einen Antrag eingebracht haben, der in einem Ausschuss behandelt werden muss, dem Sie aber auch nicht zugestimmt haben. Das ist nicht ehrlich, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Daher zeigt sich einmal mehr, dass in der Frage des leistbaren Wohnens wie immer die SPÖ der verlässliche Partner (Heiterkeit und Zwischenrufe bei der FPÖ – Abg. Be­lakowitsch: Ja, vor allem in Wien!) für die Bürgerinnen und Bürger in Österreich ist. Wir standen immer und wir werden immer auf der Seite der Mieterinnen und der Mieter in Österreich stehen. (Zwischenrufe der Abgeordneten Schrangl und Wöginger.)

Ich sage Ihnen, bei meiner Tour, bei meinem Wahlkampf in den letzten achteinhalb Wochen durch neun Bundesländer, durch ganz Österreich habe ich vielen Menschen zugehört, und das Thema des leistbaren Wohnens ist eines, das immer wieder kommt. Es sind vor allem junge Familien in Tirol, in Innsbruck, die mir das vermehrt mitgeteilt haben; auch junge Frauen, die sagen, dass sie fast die Hälfte ihres gesamten Fami­lieneinkommens mittlerweile für ihre Wohnkosten und ihre Mietkosten benötigen (Abg. Belakowitsch: Ist das nicht eine Schande für die SPÖ?) und dass kaum mehr Geld fürs tägliche Leben bleibt. Das halbe Familieneinkommen (Zwischenruf des Abg. Wö­ginger) für ein Dach über dem Kopf im Jahre 2019! Sehr geehrte Damen und Herren, das ist inakzeptabel, weil leistbares Wohnen kein Luxus sein darf! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Noll.)

Es ist ein zentrales Thema. Es klingt technisch und es klingt vielleicht banal, aber es ist eines der zentralsten Dinge im Leben eines Menschen. Es ist nicht nur eine Kosten­frage, es ist eine Frage von Lebenschancen. Es ist eine Frage, die bestimmt, wie sicher ein Kind vom ersten Tag seines Lebens an aufwachsen kann, ob es ein sicheres Dach über dem Kopf hat, ob es eine warme Wohnung hat und ob es auch genügend Wohnraum für sich zur Verfügung hat, in dem es aufwachsen und sich seinem Kind­sein widmen kann. Dieses sichere Dach über dem Kopf entscheidet – und das sagen viele, viele Expertinnen und Experten – ganz wesentlich darüber, ob ein Kind erfolg­reich, selbstbestimmt und in Sicherheit aufwachsen kann.

Ich kann das aus eigener Erfahrung sagen, denn meine Ausgangssituation mit einer sehr jungen, 19-jährigen alleinerziehenden Mutter in den Siebzigerjahren war auch nicht die beste. Eines war aber essenziell: Es war das sichere Dach über dem Kopf, das ich in Favoriten durch eine Gemeindebauwohnung hatte. Sie war leistbar für meine Mutter, sie war warm, sie war groß genug und sie war sicher. Das war mein Nest, das war Geborgenheit, sehr geehrte Damen und Herren! Das war mein Start ins Leben. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Belakowitsch: Und warum haben Sie’s abgeschafft, das Nest in Wien? Warum gibt’s das nicht mehr?)

Es geht darum, Wohnen nicht nur als Spekulationsgeschäft zu sehen, sondern eben als das, was es ist: ein sicherer Start ins Leben, eine Sicherheit und eine Chance, die


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wir allen Kindern in Österreich, nicht nur in der Vergangenheit, sondern auch in Zu­kunft, geben müssen, sehr geehrte Damen und Herren, damit sie sorgenfrei Kinder sein können und sich ihrem Kindsein widmen können.

Dafür haben wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten seit Langem und nicht erst in diesem Wahlkampf ein konkretes Programm vorgelegt. Wir sind für die Abschaf­fung der Mietensteuer, denn die Österreicherinnen und Österreicher können wir durch diese Abschaffung schnell und wirksam entlasten. Wir können ihnen eine Monatsmiete im Jahr dadurch ersparen. Streichen wir die Mietensteuer! (Beifall bei der SPÖ.)

Für Wohnungseigentümer, für Wohnungsbesitzer und Hausbesitzer soll es einen Wohnbonus von 500 Euro im Jahr als Entlastung geben. Auch das ist sicher und vor allem wirksam.

Drittens: Schaffen wir die Maklergebühren für die Mieterinnen und Mieter ab! Das habe ich am Anfang schon gesagt.

Selbst dann stellt es sich oft so dar, dass Vermieter viel zu hohe Betriebskosten und Mieten einstreifen, und das ist derzeit straffrei. Das sehe ich nicht ein. Führen wir Stra­fen für Mietwucher ein, sehr geehrte Damen und Herren, um diesem Spuk ein Ende zu setzen! (Beifall bei der SPÖ.)

Schaffen wir endlich ein zeitgemäßes, modernes Mietrecht mit klaren, transparenten Zu- und Abschlägen auf der Seite der Mieterinnen und der Mieter, ein Gesetz, in dem klar geregelt ist, wie Abschläge und Zuschläge funktionieren, ein modernes Mietrecht für alle Wohnungen und nicht nur für Altbauten!

Und: Fördern wir den öffentlichen Wohnbau, sehr geehrte Damen und Herren! Das ist ein Garant für leistbares Mieten, denn wir wissen, der größte Preistreiber im Bereich des Wohnens ist der private Wohnungsmarkt. Deswegen will ich eine Widmungskate­gorie, eine Flächenwidmungskategorie für leistbaren und sozialen Wohnbau verfas­sungsrechtlich absichern, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Den Schlusssatz bitte!


Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (fortsetzend): Es wird Sie nicht ver­wundern, die nächsten Rednerinnen und Redner werden sich vor allem um eines küm­mern, nämlich darum, die Stadt, die sowohl in Österreich als auch im internationalen Vergleich das leistbarste Wohnen für ihre Bürgerinnen und Bürger anbietet, zu bashen. Es wird Wien sein, das in den künftigen Reden der anderen Parteien gebasht wird.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Den Schlusssatz bitte!


Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (fortsetzend): Ich kann Ihnen nur sa­gen, das liegt mir am Herzen: Wohnen darf kein Luxus sein! (Beifall bei der SPÖ.) Sa­gen Sie den Österreicherinnen und Österreichern, sehr geehrte Damen und Herren, wofür Sie stehen! Zeigen Sie ihnen, dass Sie mit uns den Weg des leistbaren Woh­nens gemeinsam gehen! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

9.18


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf den Vizekanzler der Republik recht herz­lich im Hohen Haus begrüßen und ihm sogleich das Wort erteilen. – Herr Vizekanzler, Sie haben das Wort.


9.19.10

Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz Vizekanzler Dr. Dr. h.c. Clemens Jabloner: Herr Präsident! Hohes Haus! Seit einem guten Jahr­zehnt müssen wir ein Ansteigen der Wohnungsmietzinse beobachten, das deutlich über dem Anstieg der sonstigen Lebenshaltungskosten und der einschlägigen Indizes liegt. Dafür gibt es mehrere Gründe.


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Zu den wichtigsten Faktoren gehören jedenfalls das nach der Finanzkrise zum Teil ex­orbitant gestiegene Grundpreisniveau, das auf die Mietzinse durchschlägt, der hinter der Nachfrage zurückbleibende Neubau sowie der starke Zuzug, insbesondere in die Städte. Eine der Ursachen liegt auch im österreichischen Mietrecht. Unser Mietrecht kennt zwar gesetzliche Beschränkungen des höchstzulässigen Mietzinses, es sieht diese Beschränkungen jedoch nur für einen gewissen Teil des Wohnungsmarktes vor. Nur im Vollanwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes kommen seine Regelungen über den Mietzins zum Tragen. Für jene Wohnungen, die nur dem Teilanwendungs­bereich oder gar nur dem ABGB-Bestandsrecht unterliegen, gilt keine gesetzliche Zins­beschränkung, und das zentrale Regulativ der Zinsbegrenzung, nämlich das Richtwert­system, gilt nur für vor dem Jahre 1945 errichtete Gebäude und Wohnungen.

In weiten Teilen des Wohnungsmarktes bildet sich der Mietzins also auf Basis des öko­nomischen Zusammenspiels von Angebot und Nachfrage, und das führt bei einem strukturell knappen Gut wie dem Wohnraum und dem daraus resultierenden Nachfra­geüberhang selbstverständlich zu einem Preisanstieg. Wir sehen dieses Ansteigen der Mietzinse nicht etwa nur in Wien, sondern im ganzen Bundesgebiet, und Innsbruck ist nur das prominenteste Beispiel dafür. Das sehr hohe Mietzinsniveau ist in Österreich also ein nahezu flächendeckendes Phänomen. Dieses Phänomen verwehrt jungen wohnungssuchenden Menschen den Einstieg in ein eigenständiges Leben und ist da­her von äußerst wichtiger gesellschaftlicher Relevanz.

Einer solchen Entwicklung kann die Politik nicht gleichgültig gegenüberstehen, sie muss Konzepte entwickeln. Freilich gehen diese Konzepte diametral auseinander: Während man auf der einen Seite für eine Ausdehnung der heutigen Mietzinsregeln grundsätzlich auf den gesamten Wohnungsmarkt setzt und diese Regeln noch klarer und enger fassen will, wird von der anderen Seite vorgeschlagen, das Mietrecht zu li­beralisieren, die Mietzinsbeschränkungen aufzuheben, um auf diese Weise Anreize zu schaffen und leere Wohnungen auf den Markt zu bringen.

Die eine Seite setzt also auf einen stärkeren und weiter gehenden Eingriff in die Privat­autonomie, die andere Seite spricht sich für eine Zurückdrängung gesetzgeberischer Interventionen aus und vertraut auf den Markt. Zugrunde liegen unterschiedliche welt­anschauliche und politische Positionierungen und unterschiedliche Interessen.

Meiner Überzeugung nach wäre es zu wenig, auf die Wirksamkeit von Marktmecha­nismen zu setzen und die heute Wohnungssuchenden darauf zu verweisen, dass es der freie Markt schon für sie richten werde. Wohin eine prinzipiell unbeschränkte, allein den Marktkräften überlassene Mietzinsbildung in urbanen Ballungsräumen führt, zeigt uns ein Blick ins Ausland. In den großen europäischen Metropolen können sich junge Menschen ein Leben im urbanen Bereich schlechthin nicht mehr leisten – das gilt für Städte wie München und Hamburg, von Paris oder London ganz zu schweigen. Das sind doch Entwicklungen, die wir für Österreich nach bestem Bemühen vermeiden soll­ten.

Freilich kann leistbares Wohnen nicht allein durch mietrechtliche Maßnahmen sicher­gestellt werden, dazu braucht es auch die engagierte Schaffung von zusätzlichem Wohnraum, die Bereitstellung von Wohnraum durch öffentliche Vermieter und die miet­zinsdämpfende Wirkung der gemeinnützigen Bauvereinigungen. Dazu kommt da mei­ner Überzeugung nach auch den zivilrechtlichen Mietzinsbegrenzungen eine große Be­deutung zu. Allerdings müsste auch hinsichtlich solcher Begrenzungsregelungen die derzeit vorherrschende Zersplitterung des Mietrechts überwunden werden.

Es scheint mir also ein Gebot der Stunde zu sein, in Richtung eines möglichst ein­heitlichen Mietrechts zu gehen. Dieses einheitliche Mietrecht muss freilich auch deutli­che Akzente für die Abmilderung des Mietzinsniveaus enthalten, die ihre Wirkung auch


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für solche Segmente des Wohnungsmarktes entfalten, die heute nicht ausreichend ge­regelt sind – dies mit gewissen Ausnahmen für frei finanzierte Bau- und Sanierungs­projekte.

Lassen Sie mich einen weiteren Gedanken hinzufügen, es geht um die Konstanz der Wohnversorgung: In den zurückliegenden zwei Jahrzehnten hat sich aufgrund entspre­chender Änderungen im Mietrechtsgesetz die Entwicklung ergeben, dass immer mehr Mietverhältnisse bloß auf bestimmte Zeit abgeschlossen werden. Das führt in weiterer Folge dazu, dass Mieter entweder zu häufigem Wohnungswechsel gezwungen werden oder in ihrem Wunsch auf Verbleib in der bisherigen Wohnung vom guten Willen des Vermieters abhängen. Das schwächt die Rechtsposition von Mietern und widerspricht ihrem Bedürfnis nach einer eigenständigen Entscheidung darüber, wie lange sie in ei­ner Wohnung bleiben wollen und wann sie diese wechseln wollen.

Ich glaube daher, dass man bei künftigen Reformbemühungen im Bereich des Miet­rechts auch die Befristungsmöglichkeiten überdenken und gesetzliche Maßnahmen da­für setzen sollte, dass unbefristete Mietverhältnisse wieder der Regelfall werden. In diesem Zusammenhang sollte man sich auch davor hüten, die derzeit bestehenden Eintrittsrechte zu beschränken, zu erschweren oder mit allzu starken Zinserhöhungen zu belegen. Mir ist schon klar, dass diese Eintrittsregelungen auch zu Verzerrungen und Privilegien führen, aber es ist niemandem gedient, wenn es allen gleich schlecht geht.

Die Gestaltung des Mietrechts ist freilich eine fundamental politische Frage. Bei einer künftigen Mietrechtsreform dürfen aber die essenziellen Bedürfnisse und berechtigten Anliegen von Wohnungssuchenden und Mietern nicht aus dem Blick verloren gehen. – Ich danke. (Beifall bei der SPÖ.)

9.25


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf darauf aufmerksam machen, dass die weiteren Redner in der Aktuellen Stunde nur mehr 5 Minuten Redezeit haben.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Singer. – Bitte.


9.26.06

Abgeordneter Johann Singer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! (Abg. Jarolim: Die Kollegin Becher kommt nach Ihnen, glaube ich! Stimmt das?) Herr Vizekanzler! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren hier auf der Galerie und zu Hause vor den Bildschirmen! Sehr geehrte Frau Rendi-Wagner, ich darf Folgendes festhalten: Alle Parteien dieses Hauses setzen sich für das Thema Wohnen ein, nur sind die Konzepte, der Zugang dazu und die Lösungsansätze unterschiedlich. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Klaus Uwe Feichtinger.)

Ich darf zu einigen Forderungen, die Sie aufgestellt haben, Stellung beziehen. Zum Ersten zur Forderung: Weg mit der Mietensteuer! – Sehr geehrte Damen und Herren! Alle in diesem Haus wissen, dass in Österreich der Normalsteuersatz der Umsatzsteu­er 20 Prozent beträgt und wir uns damals, als wir den Beitritt zur EU verhandelt haben, mit 10 Prozent eine Sonderregelung geschaffen haben. Daraus ergibt sich, dass diese Änderung nur in Abstimmung mit der EU machbar ist und es nicht so ist, wie Sie das auf Ihren Plakaten darstellen, dass Sie diese Veränderung jederzeit durchführen kön­nen.

Ein zweiter Punkt: Wir diskutieren Ihr Universalmietrecht zum x-ten Mal. Dieser Entwurf stammt aus dem Jahr 2014. X-mal ist dieser Entwurf in diesem Hause abgelehnt wor­den, er fand keine Mehrheit. In jedem Land, in dem Mietzinsobergrenzen geschaffen wurden, gingen die Bauleistungen zurück, dennoch macht gerade zum Beispiel die Berliner Stadtregierung, bestehend aus Sozialdemokraten, den Linken und den Grü­nen, diesen Fehler. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Schon die Ankündigung, Obergren-


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zen einzuführen, war ausreichend, dass sich die Anleger aus dem Wohnungsmarkt zu­rückgezogen haben. Österreich, sehr geehrte Damen und Herren, darf nicht den glei­chen Fehler machen! (Beifall bei der ÖVP.)

Der Grund für die steigenden Preise ist, dass die Nachfrage größer ist als das Ange­bot; der Herr Vizekanzler hat das in seinen Ausführungen schon entsprechend darge­stellt. Wir in der Politik sind gefordert, Anreize zu schaffen, damit ausreichend gebaut wird – das Universalmietrecht der SPÖ ist da kontraproduktiv. (Beifall bei der ÖVP.) Wir sehen anhand von Berlin, wie sensibel der Wohnungsmarkt reagiert. (Ruf: Das ist ja auch eine echte ...!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Im letzten Regierungsprogramm haben wir einen Mietrechtskonvent festgeschrieben, bei dem Wohnungsexperten ein neues Mietrecht erarbeiten. Wenn wir, wenn die ÖVP am kommenden Sonntag das Vertrauen der Be­völkerung erhält, werden wir auch in einem künftigen Regierungsprogramm diese Vor­gehensweise entsprechend festschreiben. (Zwischenruf des Abg. Schrangl.)

Dass wir im Wohnbau auch einiges weiterbringen, haben wir schon im letzten Sommer gemeinsam mit der FPÖ unter Beweis stellen können. Wir haben eine Novelle zum Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz geschaffen. Ein Zitat: „Wir versprechen uns von der“ Novelle des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes „eine Stärkung der gemeinnüt­zigen Wohnungswirtschaft.“ – Dieser Satz stammt nicht von mir, dieser Satz stammt vom Obmann des Verbandes gemeinnütziger Bauvereinigungen und Vorstand der So­zialbau AG; wahrlich kein Mitglied der ÖVP.

Die SPÖ, sehr geehrte Damen und Herren, hat diesem Gesetz nicht zugestimmt – wie­derum ein Beweis dafür, dass die Kompetenz der SPÖ beim Sozialbau sehr beschei­den gegeben ist. (Beifall bei der ÖVP. – Heiterkeit des Abg. Drozda.)

Ein wichtiger Bereich dieser Novelle war für uns die Eigentumsförderung: Wir haben zentrale Verbesserungen beim Mietkauf vorgenommen – gerade junge Menschen wol­len im Eigentum wohnen, viele Untersuchungen beweisen das (Abg. Klaus Uwe Feich­tinger: Die steuerliche Regelung habt ihr nicht geändert!) –, und wir wollen die staatli­chen Nebenkosten beim ersten Ankauf eines Eigenheimes reduzieren und diese bis maximal 20 000 Euro abschaffen.

Noch ein Wort zur angesprochenen Maklerfrage: Unser Zugang zu diesem Thema ist der, dass wir wollen, dass die Besteller die Maklergebühren bezahlen. Warum haben wir dem SPÖ-Vorschlag nicht zugestimmt? – Weil dieser Antrag quasi eine Abschreib­übung des deutschen Gesetzes ist. Dieses Gesetz beinhaltet Fehler und dieses Ge­setz hat auch nicht auf Spezifika der österreichischen Situation entsprechend Rück­sicht genommen. Wir wollen keinen Schnellschuss, sondern wir wollen ein ausführlich ausgearbeitetes Gesetz, das den Mietern auch tatsächlich etwas bringt. (Zwischenruf der Abg. Kucharowits.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Entscheidend ist, ob diese Gesetzesänderung auch beim Mieter entsprechend ankommt. Wir werden das in der nächsten Gesetzgebungs­periode umsetzen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich habe das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz bereits angesprochen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Den Schlusssatz bitte!


Abgeordneter Johann Singer (fortsetzend): Es ist mir, wie gesagt, schleierhaft, dass die SPÖ da nicht zustimmt.

Meine Redezeit ist leider schon vorbei, und ich darf zum Schlusssatz kommen – dan­ke, Herr Präsident, für den Hinweis! –: Was wir brauchen, sind Anreize, damit mehr Wohnraum geschaffen wird. Wir brauchen weniger baurechtliche Vorschriften im so-


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zialen Wohnbau und, sehr geehrte Damen und Herren, wir brauchen eine Eigentums­förderung im gemeinnützigen Wohnungsbereich (Zwischenruf der Abg. Kucharowits) in Form des Mietkaufs und beim unmittelbaren Eigentumserwerb über eine Gebühren­befreiung für das erste Eigentum. Das sind die Zugänge der Österreichischen Volks­partei. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

9.32


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Be­cher. – Bitte.


9.32.45

Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Singer, Sie haben jetzt viele Dinge angesprochen, die nicht so abgelaufen sind, wie Sie sie dargestellt haben, aber ich werde dann im Einzelnen noch etwas dazu sagen.

Grundsätzlich, glaube ich, ist zu sagen, dass der Wohnungsmarkt nicht in Ordnung ist, weil die Wohngesetzgebung nicht in Ordnung ist. Das Wohnrecht ist für die Mieterin­nen und Mieter nicht verständlich und es ist auch nicht geeignet, der ausufernden Spekulation entgegenzutreten – die Spekulation ist natürlich auch für die Preisanstiege verantwortlich. (Beifall und Bravoruf bei der SPÖ.)

Wenn man sich die Preise am aktuellen Wohnungsmarkt ansieht, kann man bereits jetzt sehen, dass für eine Wohnung, die teilweise unter 70 Quadratmeter hat, am priva­ten Wohnungsmarkt über 1 000 Euro zu zahlen sind – das sind Zahlen, die gestern im Internet zu sehen waren –; dazu kommen dann noch Kaution und Maklergebühren.

Wenn wir schon bei den Maklergebühren sind: Auch Kollege Kurz ist für das deutsche Modell eingetreten. Unser Maklerantrag ist für das Bestellerprinzip, und Sie haben nicht einmal zugestimmt, dass er behandelt wird. So schaut es nämlich in Wirklichkeit aus!

Im Vergleich zahlt man für Wohnungen in Wien um 36 Prozent weniger als für private Mietwohnungen, die angeboten werden. Das Angebot für Wohnungen ist in Wien sehr groß: Bis zum Jahr 2020 werden 14 000 neue Wohnungen gefördert, und es wird 4 000 Gemeindewohnungen zusätzlich geben, und diese sind provisionsfrei und unbe­fristet zu mieten.

Eine wirklich nicht verdächtige Studie, die Mercer-Studie, hat Wien jetzt als lebenswer­teste Stadt ausgezeichnet. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Kickl: Ja, da freuen sich die Manager! – Abg. Loacker: Das wird die Manager ...! – Zwischenruf des Abg. Wögin­ger.) Das kommt nicht von ungefähr, sondern daher, dass die Lebensumstände so positiv sind und auch das Wohnen so positiv ist. Sie wissen, der „Economist“ steht der Sozialdemokratie wirklich nicht nahe (Abg. Kickl: Umso erstaunlicher ist, dass Sie ihn zitieren!), und dort hat man dasselbe gesagt, also das ist wirklich eine unabhängige Beurteilung.

Wir als SPÖ haben heuer hier im Hohen Haus einen Antrag betreffend ein generelles Befristungsverbot eingebracht, und auch das wurde mit den Stimmen von FPÖ und ÖVP abgelehnt. Das heißt, Tausende österreichische Familien werden zu Heimatlosen im eigenen Land gemacht, die jedes Jahr wieder umziehen müssen.

Was bedeutet die momentane Situation für die Geldbörsen der Österreicherinnen und Österreicher? – Die Oesterreichische Nationalbank sagt, dass der Spekulationsaufschlag 20 Prozent beträgt. Das bedeutet, wenn jemand für eine Wohnung 1 000 Euro Miete bezahlt, bezahlt er wegen der Spekulation 200 Euro zu viel. 20 Prozent Spekulations­rendite am freien Wohnungsmarkt muss man nur damit vergleichen, was ein Sparer bekommt, wenn er sein Geld auf das Sparbuch legt.


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Man wird sich die Frage stellen müssen, warum die Regierung da nichts unternimmt, warum da nichts geschieht, und die Antwort ist, glaube ich, recht einfach zu finden, nämlich auf der Liste der Großspender, bei den Vertretern der Immobilienwirtschaft, die Gewinner dieser Situation sind.

Da geht es um die Abschaffung des Lagezuschlagsverbots bei Althäusern – das sind jene Häuser, die vor 1945 errichtet worden sind –, es geht um Einschränkungen bei den Eintrittsrechten. Beides wurde von FPÖ und ÖVP unterschrieben und kostet allein in einer Legislaturperiode 270 Millionen Euro beziehungsweise 57 Millionen Euro, die von den Taschen der Mieter in die Taschen der Vermieter wandern. (Beifall bei der SPÖ.)

Diese Politik führt auch dazu, dass wir, wenn nichts geschieht, Zustände haben, wie wir sie von anderen europäischen Großstädten kennen, wo durchschnittliche Familien wie Lehrer, Handwerker oder Pflegepersonal nicht mehr im Stadtinneren wohnen kön­nen, weil die Preise dort so hoch sind, sondern aufs Land ziehen müssen.

Dass es in Österreich nicht so ist, hat mit dem hohen Anteil an geregelten Wohnungen zu tun, aber auch das wird hintertrieben, weil nämlich ÖVP und FPÖ – wir erinnern uns daran – die Wohnungen der Buwog verkauft haben. Und was passiert jetzt? – Herr Hofer hat als Verkehrsminister noch den Verkauf der ÖBB-Wohnungen, privater Miet­wohnungen vorbereitet. (Abg. Ottenschläger: Die stehen seit zehn Jahren leer!) An­statt sie herzurichten, sollen sie verkauft werden. Das war vor 14 Tagen in den Zei­tungen zu lesen. (Abg. Ottenschläger: Seit zehn Jahren stehen sie leer!)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Den Schlusssatz bitte!


Abgeordnete Mag. Ruth Becher (fortsetzend): Von ÖVP und FPÖ ist keine einzige Maßnahme gesetzt worden, um Wohnungen billiger zu machen. Die Österreicherinnen und Österreicher stimmen am 29. September darüber ab: höhere Mieten mit ÖVP/FPÖ oder niedrigere Mieten mit der SPÖ. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

9.38


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schrangl. – Bitte.


9.38.22

Abgeordneter Mag. Philipp Schrangl (FPÖ): Ich muss mir (auf seinem Smartphone tippend) zuerst einen Timer stellen, weil ich nicht nur 3 Minuten lang erklären will, was die SPÖ falsch macht, sondern weil ich Ihnen auch sagen will, wie Wohnen wirklich günstiger wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! (Ruf bei der SPÖ: ... Buwog ... FPÖ! – Wei­tere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Hören Sie zu, Sie hatten Zeit zu sprechen!

Sehr geehrte Damen und Herren! Die SPÖ war seit 1970 verantwortlich für Wohnrecht. Wenn Sie so tolle Ideen gehabt hätten, hätten Sie das alles schon umsetzen können. (Beifall bei der FPÖ.) Auch in der Zeit der größten Erhöhungen im Mietrecht seit 2008 war die SPÖ verantwortlich.

Jetzt sage ich Ihnen, was passiert. Erstens einmal ist mir - - (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Hören Sie zu! Sie hatten Zeit, ich spreche jetzt! – Erstens einmal ist mir eine Mietensteuer unbekannt. Vielleicht kann Ihnen Herr Matznetter erklären, wie die Steuer wirklich heißt. Was passiert, meine sehr verehrten Österreicherinnen und Österreicher, wenn wir diese Steuer abschaffen? – Wenn wir heute die Umsatzsteuer abschaffen, dann wären ihre Wohnungen leider nicht günstiger, sondern es passiert Folgendes: Stellen Sie sich vor, Sie haben eine Mietwohnung am privaten Markt und zahlen dafür 600 Euro. Mit dem SPÖ-Modell zahlen sie ab nächstem Monat nicht mehr 600 Euro,


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sondern 642 Euro, und das passiert deswegen, weil auch der sogenannte Vorsteuer­abzug wegfällt. (Zwischenrufe bei der SPÖ. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzei­chen.)

Vielleicht freuen Sie sich, dass Sie eine Genossenschaftswohnung haben. Wenn Sie in Wien eine Genossenschaftswohnung haben, zahlen Sie weniger. Es stimmt, in Wien gibt es viele Genossenschaftswohnungen, die preisdämpfend wirken; das ist die einzi­ge Möglichkeit, die Preise am Mietenmarkt runterzubekommen. Sie haben die Freude, für eine Genossenschaftswohnung 500 Euro zu zahlen. Mit dem SPÖ-Modell – Mieten­steuer abschaffen – zahlen Sie ab dem nächsten Monat 535 Euro. – Das ist wahre Sozialpolitik, das ist die wahre SPÖ, danke schön. (Beifall bei der FPÖ und bei Abge­ordneten der ÖVP.)

Das Perfide an dieser Situation ist: Wenn sich ein Arbeiter aus Simmering sein Leben lang eine Wohnung abgespart oder mit seinen Händen erarbeitet hat (Zwischenruf bei der SPÖ), diese an seine Kinder weitergeben will und sie vermietet, dann fällt das der­zeit unter die sogenannte Kleinunternehmerregelung, das heißt, er verrechnet gar kei­ne Umsatzsteuer. Was Sie mit der Abschaffung der Umsatzsteuer machen, ist ein Steuergeschenk an die neuen SPÖ-Freunde, nämlich die Großvermieter, die Finanz­spekulanten, Banken und Versicherungen. So schaut es wirklich aus! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wer mir nicht glaubt, kann die Zeitungen aufschlagen und braucht nur nach dem Stich­wort WBV-GÖD zu suchen (Zwischenruf des Abg. Plessl), und dann weiß jeder, was die SPÖ Wien mit gemeinnützigem Vermögen macht, nämlich es an private Immobiliengroß­investoren zu verscherbeln. – Das ist die Wahrheit! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Abg. Duzdar.) – Es tut mir leid, Ihre Zeit ist abgelaufen, nicht nur hier bei mir am Pult (den auf seinem Smartphone eingestellten Timer deaktivierend), sondern wahr­scheinlich auch am 29. September. (Zwischenruf des Abg. Klaus Uwe Feichtinger.)

Sehr geehrte, hochgeschätzte Frau Dr. Rendi-Wagner, Sie mögen eine gute Ärztin sein – das kann ich als Jurist nicht beurteilen –, aber bitte hören Sie auf, bei der Wohn­baupolitik herumzudoktern, denn das, was Sie heute vorgetragen haben, macht keine Wohnung günstiger! (Abg. Rendi-Wagner: Das ist aber lustig, was Sie sagen!) – Ich habe es lustig gefunden und wahrscheinlich viele andere Menschen auch (Beifall bei der FPÖ); es werden aber auch viele weinen, wenn Ihre Politik umgesetzt wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, was wir machen und was wir gemeinsam mit der ÖVP umgesetzt haben, ist der sogenannte Österreicher-Bonus. (Abg. Becher: Schä­men Sie sich dafür!) Das heißt, dass Österreicher im gemeinnützigen Wohnbau vorran­gig mit Wohnraum ausgestattet werden – mit „einem sicheren Dach“, wie Sie so emo­tional vorgebracht haben. Ein sicheres Dach für Kinder, Frau Doktor, schafft die FPÖ mit ihrem Österreicher-Bonus, ein sicheres Dach für Österreicherinnen und Österrei­cher, für Familien. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Abg. Margreiter.)

Wir fordern daher – und das haben Sie vielleicht auch in der Hand –, diesen Österrei­cher-Bonus auch im Gemeindebau umzusetzen. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Margreiter.) Wenn wir das auch im Gemeindebau umsetzen, dann gibt es auch dort ein sicheres Dach für Kinder.

Dazu nenne ich Ihnen ein trauriges Beispiel aus Tirol – das ist leider wirklich die Politik der SPÖ –: Eine Gemeinde baut 24 Wohnungen, es gibt 120 Anmeldungen von Leuten aus der Region, darunter viele Familien. Der Bürgermeister aber vergibt eine Wohnung leider an eine Flüchtlingsfamilie, die gerade erst zu uns gekommen ist. – Ich finde, das ist nicht in Ordnung. (Ah-Rufe bei der SPÖ. – Zwischenrufe der Abgeordneten Noll und Scherak.) Unserer Ansicht nach steht die teuerste Sozialleistung, die der österreichi­sche Staat zu vergeben hat, nicht am Anfang, sondern am Ende der Integrationsleis­tung. (Beifall bei der FPÖ.)


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Wenn jemand zu uns kommt, wenn jemand sich einbringt, wenn jemand die österrei­chische Staatsbürgerschaft erworben hat, dann gilt auch für ihn der Österreicher-Bo­nus. (Zwischenrufe der Abgeordneten Klaus Uwe Feichtinger und Scherak.) Das ist wahrhaft soziale Politik. – Herzlichen Dank, meine Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)

9.43


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Loa­cker. – Bitte.


9.43.26

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vi­zekanzler! Hohes Haus! Geschätzte Zuschauerinnen und Zuschauer! (Zwischenruf des Abg. Jarolim. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.) – Da herrscht noch gro­ße Aufregung im roten Sektor.

Mit dem Thema Wohnen haben wir ein Thema auf dem Tisch, das jeden betrifft, und wenn man die öffentliche Debatte verfolgt, merkt man: Das Vokabel Wohnen kommt ei­gentlich nie ohne das Adjektiv leistbar vor. Was also kann die Politik tun, um die Leist­barkeit des Wohnens, um steigende Immobilienpreise zu beeinflussen?

Vorausschicken muss man meines Erachtens bei dieser Debatte immer: Die Europäi­sche Zentralbank hat die Zinsen abgeschafft. Jeder Politiker wäre für diese Maßnahme zu Recht durch Sonne und Mond geschossen worden, während die Herrschaften Dra­ghi, Lagarde und so weiter großen Applaus dafür bekommen, dass sie weiter an der Vernichtung des Wertes von Ersparnissen arbeiten. (Zwischenruf der Abg. Steger.)

Solange die Europäische Zentralbank ihre Nullzinspolitik fortsetzt und weiterhin jeden Monat Anleihen todgeweihter Unternehmen im Milliardenvolumen kauft, werden auch die Immobilienpreise weiter hinaufschießen und wird der Unterschied zwischen den Wohlhabenden und den weniger Wohlhabenden größer werden. Wer reich ist, kann sich nämlich mit Immobilien absichern, die weniger Wohlhabenden können das nicht – die EZB-Politik unterstützt also die Reichen dabei, noch reicher zu werden. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Noll.)

Was die Politik da hätte tun können, ist, die Schulden herunterzufahren, damit die EZB wieder auf ein normales Zinsniveau kommen kann. (Abg. Steger: ... die Schuldenpoli­tik der EU!) Das wurde nicht gemacht. Jetzt kommt die SPÖ mit verschiedenen kleinen Pflästerchen, die sie auf klaffende Wunden draufpickt. Sie will die – unter Anführungs­zeichen – „Mietensteuer“ abschaffen. – Hunderte Österreicher haben die Mietensteuer schon im Steuerrechtskodex gesucht und haben sie nicht gefunden; gemeint ist näm­lich die Umsatzsteuer auf Mieten.

In den Siebzigerjahren ist Bruno Kreisky auf die raffinierte Idee gekommen, man könn­te dem Eigentümer 20 Prozent Vorsteuerabzug geben und dafür nur 10 Prozent Um­satzsteuer verrechnen, damit das Mieten billiger wird – schlau von Kreisky! Auch Pro­fessor Doralt bestätigt, was vorhin schon Kollege Schrangl gesagt hat: Man kann nicht die Umsatzsteuer auf die Miete abschaffen und gleichzeitig den Vorsteuerabzug be­lassen. Das, was Sie auf Ihren Plakaten betreffend Mietensteuer vorschlagen, würde das Wohnen teurer machen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der FPÖ.) Das Pflästerchen müssen Sie von der Wunde wieder herunterreißen, und das tut im­mer besonders weh.

Nächstes Pflästerchen: Die SPÖ will ein Universalmietrecht mit einer fixen Miete von 5,50 Euro pro Quadratmeter. Dabei wird keine Rücksicht darauf genommen, wann sich die Investition ins Bauen amortisiert, damit der, der sein Geld ins Bauen investiert, auch eine gewisse Rendite machen kann – das ist bei dem, was Sie vorschlagen, kei-


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ne Kategorie. Wir brauchen aber die privaten Investoren, weil die öffentliche Hand mit dem Bauen gar nicht nachkommt. Das hat der Herr Vizekanzler richtig gesagt. Wenn man den privaten Bauherrn jedoch besonders niedrige Mietzinsschranken auferlegt, führt das natürlich eher zu weniger als zu mehr Bautätigkeit. Dieses Pflästerchen ver­schärft die Misere weiter und reißt die Wunde noch weiter auf.

Herr Vizekanzler, Sie haben dazu sehr deutlich Position bezogen – sehr deutlich für ein Mitglied einer sich als überparteilich verstehenden Regierung. Ich nehme an, es hat damit zu tun, dass die SPÖ um 4,27 Euro in der Löwelstraße eingemietet ist und dort ihre 3 181 Quadratmeter mietet. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und FPÖ. – Ah-Ruf des Abg. Wurm. – Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ.)

Währenddessen ziehen Menschen in den Gemeindebau und in den geförderten Wohn­bau, die 5 000 Euro und mehr verdienen. Da kann also von Treffsicherheit überhaupt keine Rede sein, das ist beim sozialen Wohnbau nicht der Fall – Peter Pilz kann Ihnen ein Lied davon singen. Es wohnen zu viele Gutverdiener im Gemeindebau beziehungs­weise im sozialen Wohnbau. Wir stehen sogar vor der Situation, dass das Durch­schnittseinkommen im Genossenschaftsbau ein höheres ist als jenes der privaten Mie­ter. Da sieht man also eine völlig verfehlte Treffsicherheit. Wir brauchen daher im ge­förderten Wohnbau ein Einkommensmonitoring.

Die öffentliche Hand hat mit den Gemeindebauten und den Genossenschaftswoh­nungen zusammen einen Marktanteil von über 50 Prozent, in Wien von über 60 Pro­zent. Mit einem Marktanteil von über 60 Prozent muss man natürlich die soziale Frage lösen können. Wenn da etwas nicht funktioniert, sind nicht die 40 Prozent an privaten Mietverhältnissen schuld – das ist leider eine Themenverfehlung Ihrerseits. (Beifall bei NEOS und ÖVP sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

Wir brauchen also ein Einkommensmonitoring im sozialen Wohnbau, damit die, die es sich leisten können, mehr zahlen, damit wir Treffsicherheit erreichen. Die Stadt Zürich praktiziert das seit vielen Jahren erfolgreich. Wir brauchen flexiblere Möglichkeiten für den Mietkauf.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Den Schlusssatz bitte!


Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (fortsetzend): Ja, Herr Präsident, danke!

Wenn jemand mit 25 in eine geförderte Wohnung einzieht, ist seine Lebenssituation zehn Jahre später eine andere – da gehört etwas gemacht. (Abg. Leichtfried: Jetzt klatscht schon der Kickl bei Loacker!) Was nicht funktioniert, ist, die Wähler am Schmäh zu halten und Tausende Euros für teure Plakate auszugeben, die nur schöne Propa­ganda sind, von der nachher nichts umgesetzt werden kann. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Wurm: Gute Rede, Herr Kollege! Keine Feh­ler!)

9.49


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Zinggl. – Bitte.


9.49.10

Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (JETZT): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und FPÖ. – Präsident Sobot­ka gibt das Glockenzeichen.) Das Thema Mieten und Wohnen taucht immer wieder auf, insbesondere in Wahlkampfzeiten, und eignet sich für den Wahlkampf auch ideal, denn da können alle das Bekenntnis abgeben: Wohnen ist ein Menschenrecht, und da die Mieten exorbitant steigen, müssen und werden wir etwas tun – aber erst nach der Wahl, zuerst müssen wir alle einmal gewählt werden!


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Nach der Wahl gibt es in den Regierungsprogrammen dann immer wieder diese Tape­tentexte. Geschehen tut nichts – das wissen wir seit vielen Jahren, es ist immer das gleiche Spiel –, und dann sind entweder die Bundesländer, die EU oder die Europäi­sche Zentralbank schuld, als würde der Bund mit seiner Politik nicht auch Gesetze und Maßnahmen schaffen können, die dieses Preisniveau zumindest einbremsen.

Solange es aber Parteien wie die ÖVP, die NEOS, aber auch die Freiheitliche Partei gibt, die davon ausgehen, dass noch Luft nach oben ist, dass die Preise noch nicht hoch genug sind und im internationalen Vergleich das Wohnen in Österreich ohnehin noch billig sei, wird sich da wahrscheinlich gar nichts ändern. Dass die Österreicherin­nen und Österreicher mittlerweile 40 bis 50 Prozent ihres Haushaltseinkommens fürs Wohnen aufwenden müssen, steht auf einem anderen Blatt. Fast die Hälfte der Ar­beitszeit der Österreicher und Österreicherinnen geht dafür verloren, dass sie wohnen können.

Klubobmann Wöginger – jetzt ist er gerade nicht da – hat ja so schön gesagt: „Wer arbeitet, darf nicht der Dumme sein.“ – Die Menschen, die so viel fürs Wohnen zahlen müssen, sind also entweder dumm, weil sie für die Immobilienbranche arbeiten, damit sich diese eine goldene Nase verdienen kann, oder sie werden von der Politik im Stich gelassen; ich glaube, es ist eher Zweiteres.

Eines steht fest: Die ÖVP will keine Mietzinsobergrenze, weil sie an die Macht, an die angebliche Macht des Marktes und seine Selbstregulierung glaubt und daran festhält. Abgeordnete Steinacker hat ja immer wieder gesagt, es müsse viel mehr gebaut werden, dann würden die Mieten schon sinken. Kollegin Steinacker weiß aber, wiewohl sie jahrelang in der Immobilienbranche bei Raiffeisen und bei Strabag gearbeitet hat, wahrscheinlich nicht, dass insbesondere diese Branche sehr oft und sehr gerne auf Leerstand setzt und damit die meisten Spekulationsgewinne macht.

Dafür wissen aber wir, dass ein Drittel der Spender der ÖVP aus genau dieser Immo­bilienbranche kommt. In Sachen Reduzierung der Wohnkosten können wir uns von der ÖVP also auch in Zukunft nichts erwarten; ich glaube, leider auch nicht von der SPÖ, denn sehr, sehr viele Jahre war die SPÖ mit in der Regierung (Abg. Leichtfried: Wir waren nicht mit in der Regierung! Die waren mit ...!) und hat es nicht geschafft, ihren Koalitionspartner zu überzeugen oder mit ihm gemeinsam Regulierungen zu schaffen, als sie noch das Bundeskanzleramt innehatte. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das aus der schwächeren Position – sollte sie in die Regierung kommen – leichter oder besser geht.

Was die FPÖ anbelangt, erinnere ich nur an einen Spruch von Abgeordnetem Her­mann Brückl in einer der letzten Sitzungen: Der Weg zu geringeren Mieten führt über die Reduktion der Qualität des Wohnraums. – Na ja, das ist ein bisschen zynisch, wür­de ich sagen, aber nicht so zynisch wie ein anderer Spruch. Erinnern wir uns an Alt­kanzler Kurz, der gesagt hat, gegen Armut helfe der Kauf von Eigentumswohnungen. – Ein guter Tipp für alle, die sich nicht einmal die Mieten leisten können.

Rechnen wir das kurz durch: Die Hälfte der Österreicher verdient weniger als 1 500 Eu­ro netto; 40 Quadratmeter kosten mindestens 100 000 Euro. Das heißt, wenn die, die 1 500 Euro netto verdienen, jeden Monat 200 Euro weglegen, was einen eisernen Sparwillen voraussetzt – keine Reisen, keine Sonderausgaben –, müssten sie 40 Jahre lang sparen, damit sie sich dann in der Pension eine kleine 40-Quadratmeter-Wohnung leisten können. (Zwischenrufe der Abgeordneten Haubner und Schwarz.)

Ah ja, das wollte ich noch sagen: Von der letzten türkisen Regierung – wir haben es vergessen – wurde auch der Wohnraum in den Studentenheimen verteuert. Warum also nicht ÖVP wählen, oder gleich die Immobilienbranche? – Danke. (Beifall bei JETZT.)

9.54



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 30

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Otten­schläger. – Bitte. (Abg. Jarolim: In welcher Funktion jetzt? – Abg. Leichtfried: Ist er jetzt als Verkehrssprecher da?)


9.54.14

Abgeordneter Andreas Ottenschläger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Zu Herrn Kolle­gen Zinggl: Sie haben es richtig gesagt: Wer arbeitet, soll nicht der Dumme sein; des­wegen haben wir auch in einem ersten Schritt die Bezieher kleiner Einkommen entlas­tet und wollen, wenn wir das Mandat dafür bekommen, in einem weiteren Schritt die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie die Unternehmer in diesem Lande weiter entlasten. (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn wir über soziale Treffsicherheit sprechen, dann frage ich mich schon: Was macht beispielsweise der größte Wohnungsbesitzer in Europa, nämlich die Stadt Wien? Apro­pos soziale Treffsicherheit: Wenn wir Gemeindewohnungen auf Airbnb finden, jemand diese also teuer untervermietet und sich somit auf Kosten der Allgemeinheit ein Zu­satzeinkommen verschafft (Zwischenruf der Abg. Becher) oder wenn wir Gemeinde­wohnungen auf Willhaben finden, dann frage ich mich: Wo ist die soziale Treffsicher­heit, meine Damen und Herren? (Beifall bei der ÖVP.)

Frau Kollegin Rendi-Wagner, Sie sprechen im Wahlkampf sehr oft über Solidarität. (Zwischenruf des Abg. Klaus Uwe Feichtinger.) Warum sollen Gutverdienende, die ei­ne Gemeindewohnung oder eine Sozialwohnung haben, nicht ab dem Zeitpunkt, ab dem sie besser verdienen, aus Solidarität mit denjenigen, die diese Wohnung wirklich brauchen, einen Beitrag leisten? Wir sagen ja nicht, dass sie ausziehen sollen, son­dern sie sollen einen Beitrag leisten, denn eine Gemeindewohnung ist eine steuerfi­nanzierte Sozialleistung und die soll nicht missbraucht werden. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf bei der SPÖ.)

Reden wir einmal über Leerstand! Frau Kollegin Becher, Sie haben selber die ÖBB-Wohnungen erwähnt: Wissen Sie, seit wann da mehr als 2 000 Wohnungen leer ste­hen, nicht renoviert werden? – Seit zehn Jahren! Seit zehn Jahren stehen 2 000 Woh­nungen, Wohnraum für mehr als 5 000 Menschen, leer, und da wird nichts gemacht, da wollen wir weiter zuschauen? – Das ist auf jeden Fall nicht unser Weg. (Beifall bei der ÖVP– Zwischenruf der Abg. Becher.)

Ein weiteres, besonderes Schmankerl: Es gibt ja die Wohnbaugenossenschaft der Ei­senbahner, Sie alle kennen die Causa Haberzettl. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Becher.) Wissen Sie, was das Interessante ist? – Wenn Sie auf die Homepage schau­en, sehen Sie: Bei dieser gemeinnützigen Wohnbaugenossenschaft sind eigentlich nur frei finanzierte Wohnungen in Bau befindlich, teilweise zum Preis von über 7 000 Euro pro Quadratmeter. (Zwischenruf des Abg. Deimek.) – Ist das die soziale Treffsicher­heit, ist das der soziale Wohnbau, den Sie sich vorstellen? – Wir uns nicht. (Zwischen­rufe bei der ÖVP.)

Wir sind dafür, dass gebaut wird und dass sozial Bedürftigen Wohnraum zur Verfügung gestellt wird, und wir sind nicht für eine Privatisierung dieser politischen Kernaufgabe. Sie wollen das quasi eins zu eins den Privaten umhängen und glauben, damit den rich­tigen Weg zu finden. Wir glauben das nicht. Wir glauben, es ist Aufgabe der Politik – unsere Aufgabe –, dafür Sorge zu tragen, dass diejenigen, die Unterstützung brau­chen, sie auch tatsächlich bekommen. (Beifall bei der ÖVP.)


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9.57


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Jaro­lim. – Bitte.


9.57.42

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Kol­leginnen und Kollegen! (Abg. Haubner: Bitte bei der Wahrheit bleiben!) Ich möchte herzlich für diese wirklich sachlichen Ausführungen danken, die ja in diametralem Ge­gensatz zu den Ausführungen beispielsweise des Herrn Ottenschläger stehen, aber vermutlich auch der Rednerin nach mir stehen werden. (Abg. Belakowitsch: Wissen Sie noch gar nicht!)

Für die Zuseherinnen und Zuseher vor den Bildschirmen möchte ich sagen, dass der­zeit in Wien wegen Airbnb – das ist diese Vermittlung von Untermieten – 70 Kündi­gungsverfahren laufen. So reagiert die Stadt Wien: 70 Kündigungsverfahren, in denen Personen zur Rechenschaft gezogen werden, die verbotenerweise Wohnungen unter­vermieten.

Was haben Sie (in Richtung ÖVP und FPÖ) im Gegensatz dazu betreffend Wohnungs­gemeinnützigkeitsgesetz gemacht? – Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Ich habe das vorhin mit Frau Kollegin Griss besprochen. Bis jetzt ist es so: Es gibt eine Kapitalrückstellung, die zu begleichen ist, und wenn die ausbezahlt ist (Abg. Schrangl: Sie haben sich zuerst darüber aufgeregt, dass nicht saniert wird! Jetzt wird saniert!) – Kollege, Sie haben Ihre Rede schon gehalten –, dann sinken die Kosten für gemeinnützige Wohnungen auf die tatsächlichen Betriebskosten. Was aber haben Sie im Zuge dieser tollen Novelle gemacht? – Das wird in Zukunft nicht mehr so sein! (Abg. Schrangl: Nein, das stimmt nicht!) Die Leute in den gemeinnützigen Woh­nungen sollen brennen wie die Luster – das ist Ihre Wortwahl, denn das ist der politi­sche Feind –, zahlen daher in Zukunft deutlich mehr und werden sicherlich Danke schön zu Ihnen sagen, meine Damen und Herren. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Schrangl.)

Ich verstehe eines nicht: Dieses Wienbashing ist ja wirklich eine völlige Groteske. Wir wissen, Wien ist laut Mercer-Studie – zehn Jahre hintereinander – die am besten ver­waltete und attraktivste Stadt nicht nur in Europa, sondern weltweit. (Beifall bei der SPÖ.) Damit Sie sich ordentlich aufregen können: Laut „Economist“ – das ist alles an­dere als ein fortschrittliches Blatt, das ist eine grundsolide, konservative Zeitung (Zwi­schenruf des Abg. Haubner– sind wir, ist Wien dieses Jahr weltweit Erster geworden. Darauf kann man stolz sein, meine Damen und Herren, vor allem vor den Bildschir­men, die Sie sich vorhin dieses komische Gerede da anhören mussten! Auf diese Stadt kann man stolz sein!

Das hat auch einen Grund: Wir haben 50 Prozent Grünland, woran sich die Leute er­freuen können. Wir haben leistbares Wohnen. Wenn man vergleicht: In Wien entfallen 13 Prozent des Haushaltseinkommens auf Wohnen. Wenn man das zum Beispiel mit Budapest vergleicht, dann sieht man, dass es dort nicht 13 Prozent wie in Wien, son­dern 22 Prozent sind, in Paris sind es vergleichsweise 29 Prozent und in London über­haupt 44 Prozent. Aber Sie stellen sich hier heraus und beschmutzen diese Stadt, während andere uns fragen, wie das denn möglich ist. (Beifall bei der SPÖ. – Zwi­schenruf der Abg. Belakowitsch.)

Der Herr Bürgermeister war in New York, um darzustellen, was das Geheimnis des Ro­ten Wien und des Wiener Wohnbaus ist. Im Hinblick darauf ist Ihr Verhalten wirklich absurd, und dass die ÖVP das macht, das ist überhaupt eine lustige Geschichte. Ich wünsche Ihnen dazu wirklich alles Gute, das gilt insbesondere auch für Ihren ehe­maligen Koalitionspartner, denn wenn man draußen am Gang steht und mit Ihnen re­det, zeigt sich, dass das momentan ein absolutes Trümmerfeld ist. Ich bin ja gespannt, wie Herr Strache da weitertut, ob er eine eigene Partei macht. Außerdem bin ich auch gespannt, wie es sich mit den 40 000 Euro Apanage im Monat wirklich verhält, wobei es sich wahrscheinlich auch um abgespartes Geld von Ihren Mitgliedern handelt.


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Meine Damen und Herren vor den Fernsehern! 40 000 Euro im Monat für Kosmetika und Kunst, dafür, dass er sich einkleiden konnte, dass er hin- und herfahren konnte. Das ist eine Schande, meine Damen und Herren! Reagieren Sie aber vor der Wahl und sagen Sie uns, wie es weitergeht! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.) Aber ich gehe sowieso davon aus, dass Herr Strache nächstes Jahr im Wiener Wahlkampf versuchen wird, hier wieder aufzutauchen.

Draußen habe ich, als ich ein bissel später hereingekommen bin, gehört, dass – es gibt ja auch weniger große Freunde von Ihnen – vom Kurz und vom Kürzling gesprochen wurde. Wer ist der Kürzling? – Das ist der Strache, und der Kürzling hat immerhin volle Taschen, denn er hat 40 000 Euro im Monat von Ihrer Partei bekommen. – Das kann man von Herrn Kurz jedenfalls nicht sagen, denn es gibt ja auch die Redewendung bei Ihnen: Der Basti mit den leeren Taschen.

Es handelt sich um 18 Millionen Euro, meine Damen und Herren. Das ist in der Ge­schichte der ÖVP das höchste Defizit, das diese Partei für ihre eigenen Kassen jemals eingefahren hat! 18 Millionen beträgt dort das Defizit, und denen wollen Sie Ihr Geld anvertrauen, meine Damen und Herren, insbesondere beim Wohnbau? Dazu sage ich ein glattes Nein. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich bin mit Kollegen Drozda unlängst über den Stephansplatz gegangen, und was ha­ben wir dort gesehen? – Junge Leute, die gesammelt haben. Ich habe sie gefragt: Wo­für sammelt ihr eigentlich? Darauf haben sie gesagt: Wir sammeln für Herrn Kurz. Ob wir denn nicht wüssten, wie die Finanzlage der ÖVP ist. – Sie haben also insbeson­dere, meine Damen und Herren vor den Fernsehern, dafür gesammelt, dass auch in Zukunft 600 Euro für die Frisur des Herrn Kurz aufgewendet werden können. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten von JETZT.) Da gibt es Gutscheine, und diese Gut­scheine werden übergeben. Dafür bekommen Sie nicht einen Kurzhaarschnitt, sondern vielleicht eine Kurzwelle, und diese Kurzwelle brauchen wir tatsächlich nicht.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte zum Schlusssatz kommen!


Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (fortsetzend): Ja, Herr Präsident, ich habe ver­standen, ich komme zum Schluss. Meine Damen und Herren! Es mag sein – darüber können wir auch diskutieren –, dass Herr Kurz vielleicht schön ist. Gut fürs Land ist er jedenfalls nicht. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten von JETZT.)

10.03


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Bela­kowitsch. – Bitte.


10.03.13

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Nach der Einlage von Radio Eriwan und der Ge­schichte vom Spaziergang über den Stephansplatz – wahrscheinlich zu Wein & Co – kommen wir zurück zum wirklichen Thema des heutigen Tages, nämlich zum Thema Wohnen, das für viele Menschen in dieser Stadt und in diesem Land nicht leistbar ist.

Frau Kollegin Rendi-Wagner hat damit begonnen, dass sie gesagt hat, dass sie in ihrer Kindheit in einem leistbaren Nest aufgewachsen ist. Viele andere hier herinnen haben auch in einem solchen leistbaren Nest gewohnt, und manche hier im Saal tun das noch immer, wohnen immer noch im Gemeindebau, im leistbaren Wohnen.

Frau Kollegin Rendi-Wagner! Ich bin Ihnen eigentlich sehr dankbar für dieses Thema, das Sie hier heute auf die Tagesordnung gesetzt haben, denn das Thema Wohnen be­wegt die Menschen in dem Land wirklich. Wohnen ist unerschwinglich teuer geworden. Aber da muss ich Ihnen jetzt gleich einmal sagen: Fangen wir beim Wohnen in Wien an! Die Stadt Wien ist der größte Hausherr Europas. 220 000 Wohneinheiten hat die


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Stadt Wien zu verwalten. (Zwischenruf der Abg. Becher.) Was aber geschieht mit die­sen 220 000 Wohneinheiten? Die Mieten sind exorbitant gestiegen! Die Stadt Wien hat auch beim Umstellen von Kategoriemietzins auf Richtwertmietzins mitgemacht. Sie hat in bestehende Verträge eingegriffen, damit hat sie sich ein enormes Körberlgeld geschaffen. Die Stadt Wien hätte es ja in der Hand, die Mieten zu senken! (Zwischen­ruf der Abg. Becher.) – Hören Sie zu! Ich habe Ihnen auch zugehört. Ich weiß schon: Die Wahrheit tut manchmal weh. Sie wissen genauso gut, was sich in Wien abspielt. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Die Stadt Wien hätte es ja in der Hand. Wenn nämlich die Stadt Wien die Mietpreise senkt, dann müssen die Privaten doch mitziehen. Aber das Gegenteil ist der Fall: Die Stadt Wien lässt es einfach laufen. Insofern hat mein Vorredner vielleicht recht gehabt, dass die Lebensqualität in der Stadt so hoch und die Verwaltung in der Stadt so gut ist. – Ja, mit fremdem Geld kann man die Stadt gut verwalten. Das ist ganz klar, wenn man die Mieter ausnimmt. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Aber, und das ist ja das eigentliche Problem, schauen wir uns doch an, was die Mie­terinnen und Mieter wirklich belastet: Die wahren Preistreiber beim Wohnen sind doch die Betriebskosten. Diesbezüglich ist die Stadt Wien Spitzenreiter. (Abg. Rendi-Wag­ner: Das stimmt nicht! – Zwischenrufe der Abg. Becher. – Weitere lebhafte Zwischen­rufe bei der SPÖ.) Offensichtlich habe ich jetzt ins Schwarze getroffen. Sie können sich ja gar nicht mehr beruhigen. Das ist ja unglaublich. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Bei den Betriebskosten ist doch die Stadt Wien Spitzenreiter, Frau Kollegin Rendi-Wag­ner: Die Wassergebühren, die Kanalgebühren, die Müllgebühren sind in Wien teilweise zu 200 Prozent überdeckelt. (Zwischenruf der Abg. Rendi-Wagner.) Das hat ja sogar schon die Volksanwaltschaft festgestellt. (Zwischenruf der Abg. Becher.) – Frau Kolle­gin! Können Sie bitte diese Schreierei vielleicht einmal abstellen?! Das ist ja wirklich irritierend! Das ist ja nimmer normal, was Sie da treiben! (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)

Sie hätten das in der Stadt Wien in der Hand. Sie sind ja aus der Wiener Landes­gruppe, Frau Kollegin Rendi-Wagner. Die SPÖ Wien kann für morgen eine Sondersit­zung einberufen und sie kann morgen mit den ganzen Betriebskosten herunterfahren. Das kann morgen beschlossen werden, 250 Meter Luftlinie von hier! (Abg. Rendi-Wagner: Das, was Sie sagen, stimmt nicht!) Das haben Sie doch in der Hand, bitte schön! Sie aber stellen sich hier wirklich her und erzählen irgendetwas von Maklerge­bühren. Meinen Sie, dass das Wohnen dann billiger wird? Oder glauben Sie, die Leute ziehen wirklich jeden Monat um, dass sie sich diese Maklergebühren sparen können? Das ist doch alles überhaupt nicht richtig! Aber Sie brauchen die Gelder aus diesen Be­triebskosten für Ihre Loch-auf-Loch-zu-Politik, die Sie in Wien betreiben. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Ihnen geht es doch nur darum, irgendwelche Löcher zu schließen. Die Wiener Mieter und Mieterinnen müssen bezahlen, beispielsweise für den Energiering beim Kranken­haus Nord. Das zahlen die Mieterinnen und Mieter in Wien mit ihren Betriebskosten. Oder auch andere Events wie zum Beispiel die Wienwoche, wo dann für drei- bis zehn­jährige Kinder irgendwelche Gender- beziehungsweise Männlichkeitsgeschichten vor­gelesen werden. Da gibt es sexualisierte Lesungen für Kleinkinder, und das zahlen die Wiener Mieterinnen und Mieter! Aber auch das gesamte Amerlinghaus zahlen die Wie­ner Mieterinnen und Mieter mit ihren Betriebskosten.

Und als ob das alles nicht schon genug wäre: Was macht die Stadt Wien? – 5 000 Gemeindewohnungen stellt sie für Asylwerber zur Verfügung, für Menschen, von denen wir nicht einmal wissen, ob sie jemals hierbleiben dürfen! Der Wiener Gemein­debau ist mit Steuergeldern bezahlt worden. Es gab eine eigene Wohnbausteuer in


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Wien. Das haben die Wienerinnen und Wiener erbaut, und zwar für ihre Nachkommen und nicht für Menschen aus aller Herren Länder der Welt! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

10.07


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf die Mitglieder des Vereins Bildungs- und Kulturtreff recht herzlich auf unserer Galerie begrüßen. (Allgemeiner Beifall. – Zwischenruf des Abg. Plessl.)

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schellhorn. – Bitte.


10.08.08

Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Herr Präsident! Geschätzter Herr Vizekanz­ler! Wir haben jetzt vieles gehört, sehr viel Emotionales. Ich glaube aber, den Zusehe­rinnen und Zusehern, den Bürgerinnen und Bürgern geht es vielleicht darum, welche Konzepte es zum leistbaren Wohnen geben könnte. Es wurden natürlich viele Argu­mente ausgetauscht, auch über den Zustand mancher Parteien oder einer Partei, aber auch über die Positionen. Aber bei aller Wertschätzung: Wenn es um Wohnbaukompe­tenzen geht, dann sollte man eigentlich nach Salzburg schauen. Dort stellen wir ja mit Landesrätin Andrea Klambauer in einer sogenannten Dirndlkoalition auch die Wohn­baulandesrätin. (Zwischenruf des Abg. Wurm.)

Ich möchte Ihnen jetzt auch unsere Vision klar darlegen, wie wir günstigeres Wohnen umgesetzt haben, weil wir mit klaren Konzepten in ein Regierungsprogramm hineinge­gangen sind und diese klaren Konzepte auch entsprechend gut umgesetzt haben. Un­ter Schwarz-Grün-Pink ist geschehen, was wir uns immer vorgenommen haben, näm­lich aktuell und sofort die Mieterinnen und Mieter zu entlasten.

Wie haben wir das gemacht? – Wenn wir uns vergegenwärtigen, dass wir seit über zehn Jahren faktisch eine Niedrig- bis zu einer Nullzinspolitik haben, dann ist klar, dass wir diese Niedrig- und Nullzinspolitik auch an die Menschen, an die Mieterinnen und Mieter, weitergeben müssen. Das war die erste Maßnahme. Bedenken Sie, dass das insgesamt 9 790 Wohnungen in 673 Bauvorhaben betroffen hat, und wir haben da­durch, dass wir das weitergegeben haben, 5,6 Millionen Euro Ersparnis erreicht! Wir haben das durch die gemeinnützigen Bauvereinigungen an die Mieterinnen und Mieter sofort weitergegeben. – Das sind zum Beispiel Konzepte, die man sofort umsetzen könnte. Man muss es nur wollen! (Beifall bei den NEOS.)

Wenn man die Gemeinnützigkeit auch gemeinnützig betrachtet, dann heißt das, dass die Zinspolitik bei den Bauvorhaben – was in den letzten zehn Jahren und was vor 2006 auch passiert ist – umgesetzt werden muss und an die Mieterinnen und Mietern weitergegeben wird.

Die Frage ist: Macht das Wien? Die Frage ist: Machen das die anderen Bundesländer? Die Frage ist auch, ob sie den Wohnbauförderungsbeitrag zweckgebunden haben. In vielen Ländern ist das nicht so, und das ist ein springender Punkt. (Zwischenruf des Abg. Reifenberger.)

Was ist dadurch erreicht worden? – Erreicht worden ist, dass es durchschnittlich 0,73 Euro pro Quadratmeter und Nutzfläche pro Monat an Ersparnis gibt. Ein Beispiel: Bei einer Nutzfläche von 65 Quadratmetern beträgt die Mietersparnis rund 47 Euro pro Monat. Da können wir jetzt gerne mit einer Lohnsteuer- oder mit einer Entlastung der Bürger herumschmeißen. Wenn man genau hier rund 500 Euro pro Jahr an Entlastung für die Mieterinnen und Mieter schaffen kann, dann ist das ein guter Punkt, um das jetzt sofort umzusetzen. (Beifall bei den NEOS.)

Wir reden dabei noch gar nicht von der Ersparnis bei der Umsatzsteuer. Diese kommt ja noch dazu. Da brauchen wir überhaupt nicht von der Umsatzsteuer zu reden, weil das auch schon eine Ersparnis bewirken kann.


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Sie sehen also, dass dieses Paket mit einer klaren Vision geschnürt wurde – nicht mit einer Streiterei darüber, was die Stadt Wien gemacht hat und was die anderen Bun­desländer machen oder wie es der FPÖ und der SPÖ geht. Vielmehr brauchen Sie hier Konzepte, wie man das sofort umsetzen kann, und müssen mit klaren Konzepten für die Bürgerinnen und Bürger arbeiten. (Abg. Kickl: Salzburg ist ja bekannt für billigen Wohnraum!) – Da haben Sie völlig recht. Salzburg ist einer der teuersten Plätze, Herr Kollege Kickl! Aber gerade aus dieser Tatsache heraus müssen wir Wohnraum schaf­fen und haben die Gemeinnützigen speziell eine Aufgabe: Sie müssen die Nullzinspoli­tik auch weitergeben, und das ist nicht geschehen, auch nicht damals unter einer Lan­deshauptfrau Burgstaller. (Abg. Kickl: Da haben Sie recht!) Damals gab es keine Zweckbindung, sondern man hat mit dem Wohnbauförderungsbeitrag vielleicht den ORF oder den Krankenanstaltenverbund bezahlt. Diesbezüglich ist eine Zweckbindung notwendig gewesen, um eine Entlastung herbeizuführen.

Ich glaube, wir dürfen nicht hierherkommen und sagen: Das geht alles nicht! – Geht nicht gibt’s nicht! Wir müssen mit diesem Projekt beziehungsweise Konzept in eine Le­gislaturperiode hineingehen, klare Forderungen stellen, die Probleme der Menschen klar erkennen und uns fragen: Worum geht es uns? – Es geht um teure Mieten, den zu geringen Wohnbau, darum, dass zu wenig Wohnraum zur Verfügung steht. Das war immer schon ein Thema, das die Menschen in diesem Land belastet hat.

Das ist einer der wichtigen Punkte. Sie sollen nicht untereinander streiten, was in Wien geschieht, was die SPÖ macht und was die FPÖ macht, sondern Sie müssen die Pro­bleme erkennen. Bei aller Wertschätzung, Herr Kollege Jarolim: Wenn eh alles so su­per ist, warum brauchen wir dann eine Aktuelle Stunde? Ich habe das nicht verstan­den. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Jarolim: Sie müs­sen immer unterscheiden, was man selbst weiß und was die Menschen wissen! – Abg. Kickl: Gebt dem Jarolim Redezeit!)

10.13


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Cox. Ich erteile es ihr.


10.14.00

Abgeordnete Stephanie Cox, BA (JETZT): Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Wer meinen KollegIn­nen aufmerksam gelauscht hat, sieht, dass die Realität für viele, vor allem auch meiner AltersgenossInnen, bedeutet: steigende Mieten, überdurchschnittliche Konsumausga­ben fürs Wohnen im EU-Durchschnitt und eine unterdurchschnittliche Eigenheimquote im EU-Durchschnitt. Kurz gesagt: Der Wohnraum ist eine Gerechtigkeitsfrage.

Ebenso eine Gerechtigkeitsfrage in der heutigen Zeit sind faire Arbeitsbedingungen im digitalen Zeitalter, Bildungschancen für alle und der globale Klimaschutz. Diese The­men erfordern Mut. Diese Themen erfordern Lösungen, die über Parteigrenzen und über Landesgrenzen hinweg erfolgen und die natürlich auch generationen- und ge­schlechterübergreifend sind.

Nehmen wir die Klimagerechtigkeitsfrage her: Der Klimanotstand, den wir hoffentlich heute hier ausrufen, darf nicht eine Phrase bleiben. Hier brauchen wir Mut zur Tat und zu Investitionen, ich nenne als Beispiel den Green Climate Fund. Da müssen wir in­vestieren, denn das Klima kennt keine Landesgrenzen! (Beifall bei JETZT.)

Aber dazu bringe ich heute noch einen Antrag ein, und zwar im zweiten Akt meiner heutigen Abschiedsrede hier im Hohen Haus; ich brauche ein bisschen Platz für meine Abschiedsrede. Die Wehmut ist nämlich schon auch groß, und dafür brauche ich ein bisschen Platz. (Zwischenruf des Abg. Kickl.) – Herr Kickl, ich weiß nicht, ob ich Sie vermissen werde! (Ruf bei der FPÖ: Ein bisschen schon!) Ich bin mir nicht sicher. Aber


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ich glaube trotzdem – ich habe schon die Parteigrenzen und die anderen Meinungen angesprochen –, dass es wichtig ist, sich hier auf Augenhöhe zu treffen, auch beim Ab­schied.

Ich verlasse das Hohe Haus, weil ich meinen Platz im Moment im Unternehmertum se­he. Ich sehe dort im Moment meinen Platz, weil ich anpacken möchte, weil ich dort mit einer Leichtigkeit an Lösungen herangehe, die mir hier teilweise in den letzten zwei Jahren gefehlt hat. Ich kann sagen – auch für die Zuseherinnen und Zuseher –, ja, man ist auch nach der zigsten Rede noch immer nervös, wenn man hier steht, nicht nur wegen der Zurufe, die nett und manchmal weniger nett sind, aber man lernt, damit um­zugehen. Womit ich mir aber in den letzten zwei Jahren eher schwer getan habe – das wurde auch in den vielen Gesprächen, die außerhalb stattgefunden haben, bestätigt –, ist, wahrzunehmen, dass das Hohe Haus wirklich mit Ernsthaftigkeit an zukünftigen Lösungen arbeitet, denn den Problemen meiner Generation muss nämlich nicht nur quasi zugehört werden, sondern sie müssen wirklich ernst genommen werden, und es müssen hier tatsächlich auch ernsthafte Schritte gesetzt werden!

Aber die Hoffnung stirbt zuletzt. Die Hoffnung stirbt zuletzt, vor allem wenn ich hier ins Hohe Haus gehe und beim Reingehen an den Fridays-for-Future-AktivistInnen vorbei­gehe. Das sind Menschen, die einer Generation angehören, die nicht politikverdrossen ist. Wir sind nicht politikverdrossen. Wir lassen uns und diese Menschen lassen sich nicht stummschalten und kleinkriegen. Sie setzen auch ein Zeichen dafür, dass es nicht so weitergehen kann. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Der zweite Aspekt, der meine Hoffnung auch nicht sterben lässt, ist die zukünftige Re­gierung. Ich hoffe sehr, egal, aus welchen Parteien diese Regierung bestehen wird, dass diese mit Ernsthaftigkeit Lösungen für die zukünftigen Generationen baut. Das wird nämlich nicht nur in den Klimafragen, sondern auch dann, wenn wir von Gerech­tigkeit sprechen, und in vielen anderen Bereichen wichtig sein.

Der letzte Punkt: Die Hoffnung stirbt auch nicht zuletzt, wenn ich darüber nachdenke, dass andere nach mir hier Platz nehmen werden, vor allem junge Frauen und Men­schen von da draußen: Ihr solltet hier stehen! Eure Meinung ist gefragt! Eure Stimme ist gefragt! Wir brauchen euch hier im Hohen Haus! (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.) Ja, ich finde, wir können jetzt schon für die Leute applaudieren, die später hier stehen werden. Das ist auf jeden Fall ein guter Applaus. Damit die Gerechtigkeit auch für die zukünftigen Generationen gewährleistet ist, genau deswegen müsst ihr hier Platz nehmen und müssen die Anliegen, die im Rahmen von Fridays for Future geäu­ßert werden, nicht nur ernst genommen werden, sondern muss die nächste Regierung an Lösungen bauen und diese umsetzen.

Am 23. Oktober werde ich mich hier verabschieden – heute ist mein letzter Tag hier –, ich werde zu neuen Ufern wandern; das heißt für mich jetzt auch, den Wählerinnen und Wählern Danke zu sagen, die mir die Möglichkeit gegeben haben, in diesem Haus zu gestalten, in diesem Haus eine Stimme zu haben und auch zu lernen. Eine Lernkurve im Reagenzglas der Öffentlichkeit ist nicht immer easy, aber man lernt sehr viel.

Nun kommt auch mein Dank an die Kolleginnen und Kollegen. Das gilt fraktionsüber­greifend. Ich danke Niko, Sonja, Philip und Claudia. Es sind so viele im Haus, die mir in richtigen Momenten Zuspruch gegeben haben und die gemeinsam Projekte wirklich umgesetzt haben, Anfragen und Anträge mitgestaltet haben. Das ist wichtig in diesem Haus. Diese parteiübergreifende Arbeit ist essenziell. Danke dafür! (Beifall bei JETZT, bei Abgeordneten von ÖVP, SPÖ, FPÖ und NEOS sowie der Abg. Zadić.)

Ich möchte natürlich auch der Parlamentsdirektion und dem Parlamentsklub danken. Es gibt viele smarte Leute bei uns, unter den anderen Abgeordneten und meinen Kol­legen. Die Redezeit läuft ab, deswegen werde ich das ganz schnell machen: Renee


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und Peter, danke fürs Ermutigen zum Antreten. Ich danke meinen Freundinnen und Freunden da draußen und ganz stellvertretend Alma. Alma, du warst für mich mein partner in crime. Ich wünsche jedem von euch eine Alma. (Beifall bei JETZT, bei Ab­geordneten von SPÖ und NEOS sowie der Abg. Zadić.)

Es gibt noch viele Freunde da draußen, die wichtig sind, aber auch meine Familie, sie hat mich nicht für verrückt erklärt, als ich gesagt habe: Ich gehe in die Politik. Sie ha­ben mich sogar supportet. Daher sage ich auch Danke an meine Familie. Oma und Opa, ihr schaut gerade zu!

Last but not least vor allem auch Manuel – ich weiß, dass du irgendwo da oben (zur Galerie blickend) bist –, seit acht Jahren mein Fels in der Brandung: Danke für deinen Support, auch in diesen verrückten zwei Jahren!

Ich glaube, ich habe jetzt wohl allen Danke gesagt, sollte ich jemanden vergessen ha­ben, sage ich es ihm später noch. Zuletzt, bevor mich Herr Sobotka ermahnen wird, dass ich meinen letzten Satz sagen muss: Das ist auch eine - -


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Sie dürfen sich heute verabschieden.


Abgeordnete Stephanie Cox, BA (fortsetzend): Ich habe noch einen Antrag, den ich später einbringe. Ich bin mir nicht sicher (erheitert), ob Sie es nicht bereuen werden, dass Sie mir das sagen. Herr Sobotka hat gerade gesagt, ich kann mich verabschie­den. Ja, ich werde mich auch verabschieden. (Heiterkeit bei JETZT, SPÖ und NEOS.)

Lachen tut gut in diesem Haus, ich würde mir das öfters wünschen. Was ich mir in die­sem Haus auch öfters wünschen würde – ich finde, die Caritas sagt das so schön –: Tun ist größer als reden! (Die Rednerin hält eine Tafel mit der Aufschrift „Caritas&Du – tuan ˃ redn“ in die Höhe. – Beifall bei JETZT und NEOS sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich finde, die Caritas hat da nicht nur recht, sondern das ist etwas, das wirklich ganz nah bei meinem Herzen ist: Tun ist größer als reden!

Was auch noch größer als reden ist (die Rednerin hält eine Tafel mit der Aufschrift „Ca­ritas&Du – Wir ˃ Ich“ in die Höhe): Wir ist größer als ich! (Beifall bei JETZT und bei Ab­geordneten der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, ich würde mir wirklich wünschen, dass Sie sich das vielleicht in einer ruhigen Minute immer wieder vorsagen: Wir ist größer als ich! Wir ist größer als ich! Ich würde mir wünschen, dass Sie sich das unter den Kopfpolster legen, denn ich glaube, dass wir das auf jeden Fall in diesem Haus brau­chen, dass wir das in unserer Gesellschaft brauchen. Wenn ich nämlich von Gerechtig­keit spreche: Nur wenn wir uns das (die Tafeln erneut in die Höhe haltend) hier wirklich zu Herzen nehmen, nur dann kann es wirklich Gerechtigkeit in dieser Welt geben. Danke schön. (Beifall bei JETZT sowie bei Abgeordneten von ÖVP, SPÖ und NEOS.)

10.22


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich bedanke mich für die sehr persönlichen Worte des Abschieds. Wer weiß, wann Sie wiederkommen!

Es ist dazu niemand mehr zu Wort gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich darf mich beim Herrn Vizekanzler für sein Kommen bedanken.

10.22.33Aktuelle Europastunde


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur Aktuellen Europastunde, und ich begrüße dazu die Europaabgeordneten, so sie hier sind – ich habe die Abgeordne-


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ten Edtstadler, Schieder, Haider und Gamon schon gesehen –, in unserer Mitte. – Herz­lich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Der Titel der Aktuellen Europastunde lautet:

„Effektiver EU-Außengrenzschutz als Fundament eines geordneten Asylwesens“

Zu Wort gemeldet ist Klubobmann Kickl, 10 Minuten Redezeit. Herr Abgeordneter, bitte.


10.23.15

Abgeordneter Herbert Kickl (FPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Ich habe ja – und nicht nur ich, sondern wir alle, Frau Kollegin, haben noch –, ich sage es einmal so, die Worte der linken Verharmloser, die Be­schwichtigungsversuche der Linken in den Medien und in der Politik in den Ohren, die allesamt in eine einheitliche Richtung gegangen sind.

Überall hat es geheißen: Macht euch keine Sorgen, wir sind im gesamten Bereich der Asylproblematik längst über den Berg, dieses Thema ist abgelutscht, das braucht kein Mensch mehr, wir haben alles unter Kontrolle und eigentlich ist die große Entwarnung angesagt!

Wer etwas anderes behauptet hat – und sich dann vielleicht gleichzeitig noch gewei­gert hat, im Gegenzug in diese allumfassende Klimahysterie einzustimmen –, der war ein böser Angstmacher. Das war dann jemand, dem man gesagt hat, er ist ein übler Populist, und man hat ihn damit gleich mit allen möglichen rechtsextremen oder ande­ren demokratiegefährdenden Überlegungen in Verbindung gebracht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist die Propaganda, das ist das, was uns die linke Message Control mitteilen will. Das sind die Beruhigungspillen, die man an die Bevölkerung verteilt, aber die Wahrheit ist natürlich eine andere.

Schauen wir uns nur einmal die Großwetterlage im gesamten Asylbereich an: Ein Blick nach Griechenland genügt und man merkt, dass sich dort etwas zusammenbraut. Man könnte ja schon regelrecht davon ausgehen, dass es eine Art Einbahnfährdienst von der Türkei in Richtung Griechenland gibt. Die griechischen Inseln gehen über, und die Griechen tun das, was sie immer machen: Sie geben bei Druck nach, lassen die Leute von den Inseln aufs Festland, was zur Folge hat, dass diese Personen, die am Fest­land angekommen sind, nicht mehr in die Türkei zurückgebracht werden können, denn der Türkeideal gilt nur für Leute, die sich auf den Inseln befinden. Und weil die Grie­chen mit diesem Problem nicht fertigwerden, schicken sie die Leute, ohne sie zu re­gistrieren, in Richtung Balkan weiter und damit in Richtung Mitteleuropa.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich frage mich schön langsam schon, ob die Griechen die Richtigen sind, wenn es um die Frage des Schutzes der Schengenaußen­grenzen geht. Ich glaube, da sind Zweifel anzumelden. Möglicherweise sollte man die­se wichtige Aufgabe einem anderen Land übertragen, das da mit mehr Animo und mit mehr Leidenschaft ans Werk geht. Die Kroaten haben sich in diesem Zusammenhang bereits empfohlen. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Politik der Griechen führt dazu, dass Zehntausende in Bosnien sitzen, alle selbst­verständlich mit dem Ziel Österreich oder Deutschland, und jeden Tag kommen Hun­derte Neue nach Bosnien. Denken wir auch daran, dass wir natürlich auch in Italien seit der Linksverschiebung im Regierungsbereich eine Art Tag der offenen Tür von Montag bis Sonntag für Schlepperschiffe haben, die man verharmlosend als Rettungs­boote und als Rettungsschiffe bezeichnet!


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Auch in Österreich macht es sich bemerkbar, dass man von einer strengen Asylpolitik Stück für Stück abweicht, sowohl was konkrete Maßnahmen als auch was wichtige Symbole nach außen betrifft, und da steigt die Zahl der Aufgriffe. Gruppen werden auf­gegriffen, zehn Leute, zwölf Leute, 15 Leute, etwa in der Oststeiermark. Man fragt sich, was Afghanen in der Oststeiermark verloren haben. Man fragt sich, was Leute aus Bangladesch dazu bringt, in die Oststeiermark zu kommen. Man fragt sich, was Afrika­ner dort zu suchen haben. Es werden aber Gruppen aufgegriffen, und wenn Gruppen aufgegriffen werden, dann ist immer die organisierte Kriminalität am Werk, dann sind es immer Schlepperbanden, die da zuschlagen.

Wenn ich höre, dass vor wenigen Tagen in Oberösterreich, in Lambach, 80 Leute qua­si den Betrieb der Bahn kurzfristig außer Gefecht gesetzt haben, weil sie sich auf den Gleisen herumgetrieben haben, dann erinnert das an die dunklen Zeiten des Jah­res 2015, und das sind Entwicklungen, die wir alle nicht mehr haben wollen. (Beifall bei der FPÖ.)

All das zeigt uns, dass die EU von einem effektiven System des Außengrenzschutzes meilenweit entfernt ist, und sie ist meilenweit entfernt von einem geordneten Asylsys­tem. (Zwischenruf der Abg. Friedl.) Das ist nicht deshalb so, weil es die technischen Möglichkeiten dafür nicht gäbe, und das ist nicht deshalb so, weil das Geld dafür fehlen würde, sondern der Grund ist ein ganz, ganz anderer: Es ist deshalb so, weil es am politischen Willen der Handelnden scheitert, und da meine ich die Institutionen der Eu­ropäischen Union, egal ob es die Europäische Kommission oder das Europäische Par­lament ist, genauso wie maßgebliche Mitgliedstaaten der Europäischen Union, in de­nen nur allzu oft Leute das Sagen haben, die eigentlich Mitglieder der Europäischen Volkspartei sind. In unserem Land suggeriert man uns immer, dass man einen stren­gen Asylkurs haben will, auf europäischer Ebene ist es genau umgekehrt. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir haben diese üblen Zustände, weil es an politischem Willen fehlt. Die Grundsatzfra­ge ist eine ganz einfache: Was soll ein Außengrenzschutz, was soll ein Asylsystem leisten? Und da gibt es zwei Möglichkeiten:

Die eine Variante ist das australische Modell, das man in zwei Worten zusammenfas­sen kann: No way! – Das heißt eine ganz, ganz klare Botschaft an jeden, der sich, aus welchen Motiven auch immer, auf den Weg macht und vielleicht sein wirtschaftliches Glück versuchen, es sich persönlich verbessern will, aber keinen Anspruch auf irgend­einen Schutz hat. Keine Chance, versucht es erst gar nicht, ihr werdet zurückge­bracht! – Das ist das australische Modell, das klipp und klar sagt, dass auch das Wort Asyl nicht jedes Schloss sperrt und keine Eintrittskarte über jede Staatsgrenze hinweg ist. Das ist der freiheitliche Ansatz.

Dann gibt es die zweite Variante, und die lautet ganz anders, da ist das Motto: Regt euch nicht auf, Zuwanderung hat es eigentlich immer gegeben, schaut euch die ge­schichtlichen Entwicklungen an, das wird es immer geben, das nutzt uns in Wahrheit! Und damit das Ganze nicht so schlecht ausschaut, nennen wir das, was die Leute als Zuwanderung nicht haben wollen, Asyl (Zwischenruf des Abg. Klaus Uwe Feichtin­ger), hängen ihm ein Humanitätsmäntelchen um, tun ein wenig so, als ob wir die Per­sonen zählen – und damit kontrollieren – würden, aber in Wahrheit lassen wir die Din­ge passieren. – Das ist das Modell der Europäischen Union, des Europäischen Parla­ments, der Europäischen Kommission und leider auch jenes maßgeblicher Mitglied­staaten der Europäischen Union. In Malta haben wir jetzt wieder gesehen, was die Deutschen anrichten, wenn man sie lässt, weil wir jetzt, gegen den Willen der eigenen Bevölkerung, eine Rückkehr zum Verteilungsmechanismus haben. Das ist der falsche Weg, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)


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Wenn wir von einem effektiven Außengrenzschutz reden, dann reden wir von kon­kreten Abhaltemaßnahmen, dann reden wir von effektiven Grenzbefestigungen, dann rede ich selbstverständlich auch von einem Schutzzaun Modell Viktor Orbán und nicht Modell Werner Faymann – damit man weiß, was ich meine. (Heiterkeit bei der FPÖ.) Das ist es, was es braucht! (Beifall bei der FPÖ.)

Man soll nicht so tun, als ob das Mittelmeer eine besondere Problematik darstellen würde, weil da Leute mit Schiffen kommen können. Das Meer ist geradezu prädesti­niert dafür, einen entsprechenden Abwehrmechanismus aufzubauen – das kann man von den Australiern lernen –, man muss es nur wollen.

Ich habe auch kein Problem damit, den Begriff einer Festung Europa in den Mund zu nehmen, denn es ist mir wichtig, dass wir unsere Bevölkerung schützen. Der Schutz der eigenen Leute hat an erster Stelle zu stehen, der Schutz vor Leuten, die unter dem Deckmantel des Asyls eigentlich nur an unserem wirtschaftlichen Wohlstand partizipie­ren wollen, aber an unserem Wertesystem und an unserer Gesellschaftsordnung null Interesse haben und die leider allzu oft ein Sicherheitsrisiko sind. (Beifall bei der FPÖ.)

Abwehr ist etwas ganz anderes, als ein paar zusätzliche Polizisten – sollen es 20 000 oder 30 000 sein – in schönen neuen EU-Uniformen an die Außengrenzen zu stellen, die dann freundlich grüßen, die Leute fotografieren, einen Fingerabdruck nehmen und sie dann weiterschicken. Dann landen wir wieder im System der Umverteilung, dann landen wir wieder bei Milliardenkosten, dann landen wir wieder bei der Problematik, die Leute im Nachhinein außer Landes bringen zu wollen und zu müssen, was eine un­glaublich komplizierte Prozedur ist. Deswegen heißt geordnetes Asylsystem auch, dass ein Asylantrag spätestens an der Außengrenze zu stellen und auch dort darüber zu entscheiden ist. Alles andere ist der falsche Ansatz. (Beifall bei der FPÖ.)

Diejenigen, die aus dem Meer gefischt werden, und diejenigen, die jetzt wieder mit Schlepperbooten in Italien und sonst wo anlanden, sind umgehend dorthin zurückzu­bringen, wo sie das erste Mal ein Boot bestiegen haben.

Wir haben auf europäischer Ebene versucht, dieses Modell unter dem Namen Anlan­deplattformen voranzutreiben, innerhalb kürzester Zeit hat es aber die Europäische Kommission in Gestalt des zuständigen Kommissars Avramopoulos zusammenge­schossen. Es hat keine drei Wochen gebraucht, bis er dieses Projekt torpediert hat, weil er in Wahrheit Hand in Hand mit Juncker ein ganz, ganz anderes Modell der Zu­wanderung und des Asyls forciert.

Mittelfristig bedeuten ein geordnetes Asylsystem und ein strenger Schutz der Au­ßengrenzen, dass es überhaupt nicht mehr möglich sein kann, einen Asylantrag auf europäischem Boden zu stellen, außer man kommt aus einem Nachbarland. Anders wird es nicht funktionieren. Wir sind von sicheren Drittstaaten umgeben, und deswegen ist jede andere Form des Asyls ein Unding, wird uns über den Kopf wachsen und uns in Zukunft gefährden und überrumpeln.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Den Schlusssatz bitte!


Abgeordneter Herbert Kickl (fortsetzend): Meine sehr geehrten Damen und Herren, all das ist Zukunftsmusik. (Abg. Leichtfried: Redezeit!) Bis dahin ist es unsere Aufga­be, unsere eigenen Grenzen nach Maßgabe unserer Kräfte zu schützen, mit starkem Personal und mit entsprechenden Grenzbefestigungen, damit so etwas wie 2015 nie mehr passiert. Dazu muss man sich anlegen, dazu braucht es Mut. – Auf die Freiheit­liche Partei trifft beides zu. (Beifall bei der FPÖ.)

10.34


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist der Bundesminister für In­neres, den ich hier auch herzlich willkommen heiße. – Dr. Peschorn, ich erteile Ihnen das Wort.



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10.34.17

Bundesminister für Inneres Dr. Wolfgang Peschorn: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich stehe heute natürlich als Innenminister vor Ihnen, aber auch als Vertreter des Außen­ministers, und ich danke dafür, zu diesem sehr wichtigen Thema nun das Wort ergrei­fen zu können. Es ist ein wichtiges Thema, weil es für die Integrität der Europäischen Union von Bedeutung ist und eine zentrale Säule für die Zukunft der europäischen Ge­meinschaft darstellt.

Für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit in der Europäischen Union braucht es unserer Ansicht nach einen effektiven Außengrenzschutz, aber auch ein geordnetes Asylwesen und eine geordnete Migrationspolitik.

Klar ist, dass wir die Herausforderungen einer globalisierten Migrationspolitik in Europa nur gemeinsam lösen können, und auf eine gemeinsame Vorgangsweise haben wir uns in Europa bereits geeinigt, nämlich im Juni 2018. Damals ist vereinbart worden, dass wir für eine umfassende Migrationspolitik insbesondere eine effektive Kontrolle der EU-Außengrenzen benötigen, dass externe Maßnahmen wie Drittstaatenkoopera­tion notwendig sind und dass auch interne Maßnahmen in der Europäischen Union gesetzt werden müssen, die eine gemeinsame Asyl- und Migrationspolitik sicherstellen. Nur mit diesem integrierten Ansatz können wir eine gemeinsame Migrationspolitik in Europa sicherstellen und auch die Migrationsströme, über die wir reden, in den Griff bekommen.

Wie weit sind wir mit der Umsetzung dieser in Europa beschlossenen Maßnahmen? – Zunächst einmal ist hervorzuheben, dass die Reform von Frontex vorangeht, Öster­reich hat da entscheidend zum erfolgreichen Abschluss im April 2019 beigetragen. Durch die neue Verordnung, die beschlossen wurde und die Ende 2019 in Kraft treten soll, wird das Ziel verfolgt, dass Frontex die Mitgliedstaaten zukünftig noch besser un­terstützen kann, und zwar insbesondere beim Grenzschutz, in allen Phasen der Rück­führung sowie bei den Drittstaatenkooperationen.

Zentrales Element dabei ist, dass es eine ständige Reserve von 10 000 Einsatzkräften, also Personen, geben soll. Auch Drittstaaten, die nicht direkt an die Europäische Union angrenzen, kann Frontex nach dieser Reform nun beim Grenzschutz unterstützen. Diesbezüglich ist es notwendig, dass noch ergänzende Abkommen abgeschlossen werden. Das ist in Planung und hoffentlich alsbald auch in Umsetzung.

Damit ist aber noch nicht alles getan, es sind noch weitere Maßnahmen zur Stärkung des EU-Außengrenzschutzes in Umsetzung. So wurde beispielsweise die Rechts­grundlage für ein neues Ein- und Ausreisesystem für Drittstaatenangehörige geschaf­fen und ein Europäisches Reiseinformations- und Reisegenehmigungssystem imple­mentiert. Durch diese Maßnahmen soll eine verbesserte Kontrolle der Ein- und Ausrei­se von Drittstaatenangehörigen in die Europäische Union und aus der Europäischen Union sichergestellt werden.

Zudem werden EU-Datenbanken zu Migration, Grenzkontrolle und Kriminalitätsbe­kämpfung verknüpft, um eine bestmögliche Interoperabilität gewährleisten zu können. Damit wird die Absicht verfolgt, Informationslücken zu schließen und letztendlich auch sicherzustellen, dass Daten, über die man verfügt, in rechtskonformer Art und Weise verknüpft werden können, damit die Systeme letztendlich effizienter werden und damit auch der Mitteleinsatz gewährleistet ist.

Neben einem effektiven Außengrenzschutz bedarf es aber auch einer Reform des ge­meinsamen europäischen Asyl- und Migrationssystems. Die Verhandlungen zum zu­künftigen gemeinsamen Asylsystem laufen schon seit einiger Zeit und sind zuletzt, wie wir alle miterlebt haben, ins Stocken geraten. Die Mitgliedstaaten sind sich vor allem


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uneins, wenn es um die Frage der Zuständigkeit für Asylverfahren geht, und das ist die entscheidende Frage.

Aus österreichischer Perspektive sind folgende Eckpunkte klar und hervorzuheben: Wir brauchen ein System, das von allen Mitgliedstaaten mitgetragen wird. Wir brauchen Regeln, die akzeptiert und von allen Mitgliedstaaten auch eingehalten werden. In diese Richtung müssen wir in der Europäischen Union gemeinsame Gespräche führen und diese hoffentlich auch erfolgreich abschließen.

Wichtige Elemente einer effektiven europäischen Asyl- und Migrationspolitik sind aus meiner Sicht zudem die Reduktion von sogenannten Pullfaktoren, die Vermeidung von Sekundärmigration und eine konsequente Rückführungspolitik.

Die derzeit in der Union diskutierten Vorschläge zu einer gleichsam automatischen Verteilung von Asylsuchenden bergen hingegen Risiken. In diesem Sinne trägt ein au­tomatischer Verteilungsmechanismus nicht zu einer nachhaltigen Lösung, um die ich mich ganz besonders bemühen werde, bei. Es würden nämlich zusätzliche Pullfaktoren geschaffen und die Geschäftsmodelle der Schlepper, die meistens hochgradig kriminell vorgehen, gefördert werden. Nicht alle aus Seenot Geretteten sind schutzbedürftig im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention – natürlich schutzbedürftig im Sinne der Ret­tung des Lebens. Jeder Einzelfall muss genau und bereits an der Außengrenze geprüft werden. Dazu braucht es eben eine effiziente Verfahrensführung, klare Rechte und Pflichten für Asylwerber sowie effektive Konsequenzen bei Schlepperei und Asylmiss­brauch.

Österreich sollte sich daher für ein verpflichtendes Grenzverfahren aussprechen. Das Grenzverfahren sollte an den Außengrenzen stattfinden. Asylwerber sollten demgemäß an der EU-Außengrenze so lange verweilen, bis über ihren Asylstatus – rasch! – ent­schieden wurde. Natürlich brauchen die Staaten an den Außengrenzen die volle Un­terstützung der Europäischen Union, um diese Aufgabe auch leisten zu können. Ös­terreich ist bereit, diese Unterstützung mit Know-how und Experten zu leisten, und hat das bereits in der Vergangenheit bewiesen.

Die Drittstaatenkooperation ist natürlich auch ein wichtiger Bestandteil dieser Gesamt­maßnahmen. Migration und Grenzschutz sollten daher ein wesentlicher Bestandteil der Zusammenarbeit der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten mit den Partnern außerhalb Europas sein. Es muss uns gelingen, wirtschaftliche und politische Migra­tionsursachen nachhaltig zu bekämpfen.

Wie ist nun die Situation an den Migrationsrouten? – Da spreche ich primär als Innen­minister: Auf der westlichen Mittelmeerroute ist die Situation weitgehend stabil. Auf der sogenannten zentralen Mittelmeerroute gibt es seit Mai 2019 eine kontinuierliche Stei­gerung der Zahl der Ankünfte, allerdings auf niedrigem Niveau. Auf der östlichen Mittel­meerroute stellt sich die Situation jedoch gänzlich anders dar. Die volatile Situation in der Türkei sowie die Instabilität im Iran, in Syrien und in Afghanistan führen zu einem erhöhten Migrationsdruck in Griechenland. Dort gibt es steigende Ankunftszahlen.

Die Situation auf der Route zwischen dem östlichen Mittelmeer und dem Westbalkan ist daher durchaus als äußerst angespannt zu bezeichnen. Schätzungen zufolge halten sich in Griechenland derzeit rund 100 000 Asylsuchende beziehungsweise Migranten auf. Allein in Bosnien gab es heuer rund 20 000 Aufgriffe. Österreich engagiert sich da­her seit Monaten noch stärker am Westbalkan, weil die Situation am Westbalkan für uns natürlich besonders beobachtungswürdig und wichtig ist.

Aufgrund der Schlüsselfunktion der Westbalkanstaaten setzt sich Österreich aktiv für die Unterstützung dieser Länder ein. Ziel dabei sind die Heranführung an die EU-Si­cherheitsstandards sowie die Stärkung der Kapazitäten in den Bereichen Migrations­management, Rückführung und Grenzkontrollen. Es muss ein gemeinsames Anliegen


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aller Mitgliedstaaten der Europäischen Union sein, die Kontrolle über die Migrations­ströme vor Ort zu haben. Ziel muss es sein, den Migrationsdruck in dieser Region nachhaltig zu verringern, um künftigen Krisen vorzubeugen.

Dementsprechend findet ein intensiver Austausch mit unseren Partnern des Westbal­kans statt. Ich selbst habe in meiner Funktion als Innenminister bereits die Botschafter aus Bosnien-Herzegowina, Serbien und Nordmazedonien bei mir zu Besuch gehabt und auch mit dem slowenischen Innenminister ein intensives persönliches Gespräch in Slowenien geführt. Derzeit findet in Wien, in meinem Haus, auch ein hochrangig be­setztes Treffen griechischer Vertreter statt, in dessen Rahmen auch diese Frage aus­führlich thematisiert wird. (Abg. Kickl: Ui, mit den Griechen! Ui!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum Schluss möchte ich noch auf ein aus meiner Sicht für das Zusammenleben in Europa wichtiges Thema eingehen: Das ist die Frage der Geltung des Schengenraums, unserer Freizügigkeit und Reisefreiheit in Eu­ropa. Gerade da zeigt sich, dass unsere Regeln, die wir uns in Europa gegeben haben, derzeit nicht funktionieren. Die Mitgliedstaaten vertrauen sich wechselseitig nicht mehr und schaffen daher durch Grenzkontrollen neue Grenzen.

Es zeigt sich gerade da exemplarisch: Nur wenn wir es in der Europäischen Union schaffen, wieder zu gemeinsamen Regeln zu finden, die, wie ich eingangs gesagt ha­be, von allen Mitgliedstaaten akzeptiert werden und die damit wieder eine Grundlage für das Vertrauen aller Mitgliedstaaten untereinander sein können, werden wir es schaffen, wieder ohne Grenzkontrollen von einem Mitgliedstaat Europas zum anderen reisen zu können. Wir brauchen daher Regeln, die funktionieren, wir brauchen Regeln, die alle akzeptieren. In diese Richtung müssen wir aus meiner Sicht in Europa arbei­ten, und ich wünsche uns, dass wir diese Arbeit nicht nur alsbald beginnen, sondern sie auch beenden, und das erfolgreich. – Danke. (Beifall bei ÖVP, NEOS und JETZT sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

10.46


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Lopatka. Ab nun gilt die 5-Minuten-Regel. – Bitte.


10.46.41

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Herr Präsident! Herr Innenminister! Mei­ne sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, wir sind uns einig, dass es gut ist, dass sich die Europastunde der FPÖ heute mit dem wichtigen Thema „Effektiver EU-Außengrenzschutz als Fundament eines geordneten Asylwesens“ beschäftigt. Es war schließlich Sebastian Kurz, der schon sehr, sehr früh darauf hingewiesen hat (Abg. Plessl: Ah!), dass das der entscheidende Punkt für die Europäische Union ist. Wenn wir die Vorteile, die die Europäische Union hat, voll auskosten wollen – nämlich inner­halb der Europäischen Union freie und offene Grenzen zu haben –, brauchen wir als Grundvoraussetzung einen effektiven Außengrenzschutz.

Eines ist interessant: Da war ja Kollege Kickl – wie auch in anderen Bereichen – wieder einmal in der Vergangenheit, wenn er von Juncker gesprochen hat. (Abg. Kickl: Der hat’s ja zusammengeschossen!) Juncker ist Geschichte, von der Leyen ist die Zukunft der Europäischen Union (Abg. Kickl: Die ist ja genauso schlimm!), und sie sagt genau das, was Sebastian Kurz gesagt hat, ich zitiere sie: Wir brauchen starke EU-Außen­grenzen! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Steger. – Abg. Kickl: Nur heißt das nichts! Das heißt nichts! ... weiterwacheln!) – Kollege Kickl, da unterscheiden wir uns ja nicht (Ruf bei der FPÖ: Echt jetzt?!), aber genau darum geht es, dass sie da die richtigen Schwerpunkte gesetzt hat. Ich werde nachher noch auf ihre Grundsatzrede zurückkommen, die sie im Juli in Straßburg gehalten hat.


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Als Sebastian Kurz damit begonnen hat, diesen Paradigmenwechsel herbeizuführen, ist er im letzten Wahlkampf noch verhöhnt worden. (Abg. Steger: Sie wissen aber schon, dass Sebastian Kurz in der Regierung war, als geklatscht wurde am Westbahn­hof?!) Sie (in Richtung SPÖ) können sich vielleicht an den Namen Christian Kern noch erinnern, er war damals Ihr Spitzenkandidat. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.) Er hat gesagt: Der lückenlose Außengrenzschutz, Schließung der Mittelmeerroute – das ist ein „populistischer Vollholler“! – Das war damals seine Formulierung.

Meine Damen und Herren, genau das Gegenteil ist der Fall! Würden wir das nicht ma­chen, würden wir die Außengrenzen nicht schützen – das wäre ein Vollholler. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Matznetter.) Christian Kern haben Sie aber schon vergessen, nehme ich an. (Ruf bei der ÖVP: Zu Recht!)

Wir müssen alles tun, damit wir in der Sache – und da stimme ich ja mit Abgeordnetem Kickl überein – weiterkommen, denn der Druck auf Europa steigt, meine Damen und Herren! (Abg. Leichtfried: Da schau her! Weiß der Kurz das? – Zwischenruf der Abg. Steger.) Jetzt sind in Idlib in Syrien 4 Millionen Menschen direkt von den Kriegshand­lungen betroffen.

Wenn wir nach New York zur UN-Generalversammlung blicken, sehen wir, dass nicht New York im Mittelpunkt des Weltgeschehens steht, sondern es sind der Iran und Sau­di-Arabien und die Frage, wie es in den Golfstaaten weitergeht, wie es in dieser Region weitergeht. Die Kriegsgefahr steigt. Natürlich kommt der Druck auch von Afrika, auch im Zusammenhang mit dem Klimawandel (Abg. Kickl: Geh bitte!), und von Afghanis­tan: Auch da sind die USA leider gescheitert, mit den Taliban einen Friedensvertrag zu erreichen.

Der Druck auf Europa nimmt also nicht ab, der Druck nimmt zu. Es gibt aber auch schon deutliche Zeichen für Änderungen. Ich weiß nicht, ob Sie es mitverfolgt haben: Erstmals werden afrikanische Flüchtlinge von Libyen nicht mehr nach Europa weiterge­schickt, sondern Ruanda ist der erste Staat, der bereit ist, in einem ersten Schritt ein­mal 500 afrikanische Flüchtlinge aufzunehmen. (Abg. Kassegger: Ruanda?!) Der Re­gierungschef von Ruanda, Kagame, hat auch gesagt: Wenn das UN-Flüchtlingshoch­kommissariat und die Europäische Union die Vereinbarungen einhalten, ist er bereit, auch Tausende Flüchtlinge aufzunehmen.

Andererseits wiederum hat die deutsche Bundeskanzlerin zu Recht jetzt auch wieder mit der Türkei verhandelt, denn in der Türkei befinden sich zurzeit 3,6 Millionen Flücht­linge, und Erdoğan droht immer wieder, dass er diese auf die Reise – nämlich Richtung Europäische Union – schicken möchte. (Zwischenrufe der Abgeordneten Lueger und Matznetter.) Da müssen wir gewappnet sein, und die österreichische EU-Ratspräsi­dentschaft hat diesen Paradigmenwechsel, diese Trendwende erreicht. Es ist vorher schon vom Innenminister angesprochen worden: Nicht mehr die Flüchtlingsverteilung steht im Vordergrund (Abg. Kickl: Was tut denn dann der Seehofer auf Malta? – Zwi­schenruf der Abg. Steger), meine Damen und Herren, sondern der Schutz der EU-Au­ßengrenzen und die Stärkung der Grenzschutzagentur Frontex – ganz wichtig!

Wir müssen auch in Zukunft konsequent gegen das illegale Schlepperwesen vorgehen, die Anreize minimieren, Menschen auf diesen lebensgefährlichen Weg über das Mittel­meer zu schicken. (Zwischenruf des Abg. Plessl.) Es ist vom Innenminister angespro­chen worden: Der Wunsch nach einem besseren Leben ist kein Fluchtgrund nach der Genfer Flüchtlingskonvention, auch das muss man klar sagen. Das haben wir auch in unserem Wahlprogramm festgeschrieben, und nach dieser Prämisse werden wir auch in den nächsten Jahren unsere Politik ausrichten.

Abschließend darf ich Ihnen noch eines sagen, was ich zu Beginn schon gesagt habe.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Den Schlusssatz bitte!



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 45

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (fortsetzend): Mein Schlusssatz: Es stimmt mich positiv und optimistisch, dass die neue Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in ihrer Grundsatzrede festgehalten hat: Wir brauchen starke Außengrenzen! (Zwi­schenruf der Abg. Steger. – Abg. Hauser: Das hat sie schon als Verteidigungsminis­terin in Deutschland bewiesen, wie schwach sie ist!) In diesem Zusammenhang brau­chen wir eine gestärkte Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache. – Ge­nau das hat Sebastian Kurz schon vor Jahren gefordert. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Kickl: Aber haben tun wir sie nicht!)

10.52


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Leicht­fried. – Bitte.


10.52.22

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren! Als ich den Titel dieser Aktuellen Euro­pastunde das erste Mal gehört habe, habe ich mich gefragt: Was wird denn das jetzt? (Abg. Steger: Das haben wir uns gewünscht!) Wird vielleicht die Paartherapie, die ja von der FPÖ, wie man sieht, jetzt angestrebt wird, fortgesetzt? Eine Paartherapie im Hinblick auf die Ratspräsidentschaft? Ein Krisengespräch ob des Scheiterns, ob des spektakulären Scheiterns dieser Ratspräsidentschaft – denn diese ist wirklich, bei allem, was Sie sich vorgenommen haben, und auch bei diesem Thema, spektakulär gescheitert. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf bei der FPÖ.)

Sie haben nicht geliefert, geschätzte Damen und Herren von der ÖVP und von der FPÖ, Sie haben das, was Sie versprochen haben, nicht umgesetzt.

Herr Kickl, ich muss Ihnen sagen, Sie sind nicht nur als Innenminister spektakulär ge­scheitert, sondern auch während der Ratspräsidentschaft. Das haben Sie in Ihrem Sin­ne herausragend gelöst. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Kickl. – Abg. Kassegger: Da muss er selber lachen!)

Sie haben eine Aufstockung der Grenz- und Küstenwache Frontex ab 2020 verspro­chen. Ich kann mich gut erinnern. Das haben Sie hier herinnen ungefähr fünfzigmal wiederholt: Sofort Zehntausende Beamte mehr! Und wie viele sind es geworden? – Kein einziger. Das sind Ihre Versprechen, Herr Kickl, aber das reiht sich ja in die ande­ren Erfolge der Ibizakoalition ein. (Abg. Hauser: Wenn die sozialistischen europäi­schen Partner nicht mittun, wird es schwierig!) Sie haben in dieser Zeit Ihrer Ratspräsi­dentschaft auch kein einziges Rückführungsabkommen abgeschlossen. (Abg. Kickl: Dafür habe ich abgeschoben!) Jetzt regen Sie sich nicht auf, bleiben Sie ruhig! (Abg. Steger: Er informiert Sie nur!) An Ihrer Stelle, Herr Kickl, würde ich mich schämen, so eine Debatte in diesem Haus zu initiieren. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten von NEOS.)

Das ist ja nicht das Ende Ihrer kümmerlichen Bilanz, denn die Ibizakoalition ist auch anderswo spektakulär gescheitert. Selbstverständlich ist es notwendig – und da sind wir uns alle einig –, Fluchtursachen zu beseitigen, ja. Und was haben Sie gemacht? – Sie haben die Entwicklungshilfe zusammengestrichen und Sie haben alle anderen Gel­der, die da helfen können, auch zusammengestrichen. (Abg. Kassegger: Das stimmt ja nicht! – Abg. Hauser: Schon wieder eine ... Aussage!) Ja, es war Versagen, es war Ihr Versagen, es war Versagen des Parlamentsflüchtlings Kurz und es war Versagen des schlechtesten Innenministers aller Zeiten. (Abg. Steger: Faktencheck!) Dazu möchte ich Ihnen herzlich gratulieren. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Hauser.)

Geschätzte Damen und Herren! Es ist aber schon interessant, dass diese ehemalige Ibizakoalition zwei Gesichter hat – das ist wirklich bemerkenswert –, genau bei einer Frage, bei der man denkt, da gibt es keine zwei Gesichter, nämlich bei der Ausländer-


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frage. Für Sie, Herr Kickl, ist ja alles, was aus dem Ausland kommt, prinzipiell böse. Ich war erstaunt, dass Sie jetzt sogar schon wieder Grenzbefestigungen installieren wol­len – also so etwas wie einen Ostwall, schätze ich. Das haben wir schon lange nicht gehabt. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Bei Ostwall müsst ihr fast klatschen, oder? (Abg. Kickl: Was ist denn das? Erklären Sie uns das einmal! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Sie behaupten ja immer, dass Sie dagegen sind, dass Menschen zu uns kommen. Dann schauen wir uns einmal den Faktencheck an, was Sie wirklich gemacht haben. Gegen das, was Sie gemacht haben, hilft auch der beste Wall nichts, das muss man auch einmal klar sagen; denn was haben Sie wirklich gemacht? – Sie haben vorsätz­lich unglaublich viele Menschen aus Drittstaaten nach Österreich geholt, und das mit einem Ziel: hier bei uns Lohndumping zu betreiben, den Arbeitsmarkt unter Druck zu setzen. (Beifall bei der SPÖ. – Heiterkeit und Zwischenrufe bei der FPÖ.) 54 000 Men­schen haben Sie in Ihrer Regierungszeit nach Österreich geholt, um die österreichi­schen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unter Druck zu setzen. (Abg. Kasseg­ger: ... zehn Jahre in der EU! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Das ist Ihre Bilanz, Herr Kickl, darauf brauchen Sie aber nicht stolz zu sein! (Beifall bei der SPÖ.)

Die FPÖ hat gemeinsam mit Ihnen (in Richtung ÖVP) in der Ibizakoalition Weiterbil­dungsprogramme gekürzt, AMS-Mittel für die Fachkräfteausbildung gekürzt, die Ausbil­dungsgarantie gestrichen, Einkommensgrenzen für die Rot-Weiß-Rot-Karte hinunter­gesetzt. (Abg. Kickl: Der Rechtsruck der SPÖ! – Zwischenruf des Abg. Deimek.) Sie haben die Mangelberufsliste regionalisiert, Sie haben Fachkräfte aus Drittstaaten ange­worben und Sie haben die Arbeitsagentur der Europäischen Kommission bekämpft. Das ist Ihre – FPÖ und ÖVP – Bilanz in dieser Frage, und darauf brauchen Sie wirklich nicht stolz zu sein! Sie haben die österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh­mer wieder einmal verraten, und das ist Ihre Leistung! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Noll.)

Wir hingegen wollen die Rücknahme des 12-Stunden-Tages, den Rechtsanspruch auf die Vier-Tage-Woche, eine Verkürzung der Tagesarbeitszeiten, eine Beschäftigungs­garantie, einen Mindestlohn: Vollzeit 1 700 Euro. Das ist der wirkliche Schutz für die Österreicherinnen und Österreicher (Abg. Steger: ... EU-Thema!), das ist der Schutz für die österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Sie haben die Chance in Europa und in Österreich gehabt.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Den Schlusssatz bitte!


Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (fortsetzend): Am 29. September – Herr Präsi­dent, das ist mein Schlusssatz – wird Ihnen dafür eine bittere Rechnung präsentiert werden. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Zarits – erheitert –: 20 Prozent!)

10.57


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter zum Europäischen Parlament Roman Haider, der hier erneut wieder zu Gast ist. – Bitte.


10.57.51

Mitglied des Europäischen Parlaments Mag. Roman Haider (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ja, Kollege Leichtfried, was die SPÖ wirklich will, das hat sie uns ja in der vorletzten Regierungsperiode gezeigt, und dafür seid ihr auch zu Recht abgewählt worden. – So viel dazu, Kollege Leichtfried. (Beifall bei der FPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erinnern Sie sich an die Schlagzeilen der letzten zwei Wochen? – Ich habe mir einige herausgesucht: „Größte Massenankunft seit drei Jahren“, „500 Migranten kamen an nur einem Tag auf“ – der griechischen Insel – „Lesbos an“ (Zwischenruf der Abg. Greiner), „Athen


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bringt Flüchtlinge“ – von Lesbos – „auf das Festland“, Griechenland: „Innerhalb einer Stunde landen 13 Boote mit Migranten auf Lesbos an“, „Ausschreitungen in überfülltem Flüchtlingslager [...]“, „Leiter von überfülltem griechischem Flüchtlingslager tritt zurück“, „Aktivität auf der ‚Balkanroute‘ nimmt stark zu“, und so weiter und so fort. (Abg. Erasim: Ich habe gedacht, die ist geschlossen!) – Schlagzeilen von „Standard“, „Pres­se“, „Spiegel“, „Focus“, „Welt“ in den letzten zwei Wochen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP! Dämmert Ihnen langsam, was für ein Fehler es war, den besten Innenminister der Zweiten Republik abzuberufen? (Beifall bei der FPÖ. – Ah-Rufe bei der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Duzdar.) Dämmert Ihnen langsam, was für ein Schaden für diese Republik es war, Herbert Kickl völlig ohne Grund abzuberu­fen? Gerade jetzt würden wir Innenminister Herbert Kickl dringend brauchen. Gerade jetzt! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe der Abgeordneten Wittmann und Duzdar.)

Was passiert stattdessen? – Da treffen sich vier Innenminister auf Malta, und dann fällt denen nichts Absurderes ein als eine Lösung, die nur den Illegalen hilft, die nur den Schleppern und der Schleppermafia hilft. Meine Damen und Herren, da können wir die jungen Herren aus Afrika und Afghanistan auch gleich mit dem Ferienflieger nach Ös­terreich holen. – Gute Nacht, Europa!, fällt mir da nur ein. Gute Nacht! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Abg. Erasim.)

Apropos absurd: Frau Kollegin Rendi-Wagner findet es offensichtlich auch nicht der Rede wert, die Debatte zu diesem wichtigen Thema zu verfolgen, wie übrigens auch die gesamte erste Reihe der ÖVP vier Tage vor der Wahl. (Abg. Leichtfried: Na, der Herr Strasser ist da! – Abg. Plessl: Der Kollege Strasser sitzt aber in der ersten Rei­he!) – Kollege Leichtfried, vielleicht können Sie mir Auskunft darüber geben: Stimmt das wirklich, was der Grünen-Chef Werner Kogler im „Standard“-Interview zum Besten gegeben hat? (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Stimmt es, dass die SPÖ und Frau Klubob­frau Rendi-Wagner genauso wie Herr Kogler jeden vierten afrikanischen Bootsflücht­ling nach Österreich holen möchten? Stimmt das wirklich? (Abg. Kickl: Das traue ich ihr sofort zu! – Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Ja, ich traue es denen auch zu. (Präsi­dentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Von den Grünen erwartet man ja nichts anderes, das ist ohnehin die Partei der NGO-Schlepper und Willkommensklatscher. (Zwischenruf des Abg. Plessl.) Aber bei euch (in Richtung SPÖ) wundert mich - - Nein, es wundert mich eigentlich auch nicht, denn ihr seid ja auch diejenigen, die diesen Damen und Herren, die da kommen, gleich auch noch das Ausländerwahlrecht nachschmeißen möchten – wie übrigens auch die NEOS. (Beifall bei der FPÖ.)

Herbert Kickl hat schon recht, wenn er sagt, es braucht in diesem Land blaue Grenz­schützer (Zwischenruf des Abg. Wittmann) und nicht schwarz-grüne Grenzöffner (Bei­fall bei der FPÖ), sonst sehen wir wirklich schwarz und sagen: Gute Nacht, Öster­reich! – Da bekommt auch der Begriff grüne Grenze dann gleich eine ganz andere, ex­plosive Bedeutung. (Zwischenruf der Abg. Duzdar.) Darum sage ich es ganz deutlich: Solange dieses schwarz-rot-grün-pinke Machtkartell in Europa das Sagen hat, so lange wird es keinen effektiven Außengrenzschutz geben. Auf die Interessen der Bürger Eu­ropas wird eiskalt gepfiffen, und in dieser Realität der unkontrollierten Migration bleibt dem Bürger nur eine Möglichkeit des effektiven Widerstands: an der Wahlurne freiheit­lich wählen. (Beifall bei der FPÖ.)

11.02


Präsidentin Doris Bures: Als nächste Rednerin zu Wort gelangt das Mitglied des Europäischen Parlaments Frau Abgeordnete Claudia Gamon. – Bitte.


11.02.25

Mitglied des Europäischen Parlaments Claudia Gamon, MSc (WU) (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe BürgerInnen! Irgend-


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jemand muss aussprechen, was sich hier niemand auszusprechen traut: Es ist ganz klar, dass wir jetzt über Asyl und Außengrenzschutz reden und nicht über Spesen. Ab­lenken, ablenken, ablenken! – Genau das macht die FPÖ jetzt kurz vor der Wahl. (Bei­fall bei NEOS und SPÖ.)

Dieses Thema, der alte Wahlkampfschmäh: Jetzt tut man hier so, als wäre man sich beim Thema Außengrenzschutz nicht einig (Abg. Steger: Das ist natürlich kein Thema, vollkommen uninteressant, die Sicherheit!) – ein Thema! –, aber gerade das: effektiver, funktionierender Schutz der europäischen Außengrenze, eine funktionierende Kontrol­le, ist etwas, wo man sich überraschenderweise einmal von FPÖ bis zu den Grünen, glaube ich, einig ist. (Zwischenruf der Abg. Steger.) Doch auch dann, wenn man sich da einig ist – wir NEOS fordern das schon seit 2015 –, endet die Einigkeit genau hier. Die Uneinigkeit beginnt dort, wo die Realität ansetzt, wenn es nämlich darum geht, ein funktionierendes Asylsystem in Europa zu etablieren. Was es dafür braucht, ist euro­päische Zusammenarbeit, und genau da hört die Sprache der FPÖ und auch der ÖVP auf. (Beifall bei den NEOS.)

Ein Außengrenzschutz ist kein Zauberstab, er ist ein Instrument von vielen, das wir brauchen, um eine komplexe Herausforderung zu bewältigen. Was leistet er nämlich nicht? – Er ersetzt kein europäisches Asylwesen, er ersetzt kein europäisches Vertei­lungssystem und er ersetzt keine schnellen und transparenten Verfahren. Wer glaubt, man baut einen Zaun und das Thema globale Migration ist damit beendet, der irrt, hat keine Ahnung oder sitzt bei der FPÖ – und darüber müssen wir schon auch einmal reden. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten von JETZT.)

Wir NEOS haben schon oft Maßnahmen vorgelegt, die sich vollumfänglich mit dem Thema, den Auswirkungen und Lenkungsmaßnahmen im Bereich Migration und Flucht beschäftigen. Willkommen in der Vorlesung Konstruktive Politik! Es wäre super (in Richtung FPÖ), wenn Sie einmal zuhören würden (Abg. Steger: Oberlehrerhaft!), es gibt nämlich einige Punkte, die da dazugehören.

Erster Punkt: Europa muss seine Mittel aufstocken, um die Bekämpfung von Flucht- und Migrationsursachen wirklich anzugehen, und genau da hat die türkis-blaue Regie­rung in den letzten zwei Jahren vollkommen versagt. (Beifall bei den NEOS.) Es hat sich absolut gar nichts getan, die EZA-Mittel sind so niedrig wie seit 2004 nicht mehr.

Zweiter Punkt: Wir müssen Menschen auf den Hauptfluchtrouten Schutz bieten und ihnen auch die Möglichkeit eröffnen, dass sie schon dort die Möglichkeit einer freiwil­ligen Rückkehr haben – es gibt nämlich einige, die ohnehin zurückwollen. Die Interna­tionale Organisation für Migration macht das schon, aber sie braucht dafür mehr Mittel und Unterstützung. Das ist es, von dem immer gesprochen wird – nämlich an den Rou­ten zu arbeiten, dort den Menschen Potenziale zu eröffnen und die Migrationsursachen zu bekämpfen –, aber genau da tut sich absolut gar nichts.

Dritter Punkt: Es braucht eine zivile europäische Seenotrettung, die auch NGOs, die Rettungen vornehmen, miteinbindet, damit das auch so gestaltet werden kann, dass wir das Ziel erreichen, im Mittelmeer Menschenleben zu retten. Das muss in der Politik unser Ziel sein, vor allem in Europa. (Beifall bei den NEOS.)

Vierter Punkt: Für jene, die in Europa ankommen, braucht es ein europäisches Asyl­system. Auch ÖVP und FPÖ reden gerne darüber, was denn eine europäische Kompe­tenz sein soll und was nicht. (Zwischenruf der Abg. Steger.) Was liegt denn eher auf der Hand, als dieses Thema, das uns alle in Europa betrifft, zur europäischen Sache aller zu machen und das Problem auch europäisch zu lösen, damit es wirklich gelöst wird?

Es braucht an der europäischen Außengrenze Zentren, in denen ein erster Check pas­siert, damit jenen Menschen, die wirklich keine Chance auf Asyl haben, dort schon


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klargemacht wird, dass sie wahrscheinlich rückgeführt werden müssen. Für jene, die eine Chance auf Asyl haben, startet ein Verfahren, das transparent und schnell abge­wickelt wird, und sie werden auch in der Europäischen Union verteilt, denn wir sind eine Solidargemeinschaft. Wer also möchte, dass mit dem Problem oder der Heraus­forderung umgegangen wird, dass wir uns wirklich mit diesen Menschen beschäftigen, dass wir uns darum kümmern, Lösungen anzugehen, der setzt sich für ein europäi­sches Asylwesen ein. Das alles wären sinnvolle Maßnahmen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Für einen funktionierenden EU-Außengrenzschutz muss man eben auch etwas tun, man könnte sich zum Beispiel für die Erhöhung des EU-Budgets einsetzen, aber auch dazu hört man natürlich von FPÖ und ÖVP absolut gar nichts. Das ist nicht konstruktiv, das ist genau das Gegenteil. – Wer konstruktive Politik will, der sollte kurz nachdenken und dann pink wählen. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Deimek: Sie sollten in Brüssel besser aufpassen!)

11.07


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Peter Pilz. – Bitte.


11.07.22

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (JETZT): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Mir ge­genüber sitzt – das ist mir jedes Mal sehr recht – Ex-Innenminister Kickl. Ein Gericht nach dem anderen bestätigt mir – das Urteil ist aber noch nicht rechtskräftig; damit es kein Missverständnis gibt –, dass ich ihn als größte Gefahr für die öffentliche Sicherheit bezeichnen darf (Abg. Kickl: Das ist, weil Sie schon ein bisschen Narrenfreiheit haben, deswegen!), und dafür gibt es viele gute Gründe. Einer davon heißt Außengrenzschutz.

Erinnern wir uns: Im Jahr 2018 hatte Österreich im zweiten Halbjahr die EU-Ratspräsi­dentschaft inne, und zwei Mitglieder der Bundesregierung haben gesagt: Jetzt machen wir Österreich sicher! Nämlich Bundeskanzler Kurz und Innenminister Kickl. Sicher­heit hat geheißen, Frontex und den gemeinsamen Außengrenzschutz Europas mit 10 000 Polizeibeamtinnen und -beamten durchzusetzen. Was ist passiert? – Ein gro­ßer Teil der europäischen Innenminister und Innenministerinnen hat gesagt: Machen wir das! – Es hat dann aber eine kleine Gruppe, ein Netzwerk gegeben, das das ver­hindert und zu Fall gebracht hat. Es hat durchgesetzt, dass Frontex nicht 2020 starten kann, um die EU-Außengrenzen zu sichern, sondern dass dies auf 2027 verschoben wird. (Abg. Kickl: Herr Pilz, wo hätten Sie die Polizisten hergenommen? Erklären Sie mir das!) Einer der Köpfe dieses Netzwerks war der damalige Innenminister Herbert Kickl.

Ich frage mich jetzt, warum ein freiheitlicher Innenminister dafür sorgt, dass wir keinen gemeinsamen europäischen Grenzschutz haben und dass die europäischen Grenzen offen bleiben. Wahrscheinlich macht er das, weil er Sebastian Kurz glaubt, der als Bundeskanzler gesagt hat: Wir leisten so viel Hilfe vor Ort, dass ohnehin niemand mehr kommt.

Schauen wir uns die Kurz-Hilfe vor Ort an: World Food Programme: Deutschland: Nummer 2, 2018: 849 Millionen Euro, 2019: 618 Millionen Euro; Schweiz: 80 Millionen Euro, 62 Millionen Euro, Platz 15; Luxemburg, ein bisschen kleiner als Österreich: 11 Millionen Euro, 8 Millionen Euro, Platz 31. Direkt vor Österreich liegt auf Platz 40 Burkina Faso mit 21 Millionen Euro, und auf Platz 41 liegt Österreich: 2018: 1,8 Millio­nen Euro, 2019: 3,9 Millionen Euro. – Deutschland hat 2018 für Hilfe vor Ort 471-mal so viel ausgegeben wie Österreich.

Versuchen wir jetzt einmal, die 1,8 Millionen Euro in ein Verhältnis zu bringen. Was kostet noch 1,8 Millionen Euro? Wenn Sie zusammenzählen, was ein Innenminister Kickl, ein Verkehrsminister Hofer, ein Vizekanzler Strache – inklusive Spesenkonto von


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10 000 Euro pro Monat, das ja auch von Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern bezahlt wird – pro Jahr kosten, dann kommen wir ziemlich genau auf etwas mehr als diese 1,8 Millionen Euro. Und das sind politische Schwerpunkte! Für die Hungerhilfe im Aus­land geben wir genauso viel aus wie für die Hungerhilfe für Kickl, Hofer und Strache. Die Spesen und Gehälter von Kickl, Hofer und Strache sind genauso wichtig und ge­nauso teuer wie die Hilfe vor Ort. (Abg. Kickl: Also mit Ihnen mache ich immer noch ei­nen Spesenvergleich!) Da kann man sich wirklich nur noch an den Kopf greifen.

Zweiter Vergleich: Die Österreichische Volkspartei kassiert aus der öffentlichen Partei­enfinanzierung, Bund und Länder, pro Jahr ungefähr 60 Millionen Euro. Setzen Sie das in Verhältnis zur Hilfe vor Ort von 1,8 Millionen Euro! Für Hilfe für die ÖVP wird 33-mal so viel ausgegeben wie für Hilfe vor Ort dort, wo sich Millionen Flüchtlinge in Lagern drängen. (Beifall bei JETZT.)

Jetzt verrate ich Ihnen ein sicherheitspolitisches Geheimnis: Die Gefahr, dass die Spit­zen der ÖVP sich als Flüchtlingswelle auf Österreich zubewegen, ist relativ gering. Deswegen ist das in die Sicherheit schlecht investiertes Geld. In Lagern wie jenen in Jordanien, in denen immer wieder die Lebensmittel ausgehen, wo dann Deutschland, Luxemburg und Burkina Faso einspringen – und nicht Österreich –, ist diese Gefahr groß. Wenn wir diese Menschen hungern lassen, dann gehen sie dorthin, von wo sie sagen: Vielleicht haben wir dort eine Chance zu überleben, und das ist das reiche Europa! – Weil Sie, Herr Kickl, Sie, Herr Hofer, und Sie, meine Damen und Herren von der ÖVP, unter Führung von Sebastian Kurz einfach auf die Hilfe vor Ort pfeifen und die ganze Hilfe vor Ort ein einziger türkis-blauer Schwindel ist, kann es sein, dass sich Menschen wieder auf den Weg machen.


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter, Sie müssen den Schlusssatz formu­lieren.


Abgeordneter Dr. Peter Pilz (fortsetzend): Als Erster werde ich jetzt nicht erklären, wen man wählen soll, wenn man andere und bessere Zustände haben will, weil das jetzt eh klar ist. (Beifall bei JETZT. – Abg. Kickl: Auf Wiedersehen!)

11.13


Präsidentin Doris Bures: Nun ist Herr Abgeordneter Karl Mahrer zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.


11.13.08

Abgeordneter Karl Mahrer, BA (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundes­minister! Werte EU-Abgeordnete! Hohes Haus! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuse­her! „Was wir hier erleben, ist die größte Herausforderung für Europa in den nächsten Jahren.“ – Mit diesem Zitat zur Flüchtlingskrise – es stammt vom ehemaligen spani­schen Ministerpräsidenten Rajoy aus dem Jahr 2015 – erinnere ich Sie alle heute, ge­nau vier Jahre später, daran, dass diese Herausforderung weiterhin besteht, das wurde heute bereits eindrucksvoll dargestellt. Wir sind nicht am Ziel angelangt, und wir brau­chen jeden Tag neue Anstrengungen, um die Menschen, die sich auf den Weg ma­chen, zu schützen und um Europa zu schützen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich selbst, meine Damen und Herren, war – einige erinnern sich – als Vizepräsident der Wiener Polizei 2015 aktiv daran beteiligt, dafür zu sorgen, dass der Strom von Zehn­tausenden Menschen täglich ordnungspolizeilich bewältigt werden konnte und die Si­cherheit gewährleistet blieb. Trotzdem war für mich damals klar, dass eine derart un­kontrollierte Bewegung an den Grenzen in einem Rechtsstaat nie mehr passieren darf und dass es dafür politische Lösungen in Europa braucht. Deshalb ist es heute umso wichtiger, meine Damen und Herren, nicht dazu beizutragen, dass sich noch mehr Menschen auf den Weg machen, sich kriminellen Schleppern anvertrauen und auf dem Weg ihr Leben riskieren. Die derzeitige Diskussion über eine Umverteilung der aus


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Seenot Geretteten geht aus meiner Sicht definitiv in die falsche Richtung. (Beifall bei der ÖVP.)

Es geht nicht darum, meine Damen und Herren, über Verteilung zu diskutieren und zu verhandeln, wer wie viele Flüchtlinge aufnimmt oder aufzunehmen hat, denn innerhalb eines offenen Europas ist diese Maßnahme nicht nur ungenügend, sie ist auch unge­eignet. Es geht darum, unsere europäischen Außengrenzen zu schützen, und ebenso darum, die Personenfreizügigkeit innerhalb Europas zu gewährleisten.

Sebastian Kurz hat zwischen 2016 und 2019 – es wurde schon gesagt: gegen den Wi­derstand vieler in Österreich – in Europa einen klaren Meinungsumschwung herbeige­führt. Das betrifft erstens die klare Unterscheidung zwischen Asyl und Zuwanderung, zweitens den Weg weg von der Verteilung hin zu einem funktionierenden Schutz der europäischen Außengrenzen und drittens das Prinzip, Asylverfahren außerhalb Euro­pas durchzuführen. Viertens, Herr Abgeordneter Pilz, braucht es einen langfristig und nachhaltig wirksamen Plan für die Hilfe vor Ort. Da geht es nicht um die Verteilung von Geldmitteln nach dem Gießkannenprinzip, sondern um ein nachhaltig wirkendes Pro­jekt (Ruf bei der SPÖ: Ja, aber wo ist das? Wo ist das?), das auch mit dem Afrikagipfel im Dezember 2018 gestartet worden ist. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Kickl: Genau!)

Meine Damen und Herren, diese Forderungen von Sebastian Kurz haben die Europäi­sche Kommission und der Europäische Rat 2018 im Wesentlichen übernommen. Nur ist leider Gottes die operative Umsetzung dieser europäischen Projekte inzwischen ins Stocken geraten; das kann man besonders deutlich an der notwendigen Stärkung der Grenzschutzagentur Frontex erkennen. Die Aufstockung auf 10 000 Mitarbeiter bis 2027 – und da gehe ich durchaus konform – dauert viel zu lange. Frontex braucht auch auf Basis der Vereinbarungen vom April 2019 ein starkes Mandat für Rückführungen und Verhandlungen mit Drittstaaten. Generell brauchen wir natürlich mehr Mittel für Migration und Grenzmanagement, aber auch für die Intensivierung der politischen Zu­sammenarbeit mit den Herkunfts- und Transitländern.

Und jetzt bin ich beim Punkt: Ich bin überzeugt, der größte Nachteil der Abwahl der Bundesregierung durch SPÖ und FPÖ (Ruf bei der SPÖ: Falsch! – Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ) und damit der Nachteil für die Sicherheit Österreichs war, dass Sebas­tian Kurz nicht mehr in der Lage war, in der entscheidenden Phase der Neuaufstellung der Europäischen Union als Bundeskanzler die Verhandlungen für Österreich zu füh­ren. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Leichtfried: Na wer hat denn den Finanzkommissär gekriegt? Und warum ist der aus dem Parlament geflüchtet?)

Das ist dringend notwendig, denn trotz des Rückgangs der Asylzahlen (Zwischenruf des Abg. Klaus Uwe Feichtinger) sehen wir sehr deutlich eine bedenkliche Entwick­lung – sie ist heute bereits angesprochen worden.

Meine Damen und Herren! Zusammenfassend: Wir brauchen aus meiner Sicht ein Eu­ropa, das unkontrollierte Migration und das Sterben der Menschen auf dem Weg durch konsequente europäische Politik verhindert. Wir brauchen ein Europa, das schützt. Dazu brauchen wir aber auch eine starke Stimme aus Österreich in Europa – eine Stimme, die auf Probleme hinweist, ohne Angst zu machen (Zwischenruf der Abg. Yıl­maz – Abg. Klaus Uwe Feichtinger: Johannes Hahn!), eine Stimme, die für vernünf­tige und sachliche Lösungen - -


Präsidentin Doris Bures: Sie müssen jetzt den Schlusssatz formulieren, Herr Abge­ordneter.


Abgeordneter Karl Mahrer, BA (fortsetzend): Der Schlusssatz kommt sofort: Wir brau­chen eine Stimme aus Österreich, auf die Europa erwiesenermaßen hört, meine Da­men und Herren. Wir brauchen diese Stimme, daher brauchen wir wieder unseren Bun-


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deskanzler Sebastian Kurz. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Jarolim: Aber weil wir diese Stimme brauchen, darf es eben nicht Sebastian Kurz sein! Das schließt diese Stimme aus! – Ruf bei JETZT: Ausgezeichnetes Argument! – Zwischenruf der Abg. Duzdar.)

11.18


Präsidentin Doris Bures: Nun ist der Herr Abgeordnete des Europäischen Parla­ments Mag. Andreas Schieder zu Wort gemeldet. – Bitte.


11.18.58

Mitglied des Europäischen Parlaments Mag. Andreas Schieder (SPÖ): Frau Prä­sidentin! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Sehr ge­ehrte Damen und Herren vor den Fernsehbildschirmen! Was wir heute hier diskutieren, ist ja die Frage, wie Europa einen effektiven Außengrenzschutz organisieren kann, und da ist der Satz gefallen, dass Herbert Kickl der beste Innenminister der Zweiten Republik gewesen sei. (Beifall bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Schimanek: Ja! Ja! Ja!)

Man muss ganz ehrlich sagen, es schadet ja nicht, wenn man mit einem Scherz in die Parlamentsdebatte einsteigt, man muss aber sagen: Ihre Politik war der größte Bauch­fleck in der Geschichte der Zweiten Republik. So muss man das ehrlich gesagt sehen. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der FPÖ: Werʼs glaubt! Werʼs glaubt!)

Ich kann es Ihnen ja auch begründen, wenn Sie auch einmal einem Argument folgen wollen: Zum Beispiel hat man erkannt, dass es für den Außengrenzschutz mehr Leute braucht. Das Ziel bis 2020 war, 10 000 Leute für die Frontex-Einheit zu rekrutieren, damit man diesen Außengrenzschutz gut organisieren kann. (Abg. Steger: Was der Redner geredet hat ...!) Das ist aber dann auf 2027 verschoben worden, also ab heute gerechnet ist das in acht Jahren, dass das aufgestockt wird. Ich habe dann nachge­schaut, wer denn dafür verantwortlich war: Der Vorsitzende bei dieser EU-Entschei­dung war damals – während der österreichischen Ratspräsidentschaft 2018 – Innenmi­nister Herbert Kickl; er hat das auf 2027 verschoben. (Abg. Kickl: Aus gutem Grund!) Daher muss man sagen: Das ist Sand in die Augen streuen! Einerseits reden Sie so, aber was das Tun angeht, bringen Sie einfach nichts zusammen. Sie reden viel, aber haben am Schluss nichts getan. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Hauser.)

Was wir in Wahrheit brauchen, ist – und es ist heute eh schon angesprochen worden ‑: Wir brauchen einen Außengrenzschutz, wir brauchen ein einheitliches europäisches Asylsystem, wir brauchen eine Aufteilung der Menschen, die Asyl bekommen haben, auf alle Länder – da ist es übrigens bezeichnend, dass jetzt Italien, Malta, Deutschland und Frankreich endlich einmal einen Schritt vorangehen; das hätte ich mir eigentlich von einer engagierten österreichischen Politik erwartet –, und wir brauchen Hilfe vor Ort.

Apropos Hilfe vor Ort: Da wird dann immer dieser gerade vorhin von Kollegen Mahrer so vergötternd gepriesene Sebastian Kurz genannt. Der hat 2017 behauptet, er will die EZA-Mittel – also die Mittel für die österreichische Entwicklungszusammenarbeit, jene Mittel für die Hilfe vor Ort – verdoppeln. Die Wahrheit ist aber, dass die Mittel für die Hilfe vor Ort in seiner Kanzlerzeit halbiert wurden, nämlich von fast 890 Millionen Euro auf 400 Millionen Euro. So, sehr geehrte Damen und Herren, kann man es nämlich auch machen: Hier davon reden, vor Ort etwas tun zu wollen, aber dann, wenn man Sie ranlässt, zerstören Sie alles und kürzen es auf die Hälfte. So geht es wirklich nicht, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Da wir auch von Fluchtursachen reden: Eines dieser Fluchtthemen, das uns auch in Zukunft beschäftigen wird, ist der Klimawandel. Dazu hätte ich auch eine Frage an Sie, Herr Kickl, nämlich: Selbst wenn Menschen wie Sie und Ihre Partei nicht an den Kli­mawandel glauben, selbst wenn man so wie Ihre Partei den Klimawandel leugnet und


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selbst wenn man so wie Sie findet, dass 95 Prozent der Wissenschaftlerinnen und Wis­senschaftler vollkommen danebenliegen und sich irren, wenn sie sagen, dass da etwas Fundamentales mit dem Klima passiert: Was ist eigentlich schlecht daran, gemeinsam daran zu arbeiten, dass wir saubere Luft, sauberes Wasser, saubere Flüsse und sau­bere Seen haben, dass wir weniger Verschmutzung und eine bessere Gesundheit ha­ben? – Das ist nämlich letztlich der Kampf gegen den Klimawandel, wie er sich dann auf die Menschen auswirkt, und das, glaube ich, wäre trotz allem gut. (Beifall bei der SPÖ.)

Da das hier die letzte Sitzung vor der Nationalratswahl ist, stellt man sich ja auch ein bissel die Frage: Was bleibt jetzt über? Was bleibt eigentlich von der schwarz-blauen Asyl- und Kontrollpolitik über? – Außer Spesen nichts gewesen! (Beifall bei der SPÖ. Ruf bei der FPÖ: Der Schieder nicht! Abg. Kickl: ... Witz!)

11.23


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Petra Steger. – Bitte.


11.23.08

Abgeordnete Petra Steger (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich muss sagen, ich bin wirklich erstaunt (Ruf bei der SPÖ: Wir auch!), besser gesagt, fassungslos, weil Sie den Ernst der Lage anscheinend noch immer nicht kapiert haben. (Zwischenrufe bei der SPÖ sowie des Abg. Schell­horn.) Wir haben mittlerweile das Jahr 2019, und Sie machen immer noch genau die­selben Fehler wie 2015. Sie ignorieren nicht nur all unsere Warnungen, nein, Sie ignorieren auch alle Warnzeichen, die groß, rot blinkend in Ihr Gesicht schreien, dass wir unmittelbar vor der nächsten Migrationskrise stehen. Und das, sehr geehrte Damen und Herren, ist unverantwortlich! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich kann das nur so sagen: Sie haben anscheinend noch immer nichts gelernt und ver­harren – wie wir auch heute wieder gehört haben – lieber in ihrer anti-FPÖ-populisti­schen Dauerschleife. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.) Das ist das Einzige, was wir heute wahrgenommen haben. Um die Sicherheit in diesem Land kümmern Sie sich je­denfalls nicht, und da muss ich sagen: Es ist die zentrale und wichtigste Aufgabe eines Staates, für die Sicherheit in diesem Staat für die eigene Bevölkerung zu sorgen. Das beinhaltet auch den Schutz vor illegaler Migration, und genau da haben Sie, sehr ge­ehrte Damen und Herren von SPÖ, ÖVP und der linken Opposition, 2015 genauso wie die EU vollkommen versagt. (Beifall bei der FPÖ.)

2015 wurde eine komplett falsche Richtung eingeschlagen, eine Richtung hin zur un­kontrollierten Massenzuwanderung, hin zu einer Politik der „Türen auf für alle“, hin zu einer Politik, die vielleicht menschlich geklungen hat, im Endeffekt aber alles andere als menschlich war, die Schlepper unterstützt und zu Zigtausenden Toten im Mittel­meer geführt hat, hin zu einer Politik, durch die wir heute bei 4,6 Millionen Menschen, die gekommen sind, gar nicht wissen, wie viele Salafisten, Terroristen oder vielleicht nur Gefährder darunter waren. Und das ist auch Ihre Verantwortung, sehr geehrte Da­men und Herren!

Eines möchte ich auch sagen, Herr Kollege Schieder, weil Sie da immer wieder mit dem Märchen kommen, Herbert Kickl hätte die Aufstockung von Frontex verhindert: Das ist schlicht und ergreifend falsch! Ganz einfach deswegen, weil es nun mal Tatsa­che ist, dass man Beamte nicht so einfach aus dem Supermarktregal bekommt; nein, die müssen ausgebildet werden. Das ist Ihre Politik. Die Beamten aus Österreich oder aus anderen Ländern zu nehmen ist eine Loch-auf-Loch-zu-Politik, die es mit uns mit Sicherheit nicht geben wird. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Matznetter.)

Trotz allem, was damals vorgefallen ist, trotz all der Kosten und Schäden, die entstan­den sind und mit denen wir heute und noch viele weitere Jahre zu kämpfen haben, sind


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Sie noch immer nicht bereit, die notwendigen Schritte zu setzen. Das, sehr geehrte Damen und Herren, ist unverantwortliche Politik. Aber nicht nur Sie sind nicht bereit, die notwendigen Schritte zu setzen, auch die Europäische Union ist dazu nicht bereit. Die neue EU-Kommission ist noch nicht einmal im Amt und redet schon wieder von Flüchtlingsverteilung. Jeden Monat kommen wieder mehr und mehr Flüchtlinge in Eu­ropa an, die meisten seit 2016! (Abg. Bayr: Sind doch alle Routen geschlossen!) Ja (erheitert), schauen wir uns das einmal an! Gut, dass Sie das dazwischenrufen, weil da sind wir wieder bei der Verantwortung von damals. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.)

Wir haben noch immer keinen effektiven EU-Außengrenzschutz, doch anstatt sich da­rum zu kümmern, hat sich die Europäische Union 2016 lieber mit dem EU-Türkei-Deal absolut unverantwortlich in die Abhängigkeit der Türkei, in die eines Despoten bege­ben, der jetzt, weil er unter politischem und wirtschaftlichem Druck steht, versucht, die Europäische Union zu erpressen, um mehr Geld herauszubekommen. Das war auch die Verantwortung der europäischen Eliten, die Sie, sehr geehrte Damen und Herren, ständig unterstützen. (Beifall bei der FPÖ.)

Auf der einen Seite droht der EU-Türkei-Deal zu zerbrechen, und auf der anderen Seite sind Salvini und Kickl, die einzigen Kämpfer gegen die illegale Migration, nicht mehr im Amt. (Ah-Rufe bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Matznetter.) Natürlich greifen sich die Menschen in Europa bei diesen Zuständen in der Europäischen Union auf den Kopf. Wir haben in Malta gesehen, was passiert, kaum dass Salvini weg ist: Da hängen sich die zwei Wahlverlierer Deutschland und Frankreich wieder zusammen und reden mit der neuen italienischen Regierung darüber, wohin die Flüchtlinge verteilt werden. Wo ist der Umdenkprozess auf Ebene der Europäischen Union, den Sie hier versuchen zu verkaufen, sehr geehrte Damen und Herren?

Die Schlepper aller Länder reiben sich wieder die Hände, die Pullfaktoren werden wie­der verstärkt. Ich kann Ihnen jetzt schon versprechen: Wenn man bei der Wahl die Stimme der ÖVP gibt, dann wird am Schluss Schwarz-Grün, Schwarz-Pink oder sonst irgendetwas herauskommen und dann wird diese unverantwortliche Politik der offenen Grenzen und der Flüchtlingsverteilung weitergeführt werden. Das ist die Prognose, die Österreich bevorsteht! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Schellhorn.)

In diesem Zusammenhang möchte ich auch noch sagen, wie unglaubwürdig da die ÖVP in ihrer Politik ist. Sie sagen das eine, reden von Außengrenzschutz, reden gegen Flüchtlingsverteilungspolitik, unterstützen aber gerade diese europäischen Kräfte, die von der Leyens und Merkels und wen es sonst noch auf Ebene der Europäischen Uni­on gibt, die genau das die ganze Zeit fordern. Erklären Sie das einmal: Wie passt das Ganze zusammen, dass Sie auf der einen Seite unser Programm kopieren und auf der anderen Seite nicht nur Herbert Kickl aus der Regierung geschmissen haben, sondern auch noch alle sinnvollen Maßnahmen wieder rückgängig gemacht haben, für die er sich eingesetzt hat?

Sehr geehrte Damen und Herren, zusammengefasst kann ich nur noch sagen: Diese Wahl ist mehr als nur irgendeine Wahl. Es zeigt sich, diese Wahl ist auch eine Ent­scheidungswahl für die Sicherheit in diesem Land, und die kann nur mit einer Stimme für die FPÖ gewährleistet werden. (Beifall und Bravorufe bei der FPÖ.)

11.28


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Nikolaus Scherak. – Bitte. (Abg. Kickl: Vielleicht kauft uns der Haselsteiner ein paar Beamte!)


11.28.53

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Frau Präsidentin! Herr Bundesmi­nister! Das ist ein einigermaßen skurriles Schauspiel, das wir hier erleben müssen. Es


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stellen sich der ehemalige Innenminister dieser Republik und der Europasprecher sei­nes ehemaligen Koalitionspartners hierher und versuchen sich darin zu überbieten, wer mehr gefordert hat. Ich sage Ihnen etwas: Wenn Sie einmal in der Regierung waren – und das waren Sie ja bis vor Kurzem –, ist es vollkommen irrelevant, was Sie gefordert haben. Es geht darum, was Sie getan haben, und das ist das große Problem, dass nichts weitergegangen ist. (Beifall bei den NEOS. Abg. Kickl: Das war genug, es ist genug passiert, was Sie aufgeregt hat, oder?)

Herr Klubobmann Kickl, ich glaube ja, dass wir beim Außengrenzschutz keine Mei­nungsverschiedenheiten haben, denn es ist klar, wenn ich die europäische Außen­grenze nicht schütze, dann werde ich das nicht hinkriegen. (Abg. Kickl: Aber was heißt schützen?) Und es ist auch klar, Herr Klubobmann Kickl, dass das die ultimative Sache ist, die eben nicht nationalstaatlich funktionieren kann, denn wenn wir gemeinsam wol­len, dass die Außengrenze geschützt wird, dann werden wir das auch gemeinsam ma­chen müssen. (Beifall bei den NEOS. Abg. Kickl: Aber was heißt schützen?)

Was man aber ein bissel erkennt an dem, was Sie heute gesagt haben, ist das Phä­nomen: Da gehen Regierungsmitglieder hin, fordern sehr viel und sind dann offensicht­lich entweder nicht fähig, sich auf europäischer Ebene durchzusetzen, oder sie schaf­fen es ganz einfach nicht.

Sie haben eine sehr interessante Sache gesagt. Da sind wir teilweise unterschiedlicher Meinung, das australische Modell, das Sie propagieren, ist nicht meines, aber Sie ha­ben einen ganz essenziellen Satz gesagt. Sie haben gesagt, es ist ja eigentlich nicht so wichtig, wie viele Leute da an einer Außengrenze sind. Na bitte, was denn sonst?! Wer soll denn die Außengrenzen schützen außer Grenzbeamte? Wie stellen Sie sich das sonst vor?

Die relevante Frage ist: Wie viele Grenzbeamtinnen und Grenzbeamte kriegen wir an die Außengrenze und wie können die dort die Grenzen schützen? (Beifall bei den NEOS. Abg. Kickl: Die relevante Frage ist, was sie tun dürfen! Da liegt das Pro­blem!) Es ist auch eine relevante Frage, was sie tun dürfen, aber wir müssen doch zuerst einmal Menschen hinbringen.

So, und da komme ich zu Ihrer Regierungsbeteiligung und zu dem, was Sie als Innen­minister geschafft haben, wir haben es schon gehört: Sie haben ursprünglich – ich glaube, Sebastian Kurz war es – 10 000 Grenzbeamte, 10 000 Grenzschützer bis 2020 an den EU-Außengrenzen gefordert. Frau Kollegin Steger hat uns gerade erklärt – das haben Sie, glaube ich, auch einmal gesagt –: Beamte gibt es ja nicht im Supermarkt. Der Außengrenzschutz war Ihr wesentliches Thema über die gesamte Ratspräsident­schaft. Sie haben ursprünglich 10 000 Grenzbeamte bis 2020 gefordert, dann am Ende haben Sie gesagt: Ui, 10 000 Grenzbeamte, das sprengt die Grenze des Machbaren!, und dann haben Sie gesagt: Ja, vielleicht schaffen wir 5 000 bis 2025!

Herr Klubobmann Kickl, wir leben auf einem Kontinent, auf dem 512 Millionen Men­schen leben. Wenn Sie nicht fähig sind, 10 000 Leute innerhalb eines Jahres auszubil­den und dort an die Grenze zu bringen, dann überlegen Sie sich vielleicht wirklich ernsthaft noch einmal, ob das, was Sie in der Regierung gesagt haben, sinnvoll war oder ob Sie nicht besser etwas Sinnvolles getan hätten. (Beifall bei den NEOS. – Zwi­schenruf der Abg. Steger.)

Frau Kollegin Steger, natürlich gibt es keine Beamten im Supermarkt, und natürlich muss man die ausbilden, aber: Wie lange wollen Sie einen Beamten ausbilden? Sechs Jahre? Sechs Jahre Ausbildung für einen Außengrenzschutz? (Zwischenruf der Abg. Steger.) Das ist einigermaßen skurril.

Wir sind draufgekommen, dass es eine wesentliche Problematik dabei gibt: Sie haben eine Regierung gehabt – zu nennen ist da insbesondere der Herr Innenminister –, die


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zuerst einmal Probleme adressiert hat. Das ist ja etwas, was Ihnen unbenommen ist. Die Frage ist, wie man mit den Problemen umgeht; ob man die Probleme lösen will oder ob man es wie Sie macht: sie bewusst aufrechtzuerhalten, weil Sie mit diesen Problemen Politik machen. Sie waren nicht einmal fähig, sich auf europäischer Ebene durchzusetzen, dass wir 10 000 Grenzbeamtinnen und Grenzbeamte an die europäi­schen Außengrenzen bringen (Abg. Kickl: Aber Sie waren keine besondere Unterstüt­zung, Herr Scherak!), und wenn Sie das nicht schaffen, dann werden Sie es offensicht­lich nicht zustande bringen. (Beifall bei den NEOS. Abg. Steger: ... Ratspräsident­schaft ...!)

Dann stellt sich noch die Frage, Herr Klubobmann Kickl, was man auf österreichischer Ebene machen kann. Jetzt kann man sagen, Sie haben sich auf europäischer Ebene nicht durchsetzen können, aber zumindest den österreichischen Beitrag könnte man ja leisten. Wir haben Sie gefragt, was Sie denn da vorhaben, um in Österreich Leute zu rekrutieren, auszubilden; Österreich muss bis 2027 ja 200 zusätzliche Leute beisteu­ern. Wir haben gefragt: Was macht Österreich jetzt? – Sie haben uns 2019 geantwor­tet: Wir haben eigentlich keine Änderungen vorgesehen, wir sind eigentlich nicht bereit, Leute zu rekrutieren, auszubilden, um die Außengrenze zu schützen. (Abg. Kickl: Ha­ben Sie übersehen, dass das die größte Rekrutierungsinitiative war? Sie sind nicht ganz auf dem Laufenden! Das ist unglaublich!) Ja, wenn Sie es als Innenminister noch nicht einmal in Österreich selbst schaffen, die Leute zu rekrutieren, wenn Sie nicht ein­mal das zustande bringen, dann sind Sie grundsätzlich nicht geeignet für Ihr Amt. (Bei­fall bei den NEOS.)

Die große Frage ist, wen Sie dann am Schluss damit überzeugen wollten. Wollten Sie sich selbst davon überzeugen, dass wir beim Außengrenzschutz etwas machen müs­sen? Sie haben es offensichtlich nicht geschafft. Das ist ja wohl der wesentliche Punkt, an dem man merkt, dass Sie in der Regierung offensichtlich das, was Sie einfordern, selbst nicht zustande gebracht haben.

Herr Klubobmann Kickl, die wesentlichen Fragen muss man auf europäischer Ebene lösen. Das Problem des Außengrenzschutzes müssen wir auf europäischer Ebene lö­sen, da sind wir uns einig. Wenn Sie es aber nicht schaffen, 200 Menschen in Öster­reich zu finden, die sich dazu bereit erklären, diese Ausbildung durchzumachen und den Außengrenzschutz gemeinsam mit den europäischen Partnern zu gewährleisten, dann zeigt das nur, wie schlecht die letzte Regierung war, dass Sie da nichts weiterge­bracht haben, dann zeigt das, dass Sie Probleme nur aufrechterhalten wollen.

Ich sage Ihnen: Ich würde diese Probleme gerne lösen, und um diese Probleme, diese Herausforderungen zu lösen, braucht es ein gemeinsames, starkes und handlungsfä­higes Europa und nicht Ihre nationalstaatliche Schrebergartenmentalität, die Sie an den Tag legen. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Kickl – in Richtung des sich zu seinem Sitzplatz begebenden Abg. Scherak –: Vielleicht kauft uns der Haselsteiner 200 Beam­te! – Abg. Scherak: Ja, sagen Sie ihm das! – Abg. Meinl-Reisinger – in Richtung Abg. Kickl –: Immer, wenn er nicht weiterweiß, kommt er mit dem Haselsteiner!)

11.33


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag.a Karoline Edt­stadler. – Bitte.


11.34.05

Mitglied des Europäischen Parlaments Mag. Karoline Edtstadler (ÖVP): Frau Prä­sidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Ich war 14 Jahre alt, als Österreich der Europäischen Union beigetreten ist. Ich gehöre daher zu einer europäischen Generation, für die die Vorteile der Euro­päischen Union zur Selbstverständlichkeit geworden sind. Jetzt gilt es mehr denn je,


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zusammenzurücken, um die großen Zukunftsfragen zu lösen. Darunter fallen für mich der Klimaschutz, die Herausforderungen bei der Digitalisierung, die Sicherheit, die Mi­grationsfrage und als ein Teil davon natürlich auch das heutige Thema der Aktuellen Europastunde.

Ich stehe hier für eine konsequente Linie bei der Migrationsfrage. Nicht umsonst war das Motto der österreichischen Ratspräsidentschaft „Ein Europa, das schützt“, das ak­tueller denn je ist. Mit der neuen Kommission haben wir die Chance, einen Neustart in der Migrationspolitik zu machen. Der Mission letter der Kommissionspräsidentin an die Innenkommissarin gibt ganz klare Ziele vor: den Außengrenzschutz mit einem ge­stärkten Mandat von Frontex auszustatten, die raschere Aufstockung der Frontex-Beamten auf 10 000, den Kampf gegen die Schlepper zu forcieren und schließlich eine Schließung der Lücken zwischen Asyl und Rückführung und anderes mehr. Die Kom­missionspräsidentin ist dabei zu unterstützen, denn wir müssen endlich weg von der Debatte über die Zwangsverteilung von Asylwerbern. Das ist weder sinnvoll, noch bringt es uns weiter. (Beifall bei der ÖVP. Abg. Kickl: Weiß das der Seehofer auch?) – Ja.

Der Gipfel in Malta am Montag hatte aber offenbar genau das zum Ziel, einen Vertei­lungsschlüssel zu suchen, und das, meine Damen und Herren, ist der falsche Weg. Das löst das Problem nicht, das bekämpft die Fluchtursachen nicht, sondern –ganz im Gegenteil – es führt die Menschen in ein Dilemma. Damit befördern wir erneut das Schlepperwesen, wir schüren Hoffnungen bei denen, die auf der nachvollziehbaren Suche nach einem besseren Leben sind und sich aufmachen zu Überfahrten, die viel zu oft tödlich enden.

Wir dürfen uns in dieser Frage aber auch nicht in gute und in schlechte Mitgliedstaaten spalten lassen. Wir müssen uns darüber im Klaren sein, welche Zeichen, welches Sig­nal wir nach außen senden, und das bedeutet, dass in diesem Modell die Seenotret­tung noch immer das Ticket nach Europa ist. Im überwiegenden Teil der Fälle gehen diese Asylverfahren negativ aus und führen erst recht zu einer Rückführung in die Her­kunftsstaaten.

Es braucht vielmehr ein System basierend auf dem Prinzip der verpflichtenden Soli­darität und der gemeinsamen Verantwortung. Ausnahmslos jeder Mitgliedstaat muss einen Beitrag leisten; dieser kann aus humanitärer Hilfe, aus der Entsendung von Be­amten für Frontex oder auch aus finanzieller Unterstützung bestehen. Österreich hat mit der Aufnahme von Asylwerbern jedenfalls einen sehr großen Beitrag geleistet. Auch wenn die Zahlen rückläufig sind, die Herausforderung liegt immer noch in der Be­wältigung sehr vieler Verfahren, in den oft schwierigen Rückführungen und auch in der Integration derer, die einen Asylgrund haben und selbstverständlich von uns Schutz bekommen. (Zwischenruf der Abg. Kucharowits.)

Natürlich müssen wir die Mitgliedstaaten direkt am Mittelmeer unterstützen, und na­türlich ist es unsere menschliche Pflicht, Menschen vor dem Ertrinken im Mittelmeer zu retten und eine ordentliche Erstversorgung sicherzustellen. Wir müssen aber noch viel mehr tun als das. Wir müssen endlich verhindern, dass Menschen überhaupt auf der­artig wacklige Boote steigen. Wir können illegale Migration nur bekämpfen und damit auch das Sterben im Mittelmeer eindämmen, indem Gerettete nicht davon ausgehen können, dass das der direkte Weg nach Europa ist. Dadurch entfallen dann auch die Anreize für die Schlepper. (Beifall bei der ÖVP.)

Ein positives Beispiel ist Ägypten. Seit 2016 rettet die ägyptische Küstenwache dort Menschen aus der Seenot und stellt sie zurück nach Ägypten. Daher macht sich von dort aus fast niemand mehr auf den Weg. Das Beispiel zeigt, wie wichtig und wie gut Kooperation mit Drittstaaten funktionieren kann, und diese gilt es auszubauen. Weiters ist aber auch die Schaffung von wirtschaftlichen Perspektiven in Afrika wichtig, und genau das war das Ziel des EU-Afrika-Forums im Dezember 2018.


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Wenn es aber um Menschen geht, die tatsächlich einen Asylgrund haben, dann kann die Antwort nur Resettlement-Programme lauten, damit die Hilfe und die Unterstützung nämlich bei denen ankommen, die sie tatsächlich brauchen. Diese Menschen wissen zum Zeitpunkt ihrer Ankunft in Europa auch, dass sie tatsächlich bleiben können, was eine ganz andere Basis für Integrationsmaßnahmen ist. Sebastian Kurz hat die Trend­wende bereits im Jahr 2018 auch auf europäischer Ebene eingeleitet. Jetzt gilt es, die zukünftige Kommissionspräsidentin und auch die Innenkommissarin darin zu unterstüt­zen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir brauchen endlich eine tragfähige europäi­sche Lösung für die Migrationsfrage. Die Antwort kann ohne Zweifel nur in einer ge­meinsamen Verantwortung liegen und nur durch gemeinsame Anstrengungen auch durchgeführt werden. Dafür werde ich mich mit meinen Kolleginnen und Kollegen im Europäischen Parlament einsetzen, und das wird ein wesentliches Schwerpunktthema der neuen, kommenden Legislaturperiode sein. Es wird herausfordernd, aber die Sa­che ist lösbar. Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Dönmez.)

11.39


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Angela Lueger. – Bitte.


11.39.42

Abgeordnete Angela Lueger (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Edtstadler, ich kann Ihre Worte, die Sie jetzt gesagt haben, nämlich dass Sie sich dafür einsetzen werden, dass wir auf europäischer Ebene eine Lösung finden, sehr wohl unterstützen, verstehe dann aber nicht, warum ein Herr Kurz ständig eine andere Politik fährt. Das lässt sich nicht vereinbaren. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Kollege Mahrer, wenn Sie jetzt noch fünf Mal in jeder Rede sagen, die SPÖ hätte die letzte Regierung gesprengt, dann möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, dass es damals Bundesminister Kurz war, der die Regierungszusammenarbeit aufgelöst hat. Und Sie können es noch öfter sagen – wie Sie wollen –, es wird dadurch nicht richtiger. (Beifall bei der SPÖ.)

Schauen wir uns die europäischen Zahlen mit all den Themen, die Sie uns immer vor­gegeben haben, an! Wie oft wurde die Mittelmeerroute geschlossen? Wie oft ist etwas durch einen Grenzzaun passiert? Es gibt durch die Zusammenarbeit auf der westlichen Mittelmeerroute einen Rückgang – Gott sei Dank! – von 47 Prozent. Es gibt auf der zentralen Mittelmeerroute einen Rückgang von 73 Prozent. Es gibt auf der östlichen Landroute einen Rückgang von 22 Prozent.

Ja, Herr Minister, ich gebe Ihnen recht, es gibt noch ein Problem von der türkischen Seite her, wo wir einen Anstieg haben und wo man die Türkei nicht so vor den Kopf stoßen darf, dass man sagt, man bricht die Verhandlungen ab, denn sonst werden sich dort 3,6 Millionen Menschen, die vor Krieg und nicht, weil sie sich ihr Leben verbessern wollten, geflüchtet sind, auf den Weg nach Europa machen.

Schauen wir uns an – Sie haben es auch schon in Ihren Reden erwähnt –: Was macht Griechenland? Wie soll Griechenland alleine sämtliche Inseln entlang der Grenze schützen können, wenn jetzt wieder 800 Migrantinnen und Migranten auf Lesbos, Samos, Chios und Leros angekommen sind und man dort ganz einfach überfordert ist, weil dort schon viele in den Lagern sind? Und was macht die österreichische Regie­rung? – Gar nichts! Gar nichts! Und ich sage Ihnen eines: Sie haben das Riesenglück, dass Österreich im Herzen Europas liegt, dass wir nicht an einer Küste sind, sonst hätten wir das Problem, und das lässt sich nicht verschieben, wenn wir in Österreich


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die Grenzen hochziehen, wenn wir ein geeintes Europa wollen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Kickl: Ja, dafür haben wir den Transit, Frau Lueger, im Herzen Europas!)

Um noch einmal auf das Thema Frontex und auf die Aufstockung von Frontex zu­rückzukommen: Es gibt eine Anfragebeantwortung von Ihnen, Herr Kickl, und diese Anfragebeantwortung sagt alles andere als das, was Sie hier behaupten, aus. Im Jahr 2014 haben wir 94 EinsatzbeamtInnen zu Frontex entsendet. Wir wissen genau, dass das Menschen sind, die sich auch freiwillig dazu bereiterklären müssen. (Abg. Kickl: Ja, eh!) Von 2015 bis 2018 wurde auf 390 Frontexeinsatzbeamte aufgestockt. (Abg. Kickl: Ja, und?) – Ja, aber 2019 ist das auf über 101 Beamte heruntergefahren worden. Jetzt frage ich mich: Warum ist das passiert? Das steht in Ihrer Anfragebeant­wortung. (Abg. Kickl – den Kopf schüttelnd –: Dann lesen Sie es genau!) Da können Sie ruhig den Kopf schütteln. (Abg. Kickl: Dann lesen Sie es genau!) Sie haben von 390 Frontexbeamten auf 284 reduziert. (Abg. Leichtfried: Schau! Schau! – Weiterer Zwischenruf bei der SPÖ.)

Schauen wir uns die Rückführungsabkommen an, so wissen wir, es gibt in Summe 39 Rückführungsabkommen, 22 bilaterale und 17 auf Ebene der Europäischen Union. Nur drei der bilateralen Abkommen bestehen mit Drittländern – Kosovo, Nigeria und Tunesien –, der Rest, sehr geehrte Damen und Herren, besteht mit europäischen oder EWR-Staaten.

Sie sind immer dafür eingetreten, Straffällige abzuschieben: 240 Menschen haben den Schutztitel verloren, weil sie straffällig waren. Und Sie behaupten, das ist das große Risiko, das jetzt da ist? Von den 3 181 Abschiebungen, die Sie durchgeführt haben, waren der überwiegende Großteil Slowaken, Serben und Ungarn. Diese zählen Sie dazu! Diese zählen Sie zu den Abschiebungen dazu, obwohl diese gar keine Asylwer­ber sind, sondern Personen, die sich hier im Ausland illegal aufhalten. (Abg. Kickl: Auch wenn sie illegal im Land sind, gehören sie abgeschoben, auch wenn Sie dagegen sind!)


Präsidentin Doris Bures: Sie müssen den Schlusssatz formulieren.


Abgeordnete Angela Lueger (fortsetzend): Schlusssatz: Solange wir keinen sozialen Frieden schaffen, solange Sie da Zwietracht und Angst schüren, so lange wird es keine gemeinsame europäische Lösung geben. (Beifall bei SPÖ und JETZT.)

11.45


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch. – Bitte.


11.45.26

Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Lueger, niemand von unserer Seite schürt Zwietracht, sondern die Freiheitlichen sind es heute und waren es seit Jahren, die die Dinge beim Namen genannt haben, auch in Bezug auf die Europäische Union und den Außengrenzschutz. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Abg. Duzdar.)

Einige Redner der ÖVP sind darauf eingegangen, dass wir nunmehr eine neue Kom­mission haben. Das stimmt, meine Damen und Herren, wir haben eine neue Kommis­sion, aber die alte Politik in dieser entscheidenden Frage, nämlich im Schutz der Au­ßengrenzen und im Stopp der illegalen Migration Richtung Europa. Wir haben die alte Politik, die sich leider Gottes in Aussagen von nationalen Funktionären wie Innenminis­ter Seehofer, dem französischen Präsidenten, aber auch der neuen Kommissionspräsi­dentin manifestieren. Und wenn die neue Kommissionspräsidentin ein Kommissariat mit Schutz unseres europäischen Lebensstils – Schutz unseres europäischen Lebens­stils! – benennen möchte, entsteht ein Sturm der Entrüstung bei den Linken auf euro-


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päischer Ebene, und dieses kleine Pflänzchen europäischen Selbstbewusstseins wird zu Tode getrampelt.

Meine Damen und Herren! Wir Freiheitlichen waren es, die seit Jahren auf diese Ge­fahr der illegalen Zuwanderung aufmerksam gemacht haben; da wurden wir noch von allen belacht. Die ÖVP, vor allem ihr damaliger Außenminister und die damalige Zu­kunftshoffnung Sebastian Kurz, ist ab 2016 auf diese freiheitliche Linie eingeschwenkt, was uns sehr gefreut hat. Wir haben diese Linie auch während unserer Regierungsbe­teiligung gemeinsam weiterführen können, und wir haben das auch in dem halben Jahr unserer EU-Präsidentschaft manifestieren können, weil dort in Replizierung der Er­eignisse des Jahres 2015 ein Geheul von linker Seite, nämlich in die Richtung, dass Dublin nicht funktioniere, stattgefunden hat. Dublin, das war diese Flüchtlingsüberein­kunft, die zusammengefasst klar regelt, dass jeder Flüchtling im ersten EU-Staat, in dem er ankommt, um Asyl ansuchen muss, im ersten Staat der Union, in dem er an­kommt! Das funktioniere nicht. Natürlich hat das nicht funktioniert, weil das nicht gewollt wurde. Nicht gewollt wurde das von Leuten wie Ihnen, Herr Kollege Scherak, von den Liberalen, von den Sozialdemokraten, von den Grünen. Diese Leute haben diese Dublinregelung gezielt sabotiert, weil sie keinen gesicherten Außengrenzschutz der Europäischen Union gewollt haben. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Plessl: Stimmt ja nicht! – Abg. Leichtfried: Ich glaube, das stimmt nicht!)

Nunmehr ist die Kommission wieder auf dem Weg, Verteilungsprozesse von Flüchtlin­gen, die illegal in Europa ankommen, zu organisieren. Diese Verteilungsprozesse in­nerhalb der Mitgliedsländer sind a priori abzulehnen. Herr Minister, ich bin Ihnen dank­bar dafür, dass Sie auch aus Ihrer Sicht klar erklärt haben, dass die Verteilung von illegalen Zuwanderern keine Lösung der illegalen Migration darstellt, sondern dass wir da andere Lösungen finden müssen, die an der Außengrenze beginnen. (Zwischenruf der Abg. Duzdar.)

Wir haben klar das Schlepperunwesen zu beseitigen. Das Schlepperunwesen beseiti­gen wir damit, dass klargemacht wird, dass eine illegale Zuwanderung in die Europäi­sche Union nicht möglich ist. Und wir haben das auch mit den notwendigen Mitteln an der EU-Außengrenze sicherzustellen. Natürlich sind die europäischen Mitgliedsländer, die die Außengrenze bilden, besonders gefordert. Frau Kollegin Lueger, Sie sind da­rauf eingegangen, Griechenland, Italien, das sind natürlich Länder mit einer besonde­ren Herausforderung. Wir haben auch die Verpflichtung vonseiten der Union, ihnen mit Unionsmitteln, aber auch mit Unionstruppen zur Verfügung zu stehen, um diese Au­ßengrenze zu sichern.

Meine Damen und Herren, es waren die Minister Kickl und Kunasek, die das während der Zeit unserer Präsidentschaft angestoßen haben. (Zwischenruf des Abg. Plessl.) Al­lein dieses halbe Jahr unserer Präsidentschaftszeit und die Beteiligung der Freiheitli­chen an der Bundesregierung haben dazu geführt, dass Kommissionspräsident Jun­cker entgegen seiner inneren Überzeugung angekündigt hat, Frontex endlich aufzu­bauen und zu stärken. Das hat die FPÖ-Regierungsbeteiligung im Rahmen der letzten zu Ende gegangenen Regierung fertiggebracht. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Plessl: Was haben Sie getan? Die Überschrift umgesetzt, mehr nicht!) Wir haben diesen An­stoß gebracht, und wir werden auf europäischer Ebene nicht lockerlassen, diese Politik weiterzuführen.

Meine Damen und Herren, wenn Europa nicht zur Festung wird, dann wird es bald eine Ruine sein. Wir Freiheitlichen werden weiter an dieser Festung bauen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der FPÖ.)

11.50


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Josef Schellhorn. – Bitte.



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11.50.32

Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Minis­ter! Ja, Kollege Bösch ist noch immer in der Rhetorik, sozusagen auch für Nordafrika einen richtigen Plan zu erstellen, wie es früher vielleicht Rommel gemacht hat, also mit Festung und Burg und Niederreißen. Dem kann ich nichts abgewinnen und dem möch­te ich auch heftig widersprechen. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Steger: ... mit erhobe­nem Zeigefinger ...!)

Kollege Scherak hat auch einen richtigen Aspekt beleuchtet, und zwar: Wie gehen wir mit Problemen um? Wie gehen wir mit jenen Menschen um, die zu uns gekommen sind, denen wir Hilfe bieten müssen und die wir auch, wenn sie schon im Land sind, versorgen müssen? Wir waren immer für einen sicheren Außengrenzschutz, das wis­sen Sie, Herr Kollege Bösch, und den – verzeihen Sie mir – Blödsinn brauchen Sie nicht zu verzapfen, dass wir genau das Gegenteil gesagt hätten.


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter, ich würde Sie bitten, sich in der Wort­wahl zu mäßigen.


Abgeordneter Josef Schellhorn (fortsetzend): Verzeihung! Ja, ich nehme „Blödsinn“ zurück, aber ich habe es probiert, ich habe es riskiert. (Abg. Steger: Jetzt wäre die Sprachpolizei angebracht!) – Ja, die Sprachpolizei ist immer angesagt, vor allem, wenn Sie sie wollen.

Wie aber gehen wir mit den Problemen um? – Es ist jetzt wahnsinnig viel über Angst und Illegalität und all diese Thematiken gesprochen worden, aber wir haben noch ein ganz anderes Problem: Kollege Lopatka hat auch gesagt, dass der Wunsch nach ei­nem besseren Leben nicht Asylgrund sein darf. Wir haben aber auch noch einen ande­ren Wunsch, nämlich angesichts des Fachkräftemangels und auch der Pflege braucht es ein klares Bekenntnis zu einem Zuwanderungsland. Wir werden immer älter, wir brauchen Fachkräfte auch von außen; dieses Problem muss uns auch bewusst sein.

Es erstaunt mich, dass niemand von der ÖVP darüber gesprochen hat, wie wir das Problem bewältigen. Es hat niemand von der SPÖ über das Problem gesprochen, wie wir die Pflege bewältigen. (Abg. Wurm: Bessere Löhne zahlen!) Darum braucht es auch eine andere Lösung. Wir brauchen ein Einwanderungsgesetz und wir müssen uns sozusagen dem Bekenntnis - - (Abg. Wurm: Bessere Löhne zahlen!) – Ich weiß, die FPÖ hat ein anderes Problem. Lassen Sie mich einfach fertigreden! Ich wundere mich sowieso, wie man für ein bisschen Tierestreicheln, Hundestreicheln 11 000 Euro kriegen kann. Das wundert mich, dass es das geben kann. Lassen Sie mich einfach fertigreden! (Beifall bei den NEOS.)

Ein Einwanderungsgesetz, Herr Innenminister, wäre ganz, ganz wichtig, mit klaren Re­geln, mit einem klaren Punktesystem, mit dem Bewerberinnen und Bewerber sich au­ßerhalb der EU-Grenzen dafür bewerben können, natürlich auch mit einer klaren Dar­stellung, welche Fachkräfteprobleme wir in welchen Bereichen haben. Wir brauchen eine klare Regelung. Diese klare Regelung muss für jene Menschen eine Möglichkeit darstellen, auch nach Europa, nach Österreich zu ziehen.

Das ist ein Punkt, den wir jetzt auch besprechen müssen. Wir müssen uns von dieser Mentalität, alles wäre illegal und alles wäre von Angst besetzt, verabschieden. Unser Kontinent, unser Land wird immer älter, und wir brauchen das, liebe ÖVP. (Beifall bei den NEOS.) Auch ihr müsst euch dazu bekennen, dass wir ein Einwanderungsgesetz brauchen, mit dem man die Qualifikationen vorab klären kann, mit dem man auch online nach einem Punktesystem bewerten kann: Ist er für die Fachlichkeit gut? Kann er die Sprache schon gut? Was muss er noch nachlernen?, damit da klare Regeln ge­setzt werden. (Ruf bei der FPÖ: Du willst billige Abwäscher in der Kuchl!)


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Welche Probleme haben wir denn? – Die Rot-Weiß-Rot-Karte wurde nie reformiert, das war auch nicht euer Ansinnen, ihr habt dementsprechend große Hürden gemacht. Wir haben, glaube ich, insgesamt 17 verschiedene Saisonnierregelungen. Wir brauchen ei­ne klare Regelung für ein Einwanderungsgesetz, und das ist eine Grundforderung, denn nur so können wir positiv in die Zukunft blicken. (Abg. Wurm: Wir brauchen keine Einwanderung! Sie brauchen billige Mitarbeiter!) – Kollege Wurm, auch Sie wird einmal irgendjemand pflegen. Ich hoffe, Sie finden eine autochthone Pflegerin. (Abg. Wurm: Zahlen Sie besser! Bessere Löhne zahlen!) – Ja, streicheln Sie Ihren Hund, schauen Sie auf Ihre Spesen! Mit 40 000 Euro im Monat nicht auszukommen ist eine ganz be­sondere Leistung. Schreien Sie nicht herein und erklären Sie es mir! Ich hoffe, Sie ha­ben ein bisschen Geld auf der Seite. (Beifall bei den NEOS.)

11.55


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Efgani Dönmez. – Bitte.


11.55.19

Abgeordneter Efgani Dönmez, PMM (ohne Klubzugehörigkeit): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher auf der Galerie und zu Hause vor den Fernsehbildschirmen! Es wurde sehr viel über den Außengrenzschutz gesprochen, daher brauche ich, glaube ich, hier nicht noch meinen Senf dazuzugeben.

Kollege Schellhorn, ich bin bei dir, aber ich glaube nicht, dass wir den Fachkräfteman­gel in Österreich über die Asylschiene lösen werden können. (Abg. Meinl-Reisinger: Eh nicht, genau das Gegenteil hat er gesagt!) Es gibt natürlich einige wenige, die sehr engagiert und talentiert sind und ihr Bestes geben. In Ihrem Betrieb arbeiten einige Lehrlinge, wir in Oberösterreich haben viele Lehrlinge, die im Asylverfahren sind und ihr Bestes geben, aber es ist dennoch die Minderheit.

Ich würde mich in meinem Redebeitrag gerne auf die Fluchtursachen konzentrieren, weil das in den Debattenbeiträgen meiner Meinung nach etwas zu kurz gekommen ist, wenn auch einige meiner Vorredner das kurz skizziert haben. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.) Sehen wir uns den Bericht des Stockholmer Friedensforschungsinstitutes Sipri an: Alleine im Jahr 2018 wurden weltweit 1 822 Milliarden US-Dollar für die An­schaffung von Rüstungsgütern ausgegeben. Davon sind alleine von Deutschland, Frankreich und Großbritannien insgesamt 163 Milliarden Euro ausgegeben worden. Österreich hat im Bereich der Exporte für Waffen, Munition und Panzer 638 Millionen Euro bewilligt. Seit 2002 haben sich die Exporte punkto Militärgerätausfuhrgenehmi­gungen verfünfzehnfacht!

Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen, all diese Militärrüstungsgüter werden nicht dazu dienen und dazu verwendet, dass man einen schönen Garten anlegt und Frieden schafft, sondern dazu, dass man Konflikte anheizt und kriegerische Auseinan­dersetzungen noch mehr befeuert. Das ist einer der Gründe für die Fluchtursachen.

Ein weiterer Grund ist – und da würde ich jetzt unsere Europaabgeordneten aller Frak­tionen ersuchen, ganz kurz ihre Aufmerksamkeit auf diesen Beitrag zu lenken –: Wir wissen, dass Despoten und Diktatoren in vielen afrikanischen und auch in vielen arabi­schen Ländern diese auf Kosten der Bevölkerung ausbeuten, ihr Land ausverkaufen. Und wo liegen diese Gelder? – Hand aufs Herz, diese Gelder liegen auf Konten von europäischen Banken. Und wenn Sie es mit der Bekämpfung der Fluchtursachen ernst meinen, dann machen Sie einen Schulterschluss auf europäischer Ebene und drehen Sie diesen Vorgängen und Haltungen das Wasser ab! Es kann nicht sein, dass diese Leute, indem sie ihre Bevölkerung ausbeuten, die Gelder auf europäischen Konten lie­gen lassen und wir dabei auch noch zuschauen und diese Herrschaften auch noch hofieren!


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Ein weiterer Grund ist, dass wir mit unseren hochsubventionierten europäischen Pro­dukten und Dienstleistungen lokale Märkte in Afrika zerstören und kaputt machen. Da brauchen wir uns dann nicht zu wundern, wenn sich die Leute auf den Weg machen. Keiner verlässt per Gaudi seine Heimat, das hat schon tiefer greifende Gründe. Natür­lich können und dürfen wir nicht alle aufnehmen, daher sind ein Außengrenzschutz und eine effektive Rückführung auch wichtig.

Und noch viel wichtiger ist, dass wir mit dieser entwürdigenden, teilweise sinnlosen Entwicklungshilfepolitik Schluss machen. Das, was es braucht, ist eine wirtschaftliche Kooperation auf Augenhöhe. Wir haben insbesondere in Österreich hervorragende Fir­men, die technologisches Know-how transferieren könnten. Wir als Politiker sollten un­seren Beitrag dazu leisten, damit viele dieser Länder, die massive Probleme haben, nicht die gleichen Fehler machen wie wir.

Dann können wir auf wirtschaftlicher Ebene eine Win-win-Situation erzielen, denn wenn es den Menschen vor Ort gut geht und unsere Firmen dabei etwas verdienen, dann werden sich auch weniger Leute auf den Weg machen. Wir können gute wirt­schaftliche Kooperationen eingehen und vor allem auch den Behörden vor Ort dabei helfen, eine funktionierende Behördenstruktur und eine Bürokratie aufzubauen. In vie­len, vielen Ländern gibt es kein Personenstandsregister, gibt es keine Geburtsurkunde, gibt es keinen Reisepass, und wer keine Identität hat und nicht erfasst ist, tut sich natürlich auch sehr leicht, auf die Reise zu gehen. (Präsidentin Bures gibt das Glo­ckenzeichen.)

Um diese Missstände abzudrehen, müssen wir wirklich den Blick auf die Ursachen richten und nicht nur auf den Außengrenzschutz, der ebenfalls wichtig ist. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

12.00


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Dr.in Alma Zadić. – Bitte.


12.00.50

Abgeordnete Dr. Alma Zadić, LL.M. (ohne Klubzugehörigkeit): Frau Präsidentin! Ge­schätzter Herr Innenminister! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Hohes Haus! Das Thema Asyl wird immer kontroverser, auch immer sehr emotional diskutiert, aber ich finde, das muss nicht sein. Selbstverständlich – und das weiß, glaube ich, jeder von uns hier – brauchen wir eine Reform des Asylsystems. Wir brauchen ein neues, ein ge­ordnetes, aber vor allem ein europäisches Asylsystem, wir brauchen eine europäische Asylstrategie und eine europäische Migrationsstrategie, aber da braucht es nicht viele Emotionen, das Ganze kann natürlich vernünftig, evidenzbasiert, basierend auf Fakten und natürlich basierend auf unseren europäischen Werten erfolgen.

Natürlich braucht es ein EU-Außengrenzmanagement. Es braucht natürlich eine effekti­ve Kontrolle der EU-Außengrenzen. Das ist ja nichts Neues, und dagegen sagt auch niemand irgendetwas. Daher verstehe ich auch nicht, warum die freiheitlichen Abge­ordneten heute hier so eine Dramatik aufzeigen. Wir befinden uns aber im Wahlkampf, und ich glaube auch zu wissen, warum Sie das alles jetzt so hochschrauben: Sie ha­ben sonst keine wirklichen Themen, die Sie jetzt im Wahlkampf bringen. (Abg. Schi­manek: Ah geh, Alma, bitte!) Sie machen weder etwas im Klimaschutz, noch machen Sie etwas für den sprichwörtlichen kleinen Mann. (Abg. Kassegger: Warten Sie auf heute am Nachmittag!) Das Einzige, was Ihnen bleibt, sind schon wieder die Auslän­der, die Geflüchteten, die Migranten, die für Ihre fehlende Politik herhalten müssen.

Zurück zum Asylsystem: Es bedarf natürlich weitaus mehr als nur der Kontrolle der Außengrenzen. Ich glaube, dass es wichtig ist, dass wir uns auf andere Sachen und nicht nur auf die Grenzen fokussieren, denn uns nur auf die Grenzen zu fokussieren


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bedeutet, den Kopf in den Sand zu stecken – und zu glauben, dass man nicht gesehen wird. Wir müssen uns ernsthaft um die Fluchtgründe kümmern. Das darf kein Lippen­bekenntnis sein.

Schauen wir uns an, was in den letzten zwei Jahren passiert ist! – Der EU Emergency Trust Fund for Africa hat von Österreich gerade einmal 6 Millionen Euro bekommen; Österreich bildet auf europäischer Ebene somit das Schlusslicht. Deutschland hat
30-mal mehr geliefert, nämlich 165 Millionen Euro. Vor uns platziert sind auch Tsche­chien und die Slowakei, und sogar der von Ihnen so geschätzte Herr Orbán zahlt mehr in diesen Trust Fund ein als Österreich. Auch das World Food Programme oder die UNHCR haben in den letzten zwei Jahren fast um 90 Prozent weniger als in den Jah­ren zuvor bekommen. Also reden wir nicht über die Fluchtursachen, sondern tun wir etwas! Meine Kollegin Stephanie Cox hat es ja schon gesagt: Tun ist mehr als nur re­den! (Beifall der Abg. Cox.)

Anstatt die Fluchtgründe und Fluchtursachen zu bekämpfen, befeuern wir die Flucht­gründe noch zusätzlich. Was machen wir? – Die europäischen Waffenexporte steigen an, die Zahlen gehen in die Höhe; das befeuert die Fluchtgründe. Die Handelsabkom­men oder unfaire Handelsbeziehungen führen dazu, dass Menschen in den ärmsten Ländern die Existenzgrundlage entzogen wird. Nicht zu vergessen ist natürlich die Erd­erwärmung, die auch dazu führt, dass Menschen nicht mehr nachhaltig dort leben können, wo sie zu Hause sind. Kümmern wir uns darum! Kümmern wir uns darum, dass die Herkunftsländer, die Transitländer und die Ankunftsländer die notwendige Un­terstützung bekommen!

Gerade weil wir heute hier im Hohen Haus sind, ist es mir schon wichtig, etwas auf­zuzeigen, Herr Kickl und Herr Bösch – und ich glaube, auch andere freiheitliche Abge­ordnete haben es in ihren Reden erwähnt –: Sie haben schon wieder bewusst den Begriff Festung Europa verwendet, nicht ganz unabsichtlich, sondern sehr bewusst! Ich glaube, wenigen hier ist bewusst, dass die Festung Europa eine Begrifflichkeit ist, die aus dem Nationalsozialismus stammt. Es ist ein Begriff, der zu Beginn des Zweiten Weltkrieges geprägt wurde, um die Stärke gegen die Alliierten zu signalisieren. Hitler selbst hat die Gebiete, die damals von den Nazis besetzt waren, als Festung Europa bezeichnet, die es zu schützen gilt und die gemeinsam gegen die anderen zu kämpfen hat. In jüngster Zeit wird dieser Begriff wieder verwendet, nämlich von den neuen Rechten und von den Rechtsextremen, und ich schäme mich, dass dieser Begriff hier im Hohen Haus wieder verwendet wird! (Beifall bei SPÖ und JETZT. – Präsidentin Bu­res gibt das Glockenzeichen.)

Ich glaube, wir kommen in dieser Debatte auch ohne Begrifflichkeiten des Nationalso­zialismus aus. (Beifall bei SPÖ und JETZT.)

12.06


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dipl.-Ing.in Martha Bißmann. – Bitte.


12.06.14

Abgeordnete Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann (ohne Klubzugehörigkeit): Frau Präsi­dentin! Geschätzter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger! In dieser Europastunde sprechen wir über Außengrenzschutz, über Si­cherheit – wir sollten aber auch über Frieden sprechen, denn Europa ist ein Friedens­projekt, einzigartig in der Geschichte. Europa ist auch ein Kontinent der Vielfalt, United in Diversity, so vielfältig wie unser schönes Österreich und unser Parlament, das aber zukünftig noch vielfältiger werden könnte, um unsere Gesellschaft abzubilden.

Das ist meine letzte Parlamentssitzung, deshalb möchte ich gerne ein paar Worte des Abschieds und des Rückblicks an Sie richten; aber keine Sorge, es ist keine Ab-


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schiedsrede, denn ich habe einen ganzen Rucksack voller Visionen, wie wir unsere Gesellschaft zu einer besseren machen können, zu einer sozialeren, demokratische­ren, ökologischeren Gesellschaft.

Ab dem 24. Oktober werde ich nicht mehr unter euch sein. Ein bekannter Steirer hat einmal gesagt: I kumm z’ruck, I will be back. – Da ich selbst auch Steirerin bin, sage ich jetzt: Wir kommen z’ruck! Wir kommen hierher zurück, zurück in dieses Hohe Haus! (Rufe bei der ÖVP: Wer ist „wir“?) Ich werde dann nämlich nicht mehr allein sein (Rufe bei ÖVP und FPÖ: Wer?), wir werden viele sein, viele, vor allem jene, die mich als fraktionsfreie Abgeordnete im letzten Jahr im Hintergrund tatkräftig unterstützt haben; vereint in Vielfalt – nicht aus Marketinggründen, sondern in echter gelebter Vielfalt. Schulter an Schulter, Hand in Hand, mit Herz und Verstand werden wir ab 2024 hier vertreten sein – allerspätestens, wenn uns nicht schon früher wieder Neuwahlen er­eilen.

Jetzt möchte ich mich bedanken: bei den Alis und Yasemins, Michaels und Danielas in diesem Land, bei Suna, Hakan, Muhammed – danke, dass ihr jeden Tag Zusammen­halt in Vielfalt in Österreich vorlebt!

Bei meinen parlamentarischen Mitarbeitern möchte ich mich bedanken. Ömer, Esra, Moritz, Karo, danke für euren Fleiß und eure positive Einstellung, auch für die Freund­schaft, die sich mittlerweile zwischen uns ergeben hat.

Ganz besonders stolz bin ich auf meine ehemalige parlamentarische Mitarbeiterin Dipl.-Ing.in Kathrin Renz, die mittlerweile die stellvertretende Abteilungsleiterin der Energiesektion im Nachhaltigkeitsministerium ist.

Danke, lieber Polizeieinsatzleiter Hans-Peter, dass du mit deinem Team für unsere Si­cherheit im Hohen Haus und auch für gute Laune sorgst.

Danke an die Mitarbeiter der Parlamentsdirektion, die den Betrieb hier freundlich und kompetent am Laufen halten; danke den Mitarbeitern von Kantine, Garderobe und Se­curity.

Danke, liebe Jugendliche von Fridays for Future, dafür, dass ihr uns, die Politik, bewegt und dass ihr die Jugend politisiert.

Auch bei anderen Abgeordneten und Politikern, die mich in der Vergangenheit un­terstützt haben, möchte ich mich bedanken; es war ja nicht immer so einfach, vor allem nicht als Fraktionsfreie. Danke, lieber Michi Bernhard, Uwe Feichtinger, Klaudia Friedl, Karin Doppelbauer, Irmgard Griss, Walter Rauch – du weißt, warum ich mich bei dir bedanke –, Josef Lettenbichler, Ernst Gödl, Barbara Krenn (kurz innehaltend, um der kürzlich Verstorbenen zu gedenken), Christian Kern, Matthias Strolz. Ich danke euch und auch dir, Peter.

Dank an meine Familie, an meinen Partner Hanno – ihr seid mein Rückgrat und mein Auffangbecken.

2024 werden wir Geschichte schreiben, wir werden Vielfalt leben. 2024 werden wir den Zusammenhalt leben. 2024 werden Rassismus und Racial Profiling von jenen im Ho­hen Haus thematisiert werden, die davon auch betroffen sind und die das täglich am eigenen Leib und an eigener Seele erleiden.

2024 werden diejenigen, die jeden Freitag auf die Straße gehen oder heute Morgen vor dem Parlament demonstrierend auf uns gewartet haben, im Parlament sitzen; sie wer­den hier stehen, sie werden hier sitzen! Hier wird die Jugend stehen!

Danke auch an unsere Parlamentspräsidenten Doris Bures, Anneliese Kitzmüller und Wolfgang Sobotka, die den Vorsitz immer so kompetent führen.


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In diesem Sinne möchte ich euch alle noch einmal umarmen, ich habe euch alle echt lieb gewonnen! (Die Arme für eine Umarmung ausstreckend:) Kommt und holt euch eure Abschiedsumarmung – aber ich komme wieder! (Allgemeiner Beifall.)

12.11

12.11.30


Präsidentin Doris Bures: Danke auch an Sie, Frau Abgeordnete, und alles Gute!

In der Aktuellen Europastunde ist jetzt niemand mehr zu Wort gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Danke, Herr Bundesminister Peschorn.

Ich begrüße für den nächsten Tagesordnungspunkt Herrn Bundesminister Müller.

Einlauf und Zuweisungen


Präsidentin Doris Bures: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 4174/J bis 4188/J

2. Anfragebeantwortungen: 4036/AB und 4037/AB

3. Anträge:

Zurückziehungen: Zu 952/A und Zu 960/A

B. Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Ausschuss für Arbeit und Soziales:

Antrag 1014/A der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungsge­setz 1957 geändert wird

Antrag 1015/A der Abgeordneten Angela Lueger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsverfassungsgesetz geändert wird

Außenpolitischer Ausschuss:

Antrag 993/A(E) der Abgeordneten Dr. Reinhard Eugen Bösch, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Entführung japanischer Bürger durch Nordkorea

Ausschuss für Bauten und Wohnen:

Antrag 1024/A(E) der Abgeordneten Johann Singer, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Einführung des Bestellerprinzips bei Immobilienmaklergebühren

Budgetausschuss:

Bundesgesetz, mit dem die Begründung von Vorbelastungen durch den Bundesminis­ter für Verkehr, Innovation und Technologie genehmigt wird (683 d.B.)

Ausschuss für Familie und Jugend:

Antrag 1019/A der Abgeordneten Birgit Silvia Sandler, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kinderbetreuungsgeldgesetz 2001 geändert wird


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Finanzausschuss:

Antrag 1012/A der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Glücksspielgesetz geändert wird

Gesundheitsausschuss:

Antrag 1013/A der Abgeordneten Ing. Markus Vogl, Kolleginnen und Kollegen betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem die Österreichische Agentur für Gesundheit und Er­nährungssicherheit GmbH errichtet und das Bundesamt für Ernährungssicherheit so­wie das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen eingerichtet werden (Gesund­heits- und Ernährungssicherheitsgesetz – GESG) geändert wird

Gleichbehandlungsausschuss:

Antrag 1020/A der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gleichbehandlungsgesetz und das Gesetz über die Gleichbehandlungskommission und die Gleichbehandlungsanwaltschaft geän­dert werden

Ausschuss für innere Angelegenheiten:

Antrag 999/A der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 2005 – AsylG 2005) geändert wird

Antrag 1017/A der Abgeordneten Karl Mahrer, BA, Kolleginnen und Kollegen betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Vereine und das Bundesge­setz, mit dem die Verwendung von Symbolen der Gruppierung Islamischer Staat und anderer Gruppierungen verboten wird (Symbole-Gesetz), geändert werden

Antrag 1018/A(E) der Abgeordneten Karl Mahrer, BA, Kolleginnen und Kollegen betref­fend vereinsrechtliche Prüfung des Verbots von Identitären Vereinen und von Verei­nen, die den politischen Islam verbreiten

Antrag 1022/A(E) der Abgeordneten Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Bekämpfung des politischen Islam

Justizausschuss:

Antrag 994/A der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, JGS Nr. 946/1811, geändert wird

Antrag 1001/A(E) der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Gesetzeslücke in den Korruptionstatbeständen des Strafgesetzbuches

Antrag 1004/A(E) der Abgeordneten Dr. Irmgard Griss, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Unabhängiger Bundesstaatsanwalt

Ausschuss für Konsumentenschutz:

Antrag 991/A der Abgeordneten Ing. Markus Vogl, Peter Wurm, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das VKI-Finanzierungsgesetz 2019 erlas­sen und das Kartellgesetz 2005 geändert wird

Umweltausschuss:

Antrag 1025/A(E) der Abgeordneten Christian Kovacevic, Kolleginnen und Kollegen betreffend Überarbeitung der gesetzlichen Voraussetzungen für die Genehmigung von Deponien

Unterrichtsausschuss:

Antrag 1002/A(E) der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einführung "Mittlere Reife"


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Antrag 1003/A(E) der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend Parteibuch raus, Evidenz und gemeinsame Ziele rein

Antrag 1023/A der Abgeordneten Wendelin Mölzer, Kolleginnen und Kollegen betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Ordnung von Unterricht und Erziehung in den im Schulorganisationsgesetz geregelten Schulen (Schulunter­richtsgesetz – SchUG), BGBl. Nr. 472/1986, zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 86/2019, geändert wird

Verfassungsausschuss:

Antrag 995/A der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Finanzie­rung politischer Parteien (Parteiengesetz 2012 – PartG) geändert wird

Antrag 996/A der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Finanzie­rung politischer Parteien (Parteiengesetz 2012 – PartG) geändert wird

Antrag 997/A der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Finanzie­rung politischer Parteien (Parteiengesetz 2012 – PartG) geändert wird

Antrag 998/A der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 2. April 1952 über die Schaffung von Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich, das Bundes­gesetz über die Verleihung von Bundes-Ehrenzeichen (Bundes-Ehrenzeichengesetz) sowie das Bundesgesetz vom 25. Mai 1955 über die Schaffung eines Österreichischen Ehrenzeichens für Wissenschaft und Kunst und eines Österreichischen Ehrenkreuzes für Wissenschaft und Kunst geändert werden ("Ehrenzeichenrechtsänderungsgesetz")

Antrag 1000/A(E) der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Postenschacher stoppen

Antrag 1005/A der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes(verfassungs)gesetz, mit dem das Bundesgesetz über Förderungen des Bundes für politische Parteien (Parteien-Förderungsgesetz 2012 – PartFörG) und das Bundesgesetz über die Finanzierung politischer Parteien (Parteien­gesetz 2012 – PartG) geändert werden

Antrag 1006/A der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Finanzie­rung politischer Parteien (Parteiengesetz 2012 – PartG) geändert wird

Antrag 1007/A der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Finanzie­rung politischer Parteien (Parteiengesetz 2012 – PartG) geändert wird

Antrag 1008/A der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Finanzie­rung politischer Parteien (Parteiengesetz 2012 – PartG) geändert wird

Antrag 1009/A der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Finanzie­rung politischer Parteien (Parteiengesetz 2012 – PartG) geändert wird

Antrag 1010/A der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Finanzie­rung politischer Parteien (Parteiengesetz 2012 – PartG) geändert wird

Antrag 1021/A der Abgeordneten Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 18. November 1965 über die Pen-


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sionsansprüche der Bundesbeamten, ihrer Hinterbliebenen und Angehörigen (Pensions­gesetz 1965 – PG. 1965), BGBl. Nr. 340/1965, zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 102/2018, geändert wird

Verkehrsausschuss:

Antrag 992/A der Abgeordneten Mag. Josef Lettenbichler, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 geändert wird

Antrag 1016/A der Abgeordneten Alois Stöger, diplômé, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 geändert wird

Ausschuss für Wirtschaft, Industrie und Energie:

Antrag 1011/A der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kol­legen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 6. Feber 1968 über elektrische Leitungsanlagen, die sich nicht auf zwei oder mehrere Bundesländer erstrecken geändert wird

*****


Präsidentin Doris Bures: Ich weise darauf hin, dass der ursprünglich vorgesehene Top 15, Antrag 960/A, zurückgezogen wurde. Dies wurde in der geänderten Tages­ordnung auch schon entsprechend berücksichtigt.

Behandlung der Tagesordnung


Präsidentin Doris Bures: Es ist vorgeschlagen, die Debatte über die Punkte 1 bis 3, 9 und 10, 17 und 18, 22 und 23 sowie 24 bis 27 der Tagesordnung jeweils zusammen­zufassen.

Ich frage, ob es dagegen einen Einwand gibt. – Das ist nicht der Fall.

Redezeitbeschränkung


Präsidentin Doris Bures: Zwischen den Mitgliedern der Präsidialkonferenz wurde Kon­sens über die Dauer der Debatten erzielt. Gemäß § 57 Abs. 3 Z 2 der Geschäftsord­nung wurde eine Tagesblockzeit von 10,5 „Wiener Stunden“ vereinbart, sodass sich folgende Redezeiten ergeben: ÖVP 194, SPÖ und FPÖ je 173 sowie NEOS und JETZT je 58 Minuten.

Gemäß § 57 Abs. 7 der Geschäftsordnung beträgt die Redezeit für die gesamte Ta­gesordnung von jenen Abgeordneten, die keinem Klub angehören, je 29 Minuten. Da­rüber hinaus wird deren Redezeit auf 5 Minuten je Debatte beschränkt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über die eben dargelegten Redezeiten.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Fristsetzungsanträge


Präsidentin Doris Bures: Vor Eingang in die Tagesordnung teile ich mit, dass Herr Abgeordneter Mag. Lettenbichler beantragt hat, dem Verkehrsausschuss zur Berichter­stattung über den Antrag 992/A eine Frist bis 27. September 2019 zu setzen.


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Ich teile weiters mit, dass Herr Abgeordneter Mag. Stefan beantragt hat, dem Ver­fassungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 868/A eine Frist bis 27. Sep­tember 2019 zu setzen, und dass Herr Abgeordneter Mölzer beantragt hat, dem Un­terrichtsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 1023/A eine Frist bis 27. Sep­tember 2019 zu setzen.

Die gegenständlichen Anträge werden gemäß der Geschäftsordnung nach Beendigung der Verhandlungen in dieser Sitzung zur Abstimmung gebracht werden.

12.14.58*****


Präsidentin Doris Bures: Ich habe eine Wortmeldung zur Geschäftsordnung vorlie­gen. – Herr Klubobmann Zinggl, bitte.


12.15.07

Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (JETZT) (zur Geschäftsbehandlung): Ich darf daran erinnern, dass das Hohe Haus vor dem Sommer einen einstimmigen Be­schluss gefasst hat, mit welchem das Bundeskanzleramt und das Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus aufgefordert wurden, einen Bericht über ein Familien­fest der ÖVP in Schönbrunn, das die Steuerzahler und Steuerzahlerinnen sehr viel Geld gekostet hat, zu legen. Wir haben dem Bundeskanzleramt und dem Ministerium dafür eine Frist bis 15. August gesetzt – und diese Berichte nicht erhalten.

Daraufhin habe ich in der letzten Sitzung des Nationalrates, in der Sondersitzung letzte Woche, neuerlich einen Antrag gestellt, der wiederum einstimmig beschlossen wurde und demzufolge das Ministerium und das Bundeskanzleramt die Berichte bis 23. Sep­tember nachzureichen hätten. – Das ist wieder nicht geschehen.

Das Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus hat das damit begründet, dass zu wenig Zeit gewesen wäre. Ich kann nur sagen: Für ein Projekt, das etwa 300 000 Euro gekostet hat, sind drei Monate bis zur Berichtslegung für ein Ministerium nicht zu wenig. Das Bundeskanzleramt seinerseits hatte genug Zeit, hat aber eine de­taillierte Berichterstattung auch verweigert; mit der Begründung, dass es nicht ver­pflichtet wäre, diesen Bericht öffentlich zu machen. Offensichtlich steht da mehr drin­nen, als manchem recht ist.

Frau Präsidentin! Ich ersuche Sie, gemeinsam mit dem Präsidenten und der Dritten Nationalratspräsidentin dem Parlament den Rücken zu stärken – das sind jeweils einstimmige Beschlüsse gewesen – und das Ministerium und das Bundeskanzleramt aufzufordern, die Berichte rasch nachzureichen. – Danke. (Beifall bei JETZT, SPÖ und NEOS sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

12.16


Präsidentin Doris Bures: Gibt es weitere Wortmeldungen zur Geschäftsbehand­lung? – Bitte, Herr Abgeordneter Scherak.


12.17.05

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS) (zur Geschäftsbehandlung): Frau Präsidentin! Ich mag das nur unterstützen, was Herr Klubobmann Zinggl gesagt hat, und würde mich ebenfalls der Bitte anschließen, das nicht nur so rasch wie möglich zu erledigen, sondern zu klären, ob es vielleicht noch im Laufe dieser Sitzung in irgend­einer Art und Weise möglich ist, diese Berichte nachzureichen. (Beifall bei NEOS, SPÖ und JETZT.)

Ich nehme einmal an, dass die entsprechenden Vorarbeiten im Kanzleramt und im Ministerium schon passiert sind, und dementsprechend meine ich, dass es eigentlich


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möglich sein sollte – zumal wir heute eine sehr lange Sitzung haben –, dass diese Be­richte noch rechtzeitig kommen.

12.17


Präsidentin Doris Bures: Danke vielmals, Herr Abgeordneter.

Hohes Haus! Ich werde das natürlich einer Prüfung unterziehen. Ich habe Informa­tionen, dass sie vor wenigen Stunden oder so zur Verteilung gelangt sein sollten. Ich kann das jetzt nicht verifizieren, werde dem aber natürlich nachgehen.

Es liegen noch weitere Wortmeldungen vor. – Herr Abgeordneter Leichtfried, bitte.


12.18.06

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Frau Präsi­dentin! Ich würde mich jetzt natürlich auch meinen beiden Vorrednern anschließen, insbesondere wenn man bedenkt, was in den letzten Wochen für ein Sittenbild von einigen Parteien, die auch hier im Nationalrat vertreten sind, hochgekommen ist, bei denen es selbstverständlich zu sein scheint, dass man auf Spesenkosten zum Friseur geht oder seine Miete bezahlen lässt oder sonst irgendetwas treibt. Ich glaube, auch dieses Selbstverständnis, auf Steuerzahlerkosten eine Party zu schmeißen (Rufe bei der ÖVP: Zur Geschäftsordnung! Zur Geschäftsordnung!), ist zu hinterfragen. Ich wür­de darauf drängen, dass dem Ansinnen der beiden Kollegen stattgegeben wird und heute noch, wenn das möglich ist, geklärt wird, wie diese Ausgaben zustande gekom­men sind. (Neuerliche Rufe bei der ÖVP: Zur Geschäftsordnung!)

Die Zeit war wirklich ausreichend, um auf die Anfrage zu reagieren. Wenn man es nicht tut, ist das vorsätzliche Missachtung dieses Parlaments, geschätzte Damen und Her­ren! (Beifall bei SPÖ, NEOS und JETZT.)

12.19


Präsidentin Doris Bures: Ich möchte nur darauf hinweisen, dass die Wahrung der Geschäftsordnung – darauf können Sie sich verlassen – bei mir in guten Händen ist (Beifall bei SPÖ und NEOS) und dass ich im Ablauf dieser Geschäftsordnungsdebatte auch so vorgehe, wie das das Haus festgelegt hat.

Die Parlamentsdirektion hat mir mitgeteilt, dass ein Akt im Haus ist, der jetzt übermittelt wird, der die Berichtslegungen betreffen soll. Aber ich kann jetzt, wie ich vorhin schon gesagt habe, nicht genau verifizieren, ob das auch so der Fall ist.

Gibt es noch Wortmeldungen zur Geschäftsbehandlung? – Das ist nicht der Fall.

Sobald diese Unterlagen hier sind, Herr Abgeordneter, werde ich alle Klubs darüber informieren, wie es hinsichtlich der fristgerechten Legung dieser Berichte aussieht.

*****

Wir gehen nun in die Tagesordnung ein.

12.20.151. Punkt

Bericht des Budgetausschusses über den Bundesrechnungsabschluss für das Jahr 2018 (III-292/684 d.B.)

2. Punkt

Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 928/A der Abgeordneten Au­gust Wöginger, MMag. DDr. Hubert Fuchs, Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kol-


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leginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und das Bundesverfassungsgesetz über Ermächti­gungen des Österreichischen Gemeindebundes und des Österreichischen Städ­tebundes geändert werden (685 d.B.)

3. Punkt

Antrag der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betref­fend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Staatsgrundgesetz über die all­gemeinen Rechte der Staatsbürger geändert wird (870/A)


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen zu den Tagesordnungspunkten 1 bis 3, über welche, wie bereits abgestimmt, die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Hinsichtlich des Antrages 870/A wurde dem Verfassungsausschuss eine Frist zur Be­richterstattung bis 23. September 2019 gesetzt.

Zu Tagesordnungspunkt 3 liegt kein Wunsch auf eine mündliche Berichterstattung im Sinne des § 44 Abs. 4 der Geschäftsordnung vor. Zu den Tagesordnungspunkten 1 und 2 wurde auch auf eine mündliche Berichterstattung verzichtet.

Somit gehen wir gleich in die Debatte ein.

Erste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried. – Bitte.


12.22.00

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Mi­nister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren, die Sie zusehen! Ja, reden wir über Bremsen – Bremsen sind ja nützliche Dinge, wenn man sie für das Richtige verwendet. Es gibt etliche Dinge, die Bremsen benötigen: aus mei­ner Sicht zum Beispiel Parteien, die den Anschein erwecken, dass Millionäre ihre Poli­tik maßgeblich beeinflussen können, Autos, die mit 140 km/h unterwegs sind, gehören definitiv gebremst, schon aus Klimaschutzgründen, Mietwucher, Pflegenotstand und, ja, die Klimakrise. Da muss man bremsen, da muss vorgesorgt werden, dass das auf­hört. Aber das, was nicht ausgebremst werden soll, geschätzte Kolleginnen und Kolle­gen, sind Investitionen in die Zukunft der Menschen. Und diese sogenannte Schulden­bremse ist nichts anderes als eine Wachstums- und Investitionsbremse, ein Marketing­schmäh, der die Tugend der Sparsamkeit vorgaukelt und nicht lebt und in Wirklichkeit beabsichtigt, die Lebensqualität zukünftiger Generationen zu verschlechtern und für die Superreichen Politik zu machen. Das ist die Intention dieser Bremse. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich habe in dieser Debatte immer wieder den Vergleich mit einer Familie gehört, die ein Einfamilienhaus finanziert; genau daran sehen wir aber, wie fehlgeleitet diese Intention ist. Selbstverständlich kann man Häuser nicht ohne Kredite finanzieren, sonst gäbe es in Österreich keine Einfamilienhäuser – bis auf einige wenige, bei denen man nicht fremdfinanzieren muss. Und wenn man das Ganze ein bisschen höher anlegt: Bei der Republik ist es ja genauso, unsere Schienen, unsere Krankenhäuser, unsere Straßen, unsere Spielplätze, unsere Schulen sind alle so finanziert worden. Und hätten wir diese Schuldenbremse, diese Investitionsbremse schon gehabt, dann gäbe es das alles nicht.

Geschätzte Damen und Herren! Da kommt noch etwas dazu, was ganz wichtig ist: Die Republik, der Staat, muss in Zeiten, in denen es nicht so gut geht, handeln können, er muss beispielsweise die Arbeitslosigkeit bekämpfen können. Und was wäre die Konse­quenz dieser Bremse, wenn es jetzt mit der Konjunktur wieder bergab geht? Ich frage Sie, geschätzte Damen und Herren: Was wäre die Konsequenz? – Die Konsequenz


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wäre, dass keine Arbeitsmarktmaßnahmen mehr finanziert werden könnten, keine Bil­dungsprogramme mehr finanziert werden könnten.

Einige von Ihnen haben die Verlängerung der Aktion 20 000 zum Glück jetzt mitbe­schlossen. Wenn wir diese Bremse gehabt hätten, wären über 50-jährige Langzeitar­beitslose in Zukunft noch länger arbeitslos. Das wäre das Resultat dieser Maßnahmen, und das ist nicht unser Zugang zu diesen Fragen, geschätzte Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Oder reden wir über Klimaschutz: Der Klimaschutz wird nicht durch heiße Luft hier herinnen stattfinden, die Klimakrise wird nicht durch unsere Reden gebremst, sie wird durch Maßnahmen gebremst. Schauen wir uns beispielsweise den Verkehr an: Was ist mit der Nahverkehrsmilliarde bei der Schuldenbremse? – Die wird es nicht geben. Was ist mit dem Ausbau der Strecke Graz–Linz? – Den wird es genauso wenig geben. Die­se Bremse bedeutet dann: kein Klimaschutz. Und das ist das, was Sie mit dem, was Sie hier beschließen, anscheinend vorhaben, geschätzte Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Hanger: Sie haben keine Ahnung!)

Sie schlagen dann noch das deutsche Modell vor – das deutsche Modell. Ich weiß nicht, warum Deutschland für Sie immer ein Vorbild ist, aber selbst die Deutschen sind sich selbst keines mehr (Zwischenruf des Abg. Stefan), weil sie wieder von dieser Schuldenbremse weggehen, denn: Was hat sie verursacht? – Die Schuldenbremse gilt ja nicht nur für die Republik, sondern sie gilt auch für Gemeinden, und Gemeinden, die boomen, brauchen Investitionen, Gemeinden, die wachsen, brauchen mehr Schulen, mehr Kinderspielplätze, öffentlichen Verkehr, das Kanalnetz muss ausgebaut werden. Wer soll denn das finanzieren, wenn nicht diese Gemeinden selbst, indem sie Kredite aufnehmen?

Sie schränken mit dieser Bremse alle in ihrem Wachstum ein (Abg. Hanger: Also noch mehr Schulden, sagen Sie es laut! Noch mehr Schulden!), Sie verhindern, dass Klima­schutz betrieben wird, und Sie verhindern, dass in Zukunft die Arbeitslosigkeit bekämpft wird. Das ist das, was Sie mit Ihrer Maßnahme verursachen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich sage Ihnen: Lassen Sie sich nicht von diesem Marketinggag blenden! (Abg. Meinl-Reisinger: Was ist es jetzt, eine ... oder ein Marketinggag?) Lassen Sie sich nicht blenden! Ich meine, ja, wenn jemand eine Bremse braucht, eine Schuldenbremse – ich schaue jetzt zur ÖVP, Sie hätten das wahrscheinlich notwendig – oder eine Spesen­bremse – da schaue ich zur FPÖ –, aber dieses Land braucht Investitionen in die Zu­kunft und keine Bremser, geschätzte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

12.26


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Peter Haubner. – Bitte.


12.26.56

Abgeordneter Peter Haubner (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Damen und Herren auf der Galerie! Ein besonders herzli­ches Willkommen unseren Freunden aus Murau in der Steiermark! (Allgemeiner Bei­fall.) Ich möchte ganz deutlich sagen: Ich glaube, man hat den Unterschied jetzt ganz deutlich erkannt: Die SPÖ steht für neue und für mehr Schulden in diesem Land, meine Damen und Herren. – Ich denke, das ist genau der falsche Weg. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Herr Kollege Leichtfried (Abg. Leichtfried: Ja, hier!), wenn Sie von einem Einfamilien­haus sprechen, das mit Schulden gebaut wird: Ja, ich bin bei Ihnen (Abg. Leichtfried: Na also!), aber erstens muss man irgendwann diese Schulden zurückzahlen (Zwi­schenruf bei der SPÖ) und zweitens kann eine Familie nicht immer nur neue Schulden


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machen, denn wo wird sie dann enden? – Sie wird leider irgendwann im Privatkonkurs enden. Und das wollen wir für Österreich vermeiden, meine Damen und Herren. (Bei­fall bei ÖVP und FPÖ sowie der Abg. Doppelbauer.)

Also, ich glaube und Sie sollten sich auch - - (Ruf bei der SPÖ: ... die Kindergärten und die Schulen! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Ganz ruhig bleiben, ganz ruhig bleiben! Immer nur über neue Schulden zu reden, das zeigt ja ganz deutlich Ihre Ein­stellung. Sie haben sich nie Gedanken darüber gemacht, wie wir Österreich in die Zu­kunft bringen können und wie wir den erfolgreichen Weg, den wir die letzten zwei Jahre eingeschlagen haben, weitergehen können. Wir von der ÖVP haben hier eine klare Antwort darauf, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Ich möchte auch den Bundesrechnungsabschluss 2018 dafür nützen, den eingeschla­genen Weg zu dokumentieren.

Zum ersten Mal darf ich als Vorsitzender des Budgetausschusses allen recht herzlich danken, die mit ihrer Arbeit einen guten Beitrag dazu geleistet haben, dass wir heute diesen Bundesrechnungsabschluss vorliegen haben, dass er dokumentiert ist, dass er bewertet ist. Den Damen und Herren vom Rechnungshof ein Dankeschön, auch von meiner Vorgängerin Angelika Winzig, das möchte ich an dieser Stelle hier betonen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wenn wir uns den Abschluss 2018 anschauen, dann sehen wir ganz deutlich, dass wir beim Nettoergebnis um 3,9 Milliarden Euro unter dem Budgetvoranschlag gelegen sind. Das heißt, wir haben nicht nur gut gewirtschaftet, sondern wir haben auch die richtigen Maßnahmen gesetzt. Ihre Begründung kenne ich schon – es hat eine gute Konjunktur gegeben, es hat das und das gegeben –, aber ich glaube, für eine gute Konjunktur sind in erster Linie die Unternehmer und die Unternehmen verantwortlich, natürlich aber auch die fleißigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die dann ihr Geld wieder in den Privatkonsum investieren, was auch wieder dem Budget zugutekommt. (Zwischenruf des Abg. Schellhorn.) Aber schlussendlich haben wir auch eine Bundes­regierung gehabt, die das erste Mal wieder eine unternehmens- und unternehmer­freundliche Politik gemacht hat, die die Unternehmer wertgeschätzt hat. Und ich glaube, das ist der richtige Ansatz für die Zukunft, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Ist die ÖVP in der Re­gierung?)

Jetzt komme ich zur Schuldenbremse. Wir machen doch nichts anderes als das, was jeder ordentliche Kaufmann und was jede Familie auch macht: Wir geben nicht mehr Geld aus, als wir einnehmen. Damit sagen wir ganz klar, wir wollen eine Politik ohne neue Schulden. Wir wollen deshalb auch diese Schuldenbremse in der Verfassung ver­ankern, nämlich auch aus dem einfachen Grund, weil wir den erfolgreichen Weg der Schuldenbekämpfung weiter fortsetzen wollen: 83 Prozent Verschuldung im Jahr 2016, 78,2 Prozent im Jahr 2017, 73,8 Prozent im Jahr 2018, und im Jahr 2023 wollen wir unter 60 Prozent Staatsverschuldung sein.

Meine Damen und Herren, noch etwas: Eine Schuldenbremse behindert keine Inves­titionen. Das sei einmal ganz deutlich gesagt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der FPÖ.)

Wir wollen einfach, dass mit dem Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler sorg­sam umgegangen wird und dass in die richtigen Maßnahmen investiert wird. Das ist die Politik der ÖVP, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

12.31


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Klubobmann Mag. Bruno Ross­mann. – Bitte.



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12.31.29

Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (JETZT): Frau Präsidentin! (Abg. Hanger: Bru­no, Abschiedsrede?) Herr Finanzminister! Hohes Haus! Egal ob es die Schuldenbrem­se deutschen oder schweizerischen Zuschnitts ist, sie bleibt immer ein politisches und kein ökonomisches Projekt. Sie ist ökonomisch unverantwortlich, weil sie, Herr Kollege Haubner, sehr wohl eine Investitionsbremse ist. (Ruf bei der ÖVP: Stimmt ja nicht!)

Das Projekt ist insbesondere in Zeiten negativer Zinsen auf Staatsanleihen unvernünf­tig, denn jeder, der über Grundkenntnisse der Volkswirtschaftslehre verfügt, muss in Zeiten wie diesen Staatsanleihen begeben, um öffentliche Investitionen durchzufüh­ren – und wir haben einen hohen Investitionsbedarf, insbesondere im Klimaschutzbe­reich.

Die deutschen Ökonomen haben kapiert, dass sie einen Fehler gemacht haben – üb­rigens auch jene, die damals sehr laut für die Schuldenbremse geschrien haben. Heute wollen sie sich davon verabschieden. Einer dieser Ökonomen, der nie Befürworter war, der heute im Sachverständigenrat sitzt, empfiehlt Österreich dringend, davon Abstand zu nehmen. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich habe ein neues Buch gelesen, Carl Christian von Weizsäcker, „Sparen und Inves­tieren im 21. Jahrhundert“, soeben erschienen, und er, auch ein deutscher Ökonom, spricht sich ebenfalls gegen eine Schuldenbremse aus. Warum? Was sind seine The­sen? – Wir haben ein Überangebot an Kapital. Es wird im 21. Jahrhundert zu viel ge­spart und zu wenig investiert, und da gibt es nur eine Lösung (Abg. Hanger: Schulden machen! Schulden machen!): Der Staat muss in die Bresche springen. (Abg. Haubner: Schulden machen!) Der Staat muss sich dauerhaft verschulden. – Carl Christian von Weizsäcker ist kein linker Ökonom, aber einer, der ökonomisch denkt und der die Schuldenbremse einzuordnen weiß. Wenn Sie diese Argumente alle ernst nehmen, dann gibt es nur eines (Abg. Hanger: Schulden machen!): Verschrotten Sie diesen Ini­tiativantrag!

Und da Sie, meine Damen und Herren von FPÖ, ÖVP und NEOS, keine Verfassungs­mehrheit haben, möchte ich an dieser Stelle an die vier sogenannten wilden Abge­ordneten appellieren, diesem Antrag zur Schuldenbremse nicht zuzustimmen!

Da heute mein letzter Parlamentstag ist, möchte ich meine restliche Redezeit dafür be­nutzen, ein paar persönliche Worte des Abschieds zu Ihnen zu sprechen.

Ich bin 2006 als Quereinsteiger, als Budgetexperte in dieses Haus gekommen – mit viel Idealismus, mit viel Kampfgeist. Die Desillusionierung setzte freilich rasch ein. Ich glaube, mich erinnern zu können, es war eine der ersten Sitzungen des Budgetaus­schusses, da kam eine ÖVP-Abgeordnete, spätere Ausschussvorsitzende, auf mich zu und fragte mich, ob ich nichts Besseres zu tun hätte, als durch meine vielen Fragen die Ausschusssitzung unnötig in die Länge zu ziehen. Na bumm, das hat gesessen! Was sie aber nicht ahnen konnte, war, dass das bei mir genau zum Gegenteil und nicht zum gewünschten Erfolg geführt hat. (Abg. Hanger: Aber die Frage war berechtigt!) – Im Gegenteil, Herr Kollege, Sie wissen es genau, das spornte mich an, im Budgetaus­schuss immer wieder kritische Fragen zu stellen (Abg. Hanger: Wir haben leiden müs­sen!), um die Diskussionen zu führen, von denen ich glaube, dass sie notwendig sind.

Daran hat sich bis heute nichts geändert, weil ich stets der Meinung war und bin, dass in den Ausschüssen um Gesetze und Berichte mit gut begründeten Argumenten ge­rungen und gekämpft werden muss, und dafür muss und soll man sich ausreichend Zeit nehmen.

Die Wirklichkeit ist leider eine andere. Die von mir gewünschten Gladiatorenkämpfe, wenn man sie so nennen will, haben in Wirklichkeit nie stattgefunden. Ausschüsse, in


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denen alles schon im Vorfeld abgekartet ist und die Regierung offenbar immer alle Weisheit dieser Welt hat, meine Damen und Herren, sind sinnlos. Dass die Abgeord­neten der jeweiligen Regierungsfraktionen bei diesem abgekarteten Spiel stets mit­spielten, hat mich empört, ist aber leicht erklärbar mit dem Klubzwang, dem Verzicht auf die Ausübung des freien Mandats. Nicht selten führte das dazu, dass Sie in den Ausschüssen nichts anderes taten, als die Meinung des Ministers, Ihres Ministers, zu bekräftigen.

Was mich in den Ausschusssitzungen besonders gestört hat, war der Umgang des Ausschusses, der Regierungsfraktionen mit Oppositionsanträgen und den Vertagun­gen. Was da an Argumenten vorgetragen wurde, war mitunter derart peinlich, dass es schon wehgetan hat.

Ich habe mir daher nicht selten gewünscht, dass Ausschusssitzungen öffentlich wer­den, damit die Leute draußen mitverfolgen können, wie viele schwachsinnige Argu­mente da an Begründungen für die Vertagung von Initiativanträgen, durchaus guten Initiativanträgen, vorgebracht werden. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wenn wir in den Ausschüssen keine sinnvollen Diskussionen führen und das Parla­ment die verlängerte Werkbank der Regierung ist, dann halte ich das für grob fahr­lässig. Ich halte das auch für demokratiepolitisch gefährlich. Demokratie braucht den Diskurs und Demokratie braucht auch Zeit.

Ich wünsche mir, meine Damen und Herren, dass Sie das in Zukunft ändern, denn wenn Sie das nicht ändern, dann geben Sie dem Parlamentarismus keine Chance, dann hat der Parlamentarismus verspielt. Dann wird sich die Frage, wie das Parlament arbeiten kann und soll, irgendwie lösen, aber gewiss nicht in einem guten Sinn.

Wenn dann noch das Kontrollrecht der Abgeordneten durch verwässerte Antworten, Antwortverweigerungen oder gar falsche Antworten der Minister auf parlamentarische Anfragen ausgehebelt wird – in anderen Ländern, etwa in Deutschland, wäre das übri­gens ein Skandal –, dann wird es noch einmal kritischer. Wenn wir also diese Kontroll­rechte nicht ausreichend wahrnehmen können und wenn Sie, meine Damen und Her­ren, das in Zukunft nicht ändern, dann fällt ein wichtiger Grund weg, warum es über­haupt ein Parlament gibt und warum es verfassungsmäßig garantierte Kontrollrechte der Abgeordneten gibt.

Das freie Spiel der Kräfte in den letzten Wochen hat dem Hohen Haus zumindest an­satzweise zu einem lebendigeren Parlamentarismus verholfen. Das hat ein wenig Hoff­nung gegeben, die aber durch die Kritik der Medien, der Wirtschaftsforscher, der Poli­tikberater rasch verflogen ist, da diese stets von der Gefahr teurer Budgetbeschlüsse und schwindender Budgetüberschüsse sprachen: Nein, Politik abseits der Trampelpfa­de mit einer Regierung ohne Mehrheit im Parlament, das darf nicht sein; gut und richtig ist nur, was eine Regierung vorgibt und eine gesicherte Parlamentsmehrheit abnickt.

Ich bin ein leidenschaftlicher Kämpfer für die Demokratie, meine Damen und Herren, und ich werde das bleiben. Ich werde mich weiterhin für die sozial Schwachen ein­setzen. Ich werde für sie weiterkämpfen, denn ich bin der Meinung, dass es noch viel zu tun gibt.

Abschließend bedanke ich mich bei allen, die mich in diesen insgesamt knapp zehn Jahren hier im Hohen Haus begleitet haben, die mich unterstützt haben. Bedanken möchte ich mich im Besonderen bei allen meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Klubs, aber auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dieses Hauses. Ihnen allen wünsche ich persönlich alles Gute. – Vielen Dank. (Allgemeiner Beifall.)

12.39


Präsidentin Doris Bures: Danke vielmals. Ihnen auch alles Gute, Herr Klubobmann!


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Ich möchte Ihnen zur Geschäftsordnungsdebatte, die vorhin stattgefunden hat, bekannt geben, dass mir die Schreiben seitens der Parlamentsdirektion jetzt übermittelt wurden und dass ich die in der Geschäftsordnungsdebatte vorgebrachte Kritik, nämlich dass der angeforderte Prüfbericht zu dem am 1. Mai abgehaltenen Familienfest 2019 dem Parlament nicht vorliegt, so bestätigen kann. Es wird in den Schreiben seitens Bundes­ministerin Patek darauf hingewiesen, dass es sich ihrer Auffassung nach um einen so umfassenden Bericht handelt, dass sie ihn nicht zeitgerecht dem Parlament übermitteln kann. (Abg. Meinl-Reisinger: Geh, das ist ja - -! – Rufe bei SPÖ und NEOS: Das ist ein Skandal! – Abg. Meinl-Reisinger: Das ist ein Skandal!)

Ich würde daher, wenn Sie damit einverstanden sind, die nächste Präsidialkonferenz – und den Präsidenten natürlich – ersuchen, sich mit dieser Frage zu befassen. Ansons­ten ist es aber natürlich ein sehr wichtiges Thema, wie die Exekutive mit der Legisla­tive, die Regierung mit dem österreichischen Nationalrat umgeht, aber das ist ein The­ma, Herr Klubobmann Zinggl, das ich auch in der nächsten Präsidialkonferenz anspre­chen werde – in der Hoffnung, dass so etwas nicht mehr vorkommt.

Nun gelangt Herr Abgeordneter Erwin Angerer zu Wort. – Bitte. (Abg. Duzdar: Wir wol­len den Bericht sehen! – Zwischenruf des Abg. Matznetter. – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)


12.41.26

Abgeordneter Erwin Angerer (FPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Herr Bundesmi­nister! Wir diskutieren unter den ersten drei Tagesordnungspunkten über den Bundes­rechnungsabschluss 2018, über die sogenannte Schuldenbremse und über die verfas­sungsmäßige Verankerung des Bargeldes als Zahlungsmittel. Es ist mir schon klar, dass die Opposition über den Bundesrechnungsabschluss 2018 nicht viel reden möch­te, weil er ein sehr gutes Zeugnis für die türkis-blaue Regierung mit den Ministern Lö­ger, Faßmann, Kickl, Hofer, Staatssekretär Fuchs, und wie sie alle geheißen haben ist. Er ist ein gutes Zeugnis, diese Bundesregierung hat gezeigt, wie man mit Steuergeld verantwortungsvoll umgehen kann. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sparen im System war das Motto, und es ist auch gezeigt worden, dass man im Sys­tem sparen kann. So hat man im betrieblichen Sachaufwand über 300 Millionen Euro eingespart, im Personalaufwand 90 Millionen Euro und bei Verwaltungstätigkeiten 326 Millionen Euro – das bedeutet Einsparungen von über 700 Millionen Euro. Man hat im Jahr 2018 ein Nettoergebnis von minus 0,5 Milliarden Euro erzielt. Für 2019 ist erst­mals ein Nulldefizit angepeilt.

Jetzt war das Argument der Oppositionsparteien immer: Ja, die gute Wirtschaft, die Wirtschaftsdaten! – Wenn wir uns die Wirtschaftsdaten in den Jahren 2018 und 2017 mit einem durchaus guten Wachstum von 2,7 Prozent und 1,7 Prozent anschauen und diese mit jenen in den Jahren davor vergleichen (eine Grafik mit der Überschrift „Wirt­schaftswachstum 1996 – 2020, Veränderung des realen BIPs“ in die Höhe haltend), beispielsweise in der Zeit von Vranitzky zwischen 1989 und 2000, als wir ein Wirt­schaftswachstum von 3,6 Prozent, 3,6 Prozent und 3,4 Prozent hatten, dann müssen wir sagen, um in der Feuerwehrsprache von Frau Meinl-Reisinger zu bleiben – weil diese in einer Diskussion vor Kurzem einmal gemeint hat, heuer hätte ja ein Hydrant ein Nulldefizit zustande gebracht –, dass in der Zeit davor, unter Vranitzky, wohl auch ein Fußbekleidungsstück eines Feuerwehrmannes ein Nulldefizit hätte zustande brin­gen müssen; aber im Gegenteil, es sind damals Schulden gemacht worden! (Abg. Duz­dar: ... in den Sechzigerjahren!)

Dieser Reformweg, den wir eingeschlagen haben, muss fortgesetzt werden. Es muss das Geld aus der Verwaltung heraus, es braucht eine Föderalismusreform, es braucht das Geld dort, wo es hingehört, nämlich zu den Menschen, zu den Bürgern.


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Deshalb gab es heute auch schon eine Diskussion über die Mieten. Wir haben die Mietvertragsgebühr abgeschafft, dieses Geld kommt direkt beim Mieter an. Wir haben mit dem Familienbonus Plus die Familien gestärkt, wir haben die Steuern für die Ge­ringverdiener gesenkt, wir haben faire Pensionsanpassungen, von denen die Sozialde­mokraten in den letzten Jahren nur geträumt haben, vorgenommen. Es gibt die Min­destpension von 1 000 Euro für jene, die mindestens 30 Jahre gearbeitet haben, von 1 200 Euro für jene, die mindestens 40 Jahre gearbeitet haben. (Zwischenrufe der Ab­geordneten Heinisch-Hosek und Loacker.) Nach 45 Jahren Arbeit kann man ab­schlagsfrei in Pension gehen. Das haben sich die Menschen, die fleißig für dieses Land gearbeitet haben, verdient. (Beifall bei der FPÖ.)

Keine NoVA für die Behinderten, Sozialversicherungsbonus für die Kleinstverdiener und, und, und – das ist soziale Politik, von der bei den Sozialdemokraten in den letzten Jahren vieles auf der Strecke geblieben ist.

Wir stehen dazu: Wir wollen keine neuen Schulden machen. Das heißt, wir wollen bei den Schulden auf der Bremse stehen, aber bei den Steuersenkungen Gas geben. Die wahrhaftige Schuldenbremse sitzt nämlich in diesen Reihen (in Richtung FPÖ wei­send), das ist Hubert Fuchs. Er steigt bei den Schulden auf die Bremse, aber dafür gibt er bei den Steuersenkungen ordentlich Gas, wie ein Rennfahrer. Das ist sein Zugang. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn wir uns die Schuldenbremse noch einmal anschauen, dann wird klar: Es ist gar nichts Schlimmes, was heute hier beschlossen wird. Das gibt es ja alles schon, es wird jetzt nur in den Verfassungsrang und somit für den Föderalismus, den wir in Österreich haben, für alle auf die gleiche Ebene gehoben. Bis zu einer Höhe von 0,35 Prozent des BIPs kann der Bund weiterhin Schulden machen, Länder und Gemeinden bis zu 0,1 Prozent des BIPs, und diese Grenzen sind noch mit Ausnahmeregelungen verse­hen, sodass man im Hinblick auf den Konjunkturfaktor oder bei Naturkatastrophen oder in Notsituationen entsprechenden Spielraum hat. Dieser Spielraum ist also auch wei­terhin gegeben.

Vielleicht am Schluss auch noch ein Wort zum Bargeld in der Verfassung: Das Recht auf Bargeld ist auch eine langjährige freiheitliche Forderung. Der bargeldlose Weg oder die bargeldlose Welt führt zum gläsernen Menschen, und das wollen wir nicht, denn wir Freiheitliche stehen für Selbstbestimmung und Freiheit. Deshalb haben wir schon lan­ge verlangt, dass das in die Verfassung kommt, und dieser Beschluss steht heute auch auf der Tagesordnung.

Wer diesen Reformweg mit uns weitergehen möchte, möge bitte am kommenden Sonntag ein Kreuzerl an der richtigen Stelle, und das ist bei der FPÖ, machen. – Dan­ke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

12.46


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr.in Sonja Hammerschmid. – Bitte.


12.46.40

Abgeordnete Mag. Dr. Sonja Hammerschmid (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Herr Angerer, jetzt habe ich gerade überlegt, ob ich eine völlig andere Rede halten soll, weil Sie mir so viel Anlass zur Reaktion geben, aber ich tue das bewusst nicht. Nur eines sei an dieser Stelle gesagt: Die sozialen Errungenschaften der Sozialdemokratie kleinzureden, das gelingt Ihnen nicht! Das können Sie noch so oft sagen, das gelingt Ihnen nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Zurück zum heutigen Thema: Ich glaube, dass wir uns in diesem Hause bei Budget- und Finanzpolitik nicht immer einig sind; was uns aber eint – und das zu sagen kann


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 79

ich, glaube ich, schon vertreten –, ist, dass wir alle wollen, dass wir hier im Hause eine verantwortungsvolle Budgetpolitik machen (Abg. Hanger: Das ist interessant!), eine Budgetpolitik für heute und auch für die zukünftigen Generationen. (Abg. Hanger: Ah?) Der Weg dorthin und die Frage, welche Maßnahmen wir setzen, trennen uns, glaube ich, ein Stück weit, aber darin, Österreich in die Zukunft bringen zu wollen, lieber Kolle­ge Haubner, sind wir uns, glaube ich, jedenfalls einig.

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten stehen für fakten- und evidenzbasierte Politik. Schauen wir uns daher die Fakten und die Befunde zur Schuldenbremse, und zwar zur deutschen Schuldenbremse – diese war ja das Vorbild für die österreichische Schuldenbremse, die wir heute hier zu diskutieren haben – einmal an! Die deutsche Schuldenbremse wurde evaluiert, ihr wurde auf den Zahn gefühlt, die Wissenschaft hat sich ausgiebig damit beschäftigt, und die Wissenschaft spricht eine klare Sprache: Die Schuldenbremse war eine politische Fehlentscheidung. (Beifall bei der SPÖ.)

Derzeit versuchen die deutschen Kollegen, aus dieser Falle wieder herauszukommen, und würden sich wünschen, sie nicht beschlossen zu haben, denn diese Schulden­bremse ist eine Investitionsbremse, eine Wachstumsbremse, eine Zukunftsbremse und eine, die noch dazu zum falschen Zeitpunkt angezogen wird.

Warum? – Weil sie, und das war heute auch schon Thema, keine Zukunftsinvestitionen zulässt, auch nicht jene, die vor allem heutzutage enorm wichtig sind: Investitionen in den Klimaschutz, Investitionen in Bildung, in Schulbau – liebe Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, die hier im Saal sitzen, das trifft auch euch –, Kindergartenbau und In­frastruktur. Diese Schuldenbremse ist ein Instrument, das man in guten Zeiten nicht braucht und das in schlechten Zeiten viel Schaden anrichtet.

Wenn wir darüber diskutieren und sagen – Kollege Haubner hat es vorhin auch getan ‑, wir wollen diese Investitionen in Klimaschutzmaßnahmen und in Schulen natürlich auch: Ja, eh, aber wenn wir von einer Null reden, dann sagt das jedem mit Hausver­stand, wenn sich Einnahmen und Ausgaben auf null ausgehen sollen, muss man es von irgendwo anders wegnehmen. (Abg. Haubner: Eh! Muss man halt sparen, wo es sinnvoll ist!) Wir reden da ja von keinen kleinen Investitionen, denn Klimaschutz, Schulbau, das kostet immens viel Geld. Wo nimmt man es dann weg? Vielleicht bei den Sozialleistungen? Das kann ich mir bei euch schon vorstellen! (Abg. Haubner: ... ausbauen!) Das ist der erste Hebel, der euch immer einfällt: bei den Sozialleistungen zu reduzieren, Einschnitte zu machen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wer ist dann am meisten betroffen? – Die Ärmsten in unserem Land! Auf deren Rü­cken wird wieder einmal Politik gemacht. (Abg. Haubner: Wir können viele Doppelglei­sigkeiten abbauen!) Das wollen wir nicht zulassen, und das ist auch nicht nur unser Thema, sondern zum Beispiel hat auch die Europäische Zentralbank erst vor zwei Wo­chen, als sie den Leitzinssatz wieder gesenkt hat, gesagt: Bitte, liebe Mitgliedstaaten, wirkt der sich verlangsamenden wirtschaftlichen Entwicklung entgegen und investiert! Setzt bewusst Investitionen um!

Wollen wir uns wirklich das Instrument, das Werkzeug aus der Hand nehmen lassen, das es uns ermöglicht, antizyklisch zu investieren, wenn wir es brauchen? – Natürlich soll dies mit Maß und Ziel erfolgen. Und als kleines Detail am Rande: Wir haben schon jetzt eine einfachgesetzliche Schuldenbremse, und wir haben EU-Fiskalregeln. Die könnten wir ja auch beachten!

Wir brauchen keine verfassungsrechtlich verankerte Schuldenbremse. Nehmen wir uns selbst ernst, auch wenn es darum geht, wie wir investieren! – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

12.50



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 80

Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Klubobfrau Mag.a Beate Meinl-Reisinger. – Bitte.


12.50.57

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuschauerinnen und Zuschauer! Zunächst möchte ich mich einmal in Richtung der ÖVP, der Österreichischen Volkspartei wenden, weil sie sich ja heute selber dafür be­klatscht, dass sie so sorgsam und umsichtig mit dem Haushalt, mit dem Budget um­geht:

Mit den gleichen Händen, mit denen Sie sich heute im Zusammenhang mit dem Rech­nungsabschluss und der Schuldenbremse selber beklatschen, haben Sie letzte Woche Beschlüsse beklatscht – Sie haben diese leider auch mitgetragen –, die nachweislich unseren Haushalt massiv belasten werden, die ein Schlag ins Gesicht der Steuerzah­lerinnen und Steuerzahler, ein Schlag ins Gesicht der jungen Menschen, ein Schlag ins Gesicht der Beitragszahler sind. (Beifall bei den NEOS.)

Um Ihnen das zu verdeutlichen, haben wir uns das angeschaut – ich weiß, dass auch der Herr Finanzminister mittlerweile Berechnungen dazu angestellt hat –, nämlich die Kosten der Wahlkampfzuckerl, die letzten Donnerstag beschlossen wurden, kumuliert über die nächsten Jahre. Hier sehen Sie (eine Grafik unter dem Titel „Kosten der Wahl­kampfzuckerl in Mio Euro“, die in Form eines Säulendiagramms deren Höhe für die Jahre 2020 bis 2040 darstellt, in die Höhe haltend), dass wir Maßnahmen beschlossen haben, die vor allem auch in die Zukunft hinein wirken und eine Dynamik erzeugen werden, sodass wir in zehn Jahren bereits bei kumulierten Mehrkosten von 40 Milliar­den Euro sind.

Also, sehr geehrte Volkspartei, wie Sie sich heute für eine ordentliche Haushaltspolitik beklatschen können, aber bei diesen Wahlzuckerln mitmachen, die sogar den Sozial­demokraten in Schweden zu links gewesen wären, das müssen Sie Ihren Wählerinnen und Wählern erst einmal erklären! (Beifall bei den NEOS.)

Ich möchte an dieser Stelle noch einmal klar sagen, dass wir NEOS selbstverständlich dafür eintreten, dass sich unsere Pensionistinnen und Pensionisten darauf verlassen können, dass der Kaufkraftverlust, der durch die Inflation entsteht, ordentlich abgegol­ten wird. Ich glaube, das ist eine Frage nicht nur der Fairness und der Gerechtigkeit, sondern auch des Anstands. (Zwischenruf des Abg. Hanger.)

Aber wofür wir auch kämpfen, ist, dass nicht weiter Alt gegen Jung ausgespielt wird, wie Sie das letzten Donnerstag gemacht haben, indem Sie den Generationenvertrag, der Österreich stark gemacht hat, nicht nur biegen und dehnen, dass er kaum mehr tragfähig ist, sondern in Wahrheit aufgekündigt haben.

Angesichts dessen wende ich mich heute an die Beitragszahlerinnen und Beitrags­zahler und muss sagen: Schade, Sie werden diese Beschlüsse zu zahlen haben! Ich wende mich heute an die jungen Menschen und muss ihnen sagen: Ihr könnt euch nicht darauf verlassen, dass eure Pensionen gesichert sind! Ich wende mich heute an Forscherinnen und Forscher und sage: Schade, der Spielraum für eure gesicherten Forschungsbedingungen ist auch ein Stück weit dadurch schmäler geworden, dass letzte Woche wieder einmal diese Wahlzuckerl verteilt wurden! Und Ihnen (in Richtung ÖVP), die Sie hier immer ganz eindringlich vor einer linken Mehrheit warnen, muss man wirklich sagen: Sie sind in bester, in einhelliger Gemeinsamkeit mit der Sozialde­mokratie, wenn es darum geht, Geld zu verteilen! (Beifall bei den NEOS.)

Umso froher bin ich über diese Schuldenbremse. Die Sozialdemokratie sollte sich in ihrer diesbezüglichen Argumentation ein bisschen einig werden, denn auf der einen Seite zu sagen, das wäre ein Gag und eh nicht notwendig, weil man ohnedies bereits


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 81

eine einfachgesetzliche Regelung hätte und es ja auch der Stabilitätspakt so vorsehen würde, auf der anderen Seite aber zu sagen, dies sei das Schlimmste, das überhaupt passiere, weil dann keine Investitionen mehr möglich seien, das ist nicht ganz konsis­tent. Also entweder gilt das eine, dann ist es nur noch – und das ist wichtig und rich­tig – eine Verankerung jetzt auch in der Verfassung, die dann auch für Länder und Ge­meinden gilt – und das wollen wir –, oder es ist Teufelszeug – was Sie ja heute auch nicht wirklich argumentieren konnten, weil Investitionen selbstverständlich weiterhin möglich sein werden.

1 Prozent des Haushalts ist der Beitrag der Nettoinvestitionen, und es ist kein Ge­heimnis, dass wir NEOS uns wünschen, dass dieser Prozentsatz höher ist, wenn es um Forschung geht, wenn es um Bildung geht, wenn es um Innovation geht und auch wenn es um Infrastrukturmaßnahmen wie zum Beispiel Breitbandausbau geht. Das sind nämlich die Maßnahmen, die wir setzen müssen, um in der Zukunft erfolgreich zu sein – aber nicht weitere Schulden machen zulasten der Steuerzahlerinnen und Steu­erzahler. (Beifall bei den NEOS.)

Ich möchte aber jetzt noch ganz kurz auf etwas anderes zu sprechen kommen, weil ja der Wahlkampf immer die Zeit der Beschwörungen ist, was man nicht alles wollte und schon auf den Weg gebracht hätte und auch wirklich machen wollte. Letzten Sonntag hatten wir Elefantenrunde im Privatfernsehen, und da wurde auch die Frage nach der Schaffung eines Informationsfreiheitsgesetzes gestellt, der Abschaffung des Amtsge­heimnisses und der Schaffung eines umfangreichen Informationsfreiheitsgesetzes, das es endlich den Bürgerinnen und Bürgern ermöglicht, wenn Sie so wollen, auch die Mächtigen zu kontrollieren, der Politik auf die Finger zu schauen. Nicht einmal das Par­lament kann einen Bericht über Ihr Familienfest bekommen – ich will, dass jede Bür­gerin und jeder Bürger im Ministerium einen Bericht über Ihr Familienfest bekommen kann! (Beifall bei den NEOS.)

Und weil da alle so hübsch das Taferl mit der Antwort „Ja“ in die Höhe gehalten haben, nehme ich Sie jetzt beim Wort und bringe heute – technisch ist es nicht anders mög­lich – einen Entschließungsantrag ein, kündige aber jetzt schon an, dass – wir sind mit dem Forum Informationsfreiheit bereits im Austausch – der erste Antrag, der von uns in der allerersten Sitzung der neuen Legislaturperiode eingebracht werden wird, ein Ge­setzesantrag zu einem Informationsfreiheitsgesetz sein wird.

Der heutige Antrag lautet wie folgt:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betref­fend „Tatsächliche Erarbeitung eines Bundesgesetzes über die Informationsfreiheit“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat einen Gesetzesentwurf vor­zulegen, welcher die Amtsverschwiegenheit abschafft und eine Verfassungsbestim­mung zu einer umfassenden Informationsfreiheit erlässt.“

*****

Wir NEOS wollen den gläsernen Staat, übrigens auch die gläsernen Parteien, und nicht den gläsernen Bürger! – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

12.56

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 82

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger‚ MES, Dr. Nikolaus Scherak‚ MA, Kolle­ginnen und Kollegen

betreffend Tatsächliche Erarbeitung eines Bundesgesetzes über die Informationsfrei­heit

eingebracht im Zuge der Debatte in der 89. Sitzung des Nationalrats über den Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 928/A der Abgeordneten August Wöginger, MMag. DDr. Hubert Fuchs, Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und das Bundesverfassungsgesetz über Ermächtigungen des Österreichischen Ge­meindebundes und des Österreichischen Städtebundes geändert werden (685 d.B.) – TOP 2

In kaum einem Bereich ist die Republik dermaßen rückständig, wie im Umgang der staatlichen Stellen mit Informationen. Das aus der Monarchie stammende Amtsge­heimnis ist in keiner Weise mehr zeitgemäß. Was nicht ausdrücklich veröffentlicht wer­den muss, ist in Österreich grundsätzlich geheim. Österreich liegt daher im "Global Right to Information Ranking" auf Platz 122 von insgesamt 123 überprüften Staaten.

Dabei ist Transparenz und freier Zugang zu allen Informationen staatlicher Stellen das beste Mittel gegen Korruption und Steuergeldverschwendung. Aus diesem Grund be­nötigt es eine Verpflichtung zur Veröffentlichung von Informationen von allgemeinem Interesse und ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht auf Zugang zu diesen Informationen. Dadurch wird auch eine sparsame, wirtschaftliche und zweckmäßige Gebarung der Gebietskörperschaften erwirkt.

In Schweden wurde ein solches Prinzip der Informationsfreiheit bereits 1766 in der Ver­fassung festgeschrieben und zahlreiche andere europäische Staaten sind diesem Bei­spiel gefolgt. Mittlerweile besteht auch ein Konsens aller Parteien, dass das Amtsge­heimnis abzuschaffen und durch umfassende Informationsfreiheit zu ersetzen ist. Trotzdem konnte bisher keine parlamentarische Mehrheit für einen bestimmen Entwurf gefunden werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat einen Gesetzesentwurf vor­zulegen, welcher die Amtsverschwiegenheit abschafft und eine Verfassungsbestim­mung zu einer umfassenden Informationsfreiheit erlässt."

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Peter Pilz. – Bitte.


12.56.54

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (JETZT): Werte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Bruno, jetzt auch noch von mir persönlich alles Gute! Du wirst auch aus einem ganz beson­deren Grund fehlen: weil es ohne versierte Ökonomen wie dich noch leichter möglich ist, einen Unsinn wie eine Schuldenbremse in der Verfassung in diesem Haus ernsthaft zu diskutieren beziehungsweise dann auch zu beschließen.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 83

Wir beide genießen das Privileg, eine ökonomische Ausbildung zu haben und Ökono­men zu erklären: Dass eine Schuldenbremse in der Verfassung in der Konjunkturpolitik auch nur irgendeine Funktion haben könnte, ist dermaßen absurd, dass sich nicht nur ganze ökonomische Fakultäten ratlos wegdrehen, wenn Derartiges im Parlament dis­kutiert wird.

Da gibt es halt einen Unterschied zwischen den Fraktionen: Bei uns ist – und das ist kein Zufall – der Anteil der Ökonomen in der Fraktion relativ groß, weil wir immer ge­wusst haben, dass wirtschaftliche Kompetenz eine große Rolle spielt. (Abg. Meinl-Rei­singer: Sie lachen! Nicht lachen!)

Und dann gibt es andere Fraktionen, die ständig von Wirtschaft reden, obwohl etwa Altkanzler Kurz oder auch Kollegin Meinl-Reisinger noch keine Minute, nicht einmal ei­ne Sekunde in irgendeiner Tätigkeit in der freien Wirtschaft oder in irgendeinem Un­ternehmen verbracht haben. Das sind lupenreine Parteikarrieren! (Abg. Hafenecker: Wie war das bei Ihnen, Herr Kollege?)

Das sind lupenreine Parteikarrieren – ja, warum nicht, auch Partei muss man lernen. (Abg. Hanger: Wissen Sie, was der Keynes sagt, zum Beispiel?) Aber wenn man Par­tei gelernt hat, wie Sebastian Kurz oder Beate Meinl-Reisinger, dann soll man nicht so tun, als hätte man die ganze Zeit die Luft der freien Märkte geatmet. (Abg. Meinl-Rei­singer: Herr Pilz, seien Sie nicht neidisch!) Und jetzt sage ich Ihnen noch etwas Zweites, Frau Meinl-Reisinger (Abg. Meinl-Reisinger: Ich weiß schon, das erfordert nämlich auch Team...!), bevor Sie sich zu sehr aufregen:

Stellen Sie sich einmal vor, wir schreiben alles in die Verfassung hinein, was sich Ös­terreichs Wirtschaft wünscht. Wissen Sie, was angesichts der Klimakrise der größte Wunsch der österreichischen Wirtschaft ist? – Sichere Schneelage. Sollen wir jetzt in die Verfassung sichere Schneelage hineinschreiben, und so weiter und so fort? (Abg. Rossmann – erheitert –: Natürlich!) – Natürlich, ja. Irgendwann wird es so weit kom­men: Schuldenbremse in die Verfassung, Bargeld in die Verfassung, demnächst wahr­scheinlich Bankomaten in die Verfassung und dann noch schneesichere Winter in die Verfassung! Die Verfassung kann nicht kompensieren, was sogenannte Wirtschafts­parteien nicht zusammenbringen! Das ist einfach ein Faktum! (Beifall bei JETZT.)

Wenn Sie wirtschaftspolitisch versagen, dann versuchen Sie nicht, durch Verfassungs­theater davon abzulenken! – Das ist das Erste. (Präsidentin Kitzmüller übernimmt den Vorsitz.)

Das Zweite: Dieser Antrag trägt drei Namen, und einer dieser Namen ist Hubert Fuchs. Hubert Fuchs hat vielfältige Talente. Er ist ja nicht nur einer der geistigen Väter dieser seltsamen ökonomischen Vorstellungen, sondern, wenn ich richtig informiert bin, auch Beschuldigter im Novomatic-Strafverfahren. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsan­waltschaft ermittelt hier. Er hat – ich weiß nicht, aufgrund seiner Verdienste bei den Zahlungsflüssen von Novomatic an die FPÖ oder aufgrund seiner Verdienste als Staatssekretär – den Listenplatz drei für die Freiheitliche Partei auf der Bundesliste. Listenplatz vier in Wien hat ein anderer freiheitlicher Abgeordneter, Herr Markus Tschank. Der ist aber nicht Beschuldigter im Novomatic-Verfahren, sondern Beschul­digter im Ibizaverfahren, und Sie finden dort überall: beschuldigt, Hausdurchsuchung und so weiter.

Und jetzt frage ich Sie, Herr Parteiobmann Hofer, und die Freiheitliche Partei: Können Sie uns überhaupt garantieren, dass alle freiheitlichen Abgeordneten, die am 29. Sep­tember gewählt werden, am Tag der Konstituierung des neuen Nationalrates überhaupt noch auf freiem Fuß sind? (Abg. Brückl: Das sagt der Pilz!) Können Sie uns das ga­rantieren? Für welche Abgeordneten von der Freiheitlichen Partei in diesem Haus können Sie garantieren, dass sie nichts mit illegaler Parteienfinanzierung zu tun hatten


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(Abg. Hafenecker: Wie viele Verfahren haben Sie anhängig? – Ruf bei der FPÖ: Alle!), dass sie nichts von den Sporttaschen von H.-C. Strache wussten, die, wie in dieser anonymen Anzeige, die von der WKStA bearbeitet wird, steht, mit ukrainischen Millio­nen vollgestopft waren, um ein freiheitliches Mandat in Wien erfolgreich zu kaufen? (Abg. Hafenecker: Wie viele Verfahren werden gegen Sie wieder aufgenommen, wenn Sie wieder draußen sind?)

Ich sage Ihnen eines: Schreiben Sie keine Schuldenbremse in die Verfassung, sondern schreiben Sie extra für FPÖ und ÖVP eine Korruptionsbremse in die Verfassung! Das wäre wesentlich sinnvoller.

Herr Fuchs, Sie spielen da am Handy. Sie machen das Gleiche, das normalerweise der Altkanzler in für ihn etwas unangenehmen Situationen tut. (Abg. Stefan: Er ist we­nigstens anwesend! – Abg. Brückl: Das ist letztklassig!) Auch wenn Sie jetzt ins Handy hineinkönnten, Sie können sich diesen Aufklärungen nicht entziehen! Stück für Stück kommt alles heraus und Stück für Stück wird klarer, welche Partei sich hier der Wahl stellt! (Abg. Hafenecker: Wie viele Verfahren werden gegen Sie jetzt wieder aufge­nommen, Herr Kollege?)

Sie waren einmal die Partei der Anständigen und Tüchtigen. Heute sind Sie die Partei der Abgängigen und Flüchtigen und stellen sich als diese der Nationalratswahl. (Beifall bei JETZT. – Abg. Hafenecker: Sie werden jetzt ein paar Jahre in Innsbruck wohnen, im Landesgericht!)

Das, meine Damen und Herren, sollen alle wissen, und versuchen Sie eine Sekunde lang, das, was hier passiert, vom Schuldenbremsentheater bis zu Ihren Korruptions­affären, aus der Sicht von 1,3 Millionen freiheitlichen Noch-Wählerinnen und -Wählern zu sehen: Menschen, die oft eine Mindestpension haben, Menschen, die oft nicht wis­sen, wie sie nächsten Monat über die Runden kommen. Und denen muten Sie ein 10 000-Euro-Spesenkonto zu? Und dann noch ein Spesenkonto und dann 10 Millionen Euro in der Sporttasche aus der Ukraine und, und, und? (Abg. Hafenecker: 10 Millio­nen – gibt es eigentlich so eine große Sporttasche?) Und denen sagen Sie über Ihre Sozialministerin: Ja, mit 150 Euro im Monat kann man ohne Weiteres auskommen?!

Ihr Parteiobmann, Ihr Ex-Parteiobmann, den Sie möglicherweise in den nächsten Ta­gen als letzte Rettungsmaßnahme aus der FPÖ ausschließen werden, Ihr Parteiob­mann kommt mit 150 Euro nicht einmal 10 Minuten aus! So schauts in der FPÖ aus! Und wenn dann Ihre höchsten Funktionäre mit Designertaschen und Designeranzügen und Designerschuhen und Spesenkonto und Mercedes-Geländewagen vorfahren und sagen: Heute vertreten wir im Parlament wieder den kleinen Mann!, dann sind Sie nicht nur eine Lachnummer, sondern längst ein Fall für die Wirtschafts- und Korruptions­staatsanwaltschaft! (Beifall bei JETZT.)

Deswegen ist es allerhöchste Zeit, dass wir speziell für die Freiheitliche Partei, aber auch für die Österreichische Volkspartei eine einzige Bremse nicht in die Verfassung, sondern ins Strafgesetzbuch bringen, durch Strafbarkeit für illegale Parteienfinanzie­rung, durch Strafbarkeit für Spendenwäsche und durch Strafbarkeit für Mandatskauf, nämlich eine Korruptionsbremse gegen Türkis und Blau, eine Korruptionsbremse ge­gen die beiden Ibizaparteien. – Danke schön. (Beifall bei JETZT.)

13.04


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Gerstl. – Bitte.


13.04.58

Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich darf unter diesen Tagesordnungspunkten zum Thema Bargeld in der Verfassung reden. Ja, warum ist das grundsätzlich ein wichtiges Thema? – Es ist erst


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wenige Jahre oder wenige Monate her, dass immer wieder von Volkswirten in der Eu­ropäischen Union darüber geredet worden ist, das Bargeld zu verbieten. Dahinter steckt eine alte Auffassung des Keynesianismus, einer Wirtschaftstheorie, die lautete: Wer mehr Geld ausgibt, sorgt für mehr Wohlstand. (Abg. Jarolim: Keine Unsachlich­keiten!) Doch das, meine Damen und Herren, ist nicht das, was das Ziel sein kann, und das ist auch nicht das, was Wohlstand schafft.

Die Absicht dieser Ökonomen in der EU war, dass nicht nur die Banken, die ihr Geld bei der Europäischen Zentralbank lagern, dafür Negativzinsen zahlen, sondern dass auch der einzelne, kleine Sparer auf seinem Konto Negativzinsen zahlen muss. – Nein, meine Damen und Herren, das wollen wir nicht!

Wir wollen im Gegenteil auch sicherstellen, dass Wohlstand durch wirtschaftliche Leis­tung geschaffen wird – und er kann auch nicht anders geschaffen werden als durch wirtschaftliche Leistung. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir müssen diesen gefährlichen Experimenten von selbst ernannten, sogenannten Volkswirten, die den Keynesianismus ganz nach vorne treiben, wirklich einen Riegel vorschieben. Es ist daher wichtig, dass wir Bargeld auch für die Zukunft sichern und dass wir den einzelnen Menschen nicht in die Abhängigkeit von elektronischem Zah­lungsverkehr bringen.

Denken Sie nur ganz einfach daran, dass eine Großmutter ihrem Enkerl 5 Euro für das Sparschwein geben möchte! Warum soll es verboten sein, Minderjährigen vielleicht auch Bargeld zu geben? – Nein, meine Damen und Herren, da müssen wir einen Schran­ken einziehen.

Oder denken Sie an die Situation, dass es auf einmal zu einem großflächigen Strom­ausfall kommen kann! Was dann? Wie wickeln wir dann unseren Zahlungsverkehr ab? Wie können wir dann ein Wirtschaftsleben aufrechterhalten, wenn es kein Bargeld gibt? – Ja, meine Damen und Herren, es ist einfach wichtig, das Bargeld im Zahlungs­verkehr bestehen zu lassen.

Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kol­legen

zum Antrag 870/A der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Staatsgrundgesetz über die all­gemeinen Rechte der Staatsbürger geändert wird

Der Nationalrat wolle in 2. Lesung beschließen:

Der oben bezeichnete Antrag wird wie folgt geändert:

Die Z1 lautet:

Der bisherige Text des Art. 5 erhält die Absatzbezeichnung (1) und folgender Abs. 2 wird angefügt:

„(2) Die Verwendung von Bargeld als gesetzliches Zahlungsmittel wird keinen Ein­schränkungen unterworfen, soweit die Natur des Rechtsgeschäfts, die Bekämpfung der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung oder die Verkehrsübung nicht eine Erfüllung auf anderem Weg erfordern.“

*****


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Meine Damen und Herren! Ja, man kann über den Text vielleicht noch reden – weil mich der Kollege von der SPÖ auch diesbezüglich angeredet hat. Ich denke, er ist jetzt mithilfe von Verfassungsrechtlern umfassend abgeklärt. Man kann damit leben. Ich bin aber gerne bereit, bis zur Abstimmung auch noch weiterzudiskutieren, weil es mir einfach wichtig erscheint, dass wir diesen Freiheitsbegriff Bargeld auch wirklich absi­chern.

Wir haben das über den Antrag der FPÖ nun im Staatsgrundgesetz verankert. Darüber kann man sicher reden, ob das Staatsgrundgesetz dafür der richtige Zugang ist, aber vielleicht ist der Zugang, das im Artikel 5 des Staatsgrundgesetzes zu tun, gar nicht so schlecht, denn da geht es um die Eigentumsfreiheit, und das ist ja beim Bargeld auch etwas ganz Wichtiges, nämlich insofern, als wir die Verwendung von Bargeld eigentlich mit der Eigentumsfreiheit gleichsetzen können. Eigentumsfreiheit ist eine Säule des bürgerlichen Liberalismus, und man könnte auch sagen, Bargeld ist eine Säule des bürgerlichen Liberalismus.

Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie, mitzuhelfen und zu schauen, dass wir hier eine Verfassungsmehrheit zusammenbringen, für die Menschen in Österreich, die das Bar­geld abgesichert haben wollen, die das Bargeld als Ausdruck ihrer Wahlfreiheit sehen, ob man nun mit Bargeld oder elektronisch zahlt. Ich glaube, dass es ein wichtiger Grundsatz für Österreich ist, dass wir das Bargeld auch als gelebten Datenschutz se­hen.

Abschließend darf ich noch einen Satz zu dem Antrag der NEOS betreffend Infor­mationsfreiheit anbringen. Auch diesem Antrag werden wir zustimmen, weil Transpa­renz für uns eine Voraussetzung für gelebte Demokratie ist. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

13.09

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Harald Stefan

Kolleginnen und Kollegen

zum Antrag 870/A der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger geändert wird

Der Nationalrat wolle in 2. Lesung beschließen:

Der oben bezeichnete Antrag wird wie folgt geändert:

Die Z1 lautet:

Der bisherige Text des Art. 5 erhält die Absatzbezeichnung (1) und folgender Abs. 2 wird angefügt:

„(2) Die Verwendung von Bargeld als gesetzliches Zahlungsmittel wird keinen Ein­schränkungen unterworfen, soweit die Natur des Rechtsgeschäfts, die Bekämpfung der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung oder die Verkehrsübung nicht eine Erfüllung auf anderem Weg erfordern.“

Begründung:

Gemäß Art. 3 Abs. 1 lit c AEUV kommt zwar der Union die ausschließliche Kompetenz zur Regelung des Bereichs der Währungspolitik zu, die unionsrechtlichen Vorschriften


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überlassen den Mitgliedstaaten jedoch einen Spielraum zur rechtlichen Ausgestaltung des Umgangs mit Bargeld im Geschäftsverkehr. Davon ist auch eine nationale Be­stimmung im Verfassungsrang gedeckt, die eine Stärkung der Annahmeverpflichtung von Bargeld bewirken soll.

Eine Verfassungsbestimmung kann somit einen in die Zukunft reichenden Schutz ge­genüber einfachgesetzlichen Einschränkungen der Verwendung von Bargeld bilden, die sich nicht schon aus dem Unionsrecht ergeben. Nur mit einer Mehrheit von zwei Dritteln in Anwesenheit der Hälfte der Mitglieder des Nationalrats könnte von der ver­fassungsrechtlichen Absicherung des Bargeldes abgewichen werden.

Eine innerstaatliche Vorschrift darf allerdings nicht dem Unionsrecht widersprechen. Es ist daher notwendig, verschiedene Beschränkungen wie nach der „Verkehrsübung“ von der Anwendbarkeit des vorgeschlagenen Grundrechtes ausdrücklich auszunehmen. Dies betrifft vor allem bestehende innerstaatliche Vorschriften wie § 1 Eurogesetz, § 61 Abs. 2 Nationalbankgesetz oder das Scheidemünzengesetz, welche im Wesentlichen den unionsrechtlichen Zustand nochmals klarstellend wiederholen.

*****


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Der soeben eingebrachte Antrag wurde ordnungs­gemäß eingebracht, ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Matznetter. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.10.01

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminis­ter! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Hohen Haus! Ein Teil dessen, was wir hier vorliegen haben, ist unspektakulär, nämlich TOP 1: der Bundesrechnungsab­schluss für das Jahr 2018. Ich weiß schon, warum sich manche gegen Erbschafts­steuern wehren, aber in dem Fall hat eine türkis-blaue Regierung wirklich etwas geerbt, nämlich das Wirksamwerden jener Teile des Plans A unter Bundeskanzler Kern, die für eine entsprechende Konjunktur im Jahr 2018 gesorgt haben. (Heiterkeit des Abg. Han­ger.) Sie haben kräftig kassiert, aber mit dem Sparen im System war es nicht so weit her.

Eine kleine Anmerkung, falls Sie belustigt sind, Herr Kollege: Die Steuer- und Abga­benquote, die Sie angeblich senken wollen, ist übrigens in diesem Jahr gegenüber 2017 von 41,9 auf 42,2 Prozent gestiegen. Es ist ja nicht untypisch bei dem, was wir hier hören, dass die Logik nicht immer Eingang in die Statements der Vertreter ehema­liger Regierungsparteien findet.

Kollege Gerstl hat sich vorhin über Keynes beschwert. Ist Ihnen eigentlich bewusst, was den Umsatz unserer Unternehmen ausmacht? Wissen Sie, woher die Einnahme vom Gasthof, vom Geschäft, vom Handwerker kommt? – Das ist eine Ausgabe der Konsumenten. Und Sie stellen sich hierher und wollen uns erklären, dass das doch nichts mit der Wertschöpfung im Land zu tun habe. Das Gegenteil ist der Fall! An diesem einfachen Beispiel erkennen Sie – wie hat es Kollege Rossmann gesagt? – die fehlende ökonomischen Binsenweisheit. Das Wort hat er nicht verwendet, aber ich führe es hier ein.

Was das Sparen im System betrifft: Ich erinnere nur daran, dass wir – wo ist denn jetzt der ehemalige Innenminister? – in eineinhalb Jahren 6 Millionen Euro an Kosten für ein aufgeblähtes Kabinett im Innenministerium hatten, in dem für Kickl, Goldgruber und Edtstadler insgesamt 54 Personen gearbeitet haben. Kollege Peschorn, der vorhin da war, kommt mit genau 15 aus – so viel zu Ihren Sparmaßnahmen! Ich rede noch gar nicht über die Pferde, die jetzt niemand mehr braucht, mit 380 000 anderen Dingen. Ihr


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Sparen im System bestand darin, dass Sie für Ihre eigenen aufgeblähten Büros ge­sorgt haben.

Zwei Nachsätze zu den anderen Themen; erstens Schuldenbremse: Die Menschen tun sich irrsinnig schwer, zu erkennen, warum wir die haben müssen. Viele sagen, wir ha­ben große Bedenken gegen diese Investitionsbremse. Nur zum Verständnis für die Da­men und Herren, was das im Verhältnis zum Durchschnittseinkommen der Österrei­cherinnen und Österreicher bedeutet: Das macht gerade einmal 20 000 Euro netto aus. Wissen Sie, was diese Investitionsbremse, die Sie in die Verfassung schreiben wollen, in diesem Fall heißt? – 70 Euro im Jahr. Da können Sie gleich mit Ihrer Onlinebe­stellung aufhören, meine Damen und Herren, denn selbst die Investition in einen Mixer wird dann nicht mehr drinnen sein. Daran erkennen Sie, welcher Unsinn einer solchen Beschränkung innewohnt. (Abg. Hanger: Sie haben sie übrigens einmal mitbeschlos­sen! Können Sie sich erinnern?)

Zweiter Nachsatz: Ich gratuliere der FPÖ. Vorgestern wurde der Bodyguard, übrigens auch Ex-Polizist und FPÖ-Politiker aus Wien, verhaftet. Unter seinen Bildern befindet sich offenbar auch eines von einer Sporttasche, gefüllt mit möglicherweise ukraini­schem oder russischem Schwarzgeld. Und Sie ziehen Ihren Antrag auf Verfassungs­schutz für die Verwendung von so etwas nicht zurück? – Das ist auch lustig. Sie sollten einmal überdenken, welche Anträge Sie laufen haben. Bei dem Zustand, den die FPÖ mit H.-C. Strache und seinem Erbe abzuarbeiten hat, wäre es vielleicht vernünftig, bei diesen Dingen schon aus optischen Gründen aufzupassen. Das ist meine Empfeh­lung. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.13


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Stefan. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


13.14.00

Abgeordneter Mag. Harald Stefan (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Damen und Herren! Ja, Kollege Matznetters Ausführungen haben jetzt gerade sehr absurd geendet, denn soviel ich weiß, hat die SPÖ durchaus auch Tendenzen, das Bargeld zu schützen. Das Bargeld ist auch ein Teil der Freiheit der Bürger, das ist völlig unbestritten. Was würde es bedeuten, wenn wir das Bargeld wirklich ab­schaffen? – Vielleicht will Herr Kollege Matznetter das, vielleicht ist er auch einer von denen, die sagen, sobald man Bargeld verwendet, ist man potenziell kriminell. (Zwi­schenruf des Abg. Matznetter.) Also was würde denn das bedeuten, wenn wir das Bargeld abschaffen?

Es gibt dann nur noch die Möglichkeit, dass Geld auf Konten liegt, und Banken oder auch der Staat können mit Negativzinsen Geld abziehen. Das geht sehr leicht und sehr schnell, man braucht da nur einen sehr kleinen Prozentsatz abzuziehen und das ergibt unglaubliche Summen. Und Sie haben keinerlei Chance, sich dagegen zu wehren, wenn es kein Bargeld gibt, weil Sie nicht einmal aus diesem Konto heraus das Bargeld, das es jetzt eben noch gibt, ziehen können. Sie können daraus nicht flüchten.

Also das ist einmal ein Riesenproblem, aber Kollege Matznetter findet das offenbar in Ordnung, dass man Menschen enteignen darf, denn es ist ja kriminell, wenn man Bar­geld hat. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Was bedeutet es weiter? – Es kann einen technischen Ausfall geben, und plötzlich gibt es keinerlei Zugriff mehr auf Zahlungsmittel.

Was bedeutet das? Was heißt das in einer Volkswirtschaft? Was für extrem negative Folgen kann das auslösen? – Man kann ganz leicht steuern, was Menschen überhaupt noch erwerben dürfen. Wenn ich kein Bargeld habe, sondern nur über ein Konto direkt


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elektronisch etwas erwerben kann, dann kann man durchaus auch eine Sperre einfüh­ren. Ich kann sagen, der Herr Sowieso raucht zu viel, der darf sich keine Zigaretten mehr kaufen, daher wird es von seinem Konto nicht mehr möglich sein, sich Zigaretten zu kaufen, oder Schokolade, weil er übergewichtig oder sonst etwas ist. Das ist völlig absurd. Man kann da ganz leicht – auch wir – in die Rechte der Menschen eingreifen und eine weitere Bevormundung umsetzen.

Es gibt außerdem bereits die Tendenz – und das würde natürlich noch stärker wer­den –, dann in Sachwerte oder in Kryptowährungen zu flüchten. Das alles sind Dinge, mit denen man dann in Wirklichkeit ein viel unsichereres System hat, als es derzeit der Fall ist.

Außerdem würde man sich auch absolut in die Hände der Banken begeben, die, wie wir in den letzten zehn, 15 Jahren gesehen haben, durchaus auch nicht immer in der Lage sind, wirklich ordentlich zu haushalten. Es gibt einen Bankencrash und weiß Gott was alles. Dann ist das Geld nur noch auf diesen Banken, auf diesen Konten, und man hat nicht einmal mehr die Chance, sich hier irgendwie herauszuretten. Das sind alles ganz negative Auswirkungen, wenn es nicht die Möglichkeit gibt, wenigstens noch Bar­geld zu haben.

Wenn man so wie Kollege Matznetter meint, es ist kriminell, bar zu zahlen, weil das potenziell zeigen würde, man will irgendetwas verbergen, dann ist das dasselbe, als würde man sagen, wer Vorhänge zu Hause hat, will offenbar dahinter ein Verbrechen verstecken. Das ist ein völliger Unsinn! Es gibt eben so etwas wie Privatsphäre, und es gibt auch so etwas wie Datenschutz, den man für sich wünscht, dass man nicht un­bedingt dokumentiert haben will, was man genau wann und wo kauft, bezahlt und be­zieht. Das ist ein Recht und das soll auch ein Recht der Bürger bleiben. Daher ist es ein ganz wichtiger Vorgang, dass wir das Bargeld in der Verfassung verankern.

Die wirklich großen kriminellen Geschäfte, bei denen es wirklich um Terrorismus, um organisierte Kriminalität und Ähnliches geht, spielen sich ja woanders ab. Die spielen sich im Darknet ab, die spielen sich auf anderen Ebenen ab, aber in Wahrheit nicht mit Bargeld. Das sind die typischen Scheinargumente: Wir müssen gegen Terrorismusfi­nanzierung, Schwarzarbeit und Geldwäsche und so weiter vorgehen, deswegen müs­sen wir die Rechte der Bürger einschränken und ihnen dieses Stück Freiheit neh­men! – Dazu sagen wir Nein, und daher sind wir für die Verankerung des Bargelds in der Verfassung und halten das für einen sehr richtigen und wichtigen Schritt. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.18


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Doppelbau­er. – Bitte, Frau Abgeordnete.


13.18.19

Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe ZuseherInnen! Wir disku­tieren heute den Bundesrechnungsabschluss 2018 und wir werden vermutlich, so wie wir hören, gegen die Stimmen der SPÖ eine Schuldenbremse im Verfassungsrang be­schließen, für die wir NEOS seit Jahren eintreten.

Ich zitiere heute auch John Maynard Keynes, der in seinen Theorien gesagt und sinn­gemäß gefordert hat, dass die öffentliche Hand in guten Zeiten etwas zur Seite legen soll, damit sie in schlechteren Zeiten investieren und auch ein Defizit in Kauf nehmen kann. Über einen Konjunkturzyklus hinweg soll ein öffentlicher Haushalt aber ausgegli­chen sein.

In der österreichischen Budgetpolitik wurde der Teil mit dem Deficit Spending verinner­licht, das ist jedes Jahr passiert, die letzten 70 Jahre lang. Ganz egal, in welcher politi-


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schen Konstellation, es wurde jedes Jahr mehr ausgegeben, als eingenommen wurde. Jedes Jahr gab es neue Schulden. Das, was man vergessen hat, ist, zu Hochkonjunk­turzeiten eben auch sparen zu müssen, damit man dann investieren kann. Damit hat man den nachfolgenden Generationen einen Riesenrucksack umgeschnallt, einen Rie­senrucksack, der ihnen den politischen Spielraum, in der Zukunft wirklich agieren zu können, nimmt.

Um das abzustellen, machen wir heute diesen wichtigen Schritt mit der Verankerung der österreichischen Schuldenbremse im Verfassungsrang. Wir schaffen damit gewis­sermaßen einen verfassungsrechtlich abgesicherten budgetpolitischen Generationen­vertrag.

Warum ist das so wichtig? – Das zeigt auch der Bundesrechnungsabschluss 2018. Stellen Sie sich einmal vor, Sie sind Unternehmer, Sie sind Geschäftsführer in einem Unternehmen und haben eine Hochkonjunktur! Das heißt, alles brummt, der Umsatz steigt und die Investitionen kosten fast nichts, weil die Zinsen unten sind – Sie erinnern sich, das wäre im Jahr 2018 ein bisschen so gewesen –, und dann bringen Sie in ei­nem Jahr wie 2018 gerade einmal so eine rote Null mit einem leichten Defizit zu­sammen. Da haben Sie dann ein Problem. Da haben Sie in jeder Firma ein Problem. Jeder Geschäftsführer wird wahrscheinlich gefragt werden, zu gehen, weil man ihm das Vertrauen entzieht.

Schauen wir uns das nun an und übersetzen es in die Politik und den Staatshaushalt! Türkis-Blau hat in den letzten Jahren auf Kosten unserer Kinder historisch gute Rah­menbedingungen und Chancen verspielt. Es gab die höchsten Einnahmen, die wir jemals hatten, aber auch die höchsten Ausgaben, die wir jemals hatten. Was verspro­chen wurde, nämlich das Sparen im System, hat nicht stattgefunden. Die große Steu­ererleichterung kam auch nicht. Von der Abschaffung der kalten Progression will ich schon gar nicht mehr sprechen – Fehlanzeige.

Etwas anderes aber ist passiert, etwas anderes ist letzte Woche am Donnerstag schon passiert. Viele Menschen, die diese Entscheidungen beobachten, sowie viele Experten haben es befürchtet: Eineinhalb Wochen vor der Nationalratswahl gab es wieder ein­mal eine Geschenkausgabe für die jeweils eigene Klientel – Augen zu! –, nämlich 15 Milliarden Euro bis 2024.

Wir sprechen von 15 Milliarden Euro, die ausgegeben worden sind und mittelfristig nicht budgetär gedeckt sind. Sie hier, die Sie alle bei diesen Entscheidungen letzte Woche mitgestimmt haben, dürfen eines nicht vergessen: Das ist das Steuergeld der Österreicherinnen und Österreicher. Dieses Steuergeld wurde Ihnen zur sorgsamen Verwendung anvertraut. Es ist unverantwortlich, es ist unfair, was da passiert ist, und es ist sicher nicht nachhaltig.

Ich möchte auch sagen, dass keine Menschen entlastet wurden, die dem Mittelstand zugehören. Der Mittelstand – die Melkkuh der Nation – verdient um die 2 000 Euro oder ein bisschen mehr. Falls Sie zusehen: Bei Ihnen wird nichts ankommen! Die 15 Milliarden Euro, die ausgegeben wurden – wir haben es gehört –, wurden keines­falls für Investitionen in die Zukunft ausgegeben. Oder haben Sie irgendetwas von In­vestitionen in Bildung, Forschung und Entwicklung, in Digitalisierung oder auch in den so wichtigen Umweltschutz gehört? – Da ist nichts passiert.

Und mittelfristig? – Mittelfristig wird es einer zahlen müssen. Wer wird es zahlen? – Diese Zeche werden unsere Kinder zahlen müssen; eine Zeche, die Sie hier alle ge­macht haben, um sich in Wahlzeiten Vorteile zu verschaffen – Sie haben sich diese erspielt. Es ist ungeheuerlich, was da passiert ist. Ich bin wirklich froh, dass wir NEOS hier als Einzige nicht mitgestimmt haben. (Beifall bei den NEOS.)


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Lassen Sie mich positiv schließen: Wir NEOS werden heute gemeinsam mit Ihnen die Schuldenbremse beschließen, was schon lange eine Forderung von uns ist und ein guter Fortschritt. Dafür zumindest möchte ich mich bedanken. – Herzlichen Dank. (Bei­fall bei den NEOS.)

13.23


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Niss. – Bitte, Frau Abgeordnete.


13.23.06

Abgeordnete Dr. Maria Theresia Niss, MBA (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Es ist mir heute wirklich eine Freude, hier zum Beschluss der Verankerung der Schuldenbremse in der Verfassung zu sprechen, denn dieser ist meiner Meinung nach definitiv mit einer der besten der letzten Monate, den wir hoffentlich treffen werden, weil man ganz einfach gesagt – das sollte eigentlich jeder von Ihnen, vor allem auch jeder von der SPÖ, wis­sen – nicht mehr ausgeben kann, als man einnimmt, schon gar nicht über eine längere Zeit hinweg. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Krainer: Und das sagt die ÖVP! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. )

Daher finde ich es auch unglaublich von Ihnen (Zwischenruf des Abg. Krainer), liebe Kolleginnen und Kollegen, dass Sie so massiv gegen eine Schuldenbremse sind, des­wegen polemisieren und den Teufel an die Wand malen. (Rufe und Gegenrufe zwi­schen Abgeordneten von SPÖ und ÖVP.) Finden Sie, die Sie sich immer als die Partei der Gerechtigkeit ausrufen, das im Sinne der nächsten Generation wirklich gerecht, wenn heute schon jedes Kind mit einem Schuldenrucksack von mehr als 31 700 Euro – das soll in den nächsten Jahren noch weiter steigen – auf die Welt kommt? Ist das fair? (Zwischenruf bei der SPÖ.) – Nein, das ist es natürlich nicht. Genau deswegen wollen wir etwas dagegen unternehmen.

Die letzte Regierung hat unter der Federführung der ÖVP zum ersten Mal seit über 60 Jahren ein ausgeglichenes Budget erreicht. Das, was bei uns ein Unikum ist, gibt es in anderen Ländern schon viel öfter. Wenn wir uns Finnland anschauen: seit 1995 elf Mal, oder Schweden: 13 Mal. Nun ist Schweden, glaube ich, nicht unbedingt dafür be­kannt, dass es ein asoziales, zu Tode gespartes Land ist, in dem der Klimaschutz und das Sozialsystem nicht gewürdigt werden. Ich glaube, da müssen auch Sie, meine Freun­de von der SPÖ, mir recht geben! (Beifall bei der ÖVP.)

Da Sie mir immer mit Deutschland kommen: Deutschland hat vor und nach der Einfüh­rung der Schuldenbremse die gleiche Investitionsquote gehabt. Das Problem in Deutsch­land ist, dass sich hinsichtlich wichtiger Zukunftsinvestitionen vor allem die Länder teil­weise bei der Kofinanzierung querlegen, weil sie das Geld lieber für anderes ausge­ben, und dass sich teilweise Bürgerinitiativen gegen wichtige Projekte querlegen.

Da Sie immer sagen, dass die ganze Wissenschaft dagegen ist: Wichtige Wirtschafts­forscher wie Professor Sinn, Professor Fuest und Professor Lars Feld warnen aus­drücklich davor, dass man von der Schuldenbremse abrückt.

Der Aufschrei, den Sie, liebe Freunde von der SPÖ, machen, ist grob fahrlässig. Das zeigt mir vor allem, dass Sie eines nicht verstehen, nämlich den Unterschied zwischen einer Investitionsbremse und einer Schuldenbremse. Ich erkläre Ihnen das auch ganz gerne: Schulden ergeben sich, wenn man mehr ausgibt, als man einnimmt.

Einerseits kann man die Ausgaben für Maßnahmen tätigen, die zwar gut klingen, aber nicht nachhaltig sind, wie zum Beispiel die Aktion 20 000, die die SPÖ wieder einführen wollte. Die Nachhaltigkeit von solchen Ausgaben ist nicht gegeben, denn die Politik kann keine Arbeitsplätze schaffen, die schaffen die Unternehmen – ich kann das nicht


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oft genug sagen. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe der Abgeordneten Plessl und Klaus Uwe Feichtinger.)

Andererseits aber kann man Investitionen in die Zukunft machen, zum Beispiel als wir die Universitätsfinanzierung beschlossen haben, bei der Sie übrigens dagegen waren – so viel zum Thema Zukunftsinvestitionen –, oder als wir 330 neue Fachhochschulplät­ze geschaffen haben. Die Wirtschaft braucht das wie einen Bissen Brot. Mit mehr hochqualifizierten und nachhaltigen Arbeitsplätzen werden zusätzliche Staatseinnah­men generiert, die wiederum den Haushalt konsolidieren und den sozialen Wohlstand sichern. Das ist also eine Win-win-Situation. Deswegen – genau deswegen, liebe Freunde – setzt sich die ÖVP für Zukunftsinvestitionen und eine Schuldenbremse ein. Wieso? – Einfach, weil sich beide Sachen nicht ausschließen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich lade Sie heute dazu ein, einmal die Partei­politik auf die Seite zu stellen und die Gelegenheit zu nutzen, an die nächsten Genera­tionen – an Ihre Kinder und deren Kinder – zu denken und unsere zukunftsorientierte Politik mitzugestalten. Es wird sich für Österreich und, glauben Sie mir, auch für Sie lohnen. (Beifall bei der ÖVP.)

Am Schluss möchte ich noch folgenden Abänderungsantrag einbringen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Peter Haubner, MMag. DDr. Hubert Fuchs, Dipl.-Ing. Karin Doppel­bauer, Kolleginnen und Kollegen

zum Antrag betreffend die Schuldenbremse, 685 der Beilagen

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

In Artikel 2 lautet die Novellierungsanordnung in Z 1:

„1. Der bisherige Art. 4 entfällt und die bisherigen Art. 1 bis 3 werden als Art. 2 bis 4 bezeichnet. Der neue Art. 1 samt Überschrift lautet:“

*****

Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

13.27

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Peter Haubner, MMag. DDr. Hubert Fuchs, Dipl.-Ing. Karin Dop­pelbauer

Kolleginnen und Kollegen

zum Antrag 928/A der Abgeordneten August Wöginger, MMag. DDr. Hubert Fuchs, Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­verfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und das Bundesverfas­sungsgesetz über Ermächtigungen des Österreichischen Gemeindebundes und des Österreichischen Städtebundes geändert werden (685 d.B.)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

In Artikel 2 lautet die Novellierungsanordnung in Z 1:


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„1. Der bisherige Art. 4 entfällt und die bisherigen Art. 1 bis 3 werden als Art. 2 bis 4 bezeichnet. Der neue Art. 1 samt Überschrift lautet:“

Begründung

Mit der Novelle werden die bisherigen Art. 1 bis 3 zu den neuen Art. 2 bis 4. Der alte Art. 4 muss aber aus legistischen Gründen auch ausdrücklich aufgehoben werden, so­dass die Novellierungsanordnung entsprechend ergänzt wird.

*****


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Der soeben eingebrachte Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhand­lung.

Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Lugar zu Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.28.04

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (FPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Wir sprechen heute über die Schuldenkrise beziehungsweise über die Schuldenbremse. Wir spre­chen auch über eine Bargeldgarantie. Da stellt sich die Frage, wie das zusammen­hängt. Viele sagen, das hängt überhaupt nicht zusammen, aber da irren sich einige.

Wenn man sich anschaut, dass die Euroländer ganz, ganz viele Schulden angehäuft haben und auch nicht bereit sind, von diesem falschen Weg abzugehen, und man sich die Frage stellt, warum man nun das Bargeld garantieren muss, um diese negativen Auswirkungen, die das haben könnte, hintanzuhalten, muss man nur in das Jahr 2013 zurückgehen, und zwar in den Oktober 2013.

Da hat Christine Lagarde, die damals die Chefin des IWF, also des Internationalen Währungsfonds, war, einen Bericht herausgegeben und allen Ernstes gesagt, dass es, um die Schuldenkrise zu bewältigen und den Staaten, die nicht wirtschaften können, aus der Patsche zu helfen, möglich sein soll, die Sparer zu enteignen. Sie hat damals gesagt, 10 Prozent wären einmal fürs Erste genau das, was sie sich vorstellen könnte.

Wenn man das ein bisschen Revue passieren lässt, weiß man nun auch, warum man versucht, das Bargeld abzuschaffen. Was passiert nämlich, wenn ein Staat hergeht und die Sparer enteignet, ihnen einfach 10 Prozent wegnimmt? – Die Sparer werden das Geld natürlich abheben und es nicht mehr auf die Bank legen, wo man es ihnen wegnehmen kann. Genau das versucht man mit der Abschaffung des Bargelds zu ver­hindern – genau das!

Das heißt, wenn ich kein Bargeld mehr von der Bank abheben kann, dann kann ich das Geld nur von einer Bank zur nächsten überweisen. Abheben kann ich es aber nicht. Der Zugriff des Staats ist immer möglich, der Staat kann jederzeit auf das Geld des Sparers zugreifen, sich so entschulden und das kompensieren, was ein Staat norma­lerweise – das ist auch das, was wir heute beschließen – machen sollte, nämlich or­dentlich wirtschaften. Diese Schuldenbremse hat ja den Sinn, dass der Staat mit dem Geld, das ihm anvertraut ist, auch ordentlich wirtschaftet – das muss möglich sein. Die aktuelle Regierung hat genau das geschafft. Wir haben es geschafft, endlich keine neuen Schulden mehr zu machen. (Zwischenruf des Abg. Klaus Uwe Feichtinger.) Da brauchen wir nicht die Sparer zu enteignen.

Deshalb brauchen wir auch die Garantie für das Bargeld – das ist die rote Linie für alle Politiker, die noch nie Respekt vor dem Eigentum der Bürger hatten –, damit der Bür­ger eine Möglichkeit hat, sich selbst zu verteidigen. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 94

Klaus Uwe Feichtinger.) In Wahrheit ist diese Bargeldgarantie, die wir heute beschlie­ßen, ein Instrument der Selbstverteidigung der Bürger gegen Politiker, die nicht wirt­schaften können. Deshalb brauchen wir das und deshalb ist das auch wichtig.

Da geht es nicht darum, dass ich in Zukunft immer mit Bargeld zahlen muss – ich zahle auch oft bargeldlos –, sondern es geht darum, dass ich mit Bargeld zahlen kann. Das ist das, was in die Verfassung kommt, und das garantiert einen Schutzzaun um das Geld der Sparer, damit die Politiker nicht darauf zugreifen können.

Ich hoffe, dass andere Länder es uns gleichtun werden, und ich hoffe, dass das Bei­spiel Österreich in der Europäischen Union Schule machen wird, damit die Sparer mit einem guten Gewissen ihr Geld auf der Bank lassen können. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.31


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Drozda zu Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.31.50

Abgeordneter Mag. Thomas Drozda (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich beziehe mich auf den Antrag des Abge­ordneten Hofer zum Bargeld, der zunächst die Formulierung vorsah: „Die Verwendung von Bargeld unterliegt keinen Einschränkungen.“

Das war der grundlegende Antrag, den Ing. Hofer eingebracht hat. Dieser Antrag ist evidentermaßen problematisch. Das ist auch der Grund dafür, warum verhandelt und nachgebessert und der Antrag um die Aspekte der Geldwäsche und der Terrorismus­bekämpfung erweitert wurde, weil naturgemäß klar sein muss, dass man Einschrän­kungen jedenfalls hinsichtlich der Geldwäsche und der Terrorismusbekämpfung braucht. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben diesen vorliegenden Antrag nun geprüft und schlagen weitere Ergänzungen vor, nämlich hinsichtlich der Bekämpfung der Schwarzarbeit, der Bekämpfung der Steu­erhinterziehung und der Bekämpfung der Parteienfinanzierung. Dieser Antrag ist so­eben unterschrieben worden.

Ich möchte ihn hiermit einbringen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen

zum Antrag 870/A der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Staatsgrundgesetz über die all­gemeinen Rechte der Staatsbürger geändert wird

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der oben bezeichnete Antrag wird wie folgt geändert:

„Die Z1 lautet:

Der bisherige Text des Art. 5 erhält die Absatzbezeichnung (1) und folgender Abs. 2 wird angefügt:

,(2) Die Verwendung von Bargeld als Zahlungsmittel wird keinen Einschränkungen un­terworfen, soweit die Natur des Rechtsgeschäfts, die Verkehrsübung oder öffentliche Interessen wie transparente Parteienfinanzierung oder etwa die Prävention oder die Bekämpfung von Straftaten wie Steuerhinterziehung, Geldwäsche, Lohn- oder Sozial­dumping nicht einer Erfüllung auf anderem Weg entgegenstehen.‘“

*****


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 95

Ich bitte, sorgfältig zu prüfen, ob man diesen Antrag nicht jedenfalls um diese ganze Frage der Schwarzarbeit und Steuerhinterziehung ergänzen soll. Ich sage das auch an die Adresse der FPÖ, und zwar vor dem Hintergrund der heutigen Berichterstattung über Geldtaschen, Geldkoffer und Sonstiges. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

13.34

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Drozda

Kolleginnen und Kollegen

zum Antrag 870/A der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Staatsgrundgesetz über die all­gemeinen Rechte der Staatsbürger geändert wird

Der Nationalrat wolle in 2. Lesung beschließen:

Der oben bezeichnete Antrag wird wie folgt geändert:

Die Z1 lautet:

Der bisherige Text des Art. 5 erhält die Absatzbezeichnung (1) und folgender Abs. 2 wird angefügt:

„(2) Die Verwendung von Bargeld als Zahlungsmittel wird keinen Einschränkungen un­terworfen, soweit die Natur des Rechtsgeschäfts, die Verkehrsübung oder öffentliche Interessen wie transparente Parteienfinanzierung oder etwa die Prävention oder die Bekämpfung von Straftaten wie Steuerhinterziehung, Geldwäsche, Lohn- oder Sozial­dumping nicht einer Erfüllung auf anderem Weg entgegenstehen.“

Begründung

Gemäß Art. 3 Abs. 1 lit c AEUV kommt zwar der Union die ausschließliche Kompetenz zur Regelung des Bereichs der Währungspolitik zu, die unionsrechtlichen Vorschriften überlassen den Mitgliedstaaten jedoch einen Spielraum zur rechtlichen Ausgestaltung des Umgangs mit Bargeld im Geschäftsverkehr. Davon ist auch eine nationale Bestim­mung im Verfassungsrang gedeckt, die eine Stärkung der Annahmeverpflichtung von Bargeld bewirken soll.

Eine Verfassungsbestimmung kann somit einen in die Zukunft reichenden Schutz ge­genüber einfachgesetzlichen Einschränkungen der Verwendung von Bargeld bilden, die sich nicht schon aus dem Unionsrecht ergeben. Nur mit einer Mehrheit von zwei Dritteln in Anwesenheit der Hälfte der Mitglieder des Nationalrats könnte von der ver­fassungsrechtlichen Absicherung des Bargeldes abgewichen werden.

Eine innerstaatliche Vorschrift darf allerdings nicht dem Unionsrecht widersprechen. Es ist daher notwendig, verschiedene Beschränkungen wie nach der „Verkehrsübung“ von der Anwendbarkeit des vorgeschlagenen Grundrechtes ausdrücklich auszunehmen. Dies betrifft vor allem bestehende innerstaatliche Vorschriften wie § 1 Eurogesetz, § 61 Abs. 2 Nationalbankgesetz oder das Scheidemünzengesetz, welche im Wesentlichen den unionsrechtlichen Zustand nochmals klarstellend wiederholen. Auch Bestimmun­gen wie etwa § 48 EStG zur Bekämpfung von Schwarzgeldzahlungen am Bau oder § 18 VBG zur unbaren Lohnzahlung im öffentlichen Dienst sollen weiterhin zulässig sein.

*****



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 96

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Der soeben eingebrachte Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhand­lung.

Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Schellhorn zu Wort. – Bitte.


13.34.31

Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Frau Präsident! Geschätzter Herr Minister! Wir könnten natürlich auch die Trennung von Bargeld und Sporttaschen in die Verfassung einbringen, auch das wäre möglich. (Heiterkeit des Abg. Drozda.) Das wäre eine Möglichkeit, die wir unbedingt einfordern müssten. (Beifall bei den NEOS.)

Wenn Kollege Lugar davon spricht, es sei gelungen, keine neuen Schulden zu machen, dann stimmt das und es stimmt auf eine gewisse Art und Weise auch nicht. Die schwarze Null ist, wenn man so will, wenn man sie positiv betrachtet, dadurch entstanden, dass wir eine Nullzinspolitik haben. Bei der Zinsenlast hat sich der Herr Finanzminister daher immerhin rund 10 Milliarden Euro erspart, gleichzeitig gab es Mehreinnahmen bei den Unternehmenssteuern von plus 16 Prozent, bei den Kapitalertragsteuern von plus 12 Prozent und bei den Lohnsteuern von plus 7 Prozent.

Das ist die Leistung der Unternehmerinnen und Unternehmer und das ist die Leistung der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, und zwar aus folgendem Grund: Wir haben es nicht geschafft, ausgabenseitig zu sparen und ausgabenseitig Doppelgleisigkeiten zu beseitigen – das war ein Versäumnis dieser Regierung. Schon der frühere Herr Finanzminister Schelling hat gesagt, dass wir ein Ausgabenproblem und kein Einnahmenproblem haben.

Ich möchte Ihnen nun ein bisschen etwas aus der Praxis erzählen. Ich komme nämlich aus jener Branche, die die Parteivorsitzende der SPÖ, Frau Rendi-Wagner, immer gerne als Schlagbaum hernimmt, auf die man gerne einmal einituscht, wo man gerne gegen jene Leute ist, die am Wochenende da sind, wenn Sie Ihre Freizeit genießen, die gerne am Abend da sind, wenn Sie Ihre Freizeit genießen, nämlich die Tourismusbranche.

Ich glaube, wir könnten es genauso machen wie Klenk, der vor Kurzem einmal auf einen Bauernhof zum Arbeiten gefahren ist, um den Landwirt kennenzulernen. Ich lade Sie ein, sehr geehrte Frau Parteivorsitzende, zu uns zu kommen. Wir machen einmal drei Tage Praxis, damit Sie spüren, wofür wir da sind – das ist auch besonders wichtig – und wie sich das auszahlt. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich will Ihnen ein Beispiel erzählen. Ich habe 110 Mitarbeiter und von diesen 110 verdienen exakt drei Mitarbeiter – das sind drei Abwäscher – unter 2 000 Euro brutto. Diese drei bekommen nach Ihrer Geschenkorgie von letzter Woche – da haben das ÖVP und SPÖ zusammen gemacht – faktisch eine Entlastung von sagenhaften 6,50 Euro. Das ist ein großes, großes Kunststück, muss man ganz ehrlich sagen. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Der Rest, also die 107 anderen Mitarbeiter, haben überhaupt keine Entlastung erfahren – überhaupt nicht.

Das ist eigentlich der Grund dafür, dass ich, wenn hier immer wieder auch von der ÖVP gesagt wird, sie setze ihren Weg fort, dann konsterniert feststellen muss: Ja, Sie setzen Ihren Weg fort, denn Sie tun gar nichts für den Mittelstand. Es wurde in der Vergangenheit nichts für den Mittelstand getan und es wird offensichtlich auch in der Zukunft nichts für den Mittelstand getan. Der Mittelstand beginnt bei einem Einkommen von 2 000 Euro brutto monatlich. Diese Menschen wurden nicht entlastet. Bis auf die drei genannten mit den 6,50 Euro wurde kein einziger meiner Mitarbeiter entlastet.

Ich glaube, es ist auch ein grundsätzliches Problem der ÖVP, dass sie nicht sparen kann (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ – Zwischenrufe des Abg.


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Lindinger), dass sie einfach auch in überhaupt keiner Art und Weise genera­tionengerecht denkt. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ja, es war ein Geschenk an die Bauern, ja, wenn Sie das so wollen, war es auch ein Geschenk an andere, es war aber kein Geschenk und keine Entlastung für all jene, die mehr als 2 000 Euro brutto verdienen. (Zwischenruf des Abg. Lindinger.) Gabriel Obernosterer wird mir beipflichten, dass das einfach nicht passiert ist. Es wird auch in Zukunft nicht passieren, weil Sie nicht sparen können. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Sie haben uns nun, wie auch Kollegin Niss völlig richtig gesagt hat, weitere Steine in den Rucksack hineingelegt. Mit diesen 15 Milliarden Euro in der nächsten Legislaturperiode an neuen Belastungen sind bei Weitem viel mehr Schulden in den Rucksack hineingekommen als die genannten 31 000 Euro. Das ist Ihre Klientelpolitik, und die ist zu verurteilen.

Sie haben etwas gemacht, was auch der Bundesrechnungsabschluss ganz, ganz deutlich zeigt. Ich möchte Ihnen noch einmal vorlesen, was im Regierungsprogramm von ÖVP und FPÖ steht, nämlich 206-mal das Wort Steuern und 48-mal das Wort Abgabe. Nicht ein einziges Mal steht darin: Wir wollen die Steuern erhöhen. – Richtig, das passt ja, denn das braucht man auch nicht, schließlich hat man die kalte Progression.

Das ist das, was vorgestern Löger bei einer Diskussion zu mir gesagt hat: Das sind Taschenspielertricks – nämlich Taschenspielertricks, die Sie anwenden. Sie nehmen es den Bürgern mittels kalter Progression und versuchen, ihnen Sand in die Augen zu streuen. Das ist schwer zu verurteilen.

Entlastung für den Mittelstand: Fehlanzeige. Entlastung für die Unternehmerinnen und Unternehmer: Fehlanzeige. – Nichts ist passiert, und ohne uns wird auch in Zukunft nichts passieren. (Beifall bei den NEOS.)

13.39


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Hanger. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.40.01

Abgeordneter Mag. Andreas Hanger (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Finanzminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Wir debattieren unter diesem Tagesord­nungspunkt die Themen Bundesrechnungsabschluss 2018, die Schuldenbremse und Bargeld in die Verfassung. Ich möchte mich in meinem Redebeitrag mit dem Bundes­rechnungsabschluss 2018 und mit der Schuldenbremse befassen.

Ich glaube, man kann wirklich sehr klar festhalten, dass mit dem Bundesrechnungsab­schluss 2018 der beste Abschluss seit Jahrzehnten auf dem Tisch liegt, und darauf können wir, glaube ich, auch ein klein wenig stolz sein. (Abg. Krainer: ... Steuern?!) Ich werde versuchen, das anhand von fünf Instrumenten, von fünf Kriterien, von fünf Fakten darzulegen. Das Zahlenmaterial, auf das ich mich beziehe, stammt ausschließ­lich von unserem Budgetdienst, der auch über alle Parteigrenzen hin anerkannt ist.

Das Allererste: Wir haben erstmals seit 60 Jahren einen gesamtstaatlichen Über­schuss. (Abg. Krainer: Haben wir ja gar nicht!) Ganz, ganz einfach, wir hatten 60 Jah­re davor immer einen Abgang in den Haushalten. (Abg. Krainer: Das ist ja falsch!) Gesamtstaatlich haben wir den Überschuss, im Bundeshaushalt noch einen geringen Abgang. (Abg. Krainer: Das stimmt ja nicht!)

Das Zweite, ganz wesentlich: Wieso ist dieser Abschluss hervorragend? – Weil die Schulden zurückgehen, das ist immer wieder zu betonen: in absoluten Zahlen, aber natürlich auch in der relativen Verschuldung, und, liebe Kolleginnen und Kollegen von


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der SPÖ, ich kann nicht verstehen, wie man dagegen sein kann, Schulden abzubauen. Das ist doch ganz, ganz wichtig! (Beifall bei der ÖVP.)

Die dritte ganz wesentliche Kennzahl ist mir persönlich sehr, sehr wichtig: Im Jahr 2018 hat sich auch die Arbeitslosigkeit reduziert. Hatten wir Anfang 2018 375 000 Menschen ohne Beschäftigung, waren es Ende des Jahres dann 345 000.

Die vierte Kennzahl, die ich persönlich auch sehr interessant finde, betrifft die Vertei­lungsfrage. Wir haben eine Anfrage an den Budgetdienst gestellt, wie denn hier in Ös­terreich Einkommen umverteilt wird, und der Budgetdienst ist zur sehr klaren Erkennt­nis gekommen, dass Österreich dabei zu den Spitzenreitern gehört.

Wir als ÖVP bekennen uns natürlich auch zu einer solidarischen Gesellschaft, aber im Unterschied zur SPÖ haben wir halt auch den Mittelstand im Auge, diejenigen, die die Last tragen, und auch darauf kann man durchaus ein wenig stolz sein. Der ganz konkrete Maßstab dafür ist der Gini-Koeffizient. Wenn der Gini-Koeffizient bei null ist, dann sind die Einkommen zu 100 Prozent gleich verteilt, wenn er eins ist, dann hat nur ein Einzelner das gesamte Einkommen, und daran sieht man ganz klar, dass in Öster­reich umverteilt wird. Wir sind Spitzenreiter in der Welt, wir gehören zu den zehn bes­ten Nationen in diesem Bereich.

Eine weitere interessante Zahl: 70 Prozent der Haushalte in Österreich sind Nettoemp­fänger, sie bekommen vom Staat mehr, als sie einzahlen.

Auch bei der fünften Kennzahl, Armutsbekämpfung, sind wir weltweite Spitzenreiter. Wann ist man in Österreich arm? – Wenn man weniger als 60 Prozent des Medianein­kommens hat. Das würde ohne Umverteilung in Österreich 36 Prozent der Bevölkerung betreffen, nach Umverteilung sind es 15 Prozent, und ja, darauf können wir durchaus auch ein wenig stolz sein. (Beifall bei der ÖVP.)

Die wichtigste Botschaft noch zum Schluss: Wir kennen natürlich mittlerweile auch die Zahlen aus dem Budgetvollzug 2019, und alle genannten Kennzahlen werden noch besser. Wir werden 2019 erstmals einen deutlichen Budgetüberschuss haben. Wir wer­den unsere Schulden deutlich abbauen, wir haben ja sogar vor, in der mittelfristigen Fi­nanzplanung den Schuldenstand in Richtung 60 Prozent zu drücken. Die Arbeitslosig­keit geht weiter zurück, und die Maßnahme, die wir gerade in der letzten Parlaments­sitzung beschlossen haben, nämlich die Senkung der Sozialversicherungsbeiträge für die Geringverdiener, wird dazu führen, dass weiter umverteilt wird, dass die Armut be­kämpft wird; aber trotzdem haben wir den Mittelstand im Auge, denn das sind natürlich diejenigen, die die Leistung bringen, die sehr stark ins System einzahlen.

Das ist ausgewogene, gute Politik, und wer diesen Reformweg in Zukunft unterstützen will, den darf ich natürlich am Sonntag auch um seine Stimme bitten. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

13.43


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Amesbauer. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.44.06

Abgeordneter Hannes Amesbauer, BA (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Ich werde mich jetzt zum Thema Bar­geld äußern und zum wichtigen Antrag, das Bargeld in der Verfassung zu verankern. Es wird ja immer ein bisschen als dubios angesehen, wenn man den Schutz des Bar­gelds einfordert, das ist dann gleich eine Verschwörungstheorie, aber die Abschaffung des Bargelds schreitet rasant voran, die Tendenzen werden immer stärker. Wir haben es ja von den Vorrednern schon gehört, führende Ökonomen und Banker äußern sich dazu.


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Es wird immer die Kriminalitätsbekämpfung vorgeschoben, und es passiert scheib­chenweise. Es passiert ja nicht von heute auf morgen. Wir erinnern uns: Der Fünfhun­derteuroschein wurde sang- und klanglos versenkt. Jetzt kann man natürlich sagen, na, den Fünfhunderteuroschein hat man nicht so oft als Papiergeld, aber er wurde, oh­ne Österreich zu fragen, ohne die Bürger zu fragen, einfach abgeschafft, und das ist eben die Salamitaktik.

Ein weiteres Faktum ist, dass die Dichte an Bankomaten auch in Österreich immer ge­ringer wird und dass immer mehr Bankomaten auftauchen, bei denen man bezahlen muss, bei denen man für das Abheben eine Gebühr zahlt. Das sind die aktuellen Ent­wicklungen.

Warum ist uns das Thema Bargeld so wichtig? – Bargeld bedeutet Freiheit, persönliche Freiheit! (Abg. Krainer: ... Strache im Kofferraum hat ...?) – Herr Krainer, sparen Sie sich die Zwischenrufe, die sind uninteressant, und im Fernsehen hört sie eh niemand. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Krainer: Stehen aber im Protokoll!)

Bargeld bedeutet Freiheit, persönliche Freiheit des Bürgers. Sie schieben die Kriminali­tätsbekämpfung vor, treffen aber in Wahrheit den kleinen Konsumenten. Sie schließen die Menschen aus, die noch nicht im digitalen Zeitalter angekommen sind, etwa ältere Menschen. Was bei einem Systemausfall passiert, ohne die Möglichkeit, auf Bargeld zurückzugreifen, daran möchte ich nicht denken.

Eine weitere Sache, wovor wir die Bürger schützen wollen, sind ja die Negativzinsen – die wurden auch schon angesprochen. Jetzt bekommt man für das Sparbuch eh schon lange keine Zinsen mehr, das ist eh schon längst ein Minusgeschäft, aber richtige Ne­gativzinsen für den kleinen Sparer können die großen Banken noch nicht einführen, denn jetzt kann man sich dagegen wehren, indem man das Bargeld abhebt und mit nach Hause nimmt. Wenn man dann die Negativzinsen hat und es kein Bargeld mehr gibt, dann gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder man hebt das Geld ab und gibt es aus, oder man lässt es auf dem Konto und zahlt mit jedem Tag Strafe dafür, dass man sein Vermögen auf dem Konto hat. Das wollen wir so nicht.

Eine persönliche Anmerkung: Ich bin in den letzten paar Jahren privat schon des Öfte­ren in Schweden gewesen, so sechs, sieben Mal ungefähr, es ist ein wunderschönes Land. Ich habe es wirklich intensiv bereist, bis nach Lappland, und Schweden ist wirk­lich ein großartiges Land. Schweden hat aber eine ziemlich problematische Politik.

Das zeigt sich einerseits in der Willkommenskultur, wo man in den Großstädten wie Stockholm und Göteborg und vor allem Malmö schon sieht, dass es No-go-Areas gibt, wo die Autos brennen, wo es Massenvergewaltigungen gibt, das ist diese Willkom­menskultur. Aber auch beim Thema Bargeld geht Schweden einen politischen Weg, der sehr, sehr bedenklich ist. Sie haben sich zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2030 das erste völlig bargeldlose Land der Welt zu sein.

Laut jüngsten Prognosen werden sie dieses Ziel wahrscheinlich schon Mitte 2023 erreichen. In Schweden ist es so: Da gehst du in das Lokal, da steht schon vorne das Schild: No cash, da kannst du nur mehr mit Karte zahlen. Da bestellst du dir ein Viertel Mineralwasser, musst das mit der Karte zahlen, dann gehst du zum Würstelstandl, holst dir ein Hotdog, musst das mit der Karte zahlen. Das geht ja bis hin zu den öf­fentlichen Toiletten, wo keine Münzen mehr eingeworfen werden, sondern wo man das mit der Karte abrechnet. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Das wollen wir in Österreich si­cher nicht. Wir wollen die Wahlfreiheit. (Abg. Scherak: ... Strache ... Bargeld ...!)

Ich will den bargeldlosen Zahlungsverkehr nicht generell verteufeln. Ich mache das selbst, aber jeder soll selbst entscheiden. Ob der Herr Drozda jetzt seine Uhr bar be-


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zahlt oder per Karte, das soll ihm selbst überlassen sein, und das soll auch für alle Bür­ger gelten.

Bargeld bedeutet persönliche Freiheit. Ja zur Verankerung von Bargeld in der Bundes­verfassung! Und ich appelliere auch an die sozialistische Fraktion, diesem Gesetzes­antrag zuzustimmen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

13.48


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich der Herr Vizekanzler. – Bitte, Herr Vizekanzler.


13.48.25

Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz Vizekanzler Dr. Dr. h.c. Clemens Jabloner: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte das rechtspolitische Anliegen der Garantie des Bargelds nicht diskutieren, finde aber den Antrag rechtstechnisch verfehlt und bedenklich. Zunächst, bitte sehr, gehört er nicht ins Staatsgrundgesetz von 1867. Dort ist jeder Beistrich von größter Bedeutung, und wenn man dort etwas hineinnimmt, was man dann in den Er­läuterungen ohnedies nur als Staatszielbestimmung deklariert, dann entwertet man die Grundrechte, die dort normiert sind. Das ist nicht der Platz dafür. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wenn Sie eine Staatszielbestimmung wollen, dann tun Sie sie bitte woanders hin, zum Beispiel in einen Artikel 13a B-VG oder wo auch immer hin, aber nicht ins Staatsgrund­gesetz von 1867. – Das ist meine erste Bitte.

Das Zweite ist – und das ist möglicherweise durch den Abänderungsantrag, den ich vor mir sehe, gelöst –: Die Formulierung ist weit überschießend, sie ist unionsrechtswidrig, würde sofort durch das Unionsrecht überlagert werden, sie verhindert sinnvolle Maß­nahmen gegen Terrorfinanzierung und gegen Geldwäsche, ist also weit überschießend.

Man könnte sogar auf die Idee kommen, dass sie etwa die unbare Gehaltsauszahlung im öffentlichen Dienst verhindert, sodass jeder Beamte, wenn das ein Grundrecht wä­re, darauf bestehen könnte, sein Gehalt in bar zu bekommen, und das ist sicherlich nicht das, was Sie anstreben.

Ich würde Sie also bitten, die Sache zumindest woanders hinzutun als ins Staatsgrund­gesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger, das wirklich zu den erhabensten Quellen der österreichischen Rechtsordnung gehört. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

13.50


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Loa­cker. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.50.37

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Frau Präsidentin! Herr Vizekanzler! Hohes Haus! Das, was ÖVP und FPÖ heute machen, nämlich der Schuldenbremse zuzustimmen, ist das Gegenteil von dem, was sie letzte Woche gemacht haben, da wurde nämlich zuerst einmal das schöne Geschenk der doppelten Pensionserhöhung beschlossen, es wurde die abschlagsfreie Frühpension wieder eingeführt, die zusätz­liche Pensionserhöhung im ersten Jahr. Die wird jedes Jahr 50 Millionen Euro extra kosten, die diese Pensionsbezieher dann ein 25-jähriges Pensionsleben lang mitneh­men. Dazu kommen mehrere hundert Millionen, um das Chaos auszugleichen, das aus der Abschaffung des Pflegeregresses entstanden ist. Und dann können wir uns noch an den Juli mit dem Pensionsbonus erinnern, der laut Berechnungen des Sozialminis­teriums 420 Millionen Euro im Jahr kosten wird.


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Die Seniorenparteien FPÖ und ÖVP beschließen also heute die Schuldenbremse mit und stellen so sicher, dass sie in Zukunft keine solchen Geschenke knapp vor der Wahl mehr verteilen können. Für die jungen Menschen und für die Beitragszahler kommt diese Erkenntnis allerdings eine Woche zu spät.

Die Pensionistenpartei SPÖ ist da konsequenter, da spielt das Geldausgeben sowieso keine Rolle – vor der Wahl, nach der Wahl, während des ganzen Jahres – und sie be­kommt Schützenhilfe von ihrer Parteivorfeldorganisation Arbeiterkammer, die sagt, mit einer Schuldenbremse kann man keine Zukunftsinvestitionen mehr machen. Jetzt weiß ich nicht, was bei Ihnen Zukunftsinvestitionen sind, bei mir wären es Forschung und Innovation. Pensionsgeschenke sind halt keine Zukunftsinvestitionen, aber deswegen ist auch die Angst vor der Schuldenbremse dort so groß.

Heute Früh habe ich schon Kreisky strapaziert, und jetzt muss ich der SPÖ gegenüber Keynes strapazieren, wenn es darum geht, ein über den Konjunkturzyklus ausgegli­chenes Budget zusammenzubringen; da müssten Sie eigentlich dafür sein.

Einen Satz, den Keynes gesagt hat, hat er nicht so ernst gemeint: Wenn konjunkturell gar nichts mehr geht, dann einfach schuldenfinanziert Löcher graben! – Das nehmen Sie jetzt ernst, aber so war es nicht gedacht. Das sind dann die Löcher, in die Sie den Kopf stecken können, um sich vor der Wahrheit zu drücken.

Die Sozialdemokraten Gerhard Schröder und Tony Blair hätten die Schuldenbremse in dieser Form beschlossen – Sie nicht, da reicht die Modernität leider nicht hin. (Abg. Drozda: ... Klima kaufen ...!)

Noch ein Satz zum Bargeld: Bargeld ist Freiheit, aber wenn es so wichtig wäre, wie Sie sagen, dann hätten sich ÖVP, FPÖ und SPÖ auf einen gemeinsamen Antrag ver­ständigt. Wenn es schon um die Verfassung geht, dann sollte das Ganze Hand und Fuß und einiges an Hirn haben, und da gebe ich dem Herrn Vizekanzler in seiner Ana­lyse recht: Das gehört natürlich nicht ins Staatsgrundgesetz.

Schon bemerkenswert ist eines: ÖVP und FPÖ wollen die Bürger kontrollieren, vom Bundestrojaner bis zur Videoüberwachung ist ihnen jedes Mittel recht, und jetzt beim Bargeld gibt man den großen Beschützer der Privatsphäre: Bargeld muss in die Ver­fassung. – Ich sage Ihnen nur eines: Ach, hören Sie einfach auf! (Beifall bei den NEOS.)

13.53


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Weidin­ger. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.54.08

Abgeordneter Mag. Peter Weidinger (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ge­schätzter Herr Vizekanzler! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Zu­nächst einmal ein großes Dankeschön an alle Initiativen in diesem Land und darüber hinaus, denen die Freiheit am Herzen liegt. Bargeld ist Freiheit, und das ist bedin­gungslos zu unterstreichen, meine Damen und Herren!

Letzten Freitag hat in der Wirtschaftskammer in Klagenfurt im Makerspace eine Ver­anstaltung stattgefunden. Ein Vortrag hat sich mit den Veränderungen der Gesellschaft durch die Digitalisierung beschäftigt. Andreas Klug hat dort ausgeführt, dass es mitt­lerweile in Schanghai nicht mehr möglich ist, mit Bargeld zu zahlen, sondern dass dort selbst eine Spende an einen Bettler mittels QR-Code überwiesen wird.

In Schweden, meine Damen und Herren, wird ab 2023 grundsätzlich auf das Bargeld verzichtet, und dort wird auch die Kollekte in der Kirche mittels Datenübertragung und digitaler Möglichkeiten eingehoben.


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Demnächst, meine Damen und Herren, soll das auch bei uns umgesetzt werden, und deswegen möchte ich darauf hinweisen, dass es notwendig ist, dass eine neue Bun­desregierung schnell wieder die Arbeit aufnehmen kann. So war es Finanzminister Hartwig Löger, der einen Fintech-Beirat eingerichtet hat, um Digitalisierungsmöglichkei­ten und Zahlungsmodelle auf nationalstaatlicher Basis zu erheben, um Sicherheit für den Konsumenten und für die Bürgerinnen und Bürger zu geben.

Wahlfreiheit, meine Damen und Herren, und der Umgang mit Bargeld werden von 80 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher ausdrücklich gewünscht. Es ist nicht nur die reife Generation, der wir hier im Besonderen verpflichtet sind, eine leichte­re Orientierung mit dem Bargeld zu bieten, sondern es geht auch darum, dass wir den Kindern ein Gefühl vermitteln, was Tauschen, was Handeln bedeutet, auch im Umgang mit Banknoten und mit Münzen. (Beifall bei der ÖVP.)

Im Mittelpunkt, meine Damen und Herren, steht aber vor allem auch der Schutz der Privatsphäre, wie wir sie in westlichen Demokratien gewohnt sind. Ich möchte hier auf eine Journalistin verweisen, Frau Christy Choi, die in einem Artikel darüber berichtet hat, dass bei den Protesten in Hongkong die Teilnehmer der Demonstrationen bewusst die Tickets mit Bargeld bezahlt haben, um später nicht ausgeforscht werden zu kön­nen, damit es keine Beweise gibt, dass sie dabei waren. Gott sei Dank sind wir in Eu­ropa meilenweit von solchen Situationen entfernt, es ist aber notwendig, dass wir sol­chen Tendenzen von Anfang an einen Riegel vorschieben. Wir müssen die Bürge­rinnen und Bürger beschützen, und das tun wir, wenn wir mit einer Staatszielbestim­mung dem einfachen Gesetzgeber einen Verfassungsauftrag geben, alles zu unterneh­men, um das Bargeld zu schützen.

In diesem Sinne, meine Damen und Herren: Bargeld bedeutet Freiheit. Ich bitte Sie um Zustimmung zu diesem wichtigen Beitrag zu mehr Freiheit und Sicherheit in Österreich. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

13.57


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Lindin­ger. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


13.57.20

Abgeordneter Ing. Klaus Lindinger, BSc (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Wir diskutieren hier heute die Schuldenbremse; ich verste­he dabei die Argumentation der SPÖ ganz und gar nicht. Wenn Sie behaupten, die verfassungsmäßige Verankerung würde unser Land quasi ins Unglück stürzen, weil keine Investitionen mehr möglich sind, so ist das reiner Unfug, reine Panikmache. Das ist vielleicht der Versuch, auf den letzten Metern vor der Wahl Stimmung und Stimmen zu machen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn in den letzten Jahrzehnten ein Schul­denberg von über 280 Milliarden Euro angehäuft wurde, dann ist das bei einer Einwoh­nerzahl von fast neun Millionen eine Pro-Kopf-Verschuldung von 31 000 Euro. 31 000 Eu­ro Schulden pro Kopf: Damit müssen die künftigen Generationen zurechtkommen. (Zwi­schenruf des Abg. Rossmann.) Das ist nicht aufrichtig, sondern vor allem verantwor­tungslos, und genau deshalb braucht es eine nachhaltige Budgetpolitik, die die notwen­dige Luft zum Atmen beziehungsweise auch Möglichkeiten für neue Investitionen gibt. Wir als Volkspartei nehmen diese Verantwortung wahr, und es freut mich ganz beson­ders, dass das auch andere Kolleginnen und Kollegen hier im Hohen Haus so sehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, bei der Schuldbremse, die ja einfachge­setzlich seit 2017 im Bundeshaushaltsgesetz fixiert ist, ist es aus unserer Sicht wichtig, dass wir diese auch in der Verfassung verankern. Somit haben künftige Regierungen,


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egal, in welcher Konstellation, einen strengen Budgetpfad zu verfolgen. Ich glaube, das sind wir nicht nur unseren Kindern und Enkelkindern, sondern vor allem dem Land Österreich schuldig.

Allen Kritikern hier herinnen sage ich: Schauen Sie sich das Doppelbudget 2018/2019 an! Nach mehr als 64 Jahren keine neuen Schulden, sowohl prozentuell als auch ge­samtheitlich gesehen weniger Schulden; gleichzeitig ist was passiert? – Wir haben den Familienbonus Plus beschlossen, eine längst fällige Unterstützung für 950 000 Fami­lien. Wir haben den Arbeitslosenversicherungsbeitrag gesenkt, somit die Geringverdie­ner entlastet. Wir haben die niedrigen Pensionen deutlich erhöht und gerade letzte Woche mit der Entlastung im Sozialversicherungsbereich, wovon alle Berufsgruppen in Österreich profitieren, weitere Maßnahmen für die Entlastung der Menschen in Öster­reich gesetzt.

Eines sage ich Ihnen ganz klar: Wir machen das alles, wie auch die Verankerung der Schuldenbremse, in voller Verantwortung für alle Generationen, indem wir ähnlich dem Schweizer Modell in guten für schlechtere Zeiten vorsorgen und indem wir sehr wohl Ausnahmeregelungen für außergewöhnliche Notsituationen oder Naturkatastrophen schaffen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Fakt ist, einen ausgeglichenen Budgethaus­halt über einen Konjunkturzyklus festzulegen schafft Generationengerechtigkeit, und das schafft Chancengerechtigkeit für alle. Als junger Abgeordneter ist mir das ein ganz besonderes Anliegen. (Beifall bei der ÖVP.)

Deshalb widerspreche ich allen Kolleginnen und Kollegen, die sich hier hergestellt haben und meinen, dass ein Staat unbedingt Schulden machen muss. Wir stehen ganz klar hinter der Position: Keine neuen Schulden, sondern den notwendigen Spielraum für die Zukunft schaffen! Diese Klarheit braucht es auch kommenden Sonntag für eine starke Volkspartei hier im Parlament. (Beifall bei der ÖVP.)

14.01


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Pöttinger. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.01.33

Abgeordneter Laurenz Pöttinger (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Herren Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Zum Bundesrechnungsabschluss 2018 erlaube ich mir zu gratulieren, eine Gratulation an die vergangene Regierung auszusprechen (Beifall bei der ÖVP – Oh-Rufe bei der SPÖ – Zwischenrufe der Abgeordneten Matznetter und Rossmann), an die Regierung Sebastian Kurz mit der ÖVP und mit der FPÖ als Koalitionspartner.

Die Menschen auf der Straße bestätigen diese gute Arbeit, und die Budgetzahlen zei­gen es auch ganz klar. Kollege Matznetter, es war doch die gute Arbeit von Sebastian Kurz mit seinem Team, die dieses Ergebnis zustande gebracht hat, und nicht, wie Sie ausführten, der Plan A (Zwischenruf des Abg. Matznetter), der schon lange Geschich­te ist. (Beifall bei der ÖVP.) Die neue Regierung hat bewiesen, dass es ohne die Still­standspolitik der SPÖ gut nach vorne geht.

Zur Schuldenbremse: Unsere hohe Abgaben- und Steuerquote ist genau deshalb ent­standen, da die Versuchung eine sehr große ist, das Geld in guten Zeiten mit beiden Händen auszuschütten und in schlechten Zeiten dann die Steuern zu erhöhen. Das ist genau die Politik, die uns die SPÖ sehr oft gezeigt hat, und das wollen wir sicher nicht mehr haben.

Man kann das Ganze natürlich auch ins Lächerliche ziehen, wie Sie, Herr Kollege Pilz, es getan haben, mit dem größten Wunsch der Wirtschaft in der Geschichte, dass man


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die Schneelage in die Verfassung bringt. Dann noch von zwei Ibizaparteien zu spre­chen, das ist wohl der Gipfel der Schlauheit. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir wollen keine Steuererhöhungen, wir wollen keine neuen Steuern – dafür steht die ÖVP. Wir wollen in der Verwaltung sparen und wir wollen nicht auf Kosten unserer Kin­der und Enkel Politik machen. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Plessl.) Deshalb bitte ich Sie: Stimmen Sie zu, und, sehr geehrte Damen und Herren, am Sonntag ist die ÖVP eine ganz gute Wahl! (Beifall bei der ÖVP.)

14.05


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Krainer. – Bitte.


14.05.05

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben drei wesentliche Punkte.

Zunächst zum Bundesrechnungsabschluss, da sieht man drei Sachen: Erstens die gute Konjunktur, die durch höhere Steuereinnahmen voll durchschlägt. Das Zweite ist, man sieht die höheren Ausgaben, auch bedingt durch das eben Nicht-Sparen im Sys­tem, sondern die höheren Personalausgaben in den Regierungsbüros und vor allem auch durch die höheren Werbeausgaben. Und das Dritte, was man sieht – und das ist sehr überraschend, da die Rechnungshofpräsidentin damit ja die ÖVP der Unwahrheit überführt –, ist, dass die Steuern 2018 gestiegen sind. Das heißt, die Österreicherin­nen und Österreicher mussten höhere Steuern zahlen. – Danke, Kurz, danke, Strache, die Steuern sind 2018 gestiegen! Das sieht man hier. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Loacker.)

Man kann auch anmerken, dass sie bei Mitterlehner/Faymann 2016 und auch bei Mit­terlehner/Kern 2017 gesunken sind – ich weiß nicht, was die Herren besser können. Der eine plakatiert, dass er die Steuern gesenkt hat (Abg. Haubner: Sind schon weg!); die Wahrheit ist, er hat sie erhöht.

Das Zweite, womit wir uns beschäftigen, ist die Frage Bargeld in der Verfassung. Ich glaube, alle hier sind der Meinung, dass das Bargeld nicht abgeschafft, sondern ge­schützt werden soll. Nur das, was wir alle, glaube ich, nicht wollen, ist, dass wir Schwarz­geld in die Verfassung schreiben. Beim Vorschlag, den die FPÖ ursprünglich einge­bracht hat, wäre nämlich das Ergebnis gewesen, dass wir Schwarzgeld in die Verfas­sung hineinschreiben.

Das ist durch den Abänderungsantrag noch ein bisschen besser geworden: Die Geld­wäsche und die Terrorismusfinanzierung sind draußen. Aber das reicht nicht, es geht auch um Steuerhinterziehung, es geht um illegale Parteispenden, um illegale Parteien­finanzierung – es gibt noch eine Reihe anderer Punkte, die man hineinschreiben muss. Im Übrigen finde ich, dass der Vizekanzler und Justizminister durchaus recht hat, wenn er sagt, das muss man sich genau anschauen und nicht überhapps handeln. Jedenfalls haben wir hier einen Antrag eingebracht, der, glaube ich, noch weiter geht und die an­deren Sachen ausschließt.

Der wesentliche Punkt, über den wir jetzt diskutieren, ist die Schuldenbremse. Ich habe für Sie hier ein Taferl (eine Tafel, auf der unter der Überschrift Schulden und über den Jahreszahlen 1995 und 2008 zwei ab- und dann wieder aufsteigende Kurven zu sehen sind, in die Höhe haltend) mitgebracht: Das ist die Schuldenentwicklung in Österreich im Vergleich zum Euroraum seit 1995. Das heißt, wir sehen hier, dass wir 1995 in Ös­terreich circa 70 Prozent des BIPs Schulden hatten, und das ist vor der Krise kon­tinuierlich auf fast 60 Prozent gesunken. Dann ist die Krise ausgebrochen und – welch Wunder! – die Staatsschulden sind in der Krise gestiegen, nicht nur im Euroraum, auch in Österreich.


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Dann wurden die Budgets konsolidiert. Das Budget 2015 hat das Budget in Österreich saniert, seitdem gehen die Schulden hinunter. Das heißt, das sind die letzten 25 Jahre. Wenn wir jetzt eine Schuldenbremse in der Verfassung verankern wollen, dann er­klären Sie mir bitte, wo bei dieser Kurve denn diese Bremse wirken soll! Wo soll die wirken? In der Krise, denn nur dort sind die Schulden gestiegen, sonst sind sie nämlich gesunken?! (Zwischenruf des Abg. Hanger.)

Kollege, wissen Sie, woher ich diese Zahlen habe? – Von der WKÖ-Homepage. (Bei­fall bei der SPÖ.) Ich lade Sie ein: Wirtschaftskammer Österreich, von dort sind diese Zahlen, Sie können sie einfach nachschauen. Es gibt so ein paar Mythen, die Sie ger­ne verbreiten – das sind die Zahlen von der WKÖ. Kollege Kopf, schreibt die WKÖ falsche Zahlen auf ihre Homepage? – Auf gar keinen Fall. Bitte, Kollege Hanger, Sie können sie beim Kollegen Kopf verifizieren. Diese Zahlen sind die richtigen Zahlen. Das ist das, was mit den Schulden passiert ist.

Wenn wir die Schuldenbremse beschließen, wozu führt das? Die Schuldenbremse bremst nicht die Schulden! Wir haben genug Regeln und wir haben genug politischen Willen dafür. Das haben viele verschiedene Regierungen gemacht (Abg. Wöginger: Das hat man eh gesehen, letzte Woche!): Das hat Rot-Schwarz gemacht, das hat Schwarz-Blau gemacht. Wir hatten diese Varianten, die haben alle die Schuldenquote gesenkt, quer durch die Parteien. Wir haben genug Regeln dafür.

Wenn wir hier eine Schuldenbremse in die Verfassung schreiben, bedeutet das eine Investitionsbremse. Zeigen Sie mir bitte eine Bahnlinie auf der Welt, die nicht kredit­finanziert wurde, sondern vom Sparbuch! Nicht einmal die Liliputbahn ist vom Spar­buch finanziert worden, sondern über Kredite. (Beifall bei der SPÖ.)

Die zweite Situation, in der das eintreten kann – und die ist noch weit gefährlicher –, ist in der Krise. Das bedeutet, keine Banken zu retten, das bedeutet, keine Kurzarbeit zu finanzieren, wie wir das in der Krise gemacht haben. Wir haben das gemeinsam ge­macht, ich glaube, das war sogar ein einstimmiger Beschluss hier im Parlament, da es das Richtige war, in der Krise gegenzusteuern. Und ja, die Schulden sind gestiegen, aber dafür ist Österreich weit besser durch die Krise gekommen und auch mit im Schnitt geringeren Schulden als die anderen Staaten der Eurozone. Überlegen Sie sich das gut, ob Sie wirklich diesen falschen Schritt machen wollen! (Beifall bei der SPÖ.)

Deutschland ist diesen Weg gegangen. Die Deutschen überlegen, wie sie aus dieser Investitionsbremse wieder herauskommen, aus dieser Sackgasse herauskommen, in die sie hineingefahren sind. Ich sage Ihnen, die SPÖ wird nicht in diese Sackgasse hi­neinfahren. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

14.11


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu einer tatsächliche Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Doppelbauer gemeldet. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.11.20

Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Kai Jan Krainer hat in seiner Rede behauptet, dass sich die Deutschen von ihrer Schuldenbremse verabschieden wollen und jetzt nicht mehr wissen, wie sie da herauskommen.

Ich berichtige tatsächlich: Weder die deutsche Bundesregierung noch das deutsche Parlament wollen sich von der Schuldenbremse verabschieden. Es stimmt daher auch nicht, dass sie nicht wüssten, wie sie da herauskommen. (Abg. Krainer: Geh bitte, das ist doch falsch!) Wahr ist vielmehr, dass sich einer von fünf Wirtschaftsweisen nach­denklich geäußert und eine legitime Diskussion angeregt hat. – Danke sehr. (Beifall bei NEOS, ÖVP und FPÖ.)

14.11



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 106

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Ich schließe die Debatte.

Wird seitens der Berichterstatter ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Ich muss Ihnen jetzt mitteilen, dass wir die Abstimmung über die Tagesordnungspunk­te 1 bis 3 verlegen müssen, da das Croquis noch nicht fertig ist und so viele umfas­sende Abänderungsanträge eingebracht worden sind. Ich verlege daher die Abstim­mung bis nach der Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 4.

14.12.454. Punkt

Bericht des Untersuchungsausschusses betreffend die politische Einflussnahme auf das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT-Untersuchungsausschuss) (3/US) gemäß § 51 VO-UA (695 d.B.)


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Wir gelangen nun zum 4. Punkt der Tagesord­nung.

Gemäß § 53 Abs. 1 der Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsaus­schüsse stelle ich ausdrücklich die Beendigung des BVT-Untersuchungsausschusses mit Mittwoch, 25. September 2019 fest.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Schwarz. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.13.29

Abgeordnete Gabriela Schwarz (ÖVP): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Sehr verehrte Damen und Herren auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Bevor ich zu einigen Themen aus dem BVT-Untersuchungsausschuss explizit Stellung nehme, möchte ich mich bei allen Fraktionen für die konstruktive Zusammenarbeit bedanken. Ich bedanke mich auch bei der Vorsitzenden, Frau Präsidentin Bures, für die Vorsitzführung und selbstverständlich auch beim Verfahrensrichter, beim Verfahrensanwalt und bei mei­nen Kolleginnen und Kollegen aus dem ÖVP-Parlamentsklub. (Beifall bei der ÖVP.)

Der Untersuchungsausschuss konnte unter anderem klar zeigen, dass die Hausdurch­suchungen größtenteils rechtswidrig erfolgt sind, dass Vorbereitung und Durchführung wirklich dilettantisch waren. Die Daten der Rechtsanwaltskanzlei Lansky wurden ord­nungsgemäß sichergestellt und es besteht keine Löschungsverpflichtung. Der dritte Punkt, auf den ich Bezug nehmen möchte, ist der, dass es dem damaligen Generalse­kretär Goldgruber gelungen ist, innerhalb des BVT eine geheime Sondereinheit zu im­plementieren.

Für mich eine der erstaunlichsten Erkenntnisse ist die Tatsache, wie dilettantisch die Hausdurchsuchungen – die, wie gesagt, rechtswidrig durchgeführt wurden – tatsäch­lich durchgeführt wurden. Der damalige Generalsekretär Goldgruber wurde vom da­maligen Innenminister beauftragt, im BMI aufzuräumen. Und was macht er? – Er nimmt sich eines der sensibelsten Gebiete als Erstes vor, nämlich das BVT. Als Grundlage dient ein Pamphlet, in dem Vorwürfe gegen Mitarbeiter des Innenministeriums und des BVT erhoben werden, die schon die längste Zeit kursiert sind und von sehr vielen Medienvertretern als absolut inhaltslos abgestempelt wurden. Außerdem nimmt sich der Generalsekretär einige sogenannte Belastungszeugen persönlich vor und versucht, die Vorwürfe dadurch zu untermauern.

Fest steht wie gesagt, dass die Hausdurchsuchungen größtenteils rechtswidrig und sehr dilettantisch erfolgt sind. Da wurde zum Beispiel mit Google Maps gearbeitet, es gab keinen Lageplan. Man hat sich mit einem Trick Zugang verschafft, es wurde die


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Sicherheitszentrale lahmgelegt. Es wurden Daten sichergestellt, und trotz der mehr­maligen Hinweise, dass es sich um sensible Daten handelt, wurden auch die sensiblen Daten – noch dazu in Behältnissen, die denkbar ungeeignet waren – mitgenommen. Gerade dieser Umgang mit den hochsensiblen Daten hat dazu geführt, dass das Ver­trauen der ausländischen Partnerdienste in das BVT wirklich massiv erschüttert ist.

Zum Ergebnis betreffend Daten der Rechtsanwaltskanzlei Lansky: Es gab zahlreiche Schreiben von Dr. Lansky an die Vorsitzende, an die Ausschussmitglieder, an die Klub­direktoren, an die einzelnen Mitglieder des Untersuchungsausschusses wegen der Lie­ferung der sogenannten Lansky-Daten. Das Zusammenwirken von Dr. Lansky und Mag. Goldgruber bezeichnete sogar die fallführende Staatsanwältin als „eigenartige Kombination“. Ich habe übrigens wieder Post von Dr. Lansky bekommen. Ich sehe das sehr gelassen, aber weniger gelassen sehe ich die Tatsache, dass der damalige Gene­ralsekretär innerhalb des BVT eine geheime Sondereinheit implementiert hat, von der nicht einmal Direktor Gridling etwas wissen durfte. Ganz im Gegenteil: Es wurde den Mitarbeitern dieser Sondereinheit auch untersagt, Direktor Gridling Auskunft zu ertei­len. Auch deshalb bin ich froh, dass es dem Untersuchungsausschuss gelungen ist, Dinge aufzuzeigen und möglicherweise noch Schlimmeres zu verhindern.

Meine Hoffnung ist, da sowohl Direktor Gridling als auch der Minister das BVT zur Chefsache erklärt haben, dass es uns gelingt, das internationale Vertrauen wiederher­zustellen. Ich wünsche auf diesem Weg dem BVT dafür alles Gute, denn ich erachte es für ausgesprochen wichtig, dass das BVT wieder den Rang einnimmt, den es sich durch die Mitarbeiterinnen und die Mitarbeiter, die dort arbeiten, tatsächlich verdient. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

14.17


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Ich darf noch mitteilen, dass der BVT-Untersu­chungsausschuss am 25. September 2019 um 14.10 Uhr geschlossen wurde und für beendet erklärt wird.

Nächster Redner: Herr Abgeordneter Krainer. – Bitte.


14.17.32

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Es ist natürlich vollkommen unmöglich, jetzt in 5 oder 6 Minuten wirklich darzustellen, was wir alles in diesem Untersuchungsaus­schuss herausarbeiten konnten. Ich lege jedem unseren Bericht (ein Schriftstück mit dem Titel „Die Affäre BVT“ in die Höhe haltend) ans Herz, der auf der Parlaments­homepage abrufbar ist. Er ist übrigens der einzige Bericht, der nicht von irgendjeman­dem beeinsprucht wurde, da wir hier absolut sauber gearbeitet haben und auch alle Zitate gehalten haben. Das ist der einzige Bericht, auf den dieses Qualitätsmerkmal zu­trifft.

Die drei wesentlichen Erkenntnisse: Erstens, Drahtzieher der Hausdurchsuchung wa­ren Minister Kickl und seine Mitarbeiter. Zweitens, das Motiv war das Liederbuch. Die FPÖ war davon überzeugt, dass das Liederbuch vom BVT recherchiert und über die schwarzen Netzwerke an die Medien weitergespielt wurde. Das hat sich als falsch herausgestellt, aber die FPÖ hat geglaubt, das ist so, und ist deswegen dort einmar­schiert.

Es ist ein Schaden entstanden, ein immenser Schaden. Das BVT ist in weiten Berei­chen gar nicht mehr handlungsfähig, Österreich ist massiv isoliert von den Partner­diensten und von den Informationen der Partnerdienste. Das ist wie ein Herz-Kreislauf-System ohne Blut. Das funktioniert nicht, ein Geheimdienst funktioniert nicht ohne In­formationen. Verantwortlich dafür ist der ehemalige Innenminister Kickl.

Zweitens: Dieser Schaden war bereits nach wenigen Wochen und Monaten absehbar. Der ehemalige Bundeskanzler Kurz hatte ein Auskunftsrecht. Er hätte jederzeit bei Di-


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rektor Gridling anrufen können und fragen, wie das mit der internationalen Zusammen­arbeit ist, ob es stimmt, was in den Zeitungen steht, dass wir isoliert sind, dass das nicht mehr funktioniert. Seit Dezember 2017 gibt es dieses Recht für den Bundes­kanzler. Er hat einmal davon Gebrauch gemacht, indem er zwei Wochen vor der Haus­durchsuchung den Direktor des BVT zu einem Gespräch über das Auskunftsrecht eingeladen hat, bei dem er wissen wollte, wie es aussieht. Dieser Termin hätte Mitte März stattfinden sollen. Er hat aber nicht stattgefunden, da Direktor Gridling zu diesem Zeitpunkt suspendiert war.

Wie oft hat Sebastian Kurz, der ehemalige Bundeskanzler Kurz, noch bei Direktor Grid­ling angerufen, als jeder in Österreich wusste, dass wir ein Problem mit dem BVT ha­ben? – Kein einziges Mal! Der Bundeskanzler hat weggesehen, obwohl er wissen musste, dass es einen Schaden gibt. Er wollte es nur ja nicht offiziell wissen. Stattdes­sen ist er immer zu Herrn Kickl gegangen und hat gesagt: Ich lese in der Zeitung, so­lange Sie Innenminister sind, gibt es ein Problem in der internationalen Zusammen­arbeit! Stimmt das? – Herr Kickl hätte ihm geantwortet: Nein, ich bin kein Problem! – Herr Kurz hätte dann gesagt: Dann ist eh alles in Ordnung!

Gar nichts war in Ordnung! In der Zwischenzeit gibt das auch die ÖVP zu. Seit Ibiza gibt die ÖVP zu, dass wir dieses Problem hatten, dass dieser Schaden eingetreten ist. Die Verantwortung für das Eintreten des Schadens trägt Kickl. Dass er nicht behoben wurde, dass es nicht besser wurde, dafür trägt Bundeskanzler Kurz die Verantwortung. (Beifall bei der SPÖ.)

Das Dritte ist die Rolle des jetzigen Parlamentspräsidenten Sobotka, der ja davor In­nenminister war. Er hat vor Beginn des Untersuchungsausschusses richtigerweise ge­sagt: Bitte, Frau Präsidentin Bures, können Sie übernehmen? Ich bin befangen! – Er hat sich aber nur da für befangen erklärt. Als es darum gegangen ist, welche Akten geliefert werden, mit welcher Geheimhaltungsstufe sie versehen werden, war er plötz­lich nicht mehr befangen. Da war er wieder der Anwalt der ÖVP und der FPÖ. Er selbst hat Akten, die er in seinem persönlichen Aktenbestand hat, nicht herausgerückt. Bis zum Schluss des Untersuchungsausschusses ist er draufgesessen und hat damit in Wahrheit den Untersuchungsausschuss sabotiert. Das ist einmalig in der Geschichte der Zweiten Republik, dass ein Parlamentspräsident die Arbeit eines Untersuchungs­ausschusses sabotiert. – Herr Präsident, das war nicht präsidentiell, das war letztklas­sig, was Sie da gemacht haben!

Der vierte Punkt ist die blaue Stasi. Ich bin froh, dass die ÖVP das am Schluss, nach Ibiza, auch so sieht. Wir haben das schon lange so gesehen und schon lange gesagt, dass sich der damalige Innenminister Kickl einen blauen Geheimdienst im Geheim­dienst aufgebaut hat. Es hat sich gezeigt, dass wir recht hatten. Auch die ÖVP sieht in der Zwischenzeit ein, was für eine gefährliche Entwicklung das war, dass der blaue Geheimdienst mit 1. Juli operativ tätig geworden wäre und so geheim war, dass nicht einmal der Direktor des BVT genau wusste, wer das ist, wo die sind und was die ma­chen. Staatspolitisch drohte wirklich äußerste Gefahr. Darum sind wir alle froh, dass wir diesen Untersuchungsausschuss hatten. So viel aufgeklärt wie in diesem ist selten zuvor aufgeklärt worden.

Zum Abschluss möchte ich mich bei Frau Präsidentin Bures für die Vorsitzführung, für die – ich bin auch öfter zurechtgewiesen worden, aber das gehört in einem Untersu­chungsausschuss eben dazu – zu allen Zeiten objektive Sitzungsführung bedanken. Bedanken möchte ich mich bei allen Kolleginnen und Kollegen und auch bei den Be­diensteten des Hauses. Ein Untersuchungsausschuss ist sehr anstrengend für alle. Er belastet nicht nur die Abgeordneten und deren Mitarbeiter, sondern alle Mitarbeiterin­nen und Mitarbeiter der Parlamentsdirektion. Herzlichen Dank für diese Arbeit!


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Ziehen wir die richtigen Schlüsse! Die richtigen Schlüsse sind: erstens, eine bessere parlamentarische Kontrolle der Geheimdienste; diese sind heute nicht ausreichend kontrolliert.

Das Zweite ist ein besserer Rechtsschutz. Die Rechtsschutzbeauftragten werden der­zeit von der Regierung bestellt, um die Regierung zu kontrollieren. Die Regierung ent­scheidet, wie viel Geld sie bekommen und welche Ressourcen sie haben, und rechen­schaftspflichtig sind sie dem Parlament auch nicht so, wie sie das sein sollten. In Zu­kunft sollten die Rechtsschutzbeauftragten vom Parlament bestellt werden, vom Parla­ment finanziert werden und sie müssen auch dem Parlament rechenschaftspflichtig sein.

Das Dritte ist, dass wir endlich die politischen Weisungen aus den Ermittlungen he­rausbekommen müssen. Wir brauchen einen Generalbundesanwalt, einen unabhängi­gen, vom Parlament gewählten Generalbundesanwalt, der als Einziger den Ermitt­lungsbehörden Weisungen geben darf, wo zu ermitteln ist und wo nicht, damit es die politischen Interventionen, die wir auch in diesem Kontext wieder gesehen haben, nicht mehr gibt. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

14.24


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Jene­wein. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


14.24.36

Abgeordneter Hans-Jörg Jenewein, MA (FPÖ): Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Da war jetzt ein bisschen viel Aluhut dabei, allein wenn ich mich auf die Formulie­rung – ich habe das jetzt extra mitgeschrieben – des Kollegen Krainer beziehe: Die FPÖ ist dort einmarschiert – da kann sich jeder die Ernsthaftigkeit dieser Rede vor Au­gen führen. Ich kann mich nicht erinnern, dass die FPÖ irgendwann einmal irgendwo einmarschiert wäre, aber es ist egal.

Am 7. September 2018, das ist noch nicht so lang her, ziemlich genau vor einem Jahr also, ist Kollege Krainer schon einmal hier am Rednerpult gestanden und hat eine Dringliche Anfrage zum Thema BVT eingebracht. Damals hat er gesagt: Da hat eine überaus brutale Hausdurchsuchung stattgefunden und Herbert Kickl war der Draht­zieher dieses Quasiüberfalls. – Das war am 7. September 2018, da hat dieser BVT-Un­tersuchungsausschuss gerade einmal drei Zeugen befragt gehabt. Da hat Herr Krainer schon gewusst, wie das Ergebnis ein Jahr später, nämlich heute, ausschauen wird. (Abg. Krainer: Wir hatten die Akten schon drei Monate!) Er hat die Rede, die er damals gehalten hat, heute im Prinzip auch gehalten. (Abg. Krainer: Wir konnten drei Monate lang die Akten lesen!) Besonders spannend habe ich gefunden, dass er jetzt mit einem Bericht kommt und sagt, dass das der einzige Bericht ist, in dem die Wahr­heit drinnen steht. – Herr Kollege Krainer, das mit der absoluten Wahrheit kenne ich ei­gentlich nur von der christlichen Fraktion. Die verfügen immer über die absolute Wahr­heit, denn die haben quasi den Segen von oben. Ich hätte nicht erwartet, dass das bei der SPÖ auch so ist, aber man lernt nie aus. (Beifall bei der FPÖ.)

Interessant ist, dass zum damaligen Zeitpunkt kein einziger Staatsanwalt befragt ge­wesen ist, kein einziger Sektionschef befragt gewesen ist, kein einziger Minister befragt gewesen ist. Das wäre schon interessant gewesen, hätte man zumindest diese Befra­gungen, die dann später stattgefunden haben, irgendwo in den Bericht miteinfließen lassen. Ich darf den Herrn Sektionschef und damaligen Generalsekretär im Justizmi­nisterium Pilnacek zitieren, der gesagt hat: Ja, ohne diese Hausdurchsuchung hätte es niemals Beweise und eine Beweissicherung geben können! Frau Vrabl-Sanda, die Chefin der WKStA und bei Gott keine Freundin der FPÖ – das kann man ihr, glaube ich, nicht unterstellen –, hat gesagt, die WKStA agiere immer gesetzeskonform und Er-


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mittlungsdruck, so wie das von manchen Politikern dargestellt wird, sei in der WKStA mittlerweile das Unwort des Jahres.

Frau Schmudermayer ist ebenfalls ohne Naheverhältnis zur FPÖ. Sie hat damals ge­sagt, sie war immer Herrin des Verfahrens. Wenn man sich ein bisschen mit der Ge­waltentrennung in der Republik auseinandersetzt, dann weiß man natürlich auch, dass ein Innenminister keine Hausdurchsuchung anordnen kann. Er kann sie auch nicht or­chestrieren, denn wenn die Justiz – und der Justizminister wurde ja nicht von der FPÖ gestellt – von Haus aus sagt, dass sie das nicht machen will, dann wird es auch nicht stattfinden. Wenn der Journalrichter schon fünf Tage, sprich: eine Arbeitswoche vor der Hausdurchsuchung, den Präsidenten des Landesgerichts für Wien darüber informiert hat, dass da etwas im Raum steht, etwas kommt, man darauf vorbereitet sein muss, dann kann man wohl nicht von einer Nacht-und-Nebel-Aktion sprechen.

Grund und Ziel dieses parlamentarischen Untersuchungsausschusses bis zum Dezem­ber war einzig und allein, den Innenminister anzupatzen, Herbert Kickl zum Rücktritt zu zwingen. Damit sind Sie ja prächtigst gescheitert, meine Damen und Herren von der damaligen Opposition. Damit sind Sie prächtigst gescheitert! (Beifall bei der FPÖ.)

Sogar jene Journalisten, die Herbert Kickl gegenüber sehr kritisch eingestellt sind – und deren gibt es nicht wenige in diesem Land –, haben in weiterer Folge festgestellt, dass dem Innenminister da kein Vorwurf zu machen ist. Das war aber genau das, was Sie vor genau einem Jahr von diesem Rednerpult aus getan haben, und Sie haben es heute wieder getan. Ich weiß schon, manche Leute sind gegen Fakten resistent, an­dere ein bisschen weniger, und manchmal sind die Verschwörungstheorien, die man vor einem Jahr geschrieben hat, noch immer so interessant für einen selbst, dass man sie ein Jahr später eben wieder an die Öffentlichkeit bringt.

Nichtsdestotrotz hat dieser Untersuchungsausschuss schon auch interessante Ent­wicklungen in dieser Republik ans Licht gebracht, zum Beispiel: dass das BVT ein ein­ziger Saustall war, der offen war wie ein Schweizer Käse, aus dem bis zum heutigen Tag Akten herausgespielt, in die Öffentlichkeit gespielt werden, in dem bis zum heu­tigen Tag mit Computersystemen gearbeitet wird, die für den Gebrauch nicht zertifiziert sind, die nicht einmal dafür zugelassen sind. Das weiß jeder, das findet seit zehn Jah­ren statt. Seit zehn Jahren findet dieser tagtäglich geübte Amtsmissbrauch statt, es in­teressiert nur niemanden, man macht einfach munter weiter. Da arbeiten Leute an ihrer Dienststelle mit hochsensiblen Top-Secret-Akten und haben das private Handy mit Fotografierfunktion danebenliegen. Das ist vollkommen wurscht, man geht einfach zur Tagesordnung über.

Ein weiterer Punkt, der nicht ganz irrelevant war, ist, dass zum Beispiel der Nachrich­tendienstchef, der in weiterer Folge entlassen wurde, offenbar Daten in ganz großem Stil gesammelt hat. Man weiß bis heute nicht, wofür er diese Daten gesammelt hat, aber es steht zumindest der Verdacht im Raum, dass der Nachrichtendienstchef vor al­lem für die ÖVP nachrichtendienstlich tätig war und dass in weiterer Folge in Zusam­menarbeit mit dem damaligen Sektionschef Kloibmüller die politische Intervention zum Stilmittel der Machtversessenheit und zum Stilmittel im BVT geworden ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieser BVT-Untersuchungsausschuss ist lei­der Gottes vorzeitig abgebrochen worden, bevor er wirklich in die Tiefen der Personal­politik des BVT vordringen konnte. Ich bin davon überzeugt, dass es in einer neuen Gesetzgebungsperiode dringend notwendig sein wird, genau dort fortzusetzen, wo wir dieses Mal aufgehört haben. Ich bin davon überzeugt, dass es notwendig sein wird, genau diese Netzwerke weiter zu untersuchen, und ich möchte hier auch dafür werben, dass wir uns unabhängig von einer möglichen Regierungsbeteiligung gleich welcher Partei darauf einigen, dass wir es vielleicht schaffen, mit einem einstimmigen Be­schluss in der neuen Gesetzgebungsperiode einen Untersuchungsausschuss einzuset-


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zen, der sich genau mit diesen Netzwerken aufseiten des Innenministeriums, aber auch aufseiten des Justizministeriums auseinandersetzt. (Beifall bei der FPÖ.)

14.31


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Krisper. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.31.13

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es gibt eine große Gruppe von Menschen, auch erfahrenere Kolleginnen und Kollegen als mich, die der Meinung sind, dass dieser Untersuchungsausschuss zum BVT, zu unserem Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämp­fung, einer derjenigen war, die am meisten aufgeklärt haben.

Was wüssten wir ohne ihn? – Wir wüssten nur, dass es im BVT eine Hausdurchsu­chung mit einer ominösen Einsatztruppe gegeben hat, und wegen der Antworten auf meine zwei Anfragen wüssten wir, dass es vorbereitende Gespräche mit den Zeugen gab, nämlich mit Goldgruber, damals Generalsekretär von Kickl, und Udo Lett, seinem Kabinettsmitarbeiter, und einmal sogar mit Kickl als Innenminister persönlich.

Dank des Untersuchungsausschusses wissen wir aber, dass sich Udo Lett und Gold­gruber 56 Mal in den Akten wiederfinden, und das immer mit einer Druck ausübenden Aktion. Sie haben Druck gemacht in Richtung Suspendierungen, Hausdurchsuchun­gen, Telefonüberwachungen, und letztendlich kam es zur Hausdurchsuchung im BVT und dort insbesondere im Extremismusreferat. Wir wissen, dass es dort eine Leiterin gibt, die durch diese Hausdurchsuchung und dadurch, dass man fast alle ihrer vielen Akten mitgenommen hat, über Monate hinweg in ihrer Arbeit massiv gestört wurde, dass sie auch rausgemobbt werden sollte und dass sie in einschlägigen Kreisen für ih­re Expertise in Sachen Rechtsextremismusermittlungen gefürchtet ist.

Das BVT wurde dadurch insgesamt geschwächt und ist nun dabei, sich das Vertrauen der Partnerdienste mühsam wieder zu erarbeiten. Egal ob es organisierter Druck auf die Staatsanwaltschaft war oder ob Kickl das nur zugelassen hat: Er ist als Innenmi­nister für dieses Sicherheitsdesaster verantwortlich gewesen. (Beifall bei NEOS und JETZT sowie des Abg. Krainer.)

Apropos Verantwortung: Alle, die zugehört haben, waren von der Befragung von Sebas­tian Kurz massiv irritiert, denn er ist jemand, der nach außen sehr gerne den Staats­mann mimt, der verantwortungsvoll vorgeht. Er hatte aber von dieser Causa hinausge­hend über das, was der durchschnittliche Zeitungsleser erfahren kann, überhaupt keine Ahnung. Ich verstehe Bürgerinnen und Bürger, denen die ganze BVT-Causa zu müh­sam war, das verstehe ich wirklich, aber es ist der Beruf des Kanzlers, sich über die Sicherheit des Landes Gedanken zu machen und nachzufragen, wenn Sorgen beste­hen. Dies hat er in keinerlei Weise getan. (Beifall bei den NEOS.)

Die ÖVP war aber auch insgesamt recht irritierend – jetzt komme ich zu den schwar­zen Seilschaften im Innenministerium –, denn sie hat ja entgegen den eindeutigsten Beweisen Richtung Postenschacher auch den wahrlich unfähigsten ÖVP-liierten Mitar­beitern die Mauer gemacht. Allein die Tatsache, dass die ÖVP als Reaktionen auf die Ladung von Sebastian Kurz in Sandkistenmanier Faymann, Silhavy und Doskozil gela­den hat – da wussten nicht einmal die ÖVP-Abgeordneten, was sie die überhaupt hät­ten fragen sollen –, zeigt, wie groß das Aufklärungsinteresse der ÖVP bei diesem Fra­genkomplex des Untersuchungsausschusses gewesen ist.

Die Aufklärung von Seilschaften ist sehr wohl nötig, denn es besteht ein Sicherheits­risiko. Wenn etwa von ÖVP-Vertrauensleuten aus dem BVT der ÖVP – ich zitiere – „authentische Informationen abseits der formellen Kanäle“ angeboten werden oder


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wenn das BVT auf Geheiß von Nationalratspräsident Sobotka – damals Innenminis­ter – beim ÖVP-Wahlprogramm mitarbeiten soll, dann ist das mehr als ein Sittenbild.

Für die Zukunft ist für uns NEOS ganz klar: Wir wollen endlich einmal einen unabhän­gigen Innenminister, wir wollen ernst gemeinte Reformen im nachrichtendienstlichen Bereich und einen Geheimdienstausschuss, der wirklich die parlamentarische Kontrolle ausübt. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Noll.)

14.34


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Pilz zu Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.35.07

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (JETZT): Kolleginnen und Kollegen! Ich werde es sehr kurz machen. (Beifall des Abg. Eßl.) Das war – ich glaube, da sind sich fast alle einig – ein durchaus erfolgreicher Untersuchungsausschuss. Das bisschen Klatschen nehme ich gerne zur Kenntnis, weil ich das Wichtigste zur ÖVP auch in aller Kürze feststellen kann. (Zwischenruf des Abg. Eßl.)

Das erste wichtige Ergebnis des Ausschusses ist: Das BVT ist zehn Jahre lang von der Österreichischen Volkspartei politisch missbraucht worden.

Befund zwei: Das BVT ist von der Freiheitlichen Partei unter Herbert Kickl mit bra­chialer Gewalt angegriffen worden, um eine politische Übernahme durchzuführen. Das ist unter anderen am Parlament und an der Öffentlichkeit gescheitert, aber dieser ge­scheiterte Angriff hat dem BVT unfassbaren Schaden zugefügt. Die Profiteure des frei­heitlichen Angriffs auf das BVT sind nicht die Freiheitliche Partei, sondern Extremisten im Bereich der Rechten und im Bereich des politischen Islam, die nicht mehr ausrei­chend überwacht und bekämpft werden können.

Die Schlussfolgerung daraus: Wir brauchen ein neues BVT nach Schweizer Vorbild, wir brauchen eine Trennung von zivilem Nachrichtendienst und politischer Kriminalpoli­zei in unterschiedlichen Ressorts. Kein Innenminister darf jemals mehr nachrichten­dienstliche Kompetenzen mit Exekutivgewalt verbunden ohne ausreichende Kontrolle in einer Hand haben. Da ist die Alternative klar.

Worum geht es aktuell? – Es wird nicht die FPÖ sein, sondern es ist die ÖVP, die wie­der nach dem Innenministerium greift. Das ist ein Muster, das uns in Zukunft be­schäftigen wird. Die ÖVP will das BVT, die ÖVP will das Innenministerium, die ÖVP versucht, die Justiz unter Kontrolle zu bringen, die ÖVP versucht, die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft zu zerschlagen und damit Korruptionsbekämpfung in dieser Republik unmöglich zu machen.

Die ÖVP und ihre Oligarchen, vom vorbestraften René Benko über Tojner bis hin zu Pierer, versuchen, ein Medium nach dem anderen zu übernehmen, wie den „Kurier“, der schon längst nicht mehr wiederzuerkennen ist, der früher einmal eine unabhängige Qualitätstageszeitung gewesen ist, die „Kronen Zeitung“ und andere Medien. Das nächste Angriffsobjekt ist ganz offensichtlich der ORF.

Das ist der Übergang von der Demokratie zur Oligarchie. Das beginnt immer in Nach­richtendiensten und endet bei der Deformierung und Teilabschaffung von Rechtsstaat und Demokratie, und das ist der Kern des Projekts von Sebastian Kurz. Davor warne ich, davor warnen wir, und genau das haben wir im BVT-Untersuchungsausschuss un­tersucht, und das werden wir uns im neuen Parlament in einem neuen Ausschuss, nämlich im Ibiza-Untersuchungsausschuss, noch einmal viel, viel genauer anschauen müssen. (Abg. Ofenauer: Sie nicht mehr! – Abg. Jachs: Sie nicht!)

Der Erste auf dieser neuen Zeugenliste hat einen Ihnen allen bekannten Namen: Se­bastian Kurz. Bis jetzt, bis zum 29. September, läuft er politisch davon. Vor dem Unter-


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suchungsausschuss werden weder Sebastian Kurz noch eine Reihe anderer wichtiger politischer Personen aus den beiden Ibizaparteien davonlaufen können.

Die Kontrolle bleibt parlamentarisch. Wir haben in der nächsten Legislaturperiode min­destens so viel zu tun wie im BVT-Untersuchungsausschuss. – Danke. (Beifall bei JETZT. – Abg. Schwarz: Sie nicht!)

14.38


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Ofenauer zu Wort. – Bitte.


14.39.03

Abgeordneter Mag. Friedrich Ofenauer (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Kolle­ginnen und Kollegen im Hohen Haus! Sehr verehrte Zuseherinnen und Zuseher! Her­bert Kickl, der diesen Tagesordnungspunkt offenbar schwänzt, hat vor Kurzem in „Im Zentrum“ gemeint, der BVT-Untersuchungsausschuss (Abg. Kickl nimmt Platz) – aha, da ist er – hätte das, wozu er eigentlich geschaffen worden ist, gänzlich aus den Augen verloren, nämlich das Aufdecken schwarzer Netzwerke. Dabei hat der Untersuchungs­ausschuss gänzlich anderes offenbart als solche vermeintlichen Netzwerke, schwarze Netzwerke. (Abg. Kickl: Der war da zum Glück für euch zu Ende! – Abg. Höbart: Zu den ÖVP-Vereinen!)

Ich darf dazu aus dem Ausschussbericht, Seite 284, zitieren: „Nach den vorliegenden Beweisergebnissen konnte das Bestehen eines derartigen Netzwerks nicht nachgewie­sen werden. Es sprachen zwar zahlreiche Indizien für die Existenz eines politischen Netzwerks, allerdings ergab sich kein ausreichend konkreter Hinweis für ,das‘ schwar­ze Netzwerk“ und so weiter. Der Bericht geht dann noch auf bestimmte Zusammen­hänge zwischen einzelnen Personen ein.

Also es gab keine schwarzen Netzwerke – das ist das eine. Das andere, was sich bei diesem Untersuchungsausschuss herausgestellt hat, war, dass sich Schwächen im Si­cherheitssystem offenbart haben, und, Kollege Pilz, der einzige Grund, warum die ÖVP möglicherweise wieder nach dem Innenministerium greift – sowie auf sein Funktionie­ren –, ist der, dass der Österreichischen Volkspartei die Sicherheit in Österreich ein Anliegen ist und die Sicherheit an oberster Stelle steht. Das gewährleisten unsere pro­fessionellen Mitarbeiter in den Sicherheitsdiensten. Diese zu diskreditieren und einzel­ne Dienststellen als „Saustall“ zu bezeichnen, weise ich absolut zurück (Beifall bei der ÖVP), denn unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im öffentlichen und gerade im Sicherheitsdienst verdienen einen Dank für ihren tagtäglichen Einsatz für die Sicherheit in diesem Land.

Verbesserungen sind aber notwendig – Verbesserungen vor allem dort, wo es um die Information der obersten Organe wie Parlament, Bundeskanzler et cetera geht. Es gibt tatsächlich kein Recht auf Auskunft, denn es fehlt ein entsprechendes Materiengesetz dazu. Eine Einführung von Berichtspflichten wäre erst im Rahmen der weiteren Erfül­lung des Regierungsprogrammes vorgesehen.

Um weitere Verbesserungen im Sicherheitsapparat vornehmen zu können, bringe ich jetzt folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Reform der Sicherheitsdienste und Ausbau des Rechtsschutzes“

Der Nationalrat wolle beschließen:


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„Die Bundesregierung wird aufgefordert das österreichische Nachrichtendienstsystem umfassend zu evaluieren und eine Neuaufstellung nach Schweizer Vorbild zu prüfen. Dabei sind insbesondere ein weiterer Ausbau des Rechtsschutzes sowie die Schaffung eines gesamtstaatlichen Lagezentrums zu berücksichtigen“.

*****

(Beifall bei der ÖVP.)

Gehen wir aber noch einmal zum Anfang zurück, zu diesem sogenannten Konvolut, diesem Pamphlet, das schon ein halbes Jahr bekannt war, in welchem auf 39 Seiten Vorwürfe geäußert wurden, über welches aber nicht einmal kritische Medien berichtet haben, weil ganz einfach nichts dahinterstand. Sogar die Staatsanwaltschaft Wien hat das Verfahren in diese Richtung bereits im Sommer 2017 eingestellt, weil es keinen Anfangsverdacht gab.

Plötzlich aber gibt es einen Antrag des Herrn Dr. Lansky – SPÖ-nahe – bei der Wirt­schafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, und plötzlich werden wieder Ermittlungen aufgenommen. Dr. Lansky hatte auch wieder seine Hand im Spiel, als Innenminister Kickl – damals frisch ins Amt gekommen – und Generalsekretär Goldgruber aufgrund dieses Pamphlets plötzlich Grund zum Handeln sahen.

In einem Zusammenwirken zwischen Bundesminister Kickl, einem übereifrigen Gene­ralsekretär und einer willfährigen Staatsanwältin wurde eine Hausdurchsuchung beim BVT mit den bekannten, schlimmen Folgen durchgeführt. Das war ein Netzwerk, eine unheilige Allianz; da wurden aus Halb- und Unwahrheiten eine Geschichte zusammen­gezimmert und Zeugen präpariert und zur Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwalt­schaft geschickt – Zeugen, die bei ihren Einvernahmen, nach ihrer Auskunft im Unter­suchungsausschuss, eher Entlastungs- als Belastungszeugen waren. Spannenderwei­se wurde auch eine Einheit, die üblicherweise für solche Einsätze nicht infrage kommt, vom Kabinett des Innenministeriums für diese Hausdurchsuchung abgestellt.

Weiters dazu: Die Staatsanwaltschaft führt zwar die Ermittlungen, die ermittelnden Ein­heiten unterstehen aber sehr wohl auch dem Innenministerium und dem Innenminister; deshalb war die Abberufung von Innenminister Kickl nach der Ibizaaffäre mehr als ge­rechtfertigt. (Abg. Kickl: Komisch, dass der Herr Kurz gesagt hat, ich hätte mir nichts zuschulden kommen lassen – unter Wahrheitspflicht!) – Sie brauchen sich da nicht zu wundern, warum Ihnen dann das Innenministerium entzogen wurde und Sie als Innen­minister entlassen wurden.

Das Ergebnis zum Thema vermeintliche schwarze Netzwerke im BVT-Untersuchungs­ausschuss ist klar; trotzdem taucht das Thema immer wieder auf. Die Frage ist nur: Warum? – Wahrscheinlich weil es Menschen gibt – und das haben Kickl und Pilz viel­leicht gemeinsam –, die immer wieder gerne Verschwörungstheorien rund um Fakten zimmern und dann irgendwelche Geschichten erzählen, die zwar spannend sein mö­gen, aber bei Weitem nicht wahr sind.

Interessant zum Thema Netzwerke wäre zum Beispiel auch, ob es Pilz-Netzwerke gibt, sodass bei ihm immer wieder vertrauliche Informationen auftauchen, oder andere Netz­werke, die dazu führen, dass zum Beispiel Informationen über Ermittlungsmaßnahmen im Bereich der militanten Tierschützer nach außen dringen können.

Mir ist die Aussage der Leiterin des Extremismusreferates noch im Ohr, die auf die Fra­ge, ob es direkt vom Kabinett Kontakte mit Mitgliedern ihres Referates gegeben hat, gesagt hat: Nein, sicher nicht, weil bei mir ja lauter Rote sind! Oder am Beispiel des Tierschützerprozesses: Da gibt es einen heutigen Landesparteiobmann der SPÖ Niederösterreich, der auf Vermittlung des SPÖ-Anwalts Dr. Lansky für deutsche Agen-


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ten intervenierte und dafür mit Jagdeinladungen und Luxusreisen belohnt wurde. Es gab eine SPÖ-Staatssekretärin, die im Innenministerium wegen der Tierrechtsaktivis­ten intervenierte, einen SPÖ-nahen Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, der eine Soko initiierte, und an vielen Stellen der Befragungen im Untersuchungsaus­schuss waren es SPÖ-Funktionäre oder -Nahestehende, die fragwürdig agierten. (Zwi­schenruf der Abg. Duzdar.)

Ausgeschlossen werden konnte hingegen jegliche politische Einflussnahme der BMI-Ressortführung vor 2018 (Heiterkeit der Abgeordneten Kickl und Kumpitsch), sowohl in Bezug auf die Ermittlungen des Extremismusreferates, auf die Arbeit des BVT gene­rell als auch auf Stellenbesetzungen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

14.45

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Gaby Schwarz, Karl Mahrer, B.A., Mag. Fritz Ofenauer

Kolleginnen und Kollegen

betreffend Reform der Sicherheitsdienste und Ausbau des Rechtsschutzes

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 4 Bericht des Untersuchungsausschusses betreffend die politische Einflussnahme auf das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT-Untersuchungsausschuss) (3/US) gemäß § 51 VO-UA (695 d.B.)

Die Republik Österreich verfügt über drei Sicherheitsdienste: Das Heeresnachrichten­amt für die militärische Auslandsaufklärung, das Abwehramt für den Schutz militäri­scher Einrichtungen und das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbe­kämpfung als Polizeibehörde mit nachrichtendienstlichen Aufgaben. Bis dato gibt es in Österreich keinen eigenen Inlandsnachrichtendienst. Gerade beim BVT, das inlands­nachrichtendienstliche Aufgaben wahrnimmt, haben sich in den letzten Monaten – vor allem durch die inzwischen für illegal erklärte Hausdurchsuchung – die Schwachpunkte eines derartigen Mischsystems gezeigt. Auch eine zentrale Analyse nachrichtendienst­licher Berichte für eine umfassende Information und Unterstützung der verfassungsmä­ßigen Organe existiert in Österreich nicht.

Unser primäres Ziel muss es sein das Vertrauen unserer Partnerdienste, ohne die sinnvolles nachrichtendienstliches Arbeiten de facto nicht möglich ist, wieder voll her­zustellen. Dazu ist aus unserer Sicht eine Reform der Nachrichtendienste unumgäng­lich. Insbesondere nach dem Vorbild der Schweiz sollte künftig eine strikte Trennung zwischen nachrichtendienstlichem Arbeiten und polizeilicher Tätigkeit erfolgen. Auch eine Professionalisierung der Ausbildung und klare Regelungen für die Aufnahme von Mitarbeitern sind dabei wichtige Faktoren.

Gleichzeitig müssen wir sicherstellen, dass mit der Neugestaltung der Landschaft der österreichischen Nachrichtendienste der Rechtsschutz noch weiter gestärkt und die Unabhängigkeit noch weiter ausgebaut werden soll. Dazu sollen die Rechtsschutzbe­auftragten der Ressorts zusammengelegt und an unabhängiger Stelle angesiedelt wer­den.

Bereits im letzten Regierungsprogramm war die Einführung von Berichtspflichten vor­gesehen. Dieses Vorhaben wollen wir ausweiten und – wie international üblich – ein gesamtstaatliches Lagezentrum mit dem Schwerpunkt auf hybride Bedrohungen beim Bundeskanzleramt ansiedeln.


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Klar ist, die österreichische Sicherheit ist eines der Kernthemen staatlichen Handelns und von parteiübergreifendem Interesse. Eine derartige Reform bedarf sowohl einer in­tensiven Vorbereitung, als auch einer möglichst breiten parlamentarischen Einbindung.

Die unterfertigen Abgeordneten beantragen daher nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert das österreichische Nachrichtendienstsystem umfassend zu evaluieren und eine Neuaufstellung nach Schweizer Vorbild zu prüfen. Dabei sind insbesondere ein weiterer Ausbau des Rechtsschutzes sowie die Schaffung eines gesamtstaatlichen Lagezentrums zu berücksichtigen“

*****


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Der soeben eingebrachte Antrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Lueger. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.46.00

Abgeordnete Angela Lueger (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Her­ren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Erkenntnisse des BVT-Untersuchungsaus­schusses haben ganz klar gezeigt, dass das BVT und seine Aktivitäten Kontrolle brau­chen.

Das BVT verfügt über einige der grundrechtsintensivsten und schärfsten Instrumente der Republik, die der Rechtsstaat zu bieten hat. Diese Instrumente dürfen nicht, nie­mals und nie mehr im Sinne einer politischen Couleur agieren, daher beantragen wir, dass der Rechtsschutzbeauftragte im Parlament angesiedelt wird. Derzeit sind die Rechtsschutzbeauftragten im Ministerium angesiedelt, das bedeutet, dass dieses auch über die finanzielle und personelle Ausstattung entscheiden kann. Gerade die BVT-Af­färe hat gezeigt, wie schwierig es tatsächlich ist, Unabhängigkeit zu bewahren.

Die Rechtsschutzbeauftragten des Bundesministeriums für Inneres, des Bundesminis­teriums für Verfassung, des Bundesministeriums für Landesverteidigung und des Bun­desministeriums für Finanzen sollen im Nationalrat angesiedelt werden – so wie die Volksanwaltschaft und der Rechnungshof; beide zeichnen sich in ihrer Entscheidungs­findung, in ihrer personellen und finanziellen Ausstattung durch ihre Unabhängigkeit aus. Eine Bestellung durch den Nationalrat macht die Rechtsschutzbeauftragten von der Regierung unabhängig. Der Nationalrat entscheidet über finanzielle und personelle Ausstattung, und die Rechtschutzbeauftragten sind nur den gewählten Parlamentariern Rechenschaft schuldig.

Geheim- und Nachrichtendienste, wie sie derzeit im BMI und im Landesverteidigungs­ministerium angesiedelt sind, brauchen nicht nur rechtliche, sondern auch politische Kontrolle, und dafür gibt es die zwei Unterausschüsse. Sie sollten analog dazu das Recht bekommen, Auskunftspersonen direkt zu befragen und über schriftliches Verlan­gen Akteneinsicht zu erhalten. (Beifall bei der SPÖ.) Diese Rechte sind als Minder­heitsrechte auszugestalten, damit die Opposition die parlamentarische Kontrolle so ef­fektiv wie möglich durchführen kann.

Wie auch immer sich das BVT weiterentwickelt, parallel dazu braucht es den Ausbau der parlamentarischen Kontrolle. Dieser muss gesichert sein. (Beifall bei der SPÖ.)

14.48



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Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Kumpitsch. – Bitte schön, Herr Abgeordneter. (Abg. Jarolim: Bitte sachlich bleiben! – Abg. Kum­pitsch – auf dem Weg zum Rednerpult –: Ja, keine Angst, Herr Kollege!)


14.48.48

Abgeordneter Mag. Günther Kumpitsch (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ge­schätzte Zuhörerinnen und Zuhörer auf der Galerie und vor den Fernsehbildschirmen! Hohes Haus! Ja, ich muss schon sagen, wenn ich die Darstellungen der Kollegin Schwarz, des Kollegen Krainer oder von Herrn Ofenauer höre, dann denke ich mir, ich muss in einem anderen Ausschuss gesessen sein. Der BVT-Untersuchungsausschuss war es jedenfalls nicht.

Aber ich verstehe schon: Man muss sich ja nicht an die Wahrheit halten. Es geht ja nur darum, eine Verantwortung eines Ministers zu konstruieren, den man im Grunde nicht haben wollte. Ich werde jetzt allerdings versuchen, mich an den Fakten und nicht an den Wünschen zu orientieren, und mache deswegen einen kurzen Rückblick.

Was war denn der Grund für diese Hausdurchsuchung und für den späteren Unter­suchungsausschuss? – Es waren anonyme Schreiben, die an und für sich schon im Wahlkampf 2017 bekannt waren, die auch der Staatsanwaltschaft bekannt waren und die Korruptionsfälle, strafrechtliche Vorwürfe und parteipolitische Einflussnahmen durch Netzwerke im Innenministerium und insbesondere im BVT schilderten. Das war die Grundlage. Man muss auch sagen, dass es schwerwiegende Vorwürfe waren, die man nicht so runterspielen sollte, wie es Kollege Ofenauer versucht hat. Es ist doch darum gegangen, dass im BVT zum Beispiel Quellengelder veruntreut worden sind, dass es im BVT sexuelle Übergriffe gegeben hat und dass Daten eines Anwaltes politisch moti­viert nicht gelöscht worden sind. Das sind keine Kleinigkeiten.

Mit der Amtsübernahme durch unseren ehemaligen Innenminister ist das auch für uns schlagend geworden, als sich Herr Rechtsanwalt Dr. Lansky beim neuen Generalse­kretär Peter Goldgruber gemeldet hat und ihm das Konvolut übergeben hat. So, jetzt frage ich Sie: Was ist die Aufgabe des sogenannten obersten Beamten des Ministe­riums? – Es ist seine Aufgabe, dass er damit die Staatsanwaltschaft befasst, diesen Vorwürfen nachgeht und seinen Stall – wie man so sagt – sauber hält. Genau das hat er getan, und genau das will die Opposition nicht zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich will gar nicht an den Sturm und an die Empörung denken, wenn er das nicht getan hätte, wenn irgendjemand erfahren hätte, dass da ein Konvolut irgendwo im Innenmi­nisterium herumgereicht wird, und nichts passiert wäre. Das hätte ich mir angeschaut! Den Sturm haben wir uns trotzdem nicht erspart. Der Sturm ist trotzdem über uns he­reingebrochen, indem diese Hausdurchsuchung über Anordnung – das sage ich jetzt bewusst – und im Auftrag der Korruptionsstaatsanwaltschaft vorgenommen wurde. Dann ist es erst recht rundgegangen! Man hat gesagt: Es ist ja furchtbar, martialisch ist diese EGS ins BVT eingedrungen, mit Stahlhelm, mit Schusswaffen und mit Schutzwesten!, während wir genau gewusst haben, dass das nicht so war. Die Mitglieder des Unter­ausschusses für innere Angelegenheiten haben das gewusst. Trotzdem hat man sich dann wieder hier ans Pult gestellt und genau das Gegenteil behauptet. Das ist auch eine Art und Weise, wie man als Abgeordneter nicht fungieren soll. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich möchte schon sagen, auch wenn hier anderes behauptet worden ist: Diese Haus­durchsuchung war gesetzeskonform. Alles andere, was da behauptet wird – was Kol­lege Krainer gesagt hat, was Pilz sagt –, dass es da eine Verschwörung gibt, dass der Herr Innenminister die ganze Beamtenschaft sozusagen austauschen wollte, das alles ist, bitte, frei erfunden und nur der Ausdruck des Willens, jemandem zu schaden. Auch


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das sollte man bedenken. Alle diese Märchen hat man in Sondersitzungen und Miss­trauensanträgen benutzt, damit man diesen ungeliebten Innenminister endlich raus­haut. Gelungen ist es vorerst einmal nicht.

Ich habe mich dann gefragt: Was ist die Ursache für diese meiner Meinung nach ir­rationale Kritik an unserem Ex-Innenminister, und warum wird in fast psychotischer Form alles und jedes infrage gestellt, auch alles Positive? – Kollege Pilz – er ist jetzt nicht da – war ein besonders enttäuschendes Beispiel dafür, dass man, wenn man of­fensichtlich gegen alles, was rechts ist, eine Abneigung hegt, nicht davor zurück­schreckt, persönliche Karrieren oder Menschen sozusagen öffentlich in den Medien hinzurichten. Da gibt es eine Grenze, die man trotzdem nicht überschreiten sollte.

Der Grund, warum das Ganze so ist und warum wir jetzt vor Neuwahlen stehen, ist wahrscheinlich der folgende: Jahrzehntelang haben sich Rot und Schwarz die Republik sozusagen aufgeteilt; jeder, der ein Ressort gehabt hat, konnte seine Freunde nach Belieben bedienen. Dann gibt es plötzlich einen blauen Innenminister, der für die Poli­zei, für Asyl und Migration zuständig ist. – Für die Linke muss das eine Watsche gewe­sen sein, wie es schöner nicht geht. Das muss unerträglich gewesen sein. Deswegen hat man von Anfang an immer alles versucht, um diesen Minister wieder loszuwerden.

Wie aber war es für die ÖVP? – Da habe ich heute leider auch feststellen müssen, dass Sie nicht immer mit uns auf einer Linie waren und vielleicht ganz anders gedacht haben, als Sie uns glauben gemacht haben. Da war nämlich jetzt Minister Kickl, ein Mi­nister, der sich in ein Amt gesetzt hat, das schwarz regiert worden ist. Da hat es na­türlich Netzwerke und Verbindungen gegeben, wie man seine Klientel verbunden hat, und plötzlich ist dieser Fluss im Netzwerk ins Stocken gekommen. Es ist einfach nicht mehr gegangen, und da haben Sie sich gesagt: Da müssen wir etwas tun! – Das aber ist nicht möglich gewesen. Das ist erst nach Ibiza möglich geworden, denn dann hat man gesagt: Kickl muss weg und am besten überhaupt die FPÖ aus dem Innenminis­terium! – Das ist der wahre Grund, warum es so weit gekommen ist.

Deswegen – ich sehe schon, die Lampe leuchtet rot –, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, wenn man will, dass aufgeräumt wird, dass wieder Klarheit in den Ministerien herrscht, dann braucht man eine starke FPÖ und ein Innenministerium, das blau ist. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

14.55


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Duzdar. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


14.56.06

Abgeordnete Mag. Muna Duzdar (SPÖ): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Da­men und Herren! Sehr geehrte Zuschauer und Zuschauerinnen! Werte Kollegen und Kolleginnen! Wenn man sich die Reden meiner Kollegen vor mir anhört, also vor allem jene von Türkis und Blau, so hat man nicht den Eindruck, dass die Paartherapie wirken würde. Vor allem, was die Rede des Kollegen Kumpitsch – Kumpitsch, glaube ich – be­trifft, so denke ich mir nur: Wissen Sie, ich habe den Eindruck, Sie haben null politische Einsicht über die gesamten Ergebnisse dieses BVT-Untersuchungsausschussberichtes gewonnen.

Ich verstehe schon, dass man da offenbar unterschiedliche Wahrnehmungen hat, weil man gewisse Dinge einfach nicht wahrhaben will. Sie kommen ans Rednerpult und ver­suchen, Dinge herunterzuspielen und vor allem auch diese Hausdurchsuchung zu rechtfertigen. Es mag schon sein, dass es im Verfassungsschutz Missstände gegeben hat, aber wir wissen ganz genau, dass diese eine Hausdurchsuchung nicht gerechtfer­tigt haben und dass die Hausdurchsuchung rechtswidrig war.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin oftmals gefragt worden: Was hat denn dieser BVT-Untersuchungsausschuss jetzt gebracht? Was bringen denn diese Unter­suchungsausschüsse? – Da muss man sagen, wir sind ja kein Gericht, wir verfolgen niemanden, wir verurteilen niemanden (Abg. Kickl: Na, ob das alle wissen?!), es ist aber das politische Kontrollrecht der Parlamentarier, politische Missstände in diesem Land aufzudecken und aufzuzeigen. Der BVT-Untersuchungsausschuss hat das sehr, sehr gut gemacht, denn es ist einiges klar geworden. Erstens ist vom ehemaligen In­nenminister versucht worden, politischen Einfluss auf die Justiz zu nehmen. (Zwischen­rufe bei der ÖVP.) Zweitens ist die Gewaltentrennung in unserem Land einfach miss­achtet worden. Man muss das so sagen, wie es war.

Im Herbst 2017 ist ein anonymes Dossier aufgetaucht, das den Verfassungsschutz stark belastet hat. Man hat dieses Dossier herangezogen, hat es hochgespielt, um eine in Wirklichkeit illegale Razzia durchzuführen, und es hat ein einziges Motiv bei der ganzen Geschichte gegeben – das hier zu betonen ist mir wichtig –: Der ehemalige In­nenminister war der Meinung, er als Innenminister müsse jetzt endlich den Verfas­sungsschutz unter seine Kontrolle bringen.

Warum war es ihm so wichtig, den Verfassungsschutz unter seine Kontrolle zu bringen? Was ist denn die Aufgabe des Verfassungsschutzes? – Extremismus und Terrorismus zu beobachten und zu bekämpfen, vor allem auch die Beobachtung der rechtsextremen Szene. Man wollte verhindern, dass der Verfassungsschutz die intensi­ven Verbindungen zwischen der FPÖ und der rechtsextremen Szene aufdeckt. Das ist dahintergestanden und war der Grund, weshalb man diese Hausdurchsuchung letztlich gemacht hat.

Heute wissen wir, dass selbst der ehemalige Kabinettschef des ehemaligen Innenmi­nisters Kickl intensivsten Kontakt zum Chef der Identitären hatte und hat. Es ist der Gleiche, der eine Spende von dem Christchurchattentäter bekommen hat. Daher liegt es auf der Hand, was das Motiv war. Wir wissen, dass diese Hausdurchsuchung illegal war und dass auf die Staatsanwaltschaft politisch Einfluss genommen wurde.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, genau deswegen ist es wichtig, dass es die­sen Untersuchungsausschuss gegeben hat, deshalb ist es wichtig, dass wir Parlamen­tarier und Parlamentarierinnen für unsere Demokratie und Rechtsstaatlichkeit kämpfen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Kickl: Ziemlich findig!)

14.59


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Herbert. – Bit­te schön, Herr Abgeordneter.


14.59.55

Abgeordneter Werner Herbert (FPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Duzdar, das mit der politischen Einsicht ist so eine Sache: Bei der Opposition hat man oft den Eindruck, nur deren politische Ansicht wäre die einzig gute und richtige, und jede andere, insbesondere die Meinung oder Darstellung der FPÖ, wäre sowieso die politisch falsche. (Zwischenruf des Abg. Loacker.) Ähnlich ist es auch mit den Erkenntnissen aus diesem Untersuchungsausschuss. (Präsident So­botka übernimmt den Vorsitz.)

Von Anfang an hatte ich als Mitglied dieses Ausschusses das Gefühl: Da geht es nicht um eine inhaltliche Aufarbeitung der Vorwürfe, da geht es nicht darum, die Wahrheit zu erforschen. Da geht es nicht darum, die Anschuldigungen gegen das BVT – immerhin eine wichtige Institution, die den staatspolizeilichen Schutz der Republik Österreich gewährleisten sollte – aufzuklären, sondern da geht es einzig und allein darum, den damaligen Innenminister Herbert Kickl anzupatzen, anzuschwärzen und seine Arbeit


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im Innenministerium, die er dort geleistet hat, negativ darzustellen. Das ist ein Um­stand, der in diesem Ausschuss von Anfang an wahrnehmbar war.

Es ging da, wie gesagt, nicht so sehr darum, die inhaltliche Aufarbeitung voranzutrei­ben, das konnte schon von Anfang an erkannt werden – es ging alleine um das Thema BVT, das Thema dieses Konvoluts, das hier schon mehrmals angesprochen wurde. Andere Themen, wie beispielsweise die Causa Tierschützer oder die Causa Maurer, waren da nur Nebensächlichkeiten und wurden auch relativ schnell abgehandelt – da war nämlich aus Sicht der Opposition nichts gegen Innenminister Kickl und sein Ka­binett zu holen.

So passt es auch dazu, dass da ein einseitiges Bild der damaligen freiheitlichen Si­cherheitspolitik gezeichnet wurde und auch die Medien in ihrer Berichterstattung oft ungeprüft und häufig auch völlig einseitig Darstellungen übernahmen, die gar nicht mit dem Untersuchungsgegenstand zu tun hatten oder auch gar nicht im Ausschuss be­handelt worden waren. (Zwischenruf des Abg. Vogl.)

Ich selbst als Mitglied des Ausschusses habe mich oft am Abend, wenn ich mir dann die Nachrichten angeschaut habe, gefragt, in welchem Ausschuss ich da eigentlich gesessen bin. Da waren Dinge in den Medien, die in dieser Intensität, in diesem Um­fang oder auch in dieser Nachhaltigkeit überhaupt kein Thema waren, die oft so gar nicht vorgekommen sind. Das passt aber halt alles gut ins Bild: Ein Innenminister, der für die Bevölkerung höchst erfolgreich war, der die richtigen sicherheitspolizeilichen Maßnahmen für Österreich gesetzt hat und der halt aus der Sicht der Opposition – aber natürlich auch aus der Sicht linker Medien – hier ein, sagen wir einmal, Störfaktor war, wird angepatzt. Er war ein Störfaktor, der beseitigt werden musste – und das, koste es, was es wolle, unter Einsatz aller politischen, aber auch medialen Mittel, die zur Verfügung gestanden sind.

Meine Damen und Herren! Da ich selbst Polizist bin, ärgert mich in diesem Zusammen­hang am meisten, wie die Rolle der EGS dargestellt wurde, auch in diesem Bericht. (Abg. Kickl: Sauerei!) Frau Kollegin Krisper, das ist keine ominöse Einsatztruppe – die EGS ist die wichtigste, um nicht zu sagen, nachhaltigste und erfolgreichste Einsatzein­heit der Polizei in Bezug auf Drogenkriminalität, Straßen- und Eigentumskriminalität. Das sind hoch professionelle Exekutivbeamte, die da von Ihnen herabgewürdigt wer­den. Das ist nicht fair, das ist nicht gerecht! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Abg. Krisper.) Dieser Gruppe, dieser Mannschaft zu unterstellen, sie wäre per se eine blaue Truppe, wie Sie das so formuliert haben, nur weil ihr stellvertretender Komman­dant FPÖ-Gemeinderat in Guntramsdorf ist, das ist ungerecht. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich darf erinnern, dass es eine andere wichtige, gute Einsatzeinheit gibt, nämlich das EKO Cobra. Dessen Chef, Ministerialrat Treibenreif, ist auch Gemeinderat, in Bad Erlach – allerdings für die ÖVP. Ich frage Sie: Ist deswegen das EKO Cobra eine ÖVP-Polizeieinheit? – Das wird so nicht behauptet, aber bei der EGS wurden diese beiden Umstände automatisch so verknüpft. Diese politische Vorverurteilung ist so nicht richtig, und das haben sich die Kollegen auch nicht verdient, das möchte ich hier an dieser Stelle noch einmal festhalten. (Beifall bei der FPÖ.)

Abschließend kann gesagt werden: Es ging nicht um eine politische Frage in der Causa Konvolut, sondern es war ein Kriminalfall im BVT. Es war kein politisches Pro­blem, das da gelöst werden musste, auch wenn das von Ihnen, von der Opposition, im­mer gern anders dargestellt wurde. Es war ein Kriminalfall im BVT, der untersucht wer­den musste. Das wurde getan, und Herbert Kickl und sein Kabinett haben alles dazu beigetragen, was rechtsstaatlich möglich war. (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.)

Die Maßnahmensetzung – von der Hausdurchsuchung bis zu den Sicherstellungen – war nicht in der Verantwortung des Innenministeriums, das wurde auch schon ange-


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sprochen, sondern das war die Verantwortung der Justiz, die in diesem Fall diese Maß­nahmen als geeignet angesehen hat. Hier jetzt der Justiz – wie hat Kollege Ofenauer gesagt? – Halbwahrheiten und Willfährigkeit zu unterstellen, das ist doch eine interes­sante Aussage, denn die Justiz stellt unseren rechtsstaatlichen Zugang sicher, politisch wie auch rechtlich, und ich habe bis jetzt keinen Hinweis von der ÖVP gehört, dass es da irgendein Problem geben könnte. In dieser speziellen Causa unterstellt man aber der Justiz Gegenteiliges, und das ist ein Widerspruch in sich. – Vielleicht solltet ihr in­tern einmal klären, wie das Verhältnis der ÖVP zur Justiz ist.

Alles in allem kann man sagen, es wurde aus Sicht des Kabinetts fair, es wurde kom­petent und es wurde umfangreich aufgearbeitet. Was Sie daraus gemacht haben, Kol­leginnen und Kollegen von der Opposition, aber auch was die Medien in diesem Zu­sammenhang getan haben, war nicht fair, das war unverantwortlich. Da gab es auch keinen Grund, dass sich die befreundeten Nachrichtendienste hätten Sorgen machen müssen. Das war nämlich nicht das Verschulden von Innenminister Kickl, sondern das war das Verschulden Ihrer überbordenden, übertriebenen Darstellung in der Öffentlich­keit mit Unterstützung der Medien. Das möchte ich hier auch einmal festhalten. (Beifall bei der FPÖ.)

Auch wenn Ihnen die Arbeit Kickls als Innenminister oder auch in sonstiger Funktion politisch nicht gefällt: Die Bevölkerung weiß, was sie an Innenminister Kickl in seiner Eigenschaft als oberster sicherheitsverantwortlicher Ressortchef gehabt hat. Viele Ös­terreicherinnen und Österreicher wünschen sich einen Herbert Kickl als Innenminister zurück. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe der Abgeordneten Duzdar und Krainer.) Das wird auch, wenn wir das können, nach der Wahl so umgesetzt werden. Es wird un­ser Bestreben sein, wieder für die Sicherheit Verantwortung zu übernehmen – ob Ihnen das gefällt oder nicht!

Die Österreicherinnen und Österreicher werden am Sonntag entscheiden, wohin der Weg gehen soll: in Richtung Chaos und linkem Dilettantismus in der Sicherheitspolitik oder einer klaren sicherheitspolitischen Zusammenarbeit mit der FPÖ. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

15.08


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf nun die Damen und Herren der Bildungs­anstalt für Elementarpädagogik 8 in Wien herzlich auf unserer Galerie begrüßen. (All­gemeiner Beifall.)

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Einwallner. – Bitte.


15.08.30

Abgeordneter Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Ich glaube, wir müssen uns wieder in Erinnerung rufen, was denn die Ursache dafür war, dass dieser Ausschuss überhaupt notwendig geworden ist: Die ÖVP überlässt bei der Regierungs­bildung grob fahrlässig der FPÖ das Innenressort, und Kickl und Goldgruber beginnen gleich von Anfang an, es sich zu richten.

Es hat eigentlich mit Kleinigkeiten begonnen: Herr Goldgruber hat eine schöne Uniform bekommen, die es bis dato noch nicht gegeben hat, Kabinettschef Teufel, wie sich jetzt herausstellt, einen Dienstwagen mit Chauffeur, damit er von Parteitermin zu Parteiter­min fahren kann. (Zwischenruf des Abg. Herbert.) Es gibt die Grenzschutzeinheit Puma, für deren Logo eine FPÖ-nahe Agentur den Auftrag bekommen hat, und, und, und. Diese Liste könnte man fortführen bis hin zu Ihrem Lieblingsthema, Herr Innen­minister Kickl, dass Sie Ihre Pferde bestellen wollten und bestellt haben. (Abg. Kickl: Wie heißen Sie, Einfaltner?) Den nachhaltigsten Schaden haben Sie aber angerichtet, indem Sie überfallsartig ins BVT eingedrungen sind, Herr Innenminister! (Beifall bei der SPÖ.)


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Wenn Kollege Herbert sagt, der Grund für die Hausdurchsuchung sei nicht das Kon­volut gewesen, hat er offenbar recht, denn es war offenbar nicht das Konvolut der Grund – der Grund war, dass Sie im Lichte der Liederbuchaffäre zu den Extremismus­daten kommen wollten. Das war der Grund für diese Hausdurchsuchung, meine Da­men und Herren! (Beifall bei der SPÖ.) Wenn man jetzt sieht, welche Verstrickungen Ihr Kabinettschef sowie weitere Funktionäre der FPÖ mit den Identitären haben, dann weiß man, warum es Ihnen so wichtig war, an diese Daten zu kommen, die im BVT im Extremismusreferat gespeichert waren.

Dieser Ausschuss, meine Damen und Herren, hat eines belegt: Er hat belegt, wie di­lettantisch die Vorgangsweise war, er hat belegt, wie fahrlässig mit sensiblen Daten umgegangen wurde und wie nachhaltig der Schaden für das BVT war. (Ruf bei der FPÖ: Wer sind Sie überhaupt?) Ein BVT, das von den anderen internationalen Infor­mationsdiensten abgeschnitten ist, ist auch ein Sicherheitsrisiko für die Republik, mei­ne Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Kickl.)

Dieser Ausschuss hat aber auch gezeigt – und da muss man in Richtung ÖVP schau­en –, wie lange und wie stark die ÖVP das BVT instrumentalisiert hat. Da kann man nur zu einem Schluss kommen, nämlich dass es für eines höchst an der Zeit ist – all die Vorgänge, die dieser Ausschuss aufgezeigt und aufgedeckt hat, belegen das –: Es braucht eine Reform des BVT mit einer starken parlamentarischen Kontrolle. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Meinl-Reisinger. – Ruf bei der FPÖ: Sehr schwache Rede! – Heiterkeit bei der SPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Das war eine sehr gute Rede!)

15.11


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Herbert zu Wort gemeldet. – Bitte.


15.11.41

Abgeordneter Werner Herbert (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Einwallner hat gerade behauptet, ich hätte in meiner Rede zuvor ge­sagt, der Grund für die Hausdurchsuchung im BVT wäre nicht das Konvolut gewe­sen. – Das ist so nicht richtig.

Ich berichtige tatsächlich: Der Grund für die Hausdurchsuchung war tatsächlich das Konvolut, und dafür wurden jene rechtsstaatlichen Mechanismen der Justiz herangezo­gen, die auch von der WKStA verfügt wurden. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe der Abgeordneten Krainer, Kickl und Stefan.)

15.12


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Schatz. – Bitte.


15.12.25

Abgeordnete Sabine Schatz (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Her­ren! Ja, die FPÖ hat ein Problem mit Rechtsextremismus. Das wissen wir alle, das ist uns allen bekannt, und das wussten wir auch schon 2017, als Sie, werte Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP, die FPÖ in Regierungsverantwortung geholt haben. Sie haben ausgerechnet Herbert Kickl ins Innenministerium geholt – jenen Mann, der 2016 als Hauptredner auf dem rechten Kongress der selbst ernannten Verteidiger Europas selbst vom BVT beobachtet wurde. (Abg. Kickl: Und was habe ich dort gesagt? Was Böses?)

Natürlich sind der FPÖ der Verfassungsschutz und im Besonderen das Extremismus­referat ein Dorn im Auge, und natürlich ist es für die FPÖ unangenehm, wenn ausge­rechnet in Wahlkampfzeiten rechtsextreme Vorfälle in der Öffentlichkeit aufpoppen. (Abg. Deimek: Ihr müsst schon ziemlich nervös sein, wenn ihr solche Falschmeldun-


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gen bringt!) – Falschmeldungen? – 73 mitgezählte rechtsextreme Vorfälle seit der Re­gierungsangelobung im Jahr 2017, Herr Kollege, das sind Fakten und keine Fake News! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Hafenecker: ... Geldflüsse der Gewerkschaft!)

Natürlich war der FPÖ die Liederbuchaffäre rund um ihren Spitzenkandidaten für die Landtagswahl in Niederösterreich Udo Landbauer entsprechend unangenehm. Es war Herr Goldgruber, der Generalsekretär des Ex-Innenministers, der sich dann mehrfach im BVT nach verdeckten Ermittlungen in Burschenschaften erkundigt hat. (Abg. Dei­mek: Jeder Redner hat dieselbe Vorlage!) Er hat natürlich keine Antworten bekommen, weil das verdeckte Ermittler entsprechend gefährdet hätte. Es verwundert uns auch nicht, dass ausgerechnet das Büro der Leiterin des Extremismusreferats, die als eine ausgesprochene Expertin in diesem Bereich gilt (Abg. Kickl: Eine echte Koryphäe, stimmt!) – eine echte Koryphäe, Sie haben recht, Herr Ex-Innenminister –, dass ausge­rechnet dieses Büro bei der darauf folgenden Razzia entsprechende Aufmerksamkeit bekommen hat.

Der Untersuchungsausschuss hat uns gezeigt, dass es eine politisch motivierte, über­fallsartige Razzia im BVT und insbesondere im Extremismusreferat gegeben hat, bei der auch aktuelle Falldaten – und zwar Blatt für Blatt – durchgesehen und beschlag­nahmt wurden, genauso wie Datenträger von Partnerorganisationen. Durch den Angriff auf das BVT sind verdeckte Ermittler und die Leiterin des Extremismusreferats quasi auf dem Präsentierteller gelandet und Bedrohungen durch die rechte Szene ausgesetzt worden. Der Ruf des BVT wurde öffentlich ruiniert und das Vertrauen der Partner­dienste zerstört, was im Bereich des Rechtsextremismus gefährlich ist.

Das Tag-X- oder Hannibal-Netzwerk, das auch Todeslisten führt, zeigt uns auf drasti­sche Weise, was wir über die neue Rechte und die Rechtsrockszene immer schon wussten: Rechtsextreme sind in der Ideologie nationalistisch – organisatorisch hinge­gen international vernetzt. Um gegen Rechtsextremismus vorgehen zu können, braucht es eine gute, intensive und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Partnerdiensten in ganz Europa. Die Ibizakoalition und im Besonderen Sie, Herr Ex-Innenminister Kickl, tragen die Verantwortung dafür, dass mit der Razzia im BVT, mit der unverhältnismä­ßigen Beschlagnahmung im Extremismusreferat dieses Vertrauen zerstört wurde und somit unsere Sicherheit gefährdet ist. Auch zu dieser Erkenntnis sind wir im BVT-Un­tersuchungsausschuss gelangt.

Ich darf deshalb folgenden Entschließungsantrag stellen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Staatsschutz und Kontrolle“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, ein Konzept zur Überführung der Rechts­schutzbeauftragten in das österreichische Parlament zu entwickeln und im Rahmen ei­nes Berichtes vorzulegen. Dieser Bericht soll weiter das Konzept einer Aufstockung der finanziellen und personellen Ressourcen im BVT beinhalten, um im Interesse der Bür­gerinnen und Bürger die Bedrohungsszenarien in Österreich präventiv zu bekämpfen. Ebenso wird die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz, ersucht, eine Gesetzesvorlage dem Nationalrat zu übermitteln, die die Funktion eines unabhängigen Bundesstaatsanwaltes, der die Weisungsspitze gegenüber den staatsanwaltlichen Behörden darstellen soll, in das ös­terreichische Recht implementiert.“

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Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 124

Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Ex-Innenminister Herbert Kickl war nicht der beste Minister für die Sicherheit, sondern das größte Sicherheitsrisiko der Zweiten Re­publik. (Beifall bei der SPÖ.)

15.17

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Jan Krainer,

Genossinnen und Genossen

betreffend „Staatsschutz und Kontrolle“

Die Erkenntnisse aus dem BVT-Untersuchungsausschuss haben klar gezeigt, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung und seine Aktivitä­ten parlamentarische Kontrolle brauchen. Die bestehenden Unterausschüsse zur Kon­trolle der Nachrichtendienste und des BVT sollen bei der Ladung von Auskunftsperso­nen sowie bei der Aktenvorlage Minderheitsrechte wie in parlamentarischen Untersu­chungsausschüssen erhalten. Sowohl der Bericht des Verfahrensrichters, wie auch die einzelnen Fraktionsberichte gehen in diese Richtung. Aufgrund der Herausforderungen der inneren und äußeren Sicherheitslage und zur konsequenten Bekämpfung jeder Form des Extremismus, insbesondere jedoch des Rechtsextremismus, muss das BVT mit den notwendigen personellen und finanziellen Ressourcen ausgestattet werden, um diese Aufgabe im Interesse der Österreicherinnen und Österreicher zu erfüllen.

Auch unbestritten erscheint, dass die Kontrolle durch die Rechtsschutzbeauftragten im Parlament zusammengeführt werden soll, um noch mehr Unabhängigkeit und Effizienz im Bereich des Rechtsschutzes des Einzelnen zu erzielen. Die Rechtsschutzbeauftrag­ten sollen vom Parlament bestellt und finanziert werden sowie diesem rechenschafts­pflichtig sein.

Was die Justiz betrifft, so hat sich gezeigt, wie notwendig die Einrichtung eines Bun­desstaatsanwaltes ist, um der Staatsanwaltschaft schlagkräftiges und politikunabhängi­ges Agieren zu ermöglichen.

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, ein Konzept zur Überführung der Rechts­schutzbeauftragten in das österreichische Parlament zu entwickeln und im Rahmen ei­nes Berichtes vorzulegen. Dieser Bericht soll weiter das Konzept einer Aufstockung der finanziellen und personellen Ressourcen im BVT beinhalten, um im Interesse der Bür­gerinnen und Bürger die Bedrohungsszenarien in Österreich präventiv zu bekämpfen. Ebenso wird die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz, ersucht, eine Gesetzesvorlage dem Nationalrat zu übermitteln, die die Funktion eines unabhängigen Bundesstaatsanwaltes, der die Weisungsspitze gegenüber den staatsanwaltlichen Behörden darstellen soll, in das ös­terreichische Recht implementiert.“

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Jenewein zu Wort gemeldet. – Bitte.



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 125

15.17.15

Abgeordneter Hans-Jörg Jenewein, MA (FPÖ): Frau Kollegin Schatz hat soeben in ihren Ausführungen davon gesprochen, dass Generalsekretär Goldgruber sich mehr­fach über verdeckte Ermittler im Bereich des Rechtsextremismus erkundigt hätte. (Zwi­schenruf der Abg. Schatz.)

Ich berichtige tatsächlich: Zu keinem Zeitpunkt konnte dieser Vorwurf im Zuge des par­lamentarischen Untersuchungsausschusses objektiviert werden. Es gibt dazu keinen Aktenvermerk des Direktors Gridling, es handelt sich dabei um eine reine – falsche – Behauptung. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Krainer: Ich habe noch selten erlebt, dass eine tatsächliche Berichtigung verwendet wurde, um hier einfach nur die Unwahrheit zu sagen! – Ruf bei der FPÖ: Ja was denn? – Abg. Schimanek: Nicht herausschreien, Wortmeldung!)

15.17


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Dönmez. – Bitte.


15.18.00

Abgeordneter Efgani Dönmez, PMM (ohne Klubzugehörigkeit): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Erlauben Sie mir, vor der Abstim­mung, bei der aufgrund der erforderlichen Zweidrittelmehrheit alle anwesend sein wer­den, meine letzten Worte an Sie und an das Hohe Haus zu richten.

Wir sehen und können auch dieser Debatte entnehmen, dass in den letzten Monaten und Jahren in unserer Gesellschaft eine politische Polarisierung hohen Ausmaßes stattgefunden hat – dies obwohl wir in einem Land leben, in dem wir einen sehr hohen Wohlstand haben. Dieser Wohlstand muss aber immer wieder aufs Neue erarbeitet werden, wir müssen daher mit geschärftem Blick und echtem Willen zu Reformen die Chance für tiefgreifende Veränderungen wahrnehmen. Wir müssen Probleme, Fehlent­wicklungen und Zukunftsmodelle offen und ohne Rücksicht auf Macht und Einfluss von Partikularinteressen und Institutionen behandeln.

Wir wissen alle, dass nicht der Großglockner der größte Berg Österreichs ist, sondern der angehäufte Schuldenberg, der dem Handlungsspielraum für die gegenwärtige und die zukünftige Politik immer engere Grenzen setzt. (Zwischenruf der Abg. Meinl-Rei­singer.) Damit dieser Schuldenberg nicht noch mehr zulasten der zukünftigen Genera­tionen anwächst, müssen schnelle und wirksame Maßnahmen gesetzt werden, damit wir wieder zu den Spitzenreitern im internationalen Wettbewerb aufschließen können.

Ich habe in meiner politischen Arbeit - - (Abg. Krainer: Da geht es um das BVT!) – Kol­lege Jan Krainer, wenn Sie sich bitte 3 Minuten Zeit nehmen könnten, wenn ich mich von Ihnen verabschiede! Reißen Sie sich bitte zusammen – okay? (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich habe in meiner politischen Arbeit immer das Gemeinsame vor das Trennende ge­stellt, ohne alles gleichzumachen, und die Dinge beim Namen genannt. Mir ist natürlich bewusst, dass ich mir mit meiner direkten Art nicht immer Freunde gemacht habe. Mit Schönrederei, Aussitzen und Täuschen löst man aber keine Probleme, als Politiker müssen wir handeln.

Die zukünftige Regierung wird im Verkehrsbereich, im Energiebereich, im Bildungsbe­reich, im Wirtschaftsbereich und im Migrations- und Integrationsbereich viel zu tun ha­ben, denn die Aufgaben in diesen Bereichen werden sich nicht von alleine lösen. Das sind große Aufgaben, die teilweise von allen gemeinsam in diesem Haus gelöst wer­den müssen, oftmals abseits parteipolitischer Zugänge. Menschen, die berechtigte Kri­tik ausüben, Zustände und Missstände aufzeigen, Fehler beim Namen nennen oder die


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Forderung nach Veränderungen ansprechen, müssen gehört und eingebunden wer­den.

Seitdem ich denken kann, habe ich stets daran gearbeitet, dass unser Österreich zu einer weltoffenen, leistungsorientierten Hochleistungsgesellschaft mit sozialem Gewis­sen ausgebaut wird. Leider ist uns dies gerade im Migrations- und Integrationsbereich bis heute nicht gelungen. Wir sind für gut und höchst ausgebildete auswanderungswil­lige Migranten aufgrund von überbordender Bürokratie und als Hochsteuerland kaum bis wenig interessant, aber für die Armutsmigranten in aller Welt ein Magnet. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir gerade deshalb auf Chancengerechtigkeit statt auf Verteilungsgerechtigkeit setzen müssen.

Weiters bin ich der festen Überzeugung, dass wir zukunftsorientiert eine Identitätsbil­dung in unserem wunderschönen Land nicht immer über Ausgrenzung und Abgren­zung sowie die Dämonisierung des Fremden erreichen können, sondern über das Hoch­halten und die Verteidigung der gemeinsam hart erkämpften Werte wie Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Gleichstellung von Mann und Frau sowie die Trennung von Staat und Religion.

Ich möchte mich bei allen in diesem Haus für die gute Zusammenarbeit bedanken, bei Ihren Referenten, Referentinnen, bei den Mitarbeitern der Parlamentsdirektion, bei den Technikern, bei den Kollegen, die für die Sicherheit zuständig sind, aber vor allem bei meiner Familie, bei meinen Freunden, bei den Grünen und bei der Österreichischen Volkspartei, die mir überhaupt die Möglichkeit eingeräumt haben, ein Stück dieses We­ges gemeinsam zu gehen und unser Land gemeinsam zu gestalten.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit, danke, Herr Kollege Jan Krainer, dass Sie meiner Ab­schlussrede 2 Minuten Ihrer wertvollen Zeit geschenkt haben! Alles, alles Gute wün­sche ich Ihnen und – das Wichtigste – viel Gesundheit! Passt mir auf dieses schöne Ös­terreich auf! Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie bei Abgeordneten von SPÖ, NEOS und JETZT.)

15.22


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Androsch. – Bitte.


15.23.19

Abgeordneter Ing. Maurice Androsch (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich noch auf ein paar Punkte, die jetzt in die­ser Diskussion und Debatte aufgekommen sind, replizieren!

Herr Kollege Kumpitsch, wenn von Ihnen die Aussage kommt, wir nehmen es mit der Wahrheit nicht so genau (Ruf bei der FPÖ: Stimmt!), dann sage ich Ihnen, wie genau Sie es mit der Wahrheit nehmen. Sie haben behauptet, dass die Hausdurchsuchung im BVT aus Ihrer Sicht rechtmäßig ist. – Das ist gerichtlich geklärt, sie wurde gerichtlich eindeutig als illegal eingestuft. Das halte ich fest. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir sind aber nicht dazu da, um die gerichtliche und strafrechtliche Verantwortung zu klären, sondern die politische Verantwortung zu klären. Die politische Verantwortung für die desaströsen Bedingungen, Zustände und Folgen, die da geherrscht haben, hat einer ganz alleine zu übernehmen und mit sich auszumachen, und das ist Innenmi­nister Kickl. (Ruf bei der FPÖ: Das musst als Polizist besser wissen!) Für uns ist klar: Er ist schuld an der Situation, dass der österreichische Nachrichtendienst, der österrei­chische Geheimdienst zerstört worden sind, und zwar zu einem einzigen Zweck: eine blaue Stasi im Hintergrund aufzubauen. Das war der einzige Zweck, den er verfolgt hat. (Beifall bei der SPÖ. Zwischenruf des Abg. Hafenecker.)


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Werte Kolleginnen und Kollegen! Noch ein Wort zu Abgeordnetem Herbert: Ja, es stimmt, wie man mit der EGS umgegangen ist, das war in Wirklichkeit eine Frechheit. Das war nicht in Ordnung, da gebe ich Ihnen vollkommen recht. Von Ihnen war es nicht in Ordnung. (Zwischenruf der Abg. Steger.) Sie haben ganz bewusst eine Einheit, die tolle Arbeit leistet, eine Einheit, die für die Straßenkriminalität zuständig ist, in das BVT einmarschieren lassen und sie ohne ausreichendes Wissen in einen ganz sen­siblen Bereich hineingeschickt, nur zu einem Zweck: um Wirbel zu machen, um laut zu werden, um in das Extremismusreferat hineinzukommen und dort Nachschau zu hal­ten. Diese Kolleginnen und Kollegen, die und da gebe ich Ihnen recht – hervorragen­den Dienst leisten, wurden von Ihnen, von Ihrem Innenminister und seinem Generalse­kretär benutzt. (Beifall bei der SPÖ.)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Zum Abschluss noch: Herr Ofenauer hat ge­sagt: Für die ÖVP steht die Sicherheit an erster Stelle! – Wäre es so gewesen, dass die Sicherheit für die ÖVP an erster Stelle steht, dann hätte Ihr entmachteter Bundes­kanzler, Ihr von seinem Amt enthobener Bundeskanzler Kurz nach dem Bekanntwer­den dieser Dinge, als im vorigen Jahr im Laufe des Frühjahrs all das bekannt ge­worden ist, endlich einen Schlussstrich gezogen unter diese freiheitliche Politik im In­nenministerium, die alles andere als Sicherheit gebracht hat, die ein Desaster im Si­cherheitssystem gebracht hat, die uns die Augen und Ohren genommen und in Wirk­lichkeit die Menschen in dieser Republik gefährdet hat. (Abg. Wöginger: So ein Blöd­sinn!)

Daran sind Sie mit schuld, da kann ich Sie nicht aus der Verantwortung nehmen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

15.26

15.26.26

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.

Wünscht der Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung darüber, vom Bericht des BVT-Untersuchungsaus­schusses Kenntnis zu nehmen.

Ich darf die Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen ersuchen. Vom Bericht ist somit einstimmig Kenntnis genom­men.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Schwarz, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Reform der Sicherheitsdiens­te und Ausbau des Rechtsschutzes“.

Wer damit einverstanden ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit, der Antrag ist daher angenommen. (E 126)

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Krainer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Staatsschutz und Kontrolle“.

Ich darf jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen der Zustimmung ersu­chen. – Das ist die Minderheit, der Antrag ist daher abgelehnt.

15.27.40Abstimmung über die Tagesordnungspunkte 1 bis 3

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen nun zur verlegten Abstimmung über die Tagesordnungspunkte 1 bis 3, die ich über jeden Tagesordnungspunkt getrennt vor­nehme.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 128

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 1: Entwurf betref­fend ein Bundesgesetz über die Genehmigung des Bundesrechnungsabschlusses für das Jahr 2018 samt Titel und Eingang in 684 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dem die Zustimmung erteilen, ein entspre­chendes Zeichen zu geben. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Wer auch in der dritten Lesung die Zustimmung gibt, den bitte ich wieder um ein Zei­chen. – Das ist in dritter Lesung ebenfalls mehrheitlich angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 2: Entwurf betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und das Bundesverfassungsgesetz über Ermächtigungen des Österreichischen Gemeinde­bundes und des Österreichischen Städtebundes geändert werden, in 685 der Beilagen.

Hiezu liegt ein Abänderungsantrag der Abgeordneten Haubner, Fuchs, Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen vor. Ich werde zunächst über den vom erwähnten Abände­rungsantrag betroffenen Teil und schließlich über die restlichen, noch nicht abge­stimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Da der vorliegende Gesetzentwurf beziehungsweise der erwähnte Abänderungsantrag eine Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes beziehungsweise eines Bundesver­fassungsgesetzes betreffen, stelle ich zunächst im Sinne des § 82 Abs. 2 Z 1 der Ge­schäftsordnung die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungsmä­ßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten fest. Das ist der Fall.

Ich darf auch bekannt geben, dass ich an jeder Abstimmung teilnehmen werde.

Die Abgeordneten Haubner, Fuchs, Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen haben ei­nen Abänderungsantrag betreffend Artikel 2 eingebracht.

Wer dem die Zustimmung erteilt, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mit Zweidrittelmehrheit angenommen. (Abg. Leichtfried: Das glaube ich nicht!) – Wenn Sie es nicht glauben, dann führen wir eine namentliche Abstimmung durch. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Die Stimmzettel, die zu benützen sind, befinden sich in den Laden der Abgeordne­tenpulte und tragen den Namen der Abgeordneten sowie die Bezeichnung „Ja“ – das sind die grauen Stimmzettel – beziehungsweise „Nein“ – das sind die rosafarbenen. Für die Abstimmung können ausschließlich diese amtlichen Stimmzettel verwendet werden.

Gemäß der Geschäftsordnung werden die Abgeordneten namentlich aufgerufen, den Stimmzettel in die bereitgestellte Urne zu werfen.

Ich ersuche jene Abgeordneten, die dem gegenständlichen Antrag ihre Zustimmung geben wollen, „Ja“-Stimmzettel, jene, die dagegen sind, „Nein“-Zettel in die Urne zu werfen.

Ich bitte nun den Schriftführer, Herrn Abgeordneten Zanger, mit dem Namensaufruf zu beginnen; Herr Abgeordneter Gahr wird ihn später dabei ablösen.

*****

(Über Namensaufruf durch die Schriftführer Zanger und Gahr werfen die Abgeordne­ten den Stimmzettel in die Wahlurne.)

*****



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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die Stimmabgabe ist beendet.

Die damit beauftragten Bediensteten des Hauses werden nunmehr unter Aufsicht der Schriftführer die Stimmenzählung vornehmen.

Ich unterbreche für diesen Zweck die Sitzung.

*****

(Die zuständigen Bediensteten nehmen die Stimmenzählung vor. – Die Sitzung wird um 15.37 Uhr unterbrochen und um 15.43 Uhr wieder aufgenommen.)

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf die unterbrochene Sitzung wieder auf­nehmen und das Abstimmungsergebnis bekannt geben:

Es wurden 180 Stimmen abgegeben; davon „Ja“-Stimmen: 121, „Nein“-Stimmen: 59.

Damit ist die Zweidrittelmehrheit erreicht und der Antrag angenommen. (Beifall bei ÖVP, FPÖ und NEOS.)

(Siehe Korrektur S. 149.)

Gemäß § 66 Abs. 8 der Geschäftsordnung werden die Namen der Abgeordneten unter Angabe ihres Abstimmungsverhaltens in das Stenographische Protokoll aufgenommen.

Mit „Ja“ stimmten die Abgeordneten:

Amesbauer, Angerer;

Baumgartner, Belakowitsch Dagmar, Berger, Berlakovich Nikolaus, Bernhard, Bogner-Strauß, Bösch, Brandweiner, Brückl;

Deimek, Diesner-Wais, Dim, Dönmez, Doppelbauer;

Engelberg, Eßl;

Fuchs, Fürlinger, Fürst;

Gahr, Gerstl, Gerstner, Gödl, Graf Martin, Graf Tanja, Griss Irmgard, Großbauer, Grün­berg;

Hafenecker, Hager-Hämmerle, Hammer Michael, Hanger Andreas, Haubner, Hauser, Herbert, Himmelbauer, Höbart, Hofinger Manfred, Höfinger Johann, Hoyos-Trautt­mansdorff;

Jachs, Jeitler-Cincelli, Jenewein;

Kainz, Kaniak, Kassegger, Kaufmann, Kickl, Kirchbaumer, Kitzmüller, Kopf, Köstinger, Krisper, Kugler Gudrun, Kühberger Andreas, Kumpitsch;

Lasar, Lausch, Lettenbichler, Linder Maximilian, Lindinger, Lintl, List, Loacker, Lopatka, Lugar Robert;

Mahrer, Marchetti, Meinl-Reisinger, Mölzer, Moser, Mühlberghuber;

Nehammer, Niss Maria Theresia;

Obernosterer, Ofenauer, Ottenschläger;

Pewny, Pfurtscheller, Plakolm, Pöttinger, Povysil, Prinz;

Ragger, Rauch, Reifenberger, Riemer, Rosenberger;


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 130

Salzmann, Schandor, Schartel, Schellhorn, Scherak, Schimanek, Schmidhofer Karl, Schmiedlechner Peter, Schmuckenschlager, Schrangl, Schwarz, Sieber Norbert, Sin­ger Johann, Smodics-Neumann, Sobotka, Stark, Stefan, Steger Petra, Steinacker, Sto­cker, Strasser;

Taschner, Tschank;

Wagner, Wassermann, Weidinger, Wöginger, Wohlschlager, Wurm;

Zanger Wolfgang, Zarits Christoph.

Mit „Nein“ stimmten die Abgeordneten:

Androsch, Antoni;

Bacher Walter, Bayr, Becher Ruth, Bißmann, Bures;

Cox;

Drozda Thomas, Duzdar Muna;

Ecker, Einwallner, Erasim;

Feichtinger Elisabeth, Feichtinger Klaus Uwe, Friedl;

Greiner Karin;

Hammerschmid, Heinisch-Hosek, Hochstetter-Lackner, Holzinger-Vogtenhuber, Holz­leitner;

Jarolim;

Keck, Knes, Kollross, Kovacevic, Krainer Kai Jan, Krist Hermann, Kucharowits, Kucher Philip, Kuntzl;

Laimer, Leichtfried, Lindner Mario, Lueger Angela;

Margreiter, Matznetter, Muchitsch;

Noll, Nussbaum;

Pilz, Plessl, Preiner Erwin;

Rendi-Wagner, Rossmann;

Sandler, Schatz, Stöger Alois;

Troch;

Unterrainer;

Vogl;

Wimmer Petra, Wimmer Rainer;

Yildirim, Yılmaz;

Zadić Alma, Zinggl.

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung erteilen, um ein bejahen­des Zeichen. – Ich darf bekannt geben, dass ich mit Ja stimme. – Das ist mehrheitlich


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angenommen. Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittel­mehrheit fest.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein bejahendes Zeichen. – Ich stimme auch in der dritten Lesung mit Ja. – Das ist in der gleichen Abstimmungsqualität wiederum aus­drücklich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit. (Abg. Krainer: Quantität! Die Qualität war schlecht! Bei der Quantität ...! – Zwischenrufe der Abgeord­neten Meinl-Reisinger und Kassegger.) – Ich danke. Ich stelle dasselbe Abstimmungs­verhältnis wie vorhin und ausdrücklich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittel­mehrheit fest. Damit ist der Entwurf auch in dritter Lesung angenommen. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und FPÖ.)

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Meinl-Reisinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Tatsächliche Erarbeitung eines Bundesgesetzes über die Informationsfreiheit“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit angenommen. (E 125) (Abg. Meinl-Rei­singer: Aber der Hofer hat auch mit Ja gestimmt! Der Hofer hat auch ein Taferl mit „Ja“ in die Höhe gehalten! Ich hab’s genau gesehen!)

Wir kommen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 3, über den im An­trag 870/A der Abgeordneten Hofer, Kolleginnen und Kollegen enthaltenen Gesetzent­wurf betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger geändert wird.

Hiezu liegen ein Abänderungsantrag der Abgeordneten Drozda, Kolleginnen und Kolle­gen sowie ein weiterer Abänderungsantrag der Abgeordneten Gerstl, Stefan, Kollegin­nen und Kollegen vor.

Ich werde daher zunächst über den von den erwähnten Abänderungsanträgen betrof­fenen Teil, bei Ablehnung dieser über diesen Teil in der Fassung des Initiativantrages sowie schließlich über Titel und Eingang des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Da es sich bei dem vorliegenden Gesetzentwurf beziehungsweise den erwähnten Ab­änderungsanträgen um eine Änderung des eingangs genannten Staatsgrundgesetzes handelt, stelle ich zunächst im Sinne des § 82 Abs. 2 Z 1 der Geschäftsordnung die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen An­zahl der Abgeordneten fest. – Das ist der Fall.

Die Abgeordneten Drozda, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag betreffend Ziffer 1 eingebracht.

Wer hiefür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist daher abgelehnt.

Die Abgeordneten Gerstl, Stefan, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abände­rungsantrag betreffend Ziffer 1 eingebracht.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Ich gebe bekannt, dass auch ich mit Ja stimme. – Das ist nicht die erforderliche Zweidrittelmehrheit, daher ist der Abänderungsantrag abgelehnt.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fas­sung des Initiativantrages.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die diesem ihre Zustimmung erteilen, um ein dies­bezügliches Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.


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15.48.395. Punkt

Bericht des Untersuchungsausschusses zur Untersuchung der politischen Ver­antwortung im Zusammenhang mit dem Kampfflugzeugsystem „Eurofighter Ty­phoon“ von Anfang 2000 bis Ende 2017 (1/US) gemäß § 51 VO-UA (696 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zu Tagesordnungspunkt 5.

Gemäß § 53 Abs. 1 der Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsaus­schüsse stelle ich ausdrücklich die Beendigung des Untersuchungsausschusses zur Untersuchung der politischen Verantwortung im Zusammenhang mit dem Kampfflug­zeugsystem „Eurofighter Typhoon“ von Anfang 2000 bis Ende 2017 mit Mittwoch, dem 25. September 2019, um 15.50 Uhr fest.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Ottenschläger. – Bitte.


15.49.45

Abgeordneter Andreas Ottenschläger (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Kolle­ginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Ich möchte mich zu Beginn bedanken, nämlich bei unserem Herrn Präsidenten für seine Vorsitzführung in diesem Untersuchungsausschuss, bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Parlaments­direktion, bei meinen Kolleginnen und Kollegen, und zwar auch jenen von den anderen Fraktionen, für die Zusammenarbeit. (Unruhe im Saal. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.) Die Arbeit war, wie gesagt, zu einem sehr großen Teil wirklich von Sachlichkeit geprägt. Natürlich möchte ich mich auch bei meiner Fraktion und vor allem bei unseren Mitarbeitern des ÖVP-Klubs für die exzellente Vor- und Aufbereitung die­ser Sachlagen bedanken. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Plessl.)

Meine Damen und Herren, ich darf kurz unser Fazit darlegen. Erstens – und das ist de­ckungsgleich mit den Aussagen und den Ausführungen des Herrn Verfahrensrichters, den ich auch sehr herzlich bei uns begrüßen darf und bei dem ich mich herzlich für seine umsichtige Arbeit im Ausschuss und auch für seinen umfassenden Bericht be­danken darf –: Es gab, wie er auch bestätigt hat, bei der Typenentscheidung keine Ein­flussnahme auf politische Entscheidungsträger beziehungsweise war sie nicht nach­weisbar. Es gab keine Zahlungsflüsse an Politiker, Beamte oder andere Entschei­dungsträger der Republik. Es kam aber, und das muss man schon sagen, zu unge­rechtfertigten und fragwürdigen Zahlungsflüssen innerhalb des EADS-Eurofighter-Netz­werkes. Wie gesagt, da ist unsere Position deckungsgleich mit dem Bericht des Ver­fahrensrichters.

Was auch übrig bleibt, ist der sogenannte Darabos-Vergleich; vielleicht erinnern Sie sich noch daran, das ist schon ein paar Jahre her. Damals hat der damalige SPÖ-Verteidigungsminister in seinen Verhandlungen die Position der Republik Österreich gegenüber Eurofighter deutlich verschlechtert, wobei das bestehende Gerät massiv entwertet wurde. Der Verfahrensrichter stellt auch fest, dass der Abschluss dieses Ver­gleiches wohl dem damaligen SPÖ-Wahlversprechen „Sozialfighter statt Eurofighter“ geschuldet war. Es gab keinerlei Aufzeichnungen zu den Verhandlungen, keine Doku­mentation, und viele Experten im Ausschuss haben uns bestätigt, dass wir ohne diesen sogenannten Vergleich jetzt zweifellos die wirksameren Flugzeuge hätten.

Meine Damen und Herren! Sehr intensiv haben wir uns natürlich auch mit dem Thema Gegengeschäfte beschäftigt. Wir sagen, Gegengeschäfte nach diesem alten Muster sind so nicht mehr vertretbar, da müssen wir neue Wege beschreiten. Was wir, glaube ich, für die Zukunft mitnehmen sollten, ist, dass wir da neue Wege gehen müssen. Für künftige Gegengeschäfte muss ein neues Modell nach dem Schweizer Vorbild entwi­ckelt werden.


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Das bedeutet erstens: maximal 100 Prozent Kompensationsvolumen – zweifelsohne waren die 200 Prozent ein zu hoch gestecktes Ziel beim damaligen Vertrag –; zwei­tens: möglichst nur direkte Gegengeschäfte, die im Zusammenhang mit der Produktion des zu beschaffenden Gerätes stehen; drittens: Transparenz bei Zielen, Kausalität und Kosten sowie klare Vertragsbestimmungen; viertens: Berücksichtigung von klein- und mittelständischen Unternehmen; fünftens: Fokus auf Innovation und Technologietrans­fer – wir haben zweifelsohne in Österreich in diesem Bereich sehr viel Technologie und Know-how, und das sollten wir nutzen –; weiters: Berücksichtigung der Life-Cycle-Costs bei der Beurteilung von Beschaffungsprojekten, Abstimmung der Tätigkeit künfti­ger Untersuchungsausschüsse mit allfälligen Strafverfahren. – Das sind die learnings, die wir aus dieser Erfahrung ziehen und für die Zukunft mitnehmen sollten.

Ich bedanke mich noch einmal für die Zusammenarbeit. Ich denke, wir haben einiges zur Aufklärung beitragen können, und in diesem Sinne erachten wir einen weiteren Un­tersuchungsausschuss zu dieser Causa auch für nicht sinnvoll, falls noch einmal ein Antrag käme. Ich glaube, Eurofighter III ist genug. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Bernhard.)

15.54


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf auf der Besuchergalerie den Verfah­rensrichter dieses Ausschusses, Herrn Dr. Rohrer, recht herzlich begrüßen. Herzlichen Dank für Ihr Kommen! (Allgemeiner Beifall.)

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Plessl. – Bitte.


15.54.34

Abgeordneter Rudolf Plessl (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich möchte mich zuerst be­danken, nämlich bei den Bediensteten, bei den Kolleginnen und Kollegen, bei Christi­na, bei Thomas, aber auch bei den Kolleginnen und Kollegen der anderen Fraktionen, denn viele Beschlüsse haben wir im Ausschuss mit großer Mehrheit gefasst.

Weiters möchte ich mich bei der Parlamentsdirektion bedanken sowie beim Verfah­rensrichter für seine Umsicht und für sein dementsprechendes Vorgehen bei der Be­fragung der Auskunftspersonen. Auch bei der Presse möchte ich mich bedanken, meine sehr geehrten Damen und Herren, weil es, glaube ich, sehr wichtig ist, dass über diesen Untersuchungsausschuss – zu diesem Thema ist mittlerweile schon der dritte durchgeführt worden – auch entsprechend berichtet wurde.

2006 wurde der erste Eurofighter-Untersuchungsausschuss eingesetzt, 2017 der zwei­te – dieser musste vorzeitig beendet werden, weil die ÖVP damals die Regierungszu­sammenarbeit aufgekündigt hat. Beim dritten Eurofighter-Untersuchungsausschuss ha­ben wir nun umfassende Informationen erhalten. Wir haben 1,9 Millionen Seiten be­kommen. Es waren 31 Sitzungen, 51 Auskunftspersonen und insgesamt 150 Stunden Sitzungstätigkeit des Ausschusses.

Dass eine starke Presse sehr wichtig ist, haben wir bemerkt, weil in den letzten zwei Jahren zum Beispiel der BMI-Erlass Einschränkungen bei der Presse verursacht hat. Auch der Umstand, dass der „Falter“ über eine Partei berichtet hat, die angeblich 7 plus 2 Millionen Euro, also schon wieder zu viel, ausgegeben hat, und dass bei der Pres­seauskunft die Vertreter des „Falter“ nicht einmal eingeladen worden sind, ist natürlich bemerkenswert. Man sollte daraus Schlüsse ziehen. Wenn man nichts zu verbergen hat, hätte man auch dieses Medium einladen können.

Zum Schluss noch eines zu diesem Bereich: Es gibt ja auch, und das ist zum Schluss sehr wichtig gewesen, eine Presseberichterstattung betreffend einen ÖVP-Generalse­kretär, der das Eurofighter-Untersuchungsverfahren vorzeitig beenden wollte.


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Die Erkenntnisse unserer Partei sind folgendermaßen zusammengefasst: Es sind gra­vierende Mängel festgestellt worden, nämlich schon im Zusammenhang mit der Typen­entscheidung 2002, später im Zusammenhang mit der Reduzierung – zuerst waren 24 plus sechs geplant, anschließend ist das auf 18 reduziert worden – und im Zusam­menhang mit dem Kaufvertrag.

In der Zeit der Typenentscheidung hatte die Regierung das Ansinnen, einen Nato-Beitritt durchzuführen, daher sind Kampfflugzeuge angeschafft worden. Deswegen hat man diese Euro-Ferraris gewählt, damit man sich da mitwirkend tätig einbringen konnte.

Weiters sind die Betriebskosten nicht eingerechnet worden – ein gravierender Punkt hinsichtlich der laufenden Kosten. Wir sehen, dass bis zum heutigen Zeitpunkt die Be­triebskosten wesentlich höher sind, als am Anfang angenommen wurde.

Der Vertrag ist wirklich schlecht. Zwei Punkte dazu: auf der einen Seite die Ersetzungs­befugnis – es können Flugzeuge der neuen Tranche kostenneutral durch Flugzeuge der alten Tranche ersetzt werden. Der zweite Punkt, die sogenannte Schmiergeldklau­sel, hat erst ermöglicht, dass viele Millionen an Steuergeld von der Republik Österreich in das Vector-Konstrukt geflossen sind. 183,4 Millionen Euro hat die Republik Öster­reich zu viel bezahlt, wir wurden belogen und betrogen. Das war die Erkenntnis aus der Befragung vieler Auskunftspersonen.

Zu einem Bereich noch: Gerade bei der Anschaffung und bei der Auswahl der Luft-Ferraris, der Eurofighter, sind gravierende Mängel bei der Vergabe festgestellt worden. Es hat Abschläge gegeben, so zum Beispiel den vollständigen Verzicht auf Träger für Aufklärungseinrichtungen; es gibt nur einen einzelnen Betriebsstandort; den Verzicht auf Zusatztanks, dabei ist das sogar eine Mussforderung gewesen. Es gibt keine Er­klärung dafür, wie die damalige Regierung darauf verzichten konnte. Der einzige Grund: Man wollte unbedingt unter 2 Milliarden Euro kommen, und mit diesen Reduzie­rungen bei der Ausstattung wurde das auch erreicht.

Es gibt einen Punkt, der uns wirklich am Herzen liegt, meine sehr geehrten Damen und Herren, nämlich die Gegengeschäfte. Wir haben von meinem Vorredner gehört, dass Gegengeschäfte noch immer gewünscht sind. Die ÖVP ist die einzige Partei, die die­sen Bereich weiter fortführen will. Wir haben gesehen, dass gerade dieser Bereich Kor­ruption und Lobbyisten Tür und Tor öffnet. Einige wenige haben in diesem Bereich sehr viel verdient (Abg. Köstinger: Lansky!), und bei der Überprüfung dieser Gegen­geschäfte war das Wirtschaftsministerium nicht sehr erfolgreich, möchte ich einmal sehr vorsichtig sagen. Es wurden nur drei Personen zur Verfügung gestellt, die über 2 300 Gegengeschäfte hätten überprüfen sollen. Die Pönalzahlungen, die im Raum gestanden sind, viele Millionen, die Österreich hätte bekommen sollen, wurden bis zum heutigen Zeitpunkt nicht überprüft und abgeklärt.

Zum Schluss noch ein Punkt, der im Bereich des Wirtschaftsministeriums angesiedelt ist: die österreichische Wertschöpfung. – Da wurde kein Zertifikat eingefordert und die Überprüfungen waren mehr als oberflächlich, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Zwischenruf des Abg. Ottenschläger.)

Ein Punkt, der uns am Herzen liegt, betrifft den Bereich der Justiz. Da fragen sich viele Menschen: Warum dauern solche Verfahren so lange? Das Eurofighter-Verfahren hat schon viele, viele Jahr gedauert. In Deutschland zum Beispiel ist es bei vergleichbaren Verfahren gang und gäbe und ganz klar, dass wesentlich mehr Staatsanwälte zur Ver­fügung gestellt werden. In Deutschland, in Bayern sind zum Beispiel neun Staatsan­wälte für die Aufarbeitung dieser Causa vorgesehen gewesen, in Österreich waren es nur eineinhalb – eineinhalb! – Staatsanwälte, die zur Verfügung gestanden sind.


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Im Jahr 2017, als der damalige Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil Anzeige ge­gen die Firma Eurofighter erstattet hat, weil massive Vorwürfe im Raum gestanden sind, die von vielen Sachverständigen auch noch immer bestätigt werden, wurde eine Planstelle vom Verteidigungsressort an das Justizministerium übergeben, damit das Justizministerium verstärkt Aufklärung betreiben kann. – Wir wissen jetzt, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass gerade dieser Punkt durch keinen Staatsanwalt wirklich erfüllt worden ist. Wir sehen auch, dass das Justizministerium teilweise gewis­se Dinge aussitzen wollte und in diesem Bereich zu wenig Personal für die Durchfüh­rung einer schnellen Kontrolle zur Verfügung gestellt hat.

Wir wissen, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass es ein wichtiger Punkt ist, in diesem Bereich Personal zur Verfügung zu stellen. Das ist auch ein großes Versäum­nis, das wir entsprechend aufgearbeitet haben.

Ich möchte hier noch eines einfordern, weil Kontrolle unserer Meinung nach sehr wich­tig ist – wir sollten aus der Sache lernen –: Betreffend die politische Verantwortung wis­sen wir, dass die Regierung 2002 bei der Entscheidung entsprechend fahrlässig ge­handelt hat. Daraus sollten wir lernen und für die Zukunft Schlüsse ziehen: Wir treten ganz klar dafür ein, dass es nicht ein ÖVP-Generalsekretär sein kann, der die Ent­scheidung trifft, in welchem Bereich ein Verfahren weiter fortgesetzt werden soll oder nicht, und fordern einen weisungsfreien Bundesstaatsanwalt. (Beifall bei der SPÖ.)

Zum Schluss noch eines, da es vonseiten der ÖVP festgehalten worden ist: Wir haben nicht festgestellt, dass Zahlungen an politische Entscheidungsträger geleistet worden sind. Ich möchte aber festhalten, dass die Justiz die Aufklärungsarbeit noch immer nicht vollständig beendet hat. Wenn wir dem Weg des Geldes folgen, dann wissen wir auch, wer die Bedarfsmittel beziehungsweise die Zahlungen der Republik Österreich bekommen hat. Wir haben bis heute, bis zum jetzigen Zeitpunkt viele Konten noch immer nicht jenen Personen zugeordnet, denen sie gehören.

Da besteht dringender Handlungsbedarf, und wir ersuchen die Justiz, da tätig zu wer­den und endlich einmal Anklagen zu erheben. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Bravo, Rudi!)

16.02


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Bösch. – Bitte.


16.03.01

Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (FPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor Kurzem ist der dritte Untersuchungsausschuss zum Thema Eurofighter zu Ende gegangen. Wir müssen daraus einige Lehren ziehen.

Dieser Untersuchungsausschuss behandelte eine Causa, die bis in das Jahr 2002 zu­rückreicht. Das ist ein sehr langer Zeitraum. Das hat dazu geführt, dass viele Zeugen, die wir als Auskunftspersonen vorgeladen haben, sich nicht mehr erinnern konnten, nicht ausreichend Auskunft über ihre Motivlage geben konnten. Das hat auch dazu ge­führt, dass es zu Mehrfachbefragungen von bestimmten Personen gekommen ist. Da­bei ist es uns nicht immer gelungen, neue Fragen zu stellen, sondern wir haben nur die alten Fragen wiederholt (Ruf bei der SPÖ: Warum?), was in einem Untersuchungsaus­schuss an sich unbefriedigend ist. Wir sollten uns bemühen, bei neu auftretenden Sachverhalten einen Untersuchungsausschuss neu einzusetzen oder wieder einzuset­zen, damit unklare Dinge geklärt werden können.

Die Typenentscheidung, also alle Entscheidungen, die es rund um das Jahr 2002 ge­geben hat – das dürfen wir ja nicht vergessen! –, wurden schon in einem ersten Euro­fighter-Untersuchungsausschuss geklärt. Es gab da vonseiten der Gerichte auch Er-


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mittlungen gegen Politiker, gegen hohe Beamte – Ermittlungen, die allerdings einge­stellt worden sind. Wir haben beim diesem dritten Eurofighter-Untersuchungsaus­schuss noch einmal darauf Bezug genommen, aber nichts Neues feststellen können.

Wir haben beim dritten Eurofighter-Untersuchungsausschuss allerdings festgestellt, dass wir beim zweiten Untersuchungsausschuss in Bezug auf die Beurteilung des Ver­gleichs des Norbert Darabos richtig gelegen sind. Dieser Vergleich war ein unglückli­cher Vergleich. Eigentlich hat er die Causa Eurofighter in jene Sackgasse geführt, in der sie heute steckt. Damals wurden für einige Millionen Euro Rechte der Republik auf­gegeben, es wurden auch Kapazitäten und Kompetenzen des Fluggeräts abgegeben (Zwischenruf des Abg. Plessl) und es wurde darauf verzichtet, die Tranche 1 beizeiten durch die Tranche 2, also das modernere Flugzeug, durch die Herstellerfirma ersetzen zu lassen. In diesem Zusammenhang gibt es noch Ermittlungen vonseiten der Justiz gegen den Personenkreis rund um Norbert Darabos. Wir werden das Ergebnis abwar­ten müssen.

Was sich gezeigt hat, ist, dass im Bereich der Gegengeschäfte in der Tat ein Moloch vor uns gelegen ist, den zu untersuchen sich gelohnt hat. Wir müssen davon ausge­hen, dass man in etwa 2 Milliarden Euro für diese Fluggeräte ausgegeben und ein Ge­gengeschäftsvolumen in doppelter Höhe, also in etwa 4 Milliarden Euro, vereinbart hat. Die Verkäuferfirma hat zur Organisation dieser Gegengeschäfte eine Firma gegründet, die Millionen zur Verfügung hatte, um Provisionen zu bezahlen, und im Zusammen­hang mit der Organisation der Gegengeschäfte sind in der Tat Unzulänglichkeiten auf­getaucht. Es hat sich erwiesen, dass es Finanzmittelflüsse gibt, die nicht mehr nach­weisbar sind und die den Verdacht aufkommen lassen, dass dahinter eine große krimi­nelle Energie steckt.

In diesen Fällen gibt es Ermittlungen der Justiz. Die Staatsanwaltschaft Wien ermittelt gegen einen größeren Personenkreis, der im Zusammenhang mit diesen Gegenge­schäften aufgetaucht ist. Der Eurofighter-Untersuchungsausschuss konnte diesbezüg­lich auch hilfreich zur Seite stehen, diese Kanäle aufdecken und die Ergebnisse seiner Befragungen an die Staatsanwaltschaft weitergeben. Die Staatsanwaltschaft hat da si­cherlich einen Mehrwert bekommen.

Eines aber muss uns klar sein: Gegengeschäfte, wie sie damals vereinbart und ab dem Jahr 2002 auch durchgeführt worden sind, dürfen wir in dieser Art bei öffentlichen Be­schaffungen nicht mehr durchführen. Da muss uns schon eine intelligentere Lösung einfallen. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir konnten keine zusätzlichen Aspekte von Korruption bei Beamten und Politikern in diesem dritten Eurofighter-Untersuchungsausschuss feststellen, wir sollten aber doch einige Grundsätze beachten, damit sich dieses Instrument, das ich für ein wertvolles Instrument des Parlaments halte, weiterentwickeln kann.

Der Untersuchungsausschuss ist kein Gericht, er hat die politische Verantwortung zu klären. Wenn im Rahmen der Klärung der politischen Verantwortung auch andere Ver­dachtsmomente, die in Richtung Kriminalität gehen, auftauchen, dann hat der Untersu­chungsausschuss das selbstverständlich aufzuzeigen, festzustellen und an die ermit­telnden Behörden weiterzureichen.

Wir haben aber auch klar erkannt, dass wir auf eine funktionierende Justiz, auf eine funktionierende Staatsanwaltschaft angewiesen sind, und gerade beim dritten Euro­fighter-Untersuchungsausschuss hat sich gezeigt, dass es diese nicht gab. Wir hatten die internen Konflikte in der Staatsanwaltschaft vor uns liegen und wir hätten den Ver­dacht hegen können, dass die Staatsanwaltschaft nicht in der Lage ist, sich diesen Themen mit der notwendigen Energie zu widmen, weil sie in ihre internen Konflikte verstrickt ist – und das, glaube ich, ist nicht statthaft.


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Wir als Nationalrat haben deshalb an die Justiz auch die Forderung zu stellen, dass ra­sche Ermittlungen stattfinden, wenn in Untersuchungsausschüssen Erkenntnisse fest­gestellt und an die ermittelnden Behörden weitergereicht werden, und dass die Justiz voll funktionsfähig arbeitet.

Wir müssen weiters feststellen, dass sich die Änderung der Geschäftsordnung dahin gehend, dass die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ein Minderheitsrecht ist, als richtig herausgestellt hat.

Wir müssen den Zeitfaktor, von dem ich gesprochen habe, beachten: Wenn ein Sach­verhalt zu lange zurückliegt, wird es umso schwieriger, dazu wirklich Neues zu erhe­ben.

Wir sollten auch ein diszipliniertes Vorgehen von uns Abgeordneten im Auge haben. Wir sollten uns davor hüten, viel Wind um wenig zu machen, nur um eine kleine Schlagzeile zu bekommen. Wir haben einige Mitglieder des Ausschusses erlebt, die mit Anzeigen eigentlich kontraproduktiv tätig gewesen sind und nicht der Aufklärung gedient haben.

Wir sollten uns deshalb im Klaren darüber sein, dass der Untersuchungsausschuss dann ein gutes Handwerkszeug des Nationalrates bleibt, wenn wir ihn kontinuierlich weiterentwickeln, und dazu, glaube ich, ist es notwendig, nach jedem Untersuchungs­ausschuss in Bezug auf die Geschäftsordnung Bilanz zu ziehen und abzuwägen, wel­che Bereiche gut waren und in welchen Bereichen wir Nachhol- und Verbesserungsbe­darf haben. – Ich danke sehr. (Beifall bei der FPÖ.)

16.10


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Bern­hard. – Bitte.


16.10.31

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Geschätzter Herr Verfahrens­richter Dr. Rohrer! Ich möchte bis zu einem gewissen Grad direkt auf die Erkenntnisse eingehen. Wir hatten zum dritten Mal einen Untersuchungsausschuss zum Thema Eurofighter-Beschaffung, und das auch auf Initiative von uns NEOS. Wir haben uns deswegen am Ende des Untersuchungsausschusses natürlich auch sehr kritisch ge­fragt: Hat es das gebracht? War es den Einsatz der personellen und finanziellen Mittel wert?

Was wir jedenfalls schon in der Vergangenheit beantworten konnten und auch wieder gesehen haben, war, dass alles im Eurofighter-Beschaffungsprozess alles andere als sauber und transparent abgelaufen ist. Wir konnten zwar nicht direkt feststellen, ob es eine Bestechung eines Entscheidungsträgers oder einer Entscheidungsträgerin gege­ben hat, wir haben aber während des laufenden Untersuchungsausschusses gesehen, dass das Münchner Amtsgericht tatsächlich rechtskräftig festgestellt hat, dass schwar­ze Kassen gebildet worden sind, und zwar in der Höhe von 90 Millionen Euro – nicht etwa für den Unternehmenszweck von Airbus, sondern mit dem Zweck, Mittel ohne Gegenleistung, also für Scheinrechnungen, zu verteilen.

Wir haben in diesen Konstrukten gesehen, dass es einzelne Personen gegeben hat, teilweise auch Personengruppen, die verschachtelte Unternehmen mit bis zu fünf Verschachtelungen gegründet haben. Einzelnen Personen konnten bis zu 50 Betriebe, die natürlich meist in Steuerparadiesen angemeldet waren, nachgewiesen werden. Wenig überraschend war das natürlich schon ein Umfeld, das wir auch bei anderen Causen gesehen haben. Dazu kann ich sagen, dass der Verdacht naheliegend ist, dass es da auch um kriminelle Machenschaften gegangen ist, denn es ist ganz zielge­richtet um eine Verschleierung der Zahlungsflüsse gegangen.


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Um namentlich nur ein Beispiel zu bringen und zu skizzieren, worum es da gegangen ist: Eine gewisse Elisabeth Kaufmann-Bruckberger, die auch in anderen Causen als Geldbotin für Jörg Haider fungiert hat, hat über diese verschiedenen Briefkastenkons­truktionen – sozusagen – über eine niederländische Bank einen Scheck in der Höhe von 1,5 Millionen Euro erhalten. Man weiß diesbezüglich weder, wer eigentlich der Ab­sender war, noch weiß man, wer der reale Empfänger war. Wir haben also tatsächlich ein Problem. Wir hatten damals einen Sumpf, das war ein Sittenbild des ersten, zwei­ten und dritten Untersuchungsausschusses.

Wir haben auch gesehen, dass die politische Verantwortung ganz klar und eindeutig bei der ersten schwarz-blauen Regierung unter Schüssel gelegen ist und – was man natürlich im Konnex zur heutigen Zeit sehen kann – dass Schwarz-Blau nie eine gute Idee ist, insbesondere wenn es um einen Beschaffungsprozess geht.

Wir haben erlebt, wie Personen im Umfeld der Freiheitlichen Partei zu Lobbyisten ge­worden sind, wie Personen im Umfeld der Freiheitlichen Partei zu Empfängern von Scheinrechnungen geworden sind – und das ist alles andere als lustig. Wir haben zahlreiche Forderungen, die wir auch veröffentlichen werden.

Ich bedanke mich an dieser Stelle bei allen Kolleginnen und Kollegen, und ich kann hier nur appellieren: Kein weiteres Mal Schwarz-Blau, kein weiteres Mal Türkis-Blau! Das ist alles andere als gut für unser Land. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

16.14


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Pilz. – Bitte.


16.14.05

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (JETZT): Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Fakten sind bekannt, sie sind auch von einigen meiner Vorredner bereits sehr detailliert ge­schildert worden. Ich werde das nicht wiederholen.

In den parlamentarischen Untersuchungen, aber auch schon in den Strafverfahren davor – es gibt ja Strafverfahren in Rom, in München und in Wien – hat sich heraus­gestellt, dass es drei Köpfe des Eurofighter-Netzwerkes gegeben hat, ohne die es nie zu dieser Affäre und zu dieser milliardenteuren Fehlentscheidung gekommen wäre.

Der Steuermann der ganzen Geschichte war zweifellos der damalige Finanzminister Karl-Heinz Grasser. Wir sind im Untersuchungsausschuss draufgekommen, dass er die Öffentlichkeit wissentlich und vorsätzlich getäuscht und alles getan hat, um mög­lichst aus dem Hintergrund und möglichst unerkannt den Entscheidungsprozess in Richtung Eurofighter zu steuern.

Sein engster Verbündeter in der Wirtschaft war Magna-Manager Siegi Wolf, der über seine Vertrauensleute in der Bundesregierung und bei Magna ganz wesentliche Beiträ­ge geleistet hat, damit genau das passiert, was wir als Ergebnis festgestellt haben.

Der politische Pate der Eurofighter-Entscheidung heißt Wolfgang Schüssel. Ohne Wolf­gang Schüssel hätte es diese Entscheidung nie gegeben. Die politische Verantwortung trägt der damalige Bundeskanzler, und zwar zu 100 Prozent. Das ist das politische Ergebnis.

Jetzt kommt aber noch etwas dazu: Während wir uns das im Eurofighter-Untersu­chungsausschuss in aller Ruhe und sehr detailliert und, wie ich glaube, auch sehr sachkundig angeschaut haben, und das war oft wirklich sehr kompliziert – es gab etwa 80 Briefkastenfirmen über die ganze Welt verteilt, das Ganze hat mich über ein Jahr­zehnt beschäftigt; da können Journalistinnen und Journalisten und auch die Öffentlich­keit nicht immer ohne Weiteres mit –, ist zur gleichen Zeit etwas ganz anderes passiert:


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Spitzen des Justizministeriums haben begonnen, ein fast anklagereifes Eurofighter-Verfahren der Strafjustiz zu sabotieren.

Der heute schon genannte Sektionschef Pilnacek hat es zustande gebracht, dass der Eurofighter-Staatsanwalt – der Einzige, der sich im Verfahren wirklich ausgekannt hat – aus dem Verfahren entfernt worden ist und jetzt selbst wegen eines fälschlich gegen ihn vorgebrachten Deliktes, nämlich des Bruchs des Amtsgeheimnisses, verfolgt wird. Das Amtsgeheimnis, und darauf deuten alle Beweise hin, ist wenn, dann von Sektions­chef Pilnacek selbst gebrochen worden. Dazu gibt es eine Anzeige bei der Staatsan­waltschaft und – davon gehe ich aus – auch ein Strafverfahren. Jetzt liegt das ganze Strafverfahren bei einer Staatsanwältin, die äußerst geringe Chancen hat, das trotz Un­terstützung durch einige Kolleginnen und Kollegen in der WKStA aufzuklären.

Ich habe die große Befürchtung, dass es denjenigen im Justizministerium unter Füh­rung von Sektionschef Pilnacek, die das Benko-Verfahren niedergeschlagen haben, die das Weinzierl-Verfahren niedergeschlagen haben, die jede Menge für die ÖVP ge­fährlicher Verfahren niedergeschlagen haben, gelingt, jetzt auch das größte Korrup­tionsverfahren der Republik Österreich, das über durchgängige Beweisketten bis zu ei­ner möglichen Anklage in Bezug auf Lobbyisten und viele andere Beteiligte verfügt, zu ruinieren.

Wenn das gelingt, dann ist eines klar: Wir können im Parlament untersuchen, was wir wollen, wir können zu den spannendsten und belastendsten Ergebnissen dieser Re­publik kommen, wenn aber die Leute im Hintergrund, von Airbus bis hin zu bestimmten politischen Parteien, wieder das Signal bekommen: Es kann euch eh nichts passieren!, dann geht alles von vorne los.

Ich sage Ihnen zum Abschluss eines: In sechs Jahren schwarz-blauer Regierung – das waren damals noch die Farben – hat der Gesamtschaden für die Republik Österreich ziemlich genau 20 Milliarden Euro betragen. Jetzt ist nicht mehr viel da. Wenn jetzt die Korruptionsbekämpfung ruiniert wird und wenn es grünes Licht für die Korruptionisten beider Ibizaparteien gibt, dann werden sich die auch über die Reste, über die die Re­publik Österreich heute noch verfügt, hermachen. Davor müssen wir als Abgeordnete unsere Republik Österreich schützen. – Danke sehr. (Beifall bei JETZT.)

16.19


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Stein­acker. – Bitte.


16.19.21

Abgeordnete Mag. Michaela Steinacker (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Geschätzte Mitbürgerinnen und Mitbürger! In der dritten Auflage des Eurofighter-Untersuchungsausschusses war, wie bereits im zweiten Ausschuss, eigentlich an je­dem Befragungstag seit dem Jahr 2007 der vom seinerzeitigen Bundesminister Da­rabos abgeschlossene Vergleich zentrales Thema – dieser Vergleich, der aus juristi­scher, militärischer und wirtschaftlicher Sicht für die Republik Österreich fatal ist.

Erinnern wir uns an das Jahr 2007: Was ist passiert? – Der Politikwissenschaftler Nor­bert Darabos war während des Wahlkampfs SPÖ-Geschäftsführer; er wurde Verteidi­gungsminister, und seine Priorität war – getreu dem Motto des SPÖ-Wahlkampfs: „So­zialfighter statt Eurofighter“ – der Vertragsausstieg. – Nun gut, man kann alles prüfen, aber in persönlichen Geheimgesprächen ohne die entsprechenden Experten ist das natürlich äußerst schwierig. Er ging alleine zu den Verhandlungen, beraten vom Scha­denrechtsexperten Professor Koziol, den ich über alle Maßen schätze, nur: Bei diesen Vergleichsverhandlungen hätte es eines anderen Experten bedurft, eines Experten für militärische Beschaffung oder für hardcore Wirtschaftsverhandlungen. Unsere Finanz­prokuratur ließ man bei diesen Beratungen gleich außen vor.


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Das Ergebnis war ein handgeschriebener Vergleich, eine Punktation, die einen Ver­gleich darstellt. Ein sagenhaft schlechtes Ergebnis war die Folge: Statt 18 Flugzeugen bekamen wir 15, sechs davon waren gebraucht, und man verzichtete auf die Lieferung der Flugzeuge der moderneren Tranche 2. Das bedeutete in der Folge: weniger Aus­rüstung, keine Infrarotnachtsichtgeräte und auch kein Selbstschutz. Es ist für unsere Eurofighter-Piloten eine fatale Situation, wenn sie zur Zielscheibe werden; wir haben Flugzeuge, die bei Schlechtwetter und in der Nacht schlichtweg nicht einsetzbar sind. Das bedeutete zudem den Kauf eines Auslaufmodells, und man hatte sich nicht über­legt, wie lange diese Flieger denn seitens des Herstellers noch gewartet werden.

Unser sehr geschätzter Herr Verfahrensrichter stellt in seinem Bericht fest – ich zitie­re –, dass dadurch „eine wesentliche Reduzierung des Umfangs der Luftraumüberwa­chung sowie der Einsatzfähigkeit [...] erfolgt ist“ und dass Kosten in der Höhe von 650 Millionen Euro verursacht wurden. – Meine Damen und Herren, 650 Millionen Eu­ro! Darabos behauptet, dass die Einsparungen 370 Millionen Euro betragen; der Rech­nungshof bewertet das mit 270 Millionen Euro. Wenn ich das jetzt saldiere und ab­ziehe, dann bleibt ein finanzieller Schaden von zumindest 280 Millionen Euro. Kollege Pilz hat die Strafanzeige gegen Darabos eingebracht. Er hat ja seinerzeit den hand­schriftlichen Vergleich von Darabos’ Parteikollegen, dem damaligen Verteidigungsmi­nister Doskozil, bekommen; dieser diente als Grundlage für diese Anzeige.

Zusammenfassend bleibt zu sagen: Was immer da passiert ist, wie schlecht dieser Vergleich war, darüber entscheiden die Gerichte, und dieser Verantwortung wird sich Herr Mag. Darabos stellen müssen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Plessl: Was sagen Sie zum Vertrag 2002? Eine Nebelgranate! Das Problem Vertragsgestaltung 2002 sprechen Sie gar nicht an! – Abg. Steinacker – auf dem Weg zu ihrem Sitzplatz –: Aus gut mach schlecht!)

16.22


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Hoch­stetter-Lackner. – Bitte.


16.22.56

Abgeordnete Irene Hochstetter-Lackner (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Licht ins Dunkel zu bringen ist eine der Aufgaben, die ein Untersuchungsausschuss bewältigen soll und bewältigen muss. Viele von Ihnen, gerade jene, die zuhören oder auf der Galerie sitzen, werden sich denken: Die Sache mit den Eurofightern ist doch schon so lange her! – Ja, sie ist lange her, doch die Lehren, die wir daraus ziehen können, sind gerade jetzt wichtig. Sie sind wichtig, weil unser Bundesheer vor neuen Beschaffungsaktionen steht, vor großen Beschaffungs­aktionen, die die Republik wieder viel Geld kosten werden (Zwischenruf bei der ÖVP); und deshalb ist es wichtig, dass wir all das, was wir aus den Untersuchungsaus­schüssen gelernt haben, nun auch einbringen.

Ein Bereich, in dem wir mit Sicherheit vieles lernen können und der mir sehr wichtig ist, ist der Bereich der Gegengeschäfte. Ich kann hier ganz klar und deutlich sagen: Die SPÖ fordert für die Zukunft ein klares Verbot von Gegengeschäften. (Beifall bei der SPÖ.)

Warum? – Weil wir heute wissen, dass nicht die Österreicherinnen und Österreicher, dass nicht die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und auch nicht die Klein- und Mittelbetriebe davon profitieren, sondern einzig und allein und ausschließlich die Rüs­tungslobbyisten und die Berater, die unsere Steuergelder auf anonyme Konten im Aus­land, in internationalen Steueroasen überweisen.

Geschätzte Damen und Herren! Im Zusammenhang mit den Gegengeschäften kursiert immer wieder die Zahl von 183,4 Millionen Euro. – Das sind 183,4 Millionen Euro an Steuergeldern, die laut Anzeige des Verteidigungsministeriums ohne vertraglichen Ge-


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genwert und entgegen den Ausschreibungsbedingungen auf den Kaufpreis der Euro­fighter aufgeschlagen wurden. Das ist auch präzise jener Betrag, der von EADS für die Vermittlung von Gegengeschäften eingesetzt wurde.

Glauben Sie mir, die SPÖ steht mit der Forderung nach einem Verbot von Gegenge­schäften nicht alleine da. Rechnungshofpräsidentin Kraker ist zum Beispiel auch dage­gen; der ehemalige Chef der Finanzprokuratur, unser jetziger Innenminister Wolfgang Peschorn sagte zum Beispiel, Gegengeschäfte sollten unterlassen werden. Ja und so­gar ÖVP-Mann Reinhold Mitterlehner (Abg. Stefan: Geh!), der ja kein Unbekannter ist, sagt, Gegengeschäfte seien einfach Voodoozauber. – Um nur einige zu nennen.

Bemerkenswert ist aber, wenn man sich vorstellt, dass die ÖVP weiterhin kein Problem mit solchen Gegengeschäften sieht und sich auf das Beispiel der Schweiz beruft. Das ist deshalb so skurril, geschätzte Damen und Herren, weil die Schweizer Verteidi­gungsministerin, die übrigens der Christlichdemokratischen Volkspartei angehört, das negative Beispiel Österreichs zum Anlass nimmt, um in der Schweiz künftig Gegenge­schäfte solcher Art zu verbieten.

Sehr geehrte Damen und Herren, was wünsche ich mir von Ihnen? Was wünsche – oder vielmehr: erwarte – ich mir von einer neuen Regierung? – Ich erwarte mir von Ih­nen eine Politik, im Rahmen derer so etwas wie im Zusammenhang mit den Euro­fightern nie mehr wieder passiert. Viel mehr noch erwarte ich mir von Ihnen allen aber auch ein ganz klares Bekenntnis zu unserem Bundesheer. Es reicht nicht, wenn Sie sich bei Katastrophenfällen in Lobeshymnen über unser Bundesheer ergehen. Die Politik muss dafür sorgen, dass unser Bundesheer genug personelle und genug fi­nanzielle Ressourcen hat. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Noll.) Das sind wir den Österreicherinnen und Österreichern in unserem Land und das sind wir denen, die für uns im Einsatz sind, einfach schuldig. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

16.26


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schan­dor. – Bitte.


16.26.59

Abgeordneter Dipl.-Ing. Christian Schandor (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Kol­leginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir, bevor ich auf die inhaltlichen Punkte des Eurofighter-Untersuchungsausschusses ein­gehe, kurz auf die Rolle eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses als poli­tisches Instrument einzugehen.

Es geht darum, im Rahmen des Untersuchungsgegenstandes Vorgänge aufzuklären, das heißt, für Transparenz zu sorgen, Klarheit in die Vorgänge der Vergangenheit zu bringen und Erkenntnisse für zukünftige Vorgänge zu gewinnen. Der Untersuchungs­ausschuss ist keine Ermittlungsbehörde, keine Staatsanwaltschaft, wir machen keine Einvernahmen, wir führen keine Verhöre durch, wir stellen Fragen. Ich stelle fest, dass die Mitglieder des Untersuchungsausschusses, die Abgeordneten, in der Befragung der Auskunftspersonen sehr oft an Grenzen stoßen, nämlich dann, wenn es sich bei den Auskunftspersonen um Anwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Staatsan­wälte handelt, die einer beruflichen Verschwiegenheitspflicht unterliegen. Man muss sich aber auch die Frage stellen, inwieweit es sinnvoll ist, geladene Auskunftspersonen vorab anzuzeigen, wenn diese sich dann aufgrund des laufenden Verfahrens der Aus­sage entschlagen können – dann wird der Untersuchungsausschuss nämlich zur Farce und dient nur mehr der medialen Darstellung. Die eigentliche Sache rückt dabei in den Hintergrund, und übrig bleibt viel Lärm um nichts.

Welche Erkenntnisse liegen aus dem dritten Eurofighter-Untersuchungsausschuss vor? – Einerseits konnten illegale Zahlungsflüsse an Entscheidungsträger oder Beamte


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nicht aufgedeckt oder nachgewiesen werden. Das erachte ich als positiv. Die Erkennt­nisse des zweiten Eurofighter-Untersuchungsausschusses wurden, was den unglück­seligen Vergleich des Norbert Darabos betrifft, bestätigt. (Abg. Plessl: Vorzeitig been­det!) Darabos hat ja von einer Einsparung von 370 Millionen Euro gesprochen, die Staatsanwaltschaft hat mittels eines Gutachtens festgestellt, dass es 250 Millionen Euro sind. Meine Damen und Herren, die Aufrüstung der Eurofighter von Tranche 1 auf Tranche 2 wird 650 Millionen Euro kosten.

Welche Erkenntnisse haben wir noch? – Bei Großbeschaffungen durch die Republik bedarf es einer vertraglichen Festlegung zur Offenlegung von Geschäften mit Dritten. Die Spielregeln müssen transparent sein. Es braucht bessere Kommunikation unter den betroffenen Ministerien, aber auch mit Interessenvertretungen wie der Wirtschafts­kammer, der Industriellenvereinigung und dergleichen. Das Ziel muss sein: 100 Pro­zent Transparenz. Beim Gegengeschäftsvertrag sind vergaberechtliche Grundsätze einzuhalten. Bedingt durch den Vergleich beziehungsweise die Nachverhandlungen wurde die Position der Republik Österreich geschwächt.

Ich möchte heute aber auch die Gelegenheit nutzen, um mich bei allen Kollegen im Eurofighter-Untersuchungsausschuss sowie beim Vorsitzenden, Herrn Präsidenten Sobotka, zu bedanken. Da ich die ersten drei Eurofighter 2007 als Kommandant der Fliegerwerft selbst übernommen habe, gilt mein Dank auch all jenen Soldaten und Zi­vilbediensteten, die trotz des schlechten Images dieses Flugzeuges und der ange­spannten finanziellen Situation des Bundesheeres die Luftraumüberwachung nicht zum Selbstzweck, sondern für uns alle Tag für Tag sicherstellen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

16.31


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Troch. – Bitte.


16.31.24

Abgeordneter Dr. Harald Troch (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, ich bekenne mich zur österreichischen Neutralität, das heißt, ich bekenne mich natürlich auch zur Sicherung des österreichischen Luftraums. Das bedeutet: Flie­ger zur Kontrolle des rot-weiß-roten Luftraums: ja; aber ich glaube, Kampfjets, die für Angriffsflüge eingesetzt werden, sind nicht notwendig und auch zu teuer. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich kann daher sagen: Das Grundübel der Eurofighter-Problematik liegt in der Anschaf­fung dieser Flieger, in einer politisch-strategischen Fehleinschätzung. Diese Fehlein­schätzung hat einen Namen: Das ist die ÖVP, das ist insbesondere Altkanzler – da­mals Kanzler – Schüssel. Es ist damals ja offen mit der Nato geliebäugelt worden, und das war eine Art Vorleistung, die erbracht werden sollte, die aber nicht im Interesse der Republik Österreich war.

Die Entscheidung für den Eurofighter ist daher so gefallen, aber die Anschaffungs­kosten waren extrem hoch; und was langfristig noch schlimmer ist, sind die jährlichen Betriebskosten des Eurofighters: ein Desaster. Schon 2013 lautete die große Be­schwerde aus dem Bundesheer: Knapp ein Drittel des Bundesheerbudgets fließt in die Betriebskosten des Eurofighters. Es hat zwar Zusagen von Karl-Heinz Grasser gege­ben, das Bundesheer da zu unterstützen und zu entlasten; die späteren ÖVP-Finanz­minister haben diese Zusagen aber vergessen.

Übrig geblieben ist ein Finanzdesaster für das österreichische Bundesheer: Die Mobi­lität des Heeres ist katastrophal; betreffend Friedensmissionen gibt es nicht genügend Mittel, um die angegebenen Zahlen zu erreichen; natürlich sind Neuanschaffungen schwierig; und der Zustand der Miliz ist ebenfalls äußerst bedenklich.


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Sebastian Kurz hat im „Sommergespräch“ klargestellt: Es wird kein Geld mehr für die österreichische Sicherheit, für das Bundesheer geben. (Abg. Schwarz: Stimmt ja nicht! Erst heute hat er wieder ...! – Abg. Wöginger: Wo hat er das gesagt?) Die ÖVP hat damit das Bundesheer tatsächlich im Stich gelassen, und das hat ja schon eine Ge­schichte: Die ÖVP ist den Empfehlungen der Heeresführung hinsichtlich Anschaffung des viel günstigeren Saabs nicht gefolgt und hat gegen die Empfehlungen des Bun­desheers ein Finanzdesaster beim Bundesheer ausgelöst. Der Kaufvertrag mit der Ersetzungsklausel – das heißt, noch andere Typen, eine Untertype einzubeziehen, was extreme Logistikschwierigkeiten verursacht, da man mit einem Mix von unterschied­lichen Fliegern agieren muss –, mit der Schmiergeldklausel, die besagt, dass Euro­fighter bei den Gegengeschäften Verpflichtungen auslagern konnte, und schließlich mit der Reduktion der Pönale von 10 auf 5 Prozent ist insgesamt ein echter Schaden für die Republik Österreich. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Damit kann man sich nicht zufriedengeben. Die Republik Österreich hat sich nach 15 Jahren gewehrt, und dieses Wehren der Republik Österreich, die Anzeige gegen den Eurofighter-Konzern, hat einen Namen: Hans Peter Doskozil, der in seiner Eigen­schaft als Bundesminister für Landesverteidigung gegen den Eurofighter-Konzern los­gezogen ist. Die ÖVP hingegen ist vor dem Eurofighter-Konzern in die Knie gegangen, Hans Peter Doskozil nicht, und darauf bin ich stolz. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

16.35


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Ecker. – Bitte.


16.35.20

Abgeordnete Cornelia Ecker (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Der eingesetzte Eurofighter-Untersuchungsausschuss hat eines ganz klar gezeigt: Die personelle Schwäche unserer Justiz wurde gekonnt ausgenutzt, erfahrene Ermittlerin­nen und Ermittler wurden bewusst in ihrer Arbeit behindert beziehungsweise überhaupt von den Eurofighter-Fällen abgezogen.

Das alles hatte nur ein Ziel: das Verfahren so gut es geht zu verzögern, möglichst viele Straftatbestände verjähren zu lassen und schlussendlich die Einstellung zu erwirken. Wie wäre es sonst zu erklären, dass der Staatsanwalt, der bereits sechs Jahre an dem Verfahren mitgearbeitet hatte und dessen Unterlagen mehr als 1 300 Ordner füllten, plötzlich abgezogen wurde und die Causa an die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsan­waltschaft übergeben wurde? Was für einen Grund könnte es sonst haben, dass Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, die mit dem Fall vertraut waren, sich auf eige­nen Wunsch entbinden ließen oder ohne Begründung abgesetzt wurden und durch Kolleginnen und Kollegen mit weniger Erfahrung ersetzt wurden? Interessant war für uns auch, dass – unserer Ansicht nach – die versprochene personelle Aufstockung bei jenen Mitarbeitern, die am Verfahren unterstützend beteiligt sein sollten, nie stattgefun­den hat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich orte hier einen ganz klaren politischen Willen, dass diese Causa keinesfalls restlos aufgeklärt werden sollte. Der Ruf der Jus­tiz ist beschädigt, und die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, die wirklich großartige Arbeit leisten und für das Funktionieren unseres Rechtsstaates unverzichtbar sind, werden da vor den politischen Karren gespannt.

Ausdrücklich bedanken möchte ich mich abschließend noch bei der Leiterin der Wirt­schafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, die sich hinter ihre Kolleginnen und Kolle­gen gestellt hat, als diese sich zur Wehr setzten, und medienöffentlich folgende Ein­schätzung kundtat, als bewusst versucht wurde, die Anzeige gegen Generalsekretär Pilnacek herunterzuspielen. Sie sagte – ich zitiere –: „Auf Basis der Vorkommnisse seit der Übertragung des Eurofighter-Verfahrenskomplexes wurden jedoch auch für uns


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Grenzen überschritten, die nicht nur Professionalität vermissen lassen, sondern jeden­falls auch eine Anzeigepflicht ausgelöst haben.“

Die Politik darf die Justiz in ihrer Arbeit nicht behindern und beeinflussen, und daher werden wir als Sozialdemokraten auch weiterhin eine unabhängige Weisungsspitze fordern, auch wenn FPÖ und ÖVP heute gegen unseren Entschließungsantrag ge­stimmt haben, denn ich meine: Die Trennung von Politik und Justiz in diesem Land ist wichtig. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Österreicherinnen und Österreicher ver­trauen unserer Justiz, und das sollte auch so bleiben. Ich kann mich deshalb auch ei­nigen meiner Vorredner anschließen, die meinten: Nie wieder Schwarz-Blau!; dann werden wir uns solche langwierigen Ausschüsse in Zukunft ersparen können. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

16.38


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Preiner. – Bitte.


16.38.45

Abgeordneter Erwin Preiner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Minis­ter! Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuhörer hier auf der Galerie und zu Hause! Ich begrüße sehr herzlich auch die Zuhörer aus dem Burgenland und meinen Abgeordne­ten aus dem burgenländischen Landtag. – Herzlich willkommen! (Beifall und Bravoruf bei der SPÖ sowie Beifall bei den NEOS.)

Kolleginnen und Kollegen, ich denke, auch der dritte Untersuchungsausschuss zum Thema Eurofighter hat seine Berechtigung gehabt, und er hat sie noch immer; der ent­sprechende Abschlussbericht wurde über Fraktionsgrenzen hinweg einstimmig zur Kenntnis genommen. (Zwischenrufe der Abgeordneten Hammer und Leichtfried.)

Wesentliche Erkenntnisse aus diesem dritten Eurofighter-Untersuchungsausschuss sind meiner Meinung nach, dass es ein Kardinalfehler war, die Eurofighter bereits 2002 und 2003 anzukaufen. Der Beschaffungsvorgang war intransparent. Des Weiteren wurde der teuerste Flieger genommen. Verantwortlich dafür, wie wir wissen: Schüssel und Grasser.

Auf die Betriebskosten wurde interessanterweise im Zuge des Anschaffungsprozede­res zur Gänze vergessen. Ich zitiere aus dem Bericht: „Es erweist sich als Fehler, dass die Betriebskosten bei der Bewertung der Angebote kein Entscheidungskriterium wa­ren.“ Das fällt jetzt unserem österreichischen Bundesheer auf den Kopf, da es, wie wir wissen, an allen Ecken und Enden an Geld fehlt.

Darabos hat 2007 – damals in Ministerverantwortung – im Zusammenhang mit dem Vergleich, der abgeschlossen wurde, aus meiner Sicht richtig entschieden. Die Einspa­rung betrug laut Staatsanwaltschaft 250 Millionen Euro. Es gab und gibt einen rasanten technischen Fortschritt, der den Vergleich notwendig gemacht hat. Wer, Kolleginnen und Kollegen, arbeitet heute oder selbst im Jahr 2007 noch mit einem PC, mit einer Software aus dem Jahr 2002? Diese Spielzeug-PCs gibt es ja nicht einmal mehr in Kindergärten!

Zum Zweiten: Der ehemalige Verteidigungsminister Doskozil hat mit seiner Anzeige gegen Eurofighter und Airbus 2017 auch richtig entschieden. Zumindest 183 Millionen Euro an Steuergeldern wurden laut Anzeige auf den Kaufpreis der Eurofighter ohne vertraglichen Gegenwert und rechtliche Deckung aufgeschlagen. Deutsche Gerichte haben inzwischen zweifelsfrei festgestellt, dass 90 Millionen Euro davon in schwarze Kassen flossen und an Lobbyisten und Broker verteilt wurden. Daraus ziehe ich den


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Schluss, dass Schmiergeldzahlungen auch in Österreich von nationalen Gerichten möglichst rasch aufgeklärt werden müssen.

Herr Minister, Gegengeschäfte müssen bei Beschaffungen verboten werden, sie haben auf dieser Ebene nichts mehr verloren! Jedenfalls ist mehr Transparenz notwendig und erforderlich. Das Bundesbeschaffungen betreffende Gesetz muss endlich auch bei Be­schaffungen im Rüstungsbereich zur Anwendung kommen.

Das Bundesheer leidet, wie wir wissen, an chronischem Geldmangel. Ich denke, die Budgetmittel, die fehlen, müssen dem Bundesheer bereits im kommenden Jahr 2020 zugeführt werden. Auch die Miliz ist ein wichtiger Bestandteil des Heeres. Die Öster­reicherinnen und Österreicher erwarten sich Schutz und Hilfe und vor allem auch, dass das Bundesheer für die österreichische Bevölkerung Katastropheneinsätze leistet. Da­her fordern wir dort, wo das noch notwendig ist, eine möglichst rasche und schonungs­lose Aufklärung. Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

16.42

16.42.21


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Daher gelangen wir zur Abstimmung über die Kenntnisnahme vom Bericht des Un­tersuchungsausschusses zur Untersuchung der politischen Verantwortung im Zusam­menhang mit dem Kampfflugzeugsystem „Eurofighter Typhoon“ von Anfang 2000 bis Ende 2017.

Wer die Zustimmung zur Kenntnisnahme von diesem Bericht gibt, den ersuche ich um ein Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

16.42.576. Punkt

Antrag der Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker, Mag. Harald Stefan, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspoli­zeigesetz, das Namensänderungsgesetz, das Allgemeine bürgerliche Gesetz­buch, das Strafgesetzbuch, das Jugendgerichtsgesetz 1988, die Strafprozeßord­nung 1975, das Strafregistergesetz 1968, das Tilgungsgesetz 1972, die Exeku­tionsordnung, das Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz geändert wird und Verstöße gegen bestimmte einstweilige Verfügungen zum Schutz vor Gewalt und zum Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre zu Verwaltungsübertre­tungen erklärt werden, das Ärztegesetz 1998, das Gesundheits- und Kranken­pflegegesetz, das Hebammengesetz, das Kardiotechnikergesetz, das MTD-Ge­setz, das Medizinische Assistenzberufe-Gesetz, das Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetz, das Sanitätergesetz, das Zahnärztegesetz, das Musikthe­rapiegesetz, das Psychologengesetz 2013, das Psychotherapiegesetz, das Allge­meine Sozialversicherungsgesetz, das Verbrechensopfergesetz und das Bundes­gesetz mit dem das Bundesgesetz über die Grundsätze für Hilfen für Familien und Erziehungshilfen für Kinder und Jugendliche geändert werden (Gewalt­schutzgesetz 2019) (970/A)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen zum Tagesordnungspunkt 6.

Hinsichtlich dieses Antrages wurde dem Justizausschuss eine Frist zur Berichterstat­tung bis 24. September 2019 gesetzt.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Heinisch-Hosek. Ich erteile ihr dieses.



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16.43.34

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministe­rin! Herr Vizekanzler! Kolleginnen und Kollegen! Vor allem aber Zuseherinnen, Zuseher hier auf der Galerie, aber auch zu Hause, weil dieses Thema ja nicht nur uns zu in­teressieren hat, sondern, wie ich weiß, auch unglaublich viele Frauen, aber auch Män­ner, die in Opferschutzeinrichtungen arbeiten, jetzt sicherlich gespannt dieser Debatte folgen! Diese Debatte ist in der Tat eine ernste, unglaublich wichtige, und ich hoffe, dass die Ex-Regierungsparteien noch einmal über das, was sie heute zu beschließen vorhaben, nachdenken.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, vor 40 Jahren, im Jahr 1979, wurde von Jo­hanna Dohnal in Wien die erste Zufluchtsstätte für Frauen, das erste Frauenhaus, eröffnet. Ich darf sagen, damals war ich noch sehr jung, aber im Lauf dieser 40 Jahre hat sich in Österreich der Dialog mit Einrichtungen, die später per Gesetz geschaffen wurden, Frauenberatungseinrichtungen, Gewaltschutzeinrichtungen, Interventionsstel­len, immer weiterentwickelt.

Dieser Dialog hat dazu geführt, dass wir zwei Gewaltschutzgesetze verabschieden konnten, die auf dessen Basis entstanden sind. Wir sind damit auch unseren interna­tionalen Verpflichtungen gegenüber dem Europarat nachgekommen – Sie kennen die sogenannte Istanbulkonvention zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. Wir sind diesbezüglich schon einer Staatenprüfung un­terzogen worden, und das Ergebnis hat gezeigt, dass wir auf einem sehr guten Weg sind.

Ich befürchte für alle Opfer, ob Frauen, Jugendliche oder Kinder, das eine oder andere Mal sicher auch Männer, dass Sie heute diesen Weg des Dialogs für beendet erklären. Das ist äußerst dramatisch, und ich darf Ihnen auch erläutern, warum. (Beifall bei der SPÖ.)

Als von Ex-Kanzler Kurz die vorletzte Regierung gesprengt wurde und 2017 neu ge­wählt wurde, sind auch die Bemühungen um Verbesserungen im Bereich des Ge­waltschutzes eine Zeit lang gestockt. Ich glaube, dass kein einziger Mord an Frauen hätte verhindert werden können, wenn das, was Sie heute zu beschließen vorhaben, schon realisiert worden wäre. Ich glaube nicht, dass sich das positiv hätte auswirken könnte. Ein Jahr lang hat eine große Gruppe von hundert Expertinnen und Experten – einige davon sitzen heute hier – getagt, die in einem Bericht ihre Vorstellungen von einer Weiterentwicklung des Gewaltschutzes dargelegt haben, der aber einfach igno­riert wurde.

Es ging dann so weiter, bis wir am 3. Juli dieses Jahres einen Gesetzentwurf vorgelegt bekommen haben, der heute zur Abstimmung gelangen soll. Die 60 Begutachtungen zu diesem Gesetzentwurf waren durchgehend kritisch bis ablehnend, weil das, was Sie vorhaben, den Frauen und den Kindern, die von Gewalt betroffen sind, nicht helfen wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir brauchen keine Scheinsicherheit für Frauen und Kinder in diesem Land, sondern wir brauchen echte Sicherheit, diese kann aber nicht erreicht werden, wenn man ganz einfach nur die Strafen erhöht, die Strafen verdoppelt, ohne zu reflektieren.

Wir haben das Sexualstrafrecht hinsichtlich der Sexualdelikte in den letzten zehn Jah­ren fünfmal novelliert, Kolleginnen und Kollegen! Fünfmal wurde das Sexualstrafrecht verbreitert, erweitert und verschärft – also das Bemühen war da.

Kollege Mahrer, Sie werden dann auch ans Rednerpult treten! Sieben Jahre lang hat es multiinstitutionelle Fallkonferenzen gegeben, die jetzt aufgekündigt wurden – Kickl ist nicht da –, und stattdessen wird jetzt einfach einseitig, nur vonseiten der Polizei ein-


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geladen, wenn schon etwas passiert ist. Davor war es so, dass man vorher, im Be­reich der Prävention, geschaut hat, dass sich keine Morde ereignen. Diese Institu­tionen, die Opferschutzeinrichtungen, aber auch die Polizei haben in sehr guter Zu­sammenarbeit geschaut, dass nichts passiert.

Es reicht jetzt die Zeit leider nicht, aber ich darf Ihnen sagen, dass wir Opferschutz ex­trem ernst nehmen, dass wir auch wollen, dass Täter bestraft werden, dass wir nur finden, dass eine Verdoppelung von Mindeststrafen dazu führen könnte, dass Frauen gar keine Anzeige erstatten, dass sie sich zurückziehen und dass so noch mehr pas­sieren könnte. Das soll Sie vielleicht zum Nachdenken anregen. (Beifall bei der SPÖ. Ruf bei der ÖVP: So ein Blödsinn! Zwischenruf der Abg. Kirchbaumer.)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich bringe daher zum Abschluss als Alterna­tive zu diesem Gesetzentwurf, der dem Opferschutz sicher nicht dienlich ist, einen Ent­schließungsantrag der Abgeordneten Heinisch-Hosek, Genossinnen und Genossen betreffend „Echte Verbesserungen im Gewaltschutz statt Rückschritte zu Lasten von gewaltbetroffenen Frauen und Kindern“ ein.

Er wird gerade verteilt, sehe ich, daher ist er nur in den Kernpunkten zu erläutern. Ich nenne nur drei, vier Punkte, die ganz wichtig wären:

Wir brauchen ein Gewaltschutzsofortmaßnahmenpaket in Höhe von 4 Millionen Euro.

Man kann nicht Gewaltschutz leben, ohne dass Mittel dafür da sind. Das muss Ihnen bitte klar sein. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten von NEOS.) Man kann nicht ein Gesetz beschließen, das mit 1.1.2020 wirksam wird, ohne dass ein Cent dafür budgetiert ist, denn das nächste Budget ist ja noch nicht verhandelt. Es ist kein Geld da für das, was Sie hier fordern.

Wir wollen, dass der Nationale Aktionsplan zum Schutz von Frauen vor Gewalt wei­tergeführt wird.

Wir wollen eine Stärkung der Prozessbegleitung für Frauen.

Wir wollen Investitionen in die angemessene, gute Aus- und Weiterbildung von Rich­tern, Richterinnen und Staatsanwälten, Staatsanwältinnen.

Wir wollen schon verpflichtende Antigewalttrainings, aber nicht, wie Sie sagen, sofort, sondern erst nach Verurteilung. Was Sie da in den Gesetzentwurf geschrieben haben, geht nämlich rechtlich gar nicht. Das ist juristisch schwach, was Sie da getan haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir brauchen – und damit komme ich zum Schluss – auf jeden Fall eine Neuauflage der multiinstitutionellen Zusammenarbeit, die sieben Jahre lang gut funktioniert hat, auch mit Datenaustausch über alle Einrichtungen und Institutionen hinweg, die mit Ge­waltopfern zu tun haben, damit es nicht noch mehr Gewaltopfer gibt.

*****

(Beifall bei der SPÖ.)

16.50

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek

Genossinnen und Genossen

betreffend „Echte Verbesserungen im Gewaltschutz statt Rückschritte zu Lasten von gewaltbetroffenen Frauen und Kindern“


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eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 6 Antrag der Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker, Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz, das Namensänderungsgesetz, das Allge­meine bürgerliche Gesetzbuch, das Strafgesetzbuch, das Jugendgerichtsgesetz 1988, die Strafprozeßordnung 1975, das Strafregistergesetz 1968, das Tilgungsgesetz 1972, die Exekutionsordnung, das Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz ge­ändert wird und Verstöße gegen bestimmte einstweilige Verfügungen zum Schutz vor Gewalt und zum Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre zu Verwaltungsübertretungen erklärt werden, das Ärztegesetz 1998, das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, das Hebammengesetz, das Kardiotechnikergesetz, das MTD-Gesetz, das Medizini­sche Assistenzberufe-Gesetz, das Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetz, das Sanitätergesetz, das Zahnärztegesetz, das Musiktherapiegesetz, das Psycholo­gengesetz 2013, das Psychotherapiegesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsge­setz, das Verbrechensopfergesetz und das Bundesgesetz mit dem das Bundesgesetz über die Grundsätze für Hilfen für Familien und Erziehungshilfen für Kinder und Ju­gendliche geändert werden (Gewaltschutzgesetz 2019) (970/A)

Österreich blickt auf eine lange Geschichte politischer Maßnahmen im Bereich des Ge­waltschutzes zurück. Das Bundesgesetz zum Schutz vor Gewalt in der Familie war die erste Rechtsvorschrift in Europa, die es ermöglichte, dem (mutmaßlichen) Täter häusli­cher Gewalt das Betreten des eigenen Wohnsitzes zu untersagen. Dieses seit 1997 geltende Gesetz wurde in Österreich zum Eckpfeiler in der Prävention und Bekämp­fung von Gewalt gegen Frauen. Es diente als Modell für mehrere Mitgliedsstaaten des Europarates, in denen Betretungsverbote sowie einstweilige Verfügungen nun weithin genutzt werden, um Frauen und Kinder vor Missbrauch zu schützen. Mit dem 2. Ge­waltschutzgesetz, das mit 2009 in Kraft getreten ist, wurde ein weiterer wichtiger Schritt zur Verbesserung des Opferschutzes in Österreich gesetzt. So wurde u.a. ein neuer Tatbestand betreffend fortgesetzte Gewaltausübung in die Rechtsordnung implemen­tiert, Instrumente wie einstweilige Verfügung und Betretungsverbote wurden ausge­baut. Österreich entwickelte über die Jahre zudem mehrere Aktionspläne und Strate­gien, wobei der Nationale Aktionsplan zum Schutz von Frauen vor Gewalt (2014-16) (NAP) und die Nationale Strategie zur schulischen Gewaltprävention (2014-16) an die­ser Stelle hervorgehoben werden sollen.

Am 1. August 2014 trat schließlich die Europaratskonvention gegen Gewalt an Frauen in Kraft (Istanbul-Konvention). Ein echter Meilenstein in Sachen Gewaltschutz.

Sämtliche Gesetze, Initiativen und Strategien wurden im besten Austausch und in Zu­sammenarbeit mit ExpertInnen in den Bereichen Opferschutz, Gewaltschutz, Täterar­beit, sowie den Interventionsstellen, der Polizei, Politik und Justiz entwickelt.

Mit dem nun vorliegenden so genannten 3. Gewaltschutzgesetz verlässt Schwarz-Blau diesen bewährten Weg. Der 1-jährigen Prozess der Task-Force wird ebenso ignoriert wie die Expertise und Warnungen von Justiz und Opferschutzeinrichtungen.

In dieser nun zu Ende gehenden Gesetzgebungsperiode hat die sozialdemokratische Parlamentsfraktion in zahlreichen Anträgen dokumentiert, welche Schritte im Bereich der Weiterentwicklung des Gewaltschutzes wirklich notwendig sind. Grundlage für die Umsetzung ist eine mehrfach geforderte, wesentliche Budgeterhöhung für Opfer- und Gewaltschutz.

Die gefertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Antrag

Der Nationalrat wolle beschließen:


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„Die Bundesregierung wird ersucht, folgende Maßnahmen im Bereich des Gewalt­schutzes umzusetzen:

•             Beschluss eines Gewaltschutz-Sofortpakets in der Höhe von drei Millionen Euro an Sofortmaßnahmen für Interventionsstellen, Gewaltschutzzentren und Frau­enberatungseinrichtungen sowie eine Million Euro für Männerberatung und Täterarbeit;

•             Kontinuierlicher Ausbau der finanziellen Ressourcen für Prävention und Gewalt­schutz um Verpflichtungen der Istanbul-Konvention nachzukommen sowie eine langfristige Strategie zur Umsetzung derselben;

•             Entwicklung von verbindlichen Richtlinien für Strafverfolgungsbehörden über die Behandlung von Fällen von Gewalt an Frauen, um die geringen Verurteilungs­raten deutlich zu steigern;

•             Fortführung des NAP zum Schutz von Frauen vor Gewalt;

•             Ausbau und Stärkung der Prozessbegleitung;

•             Ausbau der opferschutzorientierten Täterarbeit zur Verhinderung von Gewalt an Frauen und Kindern sowie häuslicher Gewalt;

•             Investitionen in angemessene und verpflichtende Aus- und Weiterbildungen für RichterInnen und StaatsanwältInnen;

•             Etablierung verpflichtender Anti-Gewalt-Trainings bei Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt nach Verurteilung;

•             Infokampagnen zur freiwilligen Teilnahme an Antigewalttrainings;

•             Neuauflage der Hochrisikofallkonferenzen in ganz Österreich nach den Grund­sätzen einer multi-institutioneller Kooperation sowie die finanzielle Absicherung der bundesländerübergreifend untergebrachten Opfer;

•             Ausbau von Beratungsstellen für Frauen und Mädchen;

•             Ausbau der Kooperation zwischen Behörden, Gerichten und Gewaltschutz­zentren;

•             Rasche Hilfe für Kinder und Jugendliche, die von Gewalt betroffen oder Zeugen von Gewalt geworden sind;

•             Umsetzung einer Unterhaltsgarantie, um Frauen und ihren Kindern ein selbst­bestimmtes Leben zu ermöglichen;

•             Ausbau und Finanzierung forensischer Ambulanzen.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

*****

Ich darf zur namentlichen Abstimmung über den Abänderungsantrag der Abgeordne­ten Haubner, Fuchs, Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen noch eine Korrektur an­bringen: Es wurde eine Stimmkarte doppelt abgegeben.

Das richtige Ergebnis lautet daher:

Abgegebene Stimmen: 180; davon „Ja“-Stimmen: 121, „Nein“-Stimmen: 58, ungül­tig: 1 – statt bisher keine. (Aha-Rufe bei der ÖVP. Abg. Wurm: Wer war das? Abg. Jarolim: Das ist aber schon sehr seltsam!) – Ja, Herr Abgeordneter Jarolim, „sehr


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seltsam“, Sie haben die Karte doppelt abgegeben! (Zwischenrufe bei der ÖVP sowie des Abg. Jarolim.)

Die Differenz ist auf das Abstimmungsergebnis ohne Einfluss. (siehe auch S. 129)

*****

Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Steinacker. – Bitte. (Unruhe im Saal. – Der Präsi­dent gibt das Glockenzeichen.)


16.52.13

Abgeordnete Mag. Michaela Steinacker (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Frau Bundesministerin! Geschätzte Mitbürgerinnen und Mitbürger! (Präsi­dent Sobotka gibt neuerlich das Glockenzeichen.) Unser Gewaltschutzpaket ist das Ergebnis der Taskforce Strafrecht unter der Leitung von Ex‑Staatssekretärin Karoline Edtstadler. Über ein Jahr lang haben mehr als hundert Experten und Organisationen gemeinsam an Maßnahmen gearbeitet, die als Entwurf vorgelegen sind. (Zwischenruf der Abg. Bayr.) Ich bin da bei Frau Kollegin Heinisch-Hosek, dass das Thema Gewalt, Gewalt an Frauen insgesamt ein sehr ernstes Thema ist, über das man tatsächlich befinden muss, für das man aber irgendwann einmal auch Lösungen auf den Tisch le­gen muss. (Abg. Heinisch-Hosek: Aber reden mit uns sollte man auch!)

Ich bedanke mich bei den Experten dieser Organisationen, bei Ihnen, die Sie heute hier auch auf der Galerie anwesend sind. Ihre Beiträge waren uns sehr wichtig. (Abg. Lindner: Ihr habt sie ja nicht einmal ansatzweise berücksichtigt!) Ihre Beiträge haben zum Teil Eingang in den Initiativantrag gefunden, zum Teil aber nicht. Es bleibt uns am Ende in der Bewertung und in der politischen Festlegung oftmals die Notwendigkeit, aber auch die Möglichkeit, einen Mittelweg zu gehen.

Wir verabschieden heute ein Bündel an Maßnahmen zum Schutz vor Gewalt, aber auch zur Arbeit mit Tätern und mit Menschen, bei denen wir verhindern wollen, dass sie solche Taten begehen, denn es muss klar sein: Wenn es zu Gewalttaten kommt, dann wollen wir sofort und umgehend Schutz für die Betroffenen. (Abg. Heinisch-Ho­sek: Es soll gar nicht so weit kommen!)

Unser Ziel ist es, Menschen vor Gewalt zu schützen. Vor allem Frauen und Kinder sol­len in Österreich keine Angst haben müssen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der FPÖ.)

In Fortführung des Strafrechtsänderungsgesetzes 2015, im Zuge dessen wir begonnen haben, Delikte gegen Leib und Leben schärfer und härter zu bestrafen und die Strafen bei reinen Vermögensdelikten etwas zu reduzieren, das also wieder in eine Balance zu bringen, haben wir uns zum Ziel genommen – auch aus präventiven Gründen –, zu­künftig Gewalt- und Sexualstraftäter härter zu bestrafen. Die Erhöhung der Strafrah­men und die Anhebung der Mindeststrafen wurden im Rahmen der Begutachtung zum Teil heftig kritisiert, weil dies – Kollegin Griss hat ja mit mir darüber auch trefflich disku­tiert –, so das Argument, keine präventive Wirkung werde erzeugen können. – Ich den­ke schon.

Wir treffen eine politische Entscheidung. Ich darf Ihnen ein Beispiel nennen: Tatbe­stand der Vergewaltigung. Wir erhöhen die Mindeststrafe. Wir wollen, dass harte Stra­fen hart bleiben. (Abg. Heinisch-Hosek: Frauen werden nicht mehr anzeigen!) Es kann nicht sein, dass ein verurteilter Vergewaltiger nicht einen einzigen Tag im Ge­fängnis verbringen muss! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ. Bra­voruf bei der FPÖ.)

Intensiv beraten und letztendlich festgelegt wurde die Ausdehnung der Erschwerungs­gründe auf mehrere Tatbestände. Die Ausnützung einer Autoritätsstellung, das Verge-


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hen an unmündigen Opfern und besonders brutale Gewalt und Drohung sollen künftig schärfer bestraft werden, ebenso Rückfalltäter. Wir schaffen aber gleichzeitig mit der Einrichtung der Gewaltpräventionszentren auch die Möglichkeit, mit den Tätern zu ar­beiten, damit sie eben nicht wieder rückfällig werden und diese Gewalttaten an den Menschen, an den Opfern gar nicht erst begangen werden.

Die Gewaltbereitschaft insgesamt ist leider in der letzten Zeit größer geworden, auch gegenüber helfenden Personen wie Ärzten, Rettungssanitätern, Feuerwehrleuten; tra­gische Beispiele im Sommer haben uns das gezeigt. Wir schützen daher zukünftig un­sere Ärzte, Rettungssanitäter, Feuerwehrleute und das Verwaltungspersonal in den Krankenhäusern und Ordinationen besser, wenn sie in Ausübung ihrer – oft ehrenamt­lichen – Tätigkeiten angegriffen oder verletzt werden.

Frau Heinisch-Hosek, ich schätze Sie und ich weiß, Sie lesen diese Gesetze auch ge­nau. Es gibt ein Bündel an neuen Regelungen, die den Opfern helfen sollen. Für min­derjährige Opfer wird die Frist zur Beantragung der Entschädigung nach dem Verbre­chensopfergesetz auf drei Jahre verlängert. Die dreißigjährige Verjährungsfrist für die Schadenersatzklagen gegenüber dem Täter beginnt nicht schon mit Tatbegehung, sondern erst, wenn das 18. Lebensjahr des Opfers erreicht ist. Wichtig ist, dass die Gewaltopfer – und das erachte ich als ganz wesentlich – zukünftig die Möglichkeit ha­ben, zu ihrem Schutz den Namen und auch die Sozialversicherungsnummer zu än­dern. Opfer von Wohnungseinbrüchen können zukünftig Krisenintervention und Psy­chotherapie beantragen.

Am Ende meiner Rede werde ich einen Abänderungsantrag zum besseren Schutz des Hausrechts einbringen, durch den Wohn- und Betriebstätten besser geschützt werden sollen und auch das ungerechtfertigte und unberechtigte Abbilden von Personen, wenn jemand wo eingedrungen ist, verhindert werden soll – eine Frau, die schläft, als Bei­spiel.

Das Betretungsverbot, das Gewalttäter zum Beispiel aus der gemeinsamen Wohnung verbannt, wird nunmehr zu einem Annäherungsverbot. Das heißt, gefährdete Personen sind in einem Umkreis von 100 Metern, egal wo sie sich aufhalten, geschützt. (Abg. Heinisch-Hosek: Und wer soll das kontrollieren?) Das werden wir zusammenbrin­gen! Das bedarf nur eines Erlasses des Ministeriums, um das entsprechend zu mel­den. (Abg. Heinisch-Hosek: Aha, und dann stehen die Polizisten rundherum, 100 Me­ter, oder was?) Niemand soll in Österreich Angst haben, wenn er zum Beispiel auf dem Schulweg oder in einem Einkaufszentrum ist. Nicht nur in der Schule, auch am Weg dorthin muss dieser Schutz greifen, und das ist die Neuerung, an die wir glauben. (Abg. Heinisch-Hosek: Das kann niemand exekutieren!)

Mit dem Abänderungsantrag regeln wir auch einen wesentlichen Punkt neu – einen Kri­tikpunkt der Berufsgruppe der Psychotherapeuten –: Wir harmonisieren die Anzeige­pflichten nunmehr für alle Gesundheitsberufsgruppen, die im Rahmen ihrer Tätigkeit begründeten Verdacht auf Vergewaltigung, Misshandlung, Quälen oder sexuellen Missbrauch von Kindern oder Jugendlichen haben. Wir haben uns aber im Gegensatz zum Initiativantrag, den wir eingebracht haben, in diesem Punkt aufgrund der vielen Diskussionen, die wir geführt haben, gemeinsam mit der Gesundheitsministerin eine Neuregelung einfallen lassen. (Abg. Heinisch-Hosek: Das war vorher besser! Glauben Sie, dass eine geprügelte Frau widersprechen kann?! Unfassbar!)

Wir unterscheiden: Volljährige Personen sollen ganz bewusst die Möglichkeit haben, die Unterlassung einer Anzeige zu verlangen. Für Kinder und Jugendliche schützen wir diese Anzeigepflicht aber weiterhin, vor allem auch deswegen, weil wir gegebenenfalls die so wichtigen forensischen Beweise sichern wollen. Es geht hier um Kinder- und Ju­gendfürsorge.


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Ich darf nunmehr zwei Abänderungsanträge und einen Entschließungsantrag einbrin­gen.

Der erste Abänderungsantrag der Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker, Mag. Ha­rald Stefan, Kolleginnen und Kollegen zum Gewaltschutzgesetz 2019 liegt ja bereits schriftlich vor. Da geht es im Wesentlichen um die von mir soeben kurz erläuterten technischen Änderungen, Klarstellungen, die Strafverschärfungen bei Angriffen auf das Gesundheitspersonal und ebenso um die erwähnten Änderungen bezüglich Anzeige­pflicht und Vergrößerung der Bannmeile von 50 auf 100 Meter.

*****

Der zweite Abänderungsantrag der Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker, Kolle­ginnen und Kollegen zum Gewaltschutzgesetz 2019 betreffend eine Änderung des § 109 StGB, des sogenannten Hausfriedensbruchs, liegt ebenfalls schriftlich vor; auch diesen darf ich in den Kernpunkten erläutern.

Es geht grundsätzlich darum, dass die Neuregelung des Hausfriedensbruchs aus dem Jahr 1974 stammt und das Hausrecht einfach ungenügend geschützt ist.

Wir schlagen daher vor, den Schutz des Hausrechts auf die Begehungsform des Dieb­stahls auszudehnen, zum Beispiel beim Einsteigen in ein offenes Fenster oder beim Eindringen mit einem nachgemachten Schlüssel, und es geht auch um eine Erweite­rung: nicht nur ins Haus, sondern auch in die Betriebstätten – das sind Geschäftsräu­me, das können Kanzleien, das können Ställe sein. Der Schutz soll unabhängig davon eintreten, ob sich jemand in der Wohnung oder Betriebstätte aufhält; und auch das Nichtverlassen der Wohnung, der Betriebstätte nach einer Aufforderung soll strafbar sein.

Wir wollen ein weiteres Manko des österreichischen Strafgesetzes bereinigen. Es gibt im österreichischen Strafgesetz umfassende Regelungen zur Verletzung von Persön­lichkeitsrechten durch unbefugtes Abhören und unbefugte Tonaufnahmen, aber es gibt keinen ausreichenden Schutz gegen unbefugte Bildaufnahmen. Deshalb schlagen wir auch vor, das Eindringen und die Anfertigung von Bild- und Tonaufnahmen zu bestra­fen. Wir haben den Antrag mit ausgewiesenen Experten und mit Bedacht formuliert, und ich würde mich sehr freuen, wenn er heute Ihre Zustimmung erhält.

*****

Des Weiteren darf ich einen Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker, Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kol­legen betreffend „Gewährleistung einer funktionierenden und leistungsfähigen Justiz“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird ersucht, sich dafür einzusetzen bzw. sicherzustellen, dass die österreichische Justiz über die zur Erfüllung der ihr obliegenden Aufgaben notwen­digen budgetären Mittel verfügt. Von wesentlicher Bedeutung sind dabei die Gewähr­leistung des Zugangs zum Recht – in diesem Zusammenhang auch die Überprüfung der Senkung der Gerichtsgebühren –, die Beschleunigung von Verfahren sowie das Vorantreiben der Digitalisierung in allen Bereichen bei gleichzeitiger Optimierung von Arbeitsabläufen und Nutzung von Synergieeffekten. Weiters soll die Justizwache ent-


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sprechend personell ausgestattet und zur Entlastung im System die ‚Haft in der Hei­mat‘ forciert werden.“

*****

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich stimme zu: All die Themen, die wir heute diskutieren oder die wir heute auch beschließen, bedürfen immer wieder eines Dialogs, eines Zuhörens, eines Auf-die-Waage-Stellens, ob denn alles passt, was wir gemacht haben. (Zwischenruf des Abg. Noll.)

Ich denke, wir haben mit einem großen Bündel an Neuerungen auch für die Opfer, wie ich soeben gesagt habe, ein gutes Maßnahmenpaket geschaffen, und ich freue mich, dass wir heute jedenfalls in diesem Bereich so wirksame Maßnahmen gegen die Ge­walt zum Schutz der Menschen in Österreich beschließen können. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

17.02

Die Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker, Mag. Harald Stefan, Karl Mahrer, B.A., Hans-Jörg Jenewein, MBA

und Kolleginnen und Kollegen

zum Antrag der Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker, Mag. Harald Stefan, Karl Mahrer, B.A., Hans-Jörg Jenewein, MBA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz, das Namensänderungsgesetz, das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Strafgesetzbuch, das Jugendgerichtsge­setz 1988, die Strafprozeßordnung 1975, das Strafregistergesetz 1968, das Tilgungs­gesetz 1972, die Exekutionsordnung, das Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspoli­zeigesetz geändert wird und Verstöße gegen bestimmte einstweilige Verfügungen zum Schutz vor Gewalt und zum Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre zu Verwaltungs­übertretungen erklärt werden, das Ärztegesetz 1998, das Gesundheits- und Kranken­pflegegesetz, das Hebammengesetz, das Kardiotechnikergesetz, das MTD-Gesetz, das Medizinische Assistenzberufe-Gesetz, das Medizinischer Masseur- und Heilmas­seurgesetz, das Sanitätergesetz, das Zahnärztegesetz, das Musiktherapiegesetz, das Psychologengesetz 2013, das Psychotherapiegesetz, das Allgemeine Sozialversiche­rungsgesetz, das Verbrechensopfergesetz und das Bundesgesetz mit dem das Bun­desgesetz über die Grundsätze für Hilfen für Familien und Erziehungshilfen für Kinder und Jugendliche geändert werden (Gewaltschutzgesetz 2019) (970/A)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Antrag (970/A) wird wie folgt geändert:

Artikel 1

Änderung des Sicherheitspolizeigesetzes

1. In der Z 5 (§ 38a Abs. 1) wird das Wort „fünfzig“ jeweils durch das Wort „hundert“ er­setzt.

2. Die Z 16 lautet:

16. Dem § 94 wird folgender Abs. 47 angefügt:

„(47) Die §§ 22 Abs. 2, 35 Abs. 1 Z 8, 38a Abs. 1 bis 7 sowie Abs. 9 bis 12 samt Überschrift, 56 Abs. 1 Z 3 hinsichtlich der Interventionsstellen (§ 25 Abs. 3), Z 8 und 9,


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58c Abs. 3, 84 Abs. 1, Abs. 1a, Abs. 1b Z 1 und 2 sowie Abs. 2 und 98 Abs. 2 sowie das Inhaltsverzeichnis in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2019 treten mit 1. Jänner 2020 in Kraft. Die §§ 25 Abs. 4, 38a Abs 8, 56 Abs. 1 Z 3 hinsichtlich der Gewaltpräventionszentren (§ 25 Abs. 4) und 84 Abs. 1b Z 3 in der Fassung des Bun­desgesetzes BGBl. I Nr. xx/2019 treten mit 1. Jänner 2021 in Kraft. § 97 Abs. 4 tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2019 außer Kraft.“

Artikel 3

Änderung des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches

1. Die bisherige Z 2 entfällt und die neue Z 2 lautet:

„2. Dem § 1494 Abs. 2 wird folgender Satz angefügt:

„Unabhängig davon beginnt die Frist nach § 1489 Satz 2 zweiter Fall vor Vollendung des achtzehnten Lebensjahres des Geschädigten nicht zu laufen.““

2. In der Z 3 wird in § 1503 Abs. 13 das Zitat „§ 1489“ durch „§ 1494 Abs. 2“ ersetzt.

Artikel 4

Änderung des Strafgesetzbuches

1. Nach der Z 2 wird folgende Z 2a eingefügt:

„2a. In § 39 Abs. 1 StGB wird im ersten Satz das Wort „kann“ durch die Wendung „erhöht sich“ ersetzt und entfällt die Wendung „überschritten werden“.“

2. Nach der Z 4 wird folgende Z 4a eingefügt:

„4a. In § 39 Abs. 2 wird im zweiten Satz nach dem Wort „Strafe“ die Wendung „bedingt nachgesehen oder“ eingefügt.“

3. In der Z 5 lauten § 39a und seine Überschrift:

„Änderung der Strafdrohung bei bestimmten Gewalttaten

§ 39a. (1) Hat ein Täter eine vorsätzliche strafbare Handlung unter Anwendung von Gewalt oder gefährlicher Drohung

1.          als volljährige gegen eine unmündige Person,

2.          gegen eine aufgrund besonderer Umstände schutzbedürftige Person unter Aus­nützung deren besonderer Schutzbedürftigkeit,

3.          unter Einsatz eines außergewöhnlich hohen Ausmaßes an Gewalt oder nach­dem der Tat eine solche Gewaltanwendung vorausgegangen ist oder

4.          unter Einsatz oder Drohung mit einer Waffe oder

5.          mit mindestens einer weiteren Person in verabredeter Verbindung begangen,

so treten die in Abs. 2 genannten Änderungen der Strafdrohung ein, wenn der jeweilige Umstand nicht schon die Strafdrohung bestimmt.

(2) Demnach tritt an die Stelle der Androhung

1.          einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder der Androhung einer solchen Frei­heitsstrafe oder einer Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen die Androhung einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten bis zu einem Jahr,

2.          einer Freiheitsstrafe, die kein Mindestmaß vorsieht und deren Höchstmaß ein Jahr übersteigt, die Androhung eines Mindestmaßes von drei Monaten Frei­heitsstrafe,


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3.          einer Freiheitsstrafe, deren Mindestmaß sechs Monate beträgt, die Androhung eines Mindestmaßes von einem Jahr Freiheitsstrafe,

4.          einer Freiheitsstrafe, deren Mindestmaß ein Jahr beträgt, die Androhung eines Mindestmaßes von zwei Jahren Freiheitsstrafe.

(3) Die Anwendung des § 39 bleibt hievon unberührt. Bei der Anwendung des § 41 ist von den nach Abs. 2 geänderten Strafdrohungen auszugehen.“

4. Nach der Z 6 wird folgende Z 6a eingefügt:

„6a. In § 43a Abs. 1 bis 4 wird das Zitat „§ 43“ jeweils durch das Zitat „§ 43 Abs. 1“ ersetzt.“

5. Nach der Z 7 wird folgende Z 7a eingefügt:

„7a. § 83 Abs. 3 lautet:

„(3) Wer eine Körperverletzung nach Abs. 1 oder 2 an einer Person, die

1.          mit der Kontrolle der Einhaltung der Beförderungsbedingungen oder der Len­kung eines Beförderungsmittels einer dem öffentlichen Verkehr dienenden An­stalt betraut ist,

2.          in einem gesetzlich geregelten Gesundheitsberuf, in einer anerkannten Ret­tungsorganisation oder in der Verwaltung im Bereich eines solchen Berufes, insbesondere einer Krankenanstalt, oder als Organ der Feuerwehr tätig ist,

während oder wegen der Ausübung ihrer Tätigkeit begeht, ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen.““

6. Die Z 9 lautet:

„In § 87 wird nach dem Abs. 1 nachfolgender Abs. 1a eingefügt:

„(1a) Wer die Tat an einem Beamten, Zeugen oder Sachverständigen während oder wegen der Vollziehung seiner Aufgaben oder der Erfüllung seiner Pflichten begeht, ist mit Freiheitsstrafe von zwei bis zu zehn Jahren zu bestrafen.““

7. Die Z 10 lautet:

„10. Im § 87 Abs. 2 werden nach der Wendung „Zieht die Tat“ die Wendung „nach Abs. 1“ und nach der Wendung „einem bis zu fünfzehn Jahren,“ die Wendung „im Falle des Abs. 1a mit Freiheitsstrafe von zwei bis zu fünfzehn Jahren,“ eingefügt.“

8. Nach der Z 11 wird folgende Z 11a eingefügt:

„11a. § 91a und seine Überschrift lauten:

„Tätlicher Angriff auf mit bestimmten Aufgaben betraute Bedienstete einer dem öffent­lichen Verkehr dienenden Anstalt oder Angehörige des Gesundheits- oder Rettungswe­sens oder Organe der Feuerwehr

§ 91a. Wer eine Person,

1.          die mit der Kontrolle der Einhaltung der Beförderungsbedingungen oder der Lenkung eines Beförderungsmittels einer dem öffentlichen Verkehr dienenden Anstalt betraut ist,

2.          in einem gesetzlich geregelten Gesundheitsberuf, für eine anerkannte Ret­tungsorganisation oder in der Verwaltung im Bereich eines solchen Berufs, ins­besondere einer Krankenanstalt, oder als Organ der Feuerwehr tätig ist,

während der Ausübung ihrer Tätigkeit tätlich angreift, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.““


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9. In der Z 13 wird in § 107a Abs. 3 nach der Wortfolge „verfolgten Person“ das Wort „zu“ durch das Wort „zur“ ersetzt.

10. In der Z 16 wird in § 220b Abs. 2 das Wort „bloße“ durch das Wort „bloß“ ersetzt.

Artikel 6

Änderung der Strafprozeßordnung 1975

1. Z 1 lautet:

„1. In § 52 Abs. 2 wird der Punkt am Ende der Z 3 durch einen Beistrich ersetzt und nach Z 3 folgende Z 4 angefügt:

„4.         für die Herstellung einer Abschrift oder Kopie des Protokolls seiner Verneh­mung (§ 96 Abs. 5).““

2. Vor der bisherigen Z 2 wird folgende neue Z 2 eingefügt:

„2. In § 53 Abs. 2 wird folgender Satz angefügt:

„Es ist unzulässig, dem Beschuldigten oder seinem Vertreter Akten oder Teile davon zur Herstellung von Kopien [außerhalb des Amtsgebäudes] mitzugeben.““

3. Die bisherigen Z 2 und 3 erhalten die neue Nummerierung 3 und 4.

4. Vor der bisherigen Z 4 wird folgende neue Z 5 eingefügt:

„5. In § 68 Abs. 1 wird die Zitierung „§§ 51, 52 Abs. 1, Abs. 2 Z 1 und 3 sowie 53“ durch die Zitierung „§§ 51, 52 Abs. 1, Abs. 2 Z 1, 3 und 4 sowie 53“ ersetzt.“

5. Die bisherigen Z 4 und 5 erhalten die neue Nummerierung 6 und 7.

6. Die bisherige Z 6 erhält die neue Nummerierung 8, dort wird in § 76 Abs. 4 vor der Wendung „auf Grund einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung“ die Wendung „an Behörden und Gerichte“ eingefügt.

7. Die bisherige Z 7 erhält die neue Nummerierung 9

8. Die bisherige Z 8 erhält die neue Nummerierung 10 und lautet:

„10. § 80 Abs. 1 zweiter Satz lautet:

„Einem Opfer (§ 65 Z 1), das Anzeige erstattet hat, ist eine schriftliche Bestätigung der Anzeige gebührenfrei auszufolgen.““

9. Die bisherige Z 9 erhält die neue Nummerierung 11.

10. Die bisherige Z 10 erhält die neue Nummerierung 12 und lautet:

„12. In § 165 Abs. 4 wird die Wendung „und die in § 156 Abs. 1 Z 1 und 2 erwähnten Zeugen“ durch die Wendung „, die in § 156 Abs. 1 Z 1 erwähnten Zeugen sowie Zeu­gen, auf die die in § 66a Abs. 1 erwähnten Kriterien zutreffen,“ ersetzt.“

11. Die bisherige Z 11 erhält die neue Nummerierung 13, dort wird in § 173 Abs. 5 Z 3 vor dem Wort „Örtlichkeiten“ das Wort „sonstige“ eingefügt.

12. Die bisherigen Z 12 bis 14 erhalten die neue Nummerierung 14 bis 16.

13. Z 15 erhält die neue Nummerierung 17 und lautet:

„In § 514 wird nach dem Abs. 40 folgender Abs. 41 angefügt:

„(41) § 52 Abs. 2 Z 4, § 53 Abs. 2, § 66a Abs. 1 zweiter Satz und Abs. 2 Z 1a, § 68 Abs. 1, § 70, § 76 Abs. 4 und 6, § 80 Abs. 1, § 96 Abs. 5, § 165 Abs. 4, § 173 Abs. 5 Z 3, § 206 Abs. 1, § 250 Abs. 3 und § 410 Abs. 1 in der Fassung des Gewaltschutzge­setzes 2019, BGBl. I Nr. xx/2019, treten mit 01.01.2020 in Kraft.“


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Artikel 7

Änderung des Strafregistergesetzes 1968

1. Z 12 lautet:

„12. In § 14 wird nach dem Abs. 14 folgender Abs. 15 eingefügt:

„(15) § 4 Abs. 5, § 9 Abs. 1 Z 3 und Z 4, die Überschrift zu § 9a, § 9a Abs. 1 Z 1 und Abs. 2, § 10b Abs. 2 erster und dritter Satz und § 12 Abs. 1 zweiter Satz in der Fas­sung des Dritten Gewaltschutzgesetzes, BGBl. I Nr. xx/2019, treten mit 1. Jänner 2020, § 10 Abs. 1c und Abs. 1d und § 11 Abs. 4a treten mit 1. Juli 2020 in Kraft.““

Artikel 8

Änderung des Tilgungsgesetzes 1972

1. Z 3 lautet:

„3. In § 9 wird nach dem Abs. 1j folgender Abs. 1k eingefügt:

„(1k) § 6 Abs. 1 Z 8 und Z 9 in der Fassung des Gewaltschutzgesetz 2019, BGBl. I. Nr. xx/2019, tritt mit 01.01.2020 in Kraft.““

Artikel 9

Änderung der Exekutionsordnung

1. In der Z 1 wird in § 382b Abs. 2 die Wendung „aber auch“ durch das Wort „zusätz­lich“ ersetzt.

2. Nach der Z 1 wird folgende Z 1a eingefügt:

„1a. In § 382c Abs. 1 wird die Wendung „Betretungsverbot gestellt (§ 38a Abs. 7 SPG)“ durch die Wendung „Betretungs- und Annäherungsverbot gestellt (§ 38a Abs. 10 SPG)“ ersetzt."

3. Nach der Z 3 wird folgende Z 3a eingefügt:

„3a. In § 382c Abs. 4 wird die Wendung „aus Anlaß einer Wegweisung nach § 38a Abs. 3 SPG“ durch die Wendung „nach § 38a Abs. 2 Z 5 SPG aus Anlass der Anord­nung eines Betretungs- und Annäherungsverbots“ ersetzt.“

4. In der Z 6 wird in § 382d Abs. 5 nach dem Wort „abgenommener“ die Wendung „oder nach § 38a SPG bei Gericht erlegter“ eingefügt.

5. In der Z 7 lautet § 382e Abs. 1 Z 3:

„3.         zu verbieten, sich dem Antragsteller oder bestimmt zu bezeichnenden Orten in einem bestimmten Umkreis anzunähern,“.

6. In der Z 8 werden in § 382e Abs. 2 erster Satz der Punkt durch einen Strichpunkt ersetzt und folgender Halbsatz angefügt: „§ 382b Abs. 2 zweiter Satz ist anzuwenden.“.

7. Z 10 lautet § 382g Abs. 1 Z 8:

„8.         Verbot, sich der gefährdeten Partei oder bestimmt zu bezeichnenden Orten in einem bestimmten Umkreis anzunähern.“

8. In Artikel 9 Z 11 werden in § 382g Abs. 2 erster Satz der Punkt durch einen Strich­punkt ersetzt und folgender Halbsatz angefügt: „§ 382b Abs. 2 zweiter Satz ist anzu­wenden.“.

9. In Artikel 9 Z 14 lautet § 395 Abs. 3 wie folgt:

„(3) Das Gericht, bei dem der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach §§ 382b oder 382e eingebracht wurde, hat die örtlich zuständige Sicherheitsbehörde


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von der Einbringung des Antrags und dessen Umfang sowie von einer allfälligen Zu­rückziehung unverzüglich in Kenntnis zu setzen.“

10. In Artikel 9 Z 15 wird in § 399 Abs. 1 nach der Wendung „Das Gericht kann“ die Wortfolge „auf Antrag“ eingefügt.

11. In Artikel 9 Z 17 wird in § 450 das Zitat „§ 382c Abs. 3“ durch das Zitat „§ 382c Abs. 1, 3 und 4“ ersetzt.

Artikel 11

Änderung des Ärztegesetzes 1998

1. In Z 2 lautet § 54 Abs. 5:

„(5) Eine Pflicht zur Anzeige nach Abs. 4 besteht nicht, wenn

1.          die Anzeige dem ausdrücklichen Willen der volljährigen handlungs- oder ent­scheidungsfähigen Patientin/des volljährigen handlungs- oder entscheidungs­fähigen Patienten widersprechen würde, sofern keine unmittelbare Gefahr für diese/diesen oder eine andere Person besteht und die klinisch-forensischen Spuren ärztlich gesichert sind, oder

2.          die Anzeige im konkreten Fall die berufliche Tätigkeit beeinträchtigen würde, deren Wirksamkeit eines persönlichen Vertrauensverhältnisses bedarf, sofern nicht eine unmittelbare Gefahr für diese oder eine andere Person besteht, oder

3.          die Ärztin/der Arzt, die ihre/der seine berufliche Tätigkeit im Dienstverhältnis ausübt, eine entsprechende Meldung an den Dienstgeber erstattet hat und durch diesen eine Anzeige an die Kriminalpolizei oder die Staatsanwaltschaft erfolgt ist.“

Artikel 12

Änderung des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes

1. In Z 3 lautet § 7 Abs. 2:

„(2) Eine Pflicht zur Anzeige nach Abs. 1 besteht nicht, wenn

1.          die Anzeige dem ausdrücklichen Willen des volljährigen handlungs- oder ent­scheidungsfähigen Patienten, Klienten oder pflegebedürftigen Menschen wider­sprechen würde, sofern keine unmittelbare Gefahr für diese oder eine andere Person besteht, oder

2.          die Anzeige im konkreten Fall die berufliche Tätigkeit beeinträchtigen würde, deren Wirksamkeit eines persönlichen Vertrauensverhältnisses bedarf, sofern nicht eine unmittelbare Gefahr für diese oder eine andere Person besteht, oder

3.          der Berufsangehörige, der seine berufliche Tätigkeit im Dienstverhältnis ausübt, eine entsprechende Meldung an den Dienstgeber erstattet hat und durch diesen eine Anzeige an die Kriminalpolizei oder die Staatsanwaltschaft erfolgt ist.“

Artikel 13

Änderung des Hebammengesetzes

1. In Z 3 lautet § 6a Abs. 3:

„(3) Eine Pflicht zur Anzeige nach Abs. 1 besteht nicht, wenn

1.          die Anzeige dem ausdrücklichen Willen der volljährigen handlungs- oder ent­scheidungsfähigen Schwangeren, Gebärenden oder Wöchnerin widersprechen würde, sofern keine unmittelbare Gefahr für diese oder eine andere Person be­steht, oder


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2.          die Anzeige im konkreten Fall die berufliche Tätigkeit beeinträchtigen würde, deren Wirksamkeit eines persönlichen Vertrauensverhältnisses bedarf, sofern nicht eine unmittelbare Gefahr für diese oder eine andere Person besteht, oder

3.          die Hebamme, die ihre berufliche Tätigkeit im Dienstverhältnis ausübt, eine ent­sprechende Meldung an den Dienstgeber erstattet hat und durch diesen eine Anzeige an die Kriminalpolizei oder die Staatsanwaltschaft erfolgt ist.“

Artikel 14

Änderung des Kardiotechnikergesetzes

1. In Z 2 lautet § 7a Abs. 2:

„(2) Eine Pflicht zur Anzeige nach Abs. 1 besteht nicht, wenn

1.          die Anzeige dem ausdrücklichen Willen des volljährigen handlungs- oder ent­scheidungsfähigen Patienten widersprechen würde, sofern keine unmittelbare Gefahr für diese oder eine andere Person besteht, oder

2.          die Anzeige im konkreten Fall die berufliche Tätigkeit beeinträchtigen würde, deren Wirksamkeit eines persönlichen Vertrauensverhältnisses bedarf, sofern nicht eine unmittelbare Gefahr für diese oder eine andere Person besteht, oder

3.          der Berufsangehörige eine entsprechende Meldung an den Dienstgeber er­stattet hat und durch diesen eine Anzeige an die Kriminalpolizei oder die Staatsanwaltschaft erfolgt ist.“

Artikel 15

Änderung des MTD-Gesetzes

1. In Z 3 lautet § 11e Abs. 2:

„(2) Eine Pflicht zur Anzeige nach Abs. 1 besteht nicht, wenn

1.          die Anzeige dem ausdrücklichen Willen des (der) volljährigen handlungs- oder entscheidungsfähigen Patienten (Patientin) widersprechen würde, sofern keine unmittelbare Gefahr für diese oder eine andere Person besteht, oder

2.          die Anzeige im konkreten Fall die berufliche Tätigkeit beeinträchtigen würde, deren Wirksamkeit eines persönlichen Vertrauensverhältnisses bedarf, sofern nicht eine unmittelbare Gefahr für diese oder eine andere Person besteht, oder

3.          der (die) Berufsangehörige, der (die) seine (ihre) berufliche Tätigkeit im Dienst­verhältnis ausübt, eine entsprechende Meldung an den Dienstgeber erstattet hat und durch diesen eine Anzeige an die Kriminalpolizei oder die Staatsan­waltschaft erfolgt ist.“

Artikel 16

Änderung des Medizinische Assistenzberufe-Gesetzes

1. Die Novellierungsanordnung 3 erhält die Bezeichnung „2.“ und lautet in dieser § 13 Abs. 8:

„(8) Eine Pflicht zur Anzeige nach Abs. 7 besteht nicht, wenn

1.          die Anzeige dem ausdrücklichen Willen des/der volljährigen handlungs- oder entscheidungsfähigen Patienten/-in widersprechen würde, sofern keine unmit­telbare Gefahr für diese oder eine andere Person besteht, oder

2.          die Anzeige im konkreten Fall die berufliche Tätigkeit beeinträchtigen würde, deren Wirksamkeit eines persönlichen Vertrauensverhältnisses bedarf, sofern nicht eine unmittelbare Gefahr für diese oder eine andere Person besteht, oder


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3.          der/die Berufsangehörige eine entsprechende Meldung an den Dienstgeber er­stattet hat und durch diesen eine Anzeige an die Kriminalpolizei oder die Staatsanwaltschaft erfolgt ist.“

Artikel 17

Änderung des Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetzes

1. In Z 3 lautet § 3a Abs. 2:

„(2) Eine Pflicht zur Anzeige nach Abs. 1 besteht nicht, wenn

1.          die Anzeige dem ausdrücklichen Willen des volljährigen handlungs- oder ent­scheidungsfähigen Patienten widersprechen würde, sofern keine unmittelbare Gefahr für diese oder eine andere Person besteht, oder

2.          die Anzeige im konkreten Fall die berufliche Tätigkeit beeinträchtigen würde, deren Wirksamkeit eines persönlichen Vertrauensverhältnisses bedarf, sofern nicht eine unmittelbare Gefahr für diese oder eine andere Person besteht, oder

3.          der Berufsangehörige, der seine berufliche Tätigkeit im Dienstverhältnis ausübt, eine entsprechende Meldung an den Dienstgeber erstattet hat und durch diesen eine Anzeige an die Kriminalpolizei oder die Staatsanwaltschaft erfolgt ist.“

Artikel 18

Änderung des Sanitätergesetzes

1. Die Novellierungsanordnung 3 erhält die Bezeichnung „2.“ und lautet in dieser § 5a Abs. 2:

„(2) Eine Pflicht zur Anzeige nach Abs. 1 besteht nicht, wenn

1.          die Anzeige dem ausdrücklichen Willen des volljährigen handlungs- oder ent­scheidungsfähigen Patienten widersprechen würde, sofern keine unmittelbare Gefahr für diese oder eine andere Person besteht, oder

2.          die Anzeige im konkreten Fall die berufliche Tätigkeit beeinträchtigen würde, deren Wirksamkeit eines persönlichen Vertrauensverhältnisses bedarf, sofern nicht eine unmittelbare Gefahr für diese oder eine andere Person besteht, oder

3.          der Sanitäter eine entsprechende Meldung an die Einrichtung gemäß § 23, in der er tätig ist, erstattet hat und durch diese eine Anzeige an die Kriminalpolizei oder die Staatsanwaltschaft erfolgt ist.“

2. Der letzten Novellierungsanordnung wird die Bezeichnung „3.“ vorangestellt.

Artikel 19

Änderung des Zahnärztegesetzes

1. Z 3 lautet:

„3. Nach § 21 wird folgender § 21 a samt Überschrift eingefügt:

„Anzeigepflicht

§ 21a. (1) Angehörige des zahnärztlichen Berufs sind zur Anzeige an die Kriminal­polizei oder die Staatsanwaltschaft verpflichtet, wenn sich in Ausübung der beruflichen Tätigkeit der begründete Verdacht ergibt, dass durch eine gerichtlich strafbare Hand­lung

1.          der Tod, eine schwere Körperverletzung oder eine Vergewaltigung herbeige­führt wurde oder

2.          Kinder oder Jugendliche misshandelt, gequält, vernachlässigt oder sexuell missbraucht werden oder worden sind oder


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3.          nicht handlungs- oder entscheidungsfähige oder wegen Gebrechlichkeit, Krank­heit oder einer geistigen Behinderung wehrlose Volljährige misshandelt, ge­quält, vernachlässigt oder sexuell missbraucht werden oder worden sind.

„(2) Eine Pflicht zur Anzeige nach Abs. 1 besteht nicht, wenn

1.          die Anzeige dem ausdrücklichen Willen des/der volljährigen handlungs- oder entscheidungsfähigen Patienten/Patientin widersprechen würde, sofern keine unmittelbare Gefahr für diese oder eine andere Person besteht, oder

2.          die Anzeige im konkreten Fall die berufliche Tätigkeit beeinträchtigen würde, deren Wirksamkeit eines persönlichen Vertrauensverhältnisses bedarf, sofern nicht eine unmittelbare Gefahr für diese oder eine andere Person besteht, oder

3.          der/die Berufsangehörige, der/die seine/ihre berufliche Tätigkeit im Dienstver­hältnis ausübt, eine entsprechende Meldung an den Dienstgeber erstattet hat und durch diesen eine Anzeige an die Kriminalpolizei oder die Staatsanwalt­schaft erfolgt ist.

(3) Weiters kann in Fällen des Abs. 1 Z 2 die Anzeige unterbleiben, wenn sich der Ver­dacht gegen einen/eine Angehörigen/Angehörige (§ 72 Strafgesetzbuch – StGB, BGBl. Nr. 60/1974) richtet, sofern dies das Wohl des Kindes oder Jugendlichen erfordert und eine Mitteilung an die Kinder- und Jugendhilfeträger und gegebenenfalls eine Einbezie­hung einer Kinderschutzeinrichtung an einer Krankenanstalt erfolgt.““

2. In Z 5 lautet § 75 Abs. 4:

„(4) Eine Pflicht zur Anzeige nach Abs. 3 besteht nicht, wenn

1.          die Anzeige dem ausdrücklichen Willen des/der volljährigen handlungs- oder entscheidungsfähigen Patienten/Patientin widersprechen würde, sofern keine unmittelbare Gefahr für diese oder eine andere Person besteht, oder

2.          die Anzeige im konkreten Fall die berufliche Tätigkeit beeinträchtigen würde, deren Wirksamkeit eines persönlichen Vertrauensverhältnisses bedarf, sofern nicht eine unmittelbare Gefahr für diese oder eine andere Person besteht, oder

3.          der/die Berufsangehörige eine entsprechende Meldung an den Dienstgeber erstattet hat und durch diesen eine Anzeige an die Kriminalpolizei oder die Staatsanwaltschaft erfolgt ist.“

Artikel 20

Änderung des Musiktherapiegesetzes

1. In Z 2 lautet § 32 Abs. 5:

„(5) Eine Pflicht zur Anzeige nach Abs. 4 besteht nicht, wenn

1.          die Anzeige dem ausdrücklichen Willen der volljährigen handlungs- oder ent­scheidungsfähigen Patientin/des volljährigen handlungs- oder entscheidungsfä­higen Patienten widersprechen würde, sofern keine unmittelbare Gefahr für die­se/diesen oder eine andere Person besteht, oder

2.          die Anzeige im konkreten Fall die berufliche Tätigkeit beeinträchtigen würde, deren Wirksamkeit eines persönlichen Vertrauensverhältnisses bedarf, sofern nicht eine unmittelbare Gefahr für diese oder eine andere Person besteht, oder

3.          Musiktherapeuten (Musiktherapeutinnen), die ihre berufliche Tätigkeit im Dienstverhältnis ausüben, eine entsprechende Meldung an den Dienstgeber er­stattet haben und durch diesen eine Anzeige an die Kriminalpolizei oder die Staatsanwaltschaft erfolgt ist.“


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Artikel 21

Änderung des Psychologengesetzes 2013

1. § 37 Abs. 5 lautet:

„(5) Eine Pflicht zur Anzeige nach Abs. 4 besteht nicht, wenn

1.          die Anzeige dem ausdrücklichen Willen der volljährigen handlungs- oder ent­scheidungsfähigen Patientin/des volljährigen handlungs- oder entscheidungsfä­higen Patienten widersprechen würde, sofern keine unmittelbare Gefahr für die­se/diesen oder eine andere Person besteht, oder

2.          die Anzeige im konkreten Fall die berufliche Tätigkeit beeinträchtigen würde, deren Wirksamkeit eines persönlichen Vertrauensverhältnisses bedarf, sofern nicht eine unmittelbare Gefahr für diese oder eine andere Person besteht, oder

3.          Berufsangehörige, die ihre berufliche Tätigkeit im Dienstverhältnis ausüben, eine entsprechende Meldung an den Dienstgeber erstattet haben und durch diesen eine Anzeige an die Kriminalpolizei oder die Staatsanwaltschaft erfolgt ist.“

Artikel 22

Änderung des Psychotherapiegesetzes

1. § 15 Abs. 5 lautet:

„(5) Eine Pflicht zur Anzeige nach Abs. 4 besteht nicht, wenn

1.          die Anzeige dem ausdrücklichen Willen der volljährigen handlungs- oder ent­scheidungsfähigen Patientin/des volljährigen handlungs- oder entscheidungsfä­higen Patienten widersprechen würde, sofern keine unmittelbare Gefahr für die­se/diesen oder eine andere Person besteht, oder

2.          die Anzeige im konkreten Fall die berufliche Tätigkeit beeinträchtigen würde, deren Wirksamkeit eines persönlichen Vertrauensverhältnisses bedarf, sofern nicht eine unmittelbare Gefahr für diese oder eine andere Person besteht, oder

3.          Psychotherapeutinnen/Psychotherapeuten, die ihre berufliche Tätigkeit im Dienstverhältnis ausüben, eine entsprechende Meldung an den Dienstgeber er­stattet haben und durch diesen eine Anzeige an die Kriminalpolizei oder die Staatsanwaltschaft erfolgt ist.“

Begründung

Zu Artikel 1 (Änderung des Sicherheitspolizeigesetzes)

Zu Z 1 (§ 38a Abs. 1 SPG):

Aufgrund des Wegfalls der bisherigen Regelung, wonach Schulen und Kinderbetreu­ungseinrichtungen explizit genannt waren, ist eine Ausweitung des Radius der Bann­meile von fünfzig auf hundert Meter angebracht.

Zu Artikel 3 (Änderung des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches)

Zu Z 1 (§ 1494 Abs. 2 ABGB)

Der Initiativantrag sah im Bereich der Verjährung von Schadenersatzansprüchen zwei Änderungen vor: einerseits sollte in einem dritten Satz zu § 1489 ABGB klargestellt werden, dass die 30-jährige Frist bei Vorsatztaten, die mit mehr als einjähriger Frei­heitsstrafe bedroht sind, nicht vor dem Eintritt der Strafbarkeitsverjährung enden soll.


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Mit einem vierten Satz sollte darüber hinaus die Verjährungsfrist bei minderjährigen Opfern von Sexualdelikten erst mit dem 18. Lebensjahr beginnen. Gegen beide Vor­schläge wurden Vorbehalte vorgebracht: der dritte Satz könne so interpretiert, dass erstmals unverjährbare Schadenersatzansprüche geschaffen werden (wenn man der Ansicht ist, dass die „Verjährung der Strafbarkeit“ nicht mit dem Tod des Täters eintritt), weshalb Vorkehrungen getroffen werden sollten, um die Rechtssphäre von an der Straftat unbeteiligten Personen – also der Erben des Täters – nicht über Gebühr zu be­lasten (siehe Stellungnahme 6/SN-158/ME, S 7).Zum vierten Satz wurde aufgezeigt, dass ein sachlicher Grund für die besondere Anführung von Sexualdelikten nicht er­sichtlich sei. Denn auch bei Delikten gegen Leib und Leben könne es vorkommen, dass der Minderjährige in einem Abhängigkeits- oder Autoritätsverhältnis steht oder wegen einer mit der Tathandlung einhergehenden Traumatisierung, die nicht den von § 1494 ABGB geforderten Grad erreicht, von der Geltendmachung von Schadener­satzansprüchen abgehalten wird (siehe Stellungnahme 40/SN-158/ME, S 2).

Beiden Kritikpunkten soll dadurch Rechnung getragen werden, dass nicht länger auf die Verjährung der Strafbarkeit abgestellt werden soll, sondern die Verjährungsfrist bei minderjährigen Opfern solcher Vorsatzdelikte ganz generell erst mit Vollendung des 18. Lebensjahres beginnen soll. Damit endet die Verjährungsfrist für solche Taten in der Regel nicht vor dem 48. Lebensjahr des Opfers; das ist im Ergebnis derselbe Ef­fekt, wie wenn an die Strafbarkeitsverjährung angeknüpft würde (dort beginnt die Ver­jährungsfrist nach § 58 Abs. 3 Z 3 StGB zwar erst mit 28. Jahren, dauert aber in der Regel nach § 57 Abs. 3 StGB nicht länger als 20 Jahre). Es wird vorgeschlagen, diese neue Anordnung dem § 1494 Abs. 2 ABGB anzufügen. Nach dieser Bestimmung beginnt gegen eine minderjährige Person die Verjährungszeit nicht zu laufen, solange sie über keine ausreichende Vertretung verfügt. Damit ist klargestellt, dass der Beginn der Verjährungsfrist bei minderjährigen Opfern solcher schweren Straftaten ungeachtet ihrer Vertretung erst mit ihrer Volljährigkeit zu laufen beginnt.

Zu Artikel 4 (Änderung des Strafgesetzbuches):

Zu Z 1 (§ 39 Abs. 1 StGB):

Der ursprünglich unverändert gelassene Abs. 1 sowie der neu vorgeschlagene Abs. 1a sollen zur Vermeidung von Anwendungsproblemen dahingehend harmonisiert werden, dass für beide Fälle dieselbe Formulierung mit der Konsequenz derselben Herange­hensweise bei der Strafzumessung gelten soll.

Nach nunmehr stRsp und hL ist § 39 Abs. 1 StGB (nicht nur Strafbemessungsvor­schrift, sondern auch) Strafrahmenvorschrift (13 Os 44/09h, SSt 2009/52; RIS-Justiz RS0125294 und RS0125295; Bruckmüller SbgK § 39 Rz 27; Fabrizy, StGB13 § 39 Rz 3; Flora in WK2 § 39 Rz 1; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 668/2). Ausgehend von der Entscheidung eines verstärkten Senats des OGH aus dem Jahr 1975 (SSt 46/40) ist es insoweit (mit Blick auf die Formulierung des § 39 Abs. 1 StGB) aus materiell-rechtlicher Sicht geboten, in einem ersten Schritt nach Maßgabe des nicht erweiterten Straf­rahmens zu prüfen, ob dieser für die konkrete Sanktionsfindung genügt, um erst bei erfolgter Verneinung dieser Frage das Ausmaß des Überschreitens dieses Rahmens im Verhältnis zum durch § 39 Abs. 1 StGB erweiterten Strafrahmen zu bestimmen (Ratz, WKStPO § 281 Rz 668/1). Die dargestellte Systematik führt schon jetzt häufig zu Anwendungsproblemen in der Praxis. Diese Probleme könnten durch die Schaffung zweier unterschiedlicher Strafrahmenvorschriften innerhalb der Bestimmungen über die Strafschärfung bei Rückfall verstärkt werden.

Es wird daher vorgeschlagen, die für § 39 Abs. 1a StGB vorgesehene Formulierung (… worden, so „erhöht sich“, wenn …) auch in § 39 Abs. 1 StGB aufzunehmen. Damit wäre einerseits die durch die Rechtsentwicklung nach der Entscheidung SSt 46/40 ent­standene Anwendungsproblematik mittels einer klaren gesetzlichen Regelung beseitigt


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und andererseits der Intention des Entwurfs Rechnung getragen, bei qualifiziertem Rückfall einen stets anzuwendenden erweiterten Strafrahmen zu normieren.

Sofern der Täter sowohl die Voraussetzungen des Abs. 1 als auch jene des Abs. 1a erfüllt, darf die Überschreitung des Strafrahmens gemäß § 30 StGB nur einmal erfol­gen (Flora in WK2 StGB § 39 Rz 30; Ratz in WK2 StGB § 30).

Zu Z 2 (§ 39 Abs. 2 StGB):

Im Hinblick darauf, dass der vorgeschlagene neue Abs. 1a im Gegensatz zum Abs. 1 nicht einmal eine zumindest teilweise Verbüßung der Vorstrafen zur Voraussetzung ha­ben soll, bedarf es einer Ergänzung des letzten Satzes des Abs. 2, um auch dieser neuen denkbaren Fallkonstellation (gänzlich bedingt nachgesehene Vorstrafen) Rech­nung tragen zu können.

Zu Z 3 (§ 39a StGB):

Aus Gründen der Übersichtlichkeit sowie der allgemeinen Systematik des StGB sollen in Abs. 1 zunächst die straferhöhenden Umstände und danach in Abs. 2 die erhöhten Strafrahmen angeführt werden. Darüber hinaus sollen sämtliche Umstände des Abs. 1 - und nicht nur die im bisherigen Abs. 2 Z 5 angeführte Begehung der Tat mit mindes­tens einer weiteren Person in verabredeter Verbindung - nur dann eine Änderung der Strafdrohung bewirken, wenn durch diese Umstände nicht schon die Strafdrohung be­stimmt wird.

Zu Z 4 (§ 43a StGB):

Anregungen im Begutachtungsverfahren folgend soll klargestellt werden, dass nach § 43 Abs. 3 StGB nur die gänzlich bedingte Strafnachsicht ausgeschlossen werden soll, eine teilbedingte Strafnachsicht unter den Voraussetzungen des § 43a StGB je­doch weiter möglich sein soll.

Zu Z 5 (§ 83 Abs. 3 StGB):

In der Vergangenheit sind vermehrt tätliche Übergriffe auf Ärzte, Pflegekräfte und Mit­arbeiter in Spitälern und Ordinationen festzustellen. Auch die Feuerwehr ist mit zunehmender Gewalt konfrontiert. Es wird daher vorgeschlagen, den mit der Strafge­setznovelle 2017, BGBl I Nr. 117/2017, in Bezug auf mit bestimmten Aufgaben be­traute Bedienstete einer dem öffentlichen Verkehr dienenden Anstalt geschaffenen § 83 Abs. 3 StGB durch eine neue Qualifikation für Körperverletzungen an Personen, die in einem gesetzlich geregelten Gesundheitsberuf, für eine anerkannte Rettungsor­ganisation oder in der Verwaltung im Bereich eines solchen Berufes, insbesondere ei­ner Krankenanstalt, oder einer solchen Organisation tätig, beziehungsweise Organe der Feuerwehr sind, zu ergänzen. Damit sind auch Zivildiener mitumfasst.

Zum geschützten Personenkreis ist Folgendes auszuführen:

Vorauszuschicken ist, dass von § 83 Abs. 3 StGB nur jene Personen erfasst sind, die nicht ohnehin als Beamte iSd § 74 Abs. 1 Z 4 StGB unter die Qualifikation des § 84 Abs. 2 StGB fallen. In diesem Sinn werden etwa Amtsärzte und Anstaltsärzte, aber auch Spitalsärzte, soweit sie im Bereich der öffentlichen Krankenanstaltspflege (vgl. etwa § 30 des Wiener Krankenanstaltengesetzes) tätig sind, bereits von § 84 Abs. 2 StGB erfasst sein (zumal diese Bestimmung anders als die §§ 269 und 270 StGB nicht darauf abstellt, dass der Beamte/die Beamtin hoheitlich tätig [gewesen] ist, sondern auch im Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung tätige Beamte – einschließlich im funktionalen Sinn – erfasst). Im Bereich der Rettungsorganisationen wird der Bereich, der etwa in Tirol mit „öffentlichem Rettungsdienst“ umschrieben ist und Aufgaben der Notfallrettung auf der einen und Leistungen des qualifizierten Krankentransportes auf der anderen Seite umfasst (vgl. § 3 des Tiroler Rettungsdienstgesetz 2009; nach dem Wiener Rettungs- und Krankentransportgesetz wird dieser Bereich schlicht durch die


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Begriffe „Rettungsdienst“ und „Krankentransportdienst“ abgedeckt und meint dort der Begriff „öffentlicher Rettungsdienst“ – mag er auch u.U. zur Erfüllung von Aufgaben des Krankentransportdienstes herangezogen werden können [vgl. § 5 Abs. 2 WRKG] eher den von der Stadt Wien selbst betriebenen Rettungsdienst [vgl. § 5 Abs. 1 WRKG] im Gegensatz zu privaten Rettungsdiensten). Soweit eine Person in einem die­ser Bereichen tätig ist (und während oder wegen dieser Tätigkeit verletzt wird), kommt es nicht darauf an, ob der Träger öffentlich- oder privatrechtlich organisiert ist (in Wien sind demnach gegebenenfalls nicht nur die Angehörigen der Berufsrettung, sondern auch die für bewilligte private Rettungs- und/oder Krankentransportdienste tätigen Per­sonen bereits vom Schutz des § 84 Abs. 2 StGB umfasst) bzw. ob es sich um ein öf­fentlich- oder ein privatrechtliches Anstellungsverhältnis (oder auch etwa ein Tätigwer­den auf Werkvertragsbasis) handelt. Diese Abgrenzung entspricht auch jener bei den Bediensteten einer dem öffentlichen Verkehr dienenden Anstalt, die soweit sie im Kon­text einer Amtshandlung als Eisenbahnaufsichtsorgan im Sinne des § 30 Eisenbahn­gesetz 1957 verletzt werden, dem Schutz des § 84 Abs. 2, im Übrigen aber des § 83 Abs. 3 StGB unterliegen (vgl. für den Bereich des tätlichen Angriffs Jerabek/Ropper in Höpfel/Ratz, WK2 StGB § 91a Rz 39). Jedenfalls vom neuen Tatbestand umfasst wer­den niedergelassene Ärzte und Angehörige von (anerkannten) Rettungs- und Kranken­transportdiensten sein, soweit sie in concreto jenseits des öffentlichen Bereichs tätig werden (also etwa bei einem medizinisch nicht indizierten, sondern lediglich auf Wunsch des Patienten durchgeführten und daher insofern privatem Krankentransport).

Der Begriff „gesetzlich geregelter Gesundheitsberuf“ ist wie in den §§ 88 Abs. 2 Z 3, 121 Abs. und 212 Abs. 2 Z 1 StGB zu verstehen.

Was die „anerkannten Rettungsorganisationen“ anlangt, sind Bezeichnung und Form der Organisationen als solcher (Organisation, Einrichtung, Unternehmen [vgl. § 2 Abs. 2 Tiroler Rettungsdienstgesetz 2009], Dienst [WRKG]) ebenso irrelevant wie Be­zeichnung und Form der Anerkennung (vgl. etwa Salzburg, wo in § 3 des Salzburger Rettungsgesetzes explizit von der – auch so bezeichneten – Anerkennung als Ret­tungsorganisation die Rede ist; Wien, wo nach den §§ 6 und 8 WRKG der Betrieb ei­nes Rettungs- oder Krankentransportdienstes einer „Bewilligung“ bedarf; oder Tirol, wo die Anerkennung implizit durch einen entsprechenden Vertragsabschluss nach § 3 Abs. 3 und § 4 des Tiroler Rettungsdienstgesetzes erfolgt).

Zu Z 6 und 7 (§ 87 Abs. 1a und 2 StGB):

Einerseits sollen die Novellierungsanordnungen den Legistischen Richtlinien 1990 ent­sprechend angepasst werden. Andererseits soll durch die Ergänzung des Abs. 2 ein gesonderter Strafsatz von zwei bis zu fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe für Taten gegen Beamte, Zeugen oder Sachverständige bei Zufügung einer schweren Dauerfolge vor­gesehen werden, da andernfalls die Zufügung einer schweren Dauerfolge an sich zwar eine höhere Strafobergrenze, aber eine niedrigere Strafuntergrenze hätte als die Zufü­gung einer absichtlich schweren Körperverletzung gegenüber einem Beamten, Zeugen oder Sachverständigen im Sinne des neuen Abs. 1a.

Zu Z 8 (§ 91a StGB):

Wie mit der Strafgesetznovelle 2017 für die mit bestimmten Aufgaben betrauten Be­diensteten von dem öffentlichen Verkehr dienenden Anstalten soll auch für Personen, die in einem gesetzlich geregelten Gesundheitsberuf, für eine anerkannte Rettungsor­ganisation oder in der Verwaltung im Bereich eines solchen Berufs, insbesondere einer Krankenanstalt, oder als Organ der Feuerwehr, nicht nur eine qualifizierte Strafdrohung im Falle einer Körperverletzung, sondern auch ein eigener Tatbestand zum Schutz vor tätlichen Angriffen geschaffen werden.

Zu Definition und Abgrenzung des umfassten Personenkreises darf grundsätzlich auf die Ausführungen zu § 83 Abs. 3 StGB verweisen werden, allerdings mit der Maßgabe,


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dass sich die Abgrenzung zwischen § 91a und § 270 StGB insofern anders gestaltet als zwischen § 83 Abs. 3 und § 84 Abs. 2 StGB, als auch jene Personen, als nur ho­heitlich tätige Beamte vom Schutz des § 270 StGB umfasst sind, während alle anderen im umschriebenen Gesundheits- und Rettungsbereich tätigen Personen (einschließlich jener, die als – wenn auch im Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung tätige – Beamte im strafrechtlichen Sinn einzustufen wären) von § 91a StGB umfasst sind.

Die nunmehrige Änderung soll auch zum Anlass genommen werden, den weithin als überflüssig bewerteten Straflosigkeitsgrund des § 91a Abs. 2 StGB zu streichen (vgl. Jerabek/Ropper in Höpfel/Ratz, WK2 StGB § 91a Rz 30). Der wesentliche Grund, nämlich, dass diese, den §§ 269 Abs. 4 und 270 Abs. 2 StGB nachgebildete Bestim­mung deswegen nicht gerechtfertigt erscheint, weil die von § 91a StGB geschützten Personen keine hoheitliche Befehls- und Zwangsgewalt ausüben, sodass eine beson­dere Einschränkung des Notwehrrechts iS einer Pflicht zur Duldung auch rechts­widriger Akte hier nicht indiziert ist, auch für den nunmehr erweiterten Personenkreis zutrifft.

Zu Z 9 und 10 ((§ 107a Abs. 3, § 220b Abs. 2 StGB):

Es handelt sich hierbei jeweils um Redaktionsversehen, die zu korrigieren sind.

Zu Artikel 6 (Änderung der Strafprozeßordnung 1975):

Zu Z 1, 2 und 4 (§§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2, 68 Abs. 1 StPO):

Da Opfern – unabhängig von ihrer Stellung als Privatbeteiligte – das Recht auf Akten­einsicht zusteht (§ 66 Abs. 1 Z 2, § 68 Abs. 2 StPO), ist ihnen auf ihr Verlangen im Ge­folge ihrer Vernehmung sogleich eine Abschrift oder Kopie des Protokolls dieser aus­zufolgen, sofern schutzwürdige Interessen des Verfahrens oder Dritter nicht entgegen­stehen (§ 96 Abs. 5 StPO). Gemäß Anm. 3 lit. e zu TP 15 GGG sowie § 4 der Verord­nung der Bundesministerin für Justiz über die Höhe der Gebühren für die Herstellung von Kopien durch die Staatsanwaltschaft oder die Kriminalpolizei im Rahmen der Akteneinsicht, BGBl. II Nr. 390/2007) hat die Ausfolgung von zwei Kopien des Proto­kolls gebühren- und kostenfrei zu erfolgen.

Aufgrund dahingehend aufgetretener Probleme in der Praxis wurde im Ministerialent­wurf zum Dritten Gewaltschutzgesetz – 3. GeSchG (158/ME) im Sinne der Ergebnisse der Task Force Strafrecht in § 66 Abs. 1 Z 1a StPO die ausdrückliche Klarstellung vor­geschlagen, dass Opfer ein Recht auf gebührenfreien Erhalt der Anzeigebestätigung und auf Verlangen des Vernehmungsprotokolls haben, wodurch künftig Vollzugsproble­me vermieden werden sollten.

Im Begutachtungsverfahren wurde mehrfach darauf hingewiesen, dass laut § 4 der Verordnung der Bundesministerin für Justiz über die Höhe der Gebühren für die Her­stellung von Kopien durch die Staatsanwaltschaft oder die Kriminalpolizei im Rahmen der Akteneinsicht, BGBl. II Nr. 390/2007 die Herstellung von zwei Kopien eines Pro­tokolls für die vernommene und zur Akteneinsicht berechtigte Person gebühren- und kostenfrei ist, ferner sind laut Anm. 3 lit. e zu TP 15 GGG (der auf Grund von § 29a GGG auch in Strafverfahren zur Anwendung kommt) ebenfalls bis zu zwei Ausfertigun­gen gebührenfrei auszufolgen. Es wurde angeregt, das Verhältnis dieser Regelungen zueinander klarzustellen.

Diese Klarstellung erfolgt nunmehr durch die gesetzliche Festlegung der Gebühren­freiheit nur einer Kopie bzw. Abschrift des Protokolls. Hintergrund ist, dass in der Pra­xis – soweit bekannt - ohnedies nur eine Kopie- bzw. Abschrift des Protokolls verlangt und ausgefolgt wird. Die Änderung steht auch mit den Grundsätzen der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit im Einklang, ein Rechtsschutzdefizit für den Ak­teneinsicht Nehmenden liegt nicht vor.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 167

Mit der Vollimplementierung der elektronischen Aktenführung im Rahmen des Projekts Justiz 3.0 wird diese Thematik ohnedies hinfällig werden.

Ungeachtet der durch die zeitliche Komponente bedingten Derogation der Bestimmung der Anm. 3 lit. e zu TP 15 GGG ist in Aussicht genommen, diese Regelung aus Anlass einer geplanten Novelle des GGG entweder zu streichen (und alle Gebührenbefrei­ungen nur noch in der StPO abschließend zu regeln) oder alternativ auf eine Kopie bzw. Abschrift des Protokolls einzuschränken.

Auch ist die Aufhebung der Verordnung der Bundesministerin für Justiz über die Höhe der Gebühren für die Herstellung von Kopien durch die Staatsanwaltschaft oder die Kriminalpolizei im Rahmen der Akteneinsicht in Aussicht genommen. Der die Unzuläs­sigkeit der Aktenmitnahme zu Kopienzwecken regelnde § 3 wird in der neuen Be­stimmung des § 53 Abs. 2 letzter Satz StPO abgebildet. Zwar besteht in § 170 Abs. 2 dritter Satz Geo. eine Gerichte und aufgrund des Verweises in § 2 DV-StAG auch Staatsanwaltschaften bindende entsprechende Bestimmung, diese bezieht sich jedoch nicht auf die Kriminalpolizei, weshalb eine Integration in die StPO zweckmäßig scheint. Dem aufzuhebenden Regelungsinhalt des § 4 der Verordnung, der gleichermaßen auf Beschuldigte und Opfer wirkt, wird durch die neue Bestimmung des § 52 Abs. 2 Z 4 StPO entsprochen, der – vergleichbar der nur auf Opfer abstellenden Ergänzung des § 66 Abs. 1 Z 1a StPO im ME – auch für Beschuldigte nunmehr ausdrücklich das Recht auf gebührenfreien Erhalt einer Kopie bzw. Abschrift des Vernehmungsproto­kolls regelt. Mit der entsprechenden Ergänzung der verwiesenen Bestimmungen in § 68 Abs. 1 StPO um diese neue Bestimmung wird die im ME vorgeschlagene Ände­rung des § 66 Abs. 1 Z 1a StPO obsolet; durch § 68 Abs. 2 iVm Abs. 1 StPO gilt die Ausnahme von der Gebührenpflicht ohnedies auch für (nicht privatbeteiligte) Opfer (Korn/Zöchbauer in Fuchs/Ratz, WK StPO § 68 Rz 3). Die bereits im ME vorgesehen Änderung des § 96 Abs. 5 StPO bildet diese Änderung ab.

Zu Z 3, 5, 8 und 11:

Diese Ziffern dienen nur der Neunummerierung der Novellierungsanordnungen.

Zu Z 6 (§ 76 Abs. 4 StPO):

Durch die vorgeschlagene Ergänzung soll im Einklang mit der schon bisher geltenden Rechtslage klargestellt werden, dass die Übermittlung nach der StPO ermittelter perso­nenbezogener Daten an Private nicht in Betracht kommt.

Zu Z 8 (§ 80 Abs. 1 StPO):

Zur Vermeidung von Unklarheiten soll die Einfügung des Wortes „gebührenfrei“ vor dem Wort „auszufolgen“ erfolgen.

Zu Z 10 (§ 165 Abs. 4 StPO):

Der Verweis auf „Zeugen, auf die die in § 66a StPO erwähnten Kriterien zutreffen“ soll präzisiert werden, weil nur dessen Abs. 1 Kriterien zur Festlegung eines Personenkrei­ses enthält.

Zu Z 11 (§ 173 Abs. 5 Z 3 StPO):

Da es sich nach dem allgemeinen Sprachgebrauch auch bei einer Wohnung um eine Örtlichkeit handelt, soll zur Präzisierung vor dem Wort „Örtlichkeiten“ das Wort „sons­tige“ eingefügt werden.

Zu Z 13 (§ 514 Abs. 41 StPO):

Die Regelung zum Inkrafttreten soll an die in Aussicht genommenen Änderungen im Sinne dieses Abänderungsantrags angepasst werden.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 168

Zu Artikel 7 (Änderung des Strafregistergesetzes 1968)

Zu Z 12 (§ 14 Abs. 15 Strafregistergesetz 1968)

Um die technische Umsetzung der vorgeschlagenen Änderungen sicherzustellen, sol­len die Änderungen des Strafregistergesetzes mit 1. Juli 2020 in Kraft treten.

Zu Artikel 9 (Änderung der Exekutionsordnung)

Zu Z 1 (§ 382b Abs. 2 EO):

Durch die Änderung soll deutlicher als im Initiativantrag zum Ausdruck gebracht wer­den, dass zusätzlich neben der nach § 382b Abs. 2 erster Satz angeordneten Dauer der einstweiligen Verfügung von höchstens sechs Monaten das Gericht die Dauer mit dem rechtskräftigen Abschluss eines (einzuleitenden) Verfahrens in der Hauptsache festsetzen kann. Diese Bestimmung ist nach allgemeinen Regeln auch bei der Verlän­gerung einer einstweiligen Verfügung anzuwenden, sodass auch in diesem Fall auf ein (einzuleitendes) Verfahren in der Hauptsache abgestellt werden kann.

Zu Z 2 und Z 3 (§ 382c Abs. 1 und 4 EO):

Die Änderungen berücksichtigen jeweils die vorgeschlagene neue Fassung des § 38a SPG. Inhaltlich sind damit keine Änderungen verbunden.

Zu Z 4 (§ 382d Abs. 5 EO):

Den Ergebnissen des Begutachtungsverfahrens folgend sollen von der Regelung auch Schlüssel erfasst sein, die nach dem vorgeschlagenen § 38a Abs. 11 SPG von den Si­cherheitsbehörden bei Gericht erlegt werden.

Zu Z 5 und Z 6 (§ 382e Abs. 1 Z 3 und § 382g Abs. 1 Z 8 EO):

Die Änderung ist jeweils nur sprachlich bedingt und soll einen Gleichklang mit der Ter­minologie des vorgeschlagenen § 38a SPG herstellen. Ein völlig zufälliges Zusammen­treffen im geschützten Umkreis wird regelmäßig noch keinen Verstoß gegen ein Annä­herungsverbot bedeuten; vielmehr bedarf es für ein Annähern seitens der gefährden­den Partei einer bewussten bzw. für möglich gehaltenen Herstellung des Kontakts.

Zu Z 7 und 8 (§ 382e Abs. 2 erster Satz; § 382g Abs. 2 erster Satz EO):

Wie bei einer einstweiligen Verfügung nach § 382b soll jeweils auch die Dauer mit dem rechtskräftigen Abschluss eines (einzuleitenden) Verfahrens in der Hauptsache ange­ordnet werden können.

Zu Z 9 (§ 395 Abs. 3 EO):

Es soll ausdrücklich klargestellt werden, dass die Verständigung von der Einbringung des Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach § 382b und § 382e von jenem Gericht vorgenommen werden soll, bei dem der Antrag eingebracht wurde. Es hat daher auch ein unzuständiges Gericht die Sicherheitsbehörde zu verständigen. Da­mit soll erreicht werden, dass ein von den Sicherheitsbehörden angeordnetes Betre­tungs- und Annäherungsverbot nach dem vorgeschlagenen § 38a Abs. 10 SPG um 14 Tage verlängert wird.

Die Verständigung der Sicherheitsbehörden von einem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach § 382g soll – anders als im Initiativantrag noch vorgese­hen – unterbleiben, weil die vorgeschlagene Fassung des § 38a SPG nicht regelt, dass auch ein solcher Antrag zu einer Verlängerung des Betretungs- und Annäherungsver­bots führt.

Zu Z 10 (§ 399 Abs. 1 EO):

Die Änderung stellt klar, dass in § 399 nur die Aufhebung auf Antrag geregelt wird. Die Aufhebung von Amts wegen (vgl. § 378a oder § 391 Abs. 2) bleibt davon unberührt.


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Zu Z 11 (§ 450 EO):

Die Anpassung des § 382c Abs. 1 und 4 ist bei der Inkrafttretensbestimmung zu be­rücksichtigen.

Zu Artikel 11 bis 22:

Zur Stärkung des Opferschutzes erfolgt eine Anpassung der Anzeigepflicht. Die Be­rufsangehörige/Der Berufsangehörige hat eine Anzeige so lange zu unterlassen, als sie dem ausdrücklichen Willen der volljährigen handlungs- oder entscheidungsfähigen Patientin/des volljährigen handlungs- oder entscheidungsfähigen Patienten widerspre­chen würde und für diese/diesen oder eine andere Person keine unmittelbare Gefahr besteht.

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Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker, DI Georg Strasser

Kolleginnen und Kollegen

zum Antrag der Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker, Mag. Harald Stefan, Karl Mahrer, B.A., Hans-Jörg Jenewein, MBA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz, das Namensänderungsgesetz, das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Strafgesetzbuch, das Jugendgerichtsge­setz 1988, die Strafprozeßordnung 1975, das Strafregistergesetz 1968, das Tilgungs­gesetz 1972, die Exekutionsordnung, das Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspoli­zeigesetz geändert wird und Verstöße gegen bestimmte einstweilige Verfügungen zum Schutz vor Gewalt und zum Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre zu Verwaltungs­übertretungen erklärt werden, das Ärztegesetz 1998, das Gesundheits- und Kranken­pflegegesetz, das Hebammengesetz, das Kardiotechnikergesetz, das MTD-Gesetz, das Medizinische Assistenzberufe-Gesetz, das Medizinischer Masseur- und Heilmas­seurgesetz, das Sanitätergesetz, das Zahnärztegesetz, das Musiktherapiegesetz, das Psychologengesetz 2013, das Psychotherapiegesetz, das Allgemeine Sozialversiche­rungsgesetz, das Verbrechensopfergesetz und das Bundesgesetz mit dem das Bun­desgesetz über die Grundsätze für Hilfen für Familien und Erziehungshilfen für Kinder und Jugendliche geändert werden (Gewaltschutzgesetz 2019) (970/A)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag (970/A) wird wie folgt geändert:

Artikel 4 (Änderung des Strafgesetzbuches) wird wie folgt geändert:

Nach der Z 14 wird folgende Z 14a neu eingefügt:

„14a. § 109 lautet wie folgt:

„Hausfriedensbruch

§ 109. (1) Wer mit Gewalt gegen eine Person, durch Drohung mit Gewalt oder auf eine in § 129 Abs. 1 Z 1 bis 4 genannte Weise in eine Wohn- oder Betriebstätte eindringt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen zu bestrafen.

(1a) Ebenso ist zu bestrafen, wer

1.          in einem Haus, in einer Wohn- oder Betriebsstätte oder in einem unmittelbar zu einem Haus gehörenden umfriedeten Bereich entgegen einer Aufforderung des Berechtigten beharrlich verweilt oder


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2.          in eine Wohn- oder Betriebsstätte eindringt und dort ohne Einwilligung des Be­rechtigten Bild- oder Tonaufnahmen dieser Wohn- oder Betriebsstätte oder der dort befindlichen Personen oder Sachen anfertigt oder eine Vorrichtung zur An­fertigung solcher Ton- oder Bildaufnahmen anbringt.

(1b) Betriebsstätte ist jeder umschlossene Raum, der zur Ausübung des öffentlichen Dienstes oder eines Berufes, Gewerbes oder Geschäftes dient.

(2) Der Täter ist nur mit Ermächtigung des in seinen Rechten Verletzten zu verfolgen.

(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren ist zu bestrafen, wer auf die im Abs. 1 geschil­derte Weise in ein Haus, eine Wohn- oder Betriebsstätte oder einen unmittelbar zu einem Haus gehörenden umfriedeten Bereich eindringt, wobei

1.          er gegen eine dort befindliche Person oder Sache Gewalt zu üben beabsichtigt; oder

2.          er oder mit seinem Wissen ein anderer Beteiligter (§ 12) eine Waffe oder ein anderes Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer Person zu überwinden oder zu verhindern, oder

3.          mit Gewalt gegen eine Person oder durch Drohung mit Gewalt das Eindringen mehrerer Personen erzwungen wird.

(4) Ebenso ist zu bestrafen, wer die Tat nach Abs. 1a Z 1 mit Gewalt oder durch gefährliche Drohung (§ 74 Abs. 1 Z 5) begeht.““

Begründung

1. Der Straftatbestand gegen Hausfriedensbruch wurde im StGB 1974 grundlegend neu geregelt und seitdem nicht mehr geändert, obwohl er von Anfang an im Zentrum der Kritik stand und steht. So urteilt Bertel schon 1982 in der 1. Auflage des Wiener Kommentars zum Strafgesetz-buch: „§ 109 ist leider vollständig mißlungen.“ (WK-StGB1 § 109 Rz 1, Stand 1982) – eine Beurteilung, die noch in der aktuellen Auflage zustimmend zitiert wird (Soyer/Schumann, WK-StGB § 109 Rz 7, Stand 1.8.2018: „… viel­fach zu Recht als ‚misslungen‘ bzw ‚kriminalpolitisch zu kurz gegriffen‘ kritisiert“). Kaum milder urteilen andere Kommentare und Lehrbücher.

Die Kritik an § 109 StGB ist allgemein. Schmoller hat bereits 2002 (Unzureichender Schutz des Hausrechts in Österreich. Überlegungen zur Auslegung und Reform des § 109 StGB, Jesionek-FS 483) die Kritik zusammengefasst und einen ausführlichen Reformvorschlag vorgelegt, den der Gesetzgeber bisher nicht aufgegriffen hat und an den der vorliegende Entwurf in wesentlichen Teilen anknüpft.

2. Bemängelt wird vor allem, dass die österreichische Strafbestimmung nur einen viel zu kleinen Bereich des Hausrechtes schütze, und auch diesen nur gegen wenige An­griffsformen. Der Grundtatbestand beschränkt sich auf den Schutz von Wohnstätten, lässt also das Hausrecht an Büros, Kanzleien, Ordinationsräumen, Werkstätten, aber auch an Häusern allgemein, an umfriedeten, zu einem Haus gehörenden Gartenberei­chen und ähnlichen Objekten strafrechtlich ungeschützt. Und selbst bei Wohnstätten wird nur das gewaltsame Einbringen gegen den Willen des anwesenden Hausberech­tigten (siehe unten) vom Straftatbestand erfasst. Wer in eine fremde Wohnung durch ein offenes Fenster einsteigt oder wer in die Wohnung eindringt, indem er die Woh­nungstür mit einem Nachschlüssel aufsperrt, der macht sich nach geltendem Strafrecht nicht wegen Hausfriedensbruchs strafbar.

Als weiterer schwerwiegender Mangel wird hervorgehoben, dass das unbefugte Ver­weilen in fremden Räumen auch dann nicht strafbar ist, wenn der Störer unmissver­ständlich von Hausrechtsinhaber aufgefordert wird, die Räume zu verlassen, sich aber


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beharrlich weigert. Wer unbefugt durch eine offene Wohnungstür (oder auch durch ein offenstehendes Fenster, siehe den vorigen Absatz) in eine fremde Wohnung eindringt, macht sich auch dann nicht wegen Hausfriedensbruchs strafbar, wenn er beharrlich in dieser Wohnung verbleibt, obwohl er vom berechtigten Besitzer nachdrücklich zum Verlassen der Wohnung aufgefordert wird. Da das Sicherheitspolizeirecht strafrechts­akzessorisch gestaltet ist (§ 16 Abs. 2 SPG), kann auch die Polizei dem Wohnungsei­gentümer nur unvollkommen zu Hilfe kommen (näher unten im Besonderen Teil, zu § 109 Abs. 1a Z 1). So bleibt dem Berechtigten derzeit nur die Besitzstörungsklage beim Zivilgericht (ein Weg, der mühsam sein kann, weil bei den Bezirksgerichten kein Journaldienst eingerichtet ist und außerdem die Identität des Störers oft nicht bekannt ist) oder die eigenmächtige Selbsthilfe (§ 344 ABGB).

Andererseits wird der derzeitige Straftatbestand des schweren Hausfriedensbruchs (§ 109 Abs. 3), der unter anderem das Eindringen von mehreren Personen in beliebige Objekte mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bedroht, als zu weit empfunden. Während es von keinem Straftatbestand er-fasst ist, wenn eine Person gewaltsam in ein fremdes Büro eindringt (keine Wohnstätte, siehe oben), drohen drei Personen, die eine allein­stehende und unbenützte alte Scheune aufbrechen, um darin zu übernachten, bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe.

Um dieses Ergebnis zu vermeiden, hat die Rechtsprechung den ohnedies schon höchst unvollkommenen Schutz des Hausrechts an Wohnstätten weiter reduziert: Auch das gewaltsame Ein-dringen in eine fremde Wohnung wird nur dann bestraft, wenn zur Tatzeit in dieser Wohnung zumindest eine berechtigte Person (also der Wohnungsei­gentümer oder ein Mitbewohner) anwesend ist. Ist der Wohnungsinhaber gerade aus­gegangen, dann gibt es keinen strafbaren Hausfriedensbruch. Wer also eine Woh­nungstür aufbricht und in eine fremde Wohnung eindringt, während die Bewohner tags­über bei der Arbeit sind, macht sich – von einer allfälligen Sachbeschädigung abgese­hen – nach geltendem Recht nicht strafbar.

3. Im Gegensatz zu dieser sehr engen Regelung, ist das Hausrecht in unseren Nach­barländern Deutschland und Schweiz seit jeher umfassend strafrechtlich geschützt. Nach § 123 des deutschen Strafgesetzbuchs ist jedes unbefugte Eindringen in Wohn- oder Geschäftsräume und in das „befriedete Besitztum eines anderen“ (gleichgültig ob mit oder ohne Gewalt, ob heimlich oder durch eine offenstehende Tür) ein strafbarer Hausfriedensbruch, und gleichermaßen macht sich wegen Hausfriedensbruchs umfas­send strafbar, „wer, wenn er ohne Befugnis darin verweilt, auf die Aufforderung des Berechtigten sich nicht entfernt“. Ebenso umfassend ist Art. 186 schweizerisches StGB. Mögen diese Formulierungen den Bereich des Strafbaren vielleicht unter dem Gesichtspunkt des Ultima-Ratio-Prinzips allzu weit ausdehnen, so zeigen sie doch deutlich die Defizite der allzu eng gefassten österreichischen Strafbestimmung gegen Hausfriedensbruch.

4. Der vorliegende Entwurf soll diese Mängel des § 109 StGB beseitigen, ohne die Strafbarkeit zu überdehnen.

Gleichzeitig wird im Zusammenhang mit dem Schutz vor Eingriffen in das verfassungs­rechtlich geschützte Hausrecht ein weiteres Manko des österreichischen Strafrechts in den Blick genommen: Während das StGB umfassend vor der Verletzung von Persön­lichkeitsrechten durch unbefugtes Abhören und unbefugte Tonaufnahmen schützt (ins­bes. § 120: Strafbestimmung gegen Missbrauch von Tonaufnahme- und Abhörgerä­ten), gibt es im österreichischen Strafrecht keinen vergleichbaren Schutz gegen unbe­fugte Bildaufnahmen.

Dies entspricht dem Schutzbedürfnis in der Entstehungszeit unseres StGB in den 1970-er Jahren. Damals gab es weder Smartphones noch digitale Fotografie, Fotoka­meras und Filmaufnahmegeräte waren groß und schwer, und die Verbreitung von Bild-


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aufnahmen war vor dem Aufkommen der modernen Informationstechnik und des Internets sehr aufwendig und teuer, so dass ein umfassender strafrechtlicher Schutz gegen (damals praktisch allenfalls im Bereich der Geheimdienste vorkommende) Ein­griffe in die Persönlichkeit- und Geheimsphäre durch Bildaufnahmen entbehrlich er­schien. Das hat sich in den letzten vierzig Jahren grundlegend geändert.

Der Entwurf schlägt daher eine weitere Begehungsweise des Hausfriedensbruchs vor, die auf die Kombination zweier Rechtsgüter abstellt, nämlich auf den Schutz des Haus­rechtes und den Schutz der Privat- und Geheimsphäre eines Menschen. Strafbar soll daher auch sein, wer unter Verletzung des Hausrechts unbefugt in ein geschütztes Ob­jekt eindringt und dort Ton- oder Bildaufnahmen anfertigt bzw. Geräte zur Anfertigung oder Übermittlung solcher Aufnahmen anbringt.

Zu § 109 Abs. 1

Der Entwurf erweitert behutsam den Grundtatbestand des Hausfriedensbruchs, ohne die Straf-barkeit so weit auszudehnen, wie es etwa im deutschen oder in schweizeri­schen StGB der Fall ist. Zum einen wird das Schutzobjekt erweitert, indem neben Woh­nungen auch Betriebsstätten in den strafrechtlichen Schutz einbezogen werden.

Zum anderen soll zwar auch in Hinkunft nicht jedes unbefugte Eindringen strafbar sein, allerdings erweitert der Entwurf die strafbaren Begehungsweisen über das Eindringen mit Gewalt hinaus. In Zukunft soll auch strafbar sein, wer in eine fremde Wohn- oder Betriebsstätte einbricht, einsteigt, mit einem nachgemachten oder widerrechtlich er­langten Schlüssel eindringt oder sonst eine besonderes, im Gesetz beschriebenes Hin­dernis überwindet. Das Gesetz verweist auf die Begehungsformen des Diebstahls durch Einbruch (§ 129 Abs. 1 Z 1 bis 4), so dass sich die dazu entwickelten Grund­sätze und Auslegungen für den neuen Tatbestand fruchtbar machen lassen.

Betriebstätten sind nach der Legaldefinition des Abs. 1b umschlossene Räume, die zur Ausübung des öffentlichen Dienstes oder eines Berufes, Gewerbes oder Geschäftes dienen. Dazu zählen ins-besondere Büros, die Kanzlei eines Rechtsanwalts und ärztliche Ordinationen, Handels- und Gewerbebetriebe, Produktionsstätten, landwirt­schaftliche Betriebe, aber auch Lagerhallen, Ställe und zum Betrieb gehörige Neben­räume. Im Vordergrund steht die Verwendung für eine wirtschaftliche Tätigkeit, doch muss die in den Räumen ausgeübte Tätigkeit nicht unbedingt auf Erwerb und Gewinn gerichtet sein, vielmehr soll jedes nachhaltige „Geschäft“ ausreichen. Zu den ge­schützten Objekten zählen daher beispielsweise auch Räume, die einer wissenschaftli­chen oder künstlerischen Tätigkeit dienen, sowie Büros gemeinnütziger Vereine oder politischer Parteien. Stets muss es sich aber um einen „umschlossenen Raum“ han­deln; Außenanlagen, Lagerplätze und dergleichen sind nicht erfasst.

In allen diesen Fällen, also insbesondere bei Einbrechen, Einsteigen usw., soll die Hausrechtsverletzung unabhängig davon strafbar sein, ob sich der Wohnungs- oder Betriebseigentümer oder ein anderer Berechtigter gerade in dem geschützten Objekt aufhält oder nicht.

Andere Formen des bloßen Eindringens sollen im Sinne des Ultima-Ratio-Prinzips auch weiterhin nicht gerichtlich strafbar sein. Wer durch eine offene Tür in ein Büro oder eine fremde Wohnung eindringt, begeht auch weiterhin nur eine zivilrechtliche Be­sitzstörung, macht sich aber durch das unbefugte Eindringen für sich allein noch nicht gerichtlich strafbar. Und wer über den Zaun in einen Hausgarten einsteigt, um einen verschossenen Ball zu holen, begeht auch weiterhin nur eine zivilrechtlich zu verfol­gende Besitzstörung; strafbar macht er sich nicht.

Zu § 109 Abs. 1 Z 1

Eine andere Qualität bekommt eine Hausrechtsverletzung dann, wenn der Eindringling oder sonst einer Person, die sich unbefugt in einer fremden Wohnung oder einem


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sonstigen Objekt aufhält, vom Besitzer oder sonstigen Berechtigten aufgefordert wird, das fremde Objekt zu verlassen, der Störer sich aber weigert, dies zu tun, sondern in dem vom Hausrecht geschützten Bereich verharrt. Diese fortgesetzte und intensive Form der Hausrechtsverletzung soll in Hinkunft, wie in Deutschland und der Schweiz, auch als Hausfriedensbruch strafbar sein.

Wie in diesen Rechtsordnungen, sollen gegen ein solches unbefugte Verweilen nicht nur Wohnungen und Betriebsstätten geschützt werden, sondern umfassend auch Häu­ser und umfriedete Bereiche, die unmittelbar zu einem Haus gehören (z.B. Hausgär­ten). Umfriedet ist ein Bereich, wenn er durch Mauern, Zäune oder ähnliches deutlich abgegrenzt ist, mögen auch einzelne Zugänge offenstehen. Bei Liegenschaften, die nicht unmittelbar zu einem Haus gehören (der separate Obst-garten, der separate „rei­ne“ Badeplatz, der auf der anderen Seite einer Straße gelegene Garten) oder nicht um­friedet sind, ist das rechtswidrige Verweilen trotz Aufforderung des Eigentümers zum Verlassen nach wie vor nicht gerichtlich strafbar, sondern eine zivilrechtliche Besitz­störung.

Um verhältnismäßig geringfügige Eingriffe von der Strafbarkeit auszunehmen, muss das rechts-widrige Verweilen trotz Aufforderung „beharrlich“ sein. Auch der Begriff „ver­weilen“ bietet ein Filter, um ein ganz kurzfristiges Verbleiben aus der Strafbarkeit aus­zunehmen. Erklärt der Täter aus Eigenem, länger im geschützten Bereich verbleiben zu wollen, dann ergibt sich schon allein daraus die Beharrlichkeit des Verweilens. Auch muss die Aufforderung zum Verlassen, der der Täter entgegenhandelt, aktuell an ihn – wenngleich allenfalls auch gleichzeitig an andere Personen – gerichtet sein; eine an­gebrachte Inschrift „Unbefugte haben die Betriebsstätte unverzüglich zu verlassen“ ge­nügt nicht zur Strafbarkeit nach diesem Absatz.

Wegen der Strafrechtsakzessorietät des Sicherheitspolizeirechtes kann der Haus­rechtseigentümer in Hinkunft die Hilfe der Sicherheitsbehörden in Anspruch nehmen, um die beharrliche Beeinträchtigung seines Hausrechts durch den Störer zu beenden. Derzeit hilft, wie oben dargestellt, die Polizei nur in manchen Fällen. § 38 Abs. 5 SPG ermächtigt die Polizei, einen „Menschen, der ohne Rechtsgrund und ohne Duldung des Besitzers dessen Grundstück oder Raum betreten hat“, den Störer auf Verlangen des Besitzers wegzuweisen.

Die Polizei kann jedoch derzeit nicht helfen, wenn sich beispielsweise ein Besucher beharrlich weigert, nach dem Gespräch, zu dem er eingeladen wurde, auf Aufforderung die fremde Wohnung zu verlassen, oder aber wenn ein Besucher nach Beendigung seiner Geschäfte weiter im fremden Büro bleibt und dieses auch nach eindringlicher Aufforderung nicht verlassen will. In solchen Fällen kann der Betroffene, wenn das zu­ständige Bezirksgericht nicht sofort erreichbar ist, sich nur mit eigenmächtiger Gewalt helfen und die Verletzung seines Hausrechts beenden. In Hinkunft soll dagegen solch ein unbefugtes und beharrliches Verweilen als Hausfriedensbruch strafbar sein, so dass – in der Terminologie des Sicherheitspolizeigesetzes – ein gefährlicher Angriff nach § 16 Abs. 2 SPG vorliegt, den die Polizei nach § 21 Abs. 2 SPG zu beenden hat.

Der vorliegende Entwurf leistet daher auch einen Beitrag zur Stärkung des staatlichen Gewaltmonopols gegenüber dem Recht auf eigenmächtige Selbsthilfe (§ 344 ABGB).

Zu § 109 Abs. 1a Z 2

Diese Strafbestimmung kombiniert, wie schon eingangs beschrieben, den Schutz zwei­er Rechtsgüter: den Schutz des Hausrechtes und den Schutz von Persönlichkeits- und Geheimhaltungsrechten gegen Verletzungen durch Ton- und Bildaufnahmen. Strafbar soll sein, wer – auf welche Weise immer – in eine Wohn- oder Betriebsstätte eindringt und dort Ton- oder Bildaufnahmen dieser Wohn- oder Betriebsstätte oder dort befind­licher Personen oder Sachen anfertigt. Gleichgestellt ist der Fall, dass der Eindringling


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eine Vorrichtung zur Anfertigung solcher Bild- oder Tonaufnahmen anbringt, die später solche Aufnahmen anfertigen soll, die dann bei einem weiteren Eindringen abgeholt oder per Fernübertragung abgerufen werden sollen. Damit soll dem Umstand Rech­nung getragen werden, dass mit den heutigen technischen Möglichkeiten eine solche Fernübertragung leicht bewerkstelligt werden kann und sich das Anfertigen konkreter Aufnahmen bei solchen Systemen nur selten konkret wird nachweisen lassen (vgl. schon heute § 119 StGB, wonach schon das Anbringen einer Abhörvorrichtung den Tatbestand erfüllt und nicht erst ihre Benützung).

Gegenstand der Aufnahmen müssen das geschützte Objekt oder Personen oder Sa­chen sein, die sich dort befinden. Wer nur sich selbst oder mitgebrachte Gegenstände fotografiert, macht sich nach dieser Bestimmung nicht strafbar.

Im Bereich der Tonaufnahmen überschneidet sich der Anwendungsbereich der neuen Strafbestimmung zum Teil mit dem Delikt des Missbrauchs von Tonaufnahme- oder Abhörgeräten nach § 120 StGB, geht aber in Kombination mit der Verletzung des Hausrechts darüber hinaus, weil nicht nur die unbefugte Kenntnisnahme von Äuße­rungen, sondern jegliche Tonaufnahme unter Strafe gestellt wird. Die Bestimmung hat also auch diesbezüglich einen eigenständigen Anwendungsbereich.

Abs. 1a Z 2 normiert ein zweiaktiges Delikt, das erst mit dem Anfertigen der Aufnahme oder dem Anbringen der Vorrichtung vollendet ist. Es ist nach den allgemeinen Regeln mit dem ersten Akt oder einer dem ersten Akt unmittelbar vorangehenden Handlung jedenfalls dann versucht (§ 15 StGB), wenn nach dem Vorsatz des Täters der zweite Akt unmittelbar nachfolgen soll.

Hingewiesen sei noch darauf, dass die nunmehr inkriminierte Verhaltensweise sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz ebenfalls strafbar ist, weil ja dort schon das (einfache) Eindringen für sich allein mit Strafe bedroht ist, und zwar nicht nur in Woh­nungen und Betriebsstätten, sondern auch in andere Objekte darüber hinaus (siehe oben). Die vorgeschlagene Strafdrohung ist daher - im Sinne des Ultima-Ratio-Prin­zips – nach wie vor sehr moderat und bleibt deutlich hinter der Reichweite des straf­baren Hausfriedensbruchs in vergleichbaren Rechtsordnungen wie jenen Deutschlands oder der Schweiz zurück.

Zu § 109 Abs. 2

Das Grunddelikt des Abs. 1 soll wie bisher ein Ermächtigungsdelikt sein. Auch bei den neuen Begehungsformen des Abs. 1a soll der Täter nur mit Ermächtigung des in sei­nen Rechten Verletzten verfolgt werden.

Zu § 109 Abs. 3 und 4

Abs. 3 soll im Wesentlichen unverändert bestehen bleiben. Allerdings soll Z 3 auf das Eindringen mit Gewalt gegen eine Person oder Drohung mit Gewalt eingeschränkt werden. Drei Personen, die die Tür einer einsam gelegenen alten Scheune zum Über­nachten aufbrechen, sollen daher von diesem Tatbestand nicht mehr erfasst werden; damit soll der eingangs genannten Kritik Rechnung getragen werden.

Abs. 4 ist eine Qualifikation zu Abs. 1a Z 1 und sieht eine erhöhte Strafdrohung für den Täter vor, wenn er Gewalt anwendet oder gefährlich droht.

Die Begehungsformen der Abs. 3 und 4 sind Offizialdelikte.

*****

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker, Mag. Harald Stefan


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Kolleginnen und Kollegen

betreffend Gewährleistung einer funktionierenden und leistungsfähigen Justiz

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 6) betreffend Antrag der Abgeordneten Mag. Mi­chaela Steinacker, Mag. Harald Stefan, Karl Mahrer, B.A., Hans-Jörg Jenewein, MBA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspoli­zeigesetz, das Namensänderungsgesetz, das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Strafgesetzbuch, das Jugendgerichtsgesetz 1988, die Strafprozeßordnung 1975, das Strafregistergesetz 1968, das Tilgungsgesetz 1972, die Exekutionsordnung, das Bun­desgesetz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz geändert wird und Verstöße gegen bestimmte einstweilige Verfügungen zum Schutz vor Gewalt und zum Schutz vor Ein­griffen in die Privatsphäre zu Verwaltungsübertretungen erklärt werden, das Ärztege­setz 1998, das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, das Hebammengesetz, das Kardiotechnikergesetz, das MTD-Gesetz, das Medizinische Assistenzberufe-Gesetz, das Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetz, das Sanitätergesetz, das Zahn­ärztegesetz, das Musiktherapiegesetz, das Psychologengesetz 2013, das Psychothe­rapiegesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Verbrechensopfergesetz und das Bundesgesetz mit dem das Bundesgesetz über die Grundsätze für Hilfen für Familien und Erziehungshilfen für Kinder und Jugendliche geändert werden (Gewalt­schutzgesetz 2019) (970/A)

Eine funktionierende und leistungsfähige Justiz ist ein Grundpfeiler jedes Rechtsstaa­tes und jeder Demokratie. Die österreichische Justiz schafft und gewährleistet mit ihren rund 11.700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei den Gerichten, Staatsanwaltschaf­ten, Justizanstalten und beim Bundesministerium Rechtssicherheit und Rechtsfrieden in Österreich.

Der Zugang der Bürgerinnen und Bürger zum Recht ist eine wesentliche Säule für das Funktionieren der Rechtsstaatlichkeit.

Die Justiz muss sich dabei den wechselnden Herausforderungen unserer Zeit stetig anpassen. Dazu ist es etwa notwendig, Gerichtsverfahren weiter zu beschleunigen und die Digitalisierung in der Justiz weiter voranzutreiben. Auch die Optimierung von Ar­beitsabläufen und die Nutzung von Synergieeffekten sind wesentliche Bausteine einer leistungsfähigen Justiz.

Auch in den Justizanstalten sollen neben zusätzlichen personellen Ressourcen ver­stärkt neue Technologien zur Früherkennung von nicht ordnungsgemäßem Verhalten eingesetzt werden. Darüber hinaus muss die Überstellung von Häftlingen mit ausländi­scher Staatsangehörigkeit in deren Heimatstaat forciert und damit unsere Justizanstal­ten entlastet werden.

Die Bürgerinnen und Bürger müssen in den österreichischen Rechtsstaat und das Funktionieren der Justiz weiter vertrauen können.

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird ersucht, sich dafür einzusetzen bzw. sicherzustellen, dass die österreichische Justiz über die zur Erfüllung der ihr obliegenden Aufgaben notwen­digen budgetären Mittel verfügt. Von wesentlicher Bedeutung sind dabei die Gewähr­leistung des Zugangs zum Recht - in diesem Zusammenhang auch die Überprüfung der Senkung der Gerichtsgebühren -, die Beschleunigung von Verfahren sowie das Vo­rantreiben der Digitalisierung in allen Bereichen bei gleichzeitiger Optimierung von Ar-


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beitsabläufen und Nutzung von Synergieeffekten. Weiters soll die Justizwache ent­sprechend personell ausgestattet und zur Entlastung im System die „Haft in der Hei­mat“ forciert werden.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die zwei eingebrachten Abänderungsanträge und der Entschließungsantrag sind ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß einge­bracht und stehen somit mit in Verhandlung.

Ich darf noch die Damen und Herren der Strafvollzugsakademie auf unserer Galerie recht herzlich begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Vizekanzler. – Bitte.


17.03.06

Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz Vizekanzler Dr. Dr. h.c. Clemens Jabloner: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Der vor­liegende Antrag auf Beschlussfassung eines Gewaltschutzgesetzes gründet sich auf Ministerialentwürfe, die noch unter der vormaligen Bundesregierung zur allgemeinen Begutachtung versandt wurden und sich auf deren Regierungsprogramm stützen. Sie werden verstehen, dass ich dazu eine reservierte Haltung einnehme. Was Sie heute beschließen, ist Ihre Verantwortung und natürlich auch Zeichen eines lebendigen Par­lamentarismus. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Lassen Sie mich mit dem Positiven beginnen! Ich denke, dass im Bereich des Opfer­schutzes und der im Sinne der Prävention zu fördernden Täterarbeit Fortschritte erzielt werden. Erwähnen möchte ich die Ausdehnung des Schutzbereiches von Betretungs­verboten und die Fallkonferenzen, die zu einer besseren Gefährdungseinschätzung im Bereich der Polizei und der Justiz führen werden.

Ich finde es auch gut und richtig, dass man Personen, die von einer Wegweisung und von einem Betretungsverbot betroffen sind, engmaschiger betreut, um das Aggres­sionspotenzial in den Griff zu bekommen. Ich als Anhänger einer klaren Gesetzes­sprache freue mich auch über Änderungen in den Opferschutzbestimmungen der StPO, die im Bereich der Information von Opfern und des Antrags auf Durchführung ei­ner schonenden Vernehmung mehr Klarheit schaffen sollen.

Hohes Haus! Ich habe gerne die Gelegenheit genutzt, gemeinsam mit weiteren be­troffenen Mitgliedern der Bundesregierung am 27. August 2019 die Möglichkeit zum fachlichen Austausch mit allen Fraktionen anzubieten. Ich habe meine Rolle dabei mehr als Moderator denn als Gestalter und Lenker der Rechtspolitik verstanden. Was ich angeboten habe, war die fachliche Expertise meines Hauses, das die Schlussfolge­rungen aus den Ergebnissen des Begutachtungsverfahrens gezogen und verschiedene Lösungsalternativen ausgearbeitet und den Fraktionen zur Verfügung gestellt hat.

Ich bin noch immer beim Positiven. Ich danke allen, die diesen Termin wahrgenommen und uns zugehört haben. Ich danke auch dafür, dass in dem nun vorliegenden Abän­derungsantrag für die zweite Lesung jene technischen Änderungen aufgegriffen wur­den, die der jeweiligen Gesetzessystematik geschuldet sind und die einen ordnungsge­mäßen Vollzug sicherstellen sollen. Im zivil- und exekutionsrechtlichen Bereich haben Sie dankenswerterweise alle unsere Vorschläge berücksichtigt.

Hohes Haus! Anders sieht mein Befund für den Bereich des Strafrechts aus. Die Dis­kussion über Strafverschärfungen hat ja nach meiner Wahrnehmung von Anbeginn an die Fortschritte im Bereich des Opferschutzes und der Täterarbeit in den Hintergrund gedrängt. Nun stehen wir vor einer Situation, die mir Sorgen bereitet. (Abg. Duzdar 


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in Richtung ÖVP und FPÖ – : Hören Sie das?) Faktisch die gesamte Fachwelt, insbe­sondere aber die betroffenen Rechtsanwender aufseiten der Staatsanwaltschaften und Gerichte, aber auch maßgebliche Vertreter der Opferschutzorganisationen lehnen die­se Verschärfungen mit unterschiedlicher Vehemenz ab. (Abg. Duzdar  in Richtung ÖVP und FPÖ – : Was sagen Sie dazu?)

Da setzt meine Sorge an. Wie, glauben Sie, wird diese Beschlussfassung zu einer Rechtsanwendung führen, die ja die Intentionen des Gesetzgebers nachvollziehen soll? Tut es dem Verhältnis zwischen ordentlicher Gerichtsbarkeit und Legislative wirk­lich gut, wenn deren Einwände nicht einmal im Rahmen eines Justizausschusses an­gemessen gehört und diskutiert werden? (Ruf: So ist es! – Zwischenruf der Abg. Duz­dar.) Kann es wirklich Ziel einer rationalen Strafrechtspolitik sein, grundlegende Ein­wände gleichsam vom Tisch zu fegen und damit das Gefühl zu vermitteln, Kritik sei un­erwünscht? Ich denke, dass man sich mit vielen sachlichen Einwänden ernsthaft aus­einandersetzen müsste, um begründen zu können, warum die Gesetzgebung hier ei­nen anderen Weg verfolgt. (Beifall bei SPÖ, NEOS und JETZT.)

Sehr geehrte Damen und Herren! In meiner Verantwortung als Justizminister muss ich auch dafür sorgen, dass die Absicht des Gesetzgebers Widerhall in der Praxis findet. Was wir getan haben, war daher der Versuch, die einzelnen Themen voneinander zu trennen.

Man könnte ja durchaus meinen, dass Bestimmungen über die Anhebung von Strafun­tergrenzen bei der Vergewaltigung und des Ausschlusses der gänzlich bedingten Straf­nachsicht Ausdruck des rechtspolitischen Gestaltungswillens der Mehrheit in diesem Haus und daher eben auch zu akzeptieren sind. Persönlich habe ich nie meine Skepsis dagegen verhehlt, menschliches Handeln durch das Mittel der Strafverschärfung zu steuern und individuelle Merkmale nicht zu berücksichtigen – aber natürlich stehen sich hier unterschiedliche Konzepte einer Strafrechtspolitik gegenüber. Wenig Verständnis habe ich allerdings dafür, dass Sie nicht jene Bedenken wahrnehmen, einer schon an sich belasteten Justiz weitere Mühe aufzuerlegen. Konkret sind das die Bestimmungen der §§ 33 Abs. 2 und 39a StGB, die in ihrer komplizierten Ausgestaltung die Gefahr von Fehlern in der Strafzumessung in sich bergen.

Sie wissen, dass ich in Sorge um die Leistungsfähigkeit der ordentlichen Gerichtsbar­keit und des Strafvollzugs bin. Wenn verschiedentlich zum Ausdruck gebracht wird, Strafverschärfungen würden ja nichts kosten, dann kann ich nur die Steigerung der da­raus resultierenden Hafttage entgegenhalten. Jedes Urteil, das mit einer Nichtigkeit nach § 281 Abs. 1 Z 11 StPO, also schwerwiegenden Fehlern in der Strafzumessung, behaftet ist, führt nicht nur zu vermeidbarem zusätzlichen Aufwand in der Strafzumes­sung, sondern auch zu einem Vertrauensverlust in die Leistungsfähigkeit der Strafjus­tiz.

Hohes Haus! Mag die eben genannte Problematik eine quasi justizinterne sein, so ist die Änderung des Jugendgerichtsgesetzes doch von größter strafrechtlicher und ge­sellschaftspolitischer Relevanz. Das Jugendgerichtsgesetz kennt die Alterskategorie der jungen Erwachsenen von 18 bis 21 Jahren. Sie beabsichtigen nun, Menschen die­ses Alters hinsichtlich diverser Delikte den Erwachsenen gleichzustellen. Dies bedeutet vor allem, dass nunmehr Mindeststrafen vorgesehen sind. Immerhin haben Sie es unterlassen, für junge Erwachsene die lebenslange Freiheitsstrafe vorzusehen – was uns ja ins Jahr 1851 zurückgeführt hätte –, aber auch die jetzt vorgesehenen Eingriffe sind sehr gravierend.

Wir sind doch der Auffassung – jedenfalls sind das die Theorie und Praxis der Hand­habung des Strafrechts –, dass gerade bei dieser Alterskategorie den Gerichten ein größter Spielraum zu geben ist. Es ist bei jungen Menschen stets notwendig, ihre In-


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tegration nach Abflauen der Adoleszenzkrise jeweils nach der individuellen Persönlich­keitsentwicklung in der Strafzumessung zu berücksichtigen. (Abg. Duzdar – in Rich­tung ÖVP und FPÖ –: Was sagen Sie dazu?) Ich denke, dass wir da Vertrauen in die bewährte österreichische Jugendgerichtsbarkeit haben könnten, ohne dem Anliegen der Antragsteller einen schweren Bruch zu tun. (Beifall bei SPÖ, NEOS und JETZT. – Abg. Duzdar: ... Skandal!)

Ich möchte Ihnen ein Beispiel geben. Die Auswirkungen dieser geplanten Regelung zeigen sich nicht nur bei den schwersten Delikten, bei denen die Änderung vielleicht noch nachvollziehbar wäre, sondern auch schon bei der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs. 4 StGB. Versetzt zum Beispiel ein 19-Jähriger in einem Lokal einem anderen in einem Streit einen Faustschlag – was in diesem Alter leider passiert –, und das Op­fer stürzt und erleidet einen Bruch eines Fingers, so würde in Zukunft die Mindeststrafe sechs Monate betragen. (Zwischenruf der Abg. Schimanek. – Abg. Lindner – in Rich­tung Abg. Schimanek –: Zuhören! – Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Schimanek.)

Bedenken Sie, dass Sie mit einer solchen weitgehenden Änderung vielleicht nicht nur die offensichtlich beabsichtigten Zielgruppen, sondern auch den 19-Jährigen von ne­benan erwischen. (Abg. Duzdar: Ist Ihnen wurscht!) Das erscheint doch überzogen, und daher sollte eine solche Gesetzesänderung wohl überlegt, vertieft diskutiert und am Ende unterlassen werden. (Beifall bei SPÖ, NEOS und JETZT sowie der Abg. Zadić.)

Meines Erachtens bedeutet die Regelung – und ich konzentriere mich da ganz bewusst auf das Jugendgerichtsgesetz – einen zivilisatorischen Rückschritt. (Neuerlicher Beifall bei SPÖ, NEOS und JETZT. – Abg. Duzdar: ... Populismus! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Sie ist vielleicht einer vorhandenen oder auch vermuteten Stimmungslage in der Bevöl­kerung geschuldet. Ich will hier nicht der Humanität des Strafrechts das Wort reden, ich möchte Sie ja nicht provozieren. (Zwischenruf der Abg. Duzdar.) Ich will aber die Ra­tionalität des Strafrechts ansprechen, das ja die Spezial- und Generalprävention und nicht den Vergeltungsgedanken in den Vordergrund stellt und das auch nicht darauf ausgerichtet ist, einem vermuteten Volksempfinden Raum zu geben.

Ich möchte Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, daher aus­drücklich darum ersuchen, zumindest der Änderung des § 19 des Jugendgerichtsge­setzes nicht zuzustimmen. – Ich danke. (Anhaltender – von Abg. Erasim stehend dar­gebrachter – Beifall bei SPÖ, NEOS und JETZT sowie der Abg. Zadić.)

17.12


Präsidentin Doris Bures: Danke, Herr Vizekanzler. Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Harald Stefan. – Bitte. (Abg. Duzdar: Jetzt bin ich neugierig!)


17.13.08

Abgeordneter Mag. Harald Stefan (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsident! Sehr geehr­ter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Damen und - - (Abg. Leichtfried: Präsidentin!) Frau Präsident! Habe ich mich versprochen? Also Frau Präsident! Sehr geehrter Herr Vize­kanzler! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir ha­ben hier das Gewaltschutzgesetz, das sehr viele Punkte umfasst. Ich möchte kurz noch ein paar aufzählen, damit Sie auch sehen, dass das ein sehr weitreichendes Pro­jekt ist, das da umgesetzt wird. (Abg. Erasim: Haben Sie gerade zugehört?)

Es beginnt zum Beispiel mit der Verlängerung der Verjährungsfristen im Zivilrecht bei Sexualstraftaten, weil wir bisher die unbefriedigende Situation hatten, dass zwar ein Täter nach dem Strafrecht noch länger bestraft werden konnte, das Opfer aber dann nicht mehr die Möglichkeit hatte, zivilrechtlich vorzugehen, das heißt also, Schadener­satzansprüche geltend zu machen. Das war vielleicht ein Fehler, ein Versehen, jeden-


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falls wird das mit diesem Gesetz nachgeholt, dass auch da die Verjährungsfristen erst später, mit Eintritt der Volljährigkeit, beginnen, weil gerade minderjährige Opfer das oft verdrängen oder es sich nicht zu sagen trauen oder nicht gehört werden oder wie auch immer – also eine Maßnahme, die, denke ich, auch auf allgemeine Zustimmung trifft.

Wir haben eine Reihe von anderen Maßnahmen wie etwa ein lebenslanges Tätigkeits­verbot für Straftäter, die Sexualstraftaten begangen haben. Diese haben ein Verbot, mit Kindern und wehrlosen Personen beruflich oder auch im Rahmen von Vereinen und so weiter tätig zu sein. Das soll natürlich kein Berufsverbot für diese Menschen sein, das ist nicht der Sinn der Sache, sie sollen aber konkret nicht mehr mit Kindern und wehrlosen Menschen zu tun haben können. Das haben wir lange gefordert, und ich bin sehr froh, dass wir das umsetzen können. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Mahrer.)

Wir haben zu dem Thema der Anzeigepflicht schon vieles gelesen und gehört, und wir haben es uns nicht leicht gemacht, hierüber eine Regelung zu treffen. Wir haben uns sehr bemüht, weil wir wissen, dass es ein heikles Thema ist, wenn ein Psychologe, ein Psychotherapeut eine Meldeverpflichtung hat. (Zwischenruf der Abg. Duzdar.) Daher ha­ben wir das ganz konkret und massiv eingeschränkt, und zwar darauf, dass eine voll­jährige Person selbst entscheiden kann, ob es gemeldet werden soll. Sie kann das - - (Abg. Heinisch-Hosek: Aber wird sie aufmerksam gemacht? Wie passiert das?)

Erstens einmal will der Psychologe wohl selbst nicht unbedingt melden, zumindest ha­ben alle Zuschriften gezeigt (Abg. Heinisch-Hosek: Aber Sie haben auch Zahnärzte dabei! Alle! ... medizinische Gesundheitsberufe, Hebammen!), dass der Psychologe grundsätzlich das Vertrauensverhältnis mit seinen Patienten hat, und daher wird er in erster Linie nicht unbedingt melden wollen. (Abg. Heinisch-Hosek: Die Anzeigepflicht bleibt ja bestehen!) Wenn aber die Person darauf besteht, dass sie nicht gemeldet werden will, dann wird nicht gemeldet, außer es droht eine unmittelbare Gefahr. (Abg. Heinisch-Hosek: Eine geprügelte Frau wird das alles in petto haben!) Das ist genau der Punkt, warum ich sehr froh bin, dass wir das machen, weil wir bis jetzt diese Schweigespirale hatten.

Wir hatten bis jetzt das Problem – wir alle kennen diese Themen wie Brunnenmarkt und so weiter (Zwischenruf der Abg. Duzdar) –, dass es nicht gemeldet wurde, und wir kennen auch diese Geschichten, nicht? Das sind keine Geschichten, sondern wir haben - - (Abg. Heinisch-Hosek: Weil auf die Opfer Rücksicht genommen wurde!) – Ja, auf die Opfer wurde Rücksicht genommen, sagt die Frau Kollegin. (Abg. Heinisch-Hosek: Genau!) Das Problem ist, dass viele dieser Opfer oder die Freunde dieser Opfer im Nachhinein gekommen sind und gesagt haben: Schade, dass damals nie­mand gesprochen hat! Schade, dass das niemand gemeldet hat! (Abg. Heinisch-Ho­sek: Sie haben es nicht verstanden!)

Wir denken da an die Internate, wenn dann viel später diese Vorwürfe kommen: Nie­mand hat sich getraut, etwas zu melden, niemand hat etwas gesagt und deswegen ist das jahrelang weitergegangen! (Zwischenruf der Abg. Duzdar.) – Diese Schweigespi­rale durchbrechen wir jetzt, und zwar ganz konkret dann, wenn eine unmittelbare Ge­fahr für diese Person oder andere besteht – nur, wenn eine unmittelbare Gefahr be­steht.

Denken Sie zum Beispiel daran, dass eine Frau zum Psychologen kommt und sagt: Ja, ich bin von meinem – ich weiß nicht – Stiefvater jahrelang missbraucht worden, bin aber jetzt ausgezogen. Meine kleine Schwester lebt aber noch zu Hause. – So: Dann soll der jetzt nicht melden?! Dann soll er nicht melden, wenn die absolut dringende Gefahr besteht, dass morgen dasselbe mit dem Mädchen, mit der kleinen Schwester passiert?! Das durchbrechen wir jetzt. Genau das ist der Ansatz, weshalb es da eine


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Meldepflicht geben muss. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Heinisch-Hosek: Nein, nein! Das durchbrechen Sie genau nicht!)

Ich gehe nun auch noch auf den Punkt, auf den der Herr Vizekanzler besonders hinge­wiesen hat, auf diese Änderung im Jugendgerichtsgesetz, ein. Er hat einen Fall mit ei­nem jungen Mann, der eine Körperverletzung durchführt, herangezogen, der vielleicht besonders deutlich erscheint. (Zwischenruf der Abg. Erasim.) Tatsache ist: Wir haben in diesem Gesetzentwurf die Tätergruppe der 18- bis 21-Jährigen bei manchen Delik­ten – ich werde sie auch noch kurz durchgehen – mit den Erwachsenen gleichgestellt. Warum haben wir das gemacht? – Weil wir festgestellt haben, dass gerade in dieser Altersgruppe gewisse Taten besonders häufig vorkommen und es daher sehr unbe­friedigend wäre, wenn es da so geringe Strafen gäbe. (Anhaltende Zwischenrufe der Abg. Duzdar.)

Ich sage Ihnen, welche Straftaten das sind: Die Straftat muss mit mindestens fünf Jah­ren Freiheitsstrafe bedroht sein, es geht um strafbare Handlungen gegen Leib und Le­ben, strafbare Handlungen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung, straf­bare Handlungen nach dem 25. Abschnitt des Besonderen Teils des Strafgesetz­buchs – das sind Völkermord, Kriegsverbrechen et cetera –, strafbare Handlungen als Mitglied einer kriminellen Vereinigung oder Anführen einer und die Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung.

Das heißt, das sind ganz massive Straftaten, und diese begehen ganz häufig Men­schen, die genau in diesem Alter sind. War ein 20-Jähriger bis jetzt an einem Völker­mord oder an einem Kriegsverbrechen beteiligt oder hat er mehrere Morde begangen oder sich an einer terroristischen Vereinigung beteiligt, konnte er mit maximal 15 Jah­ren bestraft werden. Das ist der Punkt. Nicht der, der dem Nachbarn einen Kinnhaken versetzt, ist das Thema, sondern die jungen Erwachsenen, die diese massiven Delikte begehen. (Abg. Heinisch-Hosek: Sie ändern aber alles!)

Diese werden nun den Erwachsenen gleichgestellt, wobei wir immer noch sagen: Es gibt keine lebenslange Haft, sondern maximal 20 Jahre! – Darum geht es. Bei diesen ganz speziellen und besonders dramatischen Delikten werden diese jungen Erwach­senen den Erwachsenen gleichgestellt, und das ist völlig nachvollziehbar und richtig. Ich glaube nicht, dass Sie der Meinung sind, dass ein Terrorist, der 20 Jahre alt ist und mehrere Menschen umbringt, mit maximal 15 Jahren Haft bestraft werden soll und keine Mindeststrafe haben darf. Das ist meines Erachtens, unseres Erachtens nicht richtig. (Zwischenruf der Abg. Duzdar.) Da sind wir möglicherweise anderer Meinung, aber das ist unser Strafrechtskonzept und deswegen haben wir das so umgesetzt. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Mahrer. – Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.)

Es ist leider nicht genug Zeit, um hier noch alle Maßnahmen, die wir diesbezüglich set­zen, darzulegen. (Zwischenruf der Abg. Duzdar.) Es ist schon vieles – auch vom Herrn Vizekanzler und durchaus Lobendes – gesagt worden und es werden auch noch Kol­legen von mir zur Sprache kommen. Ich hoffe jedenfalls, dass Sie mit uns bei diesem Bündel von sinnvollen, guten Maßnahmen, die dazu führen sollen, dass der Gewalt­schutz in Österreich verbessert wird, mitstimmen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abge­ordneten der ÖVP.)

17.20


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Alfred Noll. – Bitte.


17.20.58

Abgeordneter Dr. Alfred J. Noll (JETZT): Frau Präsidentin! Herr Vizekanzler! Frau Ministerin! Hohes Haus! Sachlich wird man den Worten des Herrn Vizekanzlers wenig hinzufügen müssen. Wer auch nur einigermaßen juristisch bei Verstand ist, hat be-


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merkt, dass damit den ehemaligen Regierungsparteien die Sache tatsächlich ins Ge­sicht geschlagen wurde. (Beifall bei JETZT und SPÖ sowie der Abg. Krisper.)

Politisch gesehen – und da zeichnet sich unser Vizekanzler durch eine Höflichkeit und Zurückhaltung aus, die mir in dieser Sache eher fernsteht – ist das einfach reaktionärer Schrott (Abg. Deimek: Reaktionär ist ein bekennendes Wort! Die DDR ...!), juristisch gesehen ist es Stümperei und kriminalsoziologisch gesehen ist es kontraproduktiv. (Beifall bei JETZT und SPÖ sowie bei Abgeordneten der NEOS.) Wir werden dieses Gesetz deshalb natürlich ablehnen.

Höhere Strafen für junge Erwachsene sind kontraproduktiv, der Ausschluss der beding­ten Strafnachsicht bei Vergewaltigung ist absehbar unheilvoll, die Ausweitung der Strafdrohungen und der eingeführten Mindeststrafen sind kriminalpolitisch nicht sinn­voll, und Professor Tipold hat im Begutachtungsverfahren genau das gesagt, was hier den Punkt trifft – ich zitiere –: „Das ist keine rationale Kriminalpolitik, sondern reiner Aktionismus.“ – Genieren Sie sich dafür! (Beifall bei JETZT und SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Der Abänderungsantrag zur Anzeigepflicht hat ein gewisses Einsehen in die berech­tigte Kritik der Öffentlichkeit, der Fachverbände und der Expertinnen und Experten ge­zeigt, nur fragt man sich: Wieso benötigt man denn überhaupt eine derartige Anzeige­pflicht, wenn sie letztlich so aufgeweicht wird? – Das ist also wiederum nur ein wahl­kampftaktisches Placebo auf einem Gebiet, das sehr viel heikler ist und sehr viel mehr Sorgfalt bedürfte.

Schließlich – und das wurde bis jetzt noch nicht erwähnt – haben wir im Rahmen des Begutachtungsverfahrens auch eine Studie zum Thema Strafpraxis gesehen. Diese Studie hat die Taskforce Strafrecht beauftragt. Ergebnis dieser Studie war, dass eine Anhebung der Strafen derzeit nicht sinnvoll sei. Die ÖVP und die FPÖ haben demge­genüber immer wieder ventiliert: Ja, ja, ja, höhere Strafen seien notwendig. – Ich kann vor dem Hintergrund dieser Erfahrung den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in Österreich nur empfehlen, nie wieder für die ÖVP oder die FPÖ Studien zu erstellen, wenn sie nicht als Feigenblatt für eine derartige postfaktische Politik herhalten wol­len. (Beifall bei Abgeordneten von JETZT sowie bei SPÖ und NEOS. – Abg. Dei­mek: ... DDR war postfaktisch!)

Bei diesem Gewaltschutzgesetz ist in Wirklichkeit das interessant, was fehlt; und wir wissen seit Jahren, was auf diesem Gebiet fehlt: Es fehlt an Geld. Die Gerichte sind teilweise so marod, dass im Sommer Zeugen und Parteien kollabieren, weil nicht ein­mal für die Klimatisierung der Gerichtssäle Sorge getragen werden kann. Das Kanz­leipersonal befindet sich mitunter längst im Burn-out, und Staatsanwälte sehen mit­unter vor lauter Aktenbergen durch ihr Fenster die Sonne nicht mehr. Was die Justiz braucht, ist einfach: Sie braucht Geld.

Daher bringen ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Alfred Noll, Dr. Peter Wittmann, Kolleginnen und Kollegen

betreffend „ein höheres Justizbudget für einen zielgerichteten Schutz der Menschen vor Straftaten“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen, wird ersucht, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um dem Justizressort ein um 250 Mio Euro er­höhtes jährliches Budget zuzuweisen.


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Dieses erhöhte Budget ist vom Justizminister für

•             zusätzliche Planstellen für RichterInnen, StaatsanwältInnen, Richteramtsanwär­terInnen, RechtspflegerInnen, exekutives und nicht-exekutives Personal in Voll­zugsanstalten, Kanzlei- und IT-Personal sowie Planstellen am Bundesfinanz- und am Bundesverwaltungsgericht im Asyl- und Fremdenrecht,

•             eine Verbesserung des Parteienservices an Gerichten und bei Staatsanwalt­schaften

•             eine Erhöhung der Aus- und Fortbildungsmaßnahmen im Justizbereich,

•             notwendige Renovierungs- und Modernisierungsarbeiten in Gerichten, Straf- und Maßnahmenvollzugsanstalten

•             eine Erhöhung der Gebührensätze für Dolmetscher und Sachverständige sowie

•             die ausreichende Finanzierung für Erwachsenenschutzvereine, den Verein Neustart, Opferschutzeinrichtungen und die Familien- und Jugendgerichtshilfe

zu verwenden.“

*****

So, das war die Pflicht. Da das heute auch meine Abschiedsrede hier im Hohen Haus ist, werde ich Sie freilich auch noch mit einer kleinen, aber meines Erachtens notwen­digen Kür verwöhnen.

Der ehemalige Bundestagspräsident Norbert Lammert, mit dem zu vergleichen sich unser Herr Präsident aus guten Gründen wohl scheuen würde (Heiterkeit bei Abgeord­neten der SPÖ), hat in seiner Abschiedsrede davon gesprochen, dass sich die Praxis des Deutschen Bundestages – ich zitiere – „unter den Mindestansprüchen“ bewegt, „die ein selbstbewusstes Parlament für sich gelten lassen muss.“

Es liegt mir klarerweise fern, von dieser Stelle die deutschen Verhältnisse zu qualifi­zieren. Hätte er dies über die österreichischen Verhältnisse und den österreichischen Nationalrat gesagt: Wir müssten ihm wohl zustimmen! Nach zwei Jahren hier im Hohen Haus weiß ich: Es gibt kein Parlament. Die Rede vom Parlament ist in Österreich eine kontrafaktische Unterstellung. Tatsächlich erweist sich der Nationalrat als jenes botmä­ßige Vehikel, das den schönfärberisch Regierungsvorlagen genannten Regierungsde­kreten bloß noch das Mäntelchen der Gesetzlichkeit überwirft.

Hätten wir statt der 183 Abgeordneten nur noch die Klubobleute, die natürlich heute bei dieser Diskussion allesamt fehlen – von Wöginger bis Hofer, von Meinl-Reisinger bis Rendi-Wagner –, dann wäre nichts anders, außer dass wir uns die Peinlichkeit man­cher Auftritte ersparen würden. (Abg. Zarits: Deinem!) Von dieser Stelle wird für Leute geredet, die selten zuhören, und hier hören Leute zu, zu denen nicht gesprochen wird.

Vieles in diesem Haus ist defizitär. Es fehlt an parlamentarischer Courage, an intellek­tueller Beweglichkeit, an sachlicher Interessiertheit, an demokratischer Vehemenz und an gesellschaftspolitischer Aussichtsfähigkeit. In Tateinheit mit dem politischen Tele­shopping, das unseren Wahlkampf prägt, führt der parlamentarische Kleinmut, der in diesem Haus grassiert, zu notorischer Unwahrhaftigkeit, zu politischer Ideenlosigkeit und – ich sage das ganz ausdrücklich – zu verbrecherischen Unterlassungen.

Sie sind durch Unterlassung mit schuld, dass unserem Planeten irreversibler Schaden zugefügt wird; Sie sind durch Unterlassung daran beteiligt, die bestehenden sozialen Ungerechtigkeiten weiter bestehen zu lassen; Sie sind durch Unterlassung daran be­teiligt, dass das demokratische Versprechen unserer Verfassung weiterhin ohne parti-


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zipativer Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger belassen wird; und Sie sind auch daran schuld, dass es nicht zu mehr Transparenz und zu mehr Kontrolle kommt.

Letztlich – weil das das Thema des Tagesordnungspunktes 6 ist – rühren Sie, meine Damen und Herren, tatsächlich auch keinen kleinen Finger, wenn es darum geht, das bestehende Herrschaftsverhältnis zwischen Männern und Frauen zu überwinden und Frauen aus den bestehenden und absehbaren Armuts- und Gefährdungsfallen zu be­freien. (Zwischenruf des Abg. Pilz.)

Meine Damen und Herren, nach zwei Jahren sehe ich keinen Grund, mein Ausschei­den aus einem derartigen Haus groß zu bedauern. Sie sind Fürstendiener und keine Volksvertreter. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

17.28

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Alfred J. Noll, Johannes Jarolim, Peter Pilz, Peter Wittmann, Kolle­ginnen und Kollegen

betreffend ein höheres Justizbudget für einen zielgerichteten Schutz der Menschen vor Straftaten

eingebracht im Zuge der Debatte in der 89. Sitzung des Nationalrats über den TOP 6:

Antrag der Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker, Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz, das Namensänderungsgesetz, das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Strafgesetz­buch, das Jugendgerichtsgesetz 1988, die Strafprozeßordnung 1975, das Strafregister­gesetz 1968, das Tilgungsgesetz 1972, die Exekutionsordnung, das Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz geändert wird und Verstöße gegen bestimmte einst­weilige Verfügungen zum Schutz vor Gewalt und zum Schutz vor Eingriffen in die Pri­vatsphäre zu Verwaltungsübertretungen erklärt werden, das Ärztegesetz 1998, das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, das Hebammengesetz, das Kardiotechniker­gesetz, das MTD-Gesetz, das Medizinische Assistenzberufe-Gesetz, das Medizini­scher Masseur- und Heilmasseurgesetz, das Sanitätergesetz, das Zahnärztegesetz, das Musiktherapiegesetz, das Psychologengesetz 2013, das Psychotherapiegesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Verbrechensopfergesetz und das Bun­desgesetz mit dem das Bundesgesetz über die Grundsätze für Hilfen für Familien und Erziehungshilfen für Kinder und Jugendliche geändert werden (Gewaltschutzge­setz 2019) (970/A)

„Die Justiz stirbt einen stillen Tod“, so hat es Justizminister Jabloner zu Recht formu­liert. Aber es ist noch schlimmer. Staatsanwälte ersticken unter Anzeigenbergen. Ge­fängnisse platzen aus allen Nähten und verfallen, weil sie nicht renoviert werden. In den Gefängnissen gibt es nicht einmal genug Psychologen und Sozialarbeiter, um die Insassen auf ein Leben nach der Strafe vorzubereiten. Wenn Gefängnisse verfallen, ist es leichter, aus ihnen auszubrechen. Wenn Insassen nicht auf ein Leben nach der Strafe vorbereitet werden, werden sie wieder Straftaten begehen. Bei der Bewährungs­hilfe türmen sich die Akten. Das Budget für die Bewährungshilfe wurde seit Jahren nicht erhöht, obwohl die Bewährungshilfe das erste Bollwerk ist, das ehemalige Straf­täter davon abhalten kann, wieder straffällig zu werden.

Wer sagt, Justizpolitik funktioniere auch ohne ein höheres Budget, der hat entweder keine Ahnung, wovon er spricht, oder er lügt und nimmt bewusst in Kauf, dass gefähr­liche Straftäter freikommen und die Straßen unsicherer werden.

aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten nachfolgenden


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Antrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen, wird ersucht, al­les in ihrer Macht Stehende zu tun, um dem Justizressort ein um 250 Mio Euro erhöh­tes jährliches Budget zuzuweisen.

Dieses erhöhte Budget ist vom Justizminister für

•             zusätzliche Planstellen für RichterInnen, StaatsanwältInnen, Richteramtsanwär­terInnen, RechtspflegerInnen, exekutives und nicht-exekutives Personal in Voll­zugsanstalten, Kanzlei- und IT-Personal sowie Planstellen am Bundesfinanz- und am Bundesverwaltungsgericht im Asyl- und Fremdenrecht,

•             eine Verbesserung des Parteienservices an Gerichten und bei Staatsanwalt­schaften

•             eine Erhöhung der Aus- und Fortbildungsmaßnahmen im Justizbereich,

•             notwendige Renovierungs- und Modernisierungsarbeiten in Gerichten, Straf- und Maßnahmenvollzugsanstalten

•             eine Erhöhung der Gebührensätze für Dolmetscher und Sachverständige sowie

•             die ausreichende Finanzierung für Erwachsenenschutzvereine, den Verein Neu­start, Opferschutzeinrichtungen und die Familien- und Jugendgerichtshilfe

zu verwenden.“

*****

17.28.43


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Dr. Noll, ich wünsche Ihnen wie auch einigen Ihrer Vorredner, die hier das letzte Mal in einer Sitzung des Nationalrates das Wort ergriffen haben, alles Gute.

Ich erteile Ihnen nach Ihrer letzten Rede trotzdem für den Ausdruck „verbrecherischen Unterlassungen“ in Bezug auf die Abgeordneten dieses Hauses einen Ordnungsruf. – Aber: Alles Gute! (Allgemeine Heiterkeit. – Zwischenruf des Abg. Noll.)

*****

Der Entschließungsantrag ist eingebracht.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Karl Mahrer. – Bitte.


17.29.19

Abgeordneter Karl Mahrer, BA (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Vizekanzler! Frau Bun­desministerin! Hohes Haus! Also es kommt selten vor, dass mir die Worte fehlen, Herr Dr. Noll, aber wenn Sie den Abgeordneten dieses Hohen Hauses pauschal den Ver­dacht der „verbrecherischen Unterlassungen“ vorwerfen, dann halte ich das für uner­träglich und wünsche Ihnen eine gute Zukunft, aber außerhalb dieses Hohen Hauses. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

Zum Gewaltschutzgesetz: Das ist nach dramatischen Mordfällen an Frauen – in Fami­lien, aber auch am Brunnenmarkt – notwendig. (Abg. Erasim: Wie viele hätten Sie da­mit verhindert? Keinen einzigen!) Es ist aber auch aufgrund verstärkter Gewalt gegen gefährdete Berufsgruppen von aktueller Bedeutung.

Meine Damen und Herren – ich richte mich insbesondere an die Damen und Herren der Opferschutzeinrichtungen –, das Gewaltschutzgesetz ist das Produkt monatelanger


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Verhandlungen. Ganz besonderer Dank gilt dabei auch unserer ehemaligen Staatsse­kretärin Karoline Edtstadler. Sie hat es mit mehr als 100 Expertinnen und Experten ver­handelt. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.) – Das kann man ruhig mit einem Applaus würdigen. Vielen Dank.

Am Ende langer Verhandlungen stand dann, nachdem auch Abgeordnete zum Natio­nalrat intensiv mitgewirkt haben – danke Michaela Steinacker, danke Harald Stefan –, ein Gesamtpaket, das verstärkte Sanktionen im Strafrecht ermöglicht, das in Österreich aber auch weitere Verbesserungen zu dem schon international anerkannten, hervor­ragend ausgebauten Opferschutz bietet und das auch innovative Entwicklungen bei der Täterarbeit ermöglichen wird. (Abg. Plessl: Die vorher gekürzt wurden! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren, aufgrund der beschränkten Zeit möchte ich nur auf zwei sicherheitspolizeiliche Punkte eingehen, die der Herr Justizminister und Vizekanzler zu meiner Freude lobend erwähnt hat. (Abg. Leichtfried: Viel hat der nicht lobend er­wähnt!)

Erstens, die Weiterentwicklung des Betretungsverbotes: Wir erweitern dieses von den Wohnbereichen automatisch auf ein generelles Annäherungsverbot in allen Bereichen im Umkreis von 100 Metern. Damit wird die Sicherheitszone für die Gefährdeten künftig deutlich vergrößert. (Abg. Heinisch-Hosek: Aber der ...schutz vor Kindergärten und Schulen wird abgeschafft!) – Zu Ihrem Zwischenruf, liebe Frau Heinisch-Hosek: Ich schätze Sie sehr, aber bitte nehmen Sie auch mit, dass dieser Schutzbereich vor Kin­derbetreuungseinrichtungen und Schulen selbstverständlich nicht nur weiter gilt, son­dern dass es vor allem auch aufgrund des im Bundesministerium für Inneres noch im­mer und weiterhin geltenden Erlasses zur entsprechenden Informationsweitergabe an die Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen kommen wird.

Zweitens, die sicherheitspolizeiliche Fallkonferenz: Da geht es um ein bewusst vernetz­tes Zusammenarbeiten zwischen der Polizei und den Opferschutzeinrichtungen und anderen Institutionen. Ich war selbst bei Marac – es ist heute erwähnt worden – mit dabei. Ich sage Ja zu allen Kritikern, es ist schon richtig, die Einberufung dieser Fall­konferenzen erfolgt durch die Sicherheitsbehörde. Das ist aber auch klar, denn die Si­cherheitsbehörde hat den gesetzlichen Auftrag, diese Fallkonferenzen zu führen, und sie hat auch den gesetzlichen und sicherheitspolizeilichen Auftrag, Gefährdungen zu vermeiden. (Abg. Heinisch-Hosek: Aber der präventive Charakter ist dann weg! Die Prävention ist dann weg!)

Meine Damen und Herren, bitte schauen Sie auch in den erläuternden Bemerkungen nach – die haben Sie hoffentlich schon gelesen –, darin steht expressis verbis, dass selbstverständlich die Opferschutzeinrichtungen die Einberufung dieser sicherheitspoli­zeilichen Fallkonferenzen anregen beziehungsweise einen entsprechenden Antrag stellen können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Heinisch-Hosek: Wenn die Nein sagen?) – Ich kann mir keine Sicherheitsbehörde vorstellen, die eine Anregung einer Opferschutzeinrichtung negiert, denn sie hat eine gesetzliche Auf­gabe, und das werden diese Beamten auch sicherstellen. (Zwischenrufe der Abgeord­neten Erasim und Heinisch-Hosek.)

Zum Schluss: Ich weiß schon, dass das Gesetzespaket nicht allen Vorstellungen ent­spricht. Sie wissen, wie sehr ich auch persönlich mit Opferschutzeinrichtungen ver­bunden bin. Ich kann Ihnen nur sagen: Wir haben noch viel vor. Die Volkspartei wird in der nächsten Gesetzgebungsperiode notwendige finanzielle Mittel für mehr Plätze in Unterstützungseinrichtungen bereitstellen, den Ausbau der Beratungsstellen sicherstel­len (Abg. Leichtfried: Na, da müsst ihr erst einmal in die Regierung kommen!) und mehr Übergangswohnungen für die von Gewalt betroffenen Frauen zur Verfügung stel-


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len – wenn wir in die Situation kommen, in einer Bundesregierung auch entscheidend mitgestalten zu können. (Abg. Leichtfried: Das wollte ich damit sagen!)

Abschließend: Mit diesem Gewaltschutzgesetz können wir heute jedenfalls zahlreiche wirksame Maßnahmen gegen Gewalt setzen. Im Gesetzespaket ist auch eine Evaluie­rung vorgesehen. (Abg. Heinisch-Hosek: Oft versprochen, nie gehalten!) Ich glaube, das wird uns die Gelegenheit geben (Abg. Leichtfried: Da hat die Frau Heinisch-Ho­sek vollkommen recht!), in den nächsten Monaten und Jahren miteinander noch eine Vielzahl an Verbesserungen herbeizuführen.

Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie um Ihre Zustimmung zu dem vorliegenden Ent­wurf. Sie leisten damit trotz aller Verbesserungsmöglichkeiten einen Beitrag für mehr Gewaltschutz und für mehr Sicherheit in Österreich. (Beifall bei der ÖVP.)

17.34


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Johan­nes Jarolim. – Bitte.


17.35.01

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Vizekanzler! Mei­ne Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte die Rede meines Vor­redners nicht kommentieren, weil sie unverständlich ist. Ich weiß, dass er normaler­weise mit Sachkompetenz glänzt, die lässt hier jedoch offensichtlich wirklich völlig aus.

Der Herr Vizekanzler hat in seiner sehr dezenten Art schon genau auf den Punkt ge­bracht, worüber wir hier reden.

Kollegin Steinacker, ich halte es für einen extremen Zynismus, dass Sie den Experten für die Mitarbeit danken, die in diesem Entwurf aber überhaupt nicht vorkommen. (Abg. Heinisch-Hosek: Ja, genau!) Ich halte das wirklich für unerträglich. (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

Der Gesetzesvorschlag ist ein primitives Machwerk, das offenbar von Un- und Desin­formierten vorbereitet wurde. Er trägt einmal mehr die Handschrift des Studenten Kurz, der offensichtlich kein anderes Ziel verfolgt, als vor der Wahl noch irgendetwas zu ver­öffentlichen, wovon man sagen kann: Mit Kraft gehen wir vor! – Dass Sie diesbezüglich mit Hirn vorgehen, kann man überhaupt nicht sagen.

Was Sie zerschlagen, das sind Netzwerke, das sind Maßnahmen, die wir in den letzten Jahren mühsam aufgebaut haben, um den Ärmsten der Armen, den Gewalt ausgesetz­ten Kindern, Jugendlichen und Frauen, zu helfen. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf würde eher Gewalt geschaffen, als dass er einen Gewaltschutz herbeiführen würde.

Wer ist aller gegen das Gesetz gewesen? Sie können nicht sagen, das sei einfach vom Tisch zu wischen. – Das sind jene Personen, die genau wissen, worüber sie reden. Das sind die Rechtsanwälte, die Universitäten – nahezu alle Institute haben vernichten­de Stellungnahmen abgegeben –, es waren die Richter. Meine Damen und Herren, sogar die Staatsanwälte, deren Aufgabe es ist, Straftaten wirklich zweckmäßig zu ver­folgen und dadurch zu verhindern, haben vor diesem Schmarrn, den wir heute hier be­schließen sollen, gewarnt. Das ist auch der Grund dafür, dass Sie kein Begutachtungs­verfahren mehr durchgeführt und nicht einmal mehr einen Justizausschuss einberufen haben. (Abg. Steinacker: Wir haben ein Begutachtungsverfahren gemacht ...!)

Meine Damen und Herren vor den Fernsehgeräten! Sie müssen wissen, es ist beschä­mend, wenn ein derart wichtiges Gesetzeswerk, dessen Änderung zulasten der Ärms­ten der Armen, der Kinder und der Frauen, geht, nicht einmal in einem Ausschuss be­handelt wird, in dem jeder noch seine Meinung dazu sagen kann, in dem man sich al­lerdings auch der Diskussion stellen muss. Es ist typisch für Herrn Kurz, wegzu-


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schauen und zu sagen: Hauptsache, wir machen nach außen ein schönes Gesicht, aber was dahintersteckt, ist wurscht! – Ich kann Kollegen Noll nur recht geben: Das ist ein Paradebeispiel dafür, wie im Parlament eigentlich nicht gehandelt werden sollte: unsachlich, primitiv, nicht auf die Sache ausgerichtet und ausschließlich auf politische Zwecke, nämlich die Wahl, orientiert. (Beifall bei SPÖ und NEOS sowie bei Abgeord­neten von JETZT. – Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich sage Ihnen, das wird Ihnen noch ganz massiv auf den Kopf fallen.

Nur ein Beispiel, da ich das ja aus der Vergangenheit kenne: Wenn man strafbare Handlungen wirklich effektiv verfolgen will, ist das Wichtigste, schnell zu sein, aufzude­cken und den Opfern zu helfen. Nur herzugehen, zu sagen, man erhöht die Strafsätze um das Doppelte, um das Dreifache, um das Fünffache, und dann zu glauben, dass die Öffentlichkeit der Meinung ist, dass diese tollen Leute hier im Parlament nun wirk­lich etwas gemacht haben, ist eine Frechheit, meine Damen und Herren! Sie gaukeln damit nämlich der Öffentlichkeit vor, es wurde eine Lösung gefunden. (Abg. Stein­acker: Jetzt bist aber schon auf dünnem Eis, und lies den ganzen Gesetzentwurf! – Weiterer Ruf bei der ÖVP: Frechheit!) – Es wurde aber keine gefunden, und durch diese Desinformation behindern Sie noch einmal das Ausfindigmachen und den Kampf gegen die Kriminalität. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS. – Zwi­schenruf des Abg. Deimek.)

Auf diesen Pfusch brauchen Sie wirklich nicht stolz zu sein. Dass sich die FPÖ dem Diktat des Herrn Kurz unterworfen hat, wundert mich nicht, denn es entspricht eigent­lich dem, was Sie hier in letzter Zeit an sogenannter Performance gezeigt haben. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS. – Abg. Neham­mer: Schlechte Rede! – Weitere Rufe bei der ÖVP: Schlechte Rede! – Zwischenruf des Abg. Prinz.)

17.38


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Markus Tschank. – Bitte.


17.39.03

Abgeordneter Dr. Markus Tschank (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Hohes Haus! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Der Kritik, dass wir keine Volksvertreter wären, wie das Kollege Noll formuliert hat, kann ich nichts ab­gewinnen. Wir können einmal die Augen öffnen und zuhören, was uns die Menschen draußen sagen, denn dann können wir ein bisschen besser verstehen, was wirklich gewollt wird. Ich höre sehr oft aus der Bevölkerung oder auch von Experten Kritik da­ran, dass Vermögensdelikte mit viel härteren Strafen bedroht werden, als das bei De­likten gegen Leib und Leben der Fall ist. Das empfinden viele Menschen als ungerecht. (Abg. Heinisch-Hosek: Das haben wir 2015 geändert!)

Sie haben das mit Ihrer damaligen Strafrechtsreform in den Siebzigerjahren unter Bro­da eingeführt, das wurde damals also eigentlich von sozialistischer Seite gewünscht. (Abg. Heinisch-Hosek: 2015 war die letzte, vor drei Jahren!) Das ist eine Asymmetrie, die wir natürlich tendenziell beseitigen wollen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeord­neten der ÖVP.)

Der vorliegende Gesetzentwurf ist ein großer Beitrag in diese Richtung. Zahlreiche Gerichtsurteile, sehr geehrte Damen und Herren, sind für viele Menschen nicht mehr nachvollziehbar (Abg. Duzdar: Sie wissen, dass das nicht stimmt! Was reden Sie!), und wenn die Menschen die Rechtsprechung nicht mehr nachvollziehen können, dann geht das Vertrauen in den Rechtsstaat verloren. Dabei können und wollen wir nicht zusehen. (Abg. Duzdar: Dann lassen Sie es! – Abg. Heinisch-Hosek: Lassen Sie den Broda in Ruh!) Unsere Devise war immer Opferschutz statt Täterschutz, und dem möchten wir auch treu bleiben.


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Da das Gesetz so umfangreich ist, möchte ich drei Themen herausgreifen, die aus meiner Sicht sozusagen auch symbolisch für dieses Gewaltschutzgesetz stehen.

Thema Vergewaltigung: Es ist die Anhebung der Mindeststrafe vorgesehen. Vergewal­tigungsdelikte – wer das im Gerichtsverfahren einmal miterlebt hat, weiß es – sind schwer beweisbare Delikte. Es steht oft Aussage gegen Aussage, im Zweifel natürlich für den Angeklagten, und obwohl man oft sieht, dass vielleicht die Sachlage nicht so ist, wie der Beschuldigte dort aussagt, muss man trotzdem machtlos zusehen. Gelingt der Beweis einmal und jemand wird rechtskräftig wegen Vergewaltigung verurteilt, dann soll er auch das Haftübel erleben und nicht einfach ohne Haftstrafe am Tag der Verurteilung nach Hause gehen. (Beifall bei der FPÖ. Abg. Heinisch-Hosek: Aber der wird fast nie verurteilt! – Zwischenruf der Abg. Duzdar.) Das ist doch gerechtfertigt, sehr geehrte Damen und Herren (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger); deswegen: eine Mindeststrafe bei Vergewaltigung und die Anhebung der Mindeststrafe von einem auf zwei Jahre und ein Teil davon muss unbedingt abgebüßt werden.

Ein zweiter Punkt, der uns wichtig war: die Einführung einer höheren Mindeststrafe bei absichtlicher schwerer Körperverletzung eines Beamten, Zeugen oder Sachverständi­gen, § 87 StGB. Wenn Sie einen Blick in die Kriminalstatistik 2018 werfen, dann sehen Sie, dass jährlich circa 2 000 Gewaltdelikte gegen Polizeibeamte begangen werden. 68,1 Prozent dieser Delikte werden von Ausländern begangen, das ist ein Faktum. Das zeigt letztlich, wie wenig Respekt ausländische Straftäter vor unserem Rechtsstaat ha­ben, und das erklärt auch, warum das subjektive Sicherheitsgefühl in Österreich stetig abnimmt. (Abg. Erasim: Das stimmt doch nicht!) Die Menschen fühlen sich in unserem Land nicht mehr so sicher wie noch vor einigen Jahren, das ist ein Riesenproblem.

Mit der Anhebung der Mindeststrafe von einem auf zwei Jahre stellen wir uns dieser Thematik, und wir stellen uns auch ausdrücklich hinter unsere Exekutiv- und Polizeibe­amten. (Beifall bei der FPÖ.) Diese Menschen sind es nämlich, die unseren Rechts­staat, unsere Bevölkerung schützen und verteidigen, und die Exekutivbeamten verdie­nen es, dass auch sie vor Gewalttätern entsprechend geschützt und verteidigt werden. Ich verspreche – und dafür setzen wir uns als Partei auch ein –, wir werden weiter da­ran arbeiten, dass ausländische Straftäter ihre Haft nicht in Österreich, sondern in ihren Heimatländern absitzen. (Abg. Duzdar: Das passiert doch schon ...!) Das wird, wenn wir in die Regierung kommen, auch einer der Schritte sein, die wir noch konsequenter setzen werden. (Beifall bei der FPÖ.)

Dritter Punkt – er wurde schon angesprochen –, die Anzeige- und Meldepflichten für Mitarbeiter in Gesundheitsberufen: Das ist ein ganz wesentlicher Punkt. Im Vorfeld zur heutigen Sitzung wurde die große Sorge geäußert, dass es da Verschwiegenheitsver­pflichtungen gebe, die massiv gefährdet sind. Ich verstehe diese Sorge und Kritik teil­weise nicht. (Zwischenruf der Abg. Duzdar.)

Das Gesetz formuliert die Anzeigepflicht bewusst negativ; es besteht keine gesetzliche Anzeigepflicht, es sei denn, es besteht eine unmittelbar drohende Gefahr für die be­troffene Person oder für dritte Personen. Die Kernfrage ist: Ist es nicht im Sinne einer Interessenabwägung gerechtfertigt, dass bei einer unmittelbar drohenden Gefahren­lage eine Anzeigepflicht vorgeschrieben wird und dass auch ganz besonders Minder­jährige massiv geschützt werden? – Das ist doch eine absolut zulässige Rechtferti­gung. Wie man so etwas – bei akuten Gefahrenlagen – überhaupt in Zweifel ziehen kann, ist mir schleierhaft, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn eine massive Gewaltneigung während Behandlungen bei Ärzten oder Psychia­tern offenkundig wird, ist sofort zu reagieren, denn es geht um die Gefährdung dritter Personen. Als Arzt kann man sich in so einer Situation nicht ultimativ auf die Ver­schwiegenheitsverpflichtung zurückziehen. (Zwischenruf der Abg. Duzdar.) Da muss


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man dann proaktiv agieren, da muss man selbst eine Tat setzen, auch wenn man den Patienten dann letzten Endes verliert.

Abschließend möchte ich sagen, meine sehr geehrte Damen und Herren, dass na­türlich kein Gesetz perfekt ist, und es gilt, jedes Gesetz und jedes gesetzliche Vorha­ben weiterzuentwickeln. (Abg. Heinisch-Hosek: Warum haben wir nicht im Ausschuss darüber gesprochen! Abg. Erasim: ... fahrlässig ...!) Diese Asymmetrie, die die SPÖ unter ihrem einstigen Justizminister verursacht hat, wird da ein Stück weit korrigiert, und das ist auch das, was sich die Bevölkerung in Hunderten Gesprächen, die ich geführt habe, von uns Politikern erwartet. Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

17.45


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Dr. Irmgard Griss. – Bitte.


17.45.27

Abgeordnete Dr. Irmgard Griss (NEOS): Frau Präsidentin! Herr Vizekanzler! Frau Bundesministerin! Zuerst möchte ich Ihnen, Herr Vizekanzler, sehr herzlich für diese klaren Worte danken. (Beifall bei NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.) Dem ist ei­gentlich nichts hinzuzufügen, erlauben Sie mir dennoch, dass ich doch ein paar Worte anbringe.

Für mich ist dieses Gewaltschutzgesetz eine Mogelpackung. (Ruf bei der SPÖ: Ja!) Wissen Sie, was eine Mogelpackung ist? – Von einer Mogelpackung spricht man, wenn die Aufmachung nicht dem Inhalt entspricht; Sie haben eine große Bonbonniere und drinnen sind nur einige mickrige Zuckerln. Im Wettbewerb zwischen Unternehmen sind Mogelpackungen verboten, als Richterin habe ich einige Male damit zu tun ge­habt. Leider gibt es ein solches Verbot in der Politik nicht, daher müssen wir uns heute hier mit einer fast klassischen Mogelpackung beschäftigen.

Sie nennen dieses Gesetz Gewaltschutzgesetz, aber es schützt nicht vor Gewalt, denn all die Straferhöhungen, die Sie vorsehen, die Strafverschärfungen werden aller Wahr­scheinlichkeit nach keine einzige Gewalttat verhindern. Das muss man nicht extra be­gründen, denn kein potenzieller Gewalttäter erkundigt sich, bevor er zuschlägt, wie hoch die Mindeststrafe oder die Höchststrafe ist. (Beifall bei NEOS und SPÖ sowie bei Abgeordneten von JETZT. – Abg. Heinisch-Hosek: Genau!) – Das ist mein erster Kri­tikpunkt.

Mein zweiter Kritikpunkt ist: Wozu gibt es überhaupt Begutachtungsverfahren? Wozu werden Fachleute eingeladen, um zu einem Gesetzentwurf Stellung zu nehmen? – Die müssen das doch als Affront empfinden, dass man auf diese begründeten Einwen­dungen überhaupt nicht eingeht. (Zwischenruf der Abg. Steinacker.) Wenn man dann sagt: Wir haben das gemeinsam mit Experten erarbeitet!, ist das – verzeihen Sie mir diesen Ausdruck (in Richtung Präsidentin Bures), darf man blanker Hohn sagen, das weiß ich nicht? – jedenfalls etwas, was absolut nicht angemessen ist.

Mein dritter Kritikpunkt ist: Das ist Stammtischpolitik in Reinkultur. Man schaut dem Volk aufs Maul, das heißt, man liest die Facebook-Kommentare, und redet ihm dann nach dem Mund. Für mich ist das organisierte Unverantwortung. (Beifall bei NEOS und SPÖ.) Verantwortungsvolle, vernunftgeleitete, anständige Politik schaut anders aus. (Abg. Duzdar: Finde ich auch!)

Anständige, seriöse Politik überlegt, wie man einen Missstand beheben kann, sie ist evidenzbasiert und sie fragt, welche Maßnahmen das gewünschte Ergebnis erreichen können. In diesem Zusammenhang, wenn man Gewaltverbrechen verhindern will – das ist ein absolut legitimes und notwendiges Ziel –, muss man zuerst fragen: Was sind denn die Ursachen? (Ruf bei der SPÖ: Genau!) Und wenn man fragt, was die Ursa-


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chen sind, dann wird man in vielen Fällen in der frühen Kindheit von späteren Gewalt­tätern Verhältnisse finden, die eine Entwicklung in eine kriminelle Richtung begünstigt haben. Das heißt, wenn man Gewalt verhindern will, dann muss man sehr viel in So­zialarbeit bei gefährdeten Familien investieren, dann muss man sehr viel in Gewalt­prävention in Schulen investieren, dann muss man etwas dafür tun, dass eine friedliche Konfliktlösung möglich ist. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

Man wird aber durch Gewaltprävention nicht alle Verbrechen verhindern können, das ist eine Illusion, und das zu glauben, wäre naiv.

Was hindert aber einen Verbrecher daran, tatsächlich eine Tat zu begehen? – Ist es nicht das Risiko, erwischt und eingesperrt zu werden? Muss man daher nicht sicher­stellen, dass die Strafverfolgungsbehörden rasch und effizient tätig werden können? Ist nicht das die wirksamste Abschreckung?

Ich bringe daher einen Entschließungsantrag ein, der Sie einlädt, einen „Pakt für den Rechtsstaat“ abzuschließen. Er wird gerade ausgeteilt, daher genügt es, wenn ich Ih­nen das Wesentliche sage.

Ich glaube, dass es wichtig ist, dass das Parlament sich dazu bekennt, wie wichtig ein funktionierender Rechtsstaat ist, denn ohne funktionierenden Rechtsstaat gibt es auch keine Demokratie, also gerade das Parlament muss ein Interesse daran haben. Das Parlament muss daher auch Leitlinien definieren, die für die Politik notwendig sind. Und das ist eine ausreichende Ausstattung, das ist eine Reform des Maßnahmenvollzugs, das ist eine Weiterführung der Digitalisierung in der Justiz.

*****

Ich lade Sie ein, dem zuzustimmen und die Weichen für eine verantwortungsvolle, an­ständige, seriöse Politik auch in der nächsten Legislaturperiode zu stellen. Danke. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

17.51

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Irmgard Griss, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Pakt für den Rechtsstaat

eingebracht im Zuge der Debatte in der 89. Sitzung des Nationalrats über den

Antrag der Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker, Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz, das Namensänderungsgesetz, das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Strafgesetz­buch, das Jugendgerichtsgesetz 1988, die Strafprozeßordnung 1975, das Strafregister­gesetz 1968, das Tilgungsgesetz 1972, die Exekutionsordnung, das Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz geändert wird und Verstöße gegen bestimmte einst­weilige Verfügungen zum Schutz vor Gewalt und zum Schutz vor Eingriffen in die Pri­vatsphäre zu Verwaltungsübertretungen erklärt werden, das Ärztegesetz 1998, das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, das Hebammengesetz, das Kardiotechniker­gesetz, das MTD-Gesetz, das Medizinische Assistenzberufe-Gesetz, das Medizini­scher Masseur- und Heilmasseurgesetz, das Sanitätergesetz, das Zahnärztegesetz, das Musiktherapiegesetz, das Psychologengesetz 2013, das Psychotherapiegesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Verbrechensopfergesetz und das Bun-


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desgesetz mit dem das Bundesgesetz über die Grundsätze für Hilfen für Familien und Erziehungshilfen für Kinder und Jugendliche geändert werden (Gewaltschutzge­setz 2019) (970/A)

– TOP 6

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Pakt für den Rechtsstaat

Präambel:

Der Nationalrat unterstreicht die Bedeutung des Rechtsstaats für die demokratische pluralistische Gesellschaft und die institutionelle Stabilität der Republik Österreich.

Der Nationalrat anerkennt den Wert des Rechtsstaats für die Sicherung der Freiheit und der Grundrechte.

Der Nationalrat betont, dass der Justiz die tragende Rolle für den Erhalt des Rechts­staats zukommt.

Der Nationalrat bekennt sich zu einer starken, leistungsfähigen, unabhängigen Justiz.

Der Nationalrat bringt seine Anerkennung für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Justiz zum Ausdruck, die täglich dafür arbeiten, dass der Rechtsstaat funktioniert.

Um den Rechtsstaat nachhaltig und auf Dauer zu stärken beschließt der Nationalrat ei­nen „Pakt für den Rechtsstaat“ mit nachfolgenden

Leitlinien:

1.          Die finanzielle Ausstattung der Justiz und die Ausstattung der Justiz mit qualifi­ziertem Personal, insbesondere in den Staatsanwaltschaften, den Kanzleien und der Justizwache ist zu verbessern.

2.          Die für die Digitalisierung im Sinne von „Justiz 3.0“ notwendigen Mittel sind be­reit zu stellen, und die Digitalisierung ist konsequent fortzuführen.

3.          Die dienstrechtlichen Bestimmungen für die Justizwache sind den aktuellen An­forderungen und Herausforderungen anzupassen.

4.          Der Maßnahmenvollzug ist zu reformieren, und die für den reformierten Maß­nahmenvollzug notwendigen Mittel sind bereitzustellen.

5.          Die Entlassungs- und Bewährungshilfeeinrichtungen sind so auszustatten, dass sie über ausreichend Mittel verfügen, um Rückfällen entgegenwirken zu kön­nen.

Die künftige Bundesregierung wird aufgefordert, ihre Politik nach diesen Leitlinien aus­zurichten."

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag wird gerade an die Abgeordneten verteilt; er wurde in den Grundzügen – „Pakt für den Rechtsstaat“ – erörtert und ist da­mit ordnungsgemäß eingebracht.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dipl.-Kffr. Elisabeth Pfurtschel­ler. – Bitte.



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17.51.38

Abgeordnete Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kolle­gen! Sehr geehrte Zuschauer auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Liebe Frau Griss, lieber Herr Jarolim, ich bin keine juristisch gebildete Person, also meine juristi­schen Kenntnisse sind sehr rudimentär gegenüber jemandem, der Jus studiert hat, ich bin auch keine Strafrechtlerin, aber eines kann ich schon beurteilen: Wenn ich oder eine Tochter von mir oder eine Bekannte oder Freundin von jemandem vergewaltigt wird und dieser Mensch kommt dann nicht ins Gefängnis, dann habe ich einen Hass. (Abg. Heinisch-Hosek: Die kommen ja ins Gefängnis, das stimmt ja nicht! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Dass wir das geändert haben oder jetzt ändern wollen, halte ich für eine sehr, sehr wichtige Maßnahme, weil es den Menschen das Gefühl gibt, dass es bei sexuellen Delikten eine Art von Gerechtigkeit gibt. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Angerer und Stefan.– Danke schön.

Da ich eben keine Juristin bin, möchte ich mich noch einmal konzentrieren - - (Abg. Erasim: Lassen Sie es!) – Ja, ich lasse es eh. Da ich keine Juristin bin, möchte ich mich auf die Punkte konzentrieren, die den Frauen im Opferschutz zugutekommen, und die hat auch der Herr Vizekanzler nicht wegdiskutiert, sondern er hat sie ausdrück­lich als in Ordnung betrachtet.

Es geht zum Beispiel auch darum, dass wir in dieser Novelle vorgesehen haben, dass in jedem Bundesland flächendeckende Beratungsstellen für Opfer sexueller Gewalt er­richtet werden, und ich glaube, da kann wirklich niemand von Ihnen etwas dagegen ha­ben. Es soll die Möglichkeit geben, den Namen und die Sozialversicherungsnummer zu ändern, und zwar leichter, als es bis jetzt möglich war.

Ein Punkt ist noch gar nicht angesprochen worden, von keinem der Redner oder keiner der Rednerinnen: Uns ist auch der Kampf gegen die Genitalverstümmelung wichtig, und auch da kann niemand von Ihnen etwas dagegen haben, das wurde auch im Gre­vio-Bericht gefordert. Es wird in Zukunft so sein, dass eben, wenn sich herausstellt, dass eine werdende Mutter selbst Opfer von Genitalverstümmelung geworden ist, auch die Kinder- und Jugendhilfe verständigt wird. Zusätzlich sollen auch die Schulärzte ver­stärkt sensibilisiert werden. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Schimanek.) – Danke schön.

Ich möchte noch ganz kurz auf den Vorhalt oder die Forderung der Kollegin Heinisch-Hosek betreffend ein fehlendes Budget eingehen. – Da bin ich absolut deiner Meinung. Wir haben in der letzten Sitzung einen entsprechenden Antrag eingebracht, denn es ist schon sehr, sehr wichtig, dass wir für alle Gewaltschutzprojekte, die es jetzt schon gibt – und ich schaue da hinauf zu den Damen und Herren (in Richtung Galerie bli­ckend), da auch sehr viele Betroffene da oben sind –, genügend Geld zur Verfügung stellen. Das ist uns wirklich sehr, sehr wichtig und da könnt ihr uns auch beim Wort nehmen. Dafür werden wir uns ganz fest einsetzen; wir werden schauen, dass dieses Budget zur Verfügung steht. Genauso hat es auch Kollegin Steinacker gemacht, be­treffend die Ausstattung der Justiz mit Mitteln und Ressourcen. Ich glaube also, ganz weit sind wir nicht auseinander, bis auf ein paar Details.

Ich denke, es ist alles in allem eine gute Novelle, die die richtigen Punkte im Auge hat. Man kann sich über Details streiten, aber das jetzt so niederzureden, halte ich schon für ein Stück weit dem Wahlkampf geschuldet. Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

17.55


Präsidentin Doris Bures: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abge­ordnete Gabriele Heinisch-Hosek zu Wort gemeldet. – Bitte.



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17.55.41

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Frau Kollegin Pfurtscheller hat in ihrer Rede behauptet, dass rechtskräftig verurteilte Vergewaltiger bisher noch nie im Ge­fängnis waren; das hat auch Kollegin Steinacker schon behauptet. (Zwischenruf der Abg. Pfurtscheller. – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Wir haben erst 2015 die Mindeststrafen von sechs Monaten auf ein Jahr erhöht, und in der Zeit sind sicher, wenn sie rechtskräftig unbedingt verurteilt wurden, etliche Straftäter im Gefängnis ge­sessen. (Beifall bei der SPÖ.)

17.56


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Frau Bundesministerin Mag.a Ines Stilling zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Ministerin.


17.56.23

Bundesministerin im Bundeskanzleramt Mag. Ines Stilling, betraut mit der Lei­tung der zum Wirkungsbereich des Bundeskanzleramtes gehörenden Angele­genheiten für Frauen, Familien und Jugend: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Ab­geordnete! Die europäische Prävalenzstudie aus dem Jahr 2014 hat für Österreich ge­zeigt, dass 5 Prozent aller befragten Frauen in den vorangegangenen zwölf Monaten von körperlicher und sexueller Gewalt betroffen waren. Das bedeutet nichts anderes, als dass in Österreich alle 3 Minuten eine Frau oder ein Mädchen von Gewalt betroffen ist.

Frauen brauchen Unterstützung. Es gibt einen großen Bedarf an Anlaufstellen, und ich bin auch sehr froh, dass wir diese Anlaufstellen haben und dass es viele engagierte Frauen gibt – einige davon sehe ich auch oben auf der Zuschauergalerie –, die sich für diese Frauen und Mädchen einsetzen, die sie stärken, unterstützen und ihnen den Mut und die Kraft geben, auch ein Strafverfahren gegen den Täter durchzustehen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und bei Abgeordneten von JETZT.)

Ich habe viele Gespräche mit den Interventionsstellen, den Gewaltschutzzentren, den Frauen- und Mädchenberatungsstellen geführt. Diese Stellen wissen besser als wir alle hier darüber Bescheid, was von Gewalt betroffene Frauen und Mädchen brauchen, welche Unterstützung es braucht, welche Angebote wir ihnen machen müssen. Daher ist es aus meiner Sicht notwendig, für Verbesserungen im Opferschutz immer diese Einrichtungen anzuhören, ihre Meinungen ernst zu nehmen und diese auch in unsere Vorhaben einfließen zu lassen.

Lassen Sie mich nun auf einige Punkte eingehen, die in diesem konkreten Antrag und in den Abänderungsanträgen, die mittlerweile eingelangt sind, vorliegen.

Positiv möchte ich im Sinne der betroffenen Frauen und Mädchen das hervorheben, was auch schon Abgeordnete Pfurtscheller erwähnt hat, nämlich die explizite Nennung von weiblicher Genitalverstümmelung als schwere Körperverletzung.

Ich empfinde es auch als positiv, dass grundsätzlich zum ersten Mal in dieser Form ein Fokus auf die Beratung von Gefährdern gelegt wird. Aus meiner Sicht beginnt da aber schon die Differenzierung, denn eine Gefährderberatung verstehe ich nicht als Täter­arbeit. Eine Gefährderberatung, die auch sinnvoll und wichtig ist, ist eine kurze und punktuelle Intervention. Eine Täterarbeit ist eine längerfristige Beratung und Unterstüt­zung des gewalttätigen Menschen, die ihn dazu bringen soll, sein Verhalten grundsätz­lich zu ändern, um damit nachhaltig Gewalt zu verhindern.

Eine Gefährderberatung ist ein erster positiver Schritt, aber insgesamt braucht es für Täterarbeit, die auch nach einem strafrechtlichen Verfahren ansetzen sollte, einen um­fassenden Ansatz und entsprechende Mittel sowohl für jene Einrichtungen, die für die


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Gefährder- und Täterarbeit zuständig sind, als auch für jene Einrichtungen, die die Op­fer unterstützen, und dass diese zusammenarbeiten.

Wir haben auch letzte Woche – es ist schon mehrfach erwähnt worden – hier im Hohen Haus über mehr Budgetmittel für den Gewaltschutz diskutiert, und ich freue mich, dass der entsprechende Antrag für mehr Budgetmittel von Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, einstimmig angenommen wurde. Ich habe aber auch damals schon betont, dass jedenfalls mehr Budget notwendig ist, weil der Bereich des Gewalt­schutzes und der Frauen- und Mädchenberatungseinrichtungen seit Jahren unterfinan­ziert ist.

Aus meiner Sicht gibt es aber auch Verbesserungen, die jetzt schon möglich sind, oh­ne dass wir ein zusätzliches Budget verwenden.

Als Beispiel möchte ich die Bannmeile nehmen, die heute unter anderem auch schon von Abgeordneten Mahrer erwähnt wurde. Ich darf dazu aus dem Abänderungsantrag zitieren, aus der Begründung: „Aufgrund des Wegfalls der bisherigen Regelung, wo­nach Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen explizit genannt waren“ – nämlich beim Betretungs- und Kontaktverbot – „ist eine Ausweitung des Radius der Bannmeile von fünfzig auf hundert Meter angebracht.“

Damit bringt dieser Antrag definitiv das zum Ausdruck, was andere Abgeordnete auch gesagt haben, nämlich dass das Betretungsverbot vor Kindergärten und Schulen weg­fällt und die Opfer nur noch mit einer Bannmeile geschützt werden. Ich finde den Ge­danken einer Bannmeile grundsätzlich positiv. Das bedeutet, dass das Opfer den Schutz, wo auch immer es ist, mit sich nehmen kann. Allerdings geht uns da, wenn wir speziell geschützte Räume wie Kindergärten und Schulen aus dem Betretungsverbot herausnehmen und das sozusagen durch die Bannmeile ersetzen, ein wichtiger Schutz verloren.

Ich möchte ein Beispiel nennen, das mir die Interventionsstelle geschildert hat und das so nachdrücklich ist, dass ich es Ihnen auch noch einmal sagen möchte: Wenn es einen so massiven Gewaltvorfall in einer Familie gibt, dass auch bisher ein Betretungs­verbot vor einem Kindergarten erfolgte, dann konnte sich der Gefährder oder Täter diesem Kindergarten nicht nähern. Hat er sich genähert, auch wenn das Kind nicht da war, konnte die Kindergartenleitung oder die Pädagogin die Polizei verständigen, und die Exekutive konnte einschreiten. Mit dem nun vorliegenden Antrag wird das so in dieser Form nicht mehr möglich sein, weil die Kindergartenleiterin beziehungsweise die Kindergartenpädagogin abwarten muss, bis sich das Kind nunmehr auf 100 Meter an­nähert – was eine gewisse Herausforderung ist –, dann erst nämlich könnte die Polizei gerufen werden; und bis diese einschreitet, kann möglicherweise schon ein Gewaltvor­fall eingetreten sein. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Holzinger-Vogtenhuber.)

Daher mein dringendes Ersuchen, die wirklich gute Idee der Bannmeile nicht dazu zu verwenden, dass damit das bisher gut funktionierende System der Betretungsverbote ersetzt wird.

Darüber hinaus möchte ich noch ein anderes Beispiel nennen, das in bestimmten Tei­len auch im vorliegenden Antrag vorkommt, das ist das Thema der Datenübermittlung. Ich weiß, wir haben den Datenschutz zu berücksichtigen, und ich halte Datenschutz für ein sehr hohes Gut, aber im Sinne des Opferschutzes ist es aus meiner Sicht essen­ziell, dass die Exekutive, die Einrichtungen des Opferschutzes und die Einrichtungen, die mit Gefährdern und Tätern arbeiten, Informationen austauschen können, miteinan­der diskutieren können, um wirklich ein Risiko einschätzen und so frühzeitige Interven­tionen setzen zu können. Nur so ist aus meiner Sicht ein effektiver Opferschutz mög­lich. Daher hoffe ich, dass, natürlich im Rahmen des Datenschutzrechts, hier auch das Thema der Datenübermittlung noch einmal diskutiert wird.


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Ich hoffe, ich konnte mit diesen Beispielen – ich möchte Ihre Zeit heute nicht mehr überstrapazieren – verdeutlichen, dass die Stärkung des Opferschutzes und die Ge­waltprävention jetzt im Rahmen des Antrages möglich ist, aber noch darüber hinaus verstärkt werden könnte, und dies auch ohne Budgeterhöhungen – ich weiß, dass das Budget mittlerweile in den letzten Plenartagen durchaus belastet worden ist.

Bitte bedenken Sie bei den Ihnen bevorstehenden Abstimmungen zu den vorliegenden Anträgen, dass allein, seit wir diese Debatte begonnen haben, an die 20 Frauen und Mädchen in Österreich von Gewalt betroffen sind. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Holzinger-Vogtenhuber.)

18.03


Präsidentin Doris Bures: Danke, Frau Ministerin. Nun gelangt Herr Abgeordneter Jo­sef Muchitsch zu Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.


18.03.15

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Frau Bun­desministerin! Herr Vizekanzler! Wir als SPÖ werden diesen Tagesordnungspunkt da­zu nutzen, zwei Abänderungsanträge und einen Entschließungsantrag zu sozialen The­men – den Themen Pensionen und Betriebskrankenkassen – einzubringen, wie es auch andere Parteien im Anschluss tun werden.

Es geht darum, dass wir am letzten Donnerstag, am 19. September, hier im Hohen Haus einen historischen Beschluss fassen konnten, nämlich dass es keine Pensions­abschläge ab 45 Beitragsjahren für Pensionsneuzugänge ab 1.1.2020 geben soll. Das wollen wir nun auch entsprechend abändern und erweitern, indem wir auch die Jahr­gänge 1954 bis 1957 in dieser Regelung miterfassen, sodass sie auch ab 1.1.2020 ihre Pensionen neu berechnet bekommen, obwohl sie jetzt schon – 2019, 2018, 2017 – ei­ne Pension in Anspruch genommen haben.

Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

Artikel 23 wird wie folgt geändert:

Nach Z 4 wird folgende Z 5 angefügt:

5. Nach § 732 wird folgender § 733 samt Überschrift angefügt:

„Neubemessung von Pensionsleistungen bei 540 Beitragsmonaten

§ 733. Die zuständigen Versicherungsträger nach diesem Bundesgesetz haben Leis­tungen, die auf § 15 APG (Kontoerstgutschrift) beruhen oder die nach diesem Bundes­gesetz mit einem Stichtag ab 1.1.2014 und vor 1.1.2020 gewährt wurden, von amts­wegen für Leistungsbezieher, die die Voraussetzungen nach § 236 Abs 4b erfüllen, neu zu bemessen. Dabei haben sie unter sinngemäßer Anwendung des § 236 Abs 4b die Leistung ab 1.1.2020 für die Zukunft unter Außerachtlassung der Verminderung festzustellen und unter Anwendung eines Günstigkeitsvergleichs zu Gunsten des Ver­sicherten mittels Bescheids festzusetzen. Eine rückwirkende Erhöhung erfolgt nicht. Die Versicherungsträger haben die Neubemessung der Leistungen bis längstens 30.6.2020 durchzuführen. Darüber hinaus gelten sowohl in § 236 Abs 4b als auch für


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die Neubemessung Zeiten des Präsenz- und Zivildienstes als Beitragsmonate auf Grund einer Erwerbstätigkeit.“

*****

Bitte verzeihen Sie mir dieses schnelle Vorlesen, aber die Zeit ist sehr begrenzt.

Ich möchte Ihnen abschließend eines mitgeben: Meine sehr geehrten Damen und Her­ren, aber vor allem Kolleginnen und Kollegen der FPÖ, wer A sagt, soll auch B sagen! Das heißt, wir haben letzten Donnerstag hier diesen historischen Beschluss gemein­sam gefasst, schließen wir nun diese Lücke (Abg. Loacker: Wer hat sie aufgemacht, Beppo? Dein unvorbereiteter Antrag!) für all jene, die da dementsprechend unfair be­handelt werden.

Fakt ist, wenn jemand in diesem Land 45 Jahre Beiträge einbezahlt hat (Abg. Wögin­ger: Der Hundstorfer rotiert in der Urne!), wenn Menschen 45 Jahre schwer arbeiten, dann haben sie sich eines verdient, nämlich ohne Abschläge in Pension zu gehen. – Bitte stimmen Sie diesem Antrag zu! (Beifall bei der SPÖ.)

18.06

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Muchitsch, Wimmer Rainer

Genossinnen und Genossen

betreffend den Antrag 970/A betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Sicherheits­polizeigesetz, das Namensänderungsgesetz, das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Strafgesetzbuch, das Jugendgerichtsgesetz 1988, die Strafprozeßordnung 1975, das Strafregistergesetz 1968, das Tilgungsgesetz 1972, die Exekutionsordnung, das Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz geändert wird und Verstöße ge­gen bestimmte einstweilige Verfügungen zum Schutz vor Gewalt und zum Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre zu Verwaltungsübertretungen erklärt werden, das Ärzte­gesetz 1998, das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, das Hebammengesetz, das Kardiotechnikergesetz, das MTD-Gesetz, das Medizinische Assistenzberufe-Gesetz, das Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetz, das Sanitätergesetz, das Zahn­ärztegesetz, das Musiktherapiegesetz, das Psychologengesetz 2013, das Psychothe­rapiegesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Verbrechensopfergesetz und das Bundesgesetz mit dem das Bundesgesetz über die Grundsätze für Hilfen für Familien und Erziehungshilfen für Kinder und Jugendliche (Gewaltschutzgesetz 2019) geändert werden

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

Artikel 23 wird wie folgt geändert:

Nach Z 4 wird folgende Z 5 angefügt:

5. Nach § 732 wird folgender § 733 samt Überschrift angefügt:

              „Neubemessung von Pensionsleistungen bei 540 Beitragsmonaten

§ 733. Die zuständigen Versicherungsträger nach diesem Bundesgesetz haben Leis­tungen, die auf § 15 APG ( Kontoerstgutschrift) beruhen oder die nach diesem Bun­desgesetz mit einem Stichtag ab 1.1.2014 und vor 1.1.2020 gewährt wurden, von


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amtswegen für Leistungsbezieher, die die Voraussetzungen nach § 236 Abs 4b erfül­len, neu zu bemessen. Dabei haben sie unter sinngemäßer Anwendung des § 236 Abs 4b die Leistung ab 1.1.2020 für die Zukunft unter Außerachtlassung der Vermin­derung festzustellen und unter Anwendung eines Günstigkeitsvergleichs zu Gunsten des Versicherten mittels Bescheids festzusetzen. Eine rückwirkende Erhöhung erfolgt nicht. Die Versicherungsträger haben die Neubemessung der Leistungen bis längstens 30.6.2020 durchzuführen. Darüber hinaus gelten sowohl in § 236 Abs 4b als auch für die Neubemessung Zeiten des Präsenz- und Zivildienstes als Beitragsmonate auf Grund einer Erwerbstätigkeit.“

Begründung

45 Beitragsjahre sollen in Zukunft ausreichen, um die Pension abschlagsfrei erreichen zu können. Diese Versicherten werden als Langzeitversicherte bezeichnet. Damit diese Regelung aber auch diejenigen umschließt, die Zivil- oder Präsenzdienst geleistet ha­ben, sollen diese Zeiten berücksichtigt werden.

Bereits in Pension befindliche Langzeitversicherte, deren Leistung auf § 15 APG beru­hen, bzw. ab dem 1.1.2014 und vor dem 1.1.2020 gewährt wurde, erhalten ihre Leis­tung mit Jänner 2020 neu bemessen. Damit die Vollziehung die notwendigen Vorbe­reitungen treffen kann, ist die Abwicklung im ersten Halbjahr vorgesehen. Entsprechen­de Erhöhungen werden dann für das erste Halbjahr 2020 nachbezahlt. Nachzahlungen vor dem 1.1.2020 sind ausdrücklich ausgeschlossen.

Die Nummerierung und Absatzbezeichnung erfolgt unter Berücksichtigung der bereits beschlossenen Änderungen des ASVG in der NR-Sitzung vom 19. September und des beabsichtigten Abänderungsantrages von ÖVP und FPÖ zu Artikel 23.

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Abgeordneter Hannes Amesbauer. – Bitte.


18.06.31

Abgeordneter Hannes Amesbauer, BA (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Vizekanzler! Frau Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Es war sehr span­nend, dieser Debatte zu folgen. Es ist bemerkenswert, zu hören, wie es die SPÖ beim Thema Gewaltschutz immer schafft, die Täter zu verhätscheln und die Opfer im Regen stehen zu lassen (Abg. Heinisch-Hosek: Waren Sie herinnen? Ich weiß ja nicht!), aber bitte, ich werde mich jetzt einer anderen Problematik widmen, nämlich den Betriebs­krankenkassen in der Obersteiermark. Es wundert mich, dass Kollege Muchitsch nicht darauf eingegangen ist (Abg. Muchitsch: Kommt noch! Kommt noch!), weil die Sozial­demokraten bei uns im jetzigen Wahlkampf, allen voran Jörg Leichtfried und Max Ler­cher, seit Wochen Panikmache betreiben, Unwahrheiten verbreiten und die Mitarbeiter der Voestalpine verunsichern, was ja grundsätzlich auch in Wahlkampfzeiten sehr, sehr unredlich ist, meine Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

Worum aber geht es? Um was geht es denn konkret? (Zwischenruf des Abg. Leicht­fried.) – Na, was heißt, pass auf, was ich sage? Ich sage, wenn ich da stehe, was ich will, Jörg Leichtfried, nimm das zur Kenntnis! (Abg. Leichtfried: Ich habe gesagt, ich wünsche dir viel Spaß!) – Ja, ja. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Geschätzte Damen und Herren, wir in der leider nicht mehr amtierenden türkis-blauen Bundesregierung haben die historische Kraftanstrengung geschafft, die Sozialversiche-


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rungsträger zusammenzulegen. Seit 20 Jahren wurde in Österreich darüber geredet, und wir haben es geschafft. Wir haben zum Wohle der Versicherten aus 21 Trägern fünf gemacht, um Synergien zu nützen und diesen aufgeblähten Apparat nicht mehr zu haben. (Zwischenrufe der Abgeordneten Rainer Wimmer, Matznetter und Noll.) – Ja, da werden die Genossen ganz nervös.

Worum aber geht es denn konkret? – Es wäre möglich gewesen, diese Betriebskran­kenkassen im Rahmen einer Betriebsvereinbarung auch mit dem Arbeitgeber in be­triebliche Wohlfahrtseinrichtungen überzuleiten. (Zwischenruf des Abg. Krist.) Das mit der Voest im Rahmen der Sozialpartnerschaft auszuverhandeln haben die Sozialisten nicht geschafft (Abg. Deimek: Ui!), und jetzt schreien sie Zeter und Mordio.

Meine Damen und Herren, wir haben gemeinsam mit der ÖVP (Abg. Leichtfried: „Ge­meinsam mit der ÖVP“ sagt eh schon alles!) einen Abänderungsantrag erarbeitet, den ich einbringen werde und in dem einfach klargelegt ist, dass eine Privatstiftung zur betrieblichen Gesundheitsvorsorge eingeführt wird. Das Gute für die Versicherten ist nämlich, dass sie dadurch keine Nachteile habe. Alle Zusatzleistungen, die sie jetzt in der Betriebskrankenkasse genießen, werden zu 100 Prozent auch in der Privatstiftung zur Verfügung stehen. Alle anderen Versicherungsleistungen werden ihnen im Rahmen der ÖGK wie allen anderen ASVG-Versicherten ausbezahlt; also kein Nachteil für die Mitarbeiter.

Zusätzlich ist es auch so, Jörg Leichtfried – wenn du den Antrag gelesen hast, weißt du das auch –, dass das Vermögen der Betriebskrankenkassen auch der Stiftung zur Ver­fügung steht. Das gesamte bisherige Management wird in der Stiftung drinnen sein und auch die Obleute der Betriebskrankenkassen – drei Stück sind das in der Obersteier­mark – sind in alle Entscheidungsfindungen im Rahmen des Kooperationsvertrages mit der ÖGK voll eingebunden.

Alle Mitarbeiter der Betriebskrankenkassen werden zu den gleichen Bedingungen übernommen. (Abg. Leichtfried: Wo sind die Mitarbeiter von der Kassa?) – Bitte? Was sagst du? (Abg. Leichtfried: Wo sind die Mitarbeiter von der Kassa?) – Wo sind die Mitarbeiter von der Kassa? Das sind dann Mitarbeiter der Österreichischen Gebiets­krankenkasse, der ÖGK (Abg. Vogl: Österreichische Gesundheitskasse heißt das! Ihr wisst ja nicht einmal, wie das heißt!) – Gesundheitskasse, danke, entschuldige den Versprecher! –, und die haben die gleichen Leistungen. Darum geht es, meine Damen und Herren.

Wir haben sogar die Obleute in diesem Gesetzentwurf festgeschrieben. Es ändert sich für die Versicherten nichts, sie haben weiterhin die Zusatzleistung. Das gilt für aktive Arbeitnehmer, das gilt für deren Angehörige, das gilt für Pensionisten und das gilt auch für künftige Mitarbeiter. Also das verstehe ich nicht, erklären Sie es einmal, legen Sie einmal das Problem dar, das Sie haben! Sie wollen alles gleichmachen.

Der Antrag vorige Woche, das war eine Verhöhnung des Parlamentarismus. Die Ge­werkschaftsvertreter der Betriebe haben sich im Gegensatz zu euch wenigstens mit uns an den Verhandlungstisch gesetzt, heute noch. Wir sind uns nicht ganz einig ge­worden, ja, das gebe ich zu (Abg. Leichtfried: Was heißt „nicht ganz“? Ihr seid euch überhaupt nicht einig geworden!), aber ihr habt nicht mit uns verhandelt. Ihr knallt uns einen Antrag hin, in dem nur steht, dass alles so bleiben muss, wie es ist. Dem können wir natürlich nicht zustimmen.

Abschließend also noch einmal: Es bleibt für die Versicherten alles gleich, sie haben keinen Nachteil. Es bleibt für das Management gleich. Die Serviceeinrichtungen bis hin zum Chefarzt, das bleibt gleich; das ist dann in Kooperation mit der ÖGK zu regeln (Zwischenruf des Abg. Matznetter), da seid ihr in der Sozialpartnerschaft als angeb­liche Arbeitnehmervertreter gefordert.


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Eines schreibe ich euch aber ins Stammbuch – und ich habe in jeder Voest-Bude in der Obersteiermark meine Informanten drinnen (Oh-Rufe bei der SPÖ) –: Hört auf mit dieser Panikmache! (Abg. Matznetter: Betriebsspionage nennt man das!) – Na, das sind die Hackler, die meine Haberer sind, Freunde! Es ist so. (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das ist kein Thema. Diese Verunsicherungspolitik, diese Panikmache aber hat schon beim Arbeitszeitgesetz nicht funktioniert und nicht gegriffen. Da ist überhaupt nichts passiert, da ist niemandem etwas passiert. Da seid ihr auf die Straße gegangen, da habt ihr demonstriert. Jetzt macht ihr Unterschriftenaktionen und verun­sichert die fleißigen Mitarbeiter in den Stahlwerken der Voest.

Das haben sich die Menschen nicht verdient. Setzt euch an den Verhandlungstisch mit dem Konzern und schaut, dass ihr die bestmöglichen Lösungen herausbekommt! Das ist eure Aufgabe als Personalvertreter, liebe Freunde. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Hören wir also mit der Panikmache auf, bleiben wir bei den Fakten! Ich bin froh, dass mit der Österreichischen Volkspartei – Andreas Kühberger war dabei – diese Einigung erzielt wurde und dass wir für die Mitarbeiter das Maximum herausgeholt haben. Wenn die Mitarbeiter ihre Leistungen weiterhin in Anspruch nehmen können und keinerlei Nachteile haben werden, dann kann ich guten Gewissens diese Maßnahme mittragen.

Ihr setzt euch bitte an den Verhandlungstisch, schaut, dass ihr einmal für die Hackler etwas Gescheites rausbringt und hört mit diesen Scheingefechten hier auf! Davon hat kein Mensch irgendetwas.

Die Arbeitnehmer in der Obersteiermark können sich darauf verlassen, dass die Frei­heitliche Partei auch in Zukunft hinter ihnen steht. Von euch haben sie sich schon längst abgewendet, und das mit gutem Recht. (Beifall bei der FPÖ.)

18.12

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Andreas Kühberger, Hannes Amesbauer BA, Mag. Ernst Gödl, Wolf­gang Zanger

Kolleginnen und Kollegen

zum Antrag 970/A betreffend ein Gewaltschutzgesetz 2019

              Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

              Der Nationalrat hat beschlossen:

              Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

Artikel 23 (Änderung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes) wird wie folgt ge­ändert:

a) Im Einleitungssatz wird der Ausdruck „23/2019“ durch den Ausdruck „84/2019“ er­setzt.

b) Nach der Z. 1 werden folgende Z. 1a. und 1b. eingefügt:

1a. § 725 in der Fassung des Art. 9 Z 8 des Finanz-Organisationsreformgesetzes er­hält die neue Bezeichnung „§ 729“; in der Überschrift zu dieser Bestimmung wird der Ausdruck „Art. 7“ durch den Ausdruck „Art. 9“ ersetzt.

1b. Der bisherige Text des § 727 in der Fassung des Art. 1 Z. 4 des Pensionsanpas­sungsgesetzes 2020 erhält die Absatzbezeichnung „(1)“, und folgender Abs. 2 wird an­gefügt:


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"(2) Der Richtsatz nach § 293 Abs. 1 lit. a sublit. aa in der Fassung des Pensionsan­passungsgesetzes 2020 – PAG 2020, BGBl. I Nr. xx/2019, ist abweichend von den §§ 108 Abs.6, 293 Abs. 2 und 728 Abs. 5 für das Kalenderjahr 2020 nicht zu vervielfa­chen."

c) Die Z. 2 lautet:

„2. Nach § 729 wird folgender § 730 samt Überschrift angefügt:

„Schlussbestimmung zu Art. 23 des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2019

§ 730. § 460d in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2019 tritt mit 1. Jän­ner 2020 in Kraft.““

d) Nach Z 2 werden folgende Ziffern 3 und 4 angefügt:

„3. Nach § 730 wird folgender § 731 samt Überschrift angefügt:

„Ergänzende Schlussbestimmungen zum Sozialversicherungs-Organisationsgesetz, BGBl. I Nr. 100/2018

§ 731. (1) Die folgenden Bestimmungen gelten für die Zusammenführung der Gebiets­krankenkassen zur Österreichischen Gesundheitskasse, der Versicherungsanstalt öf­fentlich Bediensteter und der Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau zur Versicherungsanstalt für öffentlich Bedienstete, Eisenbahnen und Bergbau, der So­zialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft und der Sozialversicherungsan­stalt der Bauern zur Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen sowie im Verhältnis zwischen den bisherigen Betriebskrankenkassen und einem Sozialversicherungsträger nach diesem oder einem anderen Bundesgesetz bzw. der Krankenfürsorgeanstalt der Bediensteten der Stadt Wien für die im Zusammenhang mit dem Sozialversicherungs-Organisationsgesetz, BGBl. I Nr. 100 2018, erforderlichen und im Folgenden näher be­zeichneten Vorgänge, Rechtshandlungen und Rechtsgeschäfte.

(2) Die durch den Übergang von Vermögen, Rechten, Pflichten und Verbindlichkeiten veranlassten (anfallenden) Schriften, Rechtsvorgänge und Rechtsgeschäfte sind von allen bundesgesetzlich geregelten Steuern, Gebühren und Abgaben befreit.

(3) Der Übergang von Vermögensgegenständen und Verbindlichkeiten sowie sonstiger Rechte und Pflichten gilt nicht als steuerbarer Umsatz im Sinne des Umsatzsteuerge­setzes 1994. Es gelten für Zwecke der Umsatzsteuer die Rechtsverhältnisse für diese Tätigkeit als Unternehmer/in weiter.

(4) Übertragene Wirtschaftsgüter gelten ertragssteuerlich als unentgeltlich übertragen. Die Buchwerte sind fortzuführen.

(5) Lohnsteuerrechtlich treten die übernehmenden Sozialversicherungsträger in die Rechtsstellung der bisherigen Arbeitgeber ein.

(6) Der Übergang von Bestandsverhältnisse im Wege der Gesamtrechtsnachfolge oder zwischen Sozialversicherungsträgern oder dem Hauptverband (Dachverband) stellt keine Veräußerung im Sinne des § 12a Abs. 1 des Mietrechtsgesetzes, BGBl. Nr. 520/1981, und keine Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmög­lichkeiten im Sinne des § 12a Abs. 3 leg. cit. dar.

(7) Parteienbezeichnungen und Eintragungen in öffentliche Register (Grundbuch, Fir­menbuch, Vereinsregister u.dgl.) betreffend bisherige Sozialversicherungsträger bzw. den Hauptverband sind auf Anregung des Sozialversicherungsträgers bzw. des Dach­verbandes oder bei jeder aus sonstigem Anlass vorzunehmenden Änderung der Ein­tragung nach Anhörung des neuen Sozialversicherungsträgers bzw. des Dachverban­des von Amts wegen zu berichtigen. Die bisherigen Bezeichnungen und Eintragungen wirken bis zur Berichtigung in rechtlicher Hinsicht, als ob sie bereits berichtigt wären.


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(8) § 731 Abs. 7 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2019 tritt am 1. Jänner 2020 in Kraft“

4. Nach § 731 wird folgender § 732 samt Überschrift eingefügt:

„Übergangsbestimmungen für bestimmte Betriebskrankenkassen

§ 732. (1) Für den Fall, dass für die Betriebskrankenkassen Mondi, voestalpine Bahn­systeme, Zeltweg und Kapfenberg eine oder mehrere Privatstiftungen gemäß § 718 Abs. 9 errichtet werden, gelten für die Auflösung der Betriebskrankenkassen und für die Stiftungen § 718 Abs. 10 und Abs. 10a sowie die nachfolgenden Regelungen.

(2) Die Betriebskrankenkassen Mondi, voestalpine Bahnsysteme, Zeltweg und Kapfen­berg werden mit Wirksamkeit ab 1. Jänner 2020 aufgelöst. Ihr Vermögen geht mit 1.1.2020 auf die Österreichische Gesundheitskasse über, soweit im Folgenden nicht anderes bestimmt ist.

(3) Die Betriebsunternehmer der in Abs.1 genannten Betriebskrankenkassen können zum Zweck der Aufrechterhaltung des für die Versicherten, Pensionisten (Beziehern von Rehabilitationsgeld) und deren anspruchsberechtigten Angehörigen der Betriebs­krankenkasse geltenden Leistungsniveaus bis zum 1. Jänner 2020 eine oder mehrere Privatstiftungen zur Förderung der Gesundheit (Privatstiftung zur betrieblichen Ge­sundheitsförderung) errichten. Zweck dieser Privatstiftungen ist es, durch die Finanzie­rung von Zusatzleistungen zu Leistungen der Österreichischen Gesundheitskasse die Gesundheit der gemäß § 26 Abs 1 Z. 3 ASVG in der am 31. Dezember 2019 geltenden Fassung bezeichneten Personen zu fördern. Dies gilt sinngemäß auch für künftige Be­schäftigte, Pensionisten und Bezieher von Rehabilitationsgeld, sowie die Angehörigen dieser Personen.

(4) Jene Personen, die am 31.12.2019 leitende Angestellte einer dieser Betriebskran­kenkassen sind, und deren Dienstverhältnis auf die Österreichische Gesundheitskasse übergeht, sind für eine Periode von fünf Jahren Mitglieder des Stiftungsvorstandes der jeweiligen Privatstiftung. Sie üben diese Tätigkeit als Teil ihrer Pflichten aus dem Ar­beitsverhältnis aus und scheiden aus dem Stiftungsvorstand durch Rücktritt, Beendi­gung des Arbeitsverhältnisses zur österreichischen Gesundheitskasse, spätestens je­doch mit Ablauf der Funktionsperiode aus. Eine Wiederbestellung oder weitere Wieder­bestellungen sind zulässig.

(5) Jene Personen, die am 31.12.2019 die Funktion eines Obmanns der Betriebskran­kenkasse ausüben, sind bis 31.12.2020 berechtigt, vom Stiftungsvorstand der jeweili­gen Privatstiftung in allen Belangen, die die Auflösung der Betriebskrankenkasse sowie den Übergang von Aufgaben der Betriebskrankenkasse auf die Privatstiftung betreffen, insbesondere zur Schlussbilanz und gegebenenfalls zu Kooperationsverträgen, die die Stiftung mit der Österreichischen Gesundheitskasse abschließt, Auskünfte zu verlan­gen, die unverzüglich zu erteilen und über Ersuchen der ehemaligen Obmänner mit diesen zu beraten sind. Sie haben für ihre Tätigkeit, durch die kein Dienstverhältnis be­gründet wird, Anspruch auf Unterstützung durch die Stiftung sowie gegenüber der Stiftung Anspruch auf Funktionsgebühren und Auslagenersätze entsprechend den am 31. Dezember 2019 für sie geltenden Regelungen.

(6) Wenn eine Privatstiftung gemäß Abs. 3 errichtet wird, gehen die im Eigentum der jeweiligen Betriebskrankenkasse befindlichen Immobilien sowie 90% des, im Jahresab­schluss der jeweiligen Betriebskrankenkasse für das Jahr 2018 abzüglich des Werts der Immobilien ausgewiesenen, Reinvermögens der Betriebskrankenkasse mit Ablauf des 31. Dezember 2019 auf die Stiftung über. Die Österreichische Gesundheitskasse hat von dem mit Ablauf des 31. Dezember 2019 übergehenden Reinvermögens der jeweiligen Betriebskrankenkasse am 31. März 2020 einen Teil an die Stiftung zu über­tragen, der als Prozentsatz des in der Schlussbilanz der Betriebskrankenkasse ausge-


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wiesenen Reinvermögens durch Verordnung der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz festzulegen ist. Der Prozentsatz ist in Abhängig­keit von der Summe der bisher vom Betriebsunternehmer getragenen Verwaltungskos­ten und unter Bedachtnahme auf das Alter der Anspruchsberechtigten festzusetzen. Die Verordnung ist spätestens am 30. November 2019 kundzumachen.

(7) Die Österreichische Gesundheitskasse und die jeweilige Stiftung sind berechtigt und verpflichtet, im Wege einer Kooperationsvereinbarung das Service für die Begüns­tigten der Stiftung sowie die Versicherten der Österreichischen Gesundheitskasse kos­tengünstig und versichertenfreundlich sicherzustellen.““

Begründung

Zu lit a bis c:

Mit diesen Bestimmungen werden der Einleitungssatz aktualisiert sowie Paragraphen­bezeichnungen von Schlussbestimmungen (im Hinblick auf vorangegangene Novellen zum ASVG) berichtigt. Weiters wird in § 727 eine erforderliche Parallelbestimmung zu § 376 Z 3 GSVG und zu § 369 Z 4 BSVG eingefügt, wonach die Valorisierung des Ausgleichszulagenrichtsatzes für Paare (§ 293 Abs 1 lit.a sublit. aa) für 2020 entfällt, da dieser Richtsatz durch das Pensionsanpassungsgesetz 2020 ohnehin mit Wirk­samkeit zum 1. Jänner 2020 außerordentlich erhöht wird.

Zu lit. d (§ 731):

Die im Zuge der Neuorganisation des österreichischen Sozialversicherungswesens durch das Sozialversicherungs-Organisationsgesetz erfolgte Zusammenlegung der Ge­bietskrankenkassen zur Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), der Versiche­rungsanstalt öffentlich Bediensteter mit der Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau zur Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau, sowie der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft mit der Sozialversi­cherungsanstalt der Bauern zur Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen (SVS) hat erhebliche Auswirkungen etwa im Bereich Umsatzsteuer, Grunderwerbsteuer, Kör­perschaftsteuer, sowie bei Bestandrechten, bücherlichen Rechten und auf andere öf­fentliche Register.

Durch eine umfassende sachliche Abgabenbefreiung für die mit den Zusammenle­gungen einhergehenden Vermögensübertragungen können diese vermieden werden. Im gleichen Zusammenhang soll auch die Vielzahl der notwendigen Maßnahmen und Eintragungen von Gerichten und Verwaltungsbehörden möglichst einfach gestaltet werden. Ein eigener Antrag für jedes Verfahren soll nicht notwendig sein, einschlägige Umstellungen sollen von Amts wegen erfolgen können. Die mittlerweile vorhandenen Einrichtungen der Verfahrensautomation (work-flow-Systeme) werden für die Vollzie­hung des Abs. 7 Hilfestellungen leisten können

Zu lit. e (§ 732):

Mit dem Steuerreformgesetz 2020 wurden bereits umfangreiche Steuerbefreiungen für die anstelle der aufgelösten Betriebskrankenkassen in Aussicht genommenen Stiftun­gen vorgesehen:

-             im Stiftungseingangssteuergesetz hinsichtlich der Vermögensübertragungen,

-             im Einkommensteuerrecht hinsichtlich der Leistungen an die Versicherten,

-             sowie im Körperschaftssteuerrecht.

Mit dem vorliegenden Gesetzesvorschlag soll nun gesetzlich sichergestellt werden, dass das Vermögen der genannten Betriebskrankenkassen zum weitaus überwiegen-


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den Teil an die in Aussicht genommenen Stiftungen zur Förderung der Gesundheit und zur Aufrechterhaltung des Leistungsniveaus für die Versicherten (deren Angehörige) übergeht.

Dieser Vermögensübergang erfolgt in zwei Schritten: Die Immobilien und 90% des in der Schlussbilanz 2018 ausgewiesenen Reinvermögens (abzüglich des Werts der Im­mobilien) gehen mit 1. Jänner 2020 auf die Stiftungen über, das übrige Vermögen wird zunächst treuhändig durch die Österreichische Gesundheitskasse verwaltet, bis die Schlussbilanz für 2019 erstellt ist, und in der Folge bis 31. März 2020 anteilig übertra­gen.

Der Prozentsatz des zu übertragenden übrigen Vermögens wird durch Verordnung der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz festgelegt. Dabei ist einerseits auf das Alter der Versicherten, andererseits auf die vom jeweiligen Betriebsunternehmer bisher getragenen Verwaltungskosten Bedacht zu nehmen. Die Verordnung ist bis 30. November 2019 zu erlassen und kundzumachen.

Um einen reibungslosen Übergang der Verwaltung und eine nahtlose Leistungserbrin­gung an die Versicherten zu gewährleisten, werden die bisherigen leitenden Angestell­ten der jeweiligen Betriebskrankenkasse durch Gesetz zu Mitgliedern des Stiftungsvor­standes bestimmt.

Den bisherigen Obleuten der Betriebskrankenkassen werden umfassende Überwa­chungs-, Informations- und Beratungsrechte eingeräumt, um die Transparenz der Tä­tigkeit der Stiftungen sicher zu stellen.

Schließlich ist vorgesehen, dass die Österreichische Gesundheitskasse und diese Stif­tungen berechtigt und verpflichtet sind, Kooperationsverträge zu schließen und auf de­ren Grundlage das Versichertenservice bestmöglich zu erbringen (one-stop-shop).

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Abänderungsantrag wird gerade an alle Abgeordneten verteilt; er wurde in den Grundzügen erläutert und steht daher mit in Verhandlung.

Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag.a Verena Nussbaum. – Bitte.


18.13.08

Abgeordnete Mag. Verena Nussbaum (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Auch ich möchte zum ASVG zu den Betriebskranken­kassen sprechen und werde einen diesbezüglichen Abänderungsantrag der Abgeord­neten Alois Stöger, diplômé, Josef Muchitsch, Mag. Verena Nussbaum, Rainer Wim­mer, Dietmar Keck, Genossinnen und Genossen betreffend den Antrag 970/A einbrin­gen.

Die erste Betriebskrankenkasse in der Steiermark wurde bereits 1851 in Zeltweg ge­gründet, wir blicken somit auf 160 Jahre Betriebskrankenkassen zurück. Die Betriebs­krankenkassen haben die Monarchie, zwei Weltkriege und den Wiederaufbau Öster­reichs überstanden. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Es musste die Ibizakoalition kommen, um dieses einzigartige Erfolgssystem in Österreich zu zerstören. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Deimek.)

In diesen 160 Jahren seit der Entstehung wurde kein einziger Cent von der öffentlichen Hand beziehungsweise von den Steuerzahlern in diese Einrichtung investiert. Sie fi­nanzierten und finanzieren sich ausschließlich selbst. Wir sprechen von 30 000 Versi­cherten bei den vier bestehenden Betriebskrankenkassen, drei in der Obersteiermark im Voestalpine-Konzern und eine in Niederösterreich bei Mondi.


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Die Vertreter von ÖVP und FPÖ haben den Obmännern der Betriebskrankenkassen über Monate hinweg Hoffnungen gemacht, dass auch sie sich für einen gesetzlich ab­gesicherten Weiterbestand einsetzen würden. Letzte Woche haben wir daher einen dementsprechenden Abänderungsantrag eingebracht, den die Abgeordneten von ÖVP und FPÖ abgelehnt haben (Abg. Leichtfried: Das ist ja unerhört!), und zwar mit fol­genden Begründungen: Von der ÖVP haben wir gehört, sie wollen die Übergangsfrist um ein Jahr verlängern. Die FPÖ hat uns gesagt – vor allem die Abgeordneten Ames­bauer und Zanger –, an sich sei es überhaupt kein Problem, unserem Antrag zuzu­stimmen, wenn wir eine Namensänderung auf betriebliche Gesundheitseinrichtung durchführen und wenn diese betriebliche Gesundheitseinrichtung einem Verzicht auf den Sitz im Dachverband zustimme. (Abg. Zanger: Das habe ich gesagt? – Abg. Dei­mek: ... eine tatsächliche Berichtigung, weil das war schon wieder eine tatsächliche Falschmeldung!)

Wir haben in unseren Abänderungsantrag genau diese beiden Wünsche eingearbeitet. Jetzt liegt jedoch ein Abänderungsantrag von Schwarz-Blau vor, der nur mehr die Vermögensabwicklung der Betriebskrankenkassen in eine Stiftung vorsieht. Das heißt, es ist weder ein gesetzlicher Fortbestand noch eine Fristverlängerung gegeben; es handelt sich um ein Begräbnis erster Klasse. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Aufforderung, die sich nunmehr vor allem an die Abgeordneten der FPÖ richtet, lautet: Bekennen Sie Farbe und zeigen Sie, ob Sie auf der Seite der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen oder, so wie die ÖVP, auf der Seite der Industriellenvereinigung und der Großkonzerne stehen! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Wöginger.)

So wie es aussieht, verraten Sie wieder einmal uns Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh­mer, speziell die 30 000 Versicherten in den Betriebskrankenkassen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

18.16

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Stöger, Muchitsch, Verena Nussbaum, Wimmer Rainer, Keck

Genossinnen und Genossen

betreffend den Antrag 970/A betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Sicherheits­polizeigesetz, das Namensänderungsgesetz, das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Strafgesetzbuch, das Jugendgerichtsgesetz 1988, die Strafprozeßordnung 1975, das Strafregistergesetz 1968, das Tilgungsgesetz 1972, die Exekutionsordnung, das Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz geändert wird und Verstöße ge­gen bestimmte einstweilige Verfügungen zum Schutz vor Gewalt und zum Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre zu Verwaltungsübertretungen erklärt werden, das Ärzte­gesetz 1998, das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, das Hebammengesetz, das Kardiotechnikergesetz, das MTD-Gesetz, das Medizinische Assistenzberufe-Gesetz, das Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetz, das Sanitätergesetz, das Zahn­ärztegesetz, das Musiktherapiegesetz, das Psychologengesetz 2013, das Psychothe­rapiegesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Verbrechensopfergesetz und das Bundesgesetz mit dem das Bundesgesetz über die Grundsätze für Hilfen für Familien und Erziehungshilfen für Kinder und Jugendliche (Gewaltschutzgesetz 2019) geändert werden

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:


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Artikel 23 wird wie folgt geändert:

a) Die bisherige Z 1 erhält die Bezeichnung 1d und es werden folgenden Z 1 bis 1c vo­rangestellt:

1. § 5a samt Überschrift lautet:

„Betriebliche Gesundheitseinrichtungen

§ 5a. (1) Die bisherigen Betriebskrankenkassen werden in Betrieblichen Gesundheits­einrichtungen umbenannt und sind der sachlich zuständige Krankenversicherungsträ­ger für die Versicherten jener Betriebe, für die Betrieblichen Gesundheitseinrichtungen errichtet worden sind. Sie besitzen Rechtspersönlichkeit. Anspruchsberechtigte sind (freie) Dienstnehmer/innen, Lehrlinge, aus dem Dienstverhältnis ausgeschiedene (freie) Dienstnehmer/innen, Lehrlinge und deren Angehörige.

(2) Für Betrieblichen Gesundheitseinrichtungen gelten folgende Sondervorschriften:

1.Der Betriebsunternehmer ist verpflichtet, die zur ordnungsmäßigen Verwaltung der Einrichtung erforderlichen Kosten zu bestreiten und die hiezu erforderlichen Arbeits­kräfte unter eigener Verantwortlichkeit beizustellen.

2.Reichen die Bestände der Betrieblichen Gesundheitseinrichtungen nicht aus, um die laufenden Ausgaben der Einrichtung zu decken, so hat der Betriebsunternehmer die erforderlichen Vorschüsse zu leisten.

3.Reichen die Beitragseinnahmen selbst unter Heranziehung der Rücklagen zur De­ckung der gesetzlichen Mindestleistungen nicht aus, so hat der Betriebsunternehmer die zur Deckung erforderlichen Zuschüsse zu leisten.

4.Ergibt bei Auflösung der Betrieblichen Gesundheitseinrichtungen die Schlussbilanz einen Fehlbetrag, so hat diesen der Betriebsunternehmer zu decken.

5.Unbeschadet der Z 1 kann die Betrieblichen Gesundheitseinrichtungen Sachkosten zur ordnungsgemäßen Verwaltung aus der ordentlichen Gebarung bestreiten, wenn die liquiden Mittel am Ende eines Geschäftsjahres zur Deckung von mindestens drei Mo­natsaufwendungen ausreichen; die so verwendeten Mittel dürfen pro Kalenderjahr nicht mehr als 3 vT der Beitragseinnahmen eines Geschäftsjahres betragen. Als liquide Mittel gelten die Barbestände zuzüglich der Einlagen bei Geldinstituten und der Bilanz­wert der Wertpapiere abzüglich der noch nicht abgeführten, für fremde Rechnung ein­gehobenen Beiträge sowie der am Ende des Geschäftsjahres buchmäßig fälligen un­berichtigten Versicherungsleistungen und sonstigen Verbindlichkeiten.

(3) Die innere Organisation der Betrieblichen Gesundheitseinrichtungen richtet sich nach der Rechtslage für Betriebskrankenkassen vor dem Inkrafttreten des Sozialversi­cherungs-Organisationsgesetzes BGBl I 100/2018.

(4) Die Betrieblichen Gesundheitseinrichtungen gehören nicht dem Dachverband der Sozialversicherungsträger an.

(5) Die Bestimmungen, die sich auf einen gesetzlichen Krankenversicherungsträger beziehen, sind auf die Betrieblichen Gesundheitseinrichtungen sinngemäß anzuwenden.“

1a. § 5b samt Überschrift lautet:

„Antrag auf Auflösung einer Betrieblichen Gesundheitseinrichtungen

§ 5b. (1) Ein Antrag zur Auflösung einer bestehenden Betrieblichen Gesundheitsein­richtung ist durch den Betriebsunternehmer nach Abschluss einer Betriebsverein­barung im Sinne des § 97 Abs. 1 Ziff. 5 ArbVG an die Generalversammlung zu stellen. Die Auflösung hat durch Verordnung der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Ge­sundheit und Konsumentenschutz zu erfolgen. Allfällige Dienstverhältnisse zu einer


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Betrieblichen Gesundheitseinrichtungen gehen auf den aufnehmenden Krankenversi­cherungsträger über. Das Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz ist Aufsichtsbehörde der Betrieblichen Gesundheitseinrichtungen.

(2) Die innere Gestaltung der Betrieblichen Gesundheitseinrichtungen richtet sich nach der Rechtslage vor dem Inkrafttreten des Sozialversicherungs-Organisationsgesetzes BGBl I 100/2018.

(3) Die Bestimmungen, die sich auf den gesetzlichen Krankenversicherungsträger be­ziehen, sind auf die Betrieblichen Gesundheitseinrichtungen sinngemäß anzuwenden.“

1b. § 26 Abs. 1 lautet:

„(1) Zur Durchführung der Krankenversicherung ist die Österreichische Gesundheits­kasse, mit Ausnahme für den Bereich der Betrieblichen Gesundheitseinrichtungen (§ 5a), sachlich zuständig.“

1c. § 152 samt Überschrift lautet:

„Gleichstellung der Betrieblichen Gesundheitseinrichtungen als Vertragspartner/innen

§ 152. (1) Betrieblichen Gesundheitseinrichtungen nehmen am allgemeinen Versor­gungssystem durch Krankenanstalten und am Verrechnungssystem der Landesge­sundheitsfonds (§ 27b KAKuG) und des Privatkrankenanstalten-Finanzierungsfonds teil. Sie haben alle diesbezüglichen Verpflichtungen, insbesondere Beitragsleistungen, zu erfüllen und die zu Grunde liegenden Daten zur Verfügung stellen. Der Dachver­band wird ermächtigt, die dafür notwendigen Verträge im Auftrag der Betrieblichen Ge­sundheitseinrichtungen abzuschließen.

(2) Die abgeschlossenen Gesamtverträge sowie die darauf beruhenden Einzelverträge, weitere Rahmen- und sonstigen Verträge samt Zusatzvereinbarungen der Österreichi­schen Gesundheitskasse sind auch für die Betrieblichen Gesundheitseinrichtungen wirksam, wobei die Bestimmungen des Sechsten Teiles zur Anwendung kommen.“

b) Nach Z 1e neu wird folgende Z 1 f eingefügt:

1f. § 718 Abs. 8 bis 10 lauten:

„(8) Die Betrieblichen Gesundheitseinrichtungen der Wiener Verkehrsbetriebe wird mit Wirksamkeit ab 1. Jänner 2020 aufgelöst.

(8a) Im Falle der Auflösung einer Betrieblichen Gesundheitseinrichtungen können zum Zweck der Aufrechterhaltung des für die Versicherten und deren anspruchsberechtig­ten Angehörigen der jeweiligen Betrieblichen Gesundheitseinrichtungen zum Zeitpunkt der Auflösung bestehenden Leistungsniveaus jeweils eine Privatstiftung zur Förderung der Gesundheit ihrer Beschäftigten einrichten. Dieser Stiftung ist von der jeweiligen Be­trieblichen Gesundheitseinrichtung ein Anteil ihres im Jahresabschluss ausgewiesenen Reinvermögens zu widmen. Näheres ist durch Verordnung der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz nach Anhörung der Betriebsun­ternehmer und des Betriebsrates zu regeln.

(8b) Das zum Stichtag 31. Dezember 2019 vorhandene Vermögen einschließlich der eigenen Einrichtung und die Verbindlichkeiten der Betriebskrankenkasse der Wiener Verkehrsbetriebe, abzüglich des in Abs. 9 genannten Betrages, gehen entsprechend dem Versichertenstand zum Stichtag 31. Dezember 2019 auf die Krankenfürsorge­anstalt der Bediensteten der Stadt Wien und die Versicherungsanstalt öffentlich Be­diensteter, Eisenbahnen und Bergbau über. Die eigene Einrichtung der Betriebskran­kenkasse der Wiener Verkehrsbetriebe als solche geht mit 1. Jänner 2020 auf die Ver­sicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau über. Die Abwick­lung der Betriebskrankenkasse der Wiener Verkehrsbetriebe obliegt ausschließlich der


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Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau, wobei die Kosten dieser Abwicklung im Rahmen der Vermögensaufteilung zu berücksichtigen sind. Die Vermögensverteilung ist durch Verordnung der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz festzulegen.

(9) Die Betriebsunternehmer des in Abs. 8 genannten Betriebes können zum Zweck der Aufrechterhaltung des für die Versicherten und deren anspruchsberechtigten Ange­hörigen der jeweiligen Betrieblichen Gesundheitseinrichtungen zum Zeitpunkt der Auf­lösung bestehenden Leistungsniveaus jeweils eine Privatstiftung zur Förderung der Gesundheit ihrer Beschäftigten einrichten. Dieser Stiftung ist von der jeweiligen Be­trieblichen Gesundheitseinrichtungen ein Anteil ihres im Jahresabschluss 2019 ausge­wiesenen Reinvermögens zu widmen. Näheres ist durch Verordnung der Bundesmi­nisterin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz nach Anhörung der Betriebsunternehmer und des Betriebsrates zu regeln, wobei die Höhe des zu wid­menden Anteils des Reinvermögens in Abhängigkeit von der Summe der bisher vom Betriebsunternehmer getragenen Verwaltungskosten und dem Alter der Anspruchsbe­rechtigten festzusetzen ist.

(10) Bezüglich des im Abs. 8 verfügten Vermögensüberganges auf die Versicherungs­anstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau wird Folgendes festgelegt:

1.          Der Jahresbericht für das Geschäftsjahr 2019 der Betriebskrankenkasse ist von der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau zu erstellen. Alle Schriften, Bücher und Akten der Betriebskrankenkassen sind mit 1. Jänner 2020 der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau zu übergeben.

2.          Die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau hat

a)          zur Nachweisung der Übernahme des Vermögens der mit 31. Dezember 2019 aufgelösten Betriebskrankenkassen dieses (Aktiva/Passiva) in geeigneten Auf­zeichnungen gesondert zu erfassen; abweichende Zuordnungen von Aktiva und Passiva in der Vermögensrechnung sind näher zu begründen;

b)          in ihrer Schlussbilanz zum 31. Dezember 2020 in der Einzelnachweisung zu den Posten allgemeine Rücklage, Leistungssicherungsrücklage und Unterstüt­zungsfonds die übernommenen Vermögensteile jeweils gesondert als „Vermö­gensübertragung“ anzugeben;

c)          in ihrem Geschäftsbericht für das Jahr 2020 jedenfalls über das übernommene Vermögen (Aktiva/Passiva) sowie über den zum 1. Jänner 2020 übernomme­nen Versichertenstand näher zu berichten;

d)          die Aufbewahrungsfristen nach § 58 der Weisungen für die Rechnungslegung und Rechnungsführung der Sozialversicherungsträger und des Hauptverbandes (Rechnungsvorschriften – RV) hinsichtlich aller übernommenen Bücher, Auf­zeichnungen und sonstigen Unterlagen zu beachten.

(10a) Die Dienstverhältnisse von Bediensteten, die am 31. Dezember 2019 bei einer der im Abs. 8 genannten und mit 1. Jänner 2020 aufzulösenden Betriebskrankenkasse beschäftigt sind, gehen, sofern diese Bediensteten im Betrieb, für den die Betriebs­krankenkasse errichtet war, nicht mehr weiter beschäftigt werden können, oder in der betrieblichen Gesundheitseinrichtung nicht beschäftigt werden können, auf die Versi­cherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau über.“

Begründung

Die derzeitigen gesetzlichen Bestimmungen bedeuten für die meisten Betriebskran­kenkassen das AUS, denn ausschließlich der Arbeitgeber kann entscheiden, ob eine BKK aufgelöst und in die ÖGK überführt wird.


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Die versicherten ArbeitnehmerInnen können nur zusehen und haben keinerlei Ent­scheidungseinfluss, obwohl sie auch einen großen Beitrag zum Bestehen dieser BKK leisten und sich enorm mit „Ihrer“ Versicherung identifizieren.

Alleine im voestalpine-Konzern bestehen 3 Betriebskrankenkassen, die allesamt in der Steiermark angesiedelt sind:

•             Betriebskrankenkasse voestalpine Bahnsysteme mit ca. 13.000 Anspruchsbe­rechtigten

•             Betriebskrankenkasse Kapfenberg mit ca. 9.900 Anspruchsberechtigten

•             Betriebskrankenkasse Zeltweg mit ca. 4.000 Anspruchsberechtigten

Eine weitere Betriebskrankenkasse besteht in Niederösterreich:

•             Betriebskrankenkasse Mondi mit ca. 2.500 Anspruchsberechtigten

Die Betriebskrankenkassen stehen finanziell gut da und kosten den Steuerzahler nichts. Noch nie wurde eine Förderung der öffentlichen Hand in Anspruch genommen. Die kleinen, überschaubaren, dezentralisierten SV-Einheiten werden den Anforderun­gen der Versicherten geradezu optimal gerecht. Dazu kommt, dass der gesamte Ver­waltungsaufwand unmittelbar vom jeweiligen Unternehmen getragen wird und somit nicht den Versicherten belastet.

Durch diesen Antrag wird sichergestellt, dass eine Änderung der Rechtsform oder die Übertragung der Betriebskrankenkassen in die ÖGK immer nur im Einvernehmen zwischen Arbeitgeber und ArbeitnehmervertreterInnen der betroffenen Kasse erfolgen kann und dass die bisherige Bestimmung, wonach die Untätigkeit des Arbeitgebers automatisch zu einer Überführung der Betriebskrankenkasse in die ÖGK erfolgt, besei­tigt wird.

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Antrag ist in den Grundzügen erläutert und eingebracht.

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Amesbauer zu Wort gemeldet. – Bitte.


18.16.44

Abgeordneter Hannes Amesbauer, BA (FPÖ): Geschätzte Damen und Herren! Kollegin Nussbaum hat gerade behauptet, dass mein Kollege Zanger und meine We­nigkeit mit ihr verhandelt hätten und gesagt hätten: Wenn der Name geändert wird, stimmen wir dem Gesetz zu.

Ich berichtige tatsächlich: Ich habe mit Frau Nussbaum keine diesbezüglichen Ge­spräche geführt (Abg. Sandler: Hat sie ja auch nicht gesagt!) und natürlich auch nicht eine diesbezügliche Zustimmung signalisiert. Das gilt auch für Kollegen Zanger. – Bitte bei der Wahrheit bleiben! (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Haubner.)

18.17


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Andreas Kühberger. – Bitte.


18.17.00

Abgeordneter Andreas Kühberger (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Ich möchte auch zum Thema Betriebskrankenkassen sprechen. (Abg. Leichtfried: Da geht euch die Muffn jetzt, das versteh’ ich!) Wir haben es gehört, seit 20 Jahren sagen alle Parteien:


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Wir müssen da Reformen umsetzen! – Wir, die türkise Bundesregierung gemeinsam mit den Blauen, haben dieses Reformpaket beschlossen und auf den Weg gebracht. (Abg. Leichtfried: Wo seid ihr jetzt eine Bundesregierung?)

Meine Damen und Herren, zu Ihren Anschuldigungen, wir sind keine Arbeitnehmer­vertreter: Herr Kollege Amesbauer und ich haben uns mit den Betriebsräten, mit den Obmännern der Betriebskrankenkassen getroffen, und diese waren es eigentlich, die gesagt haben, der Antrag von voriger Woche war kontraproduktiv. Heute wäre es noch möglich gewesen, dass man das eine Jahr oder etwas anderes gemeinsam hätte än­dern können, aber das haben Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPÖ, verbockt, und das müssen Sie den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern da draußen einmal erklären. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Wir sind heute noch draußen zusammengesessen, und wir haben da eine wirklich gute Lösung. In Wahrheit – das ist unsere oberste Priorität – wird da niemand eine Ver­schlechterung erfahren. Das heißt, es kommt zu keinen Leistungsverschlechterungen. Die Versicherten werden keine negativen Auswirkungen spüren. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.) In Wahrheit kann man das Türschild bei dieser Geschichte austauschen. Diese Gelder, 90 Prozent davon – dazu komme ich noch –, werden in eine Stiftung ge­bracht.

Das möchte ich jetzt ein bisschen erklären: Es wird da redaktionelle Anpassungen ge­ben, weitere steuer- und mietrechtliche Übergangsbestimmungen, Bestimmungen hin­sichtlich Kassenfunktion sowie eine Präzisierung des Übergangs der Betriebskranken­kassen auf Stiftungen mit 1.1.2020.

Ich sage Ihnen auch, das ist heute die letzte Möglichkeit. Wenn wir dieses Gesetz heute nicht beschließen, gibt es dort eine Art Brexit. Ich appelliere an Sie, in Ihrer Ver­antwortung für diese Kassen, für diese Gelder auch mitzustimmen (Abg. Matznetter: Sie tragen die Verantwortung!), denn 90 Prozent des Vermögens der Betriebskranken­kassen gehen auf die Stiftungen über, das restliche Vermögen der Betriebskranken­kassen wird per Verordnung des Sozialministeriums zwischen Stiftung und Österreichi­scher Gesundheitskasse geteilt. (Zwischenruf des Abg. Knes.)

Die bisherigen leitenden Angestellten der Betriebskrankenkassen werden Mitglieder des Stiftungsvorstands, und natürlich wird auch jeder einzelne Mitarbeiter dieser Kas­sen in die Österreichische Gesundheitskasse übergeführt. Die Österreichische Ge­sundheitskasse und die Stiftungen schließen Kooperationsverträge für das Versicher­tenservice; das bedeutet kundenorientiert einen sogenannten One-Stop-Shop.

Das, meine Damen und Herren, ist wirklich eine deutliche Verbesserung im Vergleich dazu, wenn wir heute nichts machen würden. Wir haben es uns bei dieser Reform wirklich nicht einfach gemacht. Wir haben intensiv verhandelt und jetzt haben wir das umgesetzt. 2017 haben wir das den Menschen versprochen und wir haben es ge­halten. Dafür sind wir in dieser Regierung angetreten, und bis zum Ibizavideo waren wir sehr erfolgreich. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich fordere Sie auf – lieber Herr Kollege Leichtfried, Sie kommen aus dieser Region –, dieses Vorhaben mit Weitsicht und im Bewusstsein der Verantwortung gegenüber den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in unserer Region hier nicht schlechtzureden, sondern, im Gegenteil, daran mitzuarbeiten und es heute mitzubeschließen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Bevor ich einen Entschließungsantrag einbringe, möchte ich noch kurz die NEOS an­sprechen, und zwar betreffend Rechtsstaat: Wir haben uns Ihren Antrag angesehen und festgestellt, er ist eigentlich gleichlautend wie unser Entschließungsantrag; Sie können ruhig mit unserem, den ich jetzt einbringen möchte, mitgehen.


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Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Michael Hammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Prü­fung der Auswirkungen durch Beschlussfassungen vom 19. 9. 2019 in den Bereichen Langzeitversicherte und Schwerarbeiter“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz sowie der Bundesminister für Öffentlicher Dienst und Sport werden ersucht, dem Nationalrat ehestmöglich einen Bericht mit folgendem Inhalt zuzuleiten:

Auf der Grundlage der Beschlussfassung des Nationalrats vom 19. September 2019 betreffend die Abschlagsfreistellung von Pensionsleistungen mit 540 Beitragsmonaten aus Erwerbstätigkeit bzw. aus der Schwerarbeiterregelung soll dargestellt werden, wel­che Auswirkungen auf das Pensionssystem durch die neue Regelung zu erwarten ist, welche finanzielle Auswirkung kurz-, mittel- und langfristig zu erwarten ist und welche Personengruppen diese Regelung in Anspruch nehmen können (Geschlecht, zu er­wartende Pensionshöhe, Berufsgruppen).“

*****

Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

18.22

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Michael Hammer, Tanja Graf, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Prüfung der Auswirkungen durch Beschlussfassungen vom 19. 9. 2019 in den Bereichen Langzeitversicherte und Schwerarbeiter

eingebracht im Zuge der Debatte in der Sitzung des Nationalrates am Mittwoch, den 25. September 2019 zu Top 6) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Sicherheits­polizeigesetz, das Namensänderungsgesetz, das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Strafgesetzbuch, das Jugendgerichtsgesetz 1988, die Strafprozessordnung 1975, das Strafregistergesetz 1968, das Tilgungsgesetz 1972, die Exekutionsordnung, das Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz geändert wird und Verstöße gegen bestimmte einstweilige Verfügungen zum Schutz vor Gewalt und zum Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre zu Verwaltungsübertretungen erklärt werden, das Ärztegesetz 1998, das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, das Hebammengesetz, das Kardiotechnikergesetz, das MTD-Gesetz, das Medizinische Assistenzberufe-Ge­setz, das Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetz, das Sanitätergesetz, das Zahnärztegesetz, das Musiktherapiegesetz, das Psychologengesetz 2013, das Psy­chotherapiegesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Verbrechensopfer­gesetz und das Bundesgesetz mit dem das Bundesgesetz über die Grundsätze für Hilfen für Familien und Erziehungshilfen für Kinder und Jugendliche (Gewaltschutzge­setz 2019) geändert werden.

Mit Beschlussfassung des Nationalrats vom 19. September 2019 wurden Pensions­leistungen mit 540 Beitragsmonaten aus Erwerbstätigkeit sowie die Schwerarbeiterre­gelung abschlagsfrei gestellt. Diese Bestimmungen wurden im ASVG, BSVG und GSVG festgeschrieben. Es wurde damit eine Regelung zurückgenommen, die im Jahr 2014 unter Sozialminister Rudolf Hundstorfer eingeführt wurde, wonach Langzeit-


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versicherte mit 4,2% Abschlägen pro Jahr ab dem vollendeten 62. Lebensjahr in Pen­sion gehen konnten.

Die Gesetzesänderung wurde ins Parlament eingebracht, ohne dass ein formelles Be­gutachtungsverfahren möglich war und ohne dass es Klarheit über die finanziellen und strukturellen Auswirkungen auf das Pensionssystem gegeben hat.

Diese Auswirkungen sollen durch die Bundesregierung, insbesondere das BMASGK und das BMÖDS nachträglich noch dargestellt werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachfolgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz sowie der Bundesminister für Öffentlicher Dienst und Sport werden ersucht, dem Nationalrat ehestmöglich einen Bericht mit folgendem Inhalt zuzuleiten:

Auf der Grundlage der Beschlussfassung des Nationalrats vom 19. September 2019 betreffend die Abschlagsfreistellung von Pensionsleistungen mit 540 Beitragsmonaten aus Erwerbstätigkeit bzw. aus der Schwerarbeiterregelung soll dargestellt werden, welche Auswirkungen auf das Pensionssystem durch die neue Regelung zu erwarten ist, welche finanzielle Auswirkung kurz-, mittel- und langfristig zu erwarten ist und wel­che Personengruppen diese Regelung in Anspruch nehmen können (Geschlecht, zu erwartende Pensionshöhe, Berufsgruppen).“

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Mag. Jörg Leicht­fried zu Wort gemeldet. – Bitte.


18.22.58

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Abgeordneter Kühberger hat in seinem Redebeitrag gemeint, dass (in Richtung ÖVP) Sie in dieser Sache auf der Seite der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stehen.

Ich berichtige tatsächlich: Von 30 000 haben schon 20 000 gegen diesen Skandal un­terschrieben, Herr Kollege! Darauf möchte ich Sie nur hinweisen. (Abg. Amesbauer: Was haben sie unterschrieben?)

Zweitens: Kollege Kühberger hat auch behauptet, die Sozialdemokratische Partei wäre für diese Entwicklung verantwortlich.

Ich berichtige tatsächlich: Es war die alte Ibizakoalition (Abg. Amesbauer: Na geh, bitte!), die die Betriebskrankenkassen abgeschafft hat, und jetzt geht euch auf gut Ober­steirisch die Muffn davor. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Amesbauer: Ja, wahrschein­lich! – Abg. Schimanek: Das war jetzt keine tatsächliche Berichtigung!)

18.23


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Ge­rald Loacker. – Bitte.


18.24.00

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Frau Präsidentin! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Zum Kollegen Muchitsch und seinem unglaublichen Abände-


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rungsantrag: Letzte Woche hat hier eine Mehrheit von Rot, Blau und Schwarz be­schlossen, dass man keine Abschläge mehr hat, wenn man mit 62 Jahren in Pension geht. Jetzt sind Sie draufgekommen: Ups, es sind ja auch Leute im August und im September in Pension gegangen und die haben Abschläge, das ist vielleicht ein biss­chen unfair!, und jetzt wollen Sie das auch weghaben.

Was wird das bewirken? – Kollegin Heinisch-Hosek hat wie alle anderen SPÖ-Frauen politisch durchgeschlafen, das hilft nämlich nur den Männern. Das erhöht den Pen­siongap zwischen Männern und Frauen. Männer, die im Schnitt 2 400 Euro Pension bekommen, bekommen jetzt bis zu 12,4 Prozent dazu. Die Frauen haben überhaupt nichts davon. Und dass das Ganze auf Jahre hinaus Milliarden Euro kosten wird, ist den Sozialdemokraten natürlich schnurzpiepegal. (Beifall bei NEOS und ÖVP sowie des Abg. Deimek.)

Sie machen damit die nächste Ungerechtigkeit auf, denn es hat natürlich Leute gege­ben, die eigens länger gearbeitet haben, damit sie keine Abschläge haben. Die können sich jetzt fragen: Wieso habe ich überhaupt länger gearbeitet, der Beppo hätte es mir eh geschenkt?

Diese Regelung ist in hohem Maße ungerecht, undurchdacht und wirklich kurzsichtig, nur auf Wählerstimmen abzielend. (Beifall bei NEOS und ÖVP sowie des Abg. Deimek.)

18.25


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Sandra Wasser­mann. – Bitte.


18.25.33

Abgeordnete Sandra Wassermann (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Regierungsmitglieder auf der Regierungsbank! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren! Zu Beginn einige Fakten: Wir hatten in Österreich im Vorjahr 41 Frauenmorde zu bedauern. 936 Vergewaltigungen wurden bei der Polizei angezeigt; das bedeutet einen erschreckenden Anstieg um 14,6 Prozent. Von den 677 Tatverdächtigen bei Vergewaltigungen waren 45 Prozent Afghanen, Türken, Syrer und weitere nicht österreichische Staatsbürger.

Afghanen führen aber nicht nur die Statistik der Vergewaltigungen durch nicht österrei­chische Staatsbürger an, sie fallen auch beim Fälschen von Asylanträgen immer wie­der negativ auf. Wie heute die Kärntner „Kronen Zeitung“ berichtete, hat sich ein Asyl­werber in Kärnten wieder mehrere 10 000 Euro durch falsche Angaben erschlichen. (Ruf bei der SPÖ: So wie der Strache!)

Ja, Gewalt und Drogen liegen nahe beieinander. Auch dazu gibt es eine sehr trauri­ge Statistik, die ich Ihnen darlegen möchte. Es hat insgesamt 154 Drogentote im Jahr 2018 gegeben. Gedealt wird auch vor Schulen; unsere Kinder werden sukzessive vergiftet. Davor warne ich. (Beifall bei der FPÖ.)

Viele dieser immer mehr werdenden Problematiken, sehr geehrte Damen und Herren, haben ihren Ursprung aber auch in der Flüchtlingskrise 2015, weil sich seither große kulturelle Unterschiede in unserer Gesellschaft bemerkbar machen und auswirken. Ich denke etwa an die steigende Zahl der Bewohnerinnen mit nicht österreichischer Staats­bürgerschaft in unseren Frauenhäusern.

Ja, es war Innenminister Herbert Kickl, der diesen zunehmenden Anstieg an Gewaltde­likten sofort erkannt hat, die Polizei aufgestockt hat (Rufe bei der SPÖ: Wo?) und mit der Arbeit zum Gewaltschutzgesetz und zu einem erhöhten Opferschutz begonnen hat. (Beifall bei der FPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren, dieses Gewaltschutzgesetz ist auch ein Opferschutz­gesetz. Sehr geehrte Kolleginnen von der SPÖ, vielleicht würden Sie mir auch hier Ihre


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Aufmerksamkeit schenken, das wäre ein schönes Zeichen für Respekt und auch für den Opferschutz! (Abg. Heinisch-Hosek: Haben Sie ein Problem? Wir hören ja eh zu!)

Der Opferschutz wird verbessert, indem die Mindeststrafe bei Vergewaltigungen von einem Jahr auf mindestens zwei Jahre angehoben wird.

Der Opferschutz wird verbessert, indem bei Vergewaltigungen keine gänzlich bedingte Strafnachsicht mehr möglich sein wird. Ein Verurteilter muss jedenfalls einen Teil seiner Freiheitsstrafe tatsächlich absitzen.

Der Opferschutz wird verbessert, indem es mehr flächendeckende Beratungen bei se­xuellen Gewaltdelikten geben wird. Das ist gerade in Kärnten ein großes Thema, da haben wir großen Aufholbedarf.

Der Opferschutz wird verbessert, indem der Opfer-Notruf für Frauen in Akutsituationen eingerichtet wird. Er wird 365 Tage im Jahr erreichbar sein (Abg. Heinisch-Hosek: Den haben wir seit 25 Jahren! Wo leben Sie?), er wird rund um die Uhr erreichbar sein, anonym und auch kostenlos.

Der Opferschutz wird im Bereich des Stalkings verbessert, damit die Veröffentlichung von Bildaufnahmen des höchstpersönlichen Lebensbereiches auch in Zukunft Konse­quenzen tragen wird.

Der Opferschutz wird auch verbessert, wenn es darum geht, dass Frauen und Kindern, die in Frauenhäusern leben, auch der Umzug in ein anderes Bundesland ermöglicht wird. Das ist mir besonders wichtig, denn ich bin seit mehr als zehn Jahren ehrenamt­lich im Frauenhaus Klagenfurt engagiert und ich sehe, dass die Frauen und Kinder starker körperlicher, psychischer und ökonomischer Gewalt ausgesetzt sind; ich sehe schwere Schicksale, traumatisierte Kinder und Frauen, und Mitarbeiter, die zum Teil an ihrer Belastbarkeitsgrenze angekommen sind.

Sehr geehrte Damen und Herren, mit diesem Gewaltschutzgesetz schützen wir unsere Kinder und auch unsere Jugend. Wir beschließen ein lebenslanges Tätigkeitsverbot für verurteilte Straftäter, die die sexuelle Integrität einer minderjährigen oder wehrlosen Person verletzt haben.

Das alles ist in einer erfolgreichen Regierungsarbeit zustande gekommen. Es hat In­nenminister Herbert Kickl und die FPÖ als Motor gebraucht, um dieses Gewaltschutz­paket auf den Weg zu bringen. Auf uns, dessen können sich die Österreicherinnen und Österreicher sicher sein, können sie bauen, wenn es darum geht, in Sicherheit leben zu können. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

18.29


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Rai­ner Wimmer. – Bitte.


18.29.56

Abgeordneter Rainer Wimmer (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Vizekanzler! Frau Bun­desministerin! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Loa­cker, ich kenne Sie jetzt auch schon eine Zeit lang und ich muss sagen, ab und zu hat man schon den Eindruck – den vermitteln Sie immer wieder –, dass Sie es mit dem Löffel g’fressen haben.

Versuchen Sie einmal, 45 Jahre zu arbeiten; nicht am Schreibtisch, sondern wirklich auf der Baustelle, beim Dachdecken, bei der wirklichen Arbeit! Versuchen Sie das ein­mal! – Also sich hierherzustellen und das zu behaupten, das ist unmöglich. (Beifall bei der SPÖ.)

Es war ein guter Tag letzte Woche – auch wenn es jetzt ein bisschen anders darge­stellt wird –, als wir die Abschläge abgeschafft haben. Wir haben gesagt, 45 Jahre sind


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einfach genug, meine sehr geschätzten Damen und Herren! Die ÖVP hat dagegenge­stimmt. – Das war eine schallende Ohrfeige für die Kolleginnen und Kollegen, die da­von betroffen sind, geschätzte Damen und Herren von der ÖVP! Ich frage mich: Wo sind die Arbeitnehmervertreter der Schwarzen? Wo ist der ÖAAB? – Ich weiß schon: Die schlafen in der Pendeluhr, inklusive des Vorsitzenden, meine sehr geschätzten Da­men und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich habe sehr viele Gespräche geführt, mit BetriebsrätInnen und auch schwarzen Be­triebsräten, mit meinen Freunden – ich habe dort auch Freunde, liebe Kolleginnen und Kollegen (Abg. Nehammer: Du hast keine Freunde!) –, und ich bin nicht sicher, ob August Wöginger das als ÖAAB-Obmann langfristig überlebt, denn die haben (mit den Händen einen dicken Hals andeutend) so dicke Kabeln.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt aber heute noch eine Chance, weil wir ja ei­nen Entschließungsantrag einbringen wollen, mit dem wir die Abschläge auch für die Jahrgänge 1954 bis 1957 und für Beamte – das schauen wir uns jetzt an, wie ihr euch da verhaltet –, für die Eisenbahner und für die Postler abschaffen wollen. Es wird sich heute zeigen, ob ihr die Beamten, die Postler, die Eisenbahner, die Jahrgänge 1954 bis 1957 über die Klinge springen lasst oder ob ihr euch wirklich einmal auf die Schie­nen haut. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Amesbauer, ich weiß schon, das ist jetzt eine etwas wilde Geschichte – Ihre Ar­gumentation ist natürlich absolut nicht schlüssig –, aber FPÖ und ÖVP werden heute den Betriebskrankenkassen den Todesstoß versetzen. Seien Sie so fair und so ehrlich und sagen Sie das auch, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! 30 000 Versicherte der Betriebskrankenkassen Kapfenberg, Donawitz, Zeltweg und Mondi werden in Wirklichkeit gedemütigt. (Abg. Amesbauer: Was passiert denen? – Abg. Kassegger: Reden Sie nicht so einen Blödsinn!)

Ich sage euch etwas: Wir werden heute anfangen, die Leute zu informieren. (Abg. Amesbauer: Ja, macht das!) Wir werden heute mit den Menschen sprechen, und ich sage Ihnen eines: Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht. (Abg. Ames­bauer: Ja, bei euch!) – Nein, bei euch (in Richtung FPÖ) ist er gebrochen und bei euch (in Richtung ÖVP) werden wir es sehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich darf folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen

betreffend „abschlagsfreie Pensionen mit 540 Beitragsmonaten“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz sowie der Bundesminister für Finanzen werden aufgefordert, dem Nationalrat unverzüglich eine Regierungsvorlage zu übermitteln, mit der

•             in § 236 Abs. 4b ASVG und den analogen Bestimmungen im GSVG und BSVG Zeiten des Präsenz- und Zivildienstes als Beitragsmonate der Erwerbstätigkeit anerkannt werden,

•             der abschlagsfreie Ruhebezug bei 540 Beitragsmonaten analog der Bestim­mungen des § 236 Abs. 4b ASVG für Beamtinnen und Beamte sowie für defini­tiv gestellte Bedienstete der Post und Bahn geregelt wird, sowie


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 215

•             die Neuberechnung aller Pensions- und Ruhegenussleistungen mit 1.1.2020, die auf § 15 APG (Kontoerstgutschrift) beruhen oder die mit einem Stichtag ab 1.1.2014 und vor 1.1.2020 gewährt wurden und somit Abschläge bis zu 12,6 Prozent trotz 540 Beitragsmonaten aufweisen. Diese Leistungen sollen ab dem 1.1.2020 ohne Abschläge ausbezahlt werden.“

*****

(Beifall bei der SPÖ.)

18.33

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Josef Muchitsch, Rainer Wimmer

Genossinnen und Genossen

betreffend abschlagsfreie Pensionen mit 540 Beitragsmonaten

eingebracht im Zuge der Debatte zum Antrag 970/A betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz, das Namensänderungsgesetz, das Allgemeine bür­gerliche Gesetzbuch, das Strafgesetzbuch, das Jugendgerichtsgesetz 1988, die Straf­prozessordnung 1975, das Strafregistergesetz 1968, das Tilgungsgesetz 1972, die Exekutionsordnung, das Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz geändert wird und Verstöße gegen bestimmte einstweilige Verfügungen zum Schutz vor Gewalt und zum Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre zu Verwaltungsübertretungen erklärt werden, das Ärztegesetz 1998, das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, das Heb­ammengesetz, das Kardiotechnikergesetz, das MTD-Gesetz, das Medizinische As­sistenzberufe-Gesetz, das Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetz, das Sani­tätergesetz, das Zahnärztegesetz, das Musiktherapiegesetz, das Psychologenge­setz 2013, das Psychotherapiegesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Verbrechensopfergesetz und das Bundesgesetz mit dem das Bundesgesetz über die Grundsätze für Hilfen für Familien und Erziehungshilfen für Kinder und Jugendliche (Gewaltschutzgesetz 2019) geändert werden

Mit Beschlussfassung vom 19. September dieses Jahres wurden Pensionsleistungen mit 540 Beitragsmonaten aus Erwerbstätigkeit abschlagsfrei gestellt. Diese Bestim­mungen wurden im ASVG, BSVG und GSVG festgeschrieben. Nicht erfasst sind davon Beamtinnen und Beamte sowie definitiv gestellte Bedienstete der Post und Bahn. Hier ist es erforderlich eine analoge Regelung zu schaffen. Außerdem sollen jene Jahr­gänge, die nach Abschaffung der Langzeitversichertenregelung Pensionen mit bis zu 12,6 Prozent Abschlägen trotz 540 Beitragsmonaten zuerkannt bekamen, mit 1.1.2020 eine Neuberechnung ihrer Pensionsleistung ohne Abschläge erhalten.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachfolgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz sowie der Bundesminister für Finanzen werden aufgefordert, dem Nationalrat unverzüglich eine Regierungsvorlage zu übermitteln, mit der


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 216

•             in § 236 Abs. 4b ASVG und den analogen Bestimmungen im GSVG und BSVG Zeiten des Präsenz- und Zivildienstes als Beitragsmonate der Erwerbstätigkeit anerkannt werden,

•             der abschlagsfreie Ruhebezug bei 540 Beitragsmonaten analog der Bestim­mungen des § 236 Abs. 4b ASVG für Beamtinnen und Beamte sowie für defini­tiv gestellte Bedienstete der Post und Bahn geregelt wird, sowie

•             die Neuberechnung aller Pensions- und Ruhegenussleistungen mit 1.1.2020, die auf § 15 APG (Kontoerstgutschrift) beruhen oder die mit einem Stichtag ab 1.1.2014 und vor 1.1.2020 gewährt wurden und somit Abschläge bis zu 12,6 Prozent trotz 540 Beitragsmonaten aufweisen. Diese Leistungen sollen ab dem 1.1.2020 ohne Abschläge ausbezahlt werden.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher auch mit in der parlamentarischen Verhandlung.

Herr Abgeordneter Wolfgang Zanger, Sie sind als Nächster zu Wort gemeldet. – Bitte.


18.34.07

Abgeordneter Wolfgang Zanger (FPÖ): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Richtig ist, dass vorige Woche ein guter Tag für die Arbeite­rinnen und Arbeiter war, weil wir beschlossen haben: 45 Jahre sind genug, danach steht einem die abschlagsfreie Pension zu.

Das ist völlig richtig; gut ist es auch deshalb, weil wir das 13. und 14. Monatsgehalt nun endlich einmal gesetzlich verankert haben. Das war eine vernünftige Sache. Das habt ihr, liebe Kollegen von der roten Seite, ja wirklich jahrzehntelang nicht zustande ge­bracht. Da sieht man, was möglich ist, wenn man vernünftig miteinander redet. (Beifall bei der FPÖ.)

Heute ist auch ein guter Tag für die 30 000 Arbeitnehmer in der Obersteiermark, weil wir die Leistungen, die sie bis jetzt über die Betriebskrankenkassen separat erhalten haben, sichergestellt haben. Es bleibt so, wie es ist. Die Versicherten haben auch in Zukunft keine Nachteile. Da habt ihr nicht mitgetan; das wundert mich. Ich verstehe überhaupt nicht, wie so etwas passieren kann, wenn man angeblich für die Arbeiter steht; das ist interessant.

Wie gesagt – ich wiederhole noch einmal –: Die Leistungen bleiben aufrecht, das Ver­mögen bleibt erhalten, einzig die Braut bekommt ein neues Kleid, aber deswegen wird sie nicht hässlicher, deswegen ist sie nicht gleich begraben oder sonst irgendetwas. (Abg. Leichtfried: Das habt ihr bei den Schwarzen auch geglaubt!) – Ja, Kollege Leichtfried, zu dir dann noch ein spezielles Wort am Schluss.

Ich freue mich schon; Kollege Wimmer hat ja gesagt, er werde heute noch damit an­fangen, die Kollegen zu informieren – wieder einmal, zum wiederholten Male mit Un­wahrheiten und mit Falschinfos –: Lieber Kollege Wimmer, da war ich dir einen Schritt voraus, die sind schon informiert, die wissen, dass ihr wieder versucht, die Unwahrheit zu sagen! (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Obernosterer.)

Lieber Kollege Leichtfried, du hast vorhin davon geredet, dass wir schon Muffensausen hätten: Wenn du wissen willst, wem wirklich die Muffen geht, dann brauchst du nur in den Spiegel zu schauen! – Danke. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Obernoste­rer. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

18.36



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 217

Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag.a Selma Yildirim. – Bitte.


18.36.33

Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Frau Präsidentin! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte die Debatte zum Ge­waltschutzgesetz weiterführen; so wichtig die sozialversicherungsrechtlichen Belange auch sind.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn man sich die Ausführungen meiner Vorredne­rinnen und Vorredner von ÖVP und FPÖ angehört hat, muss man zum Schluss kom­men, dass da Ideologie im Vordergrund steht, Ideologie vor Opferschutz, Ideologie vor Gewaltschutz, und das ist peinlich, um es vorsichtig auszudrücken. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist wichtig, das Gewaltschutzgesetz zu verbessern und weiterzuentwickeln. Es wird so viel vom öffentlichen Raum geredet – alles ist ernst zu nehmen, jede Frau, jedes Kind, jeder Mensch ist zu schützen –, blei­ben wir aber bei den Fakten, denn Fakt ist: Das eigene Zuhause ist für Frauen und Kin­der immer noch der gefährlichste Ort! Im vergangenen Jahr war Österreich europaweit an der traurigen Spitze, was die Zahl an Frauenmorden angeht; auch heuer sind die Zahlen wieder dramatisch hoch.

Nun liegt ein sogenanntes Gewaltschutzpaket vor, das von vielen Gewaltschutzeinrich­tungen, Fraueneinrichtungen, Opferschutzeinrichtungen, von Rechtsanwendern, wie wir gehört haben, von Interessenvertretungen, der Rechtsanwaltskammer, der Richter­vereinigung, den Staatsanwaltschaften abgelehnt wird; alle lehnen das ab. – Das macht Sie nicht nachdenklich? Es macht Sie nicht nachdenklich, dass so ein wichtiges Thema wie der Gewaltschutz von Ihnen, von ÖVP und FPÖ, in einem Initiativantrag zu 25 Gesetzen ohne Behandlung im zuständigen Justizausschuss dem Nationalrat zur Beschlussfassung vorgelegt wird? Ist das nicht peinlich, an Peinlichkeit kaum zu über­treffen? (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Eine meiner Vorrednerinnen, die Tiroler ÖVP-Ab­geordnete Pfurtscheller, hat behauptet, es werde eine Hotline eingerichtet werden. – Guten Morgen, diese Hotline besteht seit vielen Jahren! Und, was ganz, ganz wichtig ist, sehr geehrte Damen und Herren: Die SPÖ hat immer schon darauf gepocht, dass, um hochrisikogefährdete Frauen – das sind Frauen, die einem enormen Risiko ausge­setzt sind, von ihrem Partner oder Ex‑Partner im schlimmsten Fall sogar ermordet zu werden – entsprechend sicher unterzubringen, vom Gefährder wegzubringen, dringend ein neues Budget, ein eigenes Budget notwendig ist.

Bei den Maßnahmen, die sofort umgesetzt werden können, passiert nichts. Was glau­ben Sie, wie groß das Erstaunen war, als am 8. Februar 2018 100 neue Schutzplätze verkündet wurden? – Die Gewaltschutzeinrichtungen warten immer noch auf diese Schutzplätze.

Sehr geehrte Damen und Herren! Gewaltschutz ist viel zu wichtig, um populistische Law-and-Order-Politik zu betreiben (Beifall bei der SPÖ), eine Politik der Überschriften, eine Politik des Wahlkampfes und der PR-Maßnahmen. Hören Sie endlich damit auf und setzen Sie Taten! Setzen Sie Sofortmaßnahmen um, weil das viel zu wichtig ist, als dass man Gewaltschutz als Wahlkampfthema missbraucht! (Beifall bei der SPÖ.)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 218

18.40


Präsidentin Doris Bures: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abge­ordnete Pfurtscheller zu Wort gemeldet. – Bitte.


18.40.16

Abgeordnete Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller (ÖVP): Frau Präsidentin! Ho­hes Haus! Frau Kollegin Yildirim hat behauptet, ich hätte vorhin gesagt, es werde neu­erdings eine Gewaltschutzhelpline eingerichtet und ich hätte da etwas verschlafen.

Ich berichtige tatsächlich: Das habe nicht ich gesagt, sondern das hat Frau Kollegin Wassermann von der FPÖ gesagt. Ich weiß, dass es bereits eine Helpline gibt, und habe nichts verschlafen, nein, bei solch einer Debatte bin ich außerordentlich wach. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

18.40


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Werner Herbert. – Bitte.


18.41.00

Abgeordneter Werner Herbert (FPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Als einer der letzten Redner zu diesem Tagesordnungspunkt hat man es nicht leicht, weil inhaltlich schon nahezu alles berichtet und festgestellt wurde.

Es geht in diesem Gewaltschutzpaket wie gesagt nicht nur um eine umfassende Er­weiterung des Schutzes von Frauen und Kindern sowie um Schutzmaßnahmen zur se­xuellen Selbstbestimmung und Integrität, auch die Ausweitung des Betretungs- und Annäherungsverbotes ist, wie wir meinen, eine gute, wichtige und sinnvolle Maßnah­me, um verbesserte Schutzmaßnahmen insbesondere für Frauen und Kinder zu ge­währleisten, sondern es geht auch um eine Erweiterung von Straftatbeständen im Strafgesetzbuch, sodass es – und das hat Kollege Tschank von meiner Fraktion schon ausgeführt – für Angriffe auf Beamte eine erhöhte Strafdrohung gibt. Für mich als Poli­zisten, als Exekutivbeamten ist das eine besondere Freude, gab es doch in den letzten Jahren ständig eine Steigerung der Zahl der Angriffe.

Es ist das eine gute, eine wichtige, eine sinnvolle Maßnahme, wie ich meine, weil es ja nicht nur ein Zeichen der Gesellschaft ist, jenen Personen, die für Recht und Ordnung sorgen, auch entsprechende Schutzmaßnahmen zu bieten, sondern weil es auch um die Anerkennung und Wertschätzung jener Berufsgruppe geht, die tagtäglich, und das rund um die Uhr, da ist, um der Bevölkerung jenen Schutz und jene Sicherheit zu bie­ten, die sie verdient und die, wie wir glauben, notwendig sind.

In diesem Sinne darf ich an das in der vergangenen Woche beschlossene Gesetz, welches die Pensionsregelungen neu definiert, anschließen, in dem es darum geht, dass man mit 540 Beitragsmonaten aus Erwerbstätigkeit oder Schwerarbeit abschlags­frei in Pension gehen kann. Das gilt bis dato nur für ASVG-Pensionisten, nicht aber für den öffentlichen Dienst, und da sind gerade auch die eben erwähnten Polizisten, aber auch Justizwachebeamte beziehungsweise Bundesheerangehörige besonders ange­sprochen.

Aus diesem Grund darf ich folgenden Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen

betreffend „Prüfung des legistischen Anpassungsbedarfs durch Beschlussfassungen vom 19.9.2019 in den Bereichen Langzeitversicherte und Schwerarbeiter“

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachfolgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 219

„Die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz sowie der Bundesminister für Öffentlicher Dienst und Sport werden ersucht, dem Nationalrat ehestmöglich einen Bericht mit folgendem Inhalt zuzuleiten:

Auf der Grundlage der Beschlussfassung des Nationalrats vom 19. September 2019 betreffend die Abschlagsfreistellung von Pensionsleistungen mit 540 Beitragsmonaten aus Erwerbstätigkeit bzw. aus der Schwerarbeiterregelung soll der Anpassungsbedarf legistisch und finanziell geprüft werden

-             ob und in welcher Art und Weise eine analoge Regelung für Beamtinnen und Beamte, insbesondere auch im Exekutivdienst, dh. etwa bei Polizei, Justizwa­che oder Bundesheer und anderen ähnlichen Berufsgruppen des öffentlichen Dienstes legistisch umzusetzen ist und welche finanziellen Auswirkungen das kurz-, mittel- und langfristig haben kann.

-             ob und in welcher Art und Weise eine analoge Regelung für jene Jahrgänge, die nach Abschaffung der Langzeitversichertenregelung Pensionen mit bis zu 12,6 Prozent Abschlägen trotz 540 Beitragsmonaten zuerkannt bekamen, mit 1.1.2020 eine Neuberechnung ihrer Pensionsleistung ohne Abschläge legistisch umzusetzen ist und welche finanziellen Auswirkungen das kurz-, mittel- und langfristig haben kann.

-             ob und in welcher Art und Weise in diesem Zusammenhang mit den oben ge­nannten Anpassungen Beitragsmonate auf Grund einer Erwerbstätigkeit durch Zeiten des Präsenz- und Zivildienstes in diesem Zusammenhang berücksichtigt werden können.“

*****

Ich darf Sie einladen, diesen Entschließungsantrag zu unterstützen.

Abschließend darf ich noch auf den Antrag der Kollegin Steinacker betreffend Erwei­terung der Maßnahmen beziehungsweise Bestimmungen zum Hausfriedensbruch ein­gehen. Frau Kollegin, grundsätzlich sind wir da schon auf Ihrer Seite, auch wir finden das, was Sie uns da vorgeschlagen haben, durchaus attraktiv, allerdings war das doch sehr kurzfristig und ohne Ausschussbefassung; es kommt uns doch ein bisschen zu schnell. Das heißt, wir sind grundsätzlich auf Ihrer Seite, werden aber heute hier trotz­dem diesem Antrag nicht zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ. – Zwi­schenruf des Abg. Klaus Uwe Feichtinger.)

18.45

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Werner Herbert und weiterer Abgeord­neter

betreffend Prüfung des legistischen Anpassungsbedarfs durch Beschlussfassungen vom 19.9. 2019 in den Bereichen Langzeitversicherte und Schwerarbeiter

eingebracht im Zuge der Debatte in der Sitzung des Nationalrates am Mittwoch, den 25. September 2019 zu Top 6) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Sicherheits­polizeigesetz, das Namensänderungsgesetz, das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Strafgesetzbuch, das Jugendgerichtsgesetz 1988, die Strafprozessordnung 1975, das Strafregistergesetz 1968, das Tilgungsgesetz 1972, die Exekutionsordnung, das Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz geändert wird und Verstöße ge-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 220

gen bestimmte einstweilige Verfügungen zum Schutz vor Gewalt und zum Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre zu Verwaltungsübertretungen erklärt werden, das Ärzte­gesetz 1998, das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, das Hebammengesetz, das Kardiotechnikergesetz, das MTD-Gesetz, das Medizinische Assistenzberufe-Gesetz, das Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetz, das Sanitätergesetz, das Zahn­ärztegesetz, das Musiktherapiegesetz, das Psychologengesetz 2013, das Psychothe­rapiegesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Verbrechensopfergesetz und das Bundesgesetz mit dem das Bundesgesetz über die Grundsätze für Hilfen für Familien und Erziehungshilfen für Kinder und Jugendliche (Gewaltschutzgesetz 2019) geändert werden.

Mit Beschlussfassung des Nationalrats vom 19. September 2019 wurden Pensions­leistungen mit 540 Beitragsmonaten aus Erwerbstätigkeit sowie die Schwerarbeiterre­gelung abschlagsfrei gestellt. Diese Bestimmungen wurden im ASVG, BSVG und GSVG festgeschrieben. Nicht erfasst sind davon bisher Beamtinnen und Beamte, ins­besondere auch im Exekutivdienst, dh. etwa bei Polizei, Justizwache oder Bundesheer und anderen ähnlichen Berufsgruppen des öffentlichen Dienstes.

Hier ist durch die Bundesregierung, insbesondere das BMASGK und das BMÖDS ein Anpassungsbedarf dergestalt zu prüfen, ob und in welcher Art und Weise eine analoge Regelung für Beamtinnen und Beamte, insbesondere auch im Exekutivdienst, dh. etwa bei Polizei, Justizwache oder Bundesheer und anderen ähnlichen Berufsgruppen des öffentlichen Dienstes legistisch umzusetzen ist und welche finanziellen Auswirkungen das kurz-, mittel- und langfristig haben kann.

Darüber hinaus ist durch die Bundesregierung, insbesondere das BMASGK und das BMÖDS ein Anpassungsbedarf dergestalt zu prüfen, ob und in welcher Art und Weise eine analoge Regelung für jene Jahrgänge, die nach Abschaffung der Langzeitversi­chertenregelung Pensionen mit bis zu 12,6 Prozent Abschlägen trotz 540 Beitragsmo­naten zuerkannt bekamen, mit 1.1.2020 eine Neuberechnung ihrer Pensionsleistung ohne Abschläge legistisch umzusetzen ist und welche finanziellen Auswirkungen das kurz-, mittel- und langfristig haben kann.

Dabei soll insbesondere auch ein Anpassungsbedarf legistisch und finanziell geprüft werden, ob und in welcher Art und Weise im Zusammenhang mit den oben genannten Regelungen Beitragsmonate auf Grund einer Erwerbstätigkeit durch Zeiten des Prä­senz- und Zivildienstes berücksichtigt werden können.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachfolgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz sowie der Bundesminister für Öffentlicher Dienst und Sport werden ersucht, dem Nationalrat ehestmöglich einen Bericht mit folgendem Inhalt zuzuleiten:

Auf der Grundlage der Beschlussfassung des Nationalrats vom 19. September 2019 betreffend die Abschlagsfreistellung von Pensionsleistungen mit 540 Beitragsmonaten aus Erwerbstätigkeit bzw. aus der Schwerarbeiterregelung soll der Anpassungsbedarf legistisch und finanziell geprüft werden

-             ob und in welcher Art und Weise eine analoge Regelung für Beamtinnen und Beamte, insbesondere auch im Exekutivdienst, dh. etwa bei Polizei, Justizwa­che oder Bundesheer und anderen ähnlichen Berufsgruppen des öffentlichen Dienstes legistisch umzusetzen ist und welche finanziellen Auswirkungen das kurz-, mittel- und langfristig haben kann.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 221

-             ob und in welcher Art und Weise eine analoge Regelung für jene Jahrgänge, die nach Abschaffung der Langzeitversichertenregelung Pensionen mit bis zu 12,6 Prozent Abschlägen trotz 540 Beitragsmonaten zuerkannt bekamen, mit 1.1.2020 eine Neuberechnung ihrer Pensionsleistung ohne Abschläge legistisch umzusetzen ist und welche finanziellen Auswirkungen das kurz-, mittel- und langfristig haben kann.

-             ob und in welcher Art und Weise in diesem Zusammenhang mit den oben ge­nannten Anpassungen Beitragsmonate auf Grund einer Erwerbstätigkeit durch Zeiten des Präsenz- und Zivildienstes in diesem Zusammenhang berücksichtigt werden können.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Petra Bayr. – Bitte.


18.46.07

Abgeordnete Petra Bayr, MA MLS (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Vizekanzler! Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Novelle, die Sie heute hier in einem Husch-Pfusch durchpeitschen werden, ist von viel Unkenntnis getragen und ignoriert all den Rat, die Kritik – und in der Begutachtungsphase zeigte sich in der Tat ein inhalt­liches Desaster; es ist sehr viel Kritik, fundierte Kritik, gekommen. Kaum etwas von die­ser fundierten Kritik findet sich jetzt in dem wieder, was heute hier beschlossen werden soll.

Sie erweisen damit dem Gewaltschutz und vor allem den Gewaltopfern einen riesen­großen Bärendienst, denn das, was wir nicht brauchen, ist eine Anzeigepflicht. Wir brauchen Vertrauen zwischen denen, die Gewalt erlitten haben, und denen, die versu­chen, ihnen zu helfen.

Wir brauchen keine höheren Strafen, wir brauchen mehr Verurteilungen. Höhere Straf­drohungen werden, wie wir auch bei anderen Gesetzesmaterien sehen, nicht unbe­dingt dazu beitragen, dass es mehr Verurteilungen gibt.

Wir brauchen lückenlose Ermittlungen. Unsere Strafvollzugsbehörden sind nach wie vor unglaublich überfordert, auch personell überfordert, und da muss etwas gemacht werden. Momentan liegt die Verurteilungsrate bei Gewaltdelikten gegen Frauen im ein­stelligen Bereich – das ist einfach zu wenig, und diesbezüglich tun Sie nichts. Wir brau­chen Geld, wir brauchen eine finanzielle und personelle Ausstattung für die bestehen­den Gewaltschutzeinrichtungen, die sehr gut funktionieren, die Frauen wirklich dort ab­holen könnten, dort helfen könnten, wo sie es brauchen, aber dafür ist nichts vorgese­hen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich bedanke mich bei all jenen, die heute in der Früh am Josefsplatz ein starkes Zei­chen gegen dieses vermeintliche Gewaltschutzpaket gesetzt haben, Rücken an Rü­cken mit Fridays for Future. So begrüßenswert es ist, dass wir heute in der Früh am Josefsplatz so stark vertreten waren und uns so klar gegen diese Maßnahmen ausge­sprochen haben, so unverständlich ist es für mich, dass die bisherige Frauenministe­rin – die auch hier ist – bisher kein einziges Wort zu dieser für Frauen ja doch so wich­tigen Materie gefunden hat. (Beifall bei der SPÖ.)

Lassen Sie mich noch auf zwei quasi Kollateralschäden eingehen. Erstens das Ju­gendgerichtsgesetz: Es ist fatal, junge Menschen zwischen 19 und 21 Jahren, die jetzt anders behandelt werden – und wir haben gute Erfahrungen damit, dass sie anders


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behandelt werden –, mit den wirklich schweren Knastbrüdern gemeinsam zu verwah­ren und gemeinsam wegzusperren. Die Jugendgerichtsbarkeit – damit auch den Ju­gendgerichtshof und -strafvollzug – hat ja Schwarz-Blau I schon ausgeschaltet und abgeschafft; sie wurde nie wieder eingeführt. Das ist sicherlich keine Maßnahme, die diesen jungen Menschen auf dem Weg zur Resozialisierung hilft.

Der zweite Kollateralschaden, der aber wahrscheinlich jetzt eh keiner werden wird, entstünde durch den Abänderungsantrag von der ÖVP, in dem es rein darum geht, Tierschützer zu kriminalisieren, in dem es darum geht, gegen Leute, die aufzeigen, wie Tiere gehalten werden, nämlich nicht artgerecht, sondern nur profitgerecht, mit dem Strafgesetzbuch vorzugehen, obwohl wahrscheinlich locker Verwaltungsstrafen reichen würden. Das ist vollkommen überschießend. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das, was Sie heute hier beschließen oder beschließen wollen – so wie es aussieht, werden Sie keine Unterstützung dafür kriegen –, ist jedenfalls nicht sinnvoll. Machen Sie lieber etwas dafür, dass all das, was in diesem Gesetz durchaus gut ist, umgesetzt werden kann! Zum Beispiel wird die Verfolgung oder die Prävention von FGM ohne mehr personelle Mittel für die Stellen, die da aktiv werden sollen, nicht funktionieren können.

Also vieles von dem, was in diesem Gewaltschutzpaket drinsteht, ist wirklich nur lip service und nicht viel mehr, es ist einfach ein Lippenbekenntnis und nicht viel dahin­ter. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ.)

18.50


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Dr.in Alma Zadić. – Bitte.


18.50.11

Abgeordnete Dr. Alma Zadić, LL.M. (ohne Klubzugehörigkeit): Frau Präsidentin! Ge­schätzter Herr Minister! Geschätzte Frau Ministerin! Hohes Haus! Geschätzte Zusehe­rinnen und Zuseher! Dieses Gewaltschutzpaket, das hier im Schnelldurchlauf durchge­peitscht werden soll, spricht Bände über diese zynische Politik der ÖVP und der FPÖ der letzten zwei Jahre. Es ist für alle Frauen, die von Gewalt betroffen sind, sprichwört­lich ein Schlag ins Gesicht.

Meine Damen und Herren! Sie ignorieren ExpertInnen, Sie ignorieren Wissenschaft­lerInnen, Sie ignorieren all jene, die sich mit Opfern beschäftigen; viele von ihnen warnen vor diesem Gewaltschutzpaket. Es warnen auch erfahrene RichterInnen, es warnen RechtsanwältInnen, ja sogar der Präsident der Rechtsanwaltskammer, Herr Dr. Wolff, hat von einem massiven, gefährlichen Rückschritt in vergangene Zeiten ge­sprochen. Sogar unser Justizminister spricht hinsichtlich von Teilen dieses Gesetzent­wurfes von einem zivilisatorischen Rückschritt.

Meine Damen und Herren! Diese geplanten Straferhöhungen werden nicht dazu führen (Abg. Deimek: Was sollen wir sonst machen ...?), dass mehr Personen verurteilt wer­den. Sie werden auch nicht dazu führen, dass an unseren strukturellen gesellschaftli­chen Problemen etwas verändert wird. Sie werden auch nicht dazu führen, dass die Täter von Verbrechen abgeschreckt werden, denn es gibt zig Studien, die belegen, dass sich der Vergewaltiger zum Zeitpunkt der Vergewaltigung nicht die Frage stellt: Kriege ich jetzt ein halbes Jahr oder ein Jahr dafür? – Ganz im Gegenteil, sehr oft passiert es, dass Täter und Opfer in einer Nahebeziehung stehen. Das heißt, wenn die Frau, die von Gewalt betroffen ist, das Gefühl hat, dass ihr Mann oder ihr Vater für lange Zeit eingesperrt wird, wird das auch dazu führen, dass sie unter Druck gesetzt wird und letzten Endes nicht Anzeige erstattet.

Unterhalten wir uns einmal kurz über diese Verurteilungsraten. Wir wissen, dass die Verurteilungsraten in Österreich für alle strafbaren Formen von Gewalt gegen Frauen


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zu niedrig sind. In den letzten Jahren sind diese Verurteilungsraten sogar zurückge­gangen. Woran liegt das? – Es liegt nicht daran, dass Gesetze fehlen oder dass wir zu laxe Gesetze haben, sondern es hapert sehr oft an der Umsetzung.

Die bereits existierenden Strafrahmen werden bei Weitem nicht ausgenutzt, und wir wissen auch, woran das liegt. Es liegt an zwei Sachen: Es liegt letzten Endes an der Ressourcenknappheit in der Justiz – wir wissen, dass Beweismittel nicht rechtzeitig aufgenommen werden können, dass ZeugInnen nicht vernommen werden können – und wir wissen auch, es liegt daran, dass es zu wenig Sensibilisierungsmaßnahmen und zu wenig Schulungen in diesem Bereich gibt. Viele Verfahren, meine Damen und Herren, werden eingestellt, und genau deswegen gibt es keine Verurteilungen.

Unterhalten wir uns aber auch noch ganz kurz über die Anzeigepflicht, die in diesem Paket vorgesehen ist. Wir wissen auch, dass viele dieser Frauen oft die Arztpraxis oder das Krankenhaus als erste Anlaufstelle haben. Wir wissen, dass sie dort Schutz su­chen, dass sie dort medizinische Hilfe bekommen, und wir wissen, dass sie dort auch eine kurze Auszeit bekommen. Wenn sie jetzt fürchten müssen, dass bei jeder medi­zinisch notwendigen Untersuchung auch gleichzeitig eine Anzeige erstattet wird, dann besteht natürlich die Gefahr, dass diese Frauen unter Druck gesetzt werden und letz­ten Endes nicht die medizinisch notwendige Hilfe in Anspruch nehmen.

Meine Damen und Herren! Wenn wir tatsächlich etwas ändern wollen, wenn wir uns tatsächlich der Gewalt an Frauen annehmen wollen, dann müssen wir über die Macht­verhältnisse sprechen. Wir müssen über Sexismus reden, wir müssen über die gefähr­lichen Folgen patriarchaler Strukturen sprechen, wir müssen also diese gesellschaftli­chen Ursachen für Gewalt an Frauen ansprechen. Letzten Endes müssen wir auch über die soziale Frage reden, denn die Freiheit und Sicherheit von Frauen ist immer auch eine soziale Frage. Die Befreiung von Frauen aus ökonomischen Abhängigkeiten ist auch eine Aufgabe, derer sich der Staat annehmen sollte. (Beifall bei der SPÖ so­wie der Abg. Cox.)

Meine Damen und Herren! Eine Politik, die Gewaltschutz konsequent ernst nimmt, muss gesamtgesellschaftlich gedacht werden. Wir brauchen ganz dringend eine finan­zielle Aufstockung im Frauenministerium, eine finanzielle Aufstockung in der Justiz, aber wir müssen uns auch darüber unterhalten, dass Täterarbeit und Opferschutz fi­nanziell ausreichend ausgestattet werden. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Griss und Cox.)

18.55


18.55.33

Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich frage, ob die Berichterstatterin ein Schlusswort wünscht. – Das ist nicht der Fall.

Damit gelangen wir zu einer Reihe von Abstimmungen. – Ich bitte die Damen und Herren Abgeordneten, ihre Plätze einzunehmen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den im Antrag 970/A der Abgeordneten Mag.a Stein­acker, Mag. Stefan, Kolleginnen und Kollegen enthaltenen Gesetzentwurf.

Hiezu haben die Abgeordneten Kühberger, Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen, die Abgeordneten Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen, die Abgeordneten Stöger, di­plomé, Kolleginnen und Kollegen, die Abgeordneten Mag.a Steinacker, Kolleginnen und Kollegen, die Abgeordneten Mag.a Steinacker, Mag. Stefan, Kolleginnen und Kollegen insgesamt fünf Zusatz- beziehungsweise Abänderungsanträge eingebracht.

Weiters liegen zwei Verlangen auf getrennte Abstimmung der Abgeordneten Dr.in Griss vor.


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Ich werde daher zunächst über die von den erwähnten Zusatz- beziehungsweise Ab­änderungsanträgen und Verlangen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile – der Systematik des Gesetzentwurfes folgend – und anschließend über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Mag.a Steinacker, Mag. Stefan, Kolleginnen und Kollegen haben ei­nen Abänderungsantrag betreffend Art. 1 Z 5 § 38a Abs. 1 eingebracht.

Wer hiefür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir gelangen zur getrennten Abstimmung über Art. 1 Z 5 betreffend § 38a Abs. 8 Z 12 und 13 sowie Z 14 betreffend § 84 Abs. 1b Z 3 in der Fassung des Initiativantrages.

Wer sich hiefür ausspricht, den bitte ich um ein bejahendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Die Abgeordneten Mag.a Steinacker, Mag. Stefan, Kolleginnen und Kollegen haben ei­nen Abänderungsantrag betreffend Art. 1 Z 16 und Artikel 3 eingebracht.

Wer hiefür eintritt, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir gelangen zur getrennten Abstimmung über Art. 4 Z 1 und 2 in der Fassung des Ini­tiativantrages.

Wer spricht sich dafür aus? – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Die Abgeordneten Mag.a Steinacker, Mag. Stefan, Kolleginnen und Kollegen haben ei­nen Zusatzantrag betreffend Einfügung einer Ziffer 2a in Artikel 4 eingebracht.

Wer hiefür eintritt, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir gelangen zur getrennten Abstimmung über Art. 4 Z 3 und 4 in der Fassung des Ini­tiativantrages.

Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit ange­nommen.

Die Abgeordneten Mag.a Steinacker, Mag. Stefan, Kolleginnen und Kollegen haben ei­nen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag betreffend Einfügung einer Ziffer 4a und Änderung der Ziffer 5 in Artikel 4 eingebracht.

Wer hiefür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir gelangen zur getrennten Abstimmung über Art. 4 Z 6 in der Fassung des Initiativ­antrages.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem die Zustimmung geben, um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Die Abgeordneten Mag.a Steinacker, Mag. Stefan, Kolleginnen und Kollegen haben ei­nen Zusatzantrag betreffend Einfügung einer Ziffer 6a in Artikel 4 eingebracht.

Wer ist dafür? – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Die Abgeordneten Mag.a Steinacker, Mag. Stefan, Kolleginnen und Kollegen haben ei­nen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag betreffend Einfügung der Ziffern 7a und 11a sowie Änderungen der Ziffern 9, 10 und 13 in Artikel 4 eingebracht.

Wer ist dafür? – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Die Abgeordneten Mag.a Steinacker, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatzan­trag betreffend Einfügung einer Ziffer 14a in Artikel 4 eingebracht.

Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, ab­gelehnt.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 225

Wir gelangen zur getrennten Abstimmung über Art. 4 Z 15 in der Fassung des Ini­tiativantrages.

Ich bitte bei Zustimmung um ein bejahendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit so an­genommen.

Die Abgeordneten Mag.a Steinacker, Mag. Stefan, Kolleginnen und Kollegen haben ei­nen Abänderungsantrag betreffend Art. 4 Z 16 eingebracht.

Wer spricht sich dafür aus? – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

Wir gelangen zur getrennten Abstimmung über Artikel 5 in der Fassung des Initiativ­antrages.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich dafür aussprechen, um ein Zeichen der Zu­stimmung. – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

Die Abgeordneten Mag.a Steinacker, Mag. Stefan, Kolleginnen und Kollegen haben ei­nen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag betreffend Artikel 6 bis 9 sowie 11 bis 19 eingebracht.

Wer spricht sich hiefür aus? – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

Wir gelangen zur getrennten Abstimmung über Artikel 20 des Gesetzentwurfes.

Hiezu haben die Abgeordneten Mag.a Steinacker, Mag. Stefan, Kolleginnen und Kolle­gen einen Abänderungsantrag betreffend Art. 20 Z 2 § 32 Abs. 5 eingebracht.

Wer ist dafür? – Das ist die Mehrheit, angenommen.

Wir kommen zur getrennten Abstimmung über Artikel 20 des Gesetzentwurfes in der Fassung des Initiativantrages und unter Berücksichtigung des soeben angenommenen Abänderungsantrages.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich dafür aussprechen, um ein Zeichen der Zu­stimmung. – Das ist auch mit Mehrheit angenommen.

Wir gelangen zur getrennten Abstimmung über Artikel 21 des Gesetzentwurfes.

Hiezu haben die Abgeordneten Mag.a Steinacker, Mag. Stefan, Kolleginnen und Kolle­gen einen Abänderungsantrag betreffend Art. 21 § 37 Abs. 5 eingebracht.

Wer spricht sich dafür aus? – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

Wir kommen zur getrennten Abstimmung über Artikel 21 des Gesetzentwurfes in der Fassung des Initiativantrages und unter Berücksichtigung des soeben angenommenen Abänderungsantrages.

Wer spricht sich dafür aus? – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

Wir gelangen zur getrennten Abstimmung über Artikel 22 des Gesetzentwurfes.

Hiezu haben die Abgeordneten Mag.a Steinacker, Mag. Stefan, Kolleginnen und Kolle­gen einen Abänderungsantrag betreffend Art. 22 § 15 Abs. 5 eingebracht.

Wer ist dafür? – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

Wir kommen zur getrennten Abstimmung über Artikel 22 des Gesetzentwurfes in der Fassung des Initiativantrages und unter Berücksichtigung des soeben angenommenen Abänderungsantrages.

Wer spricht sich dafür aus? – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

Die Abgeordneten Kühberger, Amesbauer, Kolleginnen und Kollegen haben einen Ab­änderungsantrag betreffend Änderung des Einleitungssatzes eingebracht.

Wer spricht sich dafür aus? – Das ist mit Mehrheit so angenommen.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 226

Die Abgeordneten Stöger, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatzantrag betref­fend Einfügung neuer Ziffern 1 bis 1c sowie 1f und die Umnummerierung der Ziffer 1 eingebracht.

Wer spricht sich dafür aus? – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Die Abgeordneten Kühberger, Amesbauer, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zu­satz- beziehungsweise Abänderungsantrag betreffend Einfügung der Ziffern 1a, 1b, 3 und 4 sowie Änderung der Ziffer 2 eingebracht.

Wer ist dafür? – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

Die Abgeordneten Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatzantrag be­treffend Einfügung einer Ziffer 5 eingebracht.

Wer spricht sich dafür aus? – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Initiativan­trages.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich dafür aussprechen, um ein Zeichen der Zu­stimmung. – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Wer dem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung die Zustimmung gibt, den bitte ich um ein bejahendes Zeichen. – Der Gesetzentwurf ist somit in dritter Lesung angenom­men.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Echte Verbesserun­gen im Gewaltschutz statt Rückschritte zu Lasten von gewaltbetroffenen Frauen und Kindern“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Entschließungsantrag die Zustimmung ge­ben, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Steinacker, Stefan, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Gewährleistung einer funktio­nierenden und leistungsfähigen Justiz“.

Wer spricht sich dafür aus? – Das ist mit Mehrheit so angenommen. (E 127)

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Noll, Jarolim, Pilz, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ein höheres Justizbudget für einen zielgerichteten Schutz der Menschen vor Straftaten“.

Wer ist für diesen Entschließungsantrag? – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr.in Griss, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Pakt für den Rechtsstaat“.

Wer ist für diesen Entschließungsantrag? – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Hammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Prüfung der Auswirkungen durch Be­schlussfassungen vom 19. 9. 2019 in den Bereichen Langzeitversicherte und Schwer­arbeiter“.

Wer ist dafür? – Das ist mit Mehrheit so angenommen. (E 128)

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „abschlagsfreie Pensionen mit 540 Bei­tragsmonaten“.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 227

Wer sich für diesen Entschließungsantrag ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr.in Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Prüfung des legistischen An­passungsbedarfs durch Beschlussfassungen vom 19.9. 2019 in den Bereichen Lang­zeitversicherte und Schwerarbeiter“. – Das ist mit Mehrheit so angenommen. (E 129)

19.07.237. Punkt

Antrag der Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker, Mag. Harald Stefan, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Reform des Kindesunterhaltsrechts (989/A)(E)


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir zum 7. Punkt der heutigen Tagesord­nung.

Hinsichtlich dieses Antrages wurde dem Justizausschuss eine Frist zur Berichterstat­tung bis 24. September 2019 gesetzt.

Ein Wunsch auf eine mündliche Berichterstattung liegt mir nicht vor.

Damit erteile ich Frau Abgeordneter Dr.in Juliane Bogner-Strauß das Wort. – Bitte.


19.08.04

Abgeordnete Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsiden­tin! Werte Mitglieder der Regierung! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Familien und Kinder verdienen unsere besondere Unterstützung, und dafür stehen wir als Familienpartei. Politik darf nicht auf dem Rücken unserer Kinder und Enkelkinder ausgetragen werden. Unsere Aufgabe ist es daher, bestmögliche Rahmenbedingungen zu schaffen, damit wir Politik für unsere Kinder machen.

Eines aber ist gewiss: Wir dürfen die Lebensrealitäten nicht außer Acht lassen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Diese haben sich in den letzten Jahrzehnten in Ös­terreich stark verändert, und darauf muss die Politik reagieren. Beziehungen gehen auseinander, tragische Vorkommnisse zerstören Familien, 43 Prozent der Ehen wer­den geschieden, und laut Statistik Österreich aus dem Jahr 2017 gibt es 256 000 Al­leinerziehendenhaushalte. (Präsidentin Kitzmüller übernimmt den Vorsitz.)

Eines muss klar sein: Die Kinder dürfen da nicht die Leidtragenden sein. Und genau diesen veränderten Lebensrealitäten tragen wir als neue Volkspartei Rechnung. Wir haben uns im letzten Regierungsprogramm klar dazu bekannt, die Reform des Kinder­unterhaltsrechts zu verankern, und wir haben sie bereits auf einen guten Weg ge­bracht. Eine Gruppe von Experten und Expertinnen aus dem Bundeskanzleramt und aus dem Justizministerium hat sich zusammengesetzt und die Grundzüge dieser Re­form erarbeitet.

Genau da, meine sehr geehrten Damen und Herren, müssen wir weitermachen und ansetzen, denn wir benötigen ganz, ganz dringend eine Modernisierung des Kinderun­terhaltsrechts und eine Optimierung von Gerichts- und Verwaltungsprozessen. (Beifall bei der ÖVP.) Nur so können wir Synergieeffekte nutzen und sicherstellen, dass Kinder in Österreich rasch und unkompliziert den Unterhalt bekommen.

Das Unterhaltsrecht ist veraltet und komplex. Was es da braucht, sind vielfältige Maß­nahmen und vielfältige Lösungsansätze. Eltern, die sich nach einer Trennung oder Scheidung zum Beispiel einvernehmlich über den Kindesunterhalt einigen, sollen in Zu­kunft Erleichterungen erfahren. Es geht um das Schließen von Unterhaltsvereinba­rungen, und das soll auf elektronischem Wege möglich sein. Außerdem, und das wis­sen viele Alleinerziehende ganz genau, braucht es viel schnellere Unterhaltsverfahren.


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(Zwischenruf der Abg. Kucharowits.) Diese Verfahren ziehen sich oft über Monate, manchmal über Jahre, und die Frauen und Kinder warten ewig lange auf ihr Geld. Es soll daher künftig möglich sein, dass die laufend aktualisierten Unterhaltsrichtsätze so­fort a conto zugesprochen werden können. (Beifall bei der ÖVP.)

Man darf aber auch nicht außer Acht lassen, dass der Staat derzeit über 100 Millionen Euro an Unterhaltsvorschüssen zahlt, weil sich viele Elternteile einfach aus der Verant­wortung stehlen. Was wir daher brauchen, meine sehr geehrten Damen und Herren, sind verbesserte Instrumente und Möglichkeiten für den Staat, um diese Unterhaltsvor­schüsse, die wir gerne bezahlen, wieder einzutreiben.

Ich freue mich, das muss ich hier ganz klar und offen sagen, dass, obwohl wir vier Ta­ge vor einer Wahl stehen, alle Fraktionen diesem Antrag zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Schimanek.)

19.12


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Holzleitner. – Bitte, Frau Abgeordnete.


19.12.41

Abgeordnete Eva Maria Holzleitner, BSc (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Bundesregierung! Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Grundsätzlich ist festzuhalten, dass wir, die SPÖ, dem aktuell vorliegenden Entschlie­ßungsantrag zustimmen. Es ist ein kleiner Schritt in die richtige Richtung, ein kleiner Schritt, eine kleine Verbesserung innerhalb des Systems. Das Ziel des Antrages ist zum Beispiel, dass man, bevor man zu Gericht geht, schon gewisse Orientierungs­punkte bezüglich der Höhe des Unterhalts und so weiter bekommt. Ambitioniert ist der Vorschlag jedoch nicht. Uns, der SPÖ, geht der Vorschlag nicht weit genug, denn grundsätzlich brauchen wir endlich eine Reform in Richtung Unterhaltssicherung. (Bei­fall bei der SPÖ sowie der Abg. Holzinger-Vogtenhuber.)

Ich möchte hier kurz ein Bild in Erinnerung rufen: Herbst 2017 vor den Nationalrats­wahlen, Diskussion auf Puls 4, Elefantenrunde: Bei der entscheidenden Frage nach der Unterhaltssicherung zückten die Spitzenkandidaten aller Parteien das Taferl „Ja“ – Ja zur sofortigen Unterstützung von Alleinerziehenden in schwierigen Situationen, Ja zur Unterstützung der betroffenen Kinder.

Worum geht es? – Circa 170 000 Alleinerziehende in Österreich, vorwiegend Frauen, sind für das Sorgen für eine Viertelmillion Kinder verantwortlich. Diese Gruppe ist be­sonders armutsgefährdet – zu 37 Prozent laut EU-Silc –, ausgrenzungsgefährdet sind sogar 44 Prozent. In Österreich haben dadurch nicht alle Kinder und Jugendlichen die gleichen Chancen. Jene Kinder und Jugendlichen, die davon betroffen sind, erleben nämlich tagtäglich Benachteiligungen: Sie haben weniger soziale Kontakte, weniger Bildungschancen. Die Armut belastet gesundheitlich und schließt von zentralen Le­bensbereichen, von sozialer Teilhabe aus. Der Weg, bis der Unterhalt ausbezahlt ist, ist eben oftmals sehr schwierig und langwierig, denn, wie wir wissen, der Kontakt zu Ex-Partnerinnen, Ex-Partnern ist nicht immer rosig, Verhandlungen sind mühsam und ziehen sich lange. Fehlende beziehungsweise niedrige Unterhaltszahlungen tragen wesentlich zur Armutsgefährdung bei, wenn der eine Elternteil keinen oder nur wenig Unterhalt leisten kann oder will.

Den sogenannten Unterhaltsvorschuss, den es heutzutage schon gibt, zahlt der Staat – das stimmt, der Staat springt ein –, Voraussetzung ist aber, dass der Schuld­ner, die Schuldnerin bekannt ist, dass die Höhe des Unterhalts feststeht – dann wird der Unterhaltsvorschuss gewährt. In vielen Fällen ist dies aber leider eben nicht der Fall – das ist ein Problem –, weil über die genaue Höhe gestritten wird, weil die Schuld­nerin beziehungsweise der Schuldner nicht bekannt ist et cetera. Wir, die SPÖ, fordern


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deshalb eine staatliche Unterhaltsgarantie als Ergänzung zur Familienbeihilfe, gestaf­felt nach Regelbedarf, um Alleinerziehende und Kinder zu entlasten. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn wir beim Regelbedarf sind, ein Klassiker: Kinderkostenanalyse Neu. Bitte die Kinderkostenanalyse endlich ins 21. Jahrhundert bringen, die jetzige ist aus den Sech­zigern! (Beifall der Abg. Kucharowits.) Das wäre absolut notwendig.

Die Unterhaltsgarantie wäre ein Meilenstein zur Bekämpfung von Kinderarmut. Kinder, die mit einem Elternteil alleine leben und deren zweiter Elternteil nicht zahlungswillig oder -fähig ist, brauchen Unterstützung, weil Geld wirklich für die banalsten Dinge fehlt: für den Freizeitausflug, um die Wohnung entsprechend zu heizen. Das ist nicht tragbar. Der Gesetzgeber muss da regulativ einspringen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das wäre wirklich eine Entlastung von Alleinerziehenden und eine Unterstützung für Kinder und Jugendliche.

Deshalb: Setzen wir den vorliegenden Entschließungsantrag raschest um, und setzen wir auch die Unterhaltsgarantie – die SPÖ hat dazu in dieser Gesetzgebungsperiode einen Vorschlag eingebracht – nach der Nationalratswahl schnell um, denn die Kinder brauchen unsere Unterstützung und wir dürfen ihnen nicht die Zukunft rauben. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Holzinger-Vogtenhuber.)

19.17


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Schimanek. – Bitte, Frau Abgeordnete.


19.17.10

Abgeordnete Carmen Schimanek (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Minis­ter! Herr Minister! Liebe Kollegen! Ja, es muss ein Kernpunkt der Politik sein, Armut zu bekämpfen. Stellen Sie sich vor, Sie sind geschieden, haben zwei Kinder und warten auf Unterhalt von Ihrem Ex-Partner, dieser wird aber nicht überwiesen. Die monatli­chen Zahlungen in Ihrer Familie bleiben aber leider nicht aus: Wohnung, Strom, Hei­zung, Essen, Kleidung, besonders für die Kinder, müssen bezahlt werden.

Tatsache ist auch, dass es sich bei alleinerziehenden Elternteilen in mehr als 90 Pro­zent der Fälle um Frauen handelt. Alleinerziehende Mütter tragen nicht nur eine un­glaubliche Verantwortung, sie sind auch besonders armutsgefährdet. Das ist in vielen Fällen existenzbedrohend.

Ich habe mich, seit ich Abgeordnete bin, immer für eine Reform des Unterhaltsvor­schusses eingesetzt. Meine Anträge wurden aber leider zehn Jahre lang von ÖVP und SPÖ vertagt oder abgelehnt. Seit der Regierungsbeteiligung der FPÖ im Jahr 2017 ha­be ich wieder auf eine Reform des Unterhaltsvorschusses gedrängt; leider wurde ich aber lange vertröstet, und auch der ehemalige Justizminister Moser hat sich nicht wirklich in diesen Reformprozess eingebracht. Ja, es wurden Arbeitsgruppen einge­setzt, wie Frau Kollegin Bogner-Strauß bereits berichtet hat, aber die Ergebnisse wa­ren sehr, sehr spärlich – da muss ich Frau Kollegin Bogner-Strauß ein wenig wider­sprechen.

Ich möchte mich deshalb bei allen, die heute diesem Antrag zustimmen, bedanken, be­sonders bei dir, Michaela. Wir haben noch im Juli kurz darüber gesprochen, es ist mir ein riesengroßes Anliegen gewesen. Ich sage Danke, dass wir das noch umgesetzt ha­ben, dass wir diesen Entschließungsantrag noch auf den Weg gebracht haben, weil das wirklich eine Verbesserung für die Frauen in diesem Lande bringt. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Besonders wichtig ist es, den Kinderunterhalt zu modernisieren und zu vereinfachen. Natürlich ist es wichtig, Gerichts- und Verwaltungsprozesse zu optimieren und zu be­schleunigen, und natürlich sind auch die Akontozahlungen, die wir mit diesem Ent-


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schließungsantrag gewährleisten, eine große Erleichterung für die Frauen in diesem Land. Wir brauchen einen gültigen Gerichtsbeschluss, damit bei der jetzigen Gesetzes­lage überhaupt eine Akontozahlung erfolgen kann. Ich kenne viele Fälle, in denen Part­ner diese Festsetzung jahrelang hinauszögern. Das ist natürlich für die Familien, die Frauen und ihre Kinder eine riesengroße Belastung, und deswegen bin ich sehr froh, dass das jetzt kommt.

Ein weiterer Punkt, der noch nicht angesprochen worden ist, ist, dass wir für junge Er­wachsene die Kostenersatzpflicht wegfallen lassen. Ich glaube, gerade für junge Er­wachsene ist es ein wichtiger Schritt, damit sie es leichter haben, diese Unterhaltsvor­schüsse zu bekommen.

Es ist ein wichtiger Schritt, wir haben es schon gehört. Ich bedanke mich für die Zu­stimmung, für die Umsetzung und freue mich, dass wir hier für die AlleinerzieherInnen ein großes Stück weitergebracht haben. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.20


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Holzinger-Vog­tenhuber. – Bitte, Frau Abgeordnete.


19.21.07

Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA (JETZT): Frau Präsidentin! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Der hier vorliegende Antrag von Schwarz-Blau ist schlichtweg eine Farce. Vier Abgeordnete, darunter die ehemalige Familienministerin, mussten sich zusammenfinden, um einen unverbindlichen Entschließungsantrag zu formulieren – einen Entschließungsantrag, der vier Tage vor der Wahl eingebracht wird und sich an eine Bundesregierung wendet, die vielleicht noch zehn Wochen im Amt ist; einen Entschließungsantrag, der mit der Angelobung des neuen Nationalrates und der neuen Bundesregierung verfallen wird. All das machen Sie heute hier.

Wissen Sie, was dieser Antrag bewirken wird? – Rein gar nichts, weder eine Verbes­serung für die 80 000 von Armut betroffenen Kinder noch eine Verbesserung für die 70 000 betroffenen Alleinerziehenden in diesem Land. Keinem Kind, keinem Jugend­lichen wird damit ein Stück aus der Armut geholfen.

Kollegin Schimanek, es tut mir leid, aber Sie werden auch heute wieder von Ihrer Par­tei und von der ÖVP vertröstet. Der Auftrag war doch so ein einfacher. Es hat die Puls-4-Elefantenrunde im Herbst 2017 gegeben. Der Auftrag der Bevölkerung war, hier eine Reform zu machen, und Ihre Versprechen waren: Ja, wir werden eine Reform der Un­terhaltssicherung machen! Wir werden eine Unterhaltssicherung für die Alleinerzie­henden und ihre Kinder in diesem Land machen! Aber was ist dann passiert? – Nichts ist passiert!

In der ersten Nationalratssitzung dieser Gesetzgebungsperiode habe ich den ersten Antrag einbringen dürfen. Das war ein Lösungsvorschlag, um genau dieses Problem beheben zu können. Alle Anträge, die ich in den letzten zwei Jahren auf den Tisch ge­legt habe, sind aber immer und immer wieder vertagt oder abgelehnt worden. Und heute, in der letzten Nationalratssitzung dieser Gesetzgebungsperiode, in der wir hier gemeinsam Anträge beschließen können, wendet sich die ehemalige Familienminis­terin Bogner-Strauß an ihre Nachfolgerin, an die aktuell amtierende Frauen- und Fa­milienministerin Stilling mit der Bitte, doch endlich tätig zu werden. – Also ganz ehrlich: Ist das nicht peinlich?

Kollegin Bogner-Strauß, Sie haben zwei Jahre lang nichts getan – und jetzt wenden Sie sich mit einem Antrag an die nächste Familienministerin, sie möge doch etwas tun. – Was ist in den letzten zwei Jahren passiert?


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 231

Sie wissen, dass das eine reine Augenauswischerei und den Alleinerziehenden in die­sem Land gegenüber eigentlich eine Farce ist, was Sie hier heute abziehen. Sie schla­gen partizipative Reformprozesse vor, eine breite Beteiligung und Diskussionen in Ar­beitsgruppen. – Also ganz ehrlich: Wie oft wollen wir denn hier in diesem Hohen Haus noch bei null beginnen?! Ich verstehe es nicht: Sie fordern eine Ministerin auf, die viel­leicht noch zehn Wochen im Amt ist, sie soll jetzt das reparieren, was Sie zwei Jahre lang nicht gemacht haben.

Selbst zur Finanzierungsfrage haben wir bereits Anträge eingebracht. Wir haben vor­geschlagen, die Parteienfinanzierung, die in Österreich verglichen mit anderen Ländern in der Europäischen Union eine der höchsten ist, zu halbieren; wir würden über 100 Millionen Euro verfügen, die wir für die Armutsbekämpfung und die Unterhaltssi­cherung einsetzen könnten. – Abgelehnt!

Mich wundert es natürlich nicht, dass der Parteivorsitzende der ÖVP – oder, wie man auch sagen könnte, Ihr Spendenprinz – oder der ehemalige Parteivorsitzende Strache, der Spendenkaiser, diese Probleme, die vor ihnen liegen, nicht erkennen und deshalb keine Finanzierung bereitstellen wollen.

Alle Alleinerziehenden in diesem Land werden aber zwei Feststellungen machen kön­nen: dass Sie erstens in den letzten zwei Jahren nichts gemacht haben und dass Sie zweitens die Alleinerziehenden in diesem Land einfach schlichtweg belogen haben. – Vie­len Dank. (Beifall bei JETZT. – Abg. Wöginger: Vorwurf der Lüge, Frau Präsidentin!)

19.25


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Salzmann. – Bitte.


19.25.37

Abgeordnete MMMag. Gertraud Salzmann (ÖVP): Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kol­legen! Werte Zuseher auf der Galerie und daheim vor den Bildschirmen! Liebe Frau Kollegin Holzinger-Vogtenhuber, im Abgang so viel Spott und Häme zu hinterlassen (Abg. Holzinger-Vogtenhuber: Das machen Sie mit den Alleinerziehenden, ja!), im Abgang so viel Spott und Häme zu hinterlassen, das, finde ich, ist dieses Hauses nicht würdig. (Beifall bei der ÖVP.)

Es ist mir auch wirklich ein Herzensanliegen, zu sagen – und ich bin überzeugt da­von ‑: Frau Bundesminister Bogner-Strauß, Ihnen vorzuwerfen (Abg. Leichtfried: Bun­desministerin!), dass Sie zwei Jahre lang nichts gemacht hätten, das finde ich äußerst vermessen. (Beifall bei der ÖVP.)

Werte Kolleginnen und Kollegen, der vorliegende Entschließungsantrag sieht vor, dass das Kindesunterhaltsrecht einer grundlegenden, umfassenden Reform unterzogen wird. Jeder von uns kennt Fälle, in denen Mütter, alleinerziehende Mütter, aber auch alleinerziehende Väter lange und manchmal sogar vergeblich auf ihnen zustehende Unterhaltszahlungen warten; vieles ist hier schon ausgeführt worden.

Kinder von Alleinerziehenden sind doppelt so schnell gefährdet, in die Armut abzuglei­ten, und sind oft auch der sozialen Ausgrenzung ausgesetzt. Einer der Hauptgründe dafür sind eben die unzureichenden und zum Teil auch fehlenden Unterhaltszahlun­gen. Der Staat, meine Damen und Herren, bietet die Möglichkeit, Unterhaltszahlungen akontomäßig vorzuschießen, und das ist wichtig und gut; aber wir sehen in der Praxis, dass es da wirklich Reformen, dringender Reformen bedarf, und darum bin ich guten Mutes, dass das in Zukunft auch rasch umgesetzt werden wird. Der Entschließungsan­trag liegt vor.


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Wesentlich ist es, das Unterhaltsvorschussrecht gut zu evaluieren und anzupassen. Ich möchte das in drei Punkten aufzeigen: Einerseits gehört das Verfahren zur Unter­haltsfeststellung beschleunigt, damit die Unterhaltsrichtsätze wirklich auch ganz schnell zugesprochen werden können. Es braucht darüber hinaus auch verbesserte Mög­lichkeiten, dass der Staat die Unterhaltszahlungen, die er im Vorschuss leistet, wie­der möglichst zur Gänze einbringt. Und ein dritter Punkt – den finde ich auch sehr wesentlich, und Frau Bundesminister außer Dienst Juliane Bogner-Strauß hat das hier auch ganz klar angesprochen –: Wir wollen die Möglichkeit zu einvernehmlichen Lösungen wirklich verstärkt forcieren, sodass nicht immer der Gerichtsweg beschritten werden muss.

Meine Damen und Herren! Da geht es um die Rechtssicherheit vieler, vieler alleiner­ziehender Frauen, aber auch von alleinerziehenden Männern, und die müssen wir jetzt schaffen. (Beifall bei der ÖVP.) Das Kindeswohl, meine Damen und Herren, steht hier ganz eindeutig im Mittelpunkt. Ich ersuche daher alle, auch Kollegin Holzinger-Vog­tenhuber, die jetzt nicht zuhört, wirklich alle, hier ganz klar ein positives Votum abzuge­ben und diesem Entschließungsantrag zuzustimmen. (Beifall bei der ÖVP.)

19.29

19.29.35


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Da dazu niemand mehr zu Wort gemeldet ist, schließe ich die Debatte.

Ich frage die Frau Berichterstatterin, ob sie ein Schlusswort wünscht. – Das ist nicht der Fall.

Somit kommen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag 989/A(E) der Abgeordneten Steinacker, Stefan, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Reform des Kindesunterhaltsrechts“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein entsprechendes Zei­chen. – Das ist die Mehrheit, angenommen. (E 130)

19.30.118. Punkt

Antrag der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Schutz nachrichtendienstlicher Informationen (980/A)(E)


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Wir gelangen nun zum 8. Punkt der Tagesord­nung.

Hinsichtlich dieses Antrages wurde dem Justizausschuss eine Frist zur Berichterstat­tung bis 24. September 2019 gesetzt.

Auf eine mündliche Berichterstattung wird offensichtlich verzichtet.

Somit gelangen wir zur ersten Rednerin. Das ist Frau Abgeordnete Lueger. – Bitte, Frau Abgeordnete, Sie sind dran.


19.30.47

Abgeordnete Angela Lueger (SPÖ): Frau Präsidentin! Werte Herren auf der Regie­rungsbank! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie! Werte Kolleginnen und Kollegen! Der Entschließungsantrag der Kollegin Krisper betreffend „Schutz nachrich­tendienstlicher Informationen“ landet in seiner Begründung gleich beim Berner Club.

Wir wissen aus dem BVT-Ausschuss, wie Österreich dazu gezwungen wurde, sich aus dem Berner Club zurückzuziehen, um weiterhin zu Informationen zu kommen. Das unterstreicht die Wichtigkeit der internationalen Zusammenarbeit der Geheimdienste oder Nachrichtendienste. Bundesminister Kickl hat das Seine dazu beigetragen, dass


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mit der Razzia, die im BVT quasi eingefallen ist, dieses Vertrauen der internationalen, befreundeten Nachrichtendienste komplett zerstört wurde.

Ich darf darauf verweisen – wir haben das ja heute unter TOP 4 schon besprochen –, dass wir eine bessere personelle und finanzielle Ausstattung des BVT wollen. Wir wol­len mehr Kompetenzen einhergehend mit mehr parlamentarischer Kontrolle.

Die Politik eines Gesamtkonzeptes wollen wir in die nächste GP mitnehmen, daher werden wir bei diesem Antrag nicht mitstimmen, weil wir keine einzelnen Punkte he­rauspicken wollen. Ich bin zuversichtlich und sicher, dass man diese Punkte letztend­lich auch in das Gesamtkonzept einbauen wird, aber trotzdem werden wir diesem An­trag nicht zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

19.32


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Ofenauer. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.32.38

Abgeordneter Mag. Friedrich Ofenauer (ÖVP): Frau Präsidentin! Meine Herren Mi­nister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Hohen Haus! Sehr geehrte Zuseherin­nen und Zuseher! Dieser Tagesordnungspunkt beschäftigt sich im weiteren Sinne auch mit den Auswirkungen der Hausdurchsuchung beim BVT. Ein Jahr Untersuchungsaus­schuss hat zu mehreren Erkenntnissen geführt, unter anderem haben sich auch zahl­reiche Mängel, die sich im Zuge dieser Hausdurchsuchung herausgestellt haben, of­fenbart.

Die Art und Weise, wie diese Hausdurchsuchungen durchgeführt wurden, hat eine gro­ße Dimension an Fehlern nach sich gezogen. Allein die Tatsache, dass der gesamte Server im BVT für 30 Minuten lahmgelegt wurde, hat dazu geführt, dass die gesamte Gebäudesicherheit in Gefahr war. Auch das ist ein Indiz dafür, dass es durchaus ein mangelndes Bewusstsein für die Sicherheit im BVT, aber damit auch für die Sicherheit der Bevölkerung gegeben hat. Es wurden auch sämtliche Daten ohne Maß und Ziel und vor allem ohne konkrete Vorgaben beschlagnahmt. Es hat einfach nur geheißen, es muss alles beschlagnahmt werden, alles, ohne Rücksicht auf irgendeine Relevanz.

Diese Mängel haben zu einer Verunsicherung ausländischer Partnerdienste gegenüber dem BVT geführt, was letztendlich dazu geführt hat, dass sich das BVT freiwillig aus den Arbeitsgruppen des Berner Clubs zurückgezogen hat.

Auf der Hand liegt natürlich, dass der Umstand, dass im Zuge der Hausdurchsuchung Daten ausländischer Geheimdienste verschafft wurden, bei diesen zu einem großen Miss­trauen geführt hat. Noch dazu wurden solche hochsensiblen Daten, die beschlagnahmt wurden, entgegen entsprechenden Hinweisen der BVT-Mitarbeiterinnen und –Mitarbei­ter auch in Plastiksackerln und in offenen Kartons transportiert.

Aus diesem Grund haben wir in unserem Fraktionsbericht die Empfehlung ausgespro­chen, den Schutz vor einer Beschlagnahmung von Informationen der Partnerdienste zu erhöhen. Auch der Verfahrensrichter bemängelt den nicht ausreichenden Schutz von nachrichtendienstlichen Informationen. Es soll nämlich für die Beschlagnahmung nach­richtendienstlicher Datenträger oder Aufzeichnungen dringend eine analoge Regelung zum § 112 StPO sichergestellt werden, sodass im Falle eines Widerspruchs eines Be­troffenen gegen unbefugte Einsichtnahme oder Veränderung diese zu sichern und zu hinterlegen sind. Ein Gericht hat das zu überprüfen. Wir unterstützen auch den Vor­schlag, dass die generelle Einführung eines Rechts auf Verschwiegenheit von Mitarbei­terInnen im BVT geprüft werden und entsprechend in einem Gesetzentwurf enthalten sein soll.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 234

Von unserer Seite gibt es also in diese Richtung die entsprechende Unterstützung. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

19.35


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Krisper. – Bitte, Frau Abgeordnete.


19.35.27

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Der BVT-Untersuchungsausschuss zeigte Bedarf an Reformen. Wir haben entsprechende Anträge eingebracht – alle wurden ab­gelehnt, außer dem einen hier, in dem es um einen verbesserten Schutz nachrichten­dienstlicher Informationen geht.

Wir erinnern uns, dass die EGS bei der Hausdurchsuchung des BVT tätig war und die Dokumente in Toppits-Sackerln und offenen Kartons auch aus dem Extremismusre­ferat abtransportiert hat und die ersten Wochen dann die Dokumente in der Wirt­schafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft hinter einer Glastüre verwahrt wurden.

Im § 112 StPO existiert ein effektives und ausgewogenes System zum Schutz von besonders sensiblen Informationen, und mit diesem Antrag wollen wir ein analog aus­gestaltetes Schutzsystem auch für die Beschlagnahmung von nachrichtendienstlichen Informationen einführen. Ich halte das auch für ein wichtiges Signal für die Partner­dienste, um das Vertrauen der Partnerdienste in unser BVT wiederherzustellen.

Zu zwei weiteren Anträgen möchte ich jetzt auch um Zustimmung bitten. Wir NEOS stellten beide schon einmal, aber erfolglos, nach dem Massenmord in Christchurch. Im ersten Antrag geht es um die personelle Aufstockung im Extremismusreferat des BVT, das seit der Hausdurchsuchung geschwächt ist und nun auch mehr Ermittlungstätig­keiten Richtung Rechtsextremismus zu erledigen hat.

Im zweiten Antrag geht es um eine umfassende Strategie gegen Rechtsextremismus, denn wir brauchen keine Showpolitik, wir brauchen konkrete Maßnahmen zur Be­kämpfung von Rechtsextremismus. Das beginnt in der Schule, wo präventiv gearbeitet werden könnte, zum Beispiel unter Einbindung der kompetenten Ombudsfrau für Wer­tefragen und Kulturkonflikte, die im Bundesministerium angesiedelt ist. Man könnte konkret Deradikalisierungsprojekte in den Gefängnissen ansetzen oder auch, wie es in Deutschland seit dem Jahr 2001 eingeführt ist, Aussteigerprogramme für Rechtsextre­me auf den Weg bringen.

Hier könnten wir also konkrete Maßnahmen auf den Weg bringen, und ich bitte bei al­len drei Anträgen um Ihre Zustimmung. – Danke sehr. (Beifall bei den NEOS.)

19.37

19.37.44


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Ich schließe die Debatte.

Ich frage die Frau Berichterstatterin, ob sie gemäß § 63 Abs. 3 der Geschäftsordnung ein Schlusswort haben möchte. – Das ist nicht der Fall.

Somit kommen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag 980/A(E) der Abgeordneten Krisper, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schutz nachrichtendienst­licher Informationen“.

Jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, bitte ich um ein entsprechendes Zei­chen. – Das ist die Mehrheit, angenommen. (E 131)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 235

19.38.189. Punkt

Antrag der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Ausreichende Ressourcen im BVT zum Schutz gegen Rechtsextremis­mus (704/A)(E)

10. Punkt

Antrag der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Strategie gegen Rechtsextremismus (705/A)(E)


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Wir gelangen nun zu den Punkten 9 und 10 der Tagesordnung, über die die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Hinsichtlich dieser Anträge wurde dem Ausschuss für innere Angelegenheiten jeweils eine Frist zur Berichterstattung bis 24. September 2019 gesetzt.

Es liegt kein Wunsch auf eine mündliche Berichterstattung vor.

Somit kommen wir gleich zum ersten Redner. Das ist Herr Abgeordneter Höbart. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.39.06

Abgeordneter Ing. Christian Höbart (FPÖ): Das Einzige, worüber wir uns immer wundern, Frau Kollegin Krisper, ist, warum Sie sich hier so auf eine Art des Extremis­mus versteifen. Ich glaube, wir sollten uns hier alle einig sein, dass sämtliche Formen des Extremismus in unserer Gesellschaft keinen Platz haben und dass wir dagegen vorgehen müssen. (Beifall bei der FPÖ.)

Frau Kollegin, Sie wissen auch ganz bestimmt, dass gerade im letzten Bericht des Verfassungsschutzes wieder eine Extremismusform ganz besonders betont wurde, von der auch die größte Gefahr für unsere Republik, für die Staatseinrichtungen und die Bürger ausgeht, nämlich der Extremismus des politischen Islam.

Wir haben zum Beispiel Ende August wieder eine Situation in Salzburg gehabt, bei der Salafisten – eine Londoner Gruppierung – in den Bergen trainiert haben – typisch in diesen Gewändern und mit langen Bärten. Dort haben verfassungsfeindliche Struktu­ren vorgeherrscht. (Abg. Krainer: ... dem Strache nachgemacht?) Dem muss man je­denfalls Einhalt gebieten und man muss diesen staatsfeindlichen Radikalisierungsten­denzen klar etwas entgegenhalten. – Das ist der Punkt.

Wenn wir da ehrlich sind, wenn wir uns diesem gesamten Spektrum an Extremismus nähern wollen, dann haben wir natürlich auch nichts dagegen, dass man das BVT ent­sprechend stärkt. Aus diesem Grund wollen wir auch zwei gesamtändernde Abände­rungsanträge einbringen.

Ich bringe zum einen folgenden Antrag zum Entschließungsantrag 704/A(E) von Kol­legin Dr. Krisper ein:

Gesamtändernder Abänderungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der eingangs bezeichnete Entschließungsantrag wird wie folgt geändert:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, eine umgehende Aufstockung der personellen und technischen Ressourcen des Extremismusreferats im Bundesamt für Verfassungs­schutz und Terrorismusbekämpfung vorzunehmen, um in Zukunft eine engmaschige


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 236

Informationsgewinnung und Überwachung jeglicher Form von extremistischen Tenden­zen zu gewährleisten.“

*****

Zum anderen bringe ich folgenden gesamtändernden Abänderungsantrag basierend auf dem Entschließungsantrag 705/A(E) von Frau Dr. Krisper ein:

Gesamtändernder Abänderungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der eingangs bezeichnete Entschließungsantrag wird wie folgt geändert:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, unter Einbindung des „bundesweiten Netz­werks für Extremismusprävention und Deradikalisierung“ (BNED), eine umfassende Strategie und konkrete Maßnahmen (wie etwa Aussteigerprogramme) gegen jegliche Form des Extremismus zu erarbeiten.“

*****

(Beifall bei der FPÖ.)

19.41

Die Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Gesamtändernder Abänderungsantrag

des Abgeordneten Ing. Höbart

und weiterer Abgeordneter

betreffend den Antrag der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kol­legen betreffend Ausreichende Ressourcen im BVT zum Schutz gegen Rechtsextre­mismus (704/A(E))

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der eingangs bezeichnete Entschließungsantrag wird wie folgt geändert:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, eine umgehende Aufstockung der personellen und technischen Ressourcen des Extremismusreferats im Bundesamt für Verfas­sungsschutz und Terrorismusbekämpfung vorzunehmen, um in Zukunft eine engma­schige Informationsgewinnung und Überwachung jeglicher Form von extremistischen Tendenzen zu gewährleisten.“

Begründung

Aus sicherheitspolitischer Sicht ist es zu kurz gegriffen, sich nur einer Form des Ex­tremismus anzunehmen. Im Regierungsprogramm 2017 – 2022, „Zusammen. Für un­ser Österreich.“ wurde bewusst ein Fokus auf die Bekämpfung von jeglicher Form von staatsfeindlichem Extremismus und staatsfeindlicher Radikalisierung gelegt, um insbe­sondere terroristischen Aktivitäten vorzubeugen.

Die dringliche Ursache für diese Ziele ist eine realistische Einschätzung:


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 237

„Wie schon in den letzten Jahren geht die größte Gefahr für die innere Sicherheit Ös­terreichs vor allem von islamistischem Extremismus aus. Auch wenn Österreich bisher von Terroranschlägen verschont geblieben ist, müssen die Sicherheitsbehörden wach­sam sein, um bereits im Vorfeld gegen potenzielle Gefährder einschreiten zu können. Das ist dank der hervorragenden Arbeit der Staatsschutz- und Sicherheitsbehörden gelungen. Damit die Sicherheitsbehörden ihre Arbeit auch weiterhin bestmöglich leis­ten können, ist der Gesetzgeber aufgerufen, die notwendigen rechtlichen Rahmenbe­dingungen zu schaffen. Aufgrund der veränderten geopolitischen Lage in und um Ös­terreich braucht die Regierung aber auch eine auf die neuen Bedrohungen und He­rausforderungen (transnationaler Terrorismus, ausländische Agitation, Migration) ange­passte Sicherheitsarchitektur, in deren Rahmen der Prävention in Zukunft eine wesent­lich höhere Bedeutung zukommen muss“ – Regierungsprogramm S. 31

Der Umgang mit jeglicher Form des Extremismus innerhalb der Bevölkerung stellt un­sere demokratische Gesellschaft in Bezug auf die innere Sicherheit und damit den ge­sellschaftlichen Frieden vor große Herausforderungen. Diesen gilt es angemessen und vor allem mit konkreten Maßnahmen ehebaldigst zu begegnen. Dem Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) kommt hier eine zentrale Rolle zu. BVT-Direktor Mag. Peter Gridling führte im Rahmen der ORF-Sendung "Im Zen­trum" am 24. März 2019 aus, dass weitere Ressourcen in diesem Bereich wün­schenswert wären.

*****

Gesamtändernder Abänderungsantrag

des Abgeordneten Ing. Höbart

und weiterer Abgeordneter

betreffend den Antrag der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kol­legen betreffend Strategie gegen Rechtsextremismus (705/A(E))

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der eingangs bezeichnete Entschließungsantrag wird wie folgt geändert:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, unter Einbindung des „bundesweiten Netz­werks für Extremismusprävention und Deradikalisierung“ (BNED), eine umfassende Strategie und konkrete Maßnahmen (wie etwa Aussteigerprogramme) gegen jegliche Form des Extremismus zu erarbeiten.“

Begründung

Bereits am 28. März 2019 wurde in der 68. Sitzung des Nationalrates ein gleichlau­tender Antrag mit großer Mehrheit angenommen.

Aus sicherheitspolitischer Sicht ist es zu kurz gegriffen, sich nur einer Form des Ex­tremismus anzunehmen. Im Regierungsprogramm 2017 – 2022, „Zusammen. Für un­ser Österreich.“ wurde bewusst ein Fokus auf die Bekämpfung von jeglicher Form von staatsfeindlichem Extremismus und staatsfeindlicher Radikalisierung gelegt, um insbe­sondere terroristischen Aktivitäten vorzubeugen.

Die dringliche Ursache für diese Ziele ist eine realistische Einschätzung:

„Wie schon in den letzten Jahren geht die größte Gefahr für die innere Sicherheit Ös­terreichs vor allem von islamistischem Extremismus aus. Auch wenn Österreich bisher


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 238

von Terroranschlägen verschont geblieben ist, müssen die Sicherheitsbehörden wach­sam sein, um bereits im Vorfeld gegen potenzielle Gefährder einschreiten zu können. Das ist dank der hervorragenden Arbeit der Staatsschutz- und Sicherheitsbehörden gelungen. Damit die Sicherheitsbehörden ihre Arbeit auch weiterhin bestmöglich leis­ten können, ist der Gesetzgeber aufgerufen, die notwendigen rechtlichen Rahmenbe­dingungen zu schaffen. Aufgrund der veränderten geopolitischen Lage in und um Ös­terreich braucht die Regierung aber auch eine auf die neuen Bedrohungen und He­rausforderungen (transnationaler Terrorismus, ausländische Agitation, Migration) ange­passte Sicherheitsarchitektur, in deren Rahmen der Prävention in Zukunft eine wesent­lich höhere Bedeutung zukommen muss“ – Regierungsprogramm S. 31

Der Umgang mit jeglicher Form des Extremismus innerhalb der Bevölkerung stellt un­sere demokratische Gesellschaft in Bezug auf die innere Sicherheit und damit den ge­sellschaftlichen Frieden vor große Herausforderungen. Diesen gilt es angemessen und vor allem mit konkreten Maßnahmen ehebaldigst zu begegnen.

*****


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Die beiden Anträge sind ordnungsgemäß einge­bracht, ausreichend unterstützt und stehen mit in Verhandlung.

Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Prinz zu Wort. – Bitte.


19.42.01

Abgeordneter Nikolaus Prinz (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die Österreichische Volkspartei hat schon immer eine klare Posi­tion gehabt, nämlich eine gegen jegliche Form von Extremismus. Das umfasst sowohl rechtsextreme Strömungen, Linksextremismus, aber auch sozusagen den politischen Islam oder Terrorismus. Keine dieser gesellschaftlichen Gesinnungen darf bei uns in Österreich einen Platz haben. Es ist mir aber schon wichtig, zu betonen, wie wichtig es ist, dass wir auf beiden Augen – wir haben ja alle ein rechtes und ein linkes Auge – wachsam und auf keinem blind sind.

In diesem Zusammenhang darf man durchaus festhalten, dass es bereits seit dem Jahr 2011 betreffend Radikalisierung und Rekrutierung extremistischer beziehungswei­se terroristischer Bewegungen eine Sensibilisierungsoffensive im Bundesministerium für Inneres gibt, die im BVT angesiedelt ist. Eine entsprechende Meldestelle wurde schon damals von Bundesministerin Johanna Mikl-Leitner eingerichtet. Seit dem De­zember 2014 gibt es zudem im – damals von der ÖVP geführten – Bundesministerium für Familien und Jugend eine Beratungsstelle Extremismus als zentrale Anlaufstelle für Prävention von politischer und weltanschaulicher Radikalisierung.

Wenn man sich den Verfassungsschutzbericht 2018 hinsichtlich erwiesener oder ver­muteter Tatmotive anschaut, geht es beim Linksextremismus um 137 Taten, beim Rechtsextremismus um 732 und bei antisemitischen Tathandlungen um 49. Ich glaube schon, dass man klar festhalten muss: Jede extremistische Tat ist eine zu viel! (Beifall bei der ÖVP.)

Nur ein starkes und handlungsfähiges Bundesamt für Verfassungsschutz und Terroris­musbekämpfung ist in der Lage, diesen Strömungen entgegenzuwirken. In Sachen BVT gibt es natürlich Handlungsbedarf, was uns die Leiterin des Extremismusreferats auch schon im Untersuchungsausschuss klar gesagt hat, in dem sie sich sozusagen über die mangelnden Ressourcen beklagt hat. Der Direktor des BVT hat dies in der Sendung „Im Zentrum“ durchaus mit der Feststellung unterstützt, dass weitere Res­sourcen wünschenswert wären.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 239

Daher werden wir uns auch jenem Entschließungsantrag anschließen, bei dem es um eine rasche Aufstockung der personellen und technischen Ressourcen im Ministerium für das Extremismusreferat im BVT geht, denn nur so kann ein bestmögliches und schnelles Ausforschen entsprechender rechtsextremer Netzwerke oder anderer ter­roristischer Netzwerke gewährleistet werden.

Die Sicherstellung einer effizienten Informationsgewinnung und Überwachung der Ten­denzen ist das eine. Das andere sind aber auch Deradikalisierungsmaßnahmen. Man darf durchaus einen Blick auf Deutschland werfen, wo es ein entsprechendes Pro­gramm zum Ausstieg aus dem Rechtsextremismus gibt. In diesem Zusammenhang un­terstützen wir auch den Vorschlag für eine Unterstützung und Beauftragung des neu geschaffenen Referats und der Ombudsfrau für Wertefragen und Kulturkonflikte im Bil­dungsministerium.

Als Volkspartei ist uns wichtig, dass es ein umfassendes Maßnahmenpaket mit fünf Punkten gibt: das Verbot des politischen Islam im Strafgesetzbuch; eine Änderung des Vereinsrechts zur Auflösung zum Beispiel der Identitären, die laut Verfassungsschutz­bericht des BVT als rechtsextrem eingestuft werden; eine Stärkung des Kultusamtes und eine Erweiterung von dessen Kompetenzen; die Schaffung einer Dokumentations­stelle für den politischen Islam und ein internationales IS-Tribunal für Kriegsverbrecher.

Es sei mir noch der Hinweis und die Bitte an die FPÖ erlaubt, zu klären, wie es in Zu­kunft mit dem Verbot der Identitären gehalten wird. Einerseits gibt es vonseiten des Parteiobmannes Hofer eigentlich grundsätzlich Zustimmung sowie positive Signale, an­dererseits aber gibt es vom ehemaligen Bundesminister Herbert Kickl Signale, die ganz in die andere Richtung gehen.

Ich denke schon, dass der Kabinettschef des ehemaligen Bundesministers Kickl den Kontakt mit Herrn Sellner nicht aus freien Stücken gepflegt hat, sondern dass er einen gewissen Auftrag gehabt hat. (Abg. Bösch: Es gibt auch Signale vom Bundespräsi­denten!) – Herr Kollege Bösch, machen Sie sich um das rote Lichterl keine Sorgen, wir haben eine entsprechende Redezeit!

Uns würde da einfach interessieren, wie das in der Zukunft in der FPÖ ausschaut – vielleicht lässt sich das ja klären. Für uns ist auf jeden Fall klar, dass die Identitären eine rechtsextreme Bewegung sind.

Ich darf abschließend noch folgenden Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Karl Mahrer, Kolleginnen und Kollegen

betreffend „Umsetzung eines umfassenden Maßnahmenpaketes zur Bekämpfung von Extremismus“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, in Ergänzung zum bereits letzte Woche ein­gebrachten Paket, rasch Schritte für weitere Maßnahmen zur Bekämpfung von Extre­mismus zu setzen, wobei insbesondere folgende vier Punkte enthalten sein sollen:

1. Verbot des politischen Islam im Strafgesetzbuch

2. Stärkung des Kultusamts und Erweiterung der Kompetenzen

3. Schaffung einer Dokumentationsstelle für den politischen Islam

4. und ein internationales IS-Tribunal für Kriegsverbrecher“

*****


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 240

Insgesamt sind das, glaube ich, wichtige Schritte. Stimmen Sie zu – der FPÖ würde das auch gut anstehen! (Beifall bei der ÖVP.)

19.47

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Karl Mahrer, Gaby Schwarz, Klaus Prinz,

Kolleginnen und Kollegen

betreffend Umsetzung eines umfassenden Maßnahmenpaketes zur Bekämpfung von Extremismus

eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 9 Antrag 704/A(E) be­treffend Ausreichende Ressourcen im BVT zum Schutz gegen Rechtsextremismus

Der in diesem Tagesordnungspunkt zur Behandlung anstehende Antrag fokussiert sich auf eine Aufstockung der personellen und technischen Ressourcen des Extremismus­referats im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung. Eine Er­höhung des Schutzes gegen den Rechtsextremismus, wie auch jede andere Form von Extremismus erfordert nicht nur Ressourcen, sondern ein umfassendes Maßnahmen­paket.

Die österreichische Volkspartei lehnt als Partei der Mitte jegliche Form von Extremis­mus entschieden ab. Dabei spielt es keine Rolle aus welcher Richtung extremistischer Wind weht. Sowohl Rechtsextremismus als auch Linksextremismus sowie der politi­sche Islam stellen in Österreich eine große Bedrohung dar, die mit allen Mitteln der Rechtstaatlichkeit zu bekämpfen ist.

Dass wir in Österreich laufend mit Extremismus konfrontiert sind, zeigt der Verfas­sungsschutzbericht 2018 auf. Im letzten Jahr sind insgesamt 137 Tathandlungen mit erwiesenen oder vermuteten linksextremen Tatmotiven, insgesamt 732 rechtsextremis­tische und 49 antisemitische Tathandlungen, bekannt geworden.

Weiters ist der Umstand, dass eine vom BVT als rechtsextrem eingestufte Bewegung, wie die Identitären, immer noch existiert, für die neue Volkspartei nicht tragbar. Der Österreichischen Volkspartei ist bewusst, dass derzeit das Vereinsgesetz in Österreich die Auflösung eines Vereines nur in zwei Fällen möglich macht: Zum einen, wenn er gegen seine eigenen Statuten handelt, zum anderen, wenn er gegen Strafgesetze ver­stößt. Daher ist eine Ergänzung dahingehend nötig, dass eine Vereinsauflösung auch dann möglich sein soll, wenn seine Ziele oder Handlungen mit der verfassungsrechtli­chen Grundordnung nicht vereinbar sind. Diese Attribute sind auch Kennzeichen des islamistischen Extremismus und es wäre daher dann auch möglich, auch solche Ver­eine aufzulösen, die den politischen Islam propagieren. Daher haben wir bereits in der letzten Sitzung des Nationalrats einen Antrag zur Änderung des Vereinsgesetzes und des Symbolegesetzes eingebracht.

Zusätzlich fordert die ÖVP fordert ein weitergehendes Maßnahmenpaket auszuarbei­ten, mit dem der Schutz gegen jede Form des Extremismus in Österreich erhöht wer­den soll.

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 241

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, in Ergänzung zum bereits letzte Woche einge­brachten Paket, rasch Schritte für weitere Maßnahmen zur Bekämpfung von Extremis­mus zu setzen, wobei insbesondere folgende vier Punkte enthalten sein sollen:

1. Verbot des politischen Islam im Strafgesetzbuch

2. Stärkung des Kultusamts und Erweiterung der Kompetenzen

3. Schaffung einer Dokumentationsstelle für den politischen Islam

4. und ein internationales IS – Tribunal für Kriegsverbrecher “

*****


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Jenewein zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.47.33

Abgeordneter Hans-Jörg Jenewein, MA (FPÖ): Herr Kollege Prinz hat gerade gesagt, dass von Herrn Bundesparteiobmann Hofer durchaus Signale gesendet wor­den seien, sich für das Verbot der Identitären auszusprechen.

Ich berichtige tatsächlich, dass es so ein Signal von Parteichef Norbert Hofer nicht ge­geben hat. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP. – Zwischenruf bei der FPÖ.)

19.48


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Schatz zu Wort. – Bitte, Frau Abgeordnete.


19.48.00

Abgeordnete Sabine Schatz (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundes­minister! Wie groß das Problem des Rechtsextremismus in Österreich tatsächlich ist, zeigt ein Blick in die Statistik. Wir haben seit dem Jahr 2015 österreichweit ein ge­fährliches Hoch an rechtsextremen Straftaten. Auch der Verfassungsschutzbe­richt 2018 weist das mit 1 075 rechtsextremen Strafhandlungen auf. Alleine im ersten Halbjahr 2019, also 74 Jahre nach der Befreiung vom Nazi-Faschismus, gab es bereits 373 Anzeigen nach dem Verbotsgesetz. Wir begrüßen daher und unterstützen explizit die beiden vorliegenden Anträge der NEOS.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Rechtsextremismus darf nicht verharmlost werden. Rechtsextremismus ist gefährlich und tötet, wie wir immer wieder miterleben müssen. Ich erinnere zum Beispiel an eine Schussattacke auf eine Asylunterkunft in Rosenau am Hengstpaß. Ich erinnere an einen Brandanschlag auf eine Asylunterkunft in Alten­felden im Mühlviertel. (Abg. Höbart: ... Anschläge auf die FPÖ!) Ich erinnere an das Tag-X-Netzwerk, das sich in Deutschland gebildet hat, das Todeslisten führt (Zwi­schenruf bei der SPÖ) und bei dem es Verbindungen nach Österreich gibt. Unfassbar sind der rechtsextreme Terroranschlag in Christchurch und die Ermordung eines hes­sischen CDU-Politikers diesen Sommer.

Es freut mich auch, dass der Nationale Sicherheitsrat die Anträge für die Wiederein­führung des Rechtsextremismusberichts und für mehr Personal im BVT beschlossen hat. Ich denke, das ist ein wichtiges Zeichen. (Beifall bei der SPÖ.)

Denn eines ist klar: Wer gegen Rechtsextremismus vorgehen will, braucht auch ent­sprechende Ressourcen zur Beobachtung und Analyse der rechtsextremen Szene.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 242

Darauf aufbauend gilt es, eine Strategie gegen Rechtsextremismus zu entwickeln und vor allem dann auch tatsächlich umzusetzen. Das bedarf insgesamt wesentlich mehr als zum Beispiel Schnellschussinitiativen gegen die Identitären. (Abg. Deimek: Wie stehen Sie zum Linksextremismus?)

Es wurde auch von der Liste JETZT ein Antrag angekündigt – der wird wahrscheinlich in dieser Debatte kommen –, in dem man sich dafür ausspricht, die Vereine der Atib Union sowie die Islamische Föderation in Österreich aufzulösen. Das halte ich für po­pulistisch. Genau dafür gibt es das BVT und genau dafür braucht das BVT entspre­chende Ressourcen.

Ich bringe daher folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ ausreichende Ressourcen im BVT zum Schutz gegen Rechtsextremismus“

„Der Bundesminister für Inneres wird aufgefordert, die notwendigen Ressourcen für ei­ne Überprüfung dieser Vereine zur Verfügung zu stellen und über die Ergebnisse dem Nationalrat zeitnah zu berichten. Der Nationalrat geht davon aus, dass bei einem all­fälligen Vorliegen von Tatbeständen des § 29 Vereinsgesetzes eine behördliche Auf­lösung eingeleitet wird.“

*****

Zum Entschließungsantrag der ÖVP habe ich noch eine konkrete Frage: Sehr geehrte Damen und Herren, was genau ist der politische Islam? – Wir verstehen unter dem politischen Islam Handlungen von Personen unter dem Deckmantel der islamischen Religion, die die demokratische Grundordnung, den Rechtsstaat und die Gleichberech­tigung in Österreich unterminieren wollen. Bitte erklären Sie uns, ob Sie darunter das Gleiche verstehen! Wenn das so ist, können wir diesem Antrag zustimmen. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Deimek: Sie haben nichts zum Linksextremismus gesagt!)

19.51

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Sabine Schatz, Angela Lueger,

Kolleginnen und Kollegen

eingebracht im Zuge der Debatte zu Top 9 betreffend den Antrag der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen betreffend ausreichende Ressourcen im BVT zum Schutz gegen Rechtsextremismus

Rund um die Vereine von der ATIB-Union und der islamischen Föderation in Österreich gibt es Stimmen, dass diese ihre hinterlegten Statuten in ihren Aktivitäten überschrei­ten. Gemäß § 29 Vereinsgesetz sind Vereine behördlich aufzulösen, wenn solche Sach­verhalte gegeben sein sollten.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgenden


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 243

Entschließungsantrag

Der Bundesminister für Inneres wird aufgefordert, die notwendigen Ressourcen für eine Überprüfung dieser Vereine zur Verfügung zu stellen und über die Ergebnisse dem Nationalrat zeitnah zu berichten. Der Nationalrat geht davon aus, dass bei einem allfälligen Vorliegen von Tatbeständen des § 29 Vereinsgesetzes eine behördliche Auf­lösung eingeleitet wird.

*****


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Der soeben verlesene Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Pilz zu Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.51.54

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (JETZT): Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich lese zu­nächst einmal zwei Entschließungsanträge vor.

Ich bringe folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Peter Pilz, Kolleginnen und Kollegen

betreffend „BVT, Extremismus und behördliche Auflösung der Vereine der rechts­extremen Identitären Bewegung Österreich“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Inneres, wird ersucht, ehestmöglich die behördliche Auflösung gemäß § 29 Vereinsgesetz sämtlicher Vereine der Identitären Bewegung Österreich, insbesondere der Vereine

-             ,Verein zur Erhaltung und Förderung der kulturellen Identität‘ (ZVR-Zahl: 380600847),

-             ,Verein für nachhaltige Völkerverständigung und Jugendarbeit‘ (ZVR-Zahl 617750158) und

-             ,Verein für unabhängige Medien- und Informationsarbeit‘ (ZVR-Zahl: 1353627343),

zu prüfen und im Falle von Verstößen gegen Strafgesetze, insbesondere im Zusam­menhang mit § 278b StGB und § 283 StGB, Überschreitungen des statutenmäßigen Wirkungsbereichs oder bei Nichterfüllen der Bedingungen des rechtlichen Bestands den jeweiligen Verein bescheidmäßig aufzulösen.“

*****

Das ist der eine Antrag. Als weiteren Antrag bringe ich ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Peter Pilz, Karl Mahrer, Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend „BVT, Extremismus und behördliche Auflösung von ATIB- und Millî Görüş-Vereinen“

Der Nationalrat wolle beschließen:


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 244

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Inneres, wird ersucht,

1.          ehestmöglich die behördliche Auflösung gemäß § 29 Vereinsgesetz sämtlicher Vereine der ATIB Union in Österreich zu prüfen und im Falle von Verstößen gegen Strafgesetze, insbesondere im Zusammenhang mit § 256 StGB, Über­schreitungen des statutenmäßigen Wirkungsbereichs oder bei Nichterfüllen der Bedingungen des rechtlichen Bestands den jeweiligen Verein bescheidmäßig aufzulösen;

2.          ehestmöglich die behördliche Auflösung gemäß § 29 Vereinsgesetz sämtlicher Vereine der Islamischen Föderation in Österreich zu prüfen und im Falle von Verstößen gegen Strafgesetze, Überschreitungen des statutenmäßigen Wir­kungsbereichs oder bei Nichterfüllen der Bedingungen des rechtlichen Be­stands den jeweiligen Verein bescheidmäßig aufzulösen.“

*****

Das Vorlesen habe ich geschafft, nun gebe ich noch ein paar kurze Erklärungen dazu. Diese sind relativ einfach: Herr Erdoğan in Ankara ist davon überzeugt, dass er ma­ximalen politischen Profit aus dem Einsetzen ganz bestimmter Organisationen und Vereine seiner politischen und religiösen Stoßtrupps nicht nur in Österreich, sondern auch in Deutschland und vielen anderen europäischen Staaten erzielen kann. Dazu setzt er einerseits den Atib-Dachverband ein, der Dutzende Moscheen in Österreich kontrolliert und der von der Erdoğan-Religionsbehörde Diyanet aus Ankara gesteuert und finanziert wird.

Atib haben wir bei einer glatten Verletzung des § 256 Strafgesetzbuch, Nachrichten­dienst zum Nachteil der Republik Österreich, erwischt. Sie müssen sich das vorstellen: Da sitzt der türkische Geheimdienstreferent des MIT gemeinsam mit dem Religions­attaché in der türkischen Botschaft in Wien und sie geben Befehle an ihre Trupps, an ihre Funktionäre: Bespitzelt die Gemeinde, bespitzelt die Leute! Schaut, dass ihr etwas über die rauskriegt! Verfolgt sie politisch, so gut es geht, und wenn sie einmal nach Istanbul oder Ankara fliegen, dann meldet es gleich über die Turkish Airlines, damit österreichische Staatsbürger und Staatsbürgerinnen auf türkischen Flughäfen verhaftet werden! – So weit geht das. Dieses Spitzelnetz ist unter den Augen vieler Behörden über ganz Österreich aufgezogen und in Gang gesetzt worden.

Millî Görüş ist etwas ganz anderes. Das ist die türkische Muslimbruderschaft. Das ist eine Organisation, die sich der Errichtung islamischer Staaten auf der ganzen Welt, wo sie wirkt, zur Aufgabe gesetzt hat. Diese Leute gehen einen anderen Weg. Sie gehen in Bildungseinrichtungen, sie machen Schulen, sie holen Schulkinder zu Mittag von der Schule ab, nehmen sie in Gewahrsam und erklären ihnen den islamischen Staat, den politischen Führer Erdoğan und wie diesen Zielen in Österreich zu dienen ist.

Das kann sich die Republik Österreich schlicht und einfach nicht bieten lassen. (Beifall bei JETZT.) Das sind verfassungswidrige Einrichtungen. Das sind Gefährdungen für die Sicherheit der Republik Österreich. Da gibt es null Toleranz. Der Verfassungs­schutz beobachtet diese Organisationen seit Längerem und hat zahlreiche Erkenntnis­se gesammelt. Es ist nun Aufgabe der Politik, diesbezüglich Entscheidungen zu treffen. Wir tragen die Verantwortung, der österreichischen Bevölkerung Schutz – nicht nur, aber auch – vor islamistischen Extremisten zu garantieren.

Ich habe das vor zwei Jahren begonnen. Stück für Stück haben wir Überzeugungsar­beit geleistet. Ich hätte mich sehr gefreut, wenn heute die SPÖ dabei gewesen wäre – ich hätte mich sehr gefreut. Wir haben auch lang miteinander gesprochen. Ich habe versucht, es den Spitzen der SPÖ zu erklären. Ich verstehe nicht, warum die SPÖ nicht


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bereit ist, gemeinsam mit einer Mehrheit des Nationalrates islamistische Bedrohungen der Republik Österreich zu bekämpfen. Ich verstehe es schlicht und einfach nicht. Ich verstehe auch nicht - - (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Nein, ich möchte niemandem etwas unterstellen. Ich verstehe es einfach nicht. Ich er­suche die Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ, die in ihrem Engagement gegen den Rechtsextremismus absolut glaubwürdig und verlässlich sind, auch zu bedenken, ob diese Glaubwürdigkeit nicht leidet, wenn man nicht gleichzeitig mit gleicher Klarheit und gleicher Konsequenz gegen die Bedrohungen durch den islamistischen Extremis­mus vorgeht.

Unser Prinzip muss sein: Kein Extremismus hat Platz in dieser Republik, egal ob es ein linker, ein rechter oder ein islamistischer Extremismus ist! (Beifall bei JETZT sowie des Abg. Jenewein.)

Dieses Prinzip gilt. Diesem Prinzip wollen wir heute in Bezug auf zwei sehr gefährliche islamistische Organisationen in der österreichischen Politik zum Durchbruch verhelfen. Dafür gibt es eine Mehrheit in diesem Haus. Ich fordere die Abgeordneten der beiden Fraktionen, die sich noch nicht endgültig entschieden haben, dazu auf, nochmals kurz darüber nachzudenken. Vielleicht bekommen wir doch noch einen einstimmigen Be­schluss zustande.

Wichtig ist aber, dass wir das heute gemeinsam beschließen und damit auch ein Signal nach Ankara senden: Lieber Herr Präsident Erdoğan, wir in Österreich lassen uns das nicht mehr bieten! Wir machen mit dieser Provokation und mit dieser Bedrohung Schluss! – Danke schön. (Beifall bei JETZT sowie des Abg. Jenewein.)

19.59

Die Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Dr. Peter Pilz, Kolleginnen und Kollegen

betreffend „BVT, Extremismus und behördliche Auflösung der Vereine der rechtsextre­men Identitären Bewegung Österreich“

eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 9: „Antrag der Abge­ordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausreichende Ressourcen im BVT zum Schutz gegen Rechtsextremismus (704/A(E))“ in der 89. Sit­zung des Nationalrates, XXVI. GP, am 25. September 2019

Begründung

Die Identitäre Bewegung Österreich (IBÖ) ist aufgrund ihrer rechtsextremen Ausrich­tung bereits seit Jahren im Visier der österreichischen Verfassungsschützer. So heißt es beispielsweise im Verfassungsschutzbericht 2016:

„Jedoch handelt es sich bei den Identitären um einen erneuten Versuch, ein Netzwerk des modernisierten Rechtsextremismus in der Fortführung der zuvor beschriebenen Neuen Rechten zu schaffen und mit islam- und fremdenfeindlichen Aktionen öffentliche Räume zu erobern. Als maßgebliches Ideologiefundament beziehen sich die Identitä­ren auf eine ethnopluralistische Weltanschauung. Mit dem Begriff „Ethnopluralismus“ wird ein Theoriekonzept bezeichnet, welches den für Rechtsextreme typischen Rassis­mus neu und weniger angreifbar begründen soll.“1

„Derartige gesellschaftszersetzende Kommunikationsstrategien und das öffentliche Auftreten rechtsextremer Ideologieträger bei identitären Splittergruppen führen zuneh-


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mend zu einer Polarisierung und Spaltung in der Öffentlichkeit und gefährden das fried­liche Zusammenleben liberaler Demokratien. An Stellen, wo von Anhängern der Identi­tären Grenzen durch strafrechtliche Handlungen überschritten werden oder Gegenmo­bilisierungen stattfinden, bedienen sich die Verantwortlichen des bei Rechtsextremisten gängigen Narrativs der Täter-Opfer-Umkehr.“2

Der Verfassungsschutzbericht 2017 hält fest:

„In diesem Kontext tritt die Identitäre Bewegung aktuell als eine der wesentlichen Trä­gerinnen des modernisierten Rechtsextremismus auf.“3

„Speziell im virtuellen Bereich richten die Identitären ihren Fokus auf die Generation der „digital natives“, die mit dem „World Wide Web“ aufgewachsen und daher mit die­ser Welt bestens vertraut sind. Die rechtsextremistische Ideologie erhält dadurch ein neues, jugendliches und modernes Erscheinungsbild, das gekonnt die klassischen rechtsextremen Deutungen und Argumentationsmuster verbirgt. Die primären Feindbil­der, die in rechtsextremistischen Kreisen vorhanden sind, bleiben auch im modernisier­ten Rechtsextremismus dieselben. In der Außenwirkung richten sich die Aktionen und Agitationen aktuell auf „Asylwerber“, „Flüchtlinge“ und „Fremde“.“4

Auch im Berichtsjahr 2018 hat sich die Einschätzung des BVT zur rechtsextremen Ge­sinnung der Identitären Bewegung nicht geändert:

„In Österreich umfasst die rechtsextreme Szene heterogene Akteursgruppen unter­schiedlicher personeller, struktureller und ideologischer Ausrichtung. Für den Bereich des sogenannten „modernisierten“ Rechtsextremismus kann die Identitäre Bewegung exemplarisch genannt werden. Diese stellt auch in Österreich eine wesentliche Trä­gerin der „Islam- und Asylfeindlichkeit“ dar.“5

Gemeinsam ist allen rechtsextremen Gruppen, dass sie „die Normen und Regeln eines modernen demokratischen Verfassungsstaates ablehnen und diesen mit Mitteln bzw. Gutheißung von Gewalt bekämpfen.“6

„Zentrale Wesensmerkmale rechtsextremistischer Ideologie sind antidemokratische und antipluralistische Gesellschaftsauffassungen bei gleichzeitiger Ablehnung des vor­herrschenden (d.h. demokratischen) politischen Systems.“7

Zusätzlich wurde durch den BVT-Untersuchungsausschuss bekannt, dass zahlreiche Mitglieder der rechtsextremen Identitären Bewegung aufgrund ihrer im Dunstkreis der IBÖ gesetzten Aktionen bereits strafrechtlich verurteilt wurden. Hier reichen die Delikte von Wiederbetätigung nach dem NS-Verbotsgesetz, (schwerer) Körperverletzung, Raufhandel, Raub, Verstößen gegen das Schusswaffenverbot, Erpressung, Diebstahl und Betrug, Widerstand gegen die Staatsgewalt, beharrlicher Verfolgung, Raub, bis hin zu Vergewaltigung. Damit wird offensichtlich, dass die Gewaltaufrufe der rechtsextre­men IBÖ von ihren Mitgliedern ernst genommen und auch umgesetzt werden.

Klar ist somit:

•             Die rechtsextreme Identitäre Bewegung Österreich lehnt den österreichischen Verfassungsstaat ab.

•             Der „modernisierte“ Rechtsextremismus, als dessen Vertreter die rechtsextreme IBÖ gilt, vertritt ein rassistisches, nationalistisch-völkisches Weltbild, welches durch neue Begriffsbestimmungen (zB Ethnopluralismus, „Großer Austausch“) verdeckt wird.8

•             Die rechtsextreme Identitäre Bewegung gefährdet durch ihre Gewaltaufrufe und die tatsächlichen Gewalthandlungen ihrer Mitglieder das friedliche Zusammen­leben in unserer offenen Gesellschaft.


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In Österreich hat die rechtsextreme IBÖ zumindest drei Vereine gegründet, gegen die derzeit Ermittlungen wegen Abgabenhinterziehung nach dem Finanzstrafgesetz laufen und gegen deren Funktionäre strafrechtliche Ermittlungen insbesondere wegen § 278b StGB (Terroristische Vereinigung) und § 283 StGB (Verhetzung) geführt werden:

•             „Verein zur Erhaltung und Förderung der kulturellen Identität“ (ZVR-Zahl: 380600847),

•             „Verein für nachhaltige Völkerverständigung und Jugendarbeit“ (ZVR-Zahl 617750158) und

•             „Verein für unabhängige Medien- und Informationsarbeit“ (ZVR-Zahl: 1353627343).

Es kann aufgrund der Einschätzung des BVT jedenfalls davon ausgegangen werden, dass diese Vereine (auch) das Ziel haben, rechtsextreme Ideologie zu verbreiten und nur als sog. „Kulturvereine“ getarnt sind. Es ist daher insbesondere zu prüfen, ob die Vereinszwecke (Verbreitung rechtsextremer Ideologie) der Vereine rechtswidrig sind und ob die Vereine wegen Nichterfüllen der Bedingungen des rechtlichen Bestands ge­mäß § 29 Vereinsgesetz bescheidmäßig aufzulösen sind.

Außerdem sind auch die Auflösungsgründe „Verstoß gegen Strafgesetze“ und „Über­schreitung des statutenmäßigen Wirkungsbereichs“ zu prüfen.

Abschließend ist auf die Verpflichtung Österreichs hinzuweisen, alle Vorgänge und Er­eignisse zu untersagen, die „objektiv geeignet sind, nationalistische Bestrebungen und Gedankengänge wieder zu beleben“.9 Der Verfassungsgerichtshof hat diesbezüglich mehrfach und ausdrücklich festgehalten:

„Die kompromisslose Ablehnung des Nationalsozialismus ist ein grundlegendes Merk­mal der widererstandenen Republik. Wie der VfGH dazu bereits in seinem richtungs­weisenden Erkenntnis VfSlg 10705/1985 aussprach, hat sich jede staatliche Handlung an diesem Verbot als unmittelbar anwendbarem Verfassungsrecht zu orientieren. Es darf folglich kein behördlicher Akt ergehen, der eine Mitwirkung des Staates an natio­nalsozialistischer Wiederbetätigung bedeuten würde.“10

In diesem Sinne stellen die unterfertigenden Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Inneres, wird ersucht, ehestmöglich die behördliche Auflösung gemäß § 29 Vereinsgesetz sämtlicher Vereine der Identitären Bewegung Österreich, insbesondere der Vereine

•             „Verein zur Erhaltung und Förderung der kulturellen Identität“ (ZVR-Zahl: 380600847),

•             „Verein für nachhaltige Völkerverständigung und Jugendarbeit“ (ZVR-Zahl 617750158) und

•             „Verein für unabhängige Medien- und Informationsarbeit“ (ZVR-Zahl: 1353627343),

zu prüfen und im Falle von Verstößen gegen Strafgesetze, insbesondere im Zusam­menhang mit § 278b StGB und § 283 StGB, Überschreitungen des statutenmäßigen Wirkungsbereichs oder bei Nichterfüllen der Bedingungen des rechtlichen Bestands den jeweiligen Verein bescheidmäßig aufzulösen.“

1 Verfassungsschutzbericht 2016, Seite 44.

2 Verfassungsschutzbericht 2016, Seite 45f.


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3 Verfassungsschutzbericht 2017, Seite 53.

4 Verfassungsschutzbericht 2017, Seite 56.

5 Verfassungsschutzbericht 2018, Seite 29.

6 Verfassungsschutzbericht 2018, Seite 29.

7 Verfassungsschutzbericht 2018, Seite 29.

8 Verfassungsschutzbericht 2018, Seite 30.

9 Vgl zB VfSlg 18114/2002.

10 VfSlg 12646/1991.

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Entschließungsantrag

des Abgeordneten Peter Pilz, Karl Mahrer, Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kol­legen

betreffend „BVT, Extremismus und behördliche Auflösung von ATIB- und Millî Görüş-Vereinen“

eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 9: „Antrag der Ab­geordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausreichende Ressourcen im BVT zum Schutz gegen Rechtsextremismus (704/A(E))“ in der 89. Sitzung des Nationalrates, XXVI. GP, am 25. September 2019

Begründung

Die „ATIB Union – Türkische-islamische Union für kulturelle und soziale Zusammenar­beit in Österreich“ (ZVR-Zahl: 657301787) ist ein bundesweiter Dachverband, dem über 60 türkische Vereine angehören.1

Seit 2017 gibt es Hinweise, dass der türkische Dachverband ATIB über die staatliche Religionsbehörde Diyanet und über die türkischen Religionsattachées in Wien und Salzburg unter der direkten Kontrolle der türkischen AKP, der Partei des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, steht. Bereits damals wurde die österreichische Staatsanwaltschaft über eine Sachverhaltsdarstellung darauf aufmerksam gemacht, dass die ATIB im Auftrag der türkischen Religionsbehörde Diyanet systematisch Infor­mationen über regimekritische Personen in Österreich sammelt.2 Im Zuge dieser Be­spitzelungen soll ATIB auch Maßnahmen ergreifen, um den Einfluss regimekritischer Personen in Österreich zu minimieren.

Mit der gezielten Bespitzelung von Personen auf österreichischem Hoheitsgebiet wür­de ATIB den Tatbestand des § 256 StGB erfüllen, nämlich das Betreiben eines gehei­men Nachrichtendienstes zum Nachteil Österreichs. Zusätzlich zu diesen schwerwie­genden Vorwürfen wurden in den letzten Jahren zahlreiche Skandale im Dachverband ATIB bekannt. Zuletzt wurden Bilder publik, die Kinder in ATIB Moscheen in Militäruni­formen beim Exerzieren und Salutieren vor türkischen Flaggen zeigen.3

Millî Görüş, die türkische Muslimbruderschaft, wird vom deutschen Verfassungsschutz als eine islamistische Bewegung eingestuft, die eine islamische Gesellschaftsordnung etablieren will.4 In Österreich tritt die türkische Millî Görüş Bewegung vor allem durch ihren Ableger, die Islamische Föderation, in Erscheinung. Es ist bekannt, dass Vereine der Islamischen Föderation als Kulturvereine getarnt sind und somit ihren statutenmä-


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ßigen Wirkungskreis überschreiten, da sie insbesondere Ideologien verbreiten, die ei­ner offenen und liberalen Gesellschaftsordnung widersprechen.

Zuletzt machte die Islamische Föderation Wien5 in Österreich Schlagzeilen, da sie den radikal salafistischen Prediger Safet Kuduzovic nach Wien zu einem Vortrag eingela­den hat. Safet Kuduzovic ist einer der gefährlichsten salafistischen Prediger in Bos­nien.6 Unter anderem soll Kuduzovic zu Gewalt gegen Juden und Todesstrafen für die Schmähung des Propheten aufgerufen haben.

In Deutschland wird Millî Görüş sowie die DITIB aufgrund ihrer demokratiefeindlichen Ausrichtung vom deutschen Verfassungsschutz beobachtet.7 In Österreich führt das BVT seit Jahren eine erweiterte Gefahrenerforschung gegen Millî Görüş und ihre Tarn­vereine durch.

Vereine, die gegen Strafgesetze verstoßen, ihren statutenmäßigen Wirkungskreis über­schreiten oder überhaupt den Bedingungen ihres rechtlichen Bestands in Österreich nicht entsprechen, müssen behördlich aufgelöst werden.

Aus diesen Gründen stellen die unterfertigenden Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Inneres, wird ersucht,

1.          ehestmöglich die behördliche Auflösung gemäß § 29 Vereinsgesetz sämtlicher Vereine der ATIB Union in Österreich zu prüfen und im Falle von Verstößen ge­gen Strafgesetze, insbesondere im Zusammenhang mit § 256 StGB, Über­schreitungen des statutenmäßigen Wirkungsbereichs oder bei Nichterfüllen der Bedingungen des rechtlichen Bestands den jeweiligen Verein bescheidmäßig aufzulösen;

2.          ehestmöglich die behördliche Auflösung gemäß § 29 Vereinsgesetz sämtlicher Vereine der Islamischen Föderation in Österreich zu prüfen und im Falle von Verstößen gegen Strafgesetze, Überschreitungen des statutenmäßigen Wir­kungsbereichs oder bei Nichterfüllen der Bedingungen des rechtlichen Be­stands den jeweiligen Verein bescheidmäßig aufzulösen.“

1            https://www.atib.at/vereine/ (24.9.2019).

2            https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/politik/oesterreich/873935-Spitzelvorwuerfe-gegen-Moscheenverband.html (24.9.2019).

3            https://kurier.at/chronik/wien/kinder-exerzieren-in-uniform-in-atib-moschee/400022314 (24.9.2019).

4            https://www.verfassungsschutz.de/de/arbeitsfelder/af-islamismus-und-islamistischer-terrorismus/zahlen-und-fakten-islamismus/islamistische-organisationen-2017/legalistische-islamistische-gruppierungen-2017/milli-goerues-bewegung-2017 (24.9.2019).

5            https://ifwien.at/ (24.9.2019).

6            https://www.sn.at/politik/innenpolitik/salafist-haelt-vortrag-bei-bosnischem-verein-in-wien-72341578 (24.9.2019).

7            https://www.addendum.org/news/iggoe-praesident/ (24.9.2019).

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Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 250

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Beide Anträge sind ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und stehen mit in Verhandlung.

Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Bißmann zu Wort. – Bitte.


19.59.48

Abgeordnete Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann (ohne Klubzugehörigkeit): Frau Präsi­dentin! (Ruf bei der ÖVP: ... hat gerade ihre Abschiedsrede gehalten!) – Ja, ich habe mich schon von euch verabschiedet, deswegen kann ich mich nun wieder auf die Sachdebatte konzentrieren.

Schärfere Gesetze und eine Aufstockung der Ressourcen sind wichtig, um Rechtsextre­mismus zu bekämpfen. Daher danke ich Kollegin Stephanie Krisper für den Antrag, den ich mit meiner Stimme gerne unterstütze.

Rechtsextremismus lässt sich aber auch mit Menschlichkeit bekämpfen, und über ein menschliches Schicksal möchte ich heute sprechen: über René und dessen wahre Ge­schichte.

René ist das Kind einer alleinerziehenden Mutter aus Wien, Floridsdorf. Mit 15 Jahren ist er in die Skinheadszene eingetaucht, immer tiefer. Sein Leben war geprägt von Ge­walt, Hass und Verbrechen – gegen Ausländer.

Als er 20 Jahre alt wurde, reichte es dem Richter, und René musste wegen Gewaltde­likten eine viermonatige Haftstrafe absitzen. Die Zeit im Gefängnis hat ihm den nötigen Abstand gegeben, er dachte viel nach und kam zu dem Schluss, dass es so nicht mehr weitergehen kann. Er versuchte, Abstand von der Neonaziszene zu gewinnen, und suchte Halt im Leben und in der Arbeit.

Er hat sich bei zahlreichen Firmen beworben, die ihm aber immer und immer wieder Absagen erteilt haben. Die Situation war aussichtslos, bis ihn das AMS eines Tages zu einer Sicherheitstechnikfirma in Wien zur Bewerbung geschickt hat. Dort saß er dann beim Bewerbungsgespräch Murat gegenüber. Murat ist der Geschäftsführer und Grün­der dieser sehr erfolgreichen Sicherheitstechnikfirma und hat türkische Wurzeln – eine ungewöhnliche Begegnung. René war Murat gegenüber aber ehrlich und hat im Be­werbungsgespräch alles aus seiner Vergangenheit erzählt: Gefängnis, Rechtsextre­mismus, alles. Er hat abermals eine Absage erwartet, aber Murat hat ihm die Hand gereicht, was vorher niemand getan hat. Murat sagt heute im Nachhinein: Ich habe gesehen, dass man ihm nie eine echte Chance gegeben hat. René musste die Chance bekommen, die ich von meinem Umfeld bekam. René musste die Chance bekommen zu erkennen, dass wir nicht anders sind als er.

So hat Murat ihn angestellt, und seit fünf Jahren arbeitet René nun bei jener öster­reichischen Firma, die von Gastarbeiterkindern gegründet wurde und geführt wird, die René zu seiner rechtsextremen Zeit verabscheute. Murat beschreibt die Arbeit mit Re­né wie folgt: Ich bin froh über diese Entscheidung, ich kann mir mein Unternehmen oh­ne René nicht mehr vorstellen.

Übrigens ist René nun auch ein gefragter Mann in der gesamten Sicherheitstech­nikbranche in Österreich.

Meine Damen und Herren, nehmen wir uns ein Beispiel an René und Murat. Auch so bekämpft man Rechtsextremismus: mit Empathie, menschlicher Begegnung und dem Überwinden von Vorurteilen. Das ist der Schlüssel gegen Hass. Eine Gesellschaft, in welcher Politiker in hohen Ämtern Hass gegen Minderheiten verbreiten, ist keine Ge­sellschaft, in der ich leben möchte. Eine Nation, in der mit Ängsten Politik gemacht wird, ist auch keine Nation, in der ich leben will. Im Kampf gegen den Rechtsextremis­mus und den Hass zeigen uns Murat und René einen Weg, der uns hilft, gemeinsam stärker zu werden.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 251

Meine Damen und Herren, verstehen Sie mich aber nicht falsch. Es ist mir ein wich­tiges Anliegen, zwischen Heimatliebe und Rechtsextremismus zu unterscheiden. Rechtsextremes Gedankengut ist Ablehnung all jener, die anders sind, es ist der Hass auf diejenigen, die dem eigenen Typus nicht entsprechen.

Heimatliebe hingegen heißt, auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede aufmerksam zu machen. Es geht darum, auf diese stolz zu sein, diese auszuleben und wertzuschät­zen; in Vielfalt geeint statt einseitig gehemmt. Oder, um es mit Jean Jaurès zu sagen: Traditionen zu pflegen heißt nicht, die Asche zu bewachen, sondern die Glut anzufa­chen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)

20.04

20.04.10 Abstimmung


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Berichterstattung ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Somit kommen wir zur Abstimmung, die ich über jeden Tagesordnungspunkt getrennt vornehme.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 9: Entschließungsantrag 704/A(E) der Abgeordneten Krisper, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ausreichen­de Ressourcen im BVT zum Schutz gegen Rechtsextremismus“.

Hiezu haben die Abgeordneten Höbart, Kolleginnen und Kollegen einen gesamtän­dernden Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde daher zunächst über den erwähnten gesamtändernden Abänderungsantrag und im Falle seiner Ablehnung über den Entschließungsantrag 704/A(E) abstimmen lassen.

Ich ersuche nun jene Damen und Herren, die sich für den gesamtändernden Abän­derungsantrag der Abgeordneten Höbart, Kolleginnen und Kollegen aussprechen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit, somit angenommen. (E 132)

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mahrer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Umsetzung eines umfassenden Maß­nahmenpakets zur Bekämpfung von Extremismus“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein entsprechendes Zei­chen. – Das ist die Mehrheit, angenommen. (E 133)

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Schatz, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ausreichende Ressourcen im BVT zum Schutz gegen Rechtsextremismus“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein entsprechendes Zei­chen. – Das ist die Mehrheit, somit angenommen. (E 134)

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Dr. Pilz, Kolleginnen und Kollegen betreffend „BVT, Extremismus und be­hördliche Auflösung der Vereine der rechtsextremen Identitären Bewegung Österreich“.

Wer hiezu die Zustimmung erteilt, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Pilz, Mahrer, Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend „BVT, Extremis­mus und behördliche Auflösung von ATIB- und Millî Görüs-Vereinen“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit, der Antrag ist angenommen. (E 135)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 252

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 10: Entschließungsan­trag 705/A(E) der Abgeordneten Krisper, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Strate­gie gegen Rechtsextremismus“.

Hierzu haben die Abgeordneten Höbart, Kolleginnen und Kollegen einen gesamtän­dernden Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde zunächst über den erwähnten gesamtändernden Abänderungsantrag und im Falle seiner Ablehnung über den Entschließungsantrag 705/A(E) abstimmen lassen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich für den gesamtändernden Abänderungs­antrag der Abgeordneten Höbart, Kolleginnen und Kollegen aussprechen, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit, somit angenommen. (E 136)

20.07.5911. Punkt

Antrag der Abgeordneten Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen betref­fend personelle Aufstockung der Gleichbehandlungsanwaltschaft (471/A)(E)


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Wir gelangen zum 11. Punkt der Tagesordnung.

Hinsichtlich dieses Antrages wurde dem Gleichbehandlungsausschuss eine Frist zur Berichterstattung bis zum 24. September 2019 gesetzt.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Schimanek. – Bitte, Frau Abgeordnete.


20.08.36

Abgeordnete Carmen Schimanek (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Mi­nisterin! Werte Kolleginnen! Werte Zuschauer auf der Galerie! Die Gleichbehandlungs­anwaltschaft ist eine unabhängige staatliche Einrichtung zur Durchsetzung des Rechts auf Gleichbehandlung und Gleichstellung und zum Schutz vor Diskriminierung. Es wer­den kostenlose und vertrauliche Beratungen angeboten. Es gibt eine Zentrale in Wien und vier Regionalbüros in Graz, Klagenfurt, Linz und Innsbruck.

Die Gleichbehandlungsberichte der letzten Jahre zeigen auch, dass die Gleichbehand­lungsanwaltschaft große Bedeutung für die Betroffenen hat. Als Frauensprecherin der FPÖ ist es mir wichtig hervorzuheben, dass weiterhin an der Gleichstellung von Frau­en, besonders auch am Arbeitsmarkt, an der Beseitigung der Diskriminierung, auch in den Kollektivverträgen, gearbeitet werden muss.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es gibt noch viel zu tun. Es braucht ein brei­tes Sicherheitsnetz für Frauen in Österreich. Frauen müssen sich sicher fühlen, und es braucht auch mehr finanzielle Mittel – wir haben das bei der Diskussion zum Thema Gewaltschutzgesetz bereits gehört, auch Frau Kollegin Heinisch-Hosek hat das be­mängelt –, und deshalb bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Carmen Schimanek, Kolleginnen und Kollegen betreffend „mehr finanzielle Mittel um Gewalt an Frauen zu verhindern“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend wird aufgefordert, sich in den nächsten Bugdetberatungen für ein angemessenes Budget für Frauenangelegenheiten und Gleichstellung einzusetzen.“

*****


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 253

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte aber auch noch ganz kurz auf den Entschließungsantrag von Herrn Dr. Taschner betreffend „Ausweitung des Kopf­tuchverbotes in Schulen bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres (sowie im öffentli­chen Dienst)“ eingehen, der heute auch noch eingebracht wird. Nach dem Verbot des Kopftuchs in den Kindergärten und an den Volksschulen ist die Ausweitung des Kopf­tuchverbots auf Hauptschulen ein notwendiger und richtiger Schritt. Wir haben das Kopftuchverbot an den Volksschulen bereits am 15. Mai beschlossen, und ich finde es sehr gut, dass wir diesen Antrag heute noch einmal besprechen; wir werden ihm auch zustimmen.

Liebe ÖVP, wir haben auch einen Fristsetzungsantrag eingebracht, zu einem gleich­lautenden Antrag, und es wäre ein Leichtes gewesen, diesem zuzustimmen, ähnlich wie wir ja heute auch dem Fristsetzungsantrag zur Mautbefreiung bei Kufstein-Süd zu­stimmen werden. Es wäre also auch für Sie ein Leichtes gewesen, unserem Antrag zu­zustimmen.

Ich möchte an dieser Stelle schon noch einmal sagen: Wir haben in der Diskussion am 15. Mai über das Kopftuchverbot gesprochen und auch darüber, dass das ein starkes Symbol ist. Ich wünsche mir an dieser Stelle wirklich Frauensolidarität von allen Seiten, denn in dieser Frage gibt es kein Rechts und Links, sondern nur ein Richtig oder Falsch. (Beifall bei der FPÖ.)

20.12

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Carmen Schimanek Kolleginnen und Kollegen

betreffend mehr finanzielle Mittel um Gewalt an Frauen zu verhindern

eingebracht in der 89. Sitzung des Nationalrates. XXVI. GP am 25. September 2019 im Zuge der Debatte über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Selma Yil­drim, Kolleginnen und Kollegen betreffend personelle Aufstockung der Gleichbehand­lungsanwaltschaft (471/A(E))

Laut Bundesvoranschlag 2018 und 2019 standen für den Bereich Frauenangelegenhei­ten und Gleichstellung jeweils ein Betrag von € 10.15 Mio. Euro zur Verfügung. Der Bundesvoranschlag für Frauenangelegenheiten und Gleichstellung ist damit seit 2009 unverändert.

Die Verwendung der Mittel gliedert sich wie folgt:

•             Rd. 45% (2019: rd. 47%) des Frauenbudgets stehen für den Bereich des Ge­waltschutzes zur Finanzierung der Interventionsstellen/Gewaltschutzzentren ge­gen Gewalt in der Familie und der Interventionsstelle gegen Frauenhandel ge­meinsam mit dem BM.I zur Verfügung.

Dieses Angebot wird jährlich von über 18.250 Frauen in Anspruch genommen.

•             Rd. 54% (2019: rd. 52%) dienen der Finanzierung von frauen- und mädchen­spezifischen Beratungs- und Betreuungsangeboten in Österreich, wie etwa:

o Rd. 130 Frauen- und Mädchenberatungseinrichtungen,

o 5 Frauenberatungsstellen bei sexueller Gewalt,

o eine österreichweite, rund um die Uhr erreichbare Helpline gegen Gewalt,

o eine österreichweite Online-Beratung

o 6 Notwohnungen und Wohngemeinschaften,

o Beratungen in Frauenhäusern


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 254

Dieses Angebot wird jährlich von rd. 90.000 Mädchen und Frauen in Anspruch ge­nommen.

•             Mit den restlichen rd. € 85.000 können insbesondere für Bewusstseinsbildung und Vermittlung von Informationen zu frauenspezifischen Themenbereichen notwendige Angebote zur Verfügung gestellt werden.

Wie ersichtlich, werden 99% des Budgets für direkte oder indirekte Gewaltschatzmaß­nahmen sowie der Präventionsarbeit verwendet. Obwohl zuletzt auch weitere Mittel aus anderen Budgetuntergruppen für frauenspezifische Maßnahmen herangezogen wurden, umso mehr Maßnahmen umsetzen zu können, so ist doch eindeutig, dass hier mehr Budget benötigt wird, um Frauen, die von Gewalt betroffen sind, zu helfen und um präventiv tätig werden zu können - nur so kann generell die Gewalt an Frauen ver­hindert und eingedämmt werden.

Die unterzeichnenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend wird aufgefordert, sich in den nächsten Bugdetberatungen für ein angemessenes Budget für Frauenangelegenheiten und Gleichstellung einzusetzen.“

*****


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Der Antrag wurde ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Bogner-Strauß. – Bitte.


20.12.36

Abgeordnete Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsiden­tin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Zuschauergalerie und zu Hause! Gleichbehandlung, meine sehr geehrten Damen und Herren, geht uns alle an. Studien zufolge wird es in Österreich noch 170 Jahre dauern, bis wir Gleichbehandlung erreichen. Das darf nicht sein, und das kann nicht sein. Gott sei Dank setzen sich viele in der Politik und außerhalb der Politik dafür ein, dass es nicht weitere 170 Jahre dauert, bis es in Österreich zu Gleichbehandlung kommt.

Seit der Einführung des Gesetzes über die Gleichbehandlung von Frau und Mann bei der Festsetzung des Entgelts für die Privatwirtschaft im Jahr 1979 wurde gesetzlich sehr viel auf den Weg gebracht – mehrere Gleichbehandlungspakete, die Novellierung des Gleichbehandlungsgesetzes und die Einführung der Gleichbehandlungsanwalt­schaft und der Gleichbehandlungskommission im Jahr 2004.

Gleichbehandlung ist leider trotzdem noch keine Selbstverständlichkeit. Wir haben da­zu noch viel vor, zum Beispiel das Schließen der Lohn- und der Pensionsschere. Wir haben da in den letzten eineinhalb Jahren einiges auf den Weg gebracht. Wir haben 24 Monate Karenzzeit in den Kollektivverträgen verankert (Zwischenruf des Abg. Vogl), es werden jetzt fünf Jahre Kindererziehung in die Mindestpension eingerechnet, und meiner Meinung nach – das ist mir wichtig – wird auch die gesetzliche Veran­kerung des automatischen Pensionssplittings ein Meilenstein in der Gleichbehandlung sein.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 255

Obwohl es schon sehr, sehr viele dahin gehende Gesetze gibt, werden leider noch sehr viele Menschen ungleich behandelt. Institutionen wie die Gleichbehandlungs­anwaltschaft leisten einen wertvollen und wichtigen Beitrag, damit Gleichbehandlung in unserer Gesellschaft Realität und selbstverständlich wird.

Die Zahlen des letzten Berichts der Gleichbehandlungsanwaltschaft – sie stammen von Ende 2018 – bestätigen das. Es gab in den Jahren 2016 und 2017 zusammengezählt 6 100 Aktivitäten – die Klärung von Rechtsfragen, Beratungs-, Informations- und Auf­klärungsarbeit. Betroffene können sich in Diskriminierungsfällen rasch und unkompli­ziert an die Gleichbehandlungsanwaltschaft wenden. Beratung und Unterstützung – das wissen wir alle – ist wichtig und notwendig und soll natürlich auch in den Regio­nalbüros sichergestellt sein.

Ich durfte übrigens voriges Jahr in Linz das Regionalbüro besuchen und mich von des­sen Arbeit überzeugen. Die regionale Arbeit ist ganz, ganz wichtig, damit Betroffene nah an ihrem Wohnort informiert und beraten werden können. Um diesen Aufwand auch weiterhin abdecken zu können, braucht es eine Aufstockung des Personals.

Ich möchte mich an dieser Stelle bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Gleich­behandlungsanwaltschaft bedanken, sie leisten nämlich täglich großartige Arbeit. Ich möchte das Fortbestehen der regionalen Beratungsstellen sicherstellen. Ich möchte, dass sich jeder, der sich ungleich behandelt fühlt, an die Gleichbehandlungsanwalt­schaft wenden kann. Daher braucht es da eine Aufstockung des Personals. (Beifall bei der ÖVP.)

Gleichbehandlung, meine sehr geehrten Damen und Herren, darf nämlich nicht nur ein Begriff sein, sondern muss von uns allen gelebt und umgesetzt werden. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

20.16


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Yildirim. – Bitte, Frau Abgeordnete.


20.17.06

Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Werte Frau Bundesministerin! Als ich diesen Antrag gemeinsam mit meinen Kol­leginnen und Kollegen eingebracht habe, habe ich mich an den Bericht der Gleichbe­handlungsanwaltschaft angelehnt und diese Empfehlung sehr gerne aufgenommen, und es freut mich außerordentlich, hier eine Mehrheit signalisiert zu bekommen, weil das wichtig ist.

Sehr geehrte Damen und Herren! „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.“ In der Realität ist freilich nicht immer alles eitel Wonne. Frauen wer­den nicht immer gleich bezahlt wie Männer, homosexuelle Paare bekommen mitunter schwerer eine Wohnung, oder das Geburtsjahr, ein ausländisch klingender Name oder eine andere Religionszugehörigkeit können schon von vornherein ein Ausscheidungs­grund in einem Bewerbungsverfahren sein und sind es oft leider auch. Österreich hat aus diesem Grund seit 40 Jahren ein Gleichbehandlungsgesetz, das wir stets weiter­zuentwickeln suchen.

Von Lohntransparenz und Quoten halten ÖVP und FPÖ leider nicht viel. Da wird ar­gumentiert, die Unternehmer würden das ohnehin freiwillig machen, und Quoten wür­den Frauen dazu drängen, etwas zu machen, was sie nicht wollen. Wir alle wissen na­türlich, dass das nicht stimmt. Ungerechtigkeiten dürfen wir aber nicht hinnehmen, und deswegen ist es auch wichtig, gleiche Rechte und Würde auch Realität werden zu lassen und gegen Verstöße vorzugehen.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 256

Meine Vorrednerinnen haben einen Entschließungsantrag angekündigt, der meines Er­achtens etwas unsachlich ist. Er betrifft die „Ausweitung des Kopftuchverbotes in Schu­len bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres“ sowie ein Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst. Wenn ich mir den Antragstext durchlese, scheint er mir sehr widersprüchlich. Wissen Sie was, sehr geehrte Damen und Herren? Mir kommt das ein bisschen wie ein Musliminnenbashing vor. Bitte lassen Sie das doch! Es ist doch wichtig, dass wir in dieser Gesellschaft das Zusammenleben lernen. Glauben Sie mir, ich bin nicht selten bei Familien eingeladen, in denen ein Mädchen ein Kopftuch trägt, das andere Mäd­chen gepierct und tätowiert ist und im Minikleid herumläuft. Es ist nicht alles schwarz-weiß, und wir müssen nicht immer glauben, dass Unterdrückung im Spiel ist.

Wir könnten uns hingegen ernsthaft dem Ausbau von Strukturen widmen, wenn wir glauben, dass Gleichberechtigung hintangehalten wird, und dafür sorgen, dass ein selbstbestimmtes Leben möglich ist, dass Kinderbetreuungseinrichtungen ausgebaut werden, und wir könnten schauen, dass ausreichend Plätze in Gewaltschutzeinrichtun­gen vorhanden sind.

Da fehlt mir aber die Ernsthaftigkeit, da fehlt mir einfach der Glaube daran, dass es Ihnen tatsächlich um die Gleichberechtigung von Männern und Frauen geht. Hier, habe ich den Eindruck, wird wieder populistisch ein Wahlkampfthema daraus gemacht, und das ist viel zu schade und ich bedaure es sehr.

Aber noch einmal zurück: Die regionalen Anwaltschaften sind extrem wichtig und wir sollten sie auch personell aufstocken, da wir mehr denn je eine gut funktionierende Gleichbehandlung brauchen werden. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

20.20


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Hager-Häm­merle. – Bitte, Frau Abgeordnete.


20.20.38

Abgeordnete Mag. Doris Hager-Hämmerle (NEOS): Frau Präsidentin! Frau Minis­terin! Hohes Haus! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ähnlich wie in der letzten Sitzung werden wir auch jetzt einen Antrag beschließen, der eine Selbstverständlichkeit ist.

Die Gleichbehandlungsanwaltschaft ist eine staatliche Einrichtung zur Durchsetzung des Rechts auf Gleichbehandlung und Gleichstellung und zum Schutz vor Diskriminie­rung. Die Gleichbehandlungsanwaltschaft soll mehr personelle Ressourcen bekom­men. Warum? – Weil damit begonnen wurde, in den Bundesländern Regionalbüros zu eröffnen. Vier solcher Regionalbüros gibt es inzwischen in ganz Österreich – vier, das ist ein Anfang. Mehr Büros bedeuten mehr Personal und damit ist es auch selbstver­ständlich, dass wir heute – zumindest mehrheitlich – diesen Antrag beschließen.

Der vorliegende Entschließungsantrag fordert die Regierung auf, für eine der Regiona­lisierung entsprechende Aufstockung der Gleichbehandlungsanwaltschaft zu sorgen. Wir NEOS unterstützen das, weil wir, wie Sie wissen, für eine offene, vielfältige und liberale Gesellschaft, in der Menschen keine Angst haben müssen, verschieden zu sein, und für eine chancen- und geschlechtergerechte Gesellschaft stehen. Diese Hal­tung liegt insbesondere dem gleichbehandlungspolitischen Bereich unserer Politik zu­grunde.

Demokratie braucht den Diskurs, braucht den Austausch. So und so ähnlich haben wir das heute mehrmals gehört. Wie kommt es aber, dass diese Feststellung auch von je­nen kommt, die genau das verweigern oder nicht nötig haben? Das muss ich jetzt nicht verstehen, oder?

Ich habe letzte Woche kritisiert, dass zwei Fraktionen in diesem Haus eine von Minis­terin Stilling vorgeschlagene Sitzung des Gleichbehandlungsausschusses verhindert


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 257

haben, weil sie sie für nicht notwendig befunden haben. Ich nehme aus diesen we­nigen Wochen hier in diesem Haus sehr viele gute Eindrücke mit. Ich habe sehr viel an Wertschätzung, Engagement und gute Gründe für dieses Engagement kennengelernt, leider aber auch eine gewisse Arroganz, die nicht einmal darauf gründet, dass man davon überzeugt ist, was man hier tut, sondern sich zum Teil einfach nur darauf grün­det, dass man die Mehrheit dafür hat. Von manchen hier im Haus hätte ich tatsächlich mehr erwartet, mehr Überzeugung für das, was sie tun. – Trotzdem vielen Dank. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Klaus Uwe Feichtinger.)

20.23


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Taschner. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.23.20

Abgeordneter Mag. Dr. Rudolf Taschner (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Wenn Frau Ministerin Bogner-Strauß gesagt hat, dass es noch ungefähr 170 Jahre dauern wird, bis die Gleichbehandlung eingeführt ist, könnte man das Wort 170 Jahre auch durch unendlich ersetzen, denn 170 Jahre, das ist einfach jenseits unseres Entscheidungshorizonts. Und es ist tatsächlich ein weites Feld, es ist ein Feld, das Ideale vorstellt und eigentlich im Wesentlichen nicht nur durch Gesetze, sondern auch durch einen gesellschaftlichen Konsens beackert werden muss.

Einen Aspekt möchte ich hervorheben, er wurde schon von Kollegin Schimanek ange­deutet: Wir als Anwälte der Kinder, die uns ja sozusagen in dieser Anwaltschaft brau­chen, haben dafür gesorgt, dass mögliche Diskriminierung abgeschafft ist. Wir haben unter der Regierung von Sebastian Kurz in der Schulpolitik dafür gesorgt, dass das Kopftuch für Mädchen in den Volksschulen verboten ist. Sie dürfen das Kopftuch nicht tragen.

Jetzt können Sie natürlich sagen, dass ein Verbot ja eigentlich sozusagen eine Ein­schränkung darstellt. Aber in Wahrheit müssten Sie es eigentlich so betrachten, dass das Kopftuch selbst ein Verbot ist, nämlich ein Verbot, sein Haar frei zu zeigen, ein Verbot, sich selbst zu verwirklichen. In Wirklichkeit ist es eine Art Kopftuchbefreiung, die wir da eingeführt haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.) Se­hen Sie es bitte als solche!

Das Ideal der Freiheit ist in diesem Zusammenhang sehr wichtig, die Freiheit nämlich, verschieden zu sein. Wie eben angedeutet, stellen wir nun einen dementsprechenden Antrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Univ.-Prof. Dr. Rudolf Taschner, Wendelin Mölzer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ausweitung des Kopftuchverbotes in Schulen bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres (sowie im öffentlichen Dienst)“, eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 11.

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird ersucht, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzulei­ten, mit welcher das bestehende Verbot des Tragens weltanschaulich oder religiös ge­prägter Bekleidung, die mit einer Verhüllung des Hauptes verbunden ist, für Schülerin­nen und Schüler bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres ausgeweitet wird und so konzipiert ist, dass dieses mit den in Spannung dazu stehenden Grundrechten im Ein­klang gebracht wird, damit Kinder und Jugendliche vor Stigmatisierung geschützt sowie Zwang und sozialer Druck auf Mädchen insbesondere zur Erfüllung eines bestimmten Rollenstereotyps verhindert wird.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 258

Weiters wird die Bundesregierung ersucht, in dieser Vorlage im Sinne des Neutralitäts­gebotes des Staates ebensolche Bestimmungen für Bedienstete des öffentlichen Dienstes in den betroffenen dienstrechtlichen Materiengesetzen vorzuschlagen. Leh­rerinnen und Lehrer an konfessionellen Schulen und Religionslehrer/innen sollen von einem solchen Verbot ausgenommen sein.“

*****

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Frau Kollegin Yildrim, ich möchte das be­tonen: Wir haben hier einen Entschließungsantrag, mit dem wir eigentlich um eine Dis­kussion ersuchen. Wir haben ja damals das Kopftuchverbot in der Volksschule in drei Ausschusssitzungen lang und breit durchdiskutiert. Wir sind für diese Diskussion offen. Herr Kollege Noll meint ja, dass wir nur Vollzugsorgane irgendeiner fürstlichen Hoheit seien. Das ist vielleicht, wenn man hier das Ritual betrachtet, nicht so falsch gesehen (Abg. Noll: Das wollte ich hören!), aber es ist nicht so, dass es in Wirklichkeit so ist. In Wirklichkeit arbeiten wir tatsächlich auch intellektuell, Herr Kollege Noll, hoffentlich und auch tatsächlich mit Verantwortung (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ) an diesen unseren Gesetzesvorschlägen. Wir sind also nicht die Abnicker. Das ist halt in der Öffentlichkeit nicht so durchgedrungen, aber es ist tatsächlich so.

Ich möchte das wirklich betonen, dass gerade in diesem Entschließungsantrag steht: „mit den in Spannung dazu stehenden Grundrechten im Einklang gebracht wird“. Das heißt: Wir wissen um die Problematik. Das Problem ist nicht trivial. Wir werden es da­her ausführlich behandeln müssen. Und es ist durchaus möglich, dass es Argumente gibt, die diesen Antrag unter Umständen einer Polierung oder einer Änderung zuführen werden. Das ist alles denkbar und das ist auch so gut, deshalb wollen wir ja voran­schreiten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Gleichbehandlung werden wir nicht errei­chen. Aber wir bemühen uns darum. Dieses Versprechen können wir Ihnen geben und mit diesem Versprechen gehen wir jetzt auch zuversichtlich in diese Wahl, da wir, die­se Partei, uns sicherlich besonders bemühen werden. (Beifall bei der ÖVP.)

20.28

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

Der Abgeordneten Univ.-Prof. Dr. Rudolf Taschner, Wendelin Mölzer

Kolleginnen und Kollegen

betreffend Ausweitung des Kopftuchverbotes in Schulen bis zur Vollendung des 14. Le­bensjahres (sowie im öffentlichen Dienst)

eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 11 471/A (E) Antrag personelle Aufstockung der Gleichbehandlungsanwaltschaft

Das österreichische Bildungssystem beruht auf verfassungsrechtlichen Grundwerten. Ziel der Erziehung in österreichischen Bildungseinrichtungen ist es, Kindern die best­mögliche geistige, seelische und körperliche Entwicklung zu ermöglichen und diese zu selbständigem Urteilen zu befähigen. Es soll somit auch eine erfolgreiche soziale Ent­wicklung und Integration der Schülerinnen und Schüler in den Schulen sichergestellt werden.

Um die freie Entwicklung der Kinder bereits in einem sensiblen Alter sicherzustellen, wurde in den vergangenen eineinhalb Jahren ein Verbot des Tragens weltanschaulich


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 259

oder religiös geprägter Bekleidung mit der eine Verhüllung des Hauptes verbunden ist für Kinder im Kindergarten (im Rahmen der Art. 15a B-VG Vereinbarung über die Ele­mentarpädagogik für die Kindergartenjahre 2018/19 bis 2021/22) und in der Volks­schule (durch die Einführung eines neuen § 43a Schulunterrichtsgesetz) auf den Weg gebracht.

In einem weiteren Schritt soll die Umsetzung eines Kopftuchverbots für Mädchen bis zum vollendeten 14.Lebensjahr (geknüpft an das Erreichen der Religionsmündigkeit) erfolgen. Der Grund dafür ist, dass das Kopftuch nicht nur ein religiöses Symbol ist, sondern vor allem auch ein politisches Symbol, das insbesondere die Unterdrückung von Frauen und Mädchen zum Ausdruck bringt. Die Schule ist die Institution, deren Bil­dungsauftrag im Lehren und Lernen, also in der Vermittlung von Wissen und Können durch Lehrerinnen und Lehrern an Schülerinnen und Schüler, aber auch in der Werte­vermittlung und in der Erziehung und Bildung zu mündigen, sich verantwortlich in die Gesellschaft einbringenden Persönlichkeiten, besteht. Daher ist es eine wesentliche Aufgabe jene Rahmenbedingungen zu schaffen, die das ermöglichen. Dazu zählt auch, dass die Schülerinnen und Schülern in der Schule frei und ungezwungen, lernen und sich entwickeln können und nicht durch Zuweisung eines bestimmten Rollenstereotyps gezwungen werden.

Im Vergleich zum Verbot für Kinder bis zum vollendeten 10. Lebensjahr ist die Auswei­tung dieses Verbots auf Schülerinnen und Schüler bis zum vollendeten 14. Lebensjahr mit einer weiteren Grundrechtsabwägung verbunden, da die Religionsfreiheit in dieser Altersstufe nicht außer Acht zu lassen ist.

Auch soll nicht nur im schulischen Kontext, sondern vor allem umfassend im Bereich des öffentlichen Dienstes eine Auseinandersetzung zum neutralen Auftreten von Ver­treterinnen und Vertretern des Staates geführt werden. So stellen etwa Lehrerinnen mit Kopftuch bei Erfüllung des staatlichen Bildungsauftrags eine gewisse weltanschauliche Haltung zur Schau, die implizit die Neutralität des Staates untergraben kann. Gleichzei­tig wird dadurch ein Gesellschaftssystem, in dem die Frau nicht dieselbe Stellung wie in einer aufgeklärten Gesellschaft hat, dargestellt. Insbesondere in Schulen, aber auch in anderen Einrichtungen des öffentlichen Dienstes wie bei Gerichten, der Staatsan­waltschaft, der Polizei und in der Verwaltung soll das Kopftuch als deutlich sichtbares, demonstratives Symbol, das Raum für politische Einflussnahme bietet, unterbunden werden.

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird ersucht, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzulei­ten, mit welcher das bestehende Verbot des Tragens weltanschaulich oder religiös ge­prägter Bekleidung, die mit einer Verhüllung des Hauptes verbunden ist, für Schüle­rinnen und Schüler bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres ausgeweitet wird und so konzipiert ist, dass dieses mit den in Spannung dazu stehenden Grundrechten im Einklang gebracht wird, damit Kinder und Jugendliche vor Stigmatisierung geschützt sowie Zwang und sozialer Druck auf Mädchen insbesondere zur Erfüllung eines be­stimmten Rollenstereotyps verhindert wird.

Weiters wird die Bundesregierung ersucht, in dieser Vorlage im Sinne des Neutra­litätsgebotes des Staates ebensolche Bestimmungen für Bedienstete des öffentlichen Dienstes in den betroffenen dienstrechtlichen Materiengesetzen vorzuschlagen. Leh-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 260

rerinnen und Lehrer an konfessionellen Schulen und Religionslehrer/innen sollen von einem solchen Verbot ausgenommen sein.“

*****


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Der soeben eingebrachte Antrag ist ausreichend unterstützt und wird zur Abstimmung gebracht.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Nussbaum. – Bitte.


20.28.34

Abgeordnete Mag. Verena Nussbaum (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frauen Bundesministerinnen! Hohes Haus! Am 21. Oktober findet in Österreich wieder der Equal Pay Day statt, sprich, ab diesem Tag arbeiten Frauen statistisch gesehen gra­tis – oder anders ausgedrückt –, an diesem Tag haben Männer bereits jenes Einkom­men erzielt, für das Frauen bis Jahresende noch 72 Tage arbeiten müssen.

Dieser Einkommensunterschied von Männern und Frauen in Höhe von 24,5 Prozent ist leider noch immer traurige Realität in Österreich. Durch die Anrechnung der Karenzzei­ten wird sich diesbezüglich in Zukunft eine wesentliche Verbesserung einstellen.

In der Arbeitswelt gibt es aber bedauerlicherweise immer noch eine bewusste Schlech­terstellung von Frauen. Dabei spielt auch die ungleiche Bezahlung weiterhin eine große Rolle. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten möchten uns nicht auf 170 Jah­re verlassen oder, wie Abgeordneter Taschner gemeint hat, auf die Unendlichkeit, son­dern wir fordern jetzt schon zu Recht, dass Unternehmen verpflichtet werden, eine Of­fenlegung der Gehälter von Männern und Frauen vorzunehmen.

Da aber die VertreterInnen von ÖVP und FPÖ aus unterschiedlichen Motiven gegen diese Lohntransparenz sind, wird die Gleichbehandlungsanwaltschaft auch weiterhin eine wichtige Rolle einnehmen. Neben der Durchsetzung von Ansprüchen vor Gericht ist es aber auch notwendig, Informationen und Beratungen bereitzustellen sowie Öf­fentlichkeitsarbeit zu leisten.

Alle Regionalbüros vor Ort bieten Beratungen und Unterstützungsleistungen bei sämtli­chen Arten der Diskriminierung an, und die Zentrale hat einen dementsprechend er­höhten Koordinierungsbedarf. Alle zwei Jahre erscheint der Tätigkeitsbericht der Gleichbehandlungsanwaltschaft, und daraus geht ganz klar hervor, dass für Öffentlich­keitsarbeit und sozialwissenschaftliche Unterstützung dringend Personalressourcen bereitgestellt werden sollten.

Wie hat die Ibizakoalition aber bisher auf diesen Tätigkeitsbericht reagiert? Hat sie zu­sätzliche Mittel bereitgestellt? – Nein, im Endeffekt wurde gar nichts zur Verfügung ge­stellt.

Es geht wirklich um die personelle Aufstockung der Gleichbehandlungsanwaltschaft, und es würde mich enorm freuen, wenn alle unserem Antrag zustimmen könnten und der Ausbau der personellen Ressourcen in der Gleichbehandlungsanwaltschaft Reali­tät werden könnte. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

20.31


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Mölzer zu Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.31.32

Abgeordneter Wendelin Mölzer (FPÖ): Frau Präsidentin! Frau Minister! Hohes Haus! Es ist erfreulich, lieber Kollege Taschner, dass wir last minute doch noch zusammen­gekommen sind und zumindest diesen Entschließungsantrag bezüglich des Kopftuch-


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verbots auch für Schülerinnen bis zum 14. Lebensjahr beziehungsweise für Lehrerin­nen im öffentlichen Dienst gemeinsam beschließen. Das ist deswegen erfreulich - - (Zwi­schenruf der Abg. Heinisch-Hosek) – Das ist kein Populismus, Frau Kollegin. Das ist erfreulich, weil ich glaube, dass es der logische nächste Schritt sein muss, nachdem wir ja im Frühling beziehungsweise letztes Jahr im Herbst bereits das Kopftuchverbot in Kindergärten und Volksschulen beschlossen haben; wir wollen damit ein weiteres starkes Signal gegen den politischen Islam und gegen den Missbrauch von jungen Mäd­chen setzen.

Die Fakten liegen auf dem Tisch, ich werde hier nicht unnötig lange auf die Details ein­gehen. Die Fronten sind auch klar – wie ich nicht nur Ihrem Zwischenruf entnehmen kann, liebe Kollegin von der SPÖ –, es liegt klar auf dem Tisch: Offensichtlich ist nämlich seitens der SPÖ und der Anhängsel, auch seitens der NEOS keine Bereit­schaft gegeben, aktiv etwas dagegen zu tun. Das haben wir im Frühling schon gese­hen, das werden wir auch jetzt bei der Abstimmung wieder sehen.

Ich muss aber auch der ÖVP eines sagen: Es ist zwar erfreulich, dass ihr da heute mit­geht; schade finde ich aber, dass ihr bei dem Gesetzesantrag, den wir eingebracht haben, der heute noch mit einem Fristsetzungsantrag zur Abstimmung gelangen wird, nicht mitgehen werdet. Ich erinnere in diesem Zusammenhang daran, dass der Ent­schließungsantrag, so schön er ist – und deswegen steht auch meine Name drauf und werden wir auch mitstimmen –, in vier Wochen erloschen und mit dieser Gesetzge­bungsperiode Geschichte ist. Und ich erinnere auch daran, dass eben aufgrund der klar abgeklärten Fronten solche aktiven Maßnahmen gegen den politischen Islam, für Integration nur mit uns Freiheitlichen möglich sind und es für euch schwierig werden wird, da andere Partner zu finden. Ich glaube, das sollte man an dieser Stelle klar und deutlich festhalten. (Beifall bei der FPÖ.)

Abschließend: Ich denke, dass wir in den letzten zwei Jahren im Bereich der Bildungs- und Integrationspolitik einiges weitergebracht haben und dass wir das auch in Zukunft schaffen können. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

20.33


20.33.49Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Somit schließe ich die Debatte.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 11: Antrag 471/A(E) der Ab­geordneten Yildirim, Kolleginnen und Kollegen betreffend „personelle Aufstockung der Gleichbehandlungsanwaltschaft“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein entsprechendes Zei­chen. – Das ist die Mehrheit, angenommen. (E 137)

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Schimanek, Kolleginnen und Kollegen betreffend „mehr finanzielle Mittel um Gewalt an Frauen zu verhindern“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein entsprechendes Zei­chen. – Das ist einstimmig angenommen. (E 138)

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Taschner, Mölzer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ausweitung des Kopftuchver­botes in Schulen bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres (sowie im öffentlichen Dienst)“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein entsprechendes Zei­chen. – Das ist die Mehrheit, angenommen. (E 139)


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20.35.0512. Punkt

Antrag der Abgeordneten Johannes Schmuckenschlager, Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger, Michael Bernhard, Mag. Bruno Rossmann, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Erklärung des Climate Emergency (935/A)(E)


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Wir gelangen nun zum 12. Punkt der Tages­ordnung.

Hinsichtlich dieses Antrages wurde dem Umweltausschuss eine Frist zur Berichter­stattung bis zum 24. September 2019 gesetzt.

Ein Wunsch nach einer mündlichen Berichterstattungsmeldung liegt mir nicht vor.

Wir gehen daher gleich in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Rauch. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.35.52

Abgeordneter Walter Rauch (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsident! Frau Bundesmi­nister! Hohes Haus! Climate Emergency, was heißt das? – Auf Deutsch: Wir rufen den Klimanotstand aus. Wer hat diesen Antrag eingebracht? – ÖVP, SPÖ, JETZT und NEOS.

Also ganz ehrlich, einen Notstand auszurufen ist eine besondere Maßnahme in einem Staat. Mein Kollege Harald Stefan wird noch darauf eingehen, was das auch rechtlich bedeutet und welche Maßnahmen damit verbunden sind, wenn in einem Staat ein Not­stand ausgerufen wird.

Durch das Ausrufen dieses Notstands auch eine Klimahysterie zu erzeugen, abseits jeglicher Realitäten, die damit auch einhergehen, ist für mich auf der einen Seite sehr befremdlich. Nichtsdestotrotz hinterfrage ich auf der anderen Seite auch die Position der ÖVP, unseres ehemaligen Regierungspartners, der schon seit Jahrzehnten den Umweltminister stellt und diesen Notstand entsprechend mitbegründet hat. Also ich bitte dann auch um Aufklärung darüber, wie ihr das den Wählern und den Bürgern in Österreich erklären wollt. (Beifall bei der FPÖ.)

Was braucht es? – Es braucht konkrete Maßnahmen, um das Klima, die Umwelt, die Natur mit Hausverstand zu schützen, zu erneuern und zu regenerieren. Was bedeutet das konkret? – Wir haben in der vergangenen Gesetzgebungsperiode die #mis­sion 2030 ins Leben gerufen, das war eine der Maßnahmen. Lösungsvorschläge von unserer Seite: nicht die CO2-Steuer. Wir haben mit der Mineralölsteuer bereits eine ver­steckte – in Klammern – CO2-Steuer, die insgesamt 4,5 Milliarden Euro ausmacht, die die Steuerzahler bereits jetzt leisten. Es geht schon darum, diesbezüglich auch die Kirche im Dorf zu lassen und die Mittel zweckgebunden zu verwenden.

Ein weiterer Punkt, den wir betreffend Umweltschutz, Klimaschutz und Naturschutz umsetzen möchten, ist die Nahverkehrsmilliarde, damit im öffentlichen Bereich mehr Maßnahmen gesetzt werden, um unsere Umwelt und das Klima zu schützen.

Ein weiterer Ansatz: die Halbierung des Mehrwertsteuersatzes auf erneuerbare Ener­gien – ein wesentlicher Faktor, um auch CO2-neutral zu werden. Auch da braucht es Maßnahmen, natürlich auch finanzielle Mittel und diesbezüglich auch die Zweckbin­dung der Mineralölsteuer.

Es gibt aber Fantasien einiger Parteien hier im Hohen Haus und auch der Grünen, die wieder in den Nationalrat einziehen wollen: Abschaffung der Pendlerpauschale auf der einen Seite, was die Grünen gerade vorschlagen; Einführung der CO2-Steuer auf der anderen Seite, wie schon erwähnt, und natürlich auch – was ein maßgeblicher Punkt der NEOS ist; Kollege Bernhard richtet sich gerade seine Unterlagen her –, den Treib-


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stoffpreis um 50 Cent zu erhöhen. Auch da muss man konkret erwähnen, was Ihre Projekte sind. Das lehnen wir zu 100 Prozent ab, das wird es mit uns nicht geben! (Bei­fall bei der FPÖ.)

Führt man auch die Fantasien der SPÖ ins Treffen, dann kommen wir drauf: In der Steiermark muss die Airpower abgeschafft werden, denn das ist ein Wahnsinn, ein umweltpolitisches Verbrechen! Das Harley-Treffen in Kärnten, meine Kollegen aus Kärnten, das müssen wir auch abschaffen, denn das verursacht sehr, sehr viel CO2. – Nichtsdestotrotz, wir sind ein touristisches Land, wir brauchen Veranstaltungen, um unser Land entsprechend zu präsentieren. Auch das ist eine klare Botschaft. (Beifall bei der FPÖ.)

Also ganz einfach: Hören wir mit dieser Klimahysterie auf! Machen wir Umweltschutz mit Hausverstand, mit den Menschen, nicht gegen die Menschen, und versuchen wir auch, Maßnahmen zu setzen, die unsere Umwelt nachhaltig schützen. Es gibt Maß­nahmen noch und nöcher, die wir diesbezüglich in Zukunft ins Treffen führen werden.

Ein Punkt, auf den ich noch eingehen muss, weil es ja einen weiteren Entschließungs­antrag betreffend Atomkraft gibt: Österreich hat vor Jahrzehnten diese Energieform abgelehnt, und da stehen wir zu 100 Prozent dahinter und weisen gleichzeitig darauf hin, was um Österreich herum passiert. Wir müssen da auf europäischer Ebene Maß­nahmen setzen oder zumindest auf der Verhandlungsebene tätig werden, aber vor allem auch auf finanzieller Ebene. Es darf nicht sein, dass die Europäische Union diese Energieform unterstützt und finanziert. Das muss endlich aufhören! Es kann nicht sein, dass wir Gelder in die Hand nehmen und um uns herum Reaktoren errichtet werden, die uns nachhaltig schädigen und betreffend die wir nicht wissen, was wir mit dem Atommüll machen.

Bestes Beispiel: Südlich der Steiermark und südlich von Kärnten steht auf einer Erd­bebenlinie das Atomkraftwerk Krško. Es gibt Gutachten noch und nöcher, dass das sehr, sehr gefährlich ist. Jeden Tag kann eine Katastrophe passieren, wie uns das zum Beispiel Tschernobyl im Jahr 1986 gezeigt hat, um die früheste zu erwähnen. Wir ha­ben diesbezüglich in der Steiermark und in Kärnten eine Petition aufgelegt, die man unterschreiben kann, um sich gegen den Ausbau dieses Atomkraftwerks auszuspre­chen. Das ist unserer Meinung nach eine wichtige Maßnahme, und ich bitte alle Bür­gerinnen und Bürger in diesem Land, diese Petition zu unterstützen, um Druck gegen­über den slowenischen Behörden, gegenüber dem slowenischen Staat aufzubauen, um den Ausbau dieses gefährlichen Atomkraftwerks zu verhindern. (Beifall bei der FPÖ sowie der Abgeordneten Köstinger und Schmuckenschlager.)

Einen Schlusssatz noch: Wenn man Umweltpolitik mit Hausverstand, Umweltpolitik mit den Menschen und für die Menschen machen will, dann kann es nur eines geben: am 29. September eine Stimme für die FPÖ! (Beifall bei der FPÖ.)

20.42


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Schmucken­schlager. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.42.31

Abgeordneter Johannes Schmuckenschlager (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bun­desministerin! Geschätzter Herr Kollege Rauch, Sie wollten die Darstellung der ÖVP. Zunächst einmal: Climate Emergency ist ein internationaler Begriff und bedeutet nicht Klimanotstand, sondern Klimanotfall. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Dass wir einen Klimanotfall haben, darüber können wir durchaus diskutieren. Ich lade Sie gerne ins nördliche Waldviertel ein, wo uns die Wälder zusammenbrechen, oder auch ins östliche Weinviertel, wo wir in der Ackerwirtschaft zum Teil verheerende Er-


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träge haben, weil es einfach nicht genug Niederschlag gibt. Nicht nur das: Es gibt Krankheitsbilder, die auf zu hohe Temperaturen zurückzuführen sind. Da gibt es also einiges, und dass diese Klimaveränderung weltweit zu erkennen ist, ist ja auch etwas, was momentan bei den Vereinten Nationen in New York besprochen wird.

Geschätzte Damen und Herren! Wir wollen Taten setzen, daher darf ich zwei Ent­schließungsanträge einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Johannes Schmuckenschlager, Kolleginnen und Kollegen betreffend „künftige Finanzierung des Green Climate Fund“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die kommende Bundesregierung wird ersucht, den für die Wiederauffüllung des Green Climate Fund zugesagten Beitrag Österreichs von 30 Mio. Euro (für die Jahre 2020 bis 2023) zu prüfen. Zusätzlich soll die Bundesregierung Optionen erarbeiten, um den ös­terreichischen Beitrag zur internationalen Klimafinanzierung außerhalb des Green Climate Fund auch durch einen höheren Anteil privater Beiträge weiter zu erhöhen. Eine Plattform zum Austausch zwischen Ministerien, ADA und privaten Akteuren soll ebenfalls ins Leben gerufen werden.“

*****

Ich glaube, es ist wichtig, das international zu unterstützen, weil wir ja auch nicht wol­len, dass Energie aus anderen Quellen kommt.

Dazu möchte ich einen zweiten Entschließungsantrag verlautbaren:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Elisabeth Köstinger, Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger, Walter Rauch, Michael Bernhard, Mag. Bruno Rossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „klares Auftreten der Bundesregierung gegen den Neubau von Atomkraftwerken und gegen Laufzeitverlängerungen alter Kernkraftwerke“

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert,

-             alle zur Verfügung stehenden diplomatischen, politischen und rechtlichen Mittel gegen den Neubau eines fünften Atomreaktors in Dukovany bzw. eines zweiten Atomreaktors in Krško auszuschöpfen,

-             ein neues grenzüberschreitendes UVP-Verfahren bei der Laufzeitverlängerung des bestehenden AKW Dukovany und AKW Krško einzufordern,

-             ein neuerliches UVP-Verfahren für das AKW Mochovce anzustreben und

-             alle zur Verfügung stehenden Mittel dafür einsetzen, dass es zu keiner Laufzeit­verlängerung des AKWs kommt.“

*****

Ich glaube, das ist eine Politik der Taten, und das ist auch das Wesentliche, was wir im Klimaschutz brauchen. Wir werden das auch in den folgenden Punkten der heutigen Tagesordnung noch sehen: Wir haben den Raus-aus-dem-Öl-Bonus, mit dem Ausstieg


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kommt das Ende der Kohleverstromung in Österreich, es gibt eine Strategie hinsicht­lich Bioökonomie, wir haben das Ziel, die Strombeschaffung des Bundes bis 2030 zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien abzudecken, und wir haben hier ja auch das Biomasseförderungs-Grundsatzgesetz beschlossen.

Es ist sehr traurig, dass Rot und Grün im Bundesrat nicht dafür zu haben waren, so­dass das Kraftwerk in Simmering, eines unserer größten Kraftwerke, das mit nach­wachsenden Rohstoffen betrieben wird, nach wie vor stillsteht. Das haben Sie sich auf Ihre Fahnen zu schreiben, da hätten Sie in der Stadtregierung Verantwortung überneh­men müssen. Wir werden den Ökostromausbaupakt mit einem Volumen von 540 Mil­lionen Euro, den wir im Rahmen eines der kommenden Tagesordnungspunkte debat­tieren, nur dann umsetzen können, wenn wir diese Ziele gemeinsam erreichen.

Die neue Regierung wird sich vornehmen, das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz umzuset­zen, sodass wir zu 100 Prozent in Österreich produzierte Energie aus Erneuerbaren, auch mit nachwachsenden Rohstoffen in der Verwendung durch die Energiewirtschaft, haben. Wir brauchen da keine grün-roten Träumer, wir brauchen aber auch keine Leugner, die nachwachsende Rohstoffe nicht in die Energieerzeugung mithineinneh­men wollen, denn damit fördern Sie Atomstrom aus anderen Ländern. Das ist nicht der Weg Österreichs.

Wir müssen da auch volkswirtschaftlich denken. Da geht es nicht nur um das Klima, da geht es auch um Erträge der Volkswirtschaft, daher ist der erfolgreiche Weg, den die bisherigen ÖVP-Umweltminister beschritten haben und den wir in unzähligen Wind­parks, Wasserkraftwerken, Biogas- und Biomasseanlagen verwirklicht sehen, fortzuset­zen, und das geht nur mit einer Unterstützung am 29. September. (Beifall bei der ÖVP.)

20.47

Die Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Johannes Schmuckenschlager, Kolleginnen und Kollegen

betreffend künftige Finanzierung des Green Climate Fund

eingebracht im Zuge der Debatte zu Tagesordnungspunkt 12: Antrag 935/A(E) der Abg. Johannes Schmuckenschlager, Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger, Michael Bern­hard, Mag. Bruno Rossmann betr. Erklärung des Climate Emergency

Begründung

Das Übereinkommen von Paris, welches von Österreich 2016 ratifiziert wurde, stellt einen Meilenstein in der internationalen Klimapolitik dar. Die internationale Staatenge­meinschaft bekennt sich darin zum Ziel, die Erderwärmung auf maximal zwei Grad Celsius gegenüber vorindustriellen Werten zu begrenzen. Es sollen vor allem auch die Anstrengungen der Entwicklungsländer mittels Kapazitätsaufbau, Technologietransfer und Finanzierung unterstützt werden. Der österreichische Beitrag zur internationalen Klimafinanzierung ist im Einklang mit der Zusage aller Industrieländer (im Rahmen der 15. Vertragsparteienkonferenz des Klimarahmenübereinkommens (UNFCCC) und setzt sich aus einer breiteren Menge an öffentlichen und privaten Quellen zusammen.

Insgesamt leistet Österreich im Zuge seiner gesamten internationalen Klimafinanzie­rung jährlich rund 180 Mio. Euro, im Jahr 2017 waren es 185,67 Mio. Euro. Diese Fi­nanzierungen stammen aus den Bereichen der öffentlichen Klimafinanzierung, aus bi­lateralen und multilateralen Zuschüssen und Finanzinstrumenten sowie aus privaten


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Klimafinanzierung im Rahmen der Wirtschaftspartnerschaften der Austrian Develop­ment Agency (ADA), der Kommunalkredit Public Consulting (KPC) oder der Öster­reichischen Entwicklungsbank. Der Green Climate Fund (GCF) ist ein wichtigstes Ins­trument der internationalen Klimafinanzierung zur Erreichung Ziele des Übereinkom­mens von Paris, stellt aber nur ein Instrument von vielen dar. Im Rahmen der Erst­kapitalisierung des Green Climate Fund hat Österreich einen Beitrag von insgesamt 26 Mio. Euro geleistet. Die erste Wiederauffüllung des Fonds wird derzeit verhandelt und Österreich hat bereits zugesagt, den Beitrag auf 30 Mio. Euro aufzustocken. Der angekündigte Rückzug der USA aus dem Pariser Übereinkommen, der auch mit einem Wegfall der Beiträge der USA verbunden ist, wird es aber zukünftig erforderlich ma­chen, dass die internationale Staatengemeinschaft den Wegfall der USA-Beiträge aus­gleicht.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die kommende Bundesregierung wird ersucht, den für die Wiederauffüllung des Green Climate Fund zugesagten Beitrag Österreichs von 30 Mio. Euro (für die Jahre 2020 bis 2023) zu prüfen. Zusätzlich soll die Bundesregierung Optionen erarbeiten, um den ös­terreichischen Beitrag zur internationalen Klimafinanzierung außerhalb des Green Cli­mate Fund auch durch einen höheren Anteil privater Beiträge weiter zu erhöhen. Eine Plattform zum Austausch zwischen Ministerien, ADA und privaten Akteuren soll eben­falls ins Leben gerufen werden.“

*****

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Elisabeth Köstinger, Klaus-Uwe Feichtinger, Walter Rauch, Michael Bernhard, Bruno Rossmann, Kolleginnen und Kollegen,

betreffend klares Auftreten der Bundesregierung gegen den Neubau von Atomkraftwer­ken und gegen Laufzeitverlängerungen alter Kernkraftwerke

eingebracht in der 89. Sitzung des Nationalrates. XXVI. GP am 25. September 2019 im Zuge der Debatte über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Johannes Schmu­ckenschlager, Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger, Michael Bernhard, Mag. Bruno Ross­mann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erklärung des Climate Emergency (935/A(E))

Das tschechische Umweltministerium hat am 30. August 2019 bekannt gegeben, dass das Umweltverträglichkeitsverfahren (UVP) zum Ausbau des AKW Dukovany positiv abgeschlossen wurde und der geplante fünfte Reaktor in Dukovany gebaut werden darf. Zuvor hat sich der slowenische Premierminister Marjan Šarec am 22. August 2019 bei einem Besuch des ca. 80 km von der österreichischen Grenze gelegenen Atomkraftwerks Krško für einen Bau eines zweiten Atomreaktors stark gemacht. Die neuesten Entwicklungen bezüglich der Ausbaupläne der Nachbarregierungen beim Atomkraftwerk Krško und Atomkraftwerk Dukovany sind alarmierend, da Kernenergie weder eine klimafreundliche noch eine sichere Form der Energieerzeugung ist. Eine Dekarbonisierung der Energiesysteme ist im Rahmen der europäischen Energieunion ohne Kernenergie möglich und der Fokus muss auf erneuerbarer Energie und Ener­gieeffizienz liegen.


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Österreich kämpft seit vielen Jahren gegen Atomkraft. Der österreichische Nationalrat hat erst am 25. April 2019 wieder einstimmig seine ablehnende Haltung bekräftigt. Zu­letzt hat die vorangegangene Bundesregierung beim slowakischen AKW Mochovce er­reicht, dass die gravierenden Sicherheitsmängel von unabhängigen internationalen Ins­pektoren untersucht werden. Gegen die geplanten Ausbaupläne der AKWs Paks (Un­garn) und Hinkley Point (GB) hat Österreich Klagen im Beihilfenrecht auf europäischer Ebene eingebracht.

Für geplante Neubauprojekte wie Dukovany und Krško aber auch für alle bestehenden Kernkraftwerke in den Nachbarländern (insbesondere das AKW Mochovce) müssen die europäischen und internationalen Regeln eingehalten werden und die ständige Ver­besserung der nuklearen Sicherheit – zuletzt die Überprüfung der Reaktoren 3+4 des Atomkraftwerkes Mochovce durch eine unabhängige Expertenmission (IAEO) – auf der Tagesordnung stehen.

Auch Laufzeitverlängerungen werden von Österreich kritisch gesehen. Wir vertreten seit jeher die Auffassung, dass es sich bei der Laufzeitverlängerung von alten Kern­kraftwerken um eine wesentliche Projektänderung handelt, für die eine grenzüber­schreitende Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) durchzuführen ist. Diese Forderung betreffend die AKW Dukovany und AKW Krško hat Österreich immer wieder auf den verschiedensten Ebenen bilateral, auf europäischer sowie internationaler Ebene einge­bracht. Mit dem jüngsten EuGH-Urteil C-411/17 zum belgischen AKW Doel vom 29. Ju­li 2019 wird Österreich in seiner Forderung bestärkt: Der EuGH hat entschieden, dass das belgische Gesetz über die Verlängerung der Laufzeit der Kernkraftwerke Doel 1 und Doel 2 ohne die erforderlichen vorherigen Umweltverträglichkeitsprüfungen erlas­sen wurde.

Durch viele Expertenberichte ist bereits bestätigt, dass das AKW Krško inmitten einer Erdbebenlinie liegt und somit schon bei einer kleinen Erschütterung eine massive Ka­tastrophe droht. Somit ist es unabdingbar, eine mögliche Laufzeitverlängerung des Ur­alt-Kraftwerkes bis 2043 zu unterbinden.

Die Bundesregierung muss angesichts dessen die österreichische Anti-Atomkraft Poli­tik unbeirrt und engagiert fortsetzen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert,

•             alle zur Verfügung stehenden diplomatischen, politischen und rechtlichen Mittel gegen den Neubau eines fünften Atomreaktors in Dukovany bzw. eines zweiten Atomreaktors in Krško auszuschöpfen,

•             ein neues grenzüberschreitendes UVP-Verfahren bei der Laufzeitverlängerung des bestehenden AKW Dukovany und AKW Krško einzufordern,

•             ein neuerliches UVP-Verfahren für das AKW Mochovce anzustreben und

•             alle zur Verfügung stehenden Mittel dafür einsetzen, dass es zu keiner Laufzeit­verlängerung des AKWs kommt.“

*****



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 268

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Beide Anträge wurden ordnungsgemäß einge­bracht und stehen mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Feichtinger. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.47.13

Abgeordneter Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsiden­tin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Den Unterschied zwischen Emergency und State of Emergency hat Kollege Schmuckenschlager der FPÖ schon erklärt; es handelt sich um eine internationale Begrifflichkeit, die wir im Antrag ganz bewusst verwendet haben. (Abg. Rauch: Das ist eine Täuschung!)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Symbolpolitik zu betreiben ist ein Vorwurf, welcher der Politik im Allgemeinen relativ häufig gemacht wird. Es gibt aber Gelegenheiten und Situationen, in denen es dringend angezeigt erscheint, Politik unter Zuhilfenahme von Symbolen zu betreiben – und um einen solchen Anlass handelt es sich beim gegenständlichen Antrag. Die Bundesregierung in ihrer Gesamtheit wird auf­gefordert, den Climate Emergency zu erklären und damit die Eindämmung der Klima- und Umweltkrise und ihrer schwerwiegenden Folgen als Aufgabe höchster Priorität an­zuerkennen.

Jetzt könnte man sagen, es handelt sich hierbei um Symbolpolitik. Diese Aufforderung richtet sich aber nicht nur an die gegenwärtige Bundesregierung; sie richtet sich selbst­verständlich auch an jede zukünftige Bundesregierung, welcher Zusammensetzung auch immer. Daneben enthält der Antrag konkrete Handlungsaufforderungen an diese und jede künftige Bundesregierung, etwa Veröffentlichungen der Wissenschaft als sachliche Grundlage für künftige Klima- und Umweltpolitik heranzuziehen. Wir alle wissen, dass das in den letzten Jahren nicht immer der Fall war. Es geht darum, den nationalen Energie- und Klimaplan nachzubessern, bei zukünftigen Entscheidungen stets die Auswirkungen auf das Klima und den Klimaschutz feststellen zu lassen, trans­parent und nachvollziehbar darzustellen und zu berücksichtigen, eine umfassende In­formation der Bevölkerung über die Klima- und Umweltkrise sicherzustellen, sich auf jeder Ebene für die Erreichung des 1,5-Grad-Ziels politisch einzusetzen und vieles mehr.

Fridays for Future, deren Einsatz zum Zustandekommen dieses Antrags wesentlich beigetragen hat, gebührt von dieser Stelle aus herzlicher Dank für ihren Einsatz. Ohne diesen Einsatz würden wir diesen Antrag heute wohl nicht debattieren. (Beifall bei SPÖ und JETZT sowie der Abgeordneten Hammer, Köstinger und Nehammer.)

Darüber hinaus wird eine breite Mehrheit des Hauses dem Antrag die Zustimmung er­teilen, was auch ein wichtiges, ein eindeutiges Zeichen der Anerkennung der Dringlich­keit und Notwendigkeit des Übergangs vom Reden zum Handeln ist. Zu diesem Antrag meine letzte Rede hier im Haus zu halten erscheint mir als Umweltsprecher meiner Fraktion daher als ein symbolträchtiger Schlusspunkt. (Abg. Deimek: Das glaub ich!)

Part of the journey is the end, Teil einer Reise ist auch das Ende, daher danke ich an dieser Stelle meinen Kolleginnen und Kollegen in der Fraktion – viele sind mir in den letzten Jahren zu Freunden geworden –, meinen parlamentarischen Mitarbeitern, den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des Klubs, auf deren Unterstützung ich immer zu­rückgreifen konnte und auf die immer Verlass war. Herzlich bedanken möchte ich mich auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Hauses für die immer freundliche und kompetente Betreuung, vor allem bei den Kolleginnen und Kollegen, die im BVT-Untersuchungsausschuss tätig waren. Viele haben mich in den letzten Jahren be­gleitet, unterstützt, kritisiert und ermutigt – auch ihnen gebührt mein aufrichtiger Dank.

Auch wenn manche es nicht glauben, es gibt ein Leben nach der Politik, außerhalb der Politik, daher möchte ich mit einem Satz, einem Gedanken schließen, der mir in letzter


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 269

Zeit aus persönlicher Betroffenheit heraus sehr zu denken gegeben hat, der aber auch uns allen zu denken geben sollte: No amount of money has ever bought a second of time, kein Geld der Welt hat je eine Sekunde Zeit erkauft. – Ich wünsche Ihnen allen für die Zukunft alles Gute. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

20.52


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Herr Abgeordneter Feichtinger, auch ich darf Ih­nen alles Gute wünschen. Sie sind heute nicht der Einzige und auch nicht der Letzte, der hier seine letzte Rede gehalten hat oder halten wird. Ich wünsche Ihnen alles Gute, viel Gesundheit und viel Freude am Leben nach der Politik hier in Wien. Alles Gute!

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Bernhard. – Bitte.


20.52.46

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! In der Klimadebatte, in der Kli­mapolitik begleitet uns der Begriff der Klimahysterie; wir haben ihn von der Freiheitli­chen Partei gehört. Oft hören wir auch den Aufruf, Klimapolitik mit Augenmaß zu ma­chen. (Abg. Rauch: Hausverstand!) In Wahrheit ist es tatsächlich so, dass die Auffor­derung, Klimapolitik mit Augenmaß zu machen, fast noch schlimmer ist als der Hinweis auf die Klimahysterie, denn Augenmaß meint meistens Untätigkeit.

Wenn man versucht, evidenzbasierte Politik zu machen, wenn man als Politiker und Politikerin Verantwortung zeigt und die wissenschaftlichen Hinweise ernst nimmt, dann ist es tatsächlich eine große Anstrengung, mit Verantwortung und Zuversicht in die Zukunft zu schauen. Wenn ich mir anschaue, was das für Österreich bedeutet – ich will jetzt anders als in anderen Reden bewusst nicht so stark auf die Weltgemeinschaft eingehen –: Wir wissen nicht, ob wir unseren Kindern und unseren Kindeskindern viel­leicht einmal erklären müssen, warum das Waldviertel Waldviertel heißt – so wie es heute ausschaut –; warum die Leute zu uns gekommen sind, um Ski zu fahren; warum das Weinviertel oder das Burgenland versteppt sind. Wenn wir dann keine Antwort ha­ben, weil wir das selbst nicht ernst genommen haben, dann wäre das tatsächlich be­schämend für unser Land und für alle Abgeordneten in diesem Haus.

Wir haben bisher zu wenig gemacht, zu wenig Verantwortung für die eigene Bevölke­rung übernommen. Ich spreche noch immer nicht über die europäische Verantwortung oder jene in der Weltgemeinschaft. Genau deswegen bin ich heute umso stolzer, dass uns das gelungen ist, und zwar der Fraktion des Augenmaßes wie der Fraktion des Sozialismus, wie auch bei den Optimisten. Ausnahme bleibt natürlich die Freiheitliche Partei, aber das wird wenige überraschen, denn dort herrscht noch der Aluhut.

Zentral ist aus meiner Sicht, und daher auch ein Riesendanke an Fridays for Future, das Engagement der jungen Menschen. Ohne sie wäre es nicht zu diesem gemeinsa­men Antrag gekommen. Dieser gemeinsame Antrag mag vielleicht für manche etwas oberflächlich klingen, aber er ist für den österreichischen Nationalrat revolutionär, weil er erstmals die Klimapolitik zur höchsten Priorität im politischen Handeln macht. Erst­mals kann es also in Zukunft kein gegeneinander Ausspielen mehr geben. Es kann kein Argument gegen eine ökologische Steuerreform geben, es kann kein Argument gegen eine innovative Energiepolitik geben, kein Argument gegen eine innovative Mo­bilitätspolitik. All das war in der Vergangenheit tagtäglich der Fall; das wird in Zukunft nicht mehr so leicht möglich sein.

Es soll in Zukunft – und auch das war leider in diesem Hohen Haus wie in allen Parla­menten nicht immer der Fall – die wissenschaftliche Evidenz als sachliche Grundlage für die Klimapolitik gelten. Es geht nicht mehr um das Bauchgefühl, das man hat, wenn man aus der Diskussion rausgeht, es geht nicht um Geschichten, die man vielleicht irgendwo gehört hat, sondern es geht tatsächlich um das Prüfen wissenschaftlicher


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 270

Erkenntnis und die Fragestellung, was das für unser Land bedeutet. Es soll bei allen zukünftigen Entscheidungen, egal, ob Gesetz oder Verordnung, tatsächlich immer geprüft werden, welche Auswirkungen sie auf die Klimapolitik haben, auf den Klima­schutz haben oder ob sie im Kampf gegen den Klimawandel helfen. Es ist, und das ist ganz wesentlich, auch der Nationalrat jedes halbe Jahr darüber zu informieren, wie sich die Klimapolitik in Österreich entwickelt, welche Fortschritte sie macht und auch, welche Schwierigkeiten sie hat.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die Aufmerksamkeit für die Klimapolitik ist jetzt gerade hier in diesem Saal leider nicht so hoch. Ich hoffe, dass sie in Zukunft deutlich zunimmt. Versuchen Sie, die Gedanken, die oft sehr rückwärtsgewandt sind, zu über­winden! Denken Sie nicht daran, dass wir jetzt den heißesten Sommer hatten bezie­hungsweise dass 2019 seit Beginn der Messungen der zweitheißeste Sommer war! Denken Sie auch nicht daran, dass wir in den letzten 19 Jahren die 13 heißesten Som­mer seit Beginn der Messungen hatten! Denken Sie daran, dass die letzten Jahre, die wir erlebt haben, für eine lange Zeit die kühlsten sein werden! Wenn wir diesen Scha­den von unserem Land und unserer Bevölkerung abwenden und verantwortungsvoll, sehr verantwortungsvoll mit der Zukunft der nächsten Generationen umgehen wollen, dann bitte ich hier und heute um Ihre Zustimmung. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Wurm: Da musst du mit den Chinesen reden!)

20.57


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Cox. – Bitte.


20.57.45

Abgeordnete Stephanie Cox, BA (JETZT): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegin­nen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Hiermit brin­ge ich den folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Bruno Rossmann, Michael Bernhard, Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Finanzierung des Green Climate Fund“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Mitglieder der Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Nachhal­tigkeit und Tourismus sowie der Bundesminister für Finanzen, werden aufgefordert, ei­nen angemessenen Beitrag in der Höhe von 100 Millionen Euro bei der ersten Wieder­auffüllung des Green Climate Funds für die Jahre 2020 bis 2023 bereitzustellen.“

*****

Ich begründe den Antrag wie folgt: (Die Rednerin hält – begleitet von Zwischenrufen und Beifall – nacheinander mehrere Tafeln in die Höhe, auf denen ihre Ausführungen sowie Fotos zum Thema Klimaschutz aufgedruckt sind. – Beifall bei JETZT und SPÖ sowie der Abg. Bißmann.)

21.04

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Bruno Rossmann, Michael Bernhard, Klaus Uwe Feichtinger, Kolle­ginnen


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 271

betreffend Finanzierung des Green Climate Fund

eingebracht im Zuge der Debatte zu Tagesordnungspunkt 12: Antrag 935/A(E) der Ab­geordneten Johannes Schmuckenschlager, Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger, Michael Bernhard, Mag. Bruno Rossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erklärung des Climate Emergency

Begründung

Das in Österreich 2016 ratifizierte Klimaschutzübereinkommen von Paris verlangt, dass der globale Anstieg der Temperaturen auf deutlich weniger als 2 Grad begrenzt wird, um die Auswirkungen des Klimawandels zu beschränken. Um dem Folge leisten zu können, müssen rasche und konsequente Maßnahmen zur drastischen Absenkung der Treibhausgasemissionen in allen Bereichen und Tätigkeiten der Wirtschaft und Ge­sellschaft gesetzt werden. Aber nicht nur innerhalb der eigenen Grenzen müssen wir handeln: Treibhausgase wirken global, egal wo sie ausgestoßen werden. Sie verweilen bis zu 1000 Jahre in der Atmosphäre. Teil einer effizienten Klimapolitik ist daher auch die internationale Klimafinanzierung. Nur wenn es uns gelingt, auch Entwicklungs­länder mit an Bord zu holen, kann die Weltgemeinschaft die weltweiten Treibhausgase noch im notwendigen Ausmaß drosseln. Die Beiträge der Industrieländer, denen eine historische Verantwortung zukommt und deren wirtschaftliche Entwicklung in der Ver­gangenheit zu immensen Emissionen geführt hat, sind dabei essentiell, um die dro­hende Überschreitung von kritischen Schwellen im Klimasystem zu verhindern. Der Green Climate Fund ist das wichtigste multilaterale Finanzierungsinstrument des Pari­ser Übereinkommens. Seine erste Wiederauffüllung steht unmittelbar bevor. Hier braucht es klare Bekenntnisse der Mitglieder der UNO-Weltgemeinschaft, damit das zugesagte Ziel, den Fonds bis 2020 mit jährlich 100 Milliarden Dollar zu befüllen, er­reicht werden kann.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Mitglieder der Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Nachhal­tigkeit und Tourismus sowie der Bundesminister für Finanzen, werden aufgefordert, ei­nen angemessenen Beitrag in der Höhe von 100 Millionen Euro bei der ersten Wieder­auffüllung des Green Climate Funds für die Jahre 2020 bis 2023 bereitzustellen.“

*****


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Der Antrag wurde ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Yildirim. – Bitte, Frau Abgeordnete.


21.04.32

Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Werte Bundesministerin! Die Klimakrise ist das bewegende Thema im Vorfeld der Nationalratswahl. Tausende junge Menschen gehen jeden Frei­tag auf die Straße und demonstrieren für den Klimaschutz. Sie engagieren sich, sie setzen sich ein, sie verlangen von uns zu Recht, dass wir ihre Anliegen in unserer poli­tischen Arbeit berücksichtigen. Vordergründig ist das auch der Fall. Alle reden von Klimaschutz, Green Cities, E-Mobilität und mehr.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 272

In der Praxis sieht das mitunter aber leider ganz anders aus. In Innsbruck gibt es in der Innenstadt gleich neben dem historischen Stadtzentrum ein echtes Gartenjuwel. Der Hofgarten in Innsbruck hat eine mehr als 600-jährige Geschichte. Zu diesem Garten gehört die Hofgartengärtnerei mit Kleingartenflächen, Glashäusern und mehr, für deren Erhalt sich auch eine Bürgerinitiative einsetzt. Diese soll nun einem großen Buspark­platz weichen.

Der Hofgarten und sein Erhalt in der jetzigen Form beschäftigt die Innsbruckerinnen und Innsbrucker schon mehr als zwei Jahre. Die Bürgerinnen und Bürger wollen nicht, dass der Garten dem Profit geopfert wird. Daher wurden bereits mehrere Anfragen an die ehemals zuständige ÖVP-Ministerin gerichtet. Die Antworten waren leider sehr bescheiden. Ich bin überzeugt davon, dass wir jede Grünfläche in unseren Städten dringend brauchen. Sie sorgen für eine bessere Luft und kühlen, ganz abgesehen vom Naherholungswert und dem Plus an Lebensqualität, die sie bieten.

Klimaschutz ist kein Zukunftsthema, er ist das Thema der Gegenwart, das wir jetzt an­gehen müssen.

Sehr geehrte Damen und Herren, daher bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag.a Yildirim, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Klimacheck bei beabsichtigten Versiegelungen von im Eigentum oder Miteigentum der Republik Öster­reich stehenden und/oder verwalteten Wald- oder Grünflächen“

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 12 betreffend Erklärung des Climate Emer­gency (935/A(E))

Die gefertigten Abgeordneten stellen daher den

Antrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesonders die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tou­rismus, wird aufgefordert, vor beabsichtigten Versiegelungen von Flächen, die im Ei­gentum oder im Miteigentum der Republik Österreich stehen oder/und vom Bund oder seinen ausgelagerten Dienststellen verwaltet werden, einen Klimacheck durchzufüh­ren, der die Auswirkungen der beabsichtigten Versiegelung auf das Mikroklima analy­siert und diese Analyse zu veröffentlichen, sowie umgehend einen solchen Klimacheck hinsichtlich der Errichtung eines Busparkplatzes im Bereich des Innsbrucker Hofgar­tens durchzuführen und das Ergebnis dieses Klimachecks zu veröffentlichen. Sollte dieser Klimacheck ergeben, dass sich negative Auswirkungen auf das Klima bzw. Mikroklima ergeben, ist von einem Verkauf, einer Verpachtung oder sonstigen Weiter­gabe der Flächen abzusehen.“

*****

Meine sehr geehrten Damen und Herren, keine Symbolpolitik mehr, echte Taten für den Klimaschutz! (Beifall bei der SPÖ.)

21.08

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 273

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag.a Selma Yildirim, Genossinnen und Genossen

betreffend Klimacheck bei beabsichtigten Versiegelungen von im Eigentum oder Mitei­gentum der Republik Österreich stehenden und/oder verwalteten Wald- oder Grünflä­chen

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 12, Antrag der Abgeordneten Johannes Schmuckenschlager, Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger, Michael Bernhard, Mag. Bruno Rossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erklärung des Climate Emergency (935/A(E))

Die Österreichischen Bundesgärten sind wertvolle historische Gärten und Gartendenk­male im Eigentum der Republik. Im Sinne der historischen Bedeutung, der Sicherung der damit verknüpften Arbeitsplätze, der öffentlichen Zugänglichkeit für die Bevölke­rung und der Auswirkung von Grün- und Waldflächen im urbanen Raum, ist eine si­chere Zukunft dieser Gartendenkmale im öffentlichen Interesse.

Der Innsbrucker Hofgarten besteht seit etwa 600 Jahren und ist rund zehn Hektar groß. Der Garten erlebte in dieser langen Zeit zahlreiche Umgestaltungen vom Renaissance- über den Barockgarten bis hin zum Landschaftspark.

Der Garten ist seit 1918 im Besitz der Republik Österreich und in der Verwaltung der Österreichischen Bundesgärten. Der Hofgarten mit Kammergarten und Englischer An­lage liegt am Rande der Altstadt, angrenzend an Hofburg, Kongresshaus und Tiroler Landestheater und steht seit dem Jahr 2000 unter Denkmalschutz.

Die Diskussion rund um eine beabsichtige Anlage eines Busparkplatzes, dem diese Stadtoase weichen soll, steht im klaren Widerspruch zum Bekenntnis für mehr Klima­schutz und ‚Green-Cities. In Zukunft wird die Zahl an erhaltenen oder wieder angeleg­ten Grün- und Waldflächen die Lebensqualität in einer Stadt wesentlich ausmachen, denn diese haben einen direkten Bezug zur kleinräumigen und großräumigen Hitzeent­wicklung.

Es müssen alle Anstrengungen dahingehend unternommen werden, dass, bevor es zu Bodenversiegelungen kommt, klar definierte Abwägungen getroffen werden, so dass ein transparenter Klimacheck vor einem solchen Eingriff in die Natur als wesentliche Entscheidungsgrundlage für oder gegen Versiegelungen durchgeführt werden muss.

Die gefertigten Abgeordneten stellen daher den

Antrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesonders die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tou­rismus, wird aufgefordert, vor beabsichtigten Versiegelungen von Flächen, die im Ei­gentum oder im Miteigentum der Republik Österreich stehen oder/und vom Bund oder seinen ausgelagerten Dienststellen verwaltet werden, einen Klimacheck durchzufüh­ren, der die Auswirkungen der beabsichtigten Versiegelung auf das Mikroklima ana­lysiert und diese Analyse zu veröffentlichen, sowie umgehend einen solchen Klima­check hinsichtlich der Errichtung eines Busparkplatzes im Bereich des Innsbrucker Hofgartens durchzuführen und das Ergebnis dieses Klimachecks zu veröffentlichen. Sollte dieser Klimacheck ergeben, dass sich negative Auswirkungen auf das Klima bzw. Mikroklima ergeben, ist von einem Verkauf, einer Verpachtung oder sonstigen Weitergabe der Flächen abzusehen.“

*****



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 274

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Der Antrag wurde ordnungsgemäß eingebracht, steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Bißmann. – Bitte schön.


21.08.23

Abgeordnete Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann (ohne Klubzugehörigkeit): Frau Prä­sidentin! Schönen Abend, geschätzte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen, Bürgerinnen und Bürger! „Ihr habt mit euren leeren Worten meine Träume und meine Kindheit gestohlen. [...] Wir stehen am Beginn eines Massensterbens und alles, wo­rüber ihr redet, ist Geld und das Märchen vom ewigen Wirtschaftswachstum. Wie könnt ihr es wagen!“ – Das waren die Worte von Greta Thunberg vor zwei Tagen bei ihrer Rede vor den Vereinten Nationen.

Ja, wir haben einen Klimanotfall, und ich bin sehr froh, dass wir die Ausrufung des Klimanotfalls in Österreich heute beschließen. Ganz besonders freut mich, dass die ÖVP mit an Bord ist. Ich setze sowieso große Hoffnungen in die ÖVP, was den Klima­schutz in Zukunft betrifft. Ich setze auf euch alle Hoffnungen – da (in Richtung FPÖ) ein bisschen weniger, aber es wird vielleicht schon.

Die Politik kommt im Klimaschutz bis jetzt deshalb so langsam voran und so schwer in die Gänge, weil unsere Wirtschaft immer noch sehr stark von fossilem Öl, Gas und Kohle abhängig ist. Es gibt zwar einen deutlichen Wandel hin zu klimafreundlichen Geschäftsmodellen, das Problem ist aber, dass die, die sich diesem Wandel öffnen, einfach noch zu wenige sind und deren Stimmen, deren Einfluss noch zu schwach ist.

Allerdings gibt es nun Fridays for Future. Dank euch gibt es diesen Antrag. Ihr bewegt die Politik, die Bereitschaft für einen Dialog wird größer. Die Zeichen der Zeit werden auch von den großen, auf fossilbasierten Rohstoffen aufbauenden Konzernen erkannt, so auch unserer OMV. Auch innerhalb der OMV gibt es diese grünen, progressiven Strömungen, die zum Ziel haben, zukunftsorientierte, klimafreundliche Geschäftsmo­delle zu implementieren.

Es gibt sie wirklich, ich weiß das aus Gesprächen. Es gilt nun, genau diese Kräfte zu mobilisieren, ihnen den Dialog anzubieten, ihnen zu helfen und mit ihnen zu arbeiten.

Verbinden ist sowieso das Gebot der Stunde, alle um einen Tisch versammeln – Ver­treter aus Zivilgesellschaft, Wirtschaft, Wissenschaft, Parlament, Regierung –, denn wir sitzen alle im selben Boot mit Löchern, die jahrzehntelang nicht gestopft wurden. Das Wasser steht uns bis zum Hals. Wir müssen zusammenhalten, egal, welches Partei­buch, welche Herkunft oder welche Religion wir haben. In der Verbundenheit steckt die Kraft zur Veränderung.

Es braucht jetzt aber jemanden, der diesen Prozess ganz zentral koordiniert, jeman­den, der die Mittel und die Macht hat, alle an einen Tisch zu bringen. Das kann wohl sehr gut die zukünftige Regierung sein, egal, ob dieser Tisch dann Klimakonvent, Kli­marat oder Klimakommission heißt. Das Wichtige ist, dass an diesem Tisch unsere Zukunft und die Zukunft unserer Kinder gestaltet wird – eine Zukunft frei von fossilen Energieträgern, frei von Ressourcenverschwendung und frei von Artensterben. Dazu braucht es die innovativsten Methoden zur kollektiven Lösungsfindung. Bedienen wir uns doch der Methoden, die die Nasa entwickelt hat, der Soziokratie, des systemi­schen Konsensierens, der Crowdsourcingmethoden, nutzen wir Schwarmintelligenz! – Diese Methoden sind noch nicht so wirklich in der Politik angekommen.

Wir brauchen wirklich kein weiteres Gremium, in dem ein Interessenvertreter nach dem anderen seinen Monolog runterbetet und es wieder keine Lösung gibt. Dieser runde Tisch muss ein zentrales Element der institutionellen Verankerung von Klimaschutz sein. Liebe zukünftige Regierung – wie auch immer sie aussehen mag –, als scheiden-


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de Abgeordnete, Energiewendeingenieurin und Bürgerin dieses Landes ermuntere ich Sie: Sobald Sie eine Koalition gebildet haben und sich hinsetzen, um ein Regierungs­programm zu schreiben, schreiben Sie ein fundiertes Kapitel zur institutionellen Veran­kerung von Klimaschutz hinein! Richtet einen öffentlichen, einen parlamentarischen Ausschuss für Klimaschutz ein – öffentlich, ganz wichtig! –, richtet einen Nachhaltig­keitsrat ein, der euch berät und in dem die besten Köpfe des Landes versammelt sind, richtet ein Klimakabinett und/oder ein Klimaschutzstaatssekretariat ein!

Meine Damen und Herren, eine ganze Gesellschaft ist in Bewegung – wir müssen uns jetzt auch bewegen. Die klügsten Köpfe unseres Landes haben die Expertise und die Innovationspower, die es braucht, unsere gemeinsame Vision umzusetzen – die Vision einer lebenswerten Welt, in der wir die größte Bedrohung für die Menschheit in die größte Chance umwandeln. Die Menschheit steht an einem Wendepunkt, wir können jetzt zusammenarbeiten oder werden in den Abgrund gerissen.

Ich stehe für Zusammenarbeit, ich stehe für Innovation, für Wissen, für Verbundenheit, und ich hoffe, Sie auch. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei Abgeord­neten von SPÖ und JETZT.)

21.13


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Stefan. – Bitte, Herr Abgeordneter.


21.13.49

Abgeordneter Mag. Harald Stefan (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Diese Debatte jetzt war schon erstaunlich und hat mich darin bestärkt, mich noch zu Wort zu melden. Um­weltschutz ist extrem wichtig. Unseren Kindern eine Welt zu hinterlassen, die besser als oder zumindest ebenso gut ist wie jene, die wir vorgefunden haben, ist ein sehr hoher Anspruch, und dafür sehr viel – möglichst viel – zu tun, ist auch völlig richtig. Es gibt daher auch eine Staatszielbestimmung Umweltschutz in der Verfassung, und wir haben uns dazu immer bekannt.

Wir haben auch in der letzten Regierungsperiode zahlreiche Maßnahmen gesetzt, die in die Richtung gehen, dass fossile Energieträger weniger oder möglichst gar nicht mehr vernichtet werden und erneuerbare Energie gefördert wird. Womit ich aber wirk­lich ein Problem habe, ist, wenn man hier den Notstand ausruft. Auch wenn man von­seiten der ÖVP meint, es sei nur ein Notfall: Es geht um Notstand. Die Übersetzung ist auch klar: Klimanotstand. Sie werden nirgendwo den Begriff Klimanotfall finden, son­dern es geht um Klimanotstand.

Warum verwendet man einen solchen Begriff? Was will man damit sagen, wenn man Notstand sagt? – Notstand ist nun einmal ein schon sehr klar definierter Begriff, der üblicherweise besagt, dass es einen Zustand gegenwärtiger Gefahr gibt, dessen Ab­wendung nur auf Kosten fremder Interessen möglich ist. Also das ist schon einmal eine sehr harte Aussage. Man nennt es ja auch Ausnahmezustand. Was bedeutet es, wenn Ausnahmezustände ausgerufen werden? – Das sind immer Zeiten mit nicht wirklich sehr demokratischen, rechtsstaatlichen Zuständen. Es hat also zur Folge, dass die öf­fentliche Gewalt auf ihre Bindung an Gesetz und Recht insoweit verzichten kann, wie sie es zur Bekämpfung des Notstandes für erforderlich hält. Das sagt schon alles. Im Wahlkampf ist auch immer wieder gesagt worden: Ja, wenn wir das Klima nicht retten, dann zählt alles andere gar nichts!

Das ist ja ganz schön, wenn man es im Übereifer sagt, es ist aber heute mehrfach be­tont worden. Das bedeutet in letzter Konsequenz, dass man damit auch demokratische Entscheidungen aushebeln kann, dass man den Rechtsstaat aushebelt, wenn man das darüberstellt. Was ist, wenn wir demokratisch etwas entscheiden, was klimaschädlich


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ist? – Wenn der Notstand vorliegt, dann ist es gerechtfertigt, diese demokratische Ent­scheidung auszuhebeln, und wenn es der Notstand rechtfertigt, dann sind auch rechts­staatliche Verfahren verkürzt oder anders durchzuführen. Das ist nun einmal der Be­griff des Notstandes. Ich rate daher wirklich davon ab.

Interessanterweise hat auch Frau Kollegin Yildirim über die Zustände in Innsbruck er­zählt. Der Innsbrucker Gemeinderat hat zum Beispiel den Begriff Klimanotstand be­wusst nicht in einem Beschluss verwendet. Mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ und so weiter haben sie dort zwar gesagt, dass Klimaschutz höchste Priorität hat, sie haben aber bewusst den Ausdruck Klimanotstand nicht verwendet. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Dazu wurde von Abgeordneten auch der regierenden Fraktionen gesagt: zu viel Verwirrung und Verunsicherung, kontraproduktiv. Der ÖVP-Klubobmann hat gemeint: Statt auf Populismus zu setzen und Angst zu machen, sollte Umweltschutz mit An­reizen und technischen Lösungen betrieben werden – ja, das verstehe ich –, also nicht so, wie es hier gemacht wird: mit Weltuntergangsstimmung, Hysterie und Warnungen vor der Apokalypse.

Herr Kollege Bernhard hat formuliert, wenn wir nicht wollen, dass im Waldviertel die Bäume sterben, dann müssen wir diesem Antrag zustimmen. Das heißt, Sie beschlie­ßen jetzt diesen Antrag, und daher werden die Bäume im Waldviertel nicht sterben? – Das ist ja – mit Verlaub – absurd! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei NEOS und ÖVP.)

Es ist zweifellos richtig, dass wir diese Probleme lösen müssen, und zwar mit einem gehörigen Optimismus, aber letztlich demokratisch und rechtsstaatlich. Wir müssen uns darauf besinnen, dass wir auch eine Vorreiterrolle haben – das ist völlig richtig – und dass es immer noch besser ist, wir produzieren hier relativ umweltfreundlich, als es wird irgendwo anders viel umweltschädlicher produziert und die Ware dann noch durch die ganze Welt transportiert. (Beifall bei der FPÖ.

Die Wirtschaft mit irgendwelchen künstlichen Maßnahmen und neuen Steuern zu zer­stören – denn es ist ja letztlich auch ein Ergebnis, dass man wieder einen Grund für neue Steuern hat –, das ist sicherlich eine schlechte Lösung.

Also bitte gehen Sie mit Optimismus an das Ganze heran und entwerfen Sie keine Weltuntergangsszenarien, das hilft niemandem! Von den Freiheitlichen wird es weiter­hin die volle Unterstützung für den Umweltschutz geben, allerdings demokratisch, rechtsstaatlich, unter Berücksichtigung des technischen Fortschritts und des Hausver­stands – bitte aber keine überzogenen Begriffe wie in diesem Gesetzesvorschlag! (Bei­fall bei der FPÖ.)

21.19


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Ich schließe die Debatte.

Ich frage den Berichterstatter, ob er ein Schlusswort haben möchte. – Das ist nicht der Fall.

Abschiedsrede von Präsidentin Kitzmüller


21.19.26

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Meine Damen und Herren, ich weiß, es ist etwas ungewöhnlich, aber ich möchte es ausnützen, dass alle oder zumindest die meisten Abgeordneten im Saal sind: Ich möchte mich, bevor ich jetzt zur Abstimmung komme, bei Ihnen allen für die letzten elf Jahre bedanken. Ich möchte mich für die tolle Ser­vicierung durch und die tolle Zusammenarbeit mit der Parlamentsdirektion, mit allen Abgeordneten und auch mit allen Bediensteten der Parlamentsdirektion bedanken.


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Ich möchte mich bei den Herren und Damen bedanken, die für unsere Sicherheit zu­ständig waren, bei jenen, die uns mit Wasser und allem Notwendigen versorgt haben. Der Großteil der Arbeit der Bediensteten hier im Parlament ist ja normalerweise kaum sichtbar, weil diese in und vor den Ausschüssen geschieht. Ich möchte mich bei Ihnen allen bedanken.

Ich möchte mich bei meinen Kollegen im Präsidium, bei Präsident Wolfgang Sobotka und bei unserer Zweiten Präsidentin Doris Bures für die gute Zusammenarbeit bedan­ken, die meiner Meinung nach immer sehr gut geklappt hat; wir konnten uns immer sehr gut verständigen.

Ich bedanke mich bei meinen Wählern, die mich in den letzten Jahren immer mit einem Grundmandat ausgestattet nach Wien geschickt haben. Ich freue mich, wieder nach Oberösterreich in meine Heimatgemeinde zurückgehen und dort weiter politisch tätig sein zu können.

Ich bedanke mich ganz besonders auch bei den Mitarbeitern in meinem Büro, denn ohne einen gut funktionierenden Mitarbeiterstab hätte eine solche Arbeit, wie ich sie in den letzten eineinhalb Jahren geleistet habe, nicht so gut funktioniert. – Vielen Dank an mein Büro!

Vielen Dank an Sie, meine Damen und Herren Abgeordnete, ich wünsche Ihnen alles, alles Gute! Bei jenen, die der Politik den Rücken kehren – wie ja gesagt wurde: auch ohne Politik gibt es ein Leben –, bedanke ich mich ebenfalls für die gute Zusammen­arbeit. Ich wünsche Ihnen alles, alles Gute! Eines kann ich Ihnen versichern: Sie wer­den mir alle fehlen – jeder auf seine eigene Art und Weise. (Allgemeine Heiterkeit und anhaltender allgemeiner, bei Abgeordneten von FPÖ und ÖVP sowie der Abg. Biß­mann stehend dargebrachter, Beifall.)

Ich bedanke mich vielmals und freue mich auf die letzte Abstimmung, die ich hier noch vornehmen darf.

*****

21.22.14


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Meine Damen und Herren, wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag 935/A(E) der Abgeordneten Schmuckenschlager, Feich­tinger, Bernhard, Rossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erklärung des Cli­mate Emergency“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein entsprechendes Zei­chen. – Das ist mit Mehrheit angenommen. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der SPÖ – in Richtung FPÖ –: Sehr schade!) (E 140)

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Schmuckenschlager, Kolleginnen und Kollegen betreffend „künftige Finanzie­rung des Green Climate Fund“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt. (Abg. Rossmann: Schlim­meres als diesen Antrag ...!)

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Köstinger, Feichtinger, Rauch, Bernhard, Rossmann, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend „klares Auftreten der Bundesregierung gegen den Neubau von Atom­kraftwerken und gegen Laufzeitverlängerungen alter Kernkraftwerke“.

Jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, bitte ich um ein entsprechendes Zei­chen. – Das ist einstimmig und somit angenommen. (E 141)


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Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Rossmann, Bernhard, Feichtinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Finanzierung des Green Climate Fund“.

Jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, bitte ich um ein entsprechendes Zei­chen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Yildirim, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Klimacheck bei beabsichtigten Versiege­lungen von im Eigentum oder Miteigentum der Republik Österreich stehenden und/oder verwalteten Wald- oder Grünflächen“.

Ich bitte jene Damen und Herren - - (Unter lauten Rufen werden Flugzettel von der Ga­lerie ins Plenum geworfen und ein Transparent ausgerollt.)

Ich bitte, die Galerie zu räumen. – Danke.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den soeben verlesenen Antrag.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein entsprechendes Zei­chen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Bevor wir zum nächsten Tagesordnungspunkt kommen, wünsche ich noch allen alles Gute und auf Wiedersehen! – Danke. (Beifall bei FPÖ und ÖVP sowie bei Abgeord­neten von SPÖ und NEOS.)

21.25.4213. Punkt

Antrag der Abgeordneten Elisabeth Köstinger, MMMag. Dr. Axel Kassegger, Jo­sef Schellhorn, Mag. Bruno Rossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz über die Unzulässigkeit der Aufstellung und des Einbaus von Heizkesseln von Zentralheizungsanlagen für flüssige fossile oder für feste fossi­le Brennstoffe in Neubauten (Ölkesseleinbauverbotsgesetz – ÖKEVG 2019) (965/A)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka (den Vorsitz übernehmend): Wir gelangen nun zum 13. Punkt der Tagesordnung.

Hinsichtlich dieses Antrages wurde dem Ausschuss für Wirtschaft, Industrie und Ener­gie eine Frist zur Berichterstattung bis 24. September 2019 gesetzt.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Köstinger. – Bitte.


21.26.08

Abgeordnete Elisabeth Köstinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Nach der Debatte um den Climate Emergency und vor allem auch aufgrund der großen aktuellen Debatte bei der UN-Generalversammlung, die un­ter dem Titel Klimaschutz steht, glaube ich, dass es wirklich an der Zeit ist, gleich mit einer Maßnahme und einem konkreten Signal in das Thema Klimaschutz zu starten.

Wir sehen – und da sind wir nicht alleine, wenn man die Berichte über die UN-Gene­ralversammlung verfolgt –, es ist eine weltweite Mammutaufgabe, dieses 1,5-Grad-Ziel einzuhalten. Das werden wir aus Österreich heraus nicht alleine stemmen können – wir brauchen europäische Partner und Verbündete, und wir brauchen vor allem auch ein globales Handeln, damit der Klimaschutz gelingen kann.

Als erste und wichtige Maßnahme haben wir ja als Bundesregierung unsere Mis­sion 2030 erstellt, die erste Klima- und Energiestrategie in diesem Land, und die Um­setzung der Maßnahmen erfolgt konsequent, so auch heute mit dem Verbot von Ölkes­seln im Neubau.


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Wir haben uns als damalige Bundesregierung wirklich sehr ambitionierte Ziele gesetzt. Uns geht es aber vor allem auch um Klimaschutz mit Hausverstand. Wir müssen und wir werden einen Beitrag leisten. Damit Klimaschutz in Österreich wirklich funktionieren kann, damit uns vor allem aber auch keine massiven Strafzahlungen aufgrund des Pa­riser Klimaabkommens drohen, brauchen wir einen radikalen Umbau unseres Energie­systems.

Eines unserer Hauptprobleme, das wir zu meistern haben, sind auch die Ölkessel in vielen österreichischen Kellern. Das Verbrennen von Öl ist nach wie vor die Nummer eins bei den Wärme- und Heizsystemen. Rund 600 000 Ölkessel sind nach wie vor in Österreich eingebaut, und jährlich werden mehrere Milliarden Euro an die Ölstaaten bezahlt, um diese Kessel befeuern zu können. Alleine im vergangenen Winter wurden 1,3 Millionen Tonnen Heizöl verfeuert.

Wir haben als erste Maßnahme neben dem Verbot des Einbaus von Ölkesseln in Neu­bauten den Raus-aus-dem-Öl-Bonus ins Leben gerufen, getreu unserem Motto, An­reize zu schaffen. Wir haben mit dieser Maßnahme im letzten Jahr rund 42 Millionen Euro ausgeschüttet, um vor allem einen sozial verträglichen Umstieg auf ein erneuer­bares Energiesystem leisten zu können. Das, sehr geehrte Damen und Herren, ist ak­tiver Klimaschutz, und dieser ist vor allem auch sozial verträglich. (Beifall bei der ÖVP.)

Zusätzlich gibt es jetzt für die Neuauflage rund 20 Millionen Euro, und ich darf mich bei Frau Bundesminister Patek sehr herzlich dafür bedanken, dass diese Maßnahme so rasch umgesetzt wurde.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Ende des fossilen Zeitalters hat begon­nen: Bundesländer wie beispielsweise Niederösterreich gehen schon mit sehr gutem Beispiel voran, haben diese Maßnahme des Heizkesselverbots in Neubauten bereits beschlossen, und heute können wir auch den bundesweit einheitlichen Rahmen dazu beschließen. Wir haben genügend sinnvolle Alternativen in Österreich, egal ob das die Solarthermie ist, ob das Wärmepumpen oder Pellets sind. Wir schöpfen da wirklich aus dem Vollen, und ich freue mich auf ein klares Zeichen bei dieser Initiative aus diesem Haus. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Bißmann.)

21.29


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Laimer. – Bitte.


21.30.17

Abgeordneter Robert Laimer (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Das Ölkesseleinbauverbotsgesetz für Neubauten ist dahin gehend sinnvoll, dass es ein ökologisch verträgliches Heizsystem implemen­tieren soll und muss. Das Pariser Klimaabkommen mit dem Ziel, fossile Brennstoffe durch erneuerbare Energie zu ersetzen, ist irreversibel und eine drastische Reduzie­rung der Treibhausgase sprichwörtlich eine Überlebensfrage der Menschheit.

Gerade bei Ölheizungen braucht es auch im Altbestand sinnvolle und wirkungsvolle Austauschprogramme, wie sie von der SPÖ gefordert werden, mit einem Zehnjah­resprogramm, also realistischen Übergangsfristen, da es noch immer mehr als 600 000 Ölheizungen gibt, vor allem in den westlichen Bundesländern. Bevor die größ­tenteils alten und teuren Heizkessel in den Ruhestand geschickt werden, bedarf es leistbarer Alternativen, und da muss dafür Sorge getragen werden, dass sich Men­schen – und zwar jene Menschen, die von der Hand in den Mund leben – den Umstieg auf saubere Energie auch leisten können. Nur so kann der Umstieg auch wirklich funk­tionieren.

Meine Damen und Herren! Was es nicht braucht, sind konterkarierende Kampagnen wie jene der Wirtschaftskammer: „Hier kommt Ihr Heizöl! Liefersicherheit für viele


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Jahre.“ – Da wird auf Kosten des Klimaschutzes lobbyiert und eine ökologische Politik verhindert.

Leider gibt es immer mehr Menschen, die in Armut leben müssen und jetzt durch das Hartinger-Armutsgesetz noch stärker und drastischer in der Armutsfalle festsitzen und nicht mehr herauskönnen. Meine Damen und Herren, die Sozialhilfe Neu ist nicht nur eine Schande für Österreich, sie war vielmehr eine Initiative der ÖVP Niederösterreich, die von der FPÖ willfährig übernommen wurde, und das vergessen wir nicht. Das Ziel der Sozialhilfe Neu, arme Menschen und nicht die Armut zu bekämpfen, sollte eigent­lich aus humanitärer Sicht ein Nichtziel sein. Es zeigt sich einmal mehr, dass Energie­politik vor allem auch Sozialpolitik sein muss – Sozialpolitik mit Anstand und Hilfestel­lung, um die Würde aller Menschen in Österreich zu gewährleisten.

Wir wissen, dass sich in Österreich Menschen in längeren Kälteperioden oftmals das Heizen nicht mehr leisten können und in ihren eigenen vier Wänden frieren müssen; davon sind auch viele Kinder betroffen. Das alles sind Auswirkungen einer herzlosen Politik, die in ihrer elitären Mentalität diese Ausgrenzung von Teilen der Gesellschaft einfach in Kauf nimmt, ja geradezu Armut und Chancenlosigkeit als schicksalhaftes Er­eignis sieht. Diese Einstellung wird die Sozialdemokratie niemals zur Kenntnis neh­men, und sie wird sie immer bekämpfen, da es kein Mensch in Österreich verdient hat, zu frieren und vor die Entscheidung gestellt zu werden, entweder zu essen oder zu hei­zen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

21.33


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Kassegger. – Bitte.


21.33.48

Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Kol­leginnen und Kollegen! Hohes Haus! Der aktuelle Tagesordnungspunkt betrifft das Verbot des Einbaus von Ölkesseln in neu errichteten Gebäuden. Lassen Sie mich je­doch noch kurz zwei, drei Sätze grundsätzlicher Natur zur freiheitlichen Klima- und Energiepolitik sagen, auch im Anschluss an das, was wir im vorigen Tagesordnungs­punkt diskutiert und beschlossen haben!

Wir haben uns diesem Antrag nicht angeschlossen, und zwar aus mehreren Gründen. Der erste Grund ist, dass wir da sehr viel Symbolik, sehr viel Marketing, auch sehr viel Angstmacherei sehen, also Weltuntergangsszenarien et cetera; das ist so nicht unser grundsätzlicher Zugang. (Zwischenruf des Abg. Rossmann. – Heiterkeit bei den NEOS.)

Weiters sehen wir nicht die allerhöchste Priorität darin, dass alles diesem Thema un­terzuordnen ist, wie es Kollege Bernhard gesagt hat. Ich glaube, dass die Aufgaben­stellungen für verantwortungsvolle Politiker vielfältigere, breitgefächerte sind. In diesem Fächer der Aufgabenpakete spielt die Energie- und Umweltpolitik durchaus eine wichti­ge Rolle, aber nicht die allumfassende, alles verdrängende Rolle, sondern da geht es selbstverständlich auch um eine seriöse Berücksichtigung der Wirtschaftspolitik. Da geht es um Berücksichtigung der Arbeitsplätze. Da geht es um die Berücksichtigung der Aufrechterhaltung unseres gut funktionierenden Sozialstaats. Da geht es selbstver­ständlich auch um die Berücksichtigung der Herausforderungen im Rahmen der Migra­tionspolitik. Da geht es um die Sicherheitspolitik. Da geht es natürlich auch um die Energie- und Umweltpolitik.

Es war immer Zeichen der Freiheitlichen Partei, zum einen dieses Bündel ganzheitlich zu sehen, und zum anderen eine vernünftige Umwelt- und Energiepolitik nicht nur zu versprechen, sondern auch umzusetzen. Dabei wird es mehrere Ziele geben, selbst­verständlich auch das Ziel, fossile Energieträger, die viel Dreck verursachen, die viel CO2 erzeugen, durch saubere Energie, durch erneuerbare Energie zu verdrängen.


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Wir werden beim nächsten Tagesordnungspunkt dann das Paket besprechen, das wir beschließen werden, das ein gutes und ein sehr, sehr tolles ist. Wir dürfen aber auch zum Beispiel die Versorgungssicherheit nicht vergessen, und wir sollten bitte auch nicht die Wirtschaftlichkeit und Leistbarkeit und den Wirtschaftsstandort vergessen – nicht nur Österreich, sondern ganz Europa, insbesondere auch Deutschland. Das ist unsere ganzheitliche Politik, die, so hoffe ich doch sehr, von Argumenten, von viel Nachdenken und von vernünftigen Vorschlägen getragen ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Eine dieser konkreten Maßnahmen ist jetzt das Verbot des Einbaus von Ölkesselhei­zungen in Neubauten, ein klares politisches Bekenntnis zur Eindämmung des Ver­brauchs fossiler Brennstoffe. Wir haben hier schon vor dem Sommer auch eine flan­kierende Maßnahme beschlossen, indem wir den Raus-aus-dem-Öl-Bonus – also eine Förderung für diejenigen, die Ölkessel gegen erneuerbare Energiequellen moderner Art austauschen – verlängert haben.

Dabei haben wir im Übrigen gemeinsam mit der SPÖ gestimmt, was die Dotierung dieses Topfs in Höhe von 20 Millionen Euro betrifft. Das wird sehr, sehr gut angenom­men und diese Aktion wird fortgeführt. Da gibt es bis zu 5 000 Euro für jeden Haushalt als Förderung, als Anschubunterstützung, um den Weg in die richtige Richtung zu gehen und die Verwendung fossiler Brennstoffe in diesem Bereich zu verringern. Der Bereich Gebäude ist neben dem Verkehr ein großer Sektor, in dem es riesige Ein­sparungsmöglichkeiten gibt, um diesen Weg zu gehen. Ich ersuche daher, diesem An­trag zuzustimmen, und ich bin guter Dinge, dass dieser Antrag eine sehr, sehr breite Mehrheit finden wird. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

21.38


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete List. – Bitte.


21.38.30

Abgeordnete Ing. Daniela List (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Hohen Haus! Werte Zuseherinnen und Zuseher hier und vor den Bildschirmen zu Hause! Climate Emer­gency – wir alle wissen und sehen, dass der Klimawandel unaufhaltsam voranschreitet, und geschätzte Kollegin Cox, wir von der ÖVP nehmen die Lage sehr ernst.

Die letzte Bundesregierung, die Sie, geschätzte Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ, abgewählt und damit daran gehindert haben, in Sachen Klimaschutz weiterzuar­beiten, hat mit der Mission 2030 eine Klima- und Energiestrategie erfolgreich auf den Weg gebracht, um die Treibhausgasemissionen entsprechend den Pariser Klimazielen zu senken. (Beifall bei der ÖVP.)

Das Pariser Klimaabkommen, zu dem wir uns verpflichtet haben, ist ganz klar definiert: Die globale Erwärmung muss auf unter 2 Grad Celsius begrenzt werden. Dazu muss der Einsatz fossiler Energieträger drastisch reduziert werden, und gerade im Gebäu­desektor haben wir da im Bereich der Ölheizungen einen sehr großen Hebel. Immerhin gibt es, wir haben es schon gehört, österreichweit immer noch 600 000 Anlagen, und jährlich kommen immer noch fast 7 000 Neuanlagen dazu.

Bis 2030 können bei der Umstellung der Ölheizungen auf Heizungssysteme auf Basis erneuerbarer Energie gut 2 Millionen Tonnen CO2 gegenüber dem heutigen Stand ein­gespart werden.

Ein erster wichtiger und grundlegender Schritt ist daher, dass in Neubauten keine neu­en Ölheizungen mehr eingebaut werden dürfen. (Abg. Vogl: Eine Verbotspartei!) Ös­terreich nimmt damit in Europa eine Vorreiterrolle ein, und das ist auch erwähnenswert. Nur Dänemark und Norwegen haben bisher ein solches Verbot von Ölheizungen um-


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gesetzt. Deutschland, das heute schon ein paarmal als Vorreiter genannt wurde, will diesen Schritt erst 2026 setzen, also viele Jahre nach Österreich.

Meine Damen und Herren, Ölkessel, die fossil betrieben werden, sind absolute Klima­killer. Wir sehen das bundesweite Verbot im Neubau als eine längst notwendige Maß­nahme im Kampf gegen den Klimawandel. Gerade im Neubau gibt es genügend kli­mafreundliche Alternativen. Unsere Zukunft sehen wir darin, klimafreundliche Alter­nativen zu fördern, erneuerbare Energien auszubauen und positive Anreize zu schaf­fen.

Wie gut diese Anreize angenommen werden, zeigt ganz klar die Förderaktion Raus aus dem Öl, die schon mehrmals genannt wurde und von Elli Köstinger als Bundes­ministerin ins Leben gerufen wurde, um den Menschen den Ausstieg aus dem Ge­brauch von Ölheizungen zu erleichtern.

Erste Daten des Umweltbundesamtes zeigen, dass die Emissionen im Gebäudebe­reich mitunter durch diese Maßnahme im Jahr 2018 um fast 7 Prozent gesunken sind.

Ich freue mich, geschätzte Kolleginnen und Kollegen hier im Haus, dass – hoffentlich – alle Parteien diese Maßnahme unterstützen. Ich appelliere an Sie, die Umsetzung der Klima- und Energiestrategie und den Ausstieg aus fossilen Energieträgern auch in Zu­kunft zu unterstützen. Die negativen Folgen des Klimawandels sind zu ernst, um sie in taktische Parteiüberlegungen hineinzuziehen. Danke schön für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP.)

21.42


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesministerin Patek. Das Wort steht bei ihr.


21.42.06

Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Dipl.-Ing. Maria Patek, MBA: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Hohes Haus! Ich komme gerade vom UN-Klimagipfel in New York. Dort habe ich gesehen, dass die Weltpolitik mit dem Thema Klimaschutz beschäftigt ist.

Klimaschutz ist also in der Welt angekommen. Die Staatengemeinschaft soll neue, am­bitioniertere Zusagen machen, um die Langfristziele des Pariser Übereinkommens ein­zuhalten. Die derzeitigen Zusagen der Staaten reichen zusammengenommen nicht aus, um die Begrenzung der globalen Erwärmung auf unter 2 Grad Celsius einzuhalten.

Klimaschutz ist daher das Gebot der Stunde und Klimaschutz geht uns alle an. Jeder und jede kann und soll dazu etwas beitragen. Die Jugend führt uns das klar vor Augen, dass ein Weitermachen wie bisher eine lebenswerte Zukunft bedroht. Sie fordert ein rasches Ende der Nutzung aller fossilen Energieträger und damit verbunden Netto-Null-Emissionen deutlich vor dem Jahr 2050.

Österreich bekennt sich zu den internationalen Klimazielen und zu einer aktiven in­tegrierten Klimaschutz- und Energiepolitik. Der vorliegende Gesetzesantrag ist daher ein wichtiger Schritt für den Klimaschutz. Durch das Einbauverbot von Ölkesseln wird die Dekarbonisierung des Gebäudebestandes vorangetrieben.

Die Bundesregierung setzt im Rahmen der österreichischen Klima- und Energiestrate­gie Mission 2030 sehr wichtige Vorhaben weiter um, in erster Linie die zwölf Leucht­türme der Strategie. In der Mission 2030 wurde für den Sektor Gebäude ein sehr ambi­tioniertes Ziel beschlossen. Bis zum Jahr 2030 sollen in diesem Bereich die Treibhaus­gasemissionen um 3 Millionen Tonnen weniger werden. Außerdem sind für diesen Sektor sehr konkrete Maßnahmen vorgesehen, wie das Einbauverbot von Ölkesseln bei der Neuerrichtung von Gebäuden ab 2020.


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Das ist in einigen Bundesländern bereits geregelt, in anderen nicht. Um eine flächen­deckende Regelung rechtzeitig ab 2020 anwenden zu können, begrüße ich diesen Ini­tiativantrag ausdrücklich. Die Sicherstellung eines frühzeitigen Starts ist deswegen so wichtig, weil das enorme Langzeiteffekte hat. Ein neuer Ölkessel kann über 20, wenn nicht gar 40 Jahre in Betrieb sein.

Wenn wir diesen Schritt geschafft haben, müssen wir uns auch um die Ölkessel im Be­stand kümmern. Da gilt das Ziel, bis 2030 den derzeitigen Bestand von rund 600 000 auf mindestens die Hälfte zu reduzieren. Für die bereits im Bestand befindlichen Öl­kessel braucht es ein vielseitiges Maßnahmenpaket. Kernstück sind jedenfalls Anreize durch Förderungen, die den sozial verträglichen Umstieg auf klimafreundliche Heizsys­teme ermöglichen sollen.

Mit dem Raus-aus-dem-Öl-Bonus des Bundesministeriums für Nachhaltigkeit und Tou­rismus wurde ein treffsicheres Instrument geschaffen, das die Wohnbaufördersysteme der Länder sehr gut ergänzt. Ich freue mich sehr, dass es gelungen ist, den heurigen Raus-aus-dem-Öl-Bonus um weitere 20 Millionen Euro aufzustocken. Dafür möchte ich mich herzlich bedanken.

In zeitlicher Hinsicht soll, wie gesagt, mit dem vorliegenden Bundesgesetz eine rasche Anwendung des Ölkesseleinbauverbots kommen. Die Länder werden dies im Rahmen ihrer Genehmigungsverfahren ab dem 1. Jänner 2020 berücksichtigen.

In laufende Verfahren, die vor dem 1.1.2020 gestartet wurden, wird natürlich nicht ein­gegriffen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP. Abg. Zinggl: Wo bleibt die Son­der…?)

21.46


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Biß­mann. – Bitte.


21.46.33

Abgeordnete Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann (ohne Klubzugehörigkeit): Herr Präsi­dent! Geschätzte Frau Ministerin! Kolleginnen und Kollegen! Danke an meine ge­schätzte Kollegin Elisabeth Köstinger und ihre Kolleginnen und Kollegen für diesen Antrag, der den Einbau von Ölkesseln in Neubauten zukünftig verbieten wird. Das ist wichtig, richtig und in Zeiten der Klimakrise wirklich nicht mehr verhandelbar. Daher un­terstütze ich selbstverständlich diesen Antrag.

Wenn wir über Ölkessel reden, reden wir über die Heiztechnik, über die Kessel, in die Heizöl hineingeschüttet und verbrannt wird. Erlaubt mir einen kleinen Exkurs, ich würde nämlich gerne über das Heizöl reden!

Heizöl ist nicht nur chemisch dem Diesel ident, es ist auch steuerbegünstigt. Es ist aber viel stärker steuerbegünstigt als Diesel. Wir reden oft vom Dieselprivileg, das drin­gend abgeschafft gehört, aber kaum jemand redet vom Heizölprivileg, das noch drin­gender abgeschafft gehört und das auch viel größer ausfällt als das Dieselprivileg. Die­sel ist mit 40 Cent besteuert, Heizöl mit 10 Cent.

Wir kennen die monströse Zahl von 4,5 Milliarden Euro – das sind die Wifo-Zahlen –, die jährlich in Österreich in die Subventionierung von fossilen Energieträgern fließen. In diesen 4,5 Milliarden Euro ist aber das Heizölprivileg nicht eingerechnet, nur das Die­selprivileg. Warum ist das beim Heizöl kein Steuerprivileg? Nur deshalb, weil es in ei­nem anderen Sektor verortet wird? Oder weil Öl in einen Kessel geschüttet wird und nicht in einen Tank und kein Fahrzeug antreibt? – Exkurs beendet.

Allein mit dem Einbauverbot von Ölkesseln in einen Neubau retten wir also das Klima nicht, obwohl das natürlich richtig und gut ist. Wir brauchen auch viel höhere thermi­sche Sanierungsraten im Bestand von Gebäuden. Studien sagen, bis 2040 müssen wir


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 284

alle Häuser durchsaniert haben. Das ist eine jährliche Sanierungsrate von 5 Prozent. Aktuell sanieren wir jährlich unter 1 Prozent. In der Mission 2030 ist eine Sanierungs­rate von 2 Prozent festgeschrieben.

Liebe Mitglieder des zukünftigen Umweltausschusses! Setzt euch bitte dafür ein, dass die thermische Sanierungsrate im Gebäudebestand erhöht wird! Dabei ist es wichtig, immer in Kombination zu sanieren: Energieträgertausch plus thermische Sanierung. Wird Biomasse in schlecht isolierten Häusern aus zugigen Fenstern hinausgeheizt, ist das genauso sinnlos, wie mit Heizöl in topisolierten Häusern zu heizen.

Abschließend zurück zu den Heizölkesseln: Wie gesagt, der Antrag, den wir hier de­battieren, ist gut und richtig, zukünftig soll es keinen Einbau von Ölheizungen in Neu­bauten geben.

Jetzt haben wir aber noch ein kleines Problem: Im Energieeffizienzgesetz aus dem Jahr 2014 gibt es einen Passus, der es Gewerbetreibenden ermöglicht, den Austausch von alten Heizölkesseln in neue Ölkessel als Energiesparmaßnahme angerechnet zu bekommen. Das ist eine indirekte Förderung klimaschädlichen Heizöls.

Die neuen Ölkessel sind ja noch Jahrzehnte in Betrieb und konterkarieren unsere Dekarbonisierungsstrategie bis 2050 total. (Abg. Wöginger: Ja, aber mit irgendwas werden wir heizen müssen!) – Alternativen müssen wir fördern. Es gibt eh den Raus-aus-dem-Öl-Bonus; aber das ist jetzt immer noch eine indirekte Förderung, die wir auf­heben müssen. (Abg. Wöginger: Wir wollen nicht, dass wer erfriert!)

Frau Ministerin, Sie haben kürzlich in einem „Profil“-Interview gemeint, dass Sie das nicht per Verordnung regeln können. Es braucht eine Initiative aus dem Parlament, al­so eigentlich eine Zweidrittelmehrheit. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Wöginger.) Ich komme jetzt aber dem Wunsch an meinem letzten Tag als Abgeordnete nach und richte einen Unselbständigen Entschließungsantrag an das Nachhaltigkeitsministerium:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann, Michael Bernhard, Efgani Dön­mez, PMM Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ölkesselförderung stoppen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus wird aufgefordert, das Ener­gieeffizienzgesetz (Eeffg) so anzupassen, dass für Gewerbebetriebe der Austausch von bestehenden Ölkesseln durch neue Ölkessel nicht länger als Energiesparmaßnah­me anrechenbar ist.“

*****

Vielen Dank auch an die KollegInnen Karin Doppelbauer, Steffi Krisper, Michi Bern­hard, Efgani Dönmez, dass ihr den Antrag mitunterschrieben habt. Vielen Dank!

21.51

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Martha Bißmann, Michael Bernhard, Karin Doppelbauer, Efgani Dönmez, Stephanie Krisper,

Kolleginnen und Kollegen

betreffend Ölkesselförderung stoppen


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eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 13: Antrag der Abgeordneten Elisabeth Kös­tinger, MMMag. Dr. Axel Kassegger, Josef Schellhorn, Mag. Bruno Rossmann, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz über die Unzulässigkeit der Aufstel­lung und des Einbaus von Heizkesseln von Zentralheizungsanlagen für flüssige fossi­le oder für feste fossile Brennstoffe in Neubauten (Ölkesseleinbauverbotsgesetz — ÖKEVG 2019) (965/A)

Wie die Zeitschrift profil am 09. September 2019 berichtet, ist die Förderung seitens der Bundesregierung von Ölheizungen ein großes Umweltproblem. Ölheizungen sind nicht nur klimaschädlich, sondern auch nicht zeitgemäß.

Der sogenannte „Raus-aus-dem-Öl-Bonus" der Bunderegierung Sebastian Kurz sieht vor, dass alte Ölheizungen durch klimafreundlichere Alternativen ersetzt werden. Dies­bezüglich würden für den Umstieg auf klimafreundlichere Alternativen Förderungen von bis zu 5.000€ fließen.

Indirekt wird allerdings der Austausch von Ölheizungen durch effizientere Ölheizungen für Gewerbebetriebe weiterhin gefördert. Ein versteckter Passus im Energieeffizienzge­setzes (Eeffg) aus dem Jahr 2014 ermöglicht, dass der Austausch einer alten Ölhei­zung durch eine neue Ölheizung als Energieersparnis gilt und durch Gutschriften geför­dert wird.

Auch effiziente Ölheizungen sind klimaschädlich. Die neuen Ölkessel werden nach dem Austausch Jahrzehnte in Verwendung sein und damit die vollständige Dekarboni­sierung blockieren.

Die Möglichkeit für eine Abänderung des Passus im Energieeffizienzgesetzes (Eeffg) kann durch die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus erfolgen, da es sich um eine Verordnung handelt. Das BMNT kann aber auch das Verbot der Anrechnung von Ölheizungen auf gesetzlicher Ebene initiieren; per Zweidrittelmehrheit im National­rat. Wie auch immer; dieser Abänderung muss nachgekommen werden, damit Öster­reich die Klimaschutzzielen erreicht und Strafzahlungen bezüglich des Klimaschutzes vermieden werden.

Daher stellen die unterfertigenden Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus wird aufgefordert, das Ener­gieeffizienzgesetz (Eeffg) so anzupassen, dass für Gewerbebetriebe der Austausch von bestehenden Ölkesseln durch neue Ölkessel nicht länger als Energiesparmaß­name anrechenbar ist."

*****

21.50.54


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung über den im Antrag 965/A der Abgeordneten Köstinger, Kassegger, Schellhorn, Rossmann, Kolleginnen und Kollegen enthaltenen Gesetzent­wurf samt Titel und Eingang.


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Da der vorliegende Gesetzentwurf eine Verfassungsbestimmung enthält, stelle ich zunächst im Sinne des § 82 Abs. 2 Z 1 der Geschäftsordnung die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeord­neten fest. – Das ist gegeben.

Ich bitte nun die Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf zustimmen, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Wer wiederum einverstanden ist, den bitte ich um ein diesbezügliches Zeichen. – Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung einstimmig angenommen.

Ich darf nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Biß­mann, Bernhard, Dönmez, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ölkesselförderung stoppen“ kommen.

Ich bitte die Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, der Antrag ist daher abgelehnt.

21.52.3814. Punkt

Antrag der Abgeordneten Elisabeth Köstinger, MMMag. Dr. Axel Kassegger, Jo­sef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ökostromgesetz 2012 (ÖSG 2012) geändert wird (966/A)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zum 14. Punkt der Tagesord­nung. Hinsichtlich dieses Antrages wurde dem Ausschuss für Wirtschaft, Industrie und Energie eine Frist zur Berichterstattung bis zum 24. September gesetzt.

Als Erster zu Wort gemeldet ist dazu Herr Abgeordneter Lettenbichler. – Bitte.


21.53.04

Abgeordneter Mag. Josef Lettenbichler (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Verehr­te Kolleginnen und Kollegen! Verbliebene Zuhörerinnen, Zuseher hier im Hohen Haus, zu Hause, wo immer, wie immer Sie uns sehen! Ich darf Ihnen mitteilen – es ist heute zwar schon relativ spät, der Tag ist fast vorbei –, es ist heute ein guter Tag, es ist ein Freudentag. Es ist ein guter Tag für den Klimaschutz, es ist ein guter Tag für die Nach­haltigkeit und es ist ein wahrer Freudentag für die Erneuerbare-Energie-Branche. (Bei­fall bei ÖVP und FPÖ.)

Meine Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Wir beschließen heute ein Öko­strompaket mit einem Gesamtvolumen von immerhin rund 540 Millionen Euro, also mehr als eine halbe Milliarde Euro wird heute mit diesem Beschluss bewegt. Dieses Geld wird für den Erhalt von Ökostromanlagen sowie für einen wirklich massiven Aus­bau von Anlagen, vor allem im Bereich Wind, Wasser und in der Photovoltaik einge­setzt.

Konkret werden mit den eingesetzten Mitteln die bestehenden Wartelisten bei Wind­kraftanlagen sogar komplett abgebaut. Da bewegen wir mehr als 622 Megawatt an Ökostrom, die dazukommen. Bei der Kleinwasserkraft wird die Warteschlange komplett abgebaut und auch bei der mittleren Wasserkraft werden die Mittel um 30 Millionen Euro erhöht.

Es war uns von der ÖVP, aber auch den Kolleginnen und Kollegen der anderen Par­teien sehr, sehr wichtig, dass wir bei auslaufenden Ökostromanlagen, die mit Biomas­se und Biogas betrieben werden, die Möglichkeit geben, diese nicht stilllegen zu müs­sen, sondern dass unter Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben Anträge auf Nachfol­getarife gestellt werden können und diese somit am Netz bleiben, denn wir brauchen


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jede Kilowattstunde, die wir aus erneuerbarer Energie gewinnen können. (Beifall bei der ÖVP.)

Einen wahren Ökoturbo zünden wir bei der Photovoltaik. Für die nächsten drei Jahre werden jeweils 36 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, davon versprechen wir uns schon einen wahren Investitionsschub, vor allem im Bereich der Privathaushalte. Wir fördern da gleichermaßen Speicher- wie PV-Anlagen. Ich möchte hinzufügen, dass wir ja auch die Abschaffung der Eigenstromsteuer für durch PV erzeugten Strom beschlos­sen haben. Auch das ist ein Meilenstein, und auch das wird viel bewegen.

Das war ein Punkt, der mir als Energiesprecher sehr, sehr wichtig war und mir ei­gentlich das Herz aufgehen lässt. Ich bin wirklich froh und dankbar, dass wir das ge­meinsam geschafft haben, denn ich glaube, es ist nicht selbstverständlich, dass wir fünf Tage vor der Wahl einen Allparteienantrag zustande bekommen haben. Wir waren uns alle unserer Verantwortung bewusst, denn wir wissen, was sonst passiert wäre: Wir hätten allenfalls einen Stillstand gehabt, den wir uns einfach nicht leisten können.

Natürlich wissen wir – und das wird dann, glaube ich, vielleicht auch der Punkt meiner Kolleginnen und Kollegen sein –, dass wir für heuer einen ganz anderen Fahrplan vor­gesehen hätten. Wir wollten dieses große, wegweisende Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz eigentlich jetzt im Herbst beschließen, damit es im Jahr 2020 in Kraft treten kann. Das wird mir mein lieber Kollege Axel Kassegger bestätigen können, dass wir da schon sehr, sehr weit waren. Wir waren bereits in der finalen Fertigstellungsphase, wir hatten schon vor Monaten unter dem Lead der ehemaligen Ministerin Elisabeth Köstinger ei­nen klar strukturierten Prozess in Gang gesetzt. Ibiza geschuldet sind wir damit leider nicht mehr über die Ziellinie gekommen.

Umso wichtiger ist es aber, dass wir heute diesen Fünfparteienantrag haben. Das ist auch als klares parteiübergreifendes Statement zu sehen, dass wir es alle miteinander mit der Energiewende ernst meinen, dass wir den Klimaschutz ernst nehmen. Das ist, glaube ich, ein klares und wahres Statement. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich möchte mich an dieser Stelle ausdrücklich bei meinen Energiesprecherkollegen be­danken, bei Muna Duzdar, Axel Kassegger, Sepp Schellhorn, Bruno Rossmann. Es waren intensive Verhandlungen, sie waren auf Augenhöhe und getragen vom Willen, ein positives Ergebnis zu erzielen.

Bedanken möchte ich mich aber auch bei den Referenten, den parlamentarischen Mit­arbeiterInnen der Klubs, die uns unterstützt haben, bei den MitarbeiterInnen in Ihrem Haus, Frau Bundesministerin, die uns mit Daten, mit Fakten und mit Gesetzestexten versorgt haben, bei der Energiesektion unter Führung von Michael Losch, bei Benedikt Ennser, bei Michael Fuchs, bei Ihrem Kabinett, stellvertretend für alle bei Gernot Maier, Eli Widecki, auch bei der Oemag, die uns auch zugearbeitet hat, bei den beiden Vor­ständen Magnus Brunner und Horst Brandlmaier und ausdrücklich will ich auch Martin Seidl erwähnen, der uns mit Rat und Tat zur Seite gestanden ist. Herzlichen Dank dafür, das gehört auch gesagt. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Zu diesem Punkt noch eine abschließende Bitte: Sind wir stolz auf dieses Paket, zerreden wir es nicht! Wir, die Energiesprecher jeder Fraktion und Sie alle, die heute mitgehen – danke, danke –, können stolz darauf sein. Zerreden wir das Paket nicht, nehmen wir das, was positiv ist! Es ist sehr, sehr viel Positives, immerhin werden da 1 000 Megawatt bewegt.

In diesem Zusammenhang darf ich den gesamtändernden Abänderungsantrag der Abgeordneten Elisabeth Köstinger, Mag. Muna Duzdar, MMMag. Dr. Axel Kassegger, Josef Schellhorn, Mag. Bruno Rossmann, Mag. Josef Lettenbichler, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ökostromgesetz 2012 geändert wird, einbringen.


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Ich möchte den Antrag in den wesentlichen Punkten erläutern.

Damit wir bei Windkraftanlagen den gesamten Warteschlangenabbau von 622 Mega­watt vornehmen können, wird der Resttopf und das reguläre Kontingent von 2021 auf 2020 vorgezogen. Bei Biomasse sind 8,7 Millionen Euro für Nachfolgetarife vorgese­hen. Bei der mittleren Wasserkraft wird die Ökostrompauschale zu den bereits beste­henden und ausgeschöpften 50 Millionen Euro einmalig um weitere 30 Millionen Euro erhöht.

Bei der PV gibt es, wie ich schon erwähnt habe, für die kommenden Jahre 2020, 2021, 2022 jeweils 36 Millionen Euro, also in Summe über 100 Millionen Euro. Auch beim Biogas haben wir eine Übergangsregelung von 36 Monaten bis zum 31.12.2022 vorge­sehen.

*****

Herzlichen Dank für diese tolle Unterstützung von Ihnen allen! (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie des Abg. Bernhard.)

Das, meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen, wäre ein sehr, sehr schöner Ab­schluss für mich. Ich möchte jetzt überleiten mit einem Zitat von Gerhard Polt, einem bayerischen Kabarettisten, Humoristen, den ich seit Jahren verehre. Wo immer er auf­tritt, möchte ich ihn mir möglichst live anschauen. Er sagte so schön: Jetzt ist es so weit, dass es so weit ist!

Es ist so weit, Abschied zu nehmen vom Hohen Haus. Ich werde ja als Abgeordneter des Tiroler Unterlands für die Tiroler Volkspartei, für die Österreichische Volkspartei nicht mehr antreten. Es sind so viele schöne, tolle und richtige Dinge von anderen Kol­leginnen und Kollegen, die sich heute ebenfalls verabschiedet haben, gesagt worden, dass ich das eigentlich nur unterstützen kann. Da ist mir gar nichts Besseres einge­fallen, denn das war wirklich berührend und schön. Ich darf das alles unterstützen, möchte aber heute die Möglichkeit nutzen, vielen Leuten Danke zu sagen. Das müssen Sie jetzt aushalten, dass ich da einige erwähne, weil mir das wirklich eine Herzens­angelegenheit ist.

Bedanken möchte ich mich zuallererst bei meinem Bundesparteiobmann und hoffent­lich bald wieder Bundeskanzler Sebastian Kurz, bei meinem Klubobmann August Wö­ginger, bei meinen ehemaligen Klubobleuten Reinhold Lopatka und Karlheinz Kopf, bei meiner Ministerin – (in Richtung Bundesministerin Patek) verzeihen Sie, Frau Minis­ter – und jetzt Klubobmannstellvertreterin, hoffentlich nur vorübergehend, Elisabeth Köstinger, bei all meinen Kolleginnen und Kollegen in allen Fraktionen, aber vor allem natürlich hier in diesem Block bei der Neuen Volkspartei. Ich werde euch vermissen, aber wir werden uns ja irgendwie irgendwann bei anderen Gelegenheiten wiedersehen.

Bedanken möchte ich mich weiters bei meinem Arge-Obmann Peter Haubner. Danke schön für die Unterstützung in all den Jahren! (Abg. Haubner: Josef, du wirst uns fehlen!) – Danke schön! Weiters bedanke ich mich bei allen Mitarbeiterinnen und Mit­arbeitern im Klub, bei den Klubreferenten, bei der Assistenz, bei all den guten Geistern, nicht nur bei uns im Klub, sondern auch hier im Hohen Haus. Explizit will ich meinen Andy Samonig erwähnen. Danke, danke, lieber Andy! Für die Unterstützung während all der Jahre bedanke ich mich stellvertretend für alle MitarbeiterInnen bei unserem Klubdirektor und für alle MitarbeiterInnen hier im Hohen Haus stellvertretend bei Ihnen, bei dir, geschätzter Präsident.

Bedanken möchte ich mich auch noch einmal – ich habe es zwar schon gemacht, aber es wird darauf Wert gelegt, habe ich gehört – bei meinen Energiesprecherkolleginnen


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und -kollegen. Danke für die Mitarbeit, für die Zusammenarbeit! Wir haben da wirklich etwas Tolles geschaffen.

Natürlich bedanke ich mich auch bei den parlamentarischen Mitarbeitern, und das waren in den vergangenen elf Jahren einige: Bernhard, Sebastian, Andreas, Julia, Ste­fan, Matthias, aktuell Dominik, Michael und Max. Danke, danke auch immer wieder für die Unterstützung!

Ich möchte mich aber auch bei jenen 14 000 Unterländerinnen und Unterländern be­danken, die mich in der Vergangenheit mit Vorzugsstimmen ausgezeichnet haben. Auch möchte ich nicht versäumen, mich bei meiner Familie und bei meinen Freunden zu bedanken, allen voran bei meiner Frau, die auf so einiges verzichten musste, aber da geht es Ihnen ja nicht anders.

Für die Geduld, für die Unterstützung und für das Gestütztwerden – also das ist nicht immer selbstverständlich gewesen – bedanke ich mich auch bei meinen Eltern, ohne die es mich natürlich nicht geben würde, wobei ich mir sicher bin, dass sie jetzt von oben herunterschauen und sagen: Recht hast g’habt, dass du das lasst, guat hast es g’macht, Bua, wir sind stolz auf dich!

Ein Rat, eine Bitte oder ein Appell an Sie von Abgeordnetem zu Abgeordnetem, von Mensch zu Mensch: Wir wissen alle, hier zu arbeiten ist ein Privileg, es ist keine Selbstverständlichkeit. Ich finde, es ist eine der schönsten Aufgaben, die man erfüllen kann. Das habe ich immer gemacht, nach bestem Wissen und Gewissen, mit vollem Einsatz, bis zur – unter Anführungszeichen – „letzten Minute“.

Jetzt freue ich mich aber auf etwas mehr Normalität. Wie der leider viel zu früh ver­storbene Landesrat Fritz Astl so treffend immer wieder gesagt hat: Normalität ist wich­tig! Ich darf Ihnen den Rat geben: Nehmen Sie sich mehr Zeit für sich selber! Wir sind hier herinnen immer wieder gefordert. Heute dauert es auch wieder länger, aber das sind ja eher Routineübungen. Wir wissen aber alle, was wir in den Wahlkreisen leisten. Wir sollten den Leuten sagen – das machen wir vielleicht zu wenig –, was wir auf Bun­desebene machen. Es ist eine der schönsten Aufgaben, und das habe ich, wie schon gesagt, immer sehr gerne gemacht, aber es ist auch eine fordernde Aufgabe, es ist ein hartes Geschäft.

Meine Bitte an Sie ist: Nehmen Sie sich den einen oder anderen Abend einmal frei, machen Sie gar nichts! Unternehmen Sie etwas mit Ihrer Familie, vielleicht auch spon­tan, am Wochenende! Es fällt nicht auf, wenn man einmal irgendwo nicht dabei ist, wenn man der sechste Abgeordnete ist, der fünfte oder wie auch immer. Man muss auch Mut zur Lücke haben. (Allgemeine Heiterkeit.)

Ich selber genieße folgendes Privileg: Man wird ja von den sozialen Medien dazu ge­trieben, immer etwas zu twittern und Facebook oder Instagram zu benützen. Ich habe das jetzt im Sommer auf null reduziert. Facebook, Instagram kenne ich nicht mehr. Es ist wohltuend. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Mir entgehen so viele Rezepte oder frisch gebackene Kuchen! Also ich gebe Ihnen den Tipp, da ein bisschen zu fasten. Nehmen Sie sich Zeit, das ist wichtig. Niemand ist un­ersetzbar. Betreiben Sie nicht Raubbau an sich selber! Wir brauchen Sie noch.

Ich hoffe, dass so viele wie möglich von Ihnen wieder hierherkommen – ich bin jetzt schon bei meinen Schlussworten. All jenen, die ich nicht mehr wiedersehen werde, wünsche ich für die Zukunft alles Gute, vor allem Gesundheit! An alle, die wiederkom­men: Machen Sie das Beste für unsere Republik Österreich! Wir wissen, wir haben viele unterschiedliche Ansichten, aber am Ende des Tages wollen wir doch jeder in seiner Fasson das Beste für die Republik, für die Menschen.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 290

Mir bleibt noch, Ihnen einen schönen Wahlsonntag zu wünschen. Uns wünsche ich ei­nen superschönen Wahlsonntag, das sei mir gestattet! (Heiterkeit bei der ÖVP.) Ich bedanke mich. Es war mir eine Ehre, es war mir ein Fest. Auf Wiedersehen bei anderer Gelegenheit! Macht es gut! (Allgemeiner, von der ÖVP stehend dargebrachter Beifall.)

22.06

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Elisabeth Köstinger, Mag. Muna Duzdar, MMMag. Dr. Axel Kasseg­ger, Josef Schellhorn, Mag. Bruno Rossmann, Mag. Josef Lettenbichler

Kolleginnen und Kollegen

zum Antrag der Abgeordneten Elisabeth Köstinger, MMMag. Dr. Axel Kassegger, Josef Schellhorn, Mag. Josef Lettenbichler

Kolleginnen und Kollegen

betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ökostromgesetz 2012 (ÖSG 2012) geän­dert wird (966/A) – TOP 14

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der oben zitierte Antrag (966/A) lautet:

Bundesgesetz, mit dem das Ökostromgesetz 2012 (ÖSG 2012) geändert wird

Der Nationalrat hat beschlossen:

Bundesgesetz, mit dem das Ökostromgesetz 2012 (ÖSG 2012) geändert wird

Das Bundesgesetz über die Förderung der Elektrizitätserzeugung aus erneuerbaren Energieträgern (Ökostromgesetz 2012 – ÖSG 2012), BGBl. I Nr. 75/2011, in der Fas­sung BGBl. I Nr. 42/2019, wird wie folgt geändert:

1. Im Inhaltsverzeichnis wird nach dem Eintrag zu 23a folgender Eintrag eingefügt: „§23b. Abbau der Wartelisten

2. Im Inhaltsverzeichnis wird nach dem Eintrag zu § 57b folgender Eintrag eingefügt: „§ 57c. Inkrafttretens- und Übergangsbestimmungen der ÖSG 2012-Novelle BGBl. I Nr. XY/2019

3. (Verfassungsbestimmung) § 1 samt Überschrift lautet:

„Kompetenzgrundlage und Vollziehung

§ 1. (Verfassungsbestimmung) Die Erlassung, Aufhebung und Vollziehung von Vor­schriften, wie sie in diesem Bundesgesetz enthalten sind, sind auch in den Belangen Bundessache, hinsichtlich derer das B-VG etwas anderes bestimmt. Die in diesen Vor­schriften geregelten Angelegenheiten können unmittelbar von den in diesem Bundes­gesetz vorgesehenen Einrichtungen versehen werden.“

4. In § 15 Abs. 7 wird im letzten Satz der Punkt durch einen Beistrich ersetzt und die Wortfolge „wobei im Jahr 2020 § 4 der Verordnung BGBl. II Nr. 408/2017 mit der Maß­gabe anzuwenden ist, dass die Ökostromabwicklungsstelle im Jänner 2020 einen Zeit­raum festzulegen hat, in dem die Förderanträge bei der Ökostromabwicklungsstelle einzulangen haben.“ angefügt.“

5. In § 17 Abs. 1 wird vor dem letzten Satz folgender Satz eingefügt:

„Für die Verlängerung der Laufzeit gemäß § 17 Abs. 3 fünfter Satz werden die erforder­lichen Mittel bereitgestellt.““


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 291

6. Nach § 17 Abs. 2 wird folgender Abs. 2a eingefügt:

„(2a) Keine Kontrahierungspflicht gemäß Abs. 1 besteht überdies für Anlagen auf Basis von fester Biomasse und Abfall mit hohem biogenem Anteil, deren Förderdauer zwi­schen dem 1. Jänner 2017 und dem 31. Dezember 2019 abläuft.“

7. In § 17 Abs. 3 fünfter Satz wird nach der Wortfolge „eine einmalige Verlängerung der Laufzeit“ die Wortfolge „um weitere 36 Monate, längstens jedoch bis zum 31. Dezem­ber 2022,“ eingefügt sowie nach dem Ausdruck „§ 14 Abs. 8“ ein Beistrich gesetzt und die Wortfolge „mit Ausnahme der maximalen elektrischen Leistung von 150 kW,“ ein­gefügt.“

8. In § 18 Abs. 1 wird nach dem ersten Satz folgender Satz eingefügt:

„Davon abweichend bestimmen sich die Einspeisetarife ab Inkrafttreten der Novel­le 2019, BGBl. I Nr. YZ/2019, bis zum 31. Dezember 2020 nach den für das Jahr 2019 verordneten Preisen der Verordnung BGBl. II Nr. 408/2017, wobei keine Abschläge ge­mäß § 19 Abs. 2 zur Anwendung kommen.“

9. § 23b samt Überschrift lautet:

„Abbau der Wartelisten

23b. (1) Für Windkraftanlagen wird das auf Windkraft gemäß § 23 Abs. 3 Z 3 und den Resttopf gemäß § 23 Abs. 3 Z 5 entfallende zusätzliche jährliche Unterstützungsvolu­men für das Jahr 2021 vorgezogen und für die im Jahr 2020 abzuschließenden Ver­träge bereitgestellt.

(2) Für die sofortige Kontrahierung von Ökostromanlagen auf Basis fester Biomasse gemäß § 17 Abs. 1 iVm § 56 Abs. 7 werden zusätzlich zu § 23 Abs. 3 für im Jahr 2020 abzuschließende Verträge 8,7 Millionen Euro an Unterstützungsvolumen bereitgestellt.

(3) Für Anlagen, die nicht unter Abs. 2 fallen, hat die Ökostromabwicklungsstelle Ver­träge über die weitere Abnahme von Ökostrom nur unter Anrechnung auf das zur Ver­fügung stehende zusätzliche jährliche Unterstützungsvolumen gemäß § 23 Abs. 3 ab­zuschließen.“

10. In § 24 Abs. 6 erster Satz wird vor der Wortfolge „unter Bedachtnahme auf die Empfehlung des Energiebeirates“ die Wortfolge „sofern in § 28 vorgesehen“ eingefügt.

11. In § 27 Abs. 2 wird nach dem ersten Satz folgender Satz eingefügt:

„Zusätzlich werden mit dem Inkrafttreten der Novelle BGBl. XX/2019 einmalig weitere 30 Millionen aus den durch die Einhebung der Ökostrompauschale aufgebrachten Be­trägen bereitgestellt.“; der letzte Satz wird durch den Satz „Die Ökostromabwicklungs­stelle hat die erforderlichen Mittel zu überweisen.“ ersetzt.“

12. In § 27 Abs. 3 wird im ersten Satz der Ausdruck „10%“ durch den Ausdruck „15%“, der Ausdruck „400 Euro“ durch den Ausdruck „650 Euro“ und der Ausdruck „6 Mil­lionen“ durch den Ausdruck „10 Millionen“ ersetzt.“

13. In § 27a Abs. 2 werden folgende Sätze angefügt:

„Für die Jahre 2020, 2021 und 2022 werden zusätzlich jeweils 36 Millionen Euro bereit­gestellt, wovon jährlich vorrangig 24 Millionen Euro für die Errichtung oder Erweiterung von einer Photovoltaikanlage zu verwenden sind. Werden die Mittel in einem Jahr nicht zur Gänze ausgeschöpft, können die übrig bleibenden Mittel in das jeweils folgende Jahr bis zum 31. Dezember 2022 übertragen werden, wobei die übertragenen Mittel vorrangig für die Errichtung oder Erweiterung von einer Photovoltaikanlage zu ver­wenden sind.“

14. § 27a Abs. 4 lautet:


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„(4) Verfügt die Anlage über eine Speicherkapazität im Ausmaß von mindestens 0,5 kWh pro kWpeak installierter Engpassleistung oder wird eine bestehende Anlage oder eine bestehende Speicherkapazität in diesem Ausmaß erweitert, kann zusätzlich ein Investitionszuschuss von 200 Euro pro kWh gewährt werden. Die Höhe des Investi­tionszuschusses ist mit maximal 30% des unmittelbar für die Errichtung erforderlichen Investitionsvolumens (exklusive Grundstückskosten) begrenzt. Es können maximal bis zu 50 kWh Speicherkapazität pro Anlage nach dieser Bestimmung gefördert werden.“

15. In § 28 wird nach dem Ausdruck „§ 7 KWK-Gesetz“ ein Beistrich gesetzt und die Wortfolge „die je Förderempfänger insgesamt 100.000 Euro überschreiten,“ eingefügt und folgender Satz angefügt:

„Bei Förderungen von insgesamt bis zu 100.000 Euro je Förderempfänger ist der Energiebeirat zu informieren.“

16. In § 41 Abs. 3 wird die Wortfolge „vorangegangenen Kalenderjahr“ durch die Wort­folge „Kalenderjahr vor Vertragsabschluss“ ersetzt.

17. In § 42 Abs. 4 wird folgender Satz angefügt:

„Für die Berechnung des jährlichen Unterstützungsvolumens gemäß § 23 Abs. 5 be­stimmen sich die aliquoten Aufwendungen anhand des Gutachtens für das Kalender­jahr des Vertragsabschlusses.““

18. Nach § 56 Abs. 6 werden folgende Abs. 7 und 8 eingefügt:

(7) Für Anträge betreffend Anlagen auf Basis von fester Biomasse gemäß § 17 Abs. 1, ausgenommen für Anlagen gemäß § 17 Abs. 2a, besteht nach Maßgabe der verfügba­ren zusätzlichen Mittel gemäß § 23b Abs. 2 eine sofortige Kontrahierungspflicht der Ökostromabwicklungsstelle zu jenen Tarifen, die sich aus der Verordnung BGBl. II Nr. 307/2012 unter Anwendung der Abschläge gemäß § 19 Abs. 2 für das Jahr 2019 ergeben. Für Ökostrom aus Abfällen mit hohem biogenem Anteil wird der Preis gemäß § 13 Abs. 3 gewährt.

(8) Anträge auf sofortige Kontrahierung gemäß Abs. 7 können nur für jene Anlagen auf Basis von fester Biomasse gestellt werden, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Bestimmung bereits bei der Ökostromabwicklungsstelle gereiht waren. Sie sind inner­halb von drei Monaten ab Inkrafttreten dieser Bestimmung bei der Ökostromabwick­lungsstelle zu stellen. Für die Berechnung der Reihung der Anträge sowie die notwen­digen Mittel werden als Basis für den Marktpreis gemäß § 41 Abs. 3 die ersten drei Quartale des Jahres 2019 angenommen; die aliquoten Aufwendungen gemäß § 42 Abs. 4 bestimmen sich anhand des Gutachtens gemäß § 18 Abs. 6 für das Jahr 2019, jedoch sind die Aufwendungen für die Technologiefördermittel der Länder gemäß § 43 nicht zu berücksichtigen. Sofern kein Antrag auf sofortige Kontrahierung gestellt wird, erfolgt eine Kontrahierung nach Maßgabe des Vorhandenseins von Mitteln aus dem zusätzlichen jährlichen Unterstützungsvolumen nach § 23 Abs. 3.

19. (Verfassungsbestimmung) Nach § 57b wird folgender § 57c samt Überschrift ein­gefügt:

„Inkrafttretens- und Übergangsbestimmungen der ÖSG 2012-Novelle BGBl. I Nr. XY/2019

§ 57c (1) (Verfassungsbestimmung) § 1 tritt mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft.

(2) § 18 Abs. 1, § 41 Abs. 3, § 42 Abs. 4 und § 57c Abs. 4, jeweils in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XY/2019, treten mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft.


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(3) Alle übrigen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes treten mit dem der Kundma­chung folgenden Monatsersten in Kraft.

(4) Die Ökostromabwicklungsstelle hat unverzüglich nach Inkrafttreten der Bestim­mungen gemäß Abs. 2 das zusätzliche jährliche Unterstützungsvolumen für das Jahr 2019 gemäß § 23 Abs. 5 in Verbindung mit § 41 Abs. 3 und § 42 Abs. 4 neu zu berechnen. Ergibt die Neuberechnung, dass aus dem zusätzlichen jährlichen Unter­stützungsvolumen für das Jahr 2019 weitere Verträge abgeschlossen werden können, hat die Ökostromabwicklungsstelle die entsprechenden Verträge, abweichend von § 18 Abs. 1 erster Satz, zu den für das Jahr 2019 verordneten Einspeisetarifen gemäß der Verordnung BGBl. II Nr. 408/2017 abzuschließen. Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Bestimmungen gemäß Abs. 2 bereits bestehende Verträge bleiben aufrecht.

(5) Die geänderten Bedingungen gemäß § 27a Abs. 4 in der Fassung des Bundesge­setzes BGBl. I Nr. XY/2019 gelten für Anträge, die nach dem Inkrafttreten dieser Be­stimmung eingebracht werden.

(6) Die Richtlinien für die Gewährung von Investitionszuschüssen sind gegebenenfalls nach Maßgabe des § 30 Abs. 3 zu verlängern bzw. anzupassen, wobei von der Ver­lautbarung im Amtsblatt zur Wiener Zeitung abgesehen werden kann.

Begründung

I. Allgemeiner Teil

Die generationenübergreifende Herausforderung des Klimawandels erfordert eine grund­legende Umstellung der Energieversorgung, weshalb sich Österreich verpflichtet hat, bis zum Jahr 2030, Strom in dem Ausmaß zu erzeugen, dass der nationale Gesamt­stromverbrauch zu 100% (national bilanziell) aus erneuerbaren Energiequellen gedeckt werden kann. Damit es zu keinem Ausbaustopp der Ökostromerzeugungsanlagen in Österreich kommt, sondern eine stabile Überbrückung bis zum Inkrafttreten eines neu­en zukünftigen Fördersystems ermöglicht wird, dessen Beschlussfassung in der nächs­ten Legislaturperiode ansteht, sollten die Möglichkeiten des bestehenden Ökostromge­setzes so weit wie möglich genutzt werden.

Der vorliegende Gesetzesänderungsvorschlag soll daher zunächst die dringend benö­tigte Brückenfunktion herstellen, um das Ziel 100% erneuerbarer Strom im Übergangs­zeitraum nicht unnötig zu gefährden. Dies ist insbesondere für Windkraftanlagen, Klein­wasserkraftanlagen und Ökostromanlagen auf Basis fester Biomasse und Biogas von Bedeutung, weil sich bei diesen Anlagenkategorien bereits längere Wartelisten für die Förderung aufgebaut haben. Durch eine Änderung der Kontingentberechnungsmetho­de sowie ein Vorziehen von Mitteln wird bei Wind und Kleinwasserkraft nach aktuellem Berechnungsstand der OeMAG ein vollständiger Wartelistenabbau ermöglicht. Für Bio­masseanlagen werden zusätzliche Mittel für Nachfolgetarife zur Verfügung gestellt, für Biogasanlagen wird eine Verlängerungsmöglichkeit für bestehende Nachfolgetarife ge­schaffen. Zusätzlich soll der Fördertopf für Kraftwerksprojekte der mittleren Wasser­kraft, die aufgrund ihres Erzeugungsvolumens und ihrer systemdienlichen Erzeugungs­charakteristika für das österreichische Energiesystem von besonderer Bedeutung sind, einmalig aufgestockt werden.

Des Weiteren wird die im Zuge der „kleinen Ökostromnovelle“ eingeführte Investitions­förderung für Photovoltaikanlagen und Stromspeicher für drei weitere Jahre verlängert und deutlich angehoben. Zusätzlich werden administrative Verbesserungen vorgenom­men, um einen reibungslosen Ablauf der Förderabwicklung zu gewährleisten. Auch muss aufgrund der derzeitigen Unsicherheit, wann eine Nachfolgeregelung zu den der­zeitigen Förderbestimmungen in Kraft treten wird, nicht bloß die Erreichung der bishe-


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rigen Ausbauziele gesichert werden, sondern auch Planungssicherheit für weitere Aus­bauinvestitionen hergestellt werden, um einen so drohenden Stillstand auch beim Pho­tovoltaikausbau zu vermeiden.

Hinsichtlich der allgemeinen Berechnung des Unterstützungsvolumens (Kontingentbe­rechnung) wird eine Änderung vorgenommen, um der Kontingentberechnung künftig den aktuellen Marktpreis und nicht mehr den Marktpreis zum Zeitpunkt der Antrag­stellung zugrunde zu legen. Parallel dazu sollen für Förderverträge, die aufgrund der neuen Kontingentberechnungsmethode noch 2019 sowie für alle Verträge, die 2020 abgeschlossen werden, die aktuellen, für 2019 verordneten Tarife generell zur Anwen­dung kommen.

Auch die aktuelle RL (EU) 2018/2001 zur Förderung der Nutzung von Energie aus er­neuerbaren Quellen erkennt den wirtschaftlichen Nutzen einer zügigen Verwirklichung an und geht im Detail darauf ein, dass sich durch Investitionen in die lokale und regio­nale Produktion von Energie aus erneuerbaren Quellen in den Mitgliedstaaten und ih­ren Regionen beträchtliche Chancen für die Entwicklung lokaler Unternehmen, nach­haltiges Wachstum und die Entstehung hochwertiger Arbeitsplätze ergeben.

II. Besonderer Teil

Zu § 18 Abs. 1, § 41 Abs. 3, § 42 Abs. 4 und § 57c Abs. 4:

Mit diesen Bestimmungen soll die Ermittlung des jährlich zur Verfügung stehenden Unterstützungsvolumens dahin geändert werden, dass statt dem Marktpreis im Jahr vor der Antragstellung jener im Kalenderjahr vor Vertragsabschluss zur Anwendung kommen soll. Für das Jahr 2019 hat eine Neuberechnung zu erfolgen, wobei zusätz­liche Verträge mit dem Tarif für das Jahr 2019 abgeschlossen werden sollen. Generell sollen für die Verträge, die auf Basis der für das Jahr 2020 zur Verfügung stehenden Mittel abgeschlossen werden, die für 2019 geltenden Tarife zur Anwendung kommen.

Zu § 17 Abs. 2a, § 23b Abs. 2, § 56 Abs. 7 und 8:

Für Nachfolgetarife für Ökostromanlagen auf Basis fester Biomasse sollen zusätzliche Mittel bereitgestellt und eine Abgrenzung zum Biomasseförderung-Grundsatzgesetz geschaffen werden. Dabei gelangen die für das Jahr 2019 ermittelten Tarife zur An­wendung. Für die Inanspruchnahme dieser Mittel ist ein neuer Antrag einzubringen.

Zu § 17 Abs. 1 und 3:

Für die Verlängerung der Nachfolgetarife von Biogas-Anlagen sollen bis zum Jahr 2022 die erforderlichen Mittel zur Verfügung gestellt werden. Es gelten die Kriterien für Neu­anlagen, ausgenommen die Schwelle von 150 kW.

Zu § 27 Abs. 2 und 3:

Die Mittel für mittlere Wasserkraftanlagen werden um 30 Mio Euro erhöht und zugleich die Fördersätze angepasst.

Zu § 27a Abs. 2:

Für Photovoltaikanlagen und Stromspeicher werden zusätzliche Mittel für Investitions­zuschüsse für die Jahre 2020 bis 2022 bereitgestellt. Der Fördersatz für Speicher soll auf 200 Euro pro kWh reduziert werden, um die Fördereffizienz zu erhöhen.

Zu § 23b Abs. 1:

Zum Abbau der bestehenden Warteliste an Windkraftanlagen wird das zusätzliche jähr­liche Unterstützungsvolumen des Jahres 2021 vorgezogen und bereits im Jahr 2020 für zusätzliche Vertragsabschlüsse verwendet.

Zu § 24 Abs. 6 und § 28:


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Bei Investitionszuschüssen für kleine Anlagen soll der Energiebeirat künftig informiert werden, ohne eine Bedachtnahme aufgrund Empfehlungen in jedem Einzelfall vorneh­men zu müssen.

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur Normalität zurück. (Heiterkeit bei Abgeordneten der ÖVP.)

Der Abänderungsantrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Duzdar. – Bitte, Sie haben das Wort.


22.07.40

Abgeordnete Mag. Muna Duzdar (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Zuschauer und Zuschauerinnen (die Rednerin blickt in Richtung Besuchergalerie) – es gibt nur Zuschauer! Werte Kollegen und Kolleginnen! Wenn jun­ge Menschen jeden Freitag auf die Straße gehen und sagen, sie haben dieses Klima­schutzgerede satt, sie möchten endlich Taten sehen, so stellen wir heute als Abgeord­nete unter Beweis, dass wir Taten setzen.

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten haben Ende Juni, vor dem Sommer Klimasofortmaßnahmen präsentiert. Wir wollten eben eine erste Hilfe für den Klima­schutz leisten. (Unruhe im Saal. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.) Wir wollten tun, was wir heute tun, nämlich den Stillstand im Klimaschutzbereich beenden, weil wir gesehen haben, dass in der alten Bundesregierung, in diesen 17 Monaten eben genau ein einziges Gesetz verabschiedet wurde, nämlich das Biomasseförde­rung-Grundsatzgesetz, und sonst keine anderen Energiegesetze auf den Boden ge­bracht wurden.

Eine unserer Klimamaßnahmen heute ist ganz klar der Ausbau von sauberer Energie, von erneuerbarer Energie, von sauberem Strom. Es freut mich ganz besonders, und das meine ich wirklich ernst, dass es gelungen ist, zum Thema Ökostromausbau eine Einigung zwischen allen fünf hier im Parlament vertretenen Parteien zu erzielen.

Wissen Sie, es zeigt mir eines: dass Zusammenarbeit für den Klimaschutz möglich ist und es sich auszahlt, dass wir es schlussendlich nur gemeinsam schaffen, aus der Kli­makrise herauszukommen. Ich möchte Ihnen sagen, dass das Arbeitsklima bei den Verhandlungen, die wir geführt haben, ein sehr, sehr gutes war, und es zeigt, wenn man auf Augenhöhe miteinander umgeht, wenn man in einen Dialog miteinander tritt, wenn man sich die Zeit für die vielen Gespräche nimmt, dass etwas Gutes heraus­kommt. (Beifall bei der SPÖ.)

Mein Dankeschön gilt allen Energiesprechern der Parteien, nämlich Sepp Schellhorn, Axel Kassegger, Bruno Rossmann und auch dir, lieber Josef Lettenbichler. Dir wün­sche ich ganz besonders alles Gute. Ich bedanke mich bei dir auch für die Zusam­menarbeit in den letzten Wochen. Ich hätte mir natürlich gewünscht, dass diese Form der Zusammenarbeit früher begonnen hätte. (Abg. Haubner: ... spät kennengelernt!) Ich wünsche dir auf jeden Fall alles Gute für deinen weiteren Weg!

Was uns heute gelungen ist, ist, dass wir sehr viel mehr sauberen Strom in unsere Netze bringen, mehr saubere Energie aus Wind, aus Wasser und aus der Sonne. Du, Josef, hast diesen großer Schub beim Ausbau der Photovoltaik ja schon angespro­chen. Darauf sind wir besonders stolz, denn wir möchten, dass alle Menschen in un­serem Land von erneuerbarer Energie profitieren und dass es auch in urbanen Räu­men viele Photovoltaikanlagen gibt und nicht nur in Einfamilienhäusern; denn am Ende des Tages sind es alle Stromkunden und Stromkundinnen, die mit ihrer Stromrechnung


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den Ökostrombeitrag und somit den Ausbau erneuerbarer Energie bezahlen. Daher ist das, was wir heute hier beschließen, ein wesentlicher Beitrag zur Bekämpfung der Kli­makrise, denn wer Klimaschutz sagt, muss auch saubere Energie sagen.

Es ist uns Abgeordneten im freien Spiel der Kräfte im Energiebereich mehr gelungen, als der alten türkis-blauen Regierung in 17 Monaten. Sie möchten das nicht hören, aber es ist eine Tatsache, die man den Zuseherinnen und Zusehern nicht verschwei­gen sollte. Damit hat das Parlament den Stillstand beim Klimaschutz beendet. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Eines muss klar sein: Wir sind noch lange nicht am Ziel angelangt, denn unsere nächs­te Etappe wird die Neugestaltung der Förderung von sauberer Energie sein. Da erwar­te ich mir wieder eine gute Zusammenarbeit zwischen den Parteien, einen Schulter­schluss für den Klimaschutz, so wie wir es heute und jetzt vorgezeigt haben.

Uns von der SPÖ ist eines klar, meine sehr geehrten Damen und Herren: Die Energie­wende muss kommen, es gibt dazu keine Alternative. In diesem Zusammenhang ist mir aber eines wichtig, nämlich die gerechte Kostenverteilung der Energiewende. Wir wollen nicht, dass die gesamten Kosten auf die privaten Haushalte abgewälzt werden. Wir sehen im Staat einen wichtigen Innovationsmotor, und das passt mit der Schul­denbremse, die heute beschlossen wurde, überhaupt nicht zusammen, denn eines ist klar: Wir brauchen Geld für den Klimaschutz.

Zum Abschluss, meine sehr verehrten Damen und Herren: Am Sonntag sind Wahlen, und ich bin der Meinung, dass all jene Parteien unterstützt werden sollen, die ei­nen wichtigen Beitrag für den Klimaschutz leisten und auch konkrete Forderungen aufgestellt haben, so wie wir von der Sozialdemokratie, nämlich mit dem 1-2-3-Kli­maticket. Wir wollen eine Öffioffensive. Heute haben wir das mit dem Ausbau sauberer Energie unter Beweis gestellt. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Rossmann.)

22.13


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Kassegger. – Bitte.


22.13.35

Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Jetzt sind wir genau bei dem Tagesordnungspunkt, den ich vorher in meiner Rede kurz angesprochen habe. Jetzt geht es um ganz konkrete Maßnahmen, Gesetze, Aktionen für den Klimaschutz, für eine vernünftige, gut durchdachte Energiepolitik, für eine Transformation in Richtung erneuerbare Energien, weg von den fossilen Energien.

Das ist ein mächtiges Paket, das wir heute im Rahmen einer Novellierung des Öko­stromgesetzes beschließen. Es ist eine Brücke, so steht es auch im Begründungstext, zum Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, das ist klar.

Ich möchte ein bisschen korrigieren, was gesagt wurde, nämlich dass die Regierung in den letzten 17 Monaten untätig gewesen sei. Das stimmt so nicht ganz oder eigentlich gar nicht, denn das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, das ja einen völligen Systemwandel mit sich bringen wird, zum Beispiel hin zu mehr marktkonformem Verhalten und ähn­lichen Dingen, ein Gesetz, das voll im Einklang stehen wird mit den entsprechenden europarechtlichen Vorschriften der Europäischen Union, dieses Gesetz war in den letzten Zügen. Es war der Plan, dieses große Gesetz noch vor dem Sommer in Be­gutachtung zu bringen. Das heißt im Umkehrschluss, die kommende Regierung, wer auch immer dieser angehören wird, dürfte nicht allzu lange brauchen, um das Erneu­erbaren-Ausbau-Gesetz auf Schiene zu bringen. Bis dorthin haben wir jetzt eine


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Brücke beschlossen, nämlich gemeinschaftlich, alle fünf Parteien, als Ergebnis sehr, sehr konstruktiver und fachlich lösungsorientierter Verhandlungen, die sich über den Sommer gezogen haben.

Man kann auf dieses Gesetz, das wir heute beschließen, durchaus stolz sein. Wir reden da immerhin, wie Kollege Lettenbichler schon gesagt hat, von einem Volumen von rund 540 Millionen Euro, die für den deutlichen Ausbau der Windenergie, für den völligen Abbau der Warteschlangen zur Verfügung gestellt werden. Nur zur Erklärung: Warteschlange ist der technische Begriff für bereits genehmigte Projekte, die aber aufgrund nicht zur Verfügung stehender Töpfe nicht sofort gestartet und umgesetzt werden können, sodass man teilweise zwei, drei oder vier Jahre warten muss. Diese Warteschlange hat sich im Windbereich bis zum Jahr 2024 gezogen. Da gelingt es uns jetzt, diese bis zum Ende des Jahres 2020 völlig abzubauen, dasselbe bei der Klein­wasserkraft, auch da wird die Warteschlange völlig abgebaut.

Wir haben natürlich auch geschaut, dass die Nachfolgetarife für die Biomasse sicher­gestellt sind. Ebenso ist es auch beim Biogas, wo ja in nächster Zeit oder in den nächs­ten Jahren große Aufgaben auf den Biogassektor warten, wenn es nämlich darum geht, wirklich Biogas herzustellen und dann ins Gasnetz einzuspeisen und nicht zu ver­stromen, wie es derzeit mit Masse getätigt wird.

Im Bereich Photovoltaik haben wir einen riesigen Schub. Da geht es um 36 Millionen Euro jährlich für Photovoltaikanlagen und Speicher. Das ist eine mehr als Verdop­pelung der bisherigen Zahl, und zwar für die nächsten drei Jahre, in Summe 108 Mil­lionen Euro. Das ist also ein mächtiges Paket, wo sehr, sehr viel Geld aufgestellt wird, das aber, das muss man auch dazusagen, von jemandem zu bezahlen ist.

Das Ökostromregime ist ja ein budgetneutrales, sich selbst finanzierendes Regime, wie Kollegin Duzdar schon angesprochen hat. Das ist auch eine Sache, auf die wir Frei­heitlichen immer schauen, nämlich im Sinne einer Ausgewogenheit: Umstieg auf Er­neuerbare und Pushen des Ökostroms durchaus, aber nicht in perpetuum, nicht ohne Grenzen. Wir müssen auch bedenken, dass das jemand bezahlen muss, nämlich die sogenannten Endverbraucher, Haushalte, aber auch Gewerbe und Industrie, und da ist es doch Voraussetzung verantwortungsvoller Politik, dass die Kosten nicht explodie­ren.

Summa summarum denke ich, ist hier ein sehr, sehr gutes Paket, eine Brücke zum Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, gelungen, welches heute beschlossen wird. Auch mein Dank gilt allen Energiesprechern der Parlamentsparteien. Mein besonderer Dank gilt Kollegen Josef Lettenbichler. – Lieber Josef! Es war mir eine Freude und Ehre, mit dir zusammenzuarbeiten, auch in der Regierungskonstellation als Energiesprecher der ÖVP und FPÖ. Es war immer ein sehr, sehr konstruktives, korrektes, freundschaftli­ches Verhältnis, das wir gepflegt haben. Ich wünsche dir für deinen weiteren Lebens­weg außerhalb der hohen Politik alles, alles Gute, sowohl beruflich als auch privat! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

22.18


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Schellhorn. – Bitte.


22.18.58

Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Herr Präsident! Geschätzte Frau Minister! Lieber Josef! Auch ich möchte dir meinen Dank aussprechen! Du warst einer der we­nigen, mit dem man immer auf Augenhöhe sprechen konnte. Wir haben nie gestritten, was mit mir eigentlich sowieso fast unmöglich ist. Es waren Seppen-Treffen auf Sep­pen-Ebene. (Allgemeine Heiterkeit.) Ich wünsche dir alles Gute! Es war eine Freude, mit dir zusammenzuarbeiten, und wir werden uns irgendwann einmal wieder treffen.


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Trotz dieser verschiedenen Interessen, trotz des Wahlkampfes ist es uns gelungen, hier gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen. Ich bin sehr froh, dass auch NEOS ei­nen kleinen Teil dazu beitragen konnte, dass wir einen Allparteienantrag mit auf Schie­ne gebracht haben, in dem es um die großen Probleme des Nichtzustandekommens des Gesetzes geht, darum, diese Warteschlange abzubauen. Dass das funktioniert hat und dass wir hier immerhin, glaube ich, 1 000 Megawatt an Mehrleistung in der er­neuerbaren Energie auf Schiene gebracht haben, das ist etwas Gutes.

Daran haben alle einen Anteil, es waren ja nicht wenige Sitzungen, zu denen wir uns über den Sommer getroffen haben. Es waren immer konstruktive Sitzungen, und ich möchte mich auch bei allen Beteiligten, bei der Sektion im Ministerium, aber auch bei der Oemag bedanken, da wir auch die Informationen, die wir benötigt haben, um Ent­scheidungen zu treffen, bekommen haben. Da herrschte absolute Transparenz, und das ist etwas Wichtiges.

Es ist aber auch nicht die Zeit, einander gegenseitig auf die Schultern zu klopfen, son­dern es ist jetzt, nach dem Beschluss, die Zeit, den nächsten Schritt zu machen. Wir haben aber nicht lange Zeit, den nächsten Schritt zu machen, zum Beispiel das ganze nächste Jahr. Wir dürfen die Entscheidungen des kommenden Wahlsonntags auch nicht entsprechend überbewerten, sondern wir haben die große Aufgabe, dieses Ge­setz neu zu schreiben.

Was wir in der Vergangenheit, in den letzten zwei Monaten gemacht haben, soll uns auch ein Beispiel sein – weil dieses Gesetz so wichtig ist, denn es besteht vor allem bei den erneuerbaren Energieträgern die Notwendigkeit, viel aufzuholen. Wir müssen uns für die Diskussion rüsten. Wir dürfen uns eben, wie gesagt, nicht zurücklehnen, wir haben nämlich ganz wichtige Fragen zu klären:

Welche Rolle werden einzelne Technologien im Energiemix spielen? Wie fördern wir am besten und am effizientesten? Wie können wir den Energiemarkt maximal liberali­sieren und möglichst viel Innovation und Unternehmertum entfesseln? Wie können wir gemeinsame Schritte in Richtung dezentralisierte Energiesysteme setzen? Das sind wichtige Fragen, genauso wie: Wie gewährleisten wir die notwendige Leistungs- und Speicherinfrastruktur? Das ist etwas, was wir bis jetzt noch nicht gemacht haben. Und: Wie kann auch die E-Mobilität am besten integriert werden? Wie gewährleisten wir Sektorkopplungen und Effizienz?

Das sind die Fragen, die wir in den nächsten Monaten und im nächsten Jahr auch mit einem neuen Gesetz gemeinsam beantworten müssen, damit die gesetzliche Basis für alle erneuerbaren Energieträger auch über das Jahr 2021 hinaus entsprechend abge­sichert ist.

Wir haben das Bestmögliche gemacht. Wir konnten nicht alle Wünsche erfüllen – Sie können sich vorstellen, welche Interessensgruppen immer wieder mit uns sprechen wollten –, ich kann Ihnen aber versichern: Wir haben gerungen und getan, was wir konnten und haben auch mit den nötigen Kompromissen und mit Wertschätzung das Bestmögliche herausgeholt.

Manche mögen enttäuscht sein, die große Aufgabe liegt aber jetzt im Jahr 2020. Die­ses Gesetz zu schreiben, das ist unser Versprechen, das ist unsere Herausforderung, und dieser Aufgabe müssen wir uns stellen. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Kassegger.)

22.23


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ross­mann. – Bitte. (Ruf bei der ÖVP: ... unnötig, die Rede!)



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22.23.27

Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (JETZT): Herr Präsident! Frau Ministerin! Ho­hes Haus! Ja, im freien Spiel der Kräfte haben wir noch etwas Erstaunliches zusam­mengebracht. In konstruktiven Gesprächen mit allen Fraktionen haben wir ein Öko­strompaket, 540 Millionen Euro schwer, auf die Reise schicken können – ich hoffe, es wird hier heute auch beschlossen werden –, und wir haben da etwas geschafft, was Frau Ministerin außer Dienst Köstinger in eineinhalb Jahren nicht zuwege gebracht hat. Sie hat sich zu sehr in die Biomasseförderung verbissen und hat vergessen, die Vor­bereitungen für ein Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz zu intensivieren. (Zwischenruf des Abg. Schmuckenschlager.)

Jetzt aber bewirbt sie unsere Einigung, jene, die wir zustande gebracht haben, in der Hinsicht, dass sie sagt, es war ein Meilenstein. (Zwischenruf des Abg. Sieber.) – Sie war aber bei den Verhandlungen gar nicht dabei, das möchte ich schon anmerken. Das waren Verhandlungen, die die Umweltsprecher der fünf Fraktionen geführt haben. Das Klima war sehr gut.

Ich bin froh, dass es zu dieser Einigung gekommen ist, weil es eben ein Schub für die erneuerbare Energie sein wird. Mir war in diesen Verhandlungen wichtig, dass fertig entwickelte Projekte realisiert werden können. Das war das eine, und das andere war, dass es keine Förderungen für neue Biomasseanlagen gibt.

Aber auch, wenn dieses Paket heute beschlossen wird, möchte ich freilich schon noch anmerken, dass das nicht genug ist. Das ist noch nicht das Ende der Fahnenstange! Diesem Kompromiss muss in der kommenden Legislaturperiode rasch ein umfas­sendes Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz folgen. – Vielen Dank. (Beifall der Abgeordneten Zinggl, Krainer und Kassegger. – Abg. Sieber: Pfiat di!)

22.25


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Köstin­ger. – Bitte.


22.25.16

Abgeordnete Elisabeth Köstinger (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich verrate kein Geheimnis, wenn ich jetzt sage, dass ich lieber heute hier sein würde, um über das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz zu reden. Wir haben in den letzten eineinhalb Jahren sehr hart daran gearbeitet, einen gesetzlichen Rah­men dafür vorzubereiten, wie uns die radikale Energiewende in Österreich gelingen wird. Wir haben uns dem Ziel verpflichtet, Strom zu 100 Prozent aus erneuerbarer Energie zu produzieren. Dieses Ziel werden wir mit aller Kraft weiterverfolgen, weil vor allem dieser Umbau des Energiesystems – fossile Energie raus, erneuerbare rein – die sinnvollste und beste Maßnahme für aktiven Klimaschutz darstellt.

Wenn heute Frau Abgeordnete Duzdar und jetzt auch Herr Abgeordneter Rossmann davon gesprochen haben, dass wir zu langsam waren, darf ich trotzdem noch einmal darauf verweisen, dass die letzte Ökostromnovelle aus rein parteipolitischem Kalkül abgelehnt wurde. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir hatten eine Verfassungsmehrheit in diesem Haus. Ich darf mich auch noch einmal ganz herzlich für die konstruktive Zusammenarbeit bei den NEOS bedanken, denen es nicht um Ideologie gegangen ist, sondern darum, dass bestehende effiziente Biomas­sekraftwerke, die in Gemeinden für Strom- und Wärmeversorgung sorgen und die eben vom Auslaufen eines Tarifs betroffen waren, trotzdem weiter verlängert werden, damit sie am Netz bleiben und damit nicht der Fall eintritt, den wir beispielsweise in St. Andrä im Lavanttal zurzeit erleben: Das Biomassekraftwerk ist vom Netz gegangen, 30 Mitar­beiter wurden deswegen gekündigt und mittlerweile verfeuert dieses Kraftwerk Heiz-


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öl. – Wenn das ein Beitrag zum Klimaschutz ist, dann, das muss ich ganz ehrlich sa­gen, verstehe ich die Welt nicht mehr.

Wir haben wirklich mit aller Kraft versucht, Nachfolgelösungen für Biomasseheizwerke zu finden, vor allem auch regional Energie zu nutzen und diese eben auch entspre­chend sicherzustellen. Wir haben eine unglaubliche Schadholzsituation in Österreich. Das war von mir kein Verbeißen in die Biomasse, sondern das war konstruktive Politik mit sehr viel Hausverstand (Zwischenruf der Abg. Duzdar), und vor allem darum geht es uns auch in der Volkspartei. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich freue mich wirklich sehr, dass es gelungen ist, diesbezüglich eine Fünfparteieneini­gung zustande zu bringen, weil sie absolut richtig und sinnvoll ist. Dieser Rückstau be­treffend den Ausbau der erneuerbaren Energie, der durch die Abwahl der Regierung entstanden ist, hat uns massiv behindert. Wir werden, sofern wir wieder einer neuen Bundesregierung angehören, als erste Maßnahme das eigentlich fertige Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz in Begutachtung bringen.

Ich bin überzeugt davon, dass wir als eines der ersten Länder – und da können wir wirklich Vorreiter sein – 100 Prozent des Bedarfs aus erneuerbarer Energie produzie­ren können, und das gänzlich ohne Kohlekraft – es wird heuer das letzte Kohlekraft­werk in Österreich geschlossen werden – und vor allem auch gänzlich ohne Atomkraft. Das ist etwas, auf das wir stolz sein können und das wir weiter massiv verfolgen kön­nen. (Beifall bei der ÖVP.)

Zu guter Letzt, meine sehr geehrten Damen und Herren, darf auch ich mich bei Josef Lettenbichler für seinen wirklich maßgeblichen Einsatz bedanken. Es war immer eine Freude, mit ihm zusammenzuarbeiten, sein Tiroler Schmäh wird uns an allen Ecken und Enden fehlen. Lieber Josef: Alles, alles Gute! Wir freuen uns, wenn wir uns wie­dersehen! Ich danke dir. (Beifall bei der ÖVP.)

22.29


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Koll­ross. – Bitte.


22.29.18

Abgeordneter Andreas Kollross (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Kolleginnen und Kollegen! Ja, es ist ein guter Tag für den Klimaschutz, da heute hier ein Allpar­teiengesetz beschlossen wird, das vor allen Dingen den Bereich der erneuerbaren Energie in Österreich ausbaut.

Kollege Lettenbichler hat mit Sicherheit recht, wenn er sagt, man sollte diesen Ge­setzentwurf nicht zerreden; ich würde dem hier gerne nachkommen, aber ich muss trotzdem ein paar Anmerkungen machen, vor allem auch aufgrund der Ausführungen meiner Vorrednerin, weil ich es schon ein Stück weit als Chuzpe betrachte, wenn zu­erst einmal 17 Monate nichts getan wird (Ah-Rufe bei der ÖVP), ein Rückstau produ­ziert und dann gesagt wird, die Abwahl der Regierung führe zu Rückstau. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Noll.) Das halte ich wirklich für eine Chuzpe. (Zwischenrufe der Abgeordneten Strasser und Zarits.) – Ich weiß eh, dass ihr da gleich nervös wer­det. (Ruf bei der ÖVP: ... lächerlich!) – Ja, ich weiß eh, dass es für euch lächerlich ist.

Ich möchte es euch anhand eines Beispiels erzählen, nämlich anhand meiner Gemein­de: Ich bin ein Betroffener dieser Untätigkeit. (Zwischenruf des Abg. Haubner. – Wei­tere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich bin ein Betroffener dessen, dass die Frau Minis­terin nichts getan hat; in meiner Gemeinde stehen noch immer keine Windräder.

Ich habe im Jahr 2014 alles gemacht, was man in einer Windraddebatte braucht. (Abg. Köstinger: 2014?! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich habe sogar eine Volks­befragung gemacht, habe geschaut, ob das gebaut werden kann oder nicht; dann ha-


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ben wir alle möglichen Dinge erledigt, Umweltverträglichkeitsprüfung, Einsprüche bear­beitet und so weiter und so fort. Seit 2017 könnten wir die Windräder bauen, können sie aber in Wirklichkeit nicht bauen, weil es dieses Gesetz nicht gibt. (Zwischenruf des Abg. Kassegger.) Es haben dann verschiedenste Betreiber die Frau Ministerin – ehe­malige Ministerin – darauf aufmerksam gemacht (Zwischenruf des Abg. Hammer): Na, aber hallo, wir könnten ja trotzdem schon Windräder bauen, auch wenn es noch kein neues Ökostromgesetz gibt (Zwischenruf der Abg. Köstinger), und zwar aufgrund des­sen, weil man die unterschiedlichen Gesetzesmaterien unterschiedlich bewertet; wir könnten zumindest 25 Windräder pro Jahr bauen, wenn wir das Ökostromgesetz an­ders bewerten! Da haben Sie mehrere Mails von Betreibern bekommen, Sie haben es aber nicht einmal der Mühe wert gefunden, diese zu beantworten. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Wir haben uns im Umweltausschuss einmal darüber unterhalten, aber auch da hat sich nichts getan.

Natürlich ist es aber positiv, mit diesem neuen Gesetz kann jetzt der gesamte Rück­stau endlich abgearbeitet werden. Hoffentlich bekommt auch meine Gemeinde jetzt ihre Windräder. In Summe geht es um 176 Windräder; dieser Rückstau soll jetzt abge­baut werden (Zwischenrufe der Abgeordneten Haubner und Zarits), sodass diese Windräder errichtet werden können. In Summe können damit 380 000 Haushalte be­dient werden, und das ist prinzipiell natürlich eine positive Sache.

Ich darf nun noch folgenden Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger, Mag. Bruno Rossmann, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „dringende Finanzierung des Gewässerschutzes“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus und der Bundesminister für Fi­nanzen werden aufgefordert, umgehend die nötigen finanziellen Mittel für die Förde­rung gewässerökologischer Maßnahmen, wie sie im 2. Nationalen Gewässerbewirt­schaftungsplan vorgesehen sind, bereitzustellen.“

*****

Abschließend: Es hat sich eines wieder gezeigt: Die beste Klimapolitik gibt es dann, wenn die ÖVP nicht in der Regierung ist. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haubner: Viel heiße Luft ...! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

22.33

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger, Mag. Muna Duzdar, Mag. Bruno Rossmann

Kolleginnen und Kollegen

betreffend dringende Finanzierung des Gewässerschutzes

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 14, Antrag der Abgeordneten Elisabeth Kös­tinger, MMMag. Dr. Axel Kassegger, Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ökostromgesetz 2012 (ÖSG 2012) geändert wird (966/A)


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Österreichs Gewässer sind zwar sauberer als im europäischen Durchschnitt, dennoch sind laut einem Bericht der Europäischen Umweltagentur rund 60 Prozent der Fließ­gewässer in keinem guten ökologischen Zustand, wie es die Richtlinie vorsieht1.

Die Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 23.10.
2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Be­reich der Wasserpolitik (EU-WRRL) fordert bis spätestens 2027 die Herstellung des gu­ten Zustands in allen Gewässern der Gemeinschaft.

Zur Behebung der in Österreich bestehenden hydromorphologischen Defizite und zur Sicherung oder Wiederherstellung eines guten Zustandes der Oberflächengewässer sollte daher eine Fortschreibung der Förderung für Maßnahmen zur Verbesserung des ökologischen Zustandes der Gewässer im Rahmen der Wasserwirtschaftsförderung des Umweltförderungsgesetzes (UFG) auch für die Dauer des 2. Nationalen Gewäs­serbewirtschaftungsplans vorgesehen werden. Damit können beispielsweise bei beste­henden Kleinwasserkraftanlangen Maßnahmen zur Verbesserung der Durchgängigkeit gesetzt werden.

Der Zusagerahmen für diese Förderschiene über die Periode von 2016 bis 2021 müss­te insgesamt 150 Millionen Euro betragen, wobei die dazu erforderlichen Mittel ebenso wie die Abwicklungskosten ausschließlich aus dem Reinvermögen des Umwelt- und Wasserwirtschaftsfonds zur Verfügung gestellt werden sollen. Ohne die Fortschreibung dieser Förderschiene in der Wasserwirtschaft im dargestellten Ausmaß ist die fristge­rechte Umsetzung der nationalen bzw. EU-rechtlichen Vorgaben nicht möglich.

Die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus hat es – entgegen anderslau­tender Ankündigung im Bundesvoranschlag 2018 - bislang unterlassen, für die nötige Bereitstellung der Fördermittel zu sorgen.

Quelle: Bundesfinanzgesetz 2018, Anlage I, S. 483

Zuletzt hat auch der Rechnungshof in seinem Bericht „Ökologisierung Fließgewässer, zweite Sanierungsperiode“ (Reihe BUNDE 2019/19) auf diesen Umstand hingewiesen: „Bei Fortbestehen dieses Widerspruchs [die fehlende Finanzierung; Anm.] wird nach Ansicht des RH die Zielerreichung auch bis 2027, dem letzten möglichen Zeitpunkt, nicht möglich sein.“

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden


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Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus und der Bundesminister für Fi­nanzen werden aufgefordert, umgehend die nötigen finanziellen Mittel für die Förde­rung gewässerökologischer Maßnahmen, wie sie im 2. Nationalen Gewässerbewirt­schaftungsplan vorgesehen sind, bereitzustellen.“

1            Siehe auch: Bundesministeriums für Nachhaltigkeit und Tourismus: Wasserland Österreich, 2018

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, aus­reichend unterstützt und steht damit mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Stark. – Bitte. (Abg. Haubner: Endlich Kompetenz!)


22.33.36

Abgeordneter Christoph Stark (ÖVP): Herr Präsident! Frau Ministerin! Liebe Kolle­ginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Kollege Kollross, es ist schon spannend: 2014 bis 2017 war die SPÖ – und damit auch du – in der Regierung (Zwi­schenruf der Abg. Duzdar – weitere Zwischenrufe bei der SPÖ); ich schätze einmal, du warst einfach zu langsam, um deinen Antrag durchzubringen; aber das soll sich jetzt ja ändern, nicht? (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich finde es nur be­dauerlich, dass man auch bei einem sehr positiven Thema den Wahlkampf nicht drau­ßen lassen kann und er hereinschwappen muss; aber es soll so sein.

Ich möchte, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, bei Kollegen Lettenbichler anschlie­ßen, nicht was seine Abschiedsrede anlangt, sondern bei seinem Einstieg. Er hat am Beginn seiner Rede gesagt, das sei heute ein Freudentag – dem schließe ich mich vollinhaltlich an (Zwischenrufe bei der SPÖ): Es ist ein Freudentag, weil uns heute wirklich etwas gelingt. Ich war vor Kurzem in einer Diskussion mit rund 70 Schülerinnen und Schülern des BG/BRG Gleisdorf, und in dieser Diskussion hat man zu jeder Zeit gemerkt, welches Thema in der Prioritätenliste der jungen Menschen ganz oben steht: Das ist der Klimaschutz; und die jungen Menschen erwarten von uns, dass wir konkre­te Maßnahmen setzen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass ich heute dabei sein kann und darf, wenn es zu einem Allparteienbeschluss kommt, der etwas in die konkrete Umset­zung bringt. Wir schaffen heute wirklich einen neuen Maßstab in Sachen Klimaschutz und erneuerbarer Energie, und ich bin wirklich froh, hier dabei sein zu können. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Zahlen wurden genannt: Die Windkraft profitiert am meisten, aber auch die Bio­masse und die Photovoltaik. Lassen Sie mich die Zahlen an zwei Beispielen festma­chen! Was bedeutet der Ausbau der Photovoltaik, liebe Kolleginnen und Kollegen? – Durch die Fördermittel gelingt es beziehungsweise kann es gelingen, dass wir in Öster­reich pro Jahr – pro Jahr! – Kollektoren auf einer Fläche im Ausmaß von 95 Fußballfel­dern bauen können. 95 Fußballfelder Photovoltaikfläche, das ist ein Riesenschub in Sachen erneuerbarer Energie. Natürlich sollten die Kollektoren auf bereits bestehen­den Dachflächen montiert werden, um nicht unnötig Boden zu versiegeln. Ich freue mich aber, der jungen Generation sagen zu können: Liebe Leute, schaut her, da pas­siert ganz konkret etwas! (Beifall bei der ÖVP.)


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Auch bei der Biomasse tut sich etwas, es ist bereits erwähnt worden; auch in meinem Bezirk gibt es ein Biogaskraftwerk, das vor dem Aus gestanden wäre. Dieses Werk wird jetzt weitergeführt, und das ist nicht nur ein Signal in Sachen erneuerbarer Energie, das ist auch ein Signal in Sachen Regionalität, weil diese Energie regional er­zeugt wird und regional Haushalte und Menschen versorgt. Liebe Kolleginnen und Kol­legen, das ist ein hocherfreulicher Tag und eine hocherfreuliche Maßnahme.

Ich möchte mich an dieser Stelle aber auch noch einmal bei Josef Lettenbichler bedan­ken, der da, glaube ich, viel Herzblut hineingelegt hat, aber auch bei Elisabeth Köstin­ger, die in den 17 Monaten als Ministerin wichtige Weichen gestellt hat. Liebe Elisa­beth, ich hoffe, dass wir diese Weichen ab dem 29. September weiter stellen können und das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz dann raschest über die Bühne bringen werden. Ich freue mich, wenn auch da alle Parteien zustimmen werden. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

22.37


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist die Frau Bundesministe­rin. – Sie haben das Wort.


22.37.18

Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Dipl.-Ing. Maria Patek, MBA: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Hohes Haus! Der UN-Klimagipfel stand unter dem Motto: Handeln und nicht nur reden!, um dem Klimawandel gegenzusteuern.

Eine der wichtigsten Maßnahmen für mehr Klimaschutz ist natürlich der Ausbau erneu­erbarer Energieträger. Nur dann, wenn wir verstärkt auf Erneuerbare setzen und fossile Energieträger zurückdrängen, wird uns die Energiewende gelingen. Dazu braucht es verstärkt Investitionen in nachhaltige Erzeugungstechnologien wie Windkraft, Photovol­taik, Wasserkraft, Biomasse und Biogas. Der Ausbau erneuerbarer Energien im Inland macht uns auch weniger abhängig von Importen aus den Nachbarstaaten, die im Ge­gensatz zu Österreich oftmals auf Kohlestrom und Kernkraft setzen. Zudem schaffen diese Investitionen Wertschöpfung und sichern Arbeitsplätze in Österreich.

Der vorliegende Abänderungsantrag stellt den Willen aller Parteien dar, das Ökostrom­gesetz anzupassen, um weitere Investitionen in Erneuerbare rasch zu ermöglichen. Dieser von allen Parteien gemeinsam erarbeitete Konsens zeigt, dass es allen Parteien ein wichtiges Anliegen ist, erneuerbare Energieträger auszubauen; das freut mich ganz speziell.

Diese Novelle ist ein wesentlicher Schritt für das Vorantreiben des Ausbaus der Erneu­erbaren in Österreich, und daher möchte ich mich ausdrücklich bei allen Abgeordneten aller Fraktionen für die konstruktive, sachliche Zusammenarbeit bedanken.

An dieser Stelle möchte ich mich aber auch ganz herzlich bei meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus der Sektion für Energie und Bergbau bedanken, die den Parlamentariern mit ihrer Expertise und ihren Fachkenntnissen zur Verfügung stan­den. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Kassegger.)

22.39


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Biß­mann. – Bitte.


22.39.25

Abgeordnete Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann (ohne Klubzugehörigkeit): Herr Präsi­dent! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Regierungsvertreter! Ja, dieser All­parteienantrag, dieser umfassende Kompromiss, die kleine Ökostromnovelle, ist wirk-


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lich eine positive Sache, das möchte ich auch festhalten, denn schließlich geht es hier um den Ausbau der erneuerbaren Energie und um Klimaschutz – also super.

Ich möchte gerne nur folgenden Punkt beleuchten: Warum kommt es überhaupt dazu, dass wir jetzt diese Novelle brauchen? – Es geht um eine Warteschlange, die mit die­sem heutigen Beschluss abgebaut wird. Das ist eine Liste aus fertig projektierten und auch projektentwicklungsfinanzierten Ausbauprojekten von Biomasse-, Wind-, Photo­voltaik- und Wasserkraftanlagen.

Es ist sozusagen ein Ökostromwartezimmer, in dem sich diese Projekte seit einiger Zeit befinden. Diese Anlagen sind bis jetzt nicht gebaut worden, obwohl sie fertig ent­wickelt sind, weil sie keine Förderung, keine Oemag-Förderung bekommen, und zwar aufgrund eines Deckels (die Rednerin hält einen weißen Topfdeckel in die Höhe), der 2006 eingeführt worden ist, aufgrund des sogenannten Ökostromdeckels. Er sollte da­mals den Ausbau von Ökostrom eindämmen, und das hat er leider auch erfolgreich ge­tan. Im Jahr 2002 wurde die Ökostromförderung in Österreich eingeführt – das aller­wichtigste Klimaschutzinstrumentarium! –, damals aber noch ohne Deckel.

Von 2002 bis 2006 wuchs der Ökostromausbau in Österreich exponentiell. Dann ka­men die Sozialpartner und wollten einen Deckel (die Rednerin hält den weißen Topf­deckel erneut in die Höhe) beim Ausbau von Ökostrom, mit dem Argument: Wir schüt­zen die Stromendkunden vor hohen Strompreisen. Ja, das war schon vor einigen Jahren, 2006. Heute müssen wir uns fragen: Wer schützt denn die Stromkunden vor den Folgen des Klimawandels und vor dessen Folgekosten? Und wer schützt unsere Volkswirtschaft vor den Folgen? Also dieser Deckel hätte wirklich schon längst abge­schafft gehört, werte Damen und Herren!

Heute würde es nämlich bei der Abschaffung des Deckels nur zu minimalen Preis­steigerungen bei der Energie kommen, weil diese Erneuerbaren-Energieanlagen mitt­lerweile echt profitabel geworden sind. Damals wurde sogar eine von Greenpeace durchgeführte Umfrage ignoriert, dass der Großteil der ÖVP-Wähler gegen den Deckel war. Die ÖVP-Wähler waren damals für einen ungebremsten Ökostromausbau, und ich bin überzeugt davon, das sind sie auch heute noch.

Durch das Warteschlangenproblem sind wir mit dem Ausbau eben nicht vorangekom­men. Diese 70 Prozent Ökostromanteil, auf die wir in Österreich so stolz sind und die auch euer Spitzenkandidat Sebastian Kurz mittlerweile ganz stolz in Fernsehinterviews erwähnt, sind seit 25 Jahren unverändert. Warum? – Weil der zusätzliche Ausbau von Ökostrom einfach durch die Zunahme des Energieverbrauchs aufkonsumiert wird.

Im Schnitt wurden in den letzten Jahren 0,7 Terawattstunden pro Jahr ausgebaut, wir bräuchten aber 4,5 Terawattstunden pro Jahr – das liegt fast eine Zehnerpotenz darun­ter, was beschämend ist.

Wir müssen anziehen, wir müssen beim Ökostromausbau wirklich Gas geben, damit wir die 100 Prozent Ökostromanteil am Stromverbrauch bis 2030 erreichen, wie es in der #mission 2030 ja festgeschrieben ist.

Mein Schlussappell heute – ich höre jetzt nämlich wirklich auf zu reden – an die zu­künftigen Mitglieder des Energieausschusses und an die zukünftige Umwelt- oder Kli­maministerin: Bitte sorgt dafür, dass das zukünftige Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, das jetzt schon kräftig im Ministerium vorbereitet wird, ohne Ökostrombremse ausformuliert wird, dass es effizient und effektiv ist, damit wir mit voller Schubkraft für ein nachhal­tiges Energiesystem sorgen. (Abg. Wöginger: Wenn es eh schon so ein tolles Gesetz ist, was denn noch? Das ist ein super Gesetz! Alles auf einmal geht nicht! Rom haben sie auch nicht an einem Tag gebaut! Jetzt haben wir eh schon so ein tolles Gesetz ge­baut!) – Ja, eh. Ich sage ja nur, wie es besser geht (erheitert) – es ist eh super! (Abg. Wöginger: Ja, aber das bringen wir heute nicht mehr alles unter, es ist drei viertel elf!)


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Es ist ein Schlussappell an zukünftige Energieausschussmitglieder. Seien Sie mir gnä­dig, ich gehe jetzt eh schon! Danke  auf Wiederschauen! (Demonstrativer Beifall bei der ÖVP.)

22.44

22.44.11


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist damit geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den im Antrag 966/A der Abgeordneten Köstin­ger, Kassegger, Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen enthaltenen Gesetzentwurf.

Hiezu liegt ein gesamtändernder Abänderungsantrag der Abgeordneten Köstinger, Duzdar, Kassegger, Schellhorn, Rossmann, Kolleginnen und Kollegen vor.

Ich werde daher sogleich über den vorliegenden Gesetzentwurf in der Fassung des ge­samtändernden Abänderungsantrages abstimmen lassen.

Da der soeben erwähnte gesamtändernde Abänderungsantrag Verfassungsbestim­mungen enthält, stelle ich zunächst im Sinne des § 82 Abs. 2 Z 1 der Geschäftsord­nung die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorge­sehenen Anzahl der Abgeordneten fest. – Diese ist erreicht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich für den vorliegenden Gesetzentwurf in der Fassung des gesamtändernden Abänderungsantrages der Abgeordneten wie bereits erwähnt aussprechen, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Wer auch in dritter Lesung dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist wiederum einstimmig. Damit ist der Entwurf auch in der dritten Lesung angenommen. – Gratu­liere! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.)

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Feichtinger, Rossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „dringende Fi­nanzierung des Gewässerschutzes“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung – sobald Sie alle auf den Plätzen sind. – Das ist einstimmig angenommen. (E 142)

22.46.0915. Punkt

Bundesgesetz, mit dem das Wehrgesetz 2001, das Heeresdisziplinargesetz 2014, das Heeresgebührengesetz 2001, das Auslandseinsatzgesetz 2001, das Militär­befugnisgesetz, das Sperrgebietsgesetz 2002, das Munitionslagergesetz 2003, das Militärauszeichnungsgesetz 2002, das Verwundetenmedaillengesetz und das Truppenaufenthaltsgesetz geändert werden (Wehrrechtsänderungsgesetz 2019 – WRÄG 2019) (509 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Nun gelangen wir zu Tagesordnungspunkt 15. Hinsichtlich dieser Regierungsvorlage wurde dem Landesverteidigungsausschuss eine Frist zur Berichterstattung bis zum 24. September gesetzt.

Ein Wunsch auf eine mündliche Berichterstattung im Sinne des § 44 Abs. 4 der Ge­schäftsordnung liegt nicht vor.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Plessl. – Bitte, Sie haben das Wort.


22.46.49

Abgeordneter Rudolf Plessl (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bun­desregierung! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Geschätzte Kolleginnen und


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Kollegen! Beim Wehrrechtsänderungsgesetz hat sich vom ersten Entwurf bis zu jenem Entwurf, der jetzt zur Beschlussfassung vorliegt, doch einiges verändert, vor allem im Bereich des Datenschutzrates. Wir werden diesem Gesetz aber trotzdem nicht zustim­men, und ich möchte das in der Folge begründen.

Wir hatten unter den Wehrsprechern vereinbart, dass wir, da diese Materie – das Wehrrechtsänderungsgesetz – eine sehr umfassende ist, auch im Ausschuss eine ent­sprechende Diskussion durchführen. Am 27.2. wurde diese wichtige Gesetzesmaterie dem Landesverteidigungsausschuss zugewiesen, kam aber nie auf eine Tagesord­nung.

Ich möchte noch festhalten, dass am 5.3. eine Sitzung des Landesverteidigungsaus­schusses stattgefunden hat. Die Sitzung am 4.6. wurde einvernehmlich abgesagt und nicht durchgeführt. Wir haben also keine Möglichkeit mehr gehabt, diesen Antrag in ei­ner Ausschusssitzung zu behandeln, stattdessen, meine sehr geehrten Damen und Herren, hat diese schwarz/türkis-blaue Regierung diese Gesetzesmaterie in der Ple­narsitzung vom 3.7. für eine Beschlussfassung auf Schiene gebracht.

Ich finde es nicht in Ordnung, dass es, wenn man vorher vereinbart, dass man eine umfassende Diskussion durchführen muss, vor allem im Rechtsschutzbereich – stärke­re Kontrolle, parlamentarische Mitwirkung, was uns Sozialdemokraten wirklich sehr am Herzen liegt –, dann keine Diskussion gibt und auch keine geben kann, weil von den zwei ehemaligen Regierungsparteien auch keine Ambitionen vorhanden waren, eine Ausschusssitzung durchzuführen und diese Diskussion nachzuholen.

Betreffend die Rechtsschutzbeauftragten möchte ich noch festhalten – das haben wir heute schon bei einem anderen Punkt diskutiert –, dass wir das Budget in diesem Be­reich herausnehmen und zum Beispiel dem Parlament zuordnen sollten, aber es macht keinen Sinn, dass der entsprechende Minister das Budget der Rechtsschutzbeauf­tragten zur Verfügung stellt.

Zusätzlich haben wir bei den Rechtsschutzbeauftragten das Problem, dass sie auf der einen Seite für die Genehmigung von Anordnungen und Durchführungen zuständig sind, auf der anderen Seite aber die Kontrolle dessen, was sie damals genehmigt ha­ben, durchführen und uns in den geheimen Ausschüssen die Berichte vorlegen. Das ist nicht mehr zeitgemäß, das gehört adaptiert.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, zum Schluss noch Folgendes: Gerade im Be­reich BVT hat sich gezeigt, dass wir die Funktion der Rechtsschutzbeauftragten neu aufsetzen müssen und die rechtliche Kontrolle entsprechend adaptieren müssen, weil gerade bei der Hausdurchsuchung, die im BVT durchgeführt worden ist – man muss dazu auch wissen, dass der Rechtsschutzbeauftragte auch für die Löschung von Daten und die Einhaltung der Pflicht zur Löschung von Daten zuständig ist –, der Rechts­schutzbeauftragte nicht einmal befasst worden ist. Das ist auch ein Versäumnis gewe­sen, und deswegen: Zurück an den Start!

Ich stelle hier den Antrag auf Rückverweisung gemäß § 53 Abs. 6 Z 2 GOG: Die unter­zeichnenden Abgeordneten beantragen, das Bundesgesetz, mit dem das Wehrgesetz, das Heeresdisziplinargesetz, das Heeresgebührengesetz, das Auslandseinsatzgesetz, das Militärbefugnisgesetz, das Sperrgebietsgesetz, das Munitionslagergesetz, das Mili­tärauszeichnungsgesetz, das Verwundetenmedaillengesetz und das Truppenaufent­haltsgesetz geändert werden, nochmals an den zuständigen Ausschuss zu verwei­sen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Hoyos-Trauttmansdorff.)

22.50


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ham­mer. – Bitte.



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22.50.26

Abgeordneter Mag. Michael Hammer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Bundesministerin! Geschätzte Damen und Herren! Hohes Haus! Ja, wir beschließen unter diesem Tagesordnungspunkt heute einige Anpassungen und Verbesserungen des Wehrrechts, um vor allem betreffend aktuelle Einsatzgebiete, aber auch Bedrohungslagen entsprechend reagieren zu können.

Sehr geschätzter Kollege Plessl, ein bisschen muss ich schon über die Begründung schmunzeln, warum wir das heute hier beschließen. Ich glaube, gerade die SPÖ war ja in den letzten Wochen dabei, einer Vielzahl von Anträgen eine Frist zu setzen, bei der es keine Begutachtung gegeben hat, bei der es keine Ausschüsse gegeben hat. (Abg. Plessl: ... das ist ein Unterschied!) Jetzt schiebt man das vor und sagt bei einem Ge­setz, das damals schon in der Regierung beschlossen wurde, das begutachtet wurde, in das viele Stellungnahmen eingearbeitet wurden: Wir wollen das rückverweisen!

Ich glaube, man sollte auch in Vorwahlzeiten bei Dingen, bei denen man inhaltlich da­hinterstehen kann, zustimmen und nicht irgendwelche Nebelgranaten zünden. Ich glau­be, wir sind uns in der Sache einig, und es hätte nichts dagegengesprochen, das mit großer Mehrheit zu beschließen. Wir nehmen zur Kenntnis, dass es nicht so ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Was ist der konkrete Inhalt dieses Gesetzes, dieser Änderungen? – Ich glaube, wir schaffen einige ganz wesentliche Rechtsgrundlagen, um die Tätigkeit militärischer Or­gane, vor allem auch mit Auslandsbezug, besserzustellen. Wir haben einfach verschie­dene Operationen, bei denen das notwendig wurde, bei denen die Rechtsgrundlage zu schaffen war. Wir haben auch die Erweiterung bei den Ausübungsmöglichkeiten unmit­telbarer Zwangsgewalt, um vor allem bei Cyberbedrohungen die zulässigen Mittel ein­zusetzen. Ich glaube, gerade in Zeiten wie diesen – und wir haben ja gerade aktuelle Fälle, in denen es Cyberbedrohungen gibt – müssen wir da auch entsprechend reagie­ren. Und auch da finde ich es ein bisschen witzig, dass gerade vonseiten der SPÖ sehr oft geschrien wird: Wir müssen den Bereich der Cyberabwehr, der Cyberdefense aus­bauen! (Zwischenruf des Abg. Plessl), aber wenn man dann die rechtlichen Rahmen­bedingungen dafür schaffen will, dann sind Sie nicht dafür. Auch das ist nicht nachvoll­ziehbar.

Wir bekennen uns sowohl in unserem Regierungsprogramm als auch in unserem Pro­gramm für die nächste Legislaturperiode ganz klar zum Ausbau der Kapazitäten im Be­reich Cybersecurity und Cyberdefense. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir bauen auch die Befugnisse aus, wenn es darum geht, Internetverbindungsdaten entsprechend nutzen zu können. Ich glaube, das ist gerade auch beim Einsatz der mi­litärischen Landesverteidigung entsprechend notwendig.

Ich möchte an dieser Stelle noch einmal hervorheben, dass wir sämtliche Anmerkun­gen, die der Datenschutzrat abgegeben hat, wirklich eingearbeitet haben und uns die­ses Gesetz wirklich sehr gut überlegt und auch auf diese Bedenken Rücksicht genom­men haben.

Ich möchte auch noch auf einen Punkt eingehen, der uns allen, glaube ich, wichtig ist: Alle bekennen sich dazu – und ich halte das für besonders wichtig –, auch die Miliz entsprechend zu stärken. Wir haben in diesem Wehrrechtsänderungsgesetz auch zwei Punkte drinnen, die die Miliz ein bisschen begünstigen und unterstützen: die Verlänge­rung der Möglichkeit, am Ende der Wehrpflicht zu verlängern, und auch die Möglich­keit, auf freiwilliger Basis weitere Milizübungen bis zum dreifachen Ausmaß zu ma­chen – bisher war es das doppelte. Ich glaube, auch das ist ein wichtiges Zeichen für die Miliz.


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Abschließend möchte ich, weil wir am Ende der Gesetzgebungsperiode sind, noch et­was zur generellen Situation des Bundesheers und zur Zukunft sagen. Wir haben ja gerade den Situationsbericht des Bundesministers bekommen. Herr Bundesminister, auch ein Danke dafür, dass dieser fundierte Bericht vorgelegt wurde. Ich glaube, wir alle sollten uns – Wahlkampfzeiten ausblenden! – in der nächsten Gesetzgebungspe­riode, und das Parlament war da immer Vorreiter, gemeinsam dafür einsetzen, dass das Bundesheer finanziell, personell und von den Ressourcen her deutlich besser aus­gestattet wird.

Die Bekenntnisse aller Parteien liegen derzeit vor, und ich glaube, es liegt an uns, das wirklich in die Tat umzusetzen. Das österreichische Bundesheer, die Landesverteidi­gung und die Sicherheit der Österreicherinnen und Österreicher brauchen das. Ich glaube, wir sollten da wirklich gemeinsam vorangehen. Die ÖVP wird da ein verlässli­cher Partner des österreichischen Bundesheers sein. – Danke sehr. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Plessl: Die FPÖ hat nicht geklatscht!)

22.54


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Hoyos-Trauttmansdorff. – Bitte.


22.54.37

Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS): Herr Präsident! Herr Minis­ter! Frau Ministerin! Hohes Haus! Ich möchte vorweg dem Herrn Bundesminister sehr für seine Arbeit in den letzten Wochen danken, insbesondere was dieses Weißbuch betrifft – es hat jetzt am Ende des Tages nicht diesen Titel bekommen, aber ich glaube, das sind sehr wichtige Schritte.

Wir haben schon seit Monaten, wenn nicht sogar Jahren, eigentlich schon die ganze Amtszeit der letzten Regierung hindurch, immer wieder darauf hingewiesen, dass es wichtig wäre, dass das österreichische Bundesheer wirklich die Mittel bekommt, die es braucht, und dass man hier auch eine Basis braucht, um diese Entscheidungen treffen zu können. Ich bin sehr glücklich, dass das endlich gelungen ist, und möchte Ihnen, Herr Minister, und dem gesamten Team sehr dafür danken, dass Sie sich hier so ein­gesetzt haben, dass das möglich geworden ist.

Das Thema Wehrrechtsänderungsgesetz ist ein Konglomerat aus ganz vielen Themen, bei sehr vielen, die wir durchaus wichtig finden, stimmen wir auch zu. Allerdings muss man schon sagen – Kollege Plessl hat es vorhin angesprochen –, der ganze Prozess, der hier wieder stattgefunden hat, ist schon zu hinterfragen. Wir haben mehrfach, auf­grund von verschiedenen Angelegenheiten, darum gebeten, dass wir eine Ausschuss­sitzung abhalten, auch eine des Unterausschusses, gerade auch zum Zustand des ös­terreichischen Bundesheers, und es wurde leider immer von insbesondere zwei Par­teien, nämlich von den ehemaligen Regierungsparteien, den Ibizaparteien (Ruf bei der ÖVP: Hö!), abgelehnt.

Das finde ich schon sehr tragisch und auch nicht nachhaltig gut für das österreichische Bundesheer, denn genau diese Debatte, die Sie vorhin angesprochen haben, und insbesondere die Beurteilungen des Datenschutzrates wären Dinge gewesen, die man sich auch ernsthaft gemeinsam anschauen kann. Genau so, wie es bei anderen Mate­rien auch passiert ist, zum Beispiel beim letzten Tagesordnungspunkt, hätte man zu­sammenarbeiten und genau das machen können, was das österreichische Bundesheer jetzt braucht, nämlich parteiübergreifend zusammenzuarbeiten und endlich Lösungen zu suchen und hier nicht nur einen Kleinkrieg zu führen. (Abg. Deimek: Ich glaube, das ist dem Bundesheer ziemlich wurscht, ob die NEOS dabei sind oder nicht!)

Das hätte man hier machen können, aber das haben leider insbesondere ÖVP und FPÖ auch in diesem Punkt nicht gemacht. Das zieht sich übrigens durch die ganze


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letzte Regierungsperiode, gerade was das Thema Bundesheer betrifft, denn das öster­reichische Bundesheer steht auch so schlecht da, wie es aktuell dasteht, weil Sie in den letzten zwei Jahren einfach zu wenig gemacht haben. Das muss man auch offen und ehrlich ansprechen dürfen. (Abg. Deimek: Genau, in den letzten zwei Jahren wur­de es krankgespart! Hoyos, du ...!)

Das, was Sie jetzt gemacht haben, ist, schnell, schnell über Fristsetzungsanträge Aus­schüsse zu umgehen. Zack, zack, zack – ich weiß, die FPÖ hat da Erfahrung gesam­melt und sagt das sehr, sehr gerne; anscheinend macht die ÖVP jetzt auch mit. Ich finde, das ist zum Nachteil des österreichischen Bundesheers und nicht sehr erfreulich, und daher können wir heute hier leider auch nicht mitgehen. (Beifall bei den NEOS.)

22.57


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Bösch. – Bitte.


22.57.10

Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminis­ter! Meine Damen und Herren! Wir sind uns einig darüber, dass das österreichische Bundesheer die Unterstützung des österreichischen Nationalrates braucht. Die finan­zielle Not desselben wurde uns vor Augen geführt: durch die Appelle des Bundesminis­ters Kunasek, des Generalstabchefs und des Bundesministers Starlinger, durch die Vorlage dieses Weißbuchs, das den Zustand des österreichischen Bundesheers unge­schminkt vor Augen führt.

Wir brauchen nicht nur mehr Finanzmittel für die österreichische Landesverteidigung – und dazu hat der österreichische Nationalrat auch mit Mehrheit einen entsprechenden Entschließungsantrag gefasst (Abg. Plessl: Aber ohne Diskussion!) –, sondern wir brauchen auch eine Modernisierung des Rahmens, in dem das österreichische Bun­desheer tätig ist. Dem dient das heutige Wehrrechtsänderungsgesetz, das wir mit Mehrheit beschließen werden. Auf die einzelnen Punkte gehe ich nicht mehr ein, die Vorredner haben das schon getan.

Ich erlaube mir, einen Abänderungsantrag der Abgeordneten Dr. Bösch, Mag. Ham­mer und Kollegen einzubringen, der verteilt worden ist. (Abg. Leichtfried: Ist der wie­der handschriftlich?) Ich erläutere ihn in den Grundzügen.

In diesem Abänderungsantrag geht es vor allem um die Miliz und eine Stärkung ihrer Tätigkeit. Es geht um die Rolle von Frauen in den Miliztätigkeiten. Es geht um die Ein­richtung einer unabhängigen Bundesdisziplinarbehörde. Wir haben auch noch Inhalte im Bereich des Datenschutzgesetzes und vor allem auch im Bereich der Datensicher­heit in diesem Abänderungsantrag drinnen.

*****

Ich danke sehr. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

22.59

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Bösch, Mag. Hammer

und Kollegen

zur Regierungsvorlage betreffend den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Wehrgesetz 2001, das Heeresdisziplinargesetz 2014, das Heeresgebührenge-


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setz 2001, das Auslandseinsatzgesetz 2001, das Militärbefugnisgesetz, das Sperrge­bietsgesetz 2002, das Munitionslagergesetz 2003, das Militärauszeichnungsge­setz 2002, das Verwundetenmedaillengesetz und das Truppenaufenthaltsgesetz geän­dert werden (Wehrrechtsänderungsgesetz 2019 – WRÄG 2019)

(509 BlgNR, XXVI.GP)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Die im Titel genannte Regierungsvorlage wird wie folgt geändert:

1. Art. 1 Z 4 (neu) lautet:

»4. § 2 Abs. 3 letzter Satz lautet:

„Dazu gehören auch sämtliche Planungs-, Übungs- und Ausbildungsmaßnahmen für Einsätze nach Abs. 1.“«

2. Im Art. 1 wird nach der Z 8 folgende Z 8a eingefügt:

»8a. Dem § 10 wird folgender Abs. 3 angefügt:

„(3) Für Personen nach Abs. 1 und 2 kann der Bundesminister für Landesverteidigung das Ende der Wehrpflicht aus wichtigen militärischen Interessen und mit Zustimmung des Betroffenen durch Bescheid aufschieben. Ein solcher Aufschub darf jeweils für ein Jahr und insgesamt höchstens für fünf hintereinander folgende Jahre ausgesprochen werden.“«

3. Im Art. 1 wird nach der Z 10 folgende Z 10a eingefügt:

»10a. Im § 21 Abs. 1 wird das Wort „doppelten“ durch das Wort „dreifachen“ ersetzt.

4. Im Art. 1 wird nach der Z 26 folgende Z 26a eingefügt:

»26a. Im § 55a Abs. 1 Z 1 wird nach dem Wort “Geburtsdatum“ das Wort samt Satz­zeichen “, Lichtbild“ eingefügt.«

5. Im Art. 1 Z 28 werden im § 60 Abs. 2q die Zitierung „§ 10 Abs. 1“ durch die Zitierung „§ 10 Abs. 1 und 3“ sowie das Inkrafttretensdatum „1. Juli 2019“ durch das Inkrafttre­tensdatum „1. Dezember 2019“ ersetzt.

6. Im Art. 1 Z 29 wird im § 60 Abs. 13 das Außerkrafttretensdatum „30. Juni 2019“ durch das Außerkrafttretensdatum „30. November 2019“ ersetzt.

7. Art. 2 Z 1 lautet:

»1. Im § 7 Abs. 2 und 5, § 12 Abs. 1, § 13 Abs. 1 und 4, § 34 Abs. 2, § 37, § 44 Abs. 4, § 67 Abs. 1 bis 4, § 75 Abs. 3 und 4 sowie im § 91 entfallen jeweils die Worte „und Sport“.«

8. Art. 2 Z 2 entfällt; die bisherigen Z 3 bis 10 erhalten, in der Reihenfolge gleich­bleibend, die Bezeichnungen „2.“ bis „9.“.

9. Art. 2 Z 8 (neu) lautet:

»8. Im § 89 wird nach Abs. 4 folgender Abs. 4a eingefügt:

„(4a) § 7 Abs. 2 und 5, § 12 Abs. 1, § 13 Abs. 1 und 4, § 34 Abs. 2, § 37, § 44 Abs. 4, § 50 Abs. 1, § 61 Abs. 1, § 66 Abs. 1a, § 67 Abs. 1 bis 4, § 72 Abs. 4, § 75 Abs. 3 und 4, § 84 sowie § 91, jeweils in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/xxx, tre­ten mit 1. Dezember 2019 in Kraft.“«

10. Im Art. 3 Z 19 wird im § 60 Abs. 2t das Inkrafttretensdatum „1. Juli 2019“ durch das Inkrafttretensdatum „1. Dezember 2019“ ersetzt.

11. Im Art. 3 Z 20 wird im § 60 Abs. 4g das Außerkrafttretensdatum „30. Juni 2019“ durch das Außerkrafttretensdatum „30. November 2019“ ersetzt.


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12. Im Art. 4 wird nach Z 6 folgende Z 6a eingefügt:

»6a. Im § 7 Abs. 2 wird die Wortfolge „von Personen nach Abs. 1“ durch die Wortfolge „von Personen nach § 1“ ersetzt.«

13. Im Art. 4 Z 7 wird in § 11 Abs. 2l das Zitat „§ 7 Abs. 3 und 4“ durch das Zitat „§ 7 Abs. 2 bis 4“ sowie das Inkrafttretensdatum „1. Juli 2019“ durch das Inkrafttretensda­tum „1. Dezember 2019“ ersetzt.

14. Im Art. 4 Z 8 wird im § 12 das Datum „30. Juni 2019“ jeweils durch das Datum „30. November 2019“ ersetzt.

15. Im Art. 5 wird nach der Z 6 folgende Z 6a eingefügt:

»6a. Im § 22 werden nach Abs. 1 folgende Abs. 1a und 1b eingefügt:

„(1a) Personenbezogene Daten sind vor der Verarbeitung auf ihre Erheblichkeit und Richtigkeit zu prüfen sowie während der Verwendung zu aktualisieren. Erweisen sich personenbezogene Daten als unrichtig, so sind diese zu berichtigen oder zu löschen, es sei denn, die Weiterverarbeitung von Falschinformationen ist zur Erfüllung der Auf­gaben der nachrichtendienstlichen Aufklärung oder Abwehr erforderlich. Personenbe­zogene Daten sind zu löschen, wenn sie zur Erfüllung der Aufgaben der nachrichten­dienstlichen Aufklärung oder Abwehr nicht mehr benötigt werden und keine andere ge­setzlich vorgesehene Aufbewahrungspflicht besteht. Soweit personenbezogene Daten nur im Einverständnis mit dem Rechtsschutzbeauftragten verarbeitet werden dürfen, haben militärische Organe und Dienststellen nach Abs. 1 diese Daten einmal jährlich daraufhin zu prüfen, ob ihre Verarbeitung weiterhin erforderlich ist. Sollte eine derartige Überprüfung ergeben, dass diese Verarbeitung nicht mehr erforderlich ist, so sind die­se Daten nach Ablauf von sechs Jahren jedenfalls zu löschen.

(1b) Wird der Betroffene nach Abs. 1 informiert, so sind dessen ermittelten personen­bezogenen Daten unbeschadet von Abs. 1a jedenfalls für sechs Monate ab dieser Information aufzubewahren. Darüber hinaus sind die Daten nicht vor Abschluss eines Rechtsschutzverfahrens zu löschen. Diesfalls sind die Daten für den Zugriff zu sperren und dürfen nur zum Zweck der Information Betroffener oder in einem Rechtsschutz­verfahren verwendet werden.“«

16. Im Art. 5 wird nach der Z 8 folgende Z 8a eingefügt:

»8a. Im § 22 wird nach Abs. 2b folgender Abs. 2c eingefügt:

„(2c) Die Übermittlung der Daten nach Abs. 2a und 2b hat über die zentrale Durch­laufstelle nach §§ 102a bis 102c TKG 2003 zu erfolgen. Für den Rechtsschutzbe­auftragten ist in der Spezifikation zur Durchlaufstelle ein Zugang vorzusehen, der ent­sprechend der Aufgaben des Rechtsschutzbeauftragten einen Zugang zu den Proto­kolldaten oder zur Statistik ermöglicht.“«

17. Im Art. 5 wird nach der Z 11 folgende Z 11a eingefügt:

»11a. Im § 25 Abs. 4 wird nach der Absatzbezeichnung folgender erster Satz ein­gefügt:

„Erweisen sich personenbezogene Daten im Falle einer Übermittlung nach Abs. 1 Z 1 bis 3 im Nachhinein als unvollständig oder unrichtig, so ist unverzüglich nach § 37 Abs. 8 und 9 DSG betreffend Maßnahmen bei unvollständiger oder unrichtiger Daten­übermittlung vorzugehen.“«

18. Art. 5 Z 21 lautet:

»21. Im § 61 wird nach Abs. 1l folgender Abs. 1m eingefügt:

„(1m) Das Inhaltsverzeichnis, § 1 Abs. 2, 7 und 12, § 3 Abs. 3, § 9 Abs. 1, § 10 Abs. 1, § 17, § 22 Abs. 1a und 1b, 2a bis 2c und 3, § 22a, § 24 Abs. 1, § 25 Abs. 1, 3, 4 und 6,


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§ 26 Abs. 2, § 33 Abs. 3, § 43 Abs. 5, § 48 Abs. 2 bis 4, § 54 Abs. 5, § 57 Abs. 1 bis 3 und 5, § 60a sowie § 63, jeweils in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/xxx, treten mit 1. Dezember 2019 in Kraft.“«

19. Im Art. 5 Z 22 wird im § 61 Abs. 3f das Außerkrafttretensdatum „30. Juni 2019“ durch das Außerkrafttretensdatum „30. November 2019“ ersetzt.

20. Im Art. 6 Z 3 wird im § 7 Abs. 8 das Inkrafttretensdatum „1. Juli 2019“ durch das In­krafttretensdatum „1. Dezember 2019“ ersetzt.

21. Im Art. 7 Z 3 wird im § 18 Abs. 8 das Inkrafttretensdatum „1. Juli 2019“ durch das Inkrafttretensdatum „1. Dezember 2019“ ersetzt.

22. Im Art. 8 Z 7 wird im § 18 Abs. 4g das Inkrafttretensdatum „1. Juli 2019“ durch das Inkrafttretensdatum „1. Dezember 2019“ ersetzt.

23. Im Art. 9 Z 3 wird im § 6a Abs. 6 das Inkrafttretensdatum „1. Juli 2019“ durch das Inkrafttretensdatum „1. Dezember 2019“ ersetzt.

24. Im Art. 10 Z 4 wird im § 7 Abs. 4 das Inkrafttretensdatum „1. Juli 2019“ durch das Inkrafttretensdatum „1. Dezember 2019“ ersetzt.

Begründung

Die Miliz ist ein unverzichtbarer Bestandteil des Bundesheeres, und die durch Ange­hörige des Milizstandes eingebrachten zivilen Expertisen stellen nicht nur einen nicht hoch genug einschätzbaren Gewinn für das Bundesheer dar, sondern im Vergleich zu einer Beauftragung Externer auch eine große Kostenersparnis. Im Gegensatz zu Be­rufssoldaten (vgl. § 10 Abs. 2 WG 2001) gibt es bei Angehörigen des Milizstandes der­zeit keine Regelungen hinsichtlich des Endes der Wehrpflicht über das 50. bzw. 65. Le­bensjahr hinaus, womit auch in jenen Fällen, in denen die grundsätzliche Bereitschaft der Betroffenen gegeben wäre, auf die entsprechenden Expertisen im Rahmen einer Wehrdienstleistung nicht mehr zurückgegriffen werden kann. Daher soll mit dem vor­liegenden Entwurf eine Möglichkeit geschaffen werden, in spezifischen Einzelfällen und ausschließlich mit ausdrücklicher Zustimmung der Betroffenen das Ende ihrer jeweils bestehenden Wehrpflicht bescheidmäßig aufzuschieben, womit in diesem spezifischen Einzelfällen die Möglichkeit einer Leistung eines Wehrdienstes über die oben ange­führten Altersgrenzen hinaus gegeben wäre. Im Hinblick auf die Bedeutung dieser An­gelegenheit soll ausschließlich der Bundesminister für Landesverteidigung die in Rede stehende Verlängerung der Wehrpflicht bescheidmäßig verfügen.

Auf Frauen, die vergleichbare Miliztätigkeiten ausüben, sind auf Grund der Bestim­mung des § 39 Abs. 6 des Wehrgesetzes 2001 die für Wehrpflichtige des Milizstandes geltenden bundesrechtlichen Vorschriften anzuwenden. Vor diesem Hintergrund ist ei­ne gesonderte Regelung für die in Betracht kommenden Frauen nicht erforderlich.

Weiters soll in § 55a Abs. 1 WG 2001 ausdrücklich klargestellt werden, dass auch das Lichtbild einer Person zu den Grunddaten zählt und – sofern dies zur jeweiligen Aufga­benerfüllung erforderlich ist (zB Ausstellung von Ausweisen) – entsprechend verarbei­tet werden darf.

Mit der 2. Dienstrechts-Novelle 2019, BGBl. I Nr. 58, wurde eine unabhängige Bun­desdisziplinarbehörde geschaffen. Von dieser Bundesdisziplinarbehörde sollen auch die Aufgaben der Disziplinarkommission nach dem Heeresdisziplinargesetz 2014 (HDG 2014) wahrgenommen werden. Im Artikel 4 der 2. Dienstrechts-Novelle 2019 wurden daher korrespondierende Normen im HDG 2014 angepasst. Aus diesem Grund sind auch entsprechende Formalanpassungen in der ggstl. Regierungsvorlage erfor­derlich.


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Die Verweisungsnorm im § 7 Abs. 2 AuslEG 2001 (Verarbeitung personenbezogener Daten) bezieht sich ausschließlich auf Auslandseinsatzpräsenzdienst leistende Perso­nen und ist daher – insbesondere auf Grund der Möglichkeit, auch im Rahmen eines befristeten Dienstverhältnisses zum Bund in einen Auslandseinsatz entsendet zu wer­den (Auslandseinsatz-VB) – zu eng. Mit der vorgesehenen Adaptierung soll die in Re­de stehende Bestimmung daher auf alle Soldaten im Auslandseinsatz angewendet werden.

Grundsätzlich gilt, dass für jene Aspekte der Datenverarbeitung in militärischen Ange­legenheiten, die im Militärbefugnisgesetz nicht näher geregelt werden, die allgemeinen Bestimmungen des 3. Hauptstück des Datenschutzgesetzes (DSG) Anwendung finden. Dies betrifft insbesondere auch die einschlägigen daten-schutzgesetzlichen Bestim­mungen über das Recht auf Berichtigung und Löschung personenbezogener Daten. Auf Grund der besonderen Sensibilität der Datenverarbeitung zum Zweck der nachrich­tendienstlichen Aufklärung oder Abwehr sollen die in Rede stehenden Grundsätze des Datenschutzgesetzes auch explizit im Militärbefugnisgesetz (§ 22 Abs. 1a und 1b MBG) normiert werden. Die Formulierung orientiert sich weitgehend an den vergleich­baren Bestimmungen in § 12 Abs. 2 und § 13 des Polizeilichen Staatsschutzgesetzes (PStG), BGBl. I Nr. 5/2016, unter Berücksichtigung der materienspezifischen Erforder­nisse der nachrichtendienstlichen Aufklärung oder Abwehr. Im Hinblick auf die Schutz­würdigkeit besonderer personenbezogener Daten, die nur im Einverständnis mit dem Rechtsschutzbeauftragten (d.h. mit ausdrücklicher Zustimmung oder durch Verschwei­gung nach entsprechender Kenntnisnahme durch den Rechtsschutzbeauftragten) er­mittelt werden durften, soll eine besondere Löschungsverpflichtung normiert werden. Diese sieht vor, dass durch periodisch-routinemäßige Überprüfungen die Erforderlich­keit als Kriterium für eine weitere Aufbewahrung von Daten festzustellen ist. Darüber hinaus soll für diesbezügliche Zweifelsfälle eine absolute Löschungsfrist vorgesehen werden. Unbeschadet davon sollen ermittelte personenbezogene Daten weiter aufbe­wahrt werden dürfen, wenn der Betroffene nach § 22 Abs. 1 MBG informiert wurde oder ein Rechtsschutzverfahren anhängig ist.

Im § 25 Abs. 4 MBG soll klargestellt werden, dass bei bestimmten Datenübermitt­lungen die einschlägigen Grundsätze des Datenschutzgesetzes betreffend die Daten­qualität gelten. Dieser Bestimmung orientiert sich an § 56 Abs. 3 des Sicherheitspoli­zeigesetzes (SPG), BGBl. Nr. 566/1991.

Aus Gründen der Datensicherheit soll im Militärbefugnisgesetz eine Bestimmung (§ 22 Abs. 2c MBG) aufgenommen werden, der zu Folge die Übermittlung der Daten von den Betreibern öffentlicher Kommunikationsdienste und sonstigen Diensteanbietern zwin­gend über die „zentrale Durchlaufstelle“ nach dem Telekommunikationsgesetz 2003 (TKG 2003), BGBl. I Nr. 70/2003, zu erfolgen hat. Hiedurch soll auf Grund entspre­chender Verschlüsselungsverfahren ein besonders hohes Maß an Datensicherheit ge­währleistet werden. Die Textierung orientiert sich an die entsprechenden Bestim­mungen in § 102a Abs. 1 und 102b Abs. 5 des Telekommunikationsgesetzes 2003 (TKG 2003), BGBl. I Nr. 70.

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, aus­reichend unterstützt und steht somit mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Reifenberger. – Bitte.


22.59.31

Abgeordneter Ing. Mag. Volker Reifenberger (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Regierungsmitglieder! Hohes Haus! Das Wehrrechtsänderungsgesetz 2019


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enthält einige Verbesserungen im Bereich der Miliz, wie bereits gesagt wurde. Ich er­laube mir aber, zuerst einen einzelnen Punkt aus dieser Sammelnovelle herauszugrei­fen. Es geht da um die Einführung der Auszeichnung Partner des Bundesheers.

Diese Auszeichnung kann an juristische Personen verliehen werden, also zum Beispiel an Unternehmen oder Vereine, die sich durch außergewöhnliche Leistung – zum Bei­spiel durch Wehrpolitik, aber nicht nur – um die militärische Landesverteidigung ent­sprechend verdient gemacht haben und damit einen wertvollen Beitrag auch zur um­fassenden Landesverteidigung leisten.

Warum wollen wir eine solche Auszeichnung einführen? – Der Hintergrund ist, dass Wehrpolitik ein wichtiger Teil der geistigen Landesverteidigung ist. Die geistige Landes­verteidigung ist wiederum ein Teil der umfassenden Landesverteidigung, die leider Gottes in den letzten Jahren ziemlich in Vergessenheit geraten ist. Warum ist die geis­tige Landesverteidigung ausgerechnet für Österreich so besonders wichtig? – Sie ist es nämlich deswegen, weil das Bundesheer gemäß der Bundesverfassung nach den Grundzügen eines Milizsystems einzurichten ist, wovon wir übrigens seit dem damali­gen Verteidigungsminister und nunmehrigen Tiroler Landeshauptmann Günther Platter meilenweit entfernt sind. Wir müssen aber wieder dorthin; und dazu gehört auch die Wiedereinführung verpflichtender Truppenübungen. (Beifall bei der FPÖ.)

Eine der tragenden Säulen des Milizsystems ist eben die geistige Bereitschaft der Bevölkerung zur Mitwirkung an der Gemeinschaftsaufgabe Landesverteidigung. – So weit, so gut.

Wenn es dem Bundesheer schlecht geht, versucht man, die Soldaten mit Auszeichnun­gen, Orden und neuen Uniformen bei Laune zu halten. Die Knackpunkte in der nächs­ten Legislaturperiode werden aber die dringend notwendige Anhebung des Verteidi­gungsbudgets auf 1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und der Wiederaufbau der Miliz werden.

Altkanzler Sebastian Kurz hat im ORF-„Sommergespräch“ leider dezidiert gesagt, dass es im Bereich der Landesverteidigung zu keiner wesentlichen Budgeterhöhung kom­men soll. Ich war fassungslos über dieses öffentliche Bekenntnis, obwohl wir das seit Längerem koalitionsintern gespürt und miterlebt haben. Unser ehemaliger Minister Ma­rio Kunasek hat bei den Budgetverhandlungen mit dem damaligen Finanzminister Lö­ger und dem Regierungskoordinator Blümel unter dieser Einstellung der ÖVP gelitten. (Heiterkeit des Abg. Zarits.) Jetzt hat das aber ÖVP-Obmann Sebastian Kurz persön­lich zum ersten Mal öffentlich gesagt.

Auch die Aussage des Altkanzlers Kurz über die nicht mehr zeitgemäße und angebli­che Ausrichtung unseres Bundesheers auf Panzerschlachten im Weinviertel zeigt ei­nes, nämlich dass Sebastian Kurz nicht die leiseste Ahnung vom Zustand und von den Aufgaben unseres Bundesheers hat. (Beifall bei der FPÖ.)

Der Aufschrei der Offiziersgesellschaft erfolgte zu Recht. Ich zitiere aus deren Presse­aussendung: Sebastian Kurz geht „eine unheilige Allianz mit naiven Pazifisten ein, die die realen Bedrohungen Österreichs ignorieren. Und er nimmt in Kauf, dass unsere Soldaten ihre Gesundheit und ihr Leben aufs Spiel setzen müssen. Verantwortung sieht [...] anders aus.“ (Beifall bei der FPÖ.)

Diesem Zitat ist nichts mehr hinzuzufügen. Strafrechtlich würde man da von einem Do­lus eventualis, von einem bedingten Tatvorsatz sprechen.

Das Bundesheer ist seit langer Zeit finanziell unterdotiert, sodass es jetzt wirklich kurz vor dem Zusammenbruch steht und im Jahr 2021 eigentlich den Konkursantrag stellen müsste. Letzte Woche hat dankenswerterweise Minister Starlinger den Zustandsbericht veröffentlicht und damit ganz klar den Finanzierungsbedarf des Bundesheers aufge-


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zeigt. An einem Budget in Höhe von 1 Prozent des BIPs wird daher kein Weg vorbei­führen. An der Sicherheit darf nicht gespart werden. (Beifall bei der FPÖ.)

Sogar der Bundespräsident und die SPÖ fordern deutlich mehr Geld für das Bundes­heer – und das will wirklich etwas heißen. (Abg. Wöginger: Das ist nichts Neues ...!) Die ÖVP bekennt sich aber nur bei Sonntagsreden zur Landesverteidigung, und wenn es dann wirklich um die ausreichende Finanzierung des Bundesheers geht, dann macht die ÖVP eine 180-Grad-Kehrtwende. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Vereinbarungen, die es im Zuge der Regierungsverhandlungen auf Verhandlungsgruppenebene gegeben hat, welche von ÖVP-Seite übrigens vom nunmehrigen Nationalratspräsidenten Wolf­gang Sobotka getroffen wurden, waren den türkisen Regierungsmitgliedern das Papier nicht wert. Plötzlich hat es dann geheißen: Sobotka ist nicht Teil der Regierung, was der ausmacht, zählt nicht! (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Wöginger: Übertreib es nicht ganz! – Zwischenruf des Abg. Plessl.)

Ich hoffe daher – abschließend – auf ein Umdenken in der ÖVP und ein mit Zahlen hin­terlegtes, klares Bekenntnis zu unserem Bundesheer und zum Milizsystem anstatt ei­nes unverbindlichen, taktischen Wahlkampfgeplänkels. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischen­ruf der Abg. Bayr.)

23.04

23.04.44


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Berichterstatter gemäß § 63 Abs. 3 der Geschäftsordnung ein Schluss­wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 509 der Beilagen.

Zunächst ist über den vorliegenden Rückverweisungsantrag der Abgeordneten Plessl, Kolleginnen und Kollegen abzustimmen.

Ich lasse sogleich darüber abstimmen, den Gesetzentwurf in 509 der Beilagen noch­mals an den Landesverteidigungsausschuss zu verweisen, und ersuche jene Mitglieder des Hohen Hauses, die dafür eintreten, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, ab­gelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 509 der Beilagen.

Hierzu liegt ein Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag der Abgeordneten Bösch, Hammer, Kolleginnen und Kollegen vor.

Ich darf daher zunächst über die vom erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abände­rungsantrag betroffenen Teile und dann über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Wir gelangen also nunmehr zur Abstimmung über den Zusatz- beziehungsweise Abän­derungsantrag der Abgeordneten Bösch, Hammer, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Artikel 1 bis 10.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein zustimmendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit, an­genommen.

Ich darf schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzent­wurfes samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungsvorlage abstimmen lassen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hierfür ihre Zustimmung erteilen, um ein beja­hendes Zeichen. – Danke, das ist mehrheitlich angenommen.

Ich komme zur dritten Lesung.


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Wer auch in dritter Lesung für den vorliegenden Gesetzentwurf ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist wieder die Mehrheit, daher ist der Gesetzentwurf auch in dritter Lesung angenommen.

23.06.4116. Punkt

Antrag der Abgeordneten Philip Kucher, Gabriela Schwarz, Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes­gesetz über die Pharmazeutische Gehaltskasse für Österreich (Gehaltskassenge­setz 2002) geändert wird (936/A)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zu Tagesordnungspunkt 16.

Hinsichtlich dieses Antrages wurde dem Gesundheitsausschuss eine Frist bis 24. Sep­tember 2019 gesetzt.

Ein Wunsch auf eine mündliche Berichterstattung im Sinne des § 44 Abs. 4 der Ge­schäftsordnung liegt nicht vor.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Schwarz. – Bitte.


23.07.13

Abgeordnete Gabriela Schwarz (ÖVP): Sehr verehrter Herr Präsident! Frau Minis­terin! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ich kann es eigentlich relativ kurz und kompakt machen, denn es geht darum, dass wir betonen, dass die öffentlichen Apo­theken in Österreich ein wesentlicher Bestandteil unseres Gesundheitssystems sind. Da geht es einerseits um enormes Fachwissen und andererseits um hohe soziale Kompetenz. Wenn Sie in eine Apotheke gehen, dann wissen Sie, dass Sie gut beraten, gut serviciert sind. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Der Sinn und Zweck, dass wir uns heute auch darum kümmern, dass wir mit der Zeit gehen, ist ganz einfach: Wir wissen, dass die öffentlichen Apotheken wirklich genauso wie wir selbst an der Versorgungssicherheit arbeiten. Sie sind die Drehscheibe, sie sind eine Kompetenzdrehscheibe. Jeder, der in eine Apotheke geht, weiß, dass er bes­tens beraten ist, dass das Fachwissen stimmt und dass es nicht nur an der Formu­lierung liegt: Lesen Sie die Packungsbeilage oder fragen Sie Ihren Arzt oder Apothe­ker!, sondern dass die Beratung schon automatisch passiert und gar nicht erst einge­fordert werden muss. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Wir tragen heute eben dem Wandel, dem alle Berufsgruppen auch im Gesundheitsbe­reich unterworfen sind, Rechnung und stellen den Antrag betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Pharmazeutische Gehaltskasse für Österreich geändert wird. Dies ist ein weiterer kleiner Baustein, damit die öffentlichen Apotheken auch in Zukunft ihre wichtige Aufgabe erfüllen können. Konkret betrifft das die Ände­rung bei der Dotierung von Rücklagen, was Geld frei macht, insbesondere für die Ein­kommen der angestellten Apothekerinnen und Apotheker und den Nachwuchs in die­sem Beruf.

Ich möchte diese Gelegenheit nutzen und mich bei allen, die in den Apotheken arbei­ten – egal ob Apothekerinnen, Apotheker –, herzlich für ihren wichtigen Dienst im Sin­ne der Gesundheit in Österreich bedanken. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP so­wie des Abg. Kaniak.)

23.09


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak. – Bitte.


23.09.14

Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Abgeordnete! Zuseherinnen und Zuseher! Liebe Kolle-


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gin Schwarz, vielen Dank für deine Worte bezüglich der Apotheken sowie für die Aner­kennung und Wertschätzung, die du zum Ausdruck gebracht hast. Das freut mich als selbstständigen Apotheker natürlich ganz besonders. Ich sehe es genauso!

Kommen wir zum vorliegenden Antrag! Wie Kollegin Schwarz schon gesagt hat, liegen zwei Gesetzesänderungen vor. Kurz zusammengefasst geht es um eine Verlagerung der Ermächtigung zum Abschluss von Sonderverträgen in der Pharmazeutischen Ge­haltskasse von den Vorstandsmitgliedern auf die Obleute, damit man bei der Bestel­lung von Personal schneller und flexibler reagieren kann.

Der zweite Punkt betrifft die Reduktion der gesetzlich vorgeschriebenen Rücklagen in der Pharmazeutischen Gehaltskasse, die von einem Mindestwert von zwei Monatsum­lagen bis maximal vier Monatsumlagen auf einen Wert von einer Monatsumlage bezie­hungsweise maximal eineinhalb Monatsumlagen reduziert werden sollen, weil sich he­rausgestellt hat, dass die Rücklagen in der Vergangenheit viel zu hoch waren. (Zwi­schenruf des Abg. Matznetter.)

Mir ist bewusst, dass dies zu dieser späten Stunde eine sehr trockene juristische Ma­terie ist. Es ist aber nun einmal so, dass die öffentlichen Apotheken und auch ihre Standesvertretung, die Österreichische Apothekerkammer, bis ins kleinste Detail ge­setzlich geregelt, um nicht zu sagen, reguliert sind. Nicht immer ist das zum Nutzen der Allgemeinheit und oft ist es auch nicht mehr zeitgemäß. Ich möchte ein paar Beispiele anführen, um das zu verdeutlichen.

In der aktuellen Version des Apothekengesetzes ist zum Beispiel nach wie vor festge­schrieben, dass eine öffentliche Apotheke maximal 48 Stunden pro Woche geöffnet haben darf und tunlichst 2 Stunden Mittagspause halten muss. Es steht noch immer drinnen, dass eine persönliche Zustellung durch den Apotheker auf maximal 6 Kilo­meter Entfernung zu erfolgen hat – aber natürlich erst nach Bewilligung der Landes­stelle der Österreichischen Apothekerkammer. Es steht drinnen, dass eine Filialapo­theke maximal 4 Kilometer vom Hauptsitz der öffentlichen Apotheke entfernt sein darf, was in der Realität bedeutet, dass kaum Filialapotheken eröffnet werden, weil man in der Regel auf 4 Kilometer Entfernung keine zweite Apotheke braucht.

Wir haben in den letzten Jahren auch sehr restriktive Einschränkungen für den Online­handel von öffentlichen Apotheken in Österreich geschaffen, die die österreichischen Apotheken im Vergleich zur internationalen Konkurrenz derart einschränken, dass der Markt inzwischen praktisch ausschließlich ausländischen Versandapotheken gehört.

Viele dieser Punkte sind von der schwarz-blauen Regierung unter Gesundheitsminis­terin Beate Hartinger-Klein in einer Apothekengesetznovelle aufgearbeitet worden. Die­se Apothekengesetznovelle liegt noch immer im Ministerium. Frau Minister Zarfl, ich hoffe, dass Sie die verbleibenden Wochen noch nutzen, um vielleicht in diesem Be­reich auch Initiativen zu setzen, beziehungsweise wird es an der nächsten Gesund­heitsministerin liegen, diese Apothekengesetznovelle endlich ins Laufen zu bringen.

Wir brauchen im Bereich der öffentlichen Versorgung und der Apotheken noch viele weitere Maßnahmen – auch um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir auch eine Anpassung beim Notfallparagrafen im Re­zeptpflichtgesetz benötigen, damit bei nachweislicher Nichtverfügbarkeit von Arzneimit­teln der Patient nicht wieder zum Arzt zurückgeschickt werden muss, sondern der Apotheker unmittelbar die Versorgung aufrechterhalten kann, indem er den Patienten mit einer verfügbaren Alternative aus dem In- oder Ausland versorgt. Diese Maßnahme wurde übrigens in der Vergangenheit bei einem konkreten Fall sowohl vom Gesund­heitsministerium als auch von der Ages aktiv empfohlen, obwohl der gesetzliche Rah­men dafür noch gar nicht da ist.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 319

Auch die Finanzierung der Ages, der Medizinmarktaufsicht, gehört neu geregelt. Der vollkommen unverhältnismäßige Beitrag der öffentlichen Apotheken gehört reduziert und nach dem Verursacherprinzip zum Beispiel auf eine Packungsabgabe im Centbe­reich umgestellt. Damit würde man auch die Finanzierung der Ages langfristig sichern.

Sie sehen, das sind sehr viele juristische Punkte, die aber wichtig für die Versor­gungssicherheit sind und bei denen es in den letzten Monaten leider Gottes zu keiner Einigung zwischen den Parlamentsfraktionen gekommen ist, weswegen wir die ent­sprechenden Anträge hier nicht erfolgreich einbringen konnten.

Deshalb mein Appell an die Gesundheitssprecher der Fraktionen: Liebe Gaby Schwarz, lieber Kollege Kucher – falls er da ist; nein, er ist nicht da (Abg. Leichtfried: Der ist krank!) –, lieber Gerald Loacker, ich ersuche euch alle inständig, bei diesen Themen aufeinander zuzugehen, damit wir in den nächsten Wochen und Monaten zu gemein­samen Anträgen finden. Wir würden damit zu einer deutlichen Verbesserung der Arz­neimittelversorgung der österreichischen Bevölkerung beitragen und zusätzlich das hervorragende System der öffentlichen Apotheken an die aktuellen Erfordernisse an­passen.

Einen kleinen ersten Schritt werden wir heute hier gemeinsam mit dem vorliegenden Gesetzentwurf beschließen. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

23.13

23.13.52


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Damit gelangen wir zur Abstimmung über den im Antrag 936/A der Abgeordneten Philip Kucher, Gabriela Schwarz, Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen ent­haltenen Gesetzentwurf samt Titel und Eingang.

Wer dem die Zustimmung gibt, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist einstimmig an­genommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Wer auch in dritter Lesung dafür ist, den bitte ich um ein bejahendes Zeichen. – Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung einstimmig angenommen.

23.14.3617. Punkt

Antrag der Abgeordneten Josef A. Riemer, Kolleginnen und Kollegen betreffend mehr Tierschutz im Bereich Lebendtiertransporte (945/A)(E)

18. Punkt

Antrag der Abgeordneten Josef A. Riemer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbot der Tötung von männlichen Eintagsküken (946/A)(E)


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungspunkten 17 und 18, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Hinsichtlich dieser Anträge wurde dem Gesundheitsausschuss eine Frist zur Bericht­erstattung bis 24. September 2019 gesetzt.

Es liegt mir kein Wunsch vor, eine mündliche Berichterstattung vorzunehmen.

Erster Redner ist damit Herr Abgeordneter Franz Leonhard Eßl. – Bitte.



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 320

23.15.20

Abgeordneter Franz Leonhard Eßl (ÖVP): Frau Präsidentin! Meine geschätzten Kol­leginnen und Kollegen! Es sind mehrere Punkte, zu denen ich Stellung nehmen möchte.

Der erste Punkt ist der Antrag 945/A(E) der Freiheitlichen Partei betreffend „mehr Tier­schutz im Bereich Lebendtiertransporte“. Dieser Antrag erweckt den Anschein, als ob jeder Tiertransport automatisch mit Tierleid verbunden wäre, was ein schiefes Licht auf die Bäuerinnen und Bauern wirft. Nein, denn es kommt darauf an, wie transportiert wird, und nicht darauf, ob transportiert wird. Kollege Kühberger wird noch genauer auf diesen Antrag eingehen.

Der zweite Punkt bezieht sich auf den freiheitlichen Antrag betreffend „Verbot der Tö­tung von männlichen Eintagsküken“. Ein solches Verbot würde lediglich bewirken, dass in Zukunft alle Küken für die Geflügelhaltung aus dem Ausland kommen. Wir werden dafür eine praxistaugliche Verbesserung vorschlagen.

Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Gesamtändernder Abänderungsantrag

der Abgeordneten Eßl, Kolleginnen und Kollegen betreffend den Entschließungsantrag der Abgeordneten Josef Riemer, Maximilian Linder, Kolleginnen und Kollegen betref­fend „Verbot der Tötung von männlichen Eintagsküken“

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage betreffend ein Verbot des Le­bendschredderns von männlichen Eintagsküken vorzulegen.“

*****

Ziel bleibt es, dass ein Verfahren entwickelt wird, bei dem das Geschlecht der Küken bereits im Ei mit Sicherheit festgestellt werden kann – dann sind wir wirklich einen rie­sengroßen Schritt weiter.

Dritter Punkt: Wir wollen auch eine Verbesserung in der Putenhaltung. (Zwischenruf des Abg. Vogl.) Deshalb bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Eßl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „verbindliche Besatzdich­tenbestimmungen für die Putenmast auf EU-Ebene“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Arbeit und Soziales wird aufgefordert, sich auf EU-Ebene für verbindliche, EU-weit einheitliche Besatzdichtenbestimmungen in der Putenmast, die dem österreichischen Standard entsprechen, einzusetzen.“

*****

Ich glaube, das ist notwendig. Die österreichischen Geflügelhalter leiden unter den un­terschiedlichen Vorschriften und Produktionsbedingungen in der Europäischen Union.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 321

Wenn wir wollen, dass Geflügel auch in der Zukunft aus Österreich kommt, dann müs­sen wir diesem Antrag zustimmen und schauen, dass europaweit Änderungen stattfin­den.

Vierter Punkt: Die FPÖ hat einen Entschließungsantrag betreffend „Alternativen zur be­täubungslosen Ferkelkastration“ eingebracht, der da lautet: „Die Bundesregierung wird – unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der österreichischen Land­wirte – ersucht, Alternativen zur betäubungslosen Ferkelkastration auszuarbeiten und dem Nationalrat vorzuschlagen.“

Da stellt sich für mich natürlich die Frage, was berechtigte Interessen der Bäuerinnen und Bauern sind. Da wir heute vonseiten der FPÖ erlebt haben, dass sie dafür ge­stimmt hat, dass ungestraft in Ställe eingedrungen werden darf, befürchte ich natürlich hinsichtlich der Auslegung dieses Passus Schlimmes für die Zukunft.

Hand aufs Herz, Herr Kollege Riemer: Nach Alternativen zur betäubungslosen Ferkel­kastration wird unter Einbindung von Experten und Praktikern eigentlich schon lange Zeit geforscht, und das wird auch weiterhin mit Nachdruck geschehen. Deshalb halte ich diesen Antrag für nicht notwendig.

Abschließend möchte ich noch feststellen, dass wir heute bei diesem Tagesordnungs­punkt sehr viel über die landwirtschaftliche Tierhaltung reden, weswegen ich schon festhalten möchte: Die ÖVP will, dass es den Tieren gut geht. Das spreche ich auch den anderen Parteien nicht ab, aber die ÖVP ist die einzige Partei, die auch will, dass es den Tierhaltern, in diesem Fall den Bäuerinnen und Bauern, gut geht. (Beifall bei der ÖVP.)

Von der SPÖ wissen wir, dass sie darauf keinen großen Wert legt. Leider hat heute auch die FPÖ klar zum Ausdruck gebracht, dass ihr die Bäuerinnen und Bauern ziem­lich egal sind. (Zwischenruf des Abg. Vogl.)

Deshalb gibt es eigentlich nur eine Antwort: Am Sonntag Kurz-ÖVP wählen gehen. (Beifall bei der ÖVP.)

23.20

Die Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Gesamtändernder Abänderungsantrag

der Abgeordneten Eßl, Kolleginnen und Kollegen,

betreffend dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Josef Riemer, Maximilian Lin­der, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbot der Tötung von männlichen Eintags­küken (946/A(E))

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Entschließungsantrag der Abgeordneten Josef Riemer, Maximilian Linder, Kol­leginnen und Kollegen betreffend Verbot der Tötung von männlichen Eintagsküken (946/A(E)) lautet zur Gänze wie folgt:

Österreich ist ein Musterland in Sachen Tierschutz. Strengste gesetzliche Bestimmun­gen sichern das Wohl der in unserem Land gehaltenen Tiere. Die heimischen Bäue­rinnen und Bauern bewirtschaften ihre Betriebe unter hohen agrarischen Standards, besonders auch jene, die in der Geflügelbranche verankert sind. Die Landwirte sind bereit, sich im Bereich des Tierschutzes weiter zu verbessern, jedoch unter der Vo­raussetzung der Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit und des Vorliegens leistbarer und


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 322

praxistauglicher Produktionsverfahren. Die Tötung männlicher Küken etwa ist ein an­schauliches Beispiel, wie schwierig die Entwicklung solch adäquater und tauglicher Verfahren ist. Für die Umsetzung der nationalen Programme zur Salmonellenbekämp­fung ist es aber notwendig die der Jung- und Legehennenhaltung vorgelagerten Stufen der Elterntierhaltung und der Brütereien in Österreich zu erhalten. Durch die Betreu­ungsmaßnahmen des österreichischen Geflügelgesundheitsdienstes QGV, auf allen Produktionsstufen, besonders aber von der Elterntierhaltung zur Bruteierproduktion, gehören österreichische Konsumeier aus Sicht der Lebensmittelsicherheit nachweislich zu den EU weit sichersten Eiern.

Der österreichischen Geflügelwirtschaft ist bewusst, dass die Tötung von männlichen Küken aus tier-ethischer Sicht ein ernst zu nehmendes Problem darstellt und deshalb Konsumenten besorgt sind. Die Wissenschaft arbeitet bereits seit einiger Zeit an Lö­sungen, etwa um das Geschlecht im Ei zu identifizieren, bevor ein Küken entsteht. Ein mögliches Verfahren beruht auf der Spektroskopie, ein anderes auf der Bestimmung von Hormonen. Die Branche forscht international nach praxistauglichen, großtechnisch funktionierenden Methoden zur Früherkennung des Geschlechts im Brutei um mög­lichst bald Eier aus diesem Programm am Markt anbieten können. Es ist absehbar, dass in näherer Zukunft eine solche Geschlechtsbestimmung im Ei möglich sein wird. Bei einem sofortigen gänzlichen Tötungsverbot männlicher Küken wären die Brutbe­triebe allerdings gezwungen, zunächst mit hohem Aufwand eine Aufzucht der männ­lichen Küken zu ermöglichen, um dann voraussichtlich wenig später ein Verfahren zur Geschlechtsbestimmung im Ei einzurichten. Die Vermeidung einer solchen doppelten Umstellung ist in Anbetracht der besonderen Umstände ein vernünftiger Grund für die vorübergehende Fortsetzung der bisherigen Praxis. (siehe auch deutsche Rechtspre­chung BVerwG 3 C 28.16 - Urteil vom 13. Juni 2019). Konsumenten können in der Zwi­schenzeit jedenfalls auf Eier aus der Bio Haltung zurückgreifen.

Offen ist die Frage, wer die erheblichen Mehrkosten tragen wird. Faktum ist, dass selbst wenn der Lebensmitteleinzelhandel (LEH) nach einer erfolgreichen Umstellung weiterhin nur österr. Frischeier aus einem solchen Programm kauft und bereit wäre die Mehrkosten zu tragen, so ist der Anteil der in Österreich als Frischeier im LEH ver­kauften Eier nur ca. 34%. Die gesamtösterreichische Selbstversorgung bei Eiern be­trägt allerdings 87%. Der Rest der nicht über den LEH verkauften Eier werden über die Gastronomie, die Direktvermarktung, die Hotellerie und die Lebensmittelindustrie ver­kauft, wo Mehrkosten mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht mitgetragen werden, zu­mal in diesen Absatzkanälen Kennzeichnungen für Konsumenten (u.a. hinsichtlich Hal­tungsform und Herkunft) bislang nicht vorgesehen sind. Eine zusätzliche Kostenbelas­tung bzw. Preiserhöhung bei österreichischen Eiern, besonders an den letztgenannten Märkten im Außer Haus Verzehr, führen, ohne entsprechende Kennzeichnung, dazu, dass in Österreich noch mehr Eier aus Haltungsformen verkauft werden, die aus einer Tierhaltung stammen, die nicht den Vorgaben des Österreichischen Bundestierschutz­gesetz entspricht. Österreich verbietet per Ende 2019 als erstes Land in der EU auch die Haltung von Legehennen im „Ausgestalteten Käfig“ und ist damit Vorreiter und Wegweiser im Bereich einer tiergerechten Geflügelhaltung in der Europäischen Union aber auch weltweit betrachtet.

Das österreichische Tierschutzrecht sieht weiters die Erlaubnis der Tötung von Futter­tieren vor. Männliche Küken werden in Österreich zu 100% an Greifvogelstationen und Zoos innerhalb Österreichs abgegeben und stellen für die Tiere eine wichtige, qualitativ hochwertige und kostengünstige Futterquelle dar. Auch in Zukunft soll dieser Bedarf an Futtertieren aus heimischer Erzeugung und nicht durch Importe aus Drittstaaten be­dient werden.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 323

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage betreffend ein Verbot des Le­bendschredderns von männlichen Eintagsküken vorzulegen.“

*****

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Eßl, Kolleginnen und Kollegen

betreffend verbindliche Besatzdichtenbestimmungen für die Putenmast auf EU-Ebene

Eingebracht zu: TOP 18 - Antrag 946/A(E) der Abg. Josef A. Riemer betr. Verbot der Tötung von männlichen Eintagsküken

Die österreichischen Tierschutzbestimmungen und Branchenstandards gehören zu den strengsten der Welt. Die Arbeit der österreichischen Bäuerinnen und Bauern steht aber auch in einem globalen Kontext. Die Märkte und Warenströme werden offener. Die Ge­flügelfleischerzeugung in Österreich muss auch in Zukunft in der Lage sein, im globa­len Wettbewerb zu bestehen.

Gerade im Bereich der Putenmast gibt es Handlungsbedarf. Die österreichische Puten­produktion ist traditionell bäuerlich organisiert. Die Betriebsgrößen sind im internatio­nalen Vergleich gering, eine industrielle Tierhaltung existiert nicht.

Die für die Betreuung der Tiere zuständigen Personen müssen über eine landwirt­schaftliche oder nutztierhaltungsbezogene Ausbildung verfügen. Dabei ist ein nach­weisbarer Erwerb von speziellen Kenntnissen und Fähigkeiten der Geflügelhaltung vonnöten. Außerdem haben diese Personen regelmäßig, mindestens jedoch alle vier Jahre, an einer Schulung über aktuelle Entwicklungen in der Geflügelhaltung teilzuneh­men. Die Teilnahme an der Schulung ist verpflichtend nachzuweisen.

Die österreichischen Putenbetriebe setzen auf eine ausschließlich gentechnikfreie Fütterung. In Österreich wird ab dem 1. Tag der Mast gentechnikfrei gefüttert. Alle Be­triebe sind AMA Gütesiegel Produzenten und dürfen nur AMA pastuts+ ausgezeichne­te Futtermittlel verwenden.

Die Geflügelfleischerzeugung ist ein durchgängig kontrollierter Prozess: vom Schlupf der Küken über die Haltung bis hin zur Schlachtung und Verarbeitung. Hierbei werden Eigenkontrollen, behördliche Kontrollen sowie unabhängige Kontrollen im Rahmen des AMA Gütesiegels für Qualität und Sicherheit in der Lebensmittelkette vorgenommen.

Jeder Betrieb wird von seinem Betreuungstierarzt regelmäßig besucht. Gemeinsam werden Managementmaßnahmen gesetzt, um die Gesundheit der Tiere sicherzustellen.

Alle österreichischen Putenmäster sind zudem Mitglied bei der QGV – Österreichische Qualitätsgeflügelvereinigung. Diese betreibt die PHD-Dateanbank (poultry health data) und erfasst alle herdenbezogenen Daten zu den Tieren.

Es werden alle Daten über den Betrieb, die Herden und alle Daten über den Gesund­heitszustand, über den Gesundheitszustand, und über medizinische Behandlungen vom Betreuungstierarzt und dem Beschautierarzt des Schlachthofes gesammelt. Somit ist jede Herde lückenlos nachvollziehbar und garantiert somit höchste Lebensmittel­sicherheit.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 324

Kommt es zu einer Erkrankung im Stall, ist nur der Betreuungstierarzt gesetzlich dazu befugt, Arzneimittel zu verschreiben. Aufgrund der guten Haltungsbedingungen konnte der Einsatz von Antibiotika in Österreich in den letzten 6 Jahren um 55 % gesenkt wer­den.

Trotz all dieser Maßnahmen stehen die heimischen Putenmastbetriebe vor wirtschaftli­chen Herausforderungen. Denn in der ganzen EU bestehen keine verbindlichen Be­satzdichtenbestimmungen für die diesen Wirtschaftszweig. Besatzdichten um 70kg entsprechen in der EU der gängigen Praxis. In Deutschland einigte man sich in einer freiwilligen Vereinbarung erneut auf 52 kg/m2 bei weiblichen Tieren und 58kg/m2 bei männlichen Tieren. Die österreichischen Bestimmungen lt. österreichischem Tier­schutzgesetz sehen 40 kg pro Quadratmeter vor. Dadurch ergeben sich auch höhere Produktpreise. Die fehlende Lebensmittelkennzeichnung vor allem in Kantinen und Großküchen trägt dazu bei, dass vor allem günstigeres Putenfleisch aus dem Ausland gekauft wird.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Arbeit und Soziales wird aufgefordert, sich auf EU-Ebene für verbindliche, EU-weit einheitliche Besatzdichtenbestimmungen in der Putenmast, die dem österreichischen Standard entsprechen, einzusetzen.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Beide Anträge sind ordnungsgemäß eingebracht und ste­hen daher auch mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Maurice Androsch. – Bitte.


23.20.16

Abgeordneter Ing. Maurice Androsch (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Eßl, es war jetzt schon spannend, zuzuhören. In den letzten 17 Monaten oder fast 20 Monaten war die ÖVP, wenn es um Tierschutz gegangen ist, nicht Partner in diesem Haus, sondern hat immer wieder blockiert. (Bei­fall bei SPÖ und JETZT.)

Wenn dir die Bauern so am Herzen liegen – und du sagst, man muss mehr für die Hühnerzucht tun und man möchte den Landwirten unter die Arme greifen –, dann frage ich mich, warum zum Beispiel dieser Putenantrag eigentlich erst jetzt von euch kommt. Nachdem wir einen Entschließungsantrag eingebracht haben und ihr das gewusst habt, habt ihr einen gesamtändernden Antrag eingebracht, der in Wirklichkeit alles ver­wässert. So schaut die Realität aus.

Man muss ganz klar sagen: Da hättet ihr schon viel länger aktiv sein können, da hätte die ÖVP schon viel länger tätig sein können. Du sagst, dass die Landwirte arm sind, weil sie dann keine österreichischen Puten mehr verkaufen können. Darauf muss ich dir sagen: Wir haben derzeit eine Eigenbedarfsdeckung von 48 Prozent. Nur 48 Pro­zent von dem, was die Konsumentinnen und Konsumenten wollen, wird aus den hei­mischen Betrieben gedeckt. (Ruf bei der ÖVP: Warum?) – Warum? – Das sage ich euch: Weil ihr euch nicht darum gekümmert habt, dass von der Europäischen Union dafür Sorge getragen wird, dass in den entsprechenden Tierschutzrichtlinien europa-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 325

weit Standards für die Putenhaltung eingebracht werden. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Holzinger-Vogtenhuber.)

Deswegen bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ing. Maurice Androsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ein­führung europaweiter Standards für die Haltung von Puten“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz wird aufgefordert, sich auf europäischer Ebene für gesetzliche Tierschutzrichtlinien einzu­setzen, die einen tierwohlgerechten Mindeststandard bei der Haltung von Puten (Trut­hühnern) einführen, der dem österreichischen Standard entspricht.“

*****

Und der zweite Part, wo man etwas hätte tun können, wären die Wachteln gewesen. Dagegen habt ihr euch auch immer ausgesprochen. Ich kann mich nicht erinnern, dass ihr einmal auf uns zugegangen seid, als wir die Anträge eingebracht haben, um in der Wachtelhaltung etwas zu tun. Das ist der nächste Punkt. Auch da könnt ihr den Bauern unter die Arme greifen, denn dort gibt es auch mangelnde Bestimmungen – aber in Ös­terreich –, und so bringe ich den zweiten Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ing. Maurice Androsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Auf­nahme detaillierter Haltungsbestimmungen für Wachteln in die 1. Tierhaltungsverord­nung“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz wird aufgefordert, detaillierte Regelungen zur Aufzucht und Haltung von Wachteln in die 1. Tierhaltungsverordnung aufzunehmen.“

*****

Das sind wichtige Punkte, da kann man den Landwirten unter die Arme greifen. Dort kann man gute Qualität erzeugen.

Was das Thema dieses Kükenschredderns betrifft: Das ist aus meiner Sicht ein reiner Fake-Antrag, weil er sich eben nicht damit auseinandersetzt, dass es zukünftig zu al­ternativen Methoden kommt, weil es eben nicht dazu kommt, dass man sich dafür ein­setzt, dass die Bestimmungen geschaffen werden (Zwischenrufe der Abgeordneten Berlakovich und Strasser), dass man frühzeitig, bevor die Küken ausgebrütet sind, ihr Geschlecht bestimmen kann, anstatt dass sie dann im Alter von einem Tag, von zwei oder drei Tagen getötet werden. Das wäre der richtige Ansatz, und diesen Ansatz ver­folgt die FPÖ in ihrem Antrag, daher werden wir diesem Antrag auch zustimmen. Das ist wesentlich.

Ihr macht zwar Anträge, aber ihr macht 5 Minuten, bevor die Tür zu ist, schnell noch ein paar Anträge und wollt uns dann erklären, am 29. September sollen die Bürgerin­nen und Bürger die ÖVP wählen, weil sie eine Tierschutzpartei ist. Also da macht ihr


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 326

euch nur mehr lächerlich. Die letzten Monate habt ihr euch da nur mehr lächerlich gemacht. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Holzinger-Vogtenhuber. – Abg. Jaro­lim: Ausgezeichnet!)

Zu den Tiertransporten: Ja, da ist einiges gelungen, aber auch nicht mit euch. In der letzten Sitzung ist einiges gelungen. Da haben wir davon gesprochen, dass wir die EU-Lizenzen und die Transportlizenzen den schwarzen Schafen in der Tierhaltung weg­nehmen. Und ja, man muss Tiertransporte reduzieren; das habe ich auch in der letzten Plenarsitzung klargemacht. Ihr habt euch auch gegen einen Reduktionsplan gewehrt, mit Händen und Füßen – und jetzt wird er kommen müssen.

Die schwarzen Schafe beim Tiertransport – und da bin ich bei dir – gehören rausge­holt, deswegen bringe ich einen weiteren Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ing. Maurice Androsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ein­führung von Mindeststrafen im Tiertransportgesetz 2007 (TTG 2007)“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Novelle zum Tiertransportgesetz 2007 (TTG 2007) zur Beschlussfassung vorzulegen, womit Mindeststrafen in § 21 Abs. 1 eingeführt wer­den und § 21 Abs. 4 entfällt, somit der Verstoß jedenfalls anzuzeigen ist.“

*****

Damit kann man genau die, die gegen das Tiertransportgesetz verstoßen, an die Kan­dare nehmen und zur Verantwortung ziehen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ so­wie der Abg. Holzinger-Vogtenhuber.)

23.25

Die Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ing. Maurice Androsch

Kolleginnen und Kollegen

betreffend Einführung europaweiter Standards für die Haltung von Puten

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 18, Antrag der Abgeordneten Josef A. Riemer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbot der Tötung von männlichen Ein­tagsküken, (946/A(E)

Auf Grundlage des Tierschutzgesetzes regelt die 1. Tierhaltungsverordnung die Min­destanforderungen für die Haltung von Nutztieren.

In dieser sind spezielle Regelungen für die Haltung von Puten (Truthühnern) festgelegt. Solche dezidierten Haltungsvorschriften existieren jedoch auf europäischer Ebene nicht. Dies ist aus Tierwohlsicht bedenklich und stellt eine Wettbewerbsverzerrung für die heimische Landwirtschaft dar, die auf dem Rücken der Tiere ausgetragen wird. Die Konsumenten und Konsumentinnen erwarten sich außerdem einen europaweiten Tier­schutzstandard, der zumindest den österreichischen Regelungen entspricht.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 327

Gut zwei Millionen Putenküken werden jedes Jahr in Österreich eingestallt. Die Menge an Fleisch, die später daraus gewonnen wird, deckt den Bedarf der heimischen Kon­sumentinnen und Konsumenten bei Weitem nicht. Zu 48 Prozent versorgte sich Öster­reich im Jahr 2018 selbst mit Putenfleisch (siehe Grüner Bericht 2019, Tabelle 1.5.16). Vor allem im Außer-Haus-Konsum landet kaum heimisches Putenfleisch am Teller.

Die gefertigten Abgeordneten stellen daher den

Antrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz wird aufgefordert, sich auf europäischer Ebene für gesetzliche Tierschutzrichtlinien einzu­setzen, die einen tierwohlgerechten Mindeststandard bei der Haltung von Puten (Trut­hühnern) einführen, der dem österreichischen Standard entspricht.“

*****

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ing. Maurice Androsch

Kollginnen und Kollegen

betreffend Aufnahme detaillierter Haltungsbestimmungen für Wachteln in die 1. Tierhal­tungsverordnung

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 18, Antrag der Abgeordneten Josef A. Rie­mer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbot der Tötung von männlichen Eintags­küken, (946/A(E)

Auf Grundlage des Tierschutzgesetzes regelt die 1. Tierhaltungsverordnung die Min­destanforderungen für die Haltung von Nutztieren.

Mit der Novellierung der 1. Tierhaltungsverordnung im Jahr 2017 wurden Japanwach­teln unter den Begriff „Hausgeflügel“ in Anlage 6 aufgenommen, um dem wachsende Interesse an Fleisch und Eiern dieser Tiere auch aus Tierschutzperspektive gerecht zu werden.

Im Bereich des Vollzugs der 1. Tierhaltungsverordnung, der den Ländern obliegt, hat sich jedoch herausgestellt, dass die getroffene Änderung der Verordnung nicht aus­reicht, um diese Tiere unter einen entsprechenden Schutz zu stellen, da die Erwar­tungshaltung, dass ein Wachtel-Nutztierbetrieb selbstverständlich zusätzlich die Emp­fehlungen des Tierschutzrates zur Legewachtelhaltung, die in den Amtlichen Veterinär­nachrichten veröffentlicht wurde, berücksichtigen wird, nicht in jedem Fall eingetreten ist.

Um diesen Tieren als Nutztieren einen ausreichenden Schutz zu geben, sind daher de­taillierte Regelung zu Aufzucht und Haltung in der 1. Tierhaltungsverordnung aufzuneh­men.

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Antrag

Der Nationalrat wolle beschließen:


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 328

„Die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz wird aufgefordert, detaillierte Regelungen zur Aufzucht und Haltung von Wachteln in die 1. Tierhaltungsverordnung aufzunehmen.“

*****

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ing. Maurice Androsch

Kolleginnen und Kollegen

betreffend Einführung von Mindeststrafen im Tiertransportgesetz 2007 (TTG 2007)

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 17, Antrag der Abgeordneten Josef A. Rie­mer, Kolleginnen und Kollegen betreffend mehr Tierschutz im Bereich Lebendtiertrans­porte (945/A(E))

Medienberichte der letzten Monate haben verstärkt zu einer öffentlichen Diskussion beigetragen, dass bestehende Tiertransportvorschriften zu oft umgangen bzw. nicht eingehalten werden. Die Einführung von Mindeststrafen im Tiertransportgesetz 2007 sollen mithelfen, zu erreichen, dass sich mehr Normadressaten als bisher um die klare Einhaltung der für die transportierten Tiere so wichtigen Vorgaben halten.

Mit der Einführung von Mindeststrafen bei Verwaltungsübertretungen nach § 21 Absatz 1 Tiertransportgesetz 2007 soll eine stärkere generalpräventive Wirkung der Bestim­mungen erreicht werden und somit, dass weniger Tierleid beim Transport von Tieren verursacht wird.

Die gefertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Antrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Novelle zum Tiertransportgesetz 2007 (TTG 2007) zur Beschlussfassung vorzulegen, womit Mindeststrafen in § 21 Abs. 1 eingeführt wer­den und § 21 Abs.4 entfällt, somit der Verstoß jedenfalls anzuzeigen ist.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Die drei Entschließungsanträge sind ordnungsgemäß ein­gebracht und stehen mit in Verhandlung.

Herr Abgeordneter Andreas Kühberger ist nun zu Wort gemeldet. – Bitte. (Abg. Jaro­lim: Tierquälerpartei ÖVP!)


23.25.29

Abgeordneter Andreas Kühberger (ÖVP): Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Minis­terin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Jarolim hat gerade herübergeschrien: die Tierquälerpartei. Sind Sie dann die Partei, die bei Hühnern, bei Puten, bei Rindern eine Eigenversorgung von 0 Prozent will? (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Jarolim: Das kann man mit Herz und Anstand auch machen!)

In einer Fachzeitschrift habe ich vor Kurzem gelesen: 4 Prozent der Bevölkerung verfü­gen über die Grundkenntnisse der landwirtschaftlichen Produktion. Herr Kollege An-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 329

drosch gehört sicher nicht dazu, meine Damen und Herren, denn diese Aussagen, die er getroffen hat, sind genau das, was wir im Tierschutz, im Pflanzenschutz in Öster­reich nicht wollen, weil dann vieles einfach nicht mehr produzierbar ist und dann vom Ausland hereingeholt wird – und das verdanken wir dann Ihnen, Herr Kollege An­drosch, wenn wir diese Politik betreiben. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe der Ab­geordneten Vogl und Androsch.)

Aber jetzt zum Entschließungsantrag 945/A(E) der Freiheitlichen Partei betreffend „mehr Tierschutz im Bereich Lebendtiertransporte“: Herr Kollege Riemer (Zwischenruf der Abg. Holzinger-Vogtenhuber), im ersten Punkt bin ich bei euch, bin ich eurer Mei­nung. Ihr fordert, dass die EU den Export von Schlachttieren in Drittstaaten verbieten soll. – Ja – und ich bin stolz darauf –, Österreich ist ein Vorreiterland, es werden bei uns keine Schlachttiere in Drittstaaten exportiert.

Im zweiten Punkt bin ich nicht mehr so bei euch. Da schreibt ihr, die Ministerin wird aufgefordert, „ein Maßnahmenpaket zur Vermeidung des durch Schlachttiertransporte in Österreich entstehenden Tierleides auszuarbeiten“. Was soll das heißen? Heißt das jetzt wirklich – wie ich es da herauslese –, dass jeder Transport eines Schlachttiers ei­ne Tierquälerei wäre, dass jedem Bauer, der nur zwei Kilometer mit seinem Schlacht­tier zum Schlachthof fährt, unterstellt wird, er sei ein Tierquäler, dass jeder Lkw-Chauf­feur, der einen Transport macht, ein Tierquäler ist?

Ich habe ein Mastschwein zu Hause, fahre 600 Meter zu meinem Bauern, der hat ei­nen zertifizierten Schlachthof, in die Reitingau – bin ich dann Ihnen zufolge auch ein Tierquäler, Herr Kollege Riemer? (Beifall bei der ÖVP.)

Es gibt seit 2005 in der EU eine Verordnung, die Tiertransporte exakt regelt. Wir in Österreich haben sogar noch ein strengeres Gesetz. Wir haben im Jahr 2015 159 000 Kontrollen gehabt. Davon wurden 1 285 beanstandet, das ist 1 Prozent, und davon waren bei 50 Prozent eigentlich nur die Papiere nicht in Ordnung.

Jetzt komme ich zu den Anschuldigungen, wir seien keine Tierschutzpartei. (Zwi­schenruf des Abg. Vogl.) Ich möchte einmal festhalten: Wir sind eine Tierschutzpartei und wir haben diese Gesetze mitbeschlossen. Wir haben auch Landwirte in unserer Partei. Uns ist das Tier sehr viel wert, auch dass es nicht gequält wird. Und jetzt sage ich Ihnen eines: Auch die Lkw-Chauffeure der Tiertransporte müssen auf die Tiere schauen. Die nehmen ein krankes Tier nicht einmal mit. Sie bringen sie zum Schlacht­hof. Es wird unterwegs natürlich getränkt, und eine Einstreu gibt es auch. Beim Schlachthof steht ein Amtstierarzt auf der Rampe, übernimmt dieses Tier, das in Öster­reich eher kurze Wege hat, das heißt, von zehn Tieren sind neun sicher nur kurz un­terwegs, und der Amtstierarzt schaut sich das Tier an. Es kommen nur gesunde Tiere in den Lebensmittelhandel. Das heißt, der Konsument kann sich wirklich darauf verlas­sen, dass da nichts passiert.

Zurück zu den Kollegen von der Freiheitlichen Partei. Wir haben in unserer Regie­rungszeit gute Arbeit geleistet. Darum bin ich jetzt verwundert – was ist mit euch pas­siert? Was ist passiert, dass ihr euch jetzt in eine populistische Ecke verkriecht? Tier­schutz, Pflanzenschutz, bei Stalleinbrüchen seid ihr auch nicht dafür, die Bäuerin soll sich halt schrecken, wenn in der Früh ein Maskierter im Stall steht – ist das wirklich euer Weg? (Abg. Stefan: Na das haben wir schon geklärt, oder?) Was sagt ihr eigent­lich zu euren bäuerlichen Kollegen – es gibt ja auch den einen oder anderen, ab mor­gen wahrscheinlich nicht mehr, blauen Bauern da draußen im Lande –, was sagt ihr zu denen? Betreibt ihr wirklich Dirty Campaigning in der eigenen Interessenvertretung? Ist das eure Arbeit als blaue Vertreter? (Beifall bei der ÖVP.) Vermutlich liegt es an der Frau eures ehemaligen Chefs, die lieber Viecherl streichelt als sich politisch mit diesem Thema auseinanderzusetzen.


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Jetzt komme ich schon zum Schluss, meine Damen und Herren. Das ist der Unter­schied: Wir haben keine populistischen Floskeln, nein, wir stehen hinter unseren bäu­erlichen Familienbetrieben und sind lösungsorientiert. Darum bringe ich folgenden ge­samtändernden Abänderungsantrag ein:

Gesamtändernder Abänderungsantrag

der Abgeordneten Eßl, Kolleginnen und Kollegen betreffend den Entschließungsantrag der Abgeordneten Josef Riemer, Maximilian Linder, Kolleginnen und Kollegen betref­fend „mehr Tierschutz im Bereich Lebendtiertransporte (945/A(E))“

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz wird aufgefordert, sich auf EU-Ebene für die zeitnahe Vorlage einer Überarbeitung der EU-Tiertransportverordnung durch die Europäische Kommission einzusetzen, wobei ein Verbot von Schlachttiertransporten, die zur direkten Schlachtung in Drittstaaten ver­bracht werden, verankert werden soll.“

*****

(Ruf bei der FPÖ: Es gibt keine Tiertransporte in Drittstaaten!)

Es hat sich wieder einmal gezeigt: Der Bauernbund ist die einzige Vereinigung in Ös­terreich, die unsere bäuerlichen Familienbetriebe unterstützt. Darum bitte ich, am Sonn­tag Sebastian Kurz und uns zu unterstützen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

23.31

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Gesamtändernder Abänderungsantrag

der Abgeordneten Eßl, Kolleginnen und Kollegen,

betreffend dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Josef Riemer, Maximilian Lin­der, Kolleginnen und Kollegen, betreffend mehr Tierschutz im Bereich Lebendtiertrans­porte (945/A(E))

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Entschließungsantrag der Abgeordneten Josef Riemer, Maximilian Linder, Kolle­ginnen und Kollegen, betreffend mehr Tierschutz im Bereich Lebendtiertransporte (945/A(E)) lautet zur Gänze wie folgt:

Die Arbeitsteiligkeit in der Landwirtschaft hat zugenommen und wird weiter zunehmen. Damit einhergehen aber auch zunehmende Transport- und Logistikprozesse (u.a. Ver­arbeitung, Schlachtung, Vermarktung). Selbst in der EU bzw. in EU-nahen Regionen (Nordafrika und Naher Osten mit ca. 500 Mio. Einwohnerinnen und Einwohnern) gibt es oft nicht die Möglichkeit einer ausreichenden Selbstversorgung mit Lebensmitteln und Rohstoffen tierischer Herkunft, dies vor allem aus klimatischen Gründen, aufgrund fehlender Ressourcen oder aus politischen Gründen (z.B. fehlende Stabilität, Krieg, mangelnde Infrastruktur).

Die Ausfuhr von Zucht- und Nutzrindern in Regionen ohne ausreichender Eigenversor­gung, kann aus entwicklungshilfepolitischer Sicht eine echte Hilfe und Verbesserung


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der Situation vor Ort herbeiführen. Der Aufbau von Tierbeständen in armen Regionen nach Tierseuchen, Kriegen oder als Basis für funktionierende Versorgungsketten ist al­lerdings nur im Wege von Tiertransporten erreichbar und dann vertretbar, wenn unter wirtschaftlich zumutbaren Kriterien Tierschutzstandards eingehalten werden. Das Ziel ist immer der Erhalt gesunder unverletzter Tiere am Bestimmungsort.

In Österreich gibt es bereits strenge Vorschriften betreffend die Dauer von Tiertrans­porten. Die Regelungen der EU-Tiertransportverordnung lassen längere Transportzei­ten zu und sollen daher in bestimmten Punkten (v.a. im Bereich der Schlachttiertrans­porte) weiterentwickelt werden.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz wird aufgefordert, sich auf EU-Ebene für die zeitnahe Vorlage einer Überarbeitung der EU-Tiertransportverordnung durch die Europäische Kommission einzusetzen, wobei ein Verbot von Schlachttiertransporten, die zur direkten Schlachtung in Drittstaaten ver­bracht werden, verankert werden soll.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Josef Riemer. – Bitte.


23.31.40

Abgeordneter Josef A. Riemer (FPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Bundes­minister! Ja, es ist immer erfreulich, wenn sich die ÖVP ihren Kopf zwischen meinen Ohren zerbricht, das ist immer sehr überraschend.

Zweitens, die Geschichte: Wie kann ich so selektiv lesen? – Diese Anträge haben ja Berechtigung, weil die ÖVP ja selbst, glaube ich, fortschrittlich ist: Sebastian Kurz, ein Mann des Fortschritts, der sagt, wir müssen weiterentwickeln. Ja, der Tierschutz gehört weiterentwickelt. Das ist nicht gegen die Bauern, das ist für die Bauern, das ist für die Konsumenten.

Betreffend eines sind wir uns sicherlich einig: Tierschutz geht uns alle an, und die Kon­sumenten müssen wieder Wertschätzung tierischen Produkten gegenüber lernen. (Bei­fall bei der FPÖ.) Der Philosoph Ludwig Feuerbach, ein Philosoph des 19. Jahrhun­derts, hat gemeint, der Mensch ist, was er isst.

Das ist eine ganz gute Geschichte; das kann man interpretieren, es hedonistisch dar­stellen, das passt ohnedies auch ernährungswissenschaftlich in unsere heutige Zeit.

Ja, für uns ist klar, dass bäuerliche Betriebe etwas sehr Wesentliches sind, und die Re­gionalität ist für uns Freiheitliche etwas sehr Wesentliches. (Oi-Rufe bei der ÖVP.) – Genau: die Regionalität! Nur reden wir nicht, wir praktizieren sie, und Tierschutz gehört dazu. Es hat keinen Sinn, wenn Billa oder andere Supermarktketten mit „Ja! Natürlich“ et cetera Werbung machen. Der Bauernbund soll das gescheiter für die regionalen Be­triebe machen! Da wäre ich auch froh.

Nun aber – die Redezeit ist sehr kurz – zu den Tiertransporten: Wir sind ja nicht aus­einander, man muss nur lesen können, und wie immer gibt es Pro und Kontra. Tier-


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schutz hat keine politische Farbe, da geht es um das Wohl der Tiere, die keine Ware und auch keine Sache sind. (Beifall bei der FPÖ.)

In der EU werden jedes Jahr 360 Millionen Tiere – Schweine, Pferde, Rinder, Ziegen, Schafe – mit Transporten verschoben, 52 Millionen davon über Landesgrenzen hin­weg, manche über acht Stunden. Darum geht es.

Hier, in diesem Antrag – das hätte man vorher lesen sollen, nicht nur die Präambel –, ist von einer Weiterentwicklung, von Besatzdichte in den Wägen die Rede. Kann einer sagen, dass in all den Wägen wirklich eine entsprechende Besatzdichte besteht? Wer von der ÖVP sagt, was ein Acht-Stunden-Ausbildungstag ausmacht? – Acht Stunden – abzüglich Mittagspause, auch Getränkepausen, das macht sechs Stunden –, und der Fahrer hat eine Ausbildung über alles: über die Hygiene, über Notfälle et cetera, und dann macht er einen Kreuzerltest. Ist das die Ausbildung, die wir bei Tiertransporten brauchen? – Nein, da muss mehr her, zeitgemäß! Da sind wir ja in gar keinem Wi­derspruch, denn damit helfen wir ja den Bauern, die froh sind, dass ihre Tiere ohne viel Tierquälerei zum Bestimmungsort transportiert werden. Freunde, so schaut es aus!

Der zweite Punkt ist nur eine kleine Ergänzung. Kükenschreddern gibt es nicht. Das muss man, glaube ich, für alle sagen. Es geht einfach um die Weiternutzung, eine Wei­terentwicklung. Wir wissen, dass heute niemand von der FPÖ will, dass Brütereien ins Ausland gehen, niemand! (Beifall bei der FPÖ.)

Aber man darf sich der neuen Technik nicht widersetzen, ob das heute die In-ovo-Ma­terie ist, oder – und da werden die ÖVP und vielleicht die Biobetriebe einsteigen; die werden da schon Schwierigkeiten haben –: Was ist mit den Bruderhähnen? – Wir wis­sen ja, bei dieser Legerichtlinie, der Hybridisierung und der Mast: Männchen werden getötet. Da gibt es viele Betriebe, die sagen: Nein, ich ziehe die auf bis zu einem Schlachtgewicht von ich weiß nicht wie viel Gramm, und nach 50 Tagen kann man sie schlachten. Da gibt es gewisse Projekte.

Dann gibt es das Zweinutzungshuhn. Das ist eine Vermischung, indem man sagt, man versucht Kreuzungen von Legehybriden mit anderen. Das ist natürlich eine teurere Ge­schichte.

Ein Drittes ist die In-ovo-Erkennung zum Beispiel durch einen Lichteffekt nach vier Ta­gen, sodass man das Geschlecht erkennt.

Das ist in Entwicklung, das wissen wir, aber man soll dem Bundesministerium sagen: Bitte schaut drauf, was wir tun können, damit diese Kükentötung nicht stattfindet! – Das ist eine einfache Geschichte; sie ist nicht gegen die Bauern, sie ist für die Konsumen­ten.

Jeder Österreicher isst 250 Eier pro Jahr. Es ist eine Geschichte, die den Österreicher interessiert, wie ihn auch interessiert, dass der Selbstversorgungsgrad von 85, 87 Pro­zent bewahrt bleibt. Bitte, wer außer die ÖVP - - Nein, nein, da sind schon andere Par­teien auch der Meinung, dass Selbstversorgung ein hohes Gut ist.

Jetzt komme ich dann schon zum letzten Punkt, diesem Entschließungsantrag der Ab­geordneten Josef Riemer, Maximilian Linder betreffend Alternativen zur betäubungslo­sen Ferkelkastration, den ich einbringen will.

Freunde, das ist ein heißes Thema, das nicht nur bei uns, sondern auch in der EU dis­kutiert wird, und wie wir gehört haben: Der Verband österreichischer Schweinebauern hat sich schon für einen Schmerzmittelersatz eingesetzt, um etwas zu unternehmen. Ich glaube, es ist doch ein Gebot der Stunde, dass wir da etwas tun, aber bitte – und jetzt kommt es, damit die ÖVP nicht schon wieder Presseaussendungen macht, alle seien gegen sie – immer unter Wahrung der Interessen und der Rechte der bäuerli­chen Gesellschaft oder der bäuerlichen Betriebe. Das stelle ich über alle Anträge, da-


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mit ja kein Zweifel aufkommt. Weiterentwickeln, bitte, dürfte ja kein Fehler sein, denn sonst führen wir heute immer noch mit dem Eselsfuhrwerk über die Autobahn. Das kann es auch nicht sein.

In diesem Sinne und da dies heute auch mein letzter Tag ist – ich habe keine große Rede –, sage ich allen: Danke schön!, und wünsche mir, dass die Tierschutzsprecher bei manchen Sachen mehr zusammenarbeiten, und wünsche mir vor allem, dass Pro­jekte wie zum Beispiel Tierschutz macht Schule weiter gefördert werden, genauso wie die Schimpansen von Gänserndorf – dass hier also Geld kommt, denn da laufen Pro­jekte aus.

In dem Sinn: Alles für die Tiere!, und in dem Sinn: Ihnen alles Gute für die Zukunft! (Beifall bei der FPÖ.)


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter! Sie müssen den Entschließungsantrag verlesen, sonst ist er nämlich nicht eingebracht. Sie haben nur gesagt, Sie bringen ei­nen ein. Wenn Sie das wollen, müssen Sie den Text jetzt verlesen. – Bitte. (Der Red­ner blättert in seinen Unterlagen.) Wollen Sie den Text haben?


Abgeordneter Josef A. Riemer (fortsetzend): Ich habe ihn schon, ich habe ihn schon. (Unruhe im Saal.) – Bitte Ruhe, das ist ja ein wichtiges Thema.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Josef Riemer, Maximilian Linder, Kolleginnen und Kollegen betref­fend „Alternativen zur betäubungslosen Ferkelkastration“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird – unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der österreichischen Landwirte – ersucht, Alternativen zur betäubungslosen Ferkelkastra­tion auszuarbeiten und dem Nationalrat vorzuschlagen.“

*****

Ich danke für Ihr Entgegenkommen. (Beifall bei der FPÖ.)

23.39

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Josef Riemer, Maximilian Linder, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Alternativen zur betäubungslosen Ferkelkastration

eingebracht in der 89. Sitzung des Nationalrates. XXVI. GP am 25. September 2019 im Zuge der Debatte über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Josef A. Riemer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbot der Tötung von männlichen Eintagsküken (946/A(E))

Österreich nimmt im Bereich des Tierschutzes eine Vorreiterrolle ein. In keinem ande­ren Land gab es in den letzten Jahren dermaßen viele Anpassungen, um das Tierwohl zu verbessern – sei es im allgemeinen Bereich, aber auch speziell im Bereich der Landwirtschaft. Jedoch gibt es nach wie vor Praktiken, die weder zeitgemäß, noch Tierschutzkonform oder aus wirtschaftlichen Gründen nachzuvollziehen sind. Dies be­trifft vor allem die betäubungslose Ferkelkastration und das Töten von männlichen Ein­tagsküken. Aber auch im Bereich der Lebendtiertransporte gibt es Handlungsbedarf.


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Grundsätzlich muss aber festgehalten werden, dass diese Maßnahmen nicht zu Lasten der heimischen Landwirtschaft gehen dürfen. Eine funktionierende Landwirtschaft mit mehr Tierwohl kann nur funktionieren, wenn die Maßnahmen auch praxisorientiert um­setzbar sind und unsere Bäuerinnen und Bauern weiterhin für ihre Arbeit entlohnt wer­den und somit wirtschaftlich rentabel arbeiten können. Denn nur so wird es auf Dauer möglich sein, mehr Tierschutz in der Landwirtschaft zu implementieren und für mehr Tierwohl sorgen zu können, ohne unsere Selbstversorgung dabei zu minimieren.

Betäubungslose Ferkelkastration

Die betäubungslose Ferkelkastration ist sehr umstritten und trotz zahlreicher Studien kann nicht belegt werden, ob die Vornahme der Kastration ohne Betäubung tierschutz­konform ist oder nicht.

Schon im Arbeitsplan Tierschutz 2014-2018 der Tierschutzkommission, der auf der Homepage des Gesundheits- und Sozialministeriums veröffentlicht ist, wurde die Fer­kelkastration thematisiert. Die Diskussion über die Ferkelkastration sei eine europa­weite und habe dazu geführt, dass sämtliche Eingriffe bei Nutztieren überprüft werden. Lösungsansätze seien im Beirat „Österreichischer Tiergesundheitsdienst“ zu erarbei­ten, wobei bei der Anwendung und dem Einsatz von entsprechend schmerzstillenden Medikamenten die Aspekte des Verbraucher- und Anwenderschutzes zu berücksichti­gen seien.

Der Verband Österreichischer Schweinebauern (VÖS) nahm laut diesem Bericht die Verpflichtung zur Durchführung der Ferkelkastration mit Schmerzmitteleinsatz in seine Produktionsbestimmungen auf. Weiters sollen die internationalen Entwicklungen beob­achtet werden und Umsetzungsmaßnahmen für Österreich diskutiert werden.

Bis dato liegen weder Lösungsansätze noch Ergebnisse vor.

Die unterzeichnenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird - unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der österreichischen Landwirte - ersucht, Alternativen zur betäubungslosen Ferkelkastra­tion auszuarbeiten und dem Nationalrat vorzuschlagen.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Danke, Herr Abgeordneter. Nun ist der Entschließungsan­trag ordnungsgemäß eingebracht und steht damit auch in Verhandlung.

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber. – Bitte.


23.39.42

Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA (JETZT): Frau Präsidentin! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger! Sehr geehrte Frau Ministerin! Kollege Riemer, Ihre schauspielerische Darbietung in allen Ehren, aber wir stehen hier heute, um den freiheitlichen Verrat am Tierschutz und an den Hun­derttausenden Lebewesen, die hier in Österreich, in unserem Land in Tierfabriken ein Leben fristen, das wirklich trostlos ist, anzusprechen.

Wir stehen heute hier, weil es keine Verbesserungen gegeben hat, die die Freiheitliche Partei in den letzten Monaten, in den letzten zwei Jahren hätte unterstützen können. Sie stellen sich heute hier her und machen eine Darbietung, dass man glaubt, man ist – wirklich ganz ehrlich gesagt – im falschen Film.


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Sie hatten am 19.9. die Chance, unserem Antrag zuzustimmen, und unsere Anträge sahen gesetzliche Verbesserungen vor. (Zwischenrufe bei FPÖ und ÖVP.) – Ich rede ja nicht von der ÖVP, dass es da in irgendeine Richtung Verbesserungen im Sinne des Tierschutzes geben würde. Ich habe einen Appell an die Freiheitliche Partei gerichtet, die bei Wahlkampfreden, bei Veranstaltungen immer sagt: Wir sind die Partei des klei­nen Mannes, wir sind die Partei des Tierschutzes. (Zwischenruf des Abg. Wurm.) Was passiert dann? – Nichts passiert in diesem Hohen Haus, denn Sie haben alle Chancen, alle Möglichkeiten verstreichen lassen, gesetzliche Verbesserungen im Sinne des Tier­schutzes umzusetzen. (Beifall bei JETZT.)

Heute stellen Sie sich her und bringen unverbindliche Entschließungsanträge ein, Auf­forderungen und Bitten an die Bundesregierung, die vielleicht noch zehn Wochen im Amt ist, Anträge vier Tage vor einer Wahl, wobei Sie wissen, dass diese Anträge mit der Angelobung des nächsten Nationalrates einfach ad acta gelegt und verfallen wer­den. Das wissen Sie. Es bleibt nicht mehr als Schall und Rauch, und trotzdem bleiben Sie dabei!

Ich möchte Ihnen noch einmal vor Augen führen, was Sie abgelehnt haben, damit es wirklich jeder in diesem Land mitbekommt: Am 19. September haben Sie festgehalten, Sie werden sich auch weiterhin gegen eine Betäubung von Ferkeln aussprechen, so­dass diesen kleinen Lebewesen bei lebendigem Leib, ohne Narkose und bei vollem Bewusstsein die Hoden abgeschnitten werden, wenn nämlich eine betäubungslose Kastration durchgeführt wird. In diesem Sinn hat sich die FPÖ ausgesprochen. Sie wol­len, dass die Hoden weiterhin ohne Narkose und bei vollem Bewusstsein abgeschnit­ten werden: alle 12 Sekunden, Tag und Nacht, in diesem Land.

Es geht noch weiter: Kükenschreddern ist erwähnt worden. Es wird keine Verbesserun­gen in diesem Bereich geben. Die FPÖ spricht sich auch da dagegen aus, denn es soll weiterhin möglich sein, ein Küken, nur weil es das falsche Geschlecht hat und für sei­nen Besitzer nicht gewinnbringend genug ist, lebendig schreddern zu dürfen. Und dann wird noch ein Antrag eingebracht: Nein, betreffend das Kükenschreddern, bitte, liebe Bundesregierung, ersuchen wir Sie: Werden Sie tätig und verbieten Sie das Küken­schreddern!

In Österreich werden Küken zum größten Teil direkt nach dem Schlüpfen vergast. All das ist im Antrag nicht enthalten, all das wird nicht verbessert werden. Selbst wenn es die Bundesregierung schafft, noch eine Gesetzesvorlage vorzulegen, gibt es keine Na­tionalratssitzung mehr, in der man das beschließen könnte. Das heißt, alles, was Sie hier machen, ist eine Augenauswischerei und eine Farce gegenüber der Bevölkerung.

Zum Dritten seien noch die Lebendtiertransporte angeführt. Sie gehen in eine Richtung und wollen Lebendtiertransporte untersagen und fordern wiederum die Bundesregie­rung auf, da tätig zu werden – und es wird wieder nicht dazu kommen, dass es einen Gesetzesbeschluss, eine gesetzliche Verbesserung geben kann. Das heißt, was Sie hier machen, ist eine Augenauswischerei der Bevölkerung gegenüber und sonst nichts!

Das führt weiterhin zu Tierleid, das wird weiterhin dazu führen, dass es zu einer Ver­schlechterung auch betreffend das Klima und den Klimaschutz kommt, weil es wei­terhin dazu kommen wird, dass argentinisches Rindfleisch importiert wird, dass Tiere weiterhin von Österreich nach Spanien exportiert werden, dass Tiertransporte über mehrere Stunden stattfinden werden und der Tierschutz in diesem Bereich überhaupt nicht verbessert werden wird. (Ruf bei der ÖVP: Aus Argentinien kommen keine Le­bendtiere!)

Zusammengefasst heißt das – da bitte ich Sie auch, ehrlich zu sein –: Sich hierher zu stellen und eine schauspielerische Darbietung abzugeben, ist das eine, aber wenn es zur nächsten türkis-blauen Bundesregierung kommt, dann wird es keinerlei Verbesse-


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rungen im Sinne des Tierschutzes mehr geben. Dann heißt es einfach weiterhin: Schutz für Qualfleischhersteller und Schutz der Gewinne, und das zulasten der Tiere, zulasten des Klimas und am Ende des Tages auch zulasten der Menschen, die genau diese Produkte dann auf ihren Tellern vorfinden werden. – Vielen Dank. (Beifall bei JETZT.)

23.45

23.45.10


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet.

Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung, die ich über jeden Tagesordnungspunkt getrennt vor­nehme.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 17: Entschlie­ßungsantrag 945/A(E) der Abgeordneten Josef Riemer, Kolleginnen und Kollegen be­treffend „mehr Tierschutz im Bereich Lebendtiertransporte“.

Hiezu haben die Abgeordneten Eßl, Kolleginnen und Kollegen einen gesamtändernden Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde daher zunächst über den erwähnten gesamtändernden Abänderungsantrag und im Falle seiner Ablehnung über den Entschließungsantrag 945/A(E) abstimmen lassen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich für den gesamtändernden Abänderungs­antrag des Abgeordneten Eßl aussprechen, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir kommen daher zur Abstimmung über den Entschließungsantrag 945/A(E) der Ab­geordneten Riemer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „mehr Tierschutz im Bereich Lebendtiertransporte“.

Wer spricht sich für diesen Antrag aus? – Das ist die Mehrheit, angenommen. (E 143)

Damit gelangen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Androsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Einführung von Mindeststrafen im Tiertransportgesetz 2007“.

Wer dem zustimmt, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Min­derheit, abgelehnt. (Unruhe im Saal.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich weiß, es ist wirklich schon ein langer Tag, aber wir sind im Abstimmungsprozess.

Wir gelangen jetzt zum Tagesordnungspunkt 18: Entschließungsantrag 946/A(E) der Abgeordneten Riemer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Verbot der Tötung von männlichen Eintagsküken“.

Hiezu haben die Abgeordneten Eßl, Kolleginnen und Kollegen einen gesamtändernden Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde zuerst über den gesamtändernden Abänderungsantrag des Abgeordneten Eßl abstimmen lassen.

Wer gibt dem gesamtändernden Abänderungsantrag des Abgeordneten Eßl die Zu­stimmung? – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Damit kommen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag 946/A(E) der Abgeordneten Riemer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Verbot der Tötung von männlichen Eintagsküken“.


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Wer gibt diesem die Zustimmung? – Das ist die Mehrheit, angenommen. (E 144)

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Eßl, Kolleginnen und Kollegen - - (Unruhe im Saal.) – Es ist so, glaube ich, schwierig zu wissen, worüber genau wir abstimmen.

Abgestimmt wird über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Eßl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „verbindliche Besatzdichtenbestimmungen für die Putenmast auf EU-Ebene“.

Wer ist dafür? – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten An­drosch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Einführung europaweiter Standards für die Haltung von Puten“.

Wer spricht sich für diesen Entschließungsantrag aus? – Das ist die Einstimmigkeit, angenommen. (E 145)

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Androsch, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „Aufnahme detaillierter Haltungsbestimmungen für Wach­teln in die 1. Tierhaltungsverordnung“.

Wer ist für diesen Entschließungsantrag? – Das ist die Einstimmigkeit, angenom­men. (E 146)

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Riemer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Alternativen zur betäubungslosen Ferkelkastration“.

Wer ist für diesen Entschließungsantrag? – Das ist die Mehrheit, angenommen. (E 147)

23.49.4719. Punkt

Antrag der Abgeordneten Maria Großbauer, Sandra Wassermann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Status der Welterbestätte „Historisches Zentrum von Wien“ auf der Welterbe-Liste (964/A)(E)


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir nun zum 19. Punkt der Tagesordnung.

Hinsichtlich dieses Antrages wurde dem Kulturausschuss zur Berichterstattung eine Frist bis zum 24. September 2019 gesetzt.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Harald Troch. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Jarolim: ... Schönbrunn?)


23.50.24

Abgeordneter Dr. Harald Troch (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte zuerst einmal Kollegen Zinggl zu seinem Erfolg in dieser fast in­nergrünen Auseinandersetzung gratulieren. Beim Thema Heumarkt hat sich ja einiges getan – es gab auch Personalveränderungen in Wien: Frau Vizebürgermeisterin Vassi­lakou gibt es in politischer Funktion nicht mehr und Herrn Chorherr auch nicht. (Abg. Belakowitsch: Aber nicht wegen dem Heumarkt!)

Kollege Zinggl, du hast die beiden politisch überlebt, auch dank deiner Hartnäckigkeit, und das ist, glaube ich, für dich und dein Anliegen eine positive Geschichte, und dann gibt es in diesem Zusammenhang auch noch eine weitere gute Nachricht.

Es liegt hier allerdings auch ein Entschließungsantrag der FPÖ vor. Kollegin Belako­witsch äußert sich da sehr, sehr besorgt darüber, dass eventuell die Verdachtsmo-


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mente der Justiz in Bezug auf Flächenwidmungsfragen und Korruption nicht verfolgt werden könnten. Offensichtlich, Frau Kollegin Belakowitsch, sind Sie in Sorge, dass die Justiz mit Maßnahmen die FPÖ betreffend so ausgelastet ist, dass man da nicht genug untersuchen kann. Ich kann Ihnen versichern: Wenn man die Justiz in Ruhe arbeiten lässt, die Staatsanwaltschaft ihre Arbeit machen lässt, dann wird es auch in dieser Fra­ge ein Happy End für die Ermittlungen der Justiz geben.

Nun zum eigentlichen Entschließungsantrag der ÖVP zum Thema „‚Historisches Zen­trum von Wien‘ auf der Welterbe-Liste“. Ich glaube, es ist eine ziemliche Panikmache, die da betrieben wird. Es hat ja im Juli eine Sitzung des Unesco-Welterbekomitees gegeben; davor hat es einige Kassandrarufe gegeben, der Status als Weltkulturerbe würde aufgehoben werden – das ist nicht eingetreten! Das ist deshalb nicht eingetre­ten, weil Bürgermeister Michael Ludwig eines ganz klar gesagt hat: Es gibt eine Nach­denkphase, und das heißt, das Projekt wird neu aufgestellt werden, und – das hat Mi­chael Ludwig zugesagt – es wird in dieser sensiblen Frage einen gemeinsamen Weg mit der Unesco geben.

Ich sage in dieser Hinsicht auch eines, Kollege Zinggl: Ich habe deine Hartnäckigkeit in dieser Frage immer bewundert und manches deiner Anliegen auch positiv gesehen, denn ein einmal verspieltes historisches Zentrum ist nicht wieder zu rekonstruieren. Da habe ich immer eine gewisse Sympathie gehabt, wenngleich Wien natürlich weiterent­wickelt werden muss.

Die Stadt Wien ist da erstens in intensivstem Kontakt mit der Unesco, um einen ge­meinsamen Wiener Weg in Bezug auf das Weltkulturerbe festzulegen und zu entwi­ckeln. Der Wiener Gemeinderat hat ja auch eine doch erhebliche Summe beschlossen, um diesen Weg mit guter Expertise zu begleiten und schließlich für ein Happy End zu sorgen.

Offen ist jetzt eines: Der Verfassungsgerichtshof wird entscheiden, ob eine UVP, eine Umweltverträglichkeitsprüfung notwendig ist. Falls entsprechend entschieden wird, dann schleppt sich das Projekt sowieso weitere zwei bis drei Jahre hin, weil die UVP natürlich entsprechend Zeit in Anspruch nehmen wird, und die Bürgerinitiativen werden dann auch Parteistellung haben.

Ich glaube, dieser Antrag der ÖVP ist ein bisschen eine Ablenkung: eine Ablenkung von einer äußerst bescheidenen – Leistungsbilanz will ich gar nicht sagen – Bilanz des Kulturministers Blümel, unter dem die Anträge der Opposition durchwegs sozusagen geschreddert wurden, auf die lange Bank geschoben wurden. In der letzten Le­gislaturperiode wurde kein einziger eigener Gesetzentwurf vom Kulturministerium vor­gelegt, und davon lenkt man wahrscheinlich gerne ab.

Das hier zu erwähnen ist, denke ich mir, legitim, und Wien wird seinen erfolgreichen Weg auch in Bezug auf den Schutz des Kulturerbes erfolgreich weitergehen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

23.55


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Maria Großbauer. – Bitte.


23.55.14

Abgeordnete Maria Großbauer (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Minis­terin! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Hohes Haus! Kollege Troch, Ihre Argu­mente, Ausführungen und Behauptungen sind mir fast unheimlich – aber das liegt wahrscheinlich daran, dass es gleich Mitternacht ist. (Abg. Leichtfried: Aber schlüssig waren sie schon!)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 339

Welt, Kultur, Erbe – ich weiß nicht, welches dieser Wörter die rot-grüne Wiener Stadt­regierung – und vielleicht auch Sie – eigentlich nicht versteht. Welterbestätten zeich­nen sich durch ihre „Einzigartigkeit, Authentizität und Integrität“ aus. Ja, Wien ist eine Weltstadt voll lebendiger Kultur und eben auch voll architektonischen Erbes, deswegen war ja das historische Zentrum von Wien auch Weltkulturerbe – und jetzt stehen wir für die nächsten zwei Jahre auf der Roten Liste. Vielleicht hat das die rot-grüne Stadtre­gierung auch verwechselt: Nein, es ist nicht immer gut, wenn man auf einer Roten Liste steht! (Beifall bei der ÖVP.)

Wissen Sie eigentlich, welche Welterbestätten derzeit sonst noch auf der Roten Liste stehen? – Stätten in Kriegsgebieten oder kriegsartigen Gebieten: in Libyen, in Syrien und den palästinensischen Autonomiegebieten – und das historische Zentrum von Wien! Danke, Rot-Grün – und das alles nur wegen Ihres Immobilienprojekts am Heumarkt im Bereich um das Hotel Intercontinental und den traditionsreichen Wiener Eislauf-Verein.

Vielleicht wissen Sie, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ, nicht, wie besonders ein Weltkulturerbe eigentlich ist – ich möchte es Ihnen sagen: Auf der gan­zen Welt gibt es nur 1 121 Stätten, verteilt auf 167 Länder. Wissen Sie, wem es zu verdanken ist, dass es nach diesen jahrelangen Debatten nun wenigstens wieder einen Dialog mit Unesco und Icomos gibt? – Kulturminister Blümel hat das Schlimmste ver­hindert und wieder eine Gesprächsbasis hergestellt! (Beifall bei der ÖVP.)

Davor gab es nicht einmal mehr eine ordentliche Kommunikation zwischen der Stadt Wien und der Unesco. Gernot Blümel hat mit einem Expertenworkshop und mit dem Heritage Impact Assessment in einem dreistufigen Prozess konkrete Schritte gesetzt, um das in Wien drohende Desaster der rot-grünen Stadtregierung zu verhindern. (Zwi­schenruf des Abg. Jarolim. – Abg. Leichtfried: Wo ist denn der Blümel überhaupt jetzt?) Er hat die Debatte wieder auf eine sachliche Ebene geführt – also an dieser Stelle vielen Dank an Gernot Blümel! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Jarolim: Keine Ah­nung, der Blümel!)

Unesco und Icomos haben vergangenen Frühling in ihrem Bericht festgehalten, dass der außergewöhnliche universelle Wert der Welterbestätte in Zukunft nicht erhalten werden kann und sogar weiter abnehmen wird, wenn dieses Bauvorhaben Heumarkt Neu in der jetzt geplanten Form kommt. Das heißt also, wenn es wie geplant kommt, dann wird das Herz von Wien kein Weltkulturerbe mehr sein, dann ist es von der Liste gestrichen! Das ist nicht nur ein Verlust für die kommenden Generationen, sondern natürlich auch für den Tourismus in Wien, das können Sie sich ja hoffentlich noch sel­ber ausrechnen.

Was hat die rot-grüne Stadtregierung bis heute dagegen getan? – Nichts! Zum Erhalt des Kulturerbes sind keine konkreten Schritte gesetzt worden. Einen besonders bitte­ren Beigeschmack bei der ganzen Thematik haben auch die aktuell aufgenommenen Korruptionsermittlungen gegen den Ex-Planungssprecher der Wiener Grünen.

Als wäre die Misere mit dem historischen Zentrum von Wien noch nicht groß genug, lässt die Stadt Wien auch die Jugendstilbauten des Otto-Wagner-Areals und die Stein­hofgründe einfach verfallen – und das, obwohl die Unesco auch da bereits bestätigt hat, dass Potenzial für ein Weltkulturerbe besteht.

Wir von der neuen Volkspartei sind für moderne Architektur, für zeitgenössische Bau­ten und für eine moderne, zukunftsorientierte Weiterentwicklung – aber nicht am Heu­markt, nicht mitten im Canaletto-Blick (Abg. Leichtfried: Aber wo ist jetzt der Blümel wirklich?), denn wir sind auch für das Weltkulturerbe, und das muss kein Widerspruch sein.

Wenn also Sie, sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher, so ganz generell sowohl das Weltkulturerbe als auch die Weiterentwicklung schätzen und das Ganze im Einklang


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miteinander sehen möchten, dann wählen Sie bitte am kommenden Sonntag die Volks­partei. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Leichtfried: Bitte kann man dem jetzt entgegnen ...?)

23.59


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Sandra Wasser­mann. – Bitte.


23.59.50

Abgeordnete Sandra Wassermann (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Frau Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Zuschauer auf der Besu­chergalerie! (Abg. Leichtfried: Ich glaube, man müsste den Blümel herholen, damit er uns das erklärt!) Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die heute um Mitternacht noch fleißig arbeiten!

Wie wichtig uns Freiheitlichen die Kunst und Kultur ist, haben wir schon in vielen um­gesetzten Anträgen gezeigt. (Abg. Leichtfried: Und was hat das mit dem Heumarkt zu tun?) Wir sind nicht nur im Bereich der Volkskultur sehr aktiv, wir bringen unser Ver­ständnis der Kulturvermittlung auch anderswo zum Ausdruck, wie zum Beispiel mit dem aktuellen Vorstoß von Norbert Hofer und uns Freiheitlichen, dass wir den schul­pflichtigen Kindern künftig kostenlose Teilnahme am Musikunterricht in den Musikschu­len ermöglichen wollen, und das ganz unabhängig davon, ob es sich die Eltern leisten können oder nicht. – Dies nur zum Einstieg zu unserem Kulturverständnis. (Beifall bei der FPÖ.)

Nun aber zum gegenständlichen Entschließungsantrag, den wir gemeinsam mit Kolle­gin Großbauer eingebracht haben. Sie wissen, es geht da um die Errichtung eines 66 Meter hohen Wohnturms in der Unesco-Welterbezone Heumarkt. Seit Jahren ist die Welterbestätte Historisches Zentrum von Wien Gegenstand heftiger Diskussionen, die im Sommer 2017 mit der Aufnahme der Welterbestätte auf die Rote Liste einen trau­rigen Höhepunkt gefunden haben. Die Gespräche der Stadt Wien mit der Unesco wur­den verweigert, zum Teil nicht geführt und unterbrochen.

Seitens der Unesco gibt es eine klare Empfehlung und eine klare maximale Gesamt­höhe von 43 Metern – das ist in Anlehnung an das bereits bestehende Hotel Interconti­nental gedacht. Es wurde also offiziell festgehalten, dass das Bauvorhaben Heumarkt Neu in seiner jetzigen Form mit dem Verbleib der Welterbestätte definitiv unvereinbar ist.

Die vorherige Bundesregierung hat sich außerordentlich darum bemüht – da muss ich Ihnen entgegnen, Herr Kollege Troch –, dem Welterbekomitee die Bereitschaft zu sig­nalisieren, die Empfehlungen auch ernst zu nehmen und auf diese einzugehen.

Ich möchte hier nochmals festhalten, dass wir Freiheitliche nicht gegen ein Projekt per se sind. Wir sind aber in erster Linie dafür, dass Dialoge geführt werden, sowohl mit den Bauwerbern als auch mit den Institutionen. Das haben Rot und Grün in Wien of­fensichtlich völlig verschlafen oder ignoriert, vielleicht hat es sie einfach nicht interes­siert. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Das bringt mich zu einem weiteren Punkt, nämlich zu den Grünen und der Frage der Moral. Ich möchte schon noch festhalten, die Grünen haben bei diesem Projekt einen großen Erklärungsbedarf. In der Causa Flächenwidmung, Chorherr und Hochhaus Heumarkt gilt es alle Spenden und Geldflüsse aufzuklären und zu untersuchen. (Zwi­schenruf der Abg. Yılmaz.)

In der Causa Grüne und Chorherr ist bereits die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsan­waltschaft tätig, was viele Bürgerinnen und Bürger vielleicht noch gar nicht wissen.


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(Zwischenrufe bei der SPÖ.) Es wird wegen des Verdachts der Bestechung, des Amts­missbrauchs und der Bestechlichkeit ermittelt.

Herr Chorherr, der gut mit Eva Glawischnig, Peter Pilz und auch Werner Kogler be­freundet sein soll, ist immer noch eine starke Säule der Grünen. Immerhin hat er ja eine steile Karriere als Stadtrat und Klubchef der Partei hinter sich. Kurzzeitig war er auch Bundessprecher der Grünen. Das darf man alles nicht vergessen! Bevor die Grü­nen meinen, ins Parlament zurückkehren zu können, bedarf es zuerst einer Aufklärung des Verdachts der jahrelangen Korruption in diesem Fall der Flächenwidmungen, wie es auch die Initiative Denkmalschutz verlangt. (Zwischenruf des Abg. Klaus Uwe Feichtinger.)

Abschließend möchte ich aber noch zwei Fragen beantworten: „Wen würde der An­stand wählen?“, „Wen würde unsere Zukunft wählen?“ – Mit Sicherheit nicht die Grü­nen. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren, schützen wir das Weltkulturerbe, das Historische Zentrum von Wien, und lassen wir nicht zu, dass die Grünen ihre korrumpierten Ge­schäfte wieder ins Parlament zurückverlegen! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordne­ten der ÖVP.)

0.03


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster ist Herr Klubobmann Dr. Zinggl zu Wort ge­meldet. – Bitte.


0.03.46

Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (JETZT): Nach sechs Ministerinnen und Ministern und einem Staatssekretär, die unter mir Kulturpolitik gemacht haben und da­für verantwortlich waren (Abg. Leichtfried: Also war der Blümel nicht so toll?!), kann ich nun abschließend sagen: So schleißig wie in den letzten zwei Jahren ist mit diesem Bereich noch nie umgegangen worden – dabei ist am Anfang die Latte von Elisabeth Gehrer relativ tief gelegen.

Es gab keinen einzigen Regierungsantrag – wir haben es gehört – und vier Anträge von den Regierungsfraktionen, die zwar angenommen, aber nicht umgesetzt worden sind. Die eigenen Anträge wurden aus Peinlichkeit nicht umgesetzt. Ich nenne nur das Beispiel der Webseite für die Kinderkultur. Diese gibt es natürlich schon zigmal und das haben wir in den Ausschusssitzungen auch gesagt, trotzdem wurde es beschlos­sen und natürlich nicht verwirklicht. Die anderen Beispiele erspare ich Ihnen.

Und nun kommt heute der fünfte Antrag. Ich kann nur sagen: Wenn die ÖVP etwas ge­gen dieses Hochhaus hätte tun wollen, hätte sie es längst tun können. Sie wäre sogar mit den Ministern und auch den Volksanwälten dazu verpflichtet gewesen. Sie hat nichts getan, weil ein Drittel der Sponsoren, die Spekulanten sind, aus der Baubranche kommen – das wissen wir. (Präsidentin Bures gibt das Glockenzeichen.) – Danke, Frau Präsidentin. Ich bedanke mich nach 16 Jahren für die Zusammenarbeit. – Auf Wiedersehen. (Beifall bei JETZT, SPÖ und NEOS sowie bei Abgeordneten der ÖVP. – Ruf bei der ÖVP: Pfiat di!)

0.05


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl zu Wort. – Bitte. (Abg. Leichtfried: Ah, jetzt kommt ein Foto vom Blümel!)


0.05.26

Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ich schätze, Herr Kollege Zinggl, dass Sie in der Frage Heumarkt immer eine klare Mei­nung vertreten haben. Sie wissen aber, dass das, was Sie gerade gemacht haben, nämlich einseitig die Schuld Richtung Bund zu schieben, nicht in Ordnung war. Dieses


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Projekt Heumarkt wurde von Rot-Grün in Wien beschlossen und von niemand ande­rem, Herr Kollege Zinggl! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Was haben Jemen, die Demokratische Republik Kongo, Mali, Libyen und Afghanistan mit Wien gemeinsam? (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Sie haben mit Wien gemeinsam, dass sie alle auf der Roten Liste der Unesco stehen. (Abg. Leichtfried: Wo ist der Blü­mel? – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren, schauen Sie sich das an (eine Tafel, auf der eine Weltkarte mit mehreren markierten Punkten abgebildet ist, in die Höhe haltend), wo wir auf der Welt die roten Punkte haben, wo die Unesco das Weltkulturerbe als gefährdet sieht! (Abg. Leichtfried: Das sieht man von da nicht!) Sie sehen es nur da in Afrika, Herr Kollege Leichtfried, und im Nahen Osten, wo die Bürgerkriegsgebiete sind. In Euro­pa gibt es nur zwei Städte, und zwar Liverpool und Wien. (Abg. Leichtfried: Das sieht man auf dem Taferl nicht!) Von wem werden diese regiert, Herr Kollege Leicht­fried? – Beide Städte von Sozialdemokraten, Herr Kollege. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Leichtfried.)

Es ist sehr, sehr traurig, dass gerade diese beiden Städte der industrialisierten europäi­schen Länder auf der Liste der gefährdeten Welterbestätten stehen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Wir wissen eigentlich schon seit Langem, dass Wien da ein Versäumnis hat. Was wir aber noch nicht lange wissen, ist, dass es da einen Mann von der Basis der Grünen gegeben hat, der vor noch nicht allzu langer Zeit gesagt hat: Die Stadt agiert nur mehr als Erfüllungsgehilfe großer Investoren. – Wissen Sie, wer das war? – Christoph Chorherr. (Abg. Leichtfried: Ich glaub, das war der Blümel!)

Das war aber zu einer Zeit, als er noch nicht in Wien in der Regierung war. (Zwischen­ruf bei der SPÖ.) Was war, als er dann in der Regierung war? – Dann wurden wahr­scheinlich die Betriebe oder die Erfüllungsgehilfen, die es in der Stadt Wien zu Zeiten der Beamten gegeben hat und die zum ersten Untersuchungsausschuss in Wien ge­führt haben, nun durch den Verein von Herrn Kollegen Chorherr ersetzt, der jetzt auch in Verdacht steht, dass er für Spenden für seinen Verein Flächenwidmungen in Wien beschlossen hat.

Herr Kollege Troch, das ist keine Sache der Grünen alleine. Die Flächenwidmungen (Zwischenruf des Abg. Troch), um die es da geht – am Gallitzinberg, beim Neustifter Friedhof, vielleicht auch bei Steinhof et cetera – haben die Grünen mit den Roten ge­meinsam beschlossen. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Das waren Sie ganz al­leine.

Daher ist nun der Punkt, den die Grünen auf das Wahlplakat schreiben, wirklich ein wichtiger – meine Frau Kollegin hat ihn schon vorgesagt. Sie schreiben auf die Wahl­plakate der Grünen: „Wen würde der Anstand wählen?“, „Wen würde deine Geldbörse wählen?“ – Wen die Geldbörse wählen will, das weiß wahrscheinlich Kollege Chorherr nun ganz genau, das ist ganz klar. (Zwischenruf der Abg. Duzdar.)

Aber ansonsten, meine Damen und Herren: Machen Sie an diesem Sonntag keine Ex­perimente! Rot-Grün steht im Verdacht der Korruption. – Danke für Ihre Aufmerksam­keit. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

0.09


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Dr.in Belakowitsch. – Bitte. (Abg. Jarolim: Aber das Verfahren hat die ÖVP!)


0.09.21

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesminis­ter! Werte Kolleginnen und Kollegen! (Zwischenruf des Abg. Jarolim.) – Beruhigt euch wieder ein bisschen!


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Das Projekt Heumarkt wurde heute ja schon mehrfach besprochen. Wir wissen in der Zwischenzeit, dass es eine Hausdurchsuchung gab und dass es bei Gericht ist. Herr Kollege Troch, es geht da nicht darum, dass ich den Gerichten nicht vertraue. Ich sage Ihnen aber schon eines: Das ist nicht das einzige Projekt in Wien, das ein bisschen nach Korruption riecht, um es einmal vorsichtig zu sagen. Es gibt ganz viele. Da gibt es den Gallitzinberg, der wurde schon erwähnt, oder den ganzen Wilhelminenberg, der vor der Umwidmung steht. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Dann gibt es den Hörndlwald, Breitensee, die Titlgasse und so weiter.

Man könnte diese Liste der Projekte, bei denen man nicht genau weiß, was da wirklich im Hintergrund passiert ist, unendlich fortsetzen. (Zwischenrufe der Abgeordneten Hei­nisch-Hosek, Leichtfried und Vogl.) Und ich sage Ihnen schon, meine Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ – ich weiß, Sie werden jetzt ganz laut, weil Sie genau wis­sen, Sie hängen da mit drinnen –, da können Sie sich auch nicht rausreklamieren, denn wer ist denn der Bürgermeister der Stadt? Wo war denn der Bürgermeister der Stadt, als all diese Dinge passiert sind, als all diese Umwidmungen passiert sind? – Die SPÖ war doch überall dabei und hat überall zugestimmt, also hören Sie doch auf, jetzt so zu tun, als wäre das ein grüner Skandal! Das ist ein klassischer rot-grüner Skandal. (Beifall bei der FPÖ.) Da haben halt die Grünen einmal ein bisschen mehr damit zu tun.

Ich sage Ihnen ganz ehrlich, das Wesentliche ist, dass nicht nur das Heumarktprojekt als eigener Fall aufgeklärt wird und dass dieser Korruptionsfall aufgeklärt wird, sondern in Wahrheit müssen wir jetzt alle diese Flächenwidmungen umdrehen. Das ist letztlich auch die Aufgabe der Justiz, zu schauen, was da wirklich passiert ist. Es kann doch nicht angehen, dass der halbe Wienerwald zubetoniert wird, nur weil da irgendwelche Luxuswohnungen gebaut werden sollen. Ihre Parteivorsitzende stellt sich heute in der Früh her und spricht von leistbarem Wohnen, und Sie verteidigen jetzt die Luxuswoh­nungen im Wienerwald. Das passt nicht zusammen, meine Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

Daher stelle ich folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „die schonungslose Aufklärung des rot-grünen Umwidmungs-Korruptionsskandals“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz wird aufge­fordert, die schonungslose Aufklärung des rot-grünen Umwidmungs-Korruptionsskan­dals sicherzustellen und dem Nationalrat über die Ermittlungsergebnisse zu berichten.“

*****

Das ist wirklich dringend notwendig! (Beifall bei der FPÖ.)

0.11

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch

und weiterer Abgeordneter


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betreffend die schonungslose Aufklärung des rot-grünen Umwidmungs-Korruptions­skandals

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 19, Antrag der Abgeordneten Maria Groß­bauer, Sandra Wassermann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Status der Welterbe­stätte "Historisches Zentrum von Wien" auf der Welterbe-Liste (964/A(E)), in der 89. Sit­zung des Nationalrates, 25.9.2019, XXVI. GP.

Seit Jahren sind bedeutende, jedoch äußerst fragwürdige Vorgänge rund um Wiener Flächenwidmungen und Bauprojekte Gegenstand heftiger politischer Auseinanderset­zungen. Wurde zunächst unter anderem kritisiert, dass das „Historische Zentrum von Wien“ aufgrund massiver Fehlentscheidungen von SPÖ und Grünen seinen Status als Welterbestätte verlieren könnte – eine Gefahr, die bis heute nicht gebannt, sondern groß und unmittelbar ist – verdichteten sich mittlerweile zunehmend die Hinweise auf strafrechtlich relevant erscheinende Handlungen.

Medien informieren nunmehr fast täglich über neue Fakten des rot-grünen Umwid­mungs-Korruptionsskandals. So wurde etwa auf ORF.at unter dem Titel „Acht Ver­dächtige bei Ermittlungen rund um Chorherr-Projekt“ das Folgende berichtet: „Im Zuge der Ermittlungen gegen den ehemaligen grünen Gemeinderatsabgeordneten Christoph Chorherr rund um Spenden an ein Schulprojekt laufen derzeit Verfahren gegen ins­gesamt acht Verdächtige. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) bestätigte entsprechende Berichte gestern.“ (https://orf.at/stories/3137411/). Laut Kurier haben die Ermittler 200 Unternehmen im Visier (https://kurier.at/chronik/oesterreich/cau­sa-chorherr-ermittler-haben-rund-200-unternehmen-im-visier/400609679). Trotz Bedenken des Wiener Stadtrechnungs- und des Bundesrechnungshofs hinsichtlich einzelner Im­mobiliengeschäfte sollen die diesbezüglichen Ermittlungen nicht weiterverfolgt, son­dern eingestellt worden sein (https://kurier.at/chronik/wien/die-wiener-immobilien-skan­dale/400127423).

Aus den dargelegten Gründen stellen die unterfertigten Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz wird aufge­fordert, die schonungslose Aufklärung des rot-grünen Umwidmungs-Korruptionsskan­dals sicherzustellen und dem Nationalrat über die Ermittlungsergebnisse zu berichten.“

*****

00.11.55


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet, damit ist die Debatte geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Dann kommen wir jetzt zur Abstimmung über den Entschließungsantrag 964/A(E) der Abgeordneten Großbauer, Wassermann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Status der Welterbestätte ‚Historisches Zentrum von Wien‘ auf der Welterbe-Liste“.

Wer diesen Entschließungsantrag bejaht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit so angenommen. (E 148)

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr.in Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „die schonungslose Aufklärung des rot-grünen Umwidmungs-Korruptionsskandals“.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 345

Wer ist für diesen Entschließungsantrag? – Das ist mit Mehrheit so angenommen. (E 149)

00.12.5620. Punkt

Antrag der Abgeordneten Ing. Markus Vogl, Kolleginnen und Kollegen betref­fend finanzielle Absicherung für den VKI durch Erhöhung der Basisförderung (926/A)(E)


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir zum 20. Punkt der Tagesordnung.

Hinsichtlich dieses Antrags wurde dem Ausschuss für Konsumentenschutz eine Frist zur Berichterstattung bis 24. September gesetzt.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Peter Weidinger. – Bitte. (Abg. Jaro­lim: Was ist mit dem Familienfest in Schönbrunn jetzt eigentlich? – Zwischenruf des Abg. Leichtfried.)


0.13.28

Abgeordneter Mag. Peter Weidinger (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Ge­schätzte KollegInnen! Es ist jetzt Mitternacht, aber ich bitte Sie, die Usancen des Hau­ses einzuhalten (Zwischenrufe bei der SPÖ) – ihr seid da immer die Weltmeister, da­rum bitte ich euch, dementsprechend zu reflektieren –, jetzt bin nämlich ich am Wort.

Geschätzte Damen und Herren! Das Wesentliche bei dem Thema, das wir jetzt hier be­handeln, ist die Frage: In welcher Gesellschaft wollen wir leben? Das ist eigentlich die zentrale Frage. Verschiedene Institutionen, die für eine Gesellschaft wichtig sind, leis­ten ihren Beitrag dazu, dass die Menschen so leben können, wie sie wollen. Und wir haben ein ganz klares Gesellschaftsmodell vor uns, meine Damen und Herren: Wir vonseiten der Volkspartei wünschen uns eine ökosoziale Marktwirtschaft, wo die Men­schen entlastet sind, wo sich Familienbetriebe entfalten können, wo es entsprechende Freiheit gibt. Und daher möchte ich Richtung SPÖ ganz klar sagen: Ihr habt jeden liberalen Ansatz in eurer Gesinnung verloren (Zwischenrufe bei der SPÖ), weil ihr da­gegengestimmt habt, dass das Bargeld in der Verfassung geschützt wird. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Schrangl.)

Der Bargeldschutz ist ein Ausdruck dafür, dass dem Konsumenten Geld bleibt, und euch ist ja immer ganz besonders wichtig, dass den Menschen ganz viel Geld bleibt. Das ist uns auch ganz besonders wichtig, deswegen kämpfen wir darum und setzen in Österreich ein System um, bei dem es darum geht, dass den Menschen mehr Netto vom Brutto bleibt. Wir sind auch der Meinung, dass nicht jeder Mensch automatisch ein Opfer ist, sondern dass wir in einer gleichberechtigten Gesellschaft leben, in der es da­rum geht, dass Unternehmerinnen und Unternehmer, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zusammenarbeiten, um gemeinsam Ziele in der Gesellschaft zu erreichen. Der Verein für Konsumentenschutz ist eine Institution, die einen Beitrag im Bereich Informationen und Co leistet. Wir haben das das letzte Mal vor einer Woche ja auch schon bespro­chen.

Wir sind aber nicht der Meinung, dass es sinnvoll ist, so wenige Tage vor der Wahl einen Beschluss, wie diese Institution in Zukunft aufgestellt sein muss, zu fassen, der dann die nächste Regierung bindet, ohne dass man eigentlich die Frage beantwortet hat, was die Kernaufgaben sein werden, obwohl wir wissen, dass sich die Kernaufga­ben im Bereich der Digitalisierung, auch im Bereich der Europäisierung und auch im Sinne der Regionalisierung verändern werden.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 346

Daher schlagen wir vor, meine Damen und Herren, zuerst eine Diskussion darüber zu führen, welche Aufgaben erfüllt werden sollen, welche Aufgaben wichtig sind, welche Aufgaben schon von anderen Institutionen in Partnerschaften erledigt werden, in weite­rer Folge zu diskutieren, welchen Bereich der VKI abdecken soll, und dann die Frage der Finanzierung zu klären.

In diesem Sinne, meine Damen und Herren, ist die beste Antwort für eine gute Kon­sumentenpolitik in Österreich, am Sonntag Sebastian Kurz und die Österreichische Volkspartei zu wählen. (Rufe bei FPÖ und SPÖ: Nein! Mein Gott, na!) – Danke sehr. (Beifall bei der ÖVP.)

0.16


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Markus Vogl. – Bitte.


0.16.55

Abgeordneter Ing. Markus Vogl (SPÖ): Kollege Peter Weidinger, ich frage mich, warum du die letzten zwei Jahre Konsumentenschutzsprecher eurer Partei warst. Es ist beschämend, was du hier heraußen zum Thema Konsumentenschutz von dir gibst. (Beifall bei der SPÖ.)

Es hat in der letzten Regierungsperiode bereits diese Einigung über die Finanzierung gegeben. Das heißt, wir reden über nichts Neues. Wir haben aber gesehen, dass diese Einigung in der Praxis nicht funktioniert, und haben sie auf praxistaugliche Füße ge­stellt. Das ist das Einzige, was kommt.

Wir erleben sehr stark, gerade diese Woche wieder mit der Pleite von Thomas Cook, dass es sehr wichtig ist, dass Konsumentinnen und Konsumenten Rechte haben, und der Verein für Konsumenteninformation ist einer derjenigen, die sich für diese Rechte einsetzen. Dass das etwas ist, was die ÖVP nicht versteht, das haben wir heute ge­hört, das haben wir kapiert, und deshalb wählt, wer für KonsumentInnen etwas übrig hat, die SPÖ. (Beifall bei der SPÖ.)

0.17


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Peter Wurm. – Bitte.


0.17.54

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Frau Präsidentin! Frau Minister! Hohes Haus! Auf­grund der fortgeschrittenen Stunde werde auch ich mich kurz halten.

Es geht um ein wichtiges Thema, um den Konsumentenschutz in Österreich, und ich bin sehr, sehr froh, dass wir jetzt auch den VKI nachhaltig finanziell absichern können. Das war auch Teil des Regierungsprogramms, und ich muss sagen, ich bin froh, dass wir das jetzt zumindest mit der SPÖ fertigstellen konnten.

Der VKI hat seit Jahrzehnten sehr große Bedeutung in Österreich. Natürlich werden wir auch im VKI gewisse Reformen umsetzen müssen, das werden wir in der nächsten Le­gislaturperiode des Nationalrates auch intensiv betreiben, aber in Summe sollten wir, glaube ich, beim Konsumentenschutz schon versuchen, über alle Fraktionen hinweg gemeinsam an einem Strang zu ziehen, denn – Kollege Vogl hat es erwähnt –, man sieht es aktuell an der Pleite von Thomas Cook, von der sehr, sehr viele Österreicher betroffen sind, es braucht eine kompetente, verlässliche Anlaufstelle, und die war in der Vergangenheit der VKI. Er hat natürlich auch finanzielle Schwierigkeiten gehabt. Die Herausforderungen werden in Zukunft steigen, das ist klar, und da ist eine sinn­volle und sichere finanzielle Absicherung erforderlich.

Ich bedanke mich bei allen, die mitgeholfen haben, das sicherzustellen. Ich bedanke mich auch bei allen, die im Konsumentenschutzausschuss im Sinne der Konsumenten


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 347

agiert haben. Für mich und für uns als Freiheitliche bleibt der Konsumentenschutz ein ganz wichtiges Thema. – Ich wünsche einen guten Abend. Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

0.19

00.19.38


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag 926/A(E) der Abge­ordneten Ing. Markus Vogl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „finanzielle Absiche­rung für den VKI durch Erhöhung der Basisförderung“.

Wer für diesen Entschließungsantrag ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen. (E 150)

00.20.1121. Punkt

Antrag der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz und das Landarbeitsgesetz 1984 geändert werden (577/A)


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen nun zum 21. Punkt der Tagesordnung.

Hinsichtlich dieses Antrages wurde dem Ausschuss für Arbeit und Soziales eine Frist zur Berichterstattung bis 24. September 2019 gesetzt.

Mir liegt kein Wunsch auf mündliche Berichterstattung vor und daher gelangt Herr Ab­geordneter Mag. Ernst Gödl zu Wort. – Bitte.


0.20.45

Abgeordneter Mag. Ernst Gödl (ÖVP): Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Bundes­minister! Meine geschätzten Damen und Herren! Hohes Haus! Ich darf in aller Kürze ein paar Worte zu Tagesordnungspunkt 21: Rechtsanspruch auf Pflegekarenz, sagen.

Die Pflegekarenz wurde 2013 nach einem Modell ins Gesetz eingefügt, bei dem sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber einigen müssen und eine Vereinbarung schließen müs­sen, wenn Pflegebedarf bei einem nahen Angehörigen in der Familie anfällt. Dann ist mit einer Vereinbarung im Betrieb eine kurzzeitige Auszeit und eine Bezahlung von Pflegekarenzgeld möglich.

Nun gehen wir einen Schritt weiter. Wir wissen, die Pflege ist ein Thema, mit dem wir uns in den vergangenen Sitzungen schon sehr ausführlich befasst haben und auch in der nächsten Legislaturperiode ausführlich befassen werden müssen, um an vielen verschiedenen Rädchen zu drehen, um die Pflege daheim, die stationäre Pflege, die Finanzierung der Pflege und alle Pflegebereiche gesamthaft zu bearbeiten.

Beim vorliegenden Gesetzentwurf geht es darum, dass der Arbeitnehmer unter gewis­sen Voraussetzungen einen Rechtsanspruch erhält, wenn er einen dringenden Pflege­bedarf bei einem nahen Angehörigen hat. Eine Voraussetzung ist, dass dieser Rechts­anspruch nur in Unternehmen gilt, die mehr als fünf angestellte Mitarbeiter haben, weil es natürlich für ein Unternehmen nicht ganz einfach ist, wenn jemand sehr plötzlich als Arbeitskraft ausfällt. Trotzdem ist jetzt unser Kompromiss, den wir gefunden haben, diesen Rechtsanspruch unter diesen Voraussetzungen einzuräumen.

Für das Protokoll und zur Information ein paar Zahlen: Im Jahr 2017 gab es in Öster­reich 2 634 Pflegekarenzgeldbezieher, davon circa 22 Prozent für die Begleitung von schwerkranken Kindern, 21 Prozent für eine Sterbebegleitung, also die sogenannte Fa­milienhospizkarenz – der Vollständigkeit halber: Da gab es jetzt schon einen Rechts-


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anspruch. Und circa 53 Prozent, also circa 1 500 Personen, haben Pflegekarenz auf­grund einer Vereinbarung mit dem Arbeitgeber in Anspruch genommen. In Summe ha­ben wir in Österreich 7,8 Millionen Euro staatlicher Finanzierung für das Pflegekarenz­geld aufgewendet.

Wir beschließen jetzt mit großer Mehrheit oder vielleicht sogar einstimmig diesen ge­setzlichen Anspruch. Das ist ein kleines Mosaiksteinchen in den vielen Bereichen, die wir verbessern müssen, damit Pflege zu Hause und im Allgemeinen besser wird. Sei­tens der Volkspartei haben wir einige Vorschläge für die nächste Legislaturperiode ge­macht, unter anderem auch den Pflege-daheim-Bonus, den wir einführen wollen.

In diesem Sinne hoffe ich auf breite Zustimmung und danke zur späten Stunde für die­ses neue Gesetz. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Rossmann: Das ist zu wenig!)

0.23


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Josef Muchitsch. – Bitte.


0.23.54

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geschätzte Frauen Bundesministerinnen! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der SPÖ ist das Thema Pflege immer ein sehr wichtiges Anliegen, ein Herzensanliegen, und alle Maßnahmen und Verbesserungen im Bereich der Pflege tragen eindeutig eine rote Handschrift.

Warum? – Ich erwähne einige Meilensteine zur Erinnerung: Mit 1. Juli 1993 ist das Pflegegeld eingeführt worden. 2009 haben wir die Übernahme von Beiträgen zur Kran­kenversicherung und im Bereich von Pensionszeiten für pflegende Angehörige be­schlossen. 2011 haben wir den Pflegefonds eingeführt. 2018 haben wir den Pflege­regress bei der Pflege in Pflegeheimen abgeschafft. Das alles waren Maßnahmen un­ter einer SPÖ-geführten Bundesregierung und unter einem SPÖ-Sozialminister.

Umso wichtiger war es für uns, diese Zeit des freien Spiels der Kräfte im Parlament zu nutzen und diesen Antrag einzubringen, weil wir davon überzeugt waren, dass es ohne Kurz und Strache möglich sein wird, eine Mehrheit dafür zu finden, endlich auch einen Rechtsanspruch auf Pflegekarenz und Pflegeteilzeit zustande zu bringen. Ich bedanke mich bei allen politischen Vertretern für die sehr sachlichen und konstruktiven Gesprä­che, und es wird heute ein einstimmiger Beschluss gefasst werden.

Ich darf dazu einen Abänderungsantrag der Abgeordneten Muchitsch, Gödl, Belako­witsch und Holzinger-Vogtenhuber einbringen und ihn vom Inhalt her ergänzend zu den Ausführungen des Abgeordneten Gödl noch einmal ganz kurz erläutern. Der Rechtsanspruch auf Pflegekarenz und Pflegeteilzeit bis zu vier Wochen soll mit 1.1.
2020 für pflegende Angehörige in Betrieben ab fünf Beschäftigten eingeführt werden, die ersten zwei Wochen im Anlassfall ohne Zustimmung des Arbeitgebers. Gibt es in den ersten zwei Wochen kein Zustandekommen einer Vereinbarung, wird der Rechts­anspruch auf zwei weitere Wochen ausgedehnt. Diese Pflegekarenz und Pflegeteilzeit kann natürlich auch durch Vereinbarung über die vier Wochen hinaus ausgeweitet werden. Das Entgelt ist ein Pflegekarenzgeld in der Höhe des Arbeitslosengeldes, das beim Sozialministerium zu beantragen ist. Der Nachweis über die Pflegenotwendigkeit ist beizubringen.

*****

Das ist ein wichtiger Schritt, ein Meilenstein im Bereich der Pflege. Sie wissen, wir als SPÖ haben da, was die Finanzierung betrifft, mit einem Pflegegarantiefonds ganz klare Konzepte vorgelegt, mit Pflegeservicestellen für Auskünfte zur Betreuung vom Anlass­fall beginnend bis zum Abschluss der Pflege. Das sind sehr wichtige Maßnahmen, und


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es ist heute ein guter Tag für alle pflegenden Angehörigen in Österreich. – Vielen Dank für Ihre Unterstützung. (Beifall bei der SPÖ.)

0.26

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Muchitsch, Gödl, Dr. Dagmar Belakowitsch, Holzinger-Vogtenhuber

Kolleginnen und Kollegen

zum Antrag 577/A betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz und das Landarbeitsgesetz 1984 geändert werden

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

1. Artikel 1 Z 1 lautet:

„1. Im § 14c wird folgender Abs. 4a eingefügt:

„(4a) Unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 1 hat der/die Arbeitnehmer/in einen Anspruch auf Pflegekarenz von bis zu zwei Wochen, wenn er/sie zum Zeitpunkt des Antritts der Pflegekarenz in einem Betrieb (§ 34 Arbeitsverfassungsgesetz – ArbVG, BGBI. Nr. 22/1974) mit mehr als fünf Arbeitnehmer/innen beschäftigt ist. Für die Ermitt­lung der Arbeitnehmer/innenzahl ist § 15h Abs. 3 MSchG sinngemäß anzuwenden. So­bald dem/der Arbeitnehmer/in der Zeitpunkt des Beginns der beabsichtigten Pflegeka­renz bekannt ist, hat er/sie dies dem/der Arbeitgeber/in mitzuteilen. Auf Verlangen sind dem/der Arbeitgeber/in binnen einer Woche die Pflegebedürftigkeit der zu pflegenden Person nach Abs. 1 zu bescheinigen und das Angehörigenverhältnis glaubhaft zu ma­chen. Kommt während dieser Pflegekarenz keine Vereinbarung zwischen dem/der Ar­beitnehmer/in und dem/der Arbeitgeber/in über eine Pflegekarenz nach Abs. 1 zu­stande, so hat der/die Arbeitnehmer/in Anspruch auf Pflegekarenz für bis zu weitere zwei Wochen. Die auf Grund des Rechtsanspruchs verbrachten Zeiten der Pflegeka­renz sind auf die gesetzlich mögliche Dauer der vereinbarten Pflegekarenz anzurech­nen. Im Übrigen sind die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 sinngemäß anzuwenden.““

2. Artikel 1 Z 2 lautet:

„2. Im § 14d wird folgender Abs. 4a eingefügt:

„(4a) Unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 1 hat der/die Arbeitnehmer/in einen Anspruch auf Pflegeteilzeit von bis zu zwei Wochen, wenn er/sie zum Zeitpunkt des Antritts der Pflegekarenz in einem Betrieb (§ 34 Arbeitsverfassungsgesetz – ArbVG, BGBI. Nr. 22/1974) mit mehr als fünf Arbeitnehmer/innen beschäftigt ist. Für die Ermitt­lung der Arbeitnehmer/innenzahl ist § 15h Abs. 3 MSchG sinngemäß anzuwenden. So­bald dem/der Arbeitnehmer/in der Zeitpunkt des Beginns der beabsichtigten Pflegeteil­zeit bekannt ist, hat er/sie dies dem/der Arbeitgeber/in mitzuteilen. Auf Verlangen sind dem/der Arbeitgeber/in binnen einer Woche die Pflegebedürftigkeit der zu pflegenden Person nach Abs. 1 zu bescheinigen und das Angehörigenverhältnis glaubhaft zu ma­chen. Kommt während dieser Pflegeteilzeit keine Vereinbarung zwischen dem/der Ar­beitnehmer/in und dem/der Arbeitgeber/in über eine Pflegeteilzeit nach Abs. 1 zu­stande, so hat der/die Arbeitnehmer/in Anspruch auf Pflegeteilzeit für bis zu weitere zwei Wochen. Die auf Grund des Rechtsanspruchs verbrachten Zeiten der Pflegeteil­zeit sind auf die gesetzlich mögliche Dauer der vereinbarten Pflegeteilzeit anzurech­nen. Im Übrigen sind die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 sinngemäß anzuwenden.““


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3. Artikel 1 Z 3 lautet:

„3. Dem § 19 Abs. 1 wird folgende Z 42 angefügt:

„42. § 14c Abs. 4a und § 14d Abs. 4a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBI. I Nr. XXX/2019, treten mit 1. Jänner 2020 in Kraft und gelten für nach dem Inkrafttreten angetretene Pflegekarenzen und Zeiten einer Pflegeteilzeit.““

4. Artikel 2 Z 1 lautet:

„1. (Grundsatzbestimmung) Im § 39w wird nach Abs. 4 folgender Abs. 4a eingefügt:

„(4a) Unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 1 hat der Dienstnehmer einen An­spruch auf Pflegekarenz von bis zu zwei Wochen, wenn er zum Zeitpunkt des Antritts der Pflegekarenz in einem Betrieb (§ 139) mit mehr als fünf Dienstnehmern beschäftigt ist. Für die Ermittlung der Dienstnehmerzahl ist § 105f Abs. 3 sinngemäß anzuwenden. Sobald dem Dienstnehmer der Zeitpunkt des Beginns der beabsichtigten Pflegekarenz bekannt ist, hat er dies dem Dienstgeber mitzuteilen. Auf Verlangen sind dem Dienst­geber binnen einer Woche die Pflegebedürftigkeit der zu pflegenden Person nach Abs. 1 zu bescheinigen und das Angehörigenverhältnis glaubhaft zu machen. Kommt während dieser Pflegekarenz keine Vereinbarung zwischen dem Dienstnehmer und dem Dienstgeber über eine Pflegekarenz nach Abs. 1 zustande, so hat der Dienst­nehmer Anspruch auf Pflegekarenz für bis zu weitere zwei Wochen. Die auf Grund des Rechtsanspruchs verbrachten Zeiten der Pflegekarenz sind auf die gesetzlich mögliche Dauer der vereinbarten Pflegekarenz anzurechnen. Im Übrigen sind die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 sinngemäß anzuwenden.““

5. Artikel 2 Z 2 lautet:

„2. (Grundsatzbestimmung) Im § 39x wird nach Abs. 4 folgender Abs. 4a eingefügt:

„(4a) Unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 1 hat der Dienstnehmer einen An­spruch auf Pflegeteilzeit von bis zu zwei Wochen, wenn der Dienstnehmer zum Zeit­punkt des Antritts der Pflegeteilzeit in einem Betrieb (§ 139) mit mehr als fünf Dienst­nehmern beschäftigt ist. Für die Ermittlung der Dienstnehmerzahl ist § 105f Abs. 3 sinngemäß anzuwenden. Sobald dem Dienstnehmer der Zeitpunkt des Beginns der be­absichtigten Pflegeteilzeit bekannt ist, hat er dies dem Dienstgeber mitzuteilen. Auf Verlangen sind dem Dienstgeber binnen einer Woche die Pflegebedürftigkeit der zu pflegenden Person nach Abs. 1 zu bescheinigen und das Angehörigenverhältnis glaub­haft zu machen. Kommt während dieser Pflegeteilzeit keine Vereinbarung zwischen dem Dienstnehmer und dem Dienstgeber über eine Pflegeteilzeit nach Abs. 1 zu­stande, so hat der Dienstnehmer Anspruch auf Pflegeteilzeit für bis zu weitere zwei Wochen. Die auf Grund des Rechtsanspruchs verbrachten Zeiten der Pflegeteilzeit sind auf die gesetzlich mögliche Dauer der vereinbarten Pflegeteilzeit anzurechnen. Im Übrigen sind die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 sinngemäß anzuwenden.““

6. Artikel 2 Z 3 lautet:

„3. (unmittelbar anwendbares Bundesrecht und Grundsatzbestimmung) Dem § 285 werden folgende Abs. 80 und 81 angefügt:

„(80) (unmittelbar anwendbares Bundesrecht) Die Ausführungsgesetze der Länder zu den §§ 39w Abs. 4a und 39x Abs. 4a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBI. I Nr. XXX/2019 sind binnen sechs Monaten nach dem der Kundmachung folgenden Tag zu erlassen.

(81) (Grundsatzbestimmung) Die Ausführungsgesetzgebung hat vorzusehen, dass die Ausführungsbestimmungen zu den §§ 39w Abs. 4a und 39x Abs. 4a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBI. I Nr. XXX/2019 für nach dem Inkrafttreten des Ausfüh­rungsgesetzes angetretene Pflegekarenzen und Zeiten einer Pflegeteilzeit gilt.““


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Begründung

Mit den Änderungen wird für Arbeitnehmer/innen bei Vorliegen der übrigen Voraus­setzungen nach den §§ 14c Abs. 1 und 14d Abs. 1 AVRAG ein Rechtsanspruch auf Pflegekarenz und/oder Pflegeteilzeit in Betrieben mit mehr als fünf Arbeitnehmer/innen bis zur Dauer von zwei Wochen geschaffen. Unbeschadet des Rechtsanspruchs auf Pflegekarenz und/oder Pflegeteilzeit besteht in Betrieben mit mehr als fünf Arbeitneh­mer/innen auch weiterhin die Möglichkeit der Vereinbarung einer derartigen Maßnah­me. Damit Betriebe die Gelegenheit haben, sich so früh wie möglich auf die Folgen der Pflegekarenz bzw. Pflegeteilzeit einzustellen, hat der/die Arbeitnehmer/in dem/der Ar­beitgeber/in den beabsichtigten Zeitpunkt des Antritts der Pflegekarenz bzw. Pflegeteil­zeit so früh wie möglich bekannt zu geben. Wie beim Anspruch auf Familienhospizka­renz (§ 14a Abs. 2 AVRAG) ist auch beim Anspruch auf Pflegekarenz bzw. Pflegeteil­zeit der Grund für die Freistellung und das Angehörigenverhältnis dem/der Arbeitge­ber/in auf sein/ihr Verlangen schriftlich binnen einer Woche zu bescheinigen bzw. glaub­haft zu machen.

Die Inanspruchnahme der Pflegekarenz und/oder Pflegeteilzeit im Ausmaß von bis zu zwei Wochen steht – im Fall eines längeren Pflege- oder Betreuungsbedarfs – einer Vereinbarung der Pflegekarenz und/oder Pflegeteilzeit nach den §§ 14c Abs. 1 und 14d Abs. 1 AVRAG für den/die selbe/n zu betreuende/n nahe/n Angehörige/n nicht entgegen. Soll die Pflegekarenz und/oder Pflegeteilzeit länger als zwei Wochen dau­ern, so ist grundsätzlich eine Vereinbarung der Pflegekarenz und/oder Pflegeteilzeit nach den §§ 14c Abs. 1 und 14d Abs. 1 AVRAG mit dem/der Arbeitgeber/in notwendig, wobei die in Form des Rechtsanspruchs konsumierten Zeiten einer Pflegekarenz und/oder Pflegeteilzeit auf die Dauer der vereinbarten Pflegekarenz und/oder Pflege­teilzeit anzurechnen sind. Kommt binnen des Zeitraums der Inanspruchnahme einer Pflegekarenz und/oder Pflegkarenz eine entsprechende Vereinbarung über eine Pfle­gekarenz und/oder Pflegeteilzeit nicht zustande, hat der/die Arbeitnehmer/in bei Vorlie­gen der übrigen Voraussetzungen nach den §§ 14c Abs. 1 und 14d Abs. 1 AVRAG ei­nen Rechtsanspruch auf Pflegekarenz und/oder Pflegeteilzeit bis zur Dauer von wei­teren zwei Wochen. Auch in dieser Zeit kann noch eine Verlängerung der Karenz bzw. Teilzeit vereinbart werden. Für die Dauer der auf Rechtsanspruch beruhenden Pflege­karenz bzw. Pflegeteilzeit gebührt Pflegekarenzgeld so, als wäre diese Karenz bzw. Teilzeit vereinbart worden; der Anspruch auf Pflegekarenz bzw. -teilzeit ist Teil des möglichen Gesamtrahmens und wird auf diesen angerechnet.

Diese Änderungen werden im LAG gleichlautend in den §§ 39w Abs. 1 und 39x Abs. 1 LAG umgesetzt. Weiters erfolgen legistische Anpassungen und eine Anpassung des In-Kraft-Tretens. Auch in dieser Zeit kann noch eine Verlängerung der Karenz bzw. Teilzeit vereinbart werden.

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Abänderungsantrag wurde in den Grundzügen erläu­tert, wurde an alle Abgeordneten verteilt und steht daher mit in Verhandlung.

Frau Abgeordnete Dr.in Belakowitsch, Sie gelangen zu Wort. Bitte.


0.27.05

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Frau Präsidentin! Meine Damen auf der Regierungsbank! Werte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Muchitsch, ich habe jetzt versucht, dieser technischen Rede ganz genau zu folgen. Ich weiß nicht, ob die Zuseher um diese Tageszeit für diese technischen Details noch viel Kopf gehabt ha­ben. Eines möchte ich schon ein bisschen klarstellen: Seit Einführung dieser Pflegeka-


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renz im Jahre 2012 haben wir darum gekämpft, dass es auch einen Rechtsanspruch darauf gibt. Wenn du dich jetzt hierher stellst und erklärst, dass ihr immer ein Ver­fechter dessen gewesen seid, dann erblicke ich darin eine gewisse Diskrepanz. Es ist aber wunderschön, dass wir das heute endlich beschließen können, denn ich glaube, dass es notwendig ist, gerade für die pflegenden Angehörigen Erleichterungen zu schaffen, um die Pflege daheim attraktiv zu halten.

Das ist überhaupt ein wesentlicher Punkt. Gerade im Pflegebereich wird ja sehr viel herumgeredet, es wird mit sehr vielen Begrifflichkeiten um sich geworfen, es wird vie­les miteinander vermanscht. Das war jetzt ein wesentlicher und wichtiger Schritt. Ich bin froh, dass wir den geschafft haben. Ich glaube auch, dass es nicht die rote Hand­schrift ist, die diesen Antrag prägt, genauso wie die jährliche Valorisierung des Pfle­gegeldes auf ein Beharren der Freiheitlichen Partei zurückzuführen ist. Das ist notwen­dig gewesen.

Wir sind als soziale Heimatpartei jedenfalls immer da, wo die Menschen sind, und da­her glaube ich auch, dass die Menschen das am 29. September mit ihrer Stimme für die Freiheitliche Partei belohnen werden. (Beifall bei der FPÖ.)

0.28


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Gerald Loa­cker. – Bitte.


0.28.42

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Frau Präsidentin! Geschätzte Damen Bundesministerinnen! Wir unterstützen das Anliegen natürlich auch. Die Angehörigen haben keine Lobby im System, und wenn jetzt an ihre Situation gedacht wird, so ist das zu begrüßen.

Es hat allerdings über diesen Gesetzesvorschlag mit uns jedenfalls kein Gespräch gegeben. Es hat keine Begutachtung gegeben. Es hat keine Ausschusssitzung gege­ben, in der man das debattiert hätte. Ich weiß nicht, welche Experten zugezogen wor­den sind, ich vermute aufgrund der Kurzfristigkeit des umfangreichen Abänderungsan­trages: keine. Da wird es sicher noch zu Nachjustierungen kommen müssen. (Abg. Haubner: Das glaube ich auch!) Es ist schon bedauerlich, in welchem Stil da gear­beitet wird, und das ist nicht das Einzige, das in diesen letzten Tagen des Parlaments irgendwie hingeschludert wird, und das tut einem sehr wichtigen Anliegen leider nicht gut. (Abg. Plessl: Die Schuldenbremse!) Für die Angehörigen wird ein Signal gesetzt, aber Qualität sieht anders aus. (Beifall bei den NEOS.)

0.29

00.29.49


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Dann gelangen wir zur Abstimmung über den im Antrag 577/A der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen enthaltenen Gesetzentwurf.

Hiezu haben die Abgeordneten Muchitsch, Mag. Gödl, Dr.in Belakowitsch, Holzinger-Vogtenhuber, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde daher zunächst über die vom erwähnten Abänderungsantrag betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetz­entwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Muchitsch, Gödl, Belakowitsch, Holzinger-Vogtenhuber, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag betreffend Artikel 1 und 2 eingebracht.


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Wer sich für diesen Abänderungsantrag ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist einstimmig so angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Initiativantra­ges.

Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist ein­stimmig so angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich ersuche um Zustimmung. – Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung einstimmig an­genommen.

00.31.1922. Punkt

Antrag der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Bekenntnis zur Reduktion des Einsatzes chemischer Pflanzen­schutzmittel zum Schutz der Biodiversität und des Wassers bei allen öffentlichen Institutionen, den Anstalten öffentlichen Rechts sowie Unternehmen und Gesell­schaften mit Mehrheitsbeteiligung des Bundes (948/A)(E)

23. Punkt

Antrag der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Förderung der Forschung und Innovation zur Reduktion des Ein­satzes chemischer Pflanzenschutzmittel zum Schutz der Biodiversität und des Wassers (949/A)(E)


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir zu den Tagesordnungspunkten 22 und 23, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Hinsichtlich dieser Anträge wurde dem Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft jeweils eine Frist zur Berichterstattung bis 24. September 2019 gesetzt.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Georg Strasser. – Bitte.


0.32.29

Abgeordneter Dipl.-Ing. Georg Strasser (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wir diskutieren heute einen Antrag der Kollegin Doppelbauer, bei dem es im Entschlie­ßungstext um die Biodiversität, das Wasser, deren Schutz und letztendlich um die Weiterentwicklung des integrierten und nachhaltigen Pflanzenschutzes in Österreich geht. Ich darf gleich am Anfang anmerken, dass wir diesen Antrag unterstützen. Ich möchte jedoch mit einigen Anmerkungen und Gedanken auf den einleitenden Text ein­gehen, sodass wir uns ein bisschen mit Frau Doppelbauer unterhalten können.

Sie argumentieren da ganz am Anfang, dass die biologische Vielfalt ein zentrales um­weltpolitisches und ein zentrales agrarpolitisches Anliegen ist. Das unterstütze ich, das unterschreibe ich. Die Umwelt ist wichtig, aber auch im Sinne der Produktivität der landwirtschaftlichen Produktion ist es notwendig, über Biodiversität zu verfügen, zum Beispiel über Insekten, die dann deine Bäume, deine Pflanzen bestäuben.

Dann erwähnen Sie – und ich nehme das schon als positive Analyse – das Öpul, das schon sehr viel dazu beiträgt, dass wir in Österreich bei allem, was Biodiversität betrifft, auf einem guten Weg sind. Ich verstehe das so. Aber ich habe ein Interview von Ihrer


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Kollegin Gamon gefunden, die sagt, dass die Förderungen für die Bauern gekürzt ge­hören. Gleichzeitig verlangt sie aber von uns mehr Leistungen bei der Biodiversität. Das ist so ähnlich wie die Aussage der Europäischen Kommission, die sagt: weniger Geld für die Landwirtschaft, aber mehr Leistungen. – Das geht nicht ganz zusammen. Da passt der einleitende Text mit der Linie der Kollegin Gamon nicht wirklich zusam­men.

Sie argumentieren – und das haben Sie wirklich sauber gemacht –, wie sich der Pflan­zenschutzmitteleinsatz in Österreich von der Menge her in den letzten fünf bis zehn Jahren, also über einen größeren Zeitraum hinweg verändert hat. Sie analysieren ganz treffend, dass der synthetische Pflanzenschutzmitteleinsatz ziemlich konstant geblie­ben ist. Das ist ein gutes Zeichen und eigentlich ein Zeichen dafür, dass die Anwen­dung in Österreich in einem erträglichen, in einem ordentlichen Rahmen funktioniert.

Dann argumentieren Sie jedoch, dass es Länder gibt, die den entsprechenden Einsatz ganz dramatisch gesenkt haben. Da wird es zum ersten Mal wirklich kritisch, denn da muss man immer schauen, von welcher Basis ausgegangen wird. Auch wenn die Deut­schen den Pflanzenschutzmitteleinsatz um ein Viertel reduziert haben, liegen sie damit immer noch um ein Eckhaus vor uns. Sie argumentieren dann auch, dass die Dänen ihren Pflanzenschutzmitteleinsatz um die Hälfte reduziert haben. Die liegen jetzt mit ih­rem aktuellen Niveau eine Spur unter uns. Folgerichtig sagen Sie dann aber auch, dass die eingesetzte Menge nicht der einzige Indikator ist, wenn es um das Risiko für die Gesundheit der Menschen und Tiere geht.

Damit komme ich zu den Analysen der Ages und habe da ein erfreuliches Ergebnis vorzuweisen – jetzt springe ich zu Lebensmittelanalysen, was Pflanzenschutzmittel­rückstände betrifft; da habe ich eine sehr positive Nachricht –: Wenn man sich die Le­bensmittelanalysen aus den EU-Mitgliedstaaten anschaut, dann liegen 2,4 Prozent die­ser Analysen über einem Grenzwert. Wenn man internationale Proben zieht, dann lie­gen 7,2 Prozent über einem Grenzwert. Wenn man österreichische Proben analysiert, dann liegen bei uns – österreichische Qualität – lediglich 0,6 Prozent der Lebensmittel­analysen über einem Grenzwert. Damit ist die Analyse fix und amtlich bestätigt: Öster­reichische Qualität ist mit Sicherheit sicher. Und mit Sicherheit gehören unsere Le­bensmittel in Österreich zu den saubersten der ganzen Welt. (Beifall bei der ÖVP.)


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr - - Entschuldigung, es tut mir leid. Ich habe geglaubt, das war das Schlusswort. (Abg. Leichtfried: Die Redezeit wäre eh schon aus gewesen!)


Abgeordneter Dipl.-Ing. Georg Strasser (fortsetzend): Kein Problem! – Dann habe ich eine Aussendung der Ages gefunden, Frau Kollegin Doppelbauer, in der steht drin­nen – und das ist dann mein Schlusssatz –: Das größte Risiko – und da reden wir von Obst und Gemüse aus Österreich – ist, zu wenig davon zu essen, weil Obst und Ge­müse und die Lebensmittel in Österreich insgesamt zu den besten weltweit gehören.

Dafür ein großes Dankeschön an unsere Bäuerinnen und Bauern, ein großes Danke­schön an die Lebensmittelverarbeiter und ein großes Dankeschön an die Damen und Herren Konsumentinnen und Konsumenten in Österreich. Wir wissen, wir haben in Ös­terreich bei ihnen einen Stein im Brett, weil die Bindung zwischen Produzenten und Konsumenten in Österreich eine ganz, ganz starke ist. – Danke schön und alles Gute. (Beifall bei der ÖVP.)

0.37


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Erwin Preiner. – Bitte.


0.38.00

Abgeordneter Erwin Preiner (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Kolleginnen und Kollegen! (Der Redner stellt eine Tafel mit der Aufschrift „Klima-


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schutz = Umweltschutz. Heute für Morgen. Für uns alle! Winden am See. Erwin Prei­ner & Team“ auf das Rednerpult. – Abg. Haubner: Schwer zu lesen!) Wir unterstützen sehr gerne die vorliegenden Anträge zur Reduktion des Einsatzes chemischer Pflan­zenschutzmittel.

Ich bringe aber auch einen eigenen Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Erwin Preiner, Kolleginnen und Kollegen

betreffend „deutliche Reduktion von chemisch-synthetischen Pestiziden durch die nächs­te Periode der Gemeinsamen Agrarpolitik 2020+“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich im Rahmen der Verhandlungen zur Aus­gestaltung der nächsten GAP-Periode für 2020+ dafür einzusetzen, dass die Förde­rungen so gestaltet werden, dass die nächste Periode der GAP zu einer deutlichen Reduktion der chemisch-synthetischen Pestizideverwendung europaweit führt.“

*****

Kolleginnen und Kollegen, das Artensterben schreitet hurtig voran. Wir wissen, in den vergangenen zehn Jahren sind eine Million Arten von acht Millionen bereits unwieder­bringlich ausgestorben. In vielen Staaten der EU wird der Pestizideinsatz reduziert. Der Grüne Bericht zeigt, dass gerade in Österreich das Gegenteil der Fall ist. Wir brauchen daher dringend die Umsetzung des Pestizidreduktionsprogramms, auch die Umset­zung eines Insekten- und Bienenschutzprogramms. Des Weiteren mehr Regionalität, mehr Direktvermarktung, auch eine Biowende im wahrsten Sinne des Wortes. Das Burgenland geht da bereits mit gutem Beispiel voran. Und Sie sehen es: Klimaschutz ist Umweltschutz. Ich fordere daher in Zukunft zusätzlich ein eigenes und eigenstän­diges Umweltministerium. (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ. – Abg. Leichtfried: Ein sehr guter Antrag!)

Kolleginnen und Kollegen! Ich kandidiere für die kommenden Nationalratswahlen am Sonntag nicht mehr und scheide daher nach 14-jähriger Tätigkeit als Mandatar aus dem Parlament aus. In dieser Zeit hielt ich im Bundesrat über 20 Reden. Des Weiteren war ich 2009 Präsident des Bundesrates. 2009 war, wie wir wissen, das Be- und Ge­denkjahr anlässlich 20 Jahre Fall des Eisernen Vorhanges in Europa.

Im Rahmen dieser Gedenkveranstaltungen durfte ich einige Male den damaligen Bundespräsidenten Heinz Fischer, aber auch die damalige Nationalratspräsidentin Bar­bara Prammer vertreten.

Auch auf internationaler Bühne nahm ich im Namen der Republik etliche eigene Termi­ne wahr. Sehr positiv in Erinnerung sind mir meine Zusammentreffen mit Lech Wałęsa geblieben, natürlich auch mein Gespräch mit dem damaligen UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon sowie auch ein Staatsbesuch – in Vertretung des damaligen Bundesprä­sidenten Heinz Fischer – in Italien beim damaligen Staatspräsidenten Napolitano.

Werte Kolleginnen und Kollegen! 2010 zog ich in den Nationalrat ein, hielt bis dato 134 Reden, in Summe 160. Der größte Erfolg in meiner Tätigkeit als Sprecher für Landwirtschaft und ländlichen Raum meiner Fraktion war zweifelsohne das Glyphosat­verbot mit Wirksamkeit Jänner 2020. (Beifall bei der SPÖ.)

Besonders in Erinnerung geblieben sind mir auch die Regierungsverhandlungen mit der ÖVP, mit den Kollegen Auer, Schultes und Obernosterer, über dreieinhalb Wochen


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hinweg. Es waren harte, aber fair geführte Verhandlungen – natürlich mit entsprechen­der Bauernschläue seitens der ÖVP.

14 Jahre sind eine lange Zeit, andererseits auch wieder nicht. Ich bin halbwegs gesund über diese 14 Jahre gekommen. Ich hätte diese Legislaturperiode natürlich noch gerne zu Ende geführt, wir wissen aber, aus welchen Gründen es zu vorgezogenen Neu­wahlen kommt.

Nicht ganz ernst genommen wird meiner Meinung nach von manchen Fraktionen – teilweise auch von meiner eigenen – die Problematik Landwirtschaft und ländlicher Raum, da ist das Engagement jedenfalls noch ausbaufähig. Ich bleibe auch zukünftig politisch als Bürgermeister in meiner Heimatgemeinde tätig.

Ich möchte mich bei Ihnen auch für all das, was nicht so hundertprozentig rund ge­laufen ist, entschuldigen, vor allem auch bei meiner Familie. Ich danke für die Geduld und das Verständnis, die mir von meinen Kindern und auch von meiner ehemaligen Gattin trotz meiner oftmaligen Abwesenheit von zu Hause entgegengebracht wurden.

Ich danke auch für die besondere Ehre, das Große Goldene Ehrenzeichen mit Stern der Republik Österreich verliehen bekommen zu haben.

Ich danke weiters all meinen Wählerinnen und Wählern, vor allem auch dafür, dass sie es mir ermöglicht haben, 2013 und 2017 bei den Nationalratswahlen auch ein Vorzugs­stimmenmandat zu erreichen.

Auch bei den Mitarbeitern in meinem Parlamentsklub und in der Parlamentsdirektion möchte ich mich bedanken. Mein besonderer Dank gilt natürlich der Fachfrau für Land­wirtschaft und ländlichen Raum im SPÖ-Parlamentsklub, Gudrun Gruber. – Ein herzli­ches persönliches Dankeschön für dein Engagement! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und FPÖ.)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich wünsche Ihnen allen und allen Kandidaten für den kommenden Wahlsonntag alles Gute. Stellen Sie auch in Zukunft über Par­teigrenzen hinweg das Gemeinsame über das Trennende!

Es lebe mein Heimatbundesland Burgenland! Es lebe die Republik Österreich! – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. Alles Gute! (Allgemeiner Beifall.)

0.43

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Erwin Preiner,

Kolleginnen und Kollegen

betreffend deutliche Reduktion von chemisch-synthetischen Pestiziden durch die nächste Periode der Gemeinsamen Agrarpolitik 2020+

eingebracht im Zuge der Debatte zum Antrag der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Dop­pelbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Förderung der Forschung und Innova­tion zur Reduktion des Einsatzes chemischer Pflanzenschutzmittel zum Schutz der Biodiversität und des Wassers (949/A(E)), TOP 23

Die nächste Periode der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU 2020+ wird zeigen, ob es in Europa gelungen ist, einen gemeinsamen Schulterschluss für mehr Vertei­lungsgerechtigkeit der Fördermittel, mehr Transparenz, Umweltschutz, Klimaschutz, Tierwohl, eine deutliche Pestizide-Reduktion in der landwirtschaftlichen Praxis mit Ver­zicht auf unter anderem Glyphosat und einem Stopp des Artensterbens und des In­sektensterbens, und einen Aufschwung für die ländlichen Regionen zu erreichen.


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Die Bundesregierung - und die Ministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus insbeson­dere - haben hier eine hohe Verantwortung, ihre Aktivitäten bei den Verhandlungen zu den gesetzlichen Grundlagen der GAP 2020+ nicht von Lobbyismus einzelner starker Gruppen einengen zu lassen, sondern mit Weitblick zu agieren.

Das Bewusstsein, dass es sich bei einer GAP-Periode um die Verteilung hoher öffent­licher Steuergelder handelt, ist im Sinne einer gerechten Mittelverteilung und gesamt­gesellschaftlichen Verantwortung vehement einzufordern!

Ob unseren nachfolgenden Generationen giftfreie Lebensmittel zur Verfügung stehen, eine ausreichende Versorgung mit Nahrungsmitteln gegeben ist und ob sie eine Um­welt mit hoher Lebensqualität vorfinden, hängt stark von der nächsten GAP 2020+ ab.

Die gefertigten Abgeordneten stellen daher den

Antrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich im Rahmen der Verhandlungen zur Aus­gestaltung der nächsten GAP-Periode für 2020+ dafür einzusetzen, dass die Förde­rungen so gestaltet werden, dass die nächste Periode der GAP zu einer deutlichen Re­duktion der chemisch-synthetischen Pestizideverwendung europaweit führt.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Auch für Sie alles Gute, Herr Abgeordneter!

Der Entschließungsantrag wurde von Ihnen ordnungsgemäß eingebracht und steht da­her mit in Verhandlung.

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dipl.-Ing.in Karin Doppelbauer. – Bitte.


0.44.00

Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe ZuseherInnen! Wir haben in dieser Legislaturperiode schon oft über den Pflanzenschutz diskutiert, und leider hat sich die Debatte oftmals auf einzelne Mittel, auf einzelne Wirkstoffe beschränkt. Gly­phosat ist ein Beispiel, das uns allen noch in guter Erinnerung ist.

Die großen systemischen Fragen im Pflanzenschutz haben wir uns nicht ausreichend gestellt. Da geht es – zumindest aus meiner Sicht – nicht darum, dass man einzelne Wirkstoffe oder einzelne Mittel herausgreift, die man dann eventuell sogar durch noch schädlichere Mittel ersetzt, sondern es geht darum, wie wir uns die Frage des Pflan­zenschutzes in der Zukunft grundsätzlich vorstellen.

Wir alle wissen es: Mit der Klimaerhitzung, mit weniger Regen beziehungsweise stel­lenweise auch mehr Regen wird es immer schwieriger, und wir müssen uns einfach da­rauf verständigen, dass wir integrierten Pflanzenschutz forcieren, dass wir in For­schung und Entwicklung gehen und dass wir Alternativen finden – Alternativen, die auch möglichst schnell zur Marktreife gebracht und dann eben in den landwirtschaftli­chen Bereich integriert werden können.

Warum ist das Thema so wichtig? – Es ist von meinen Vorrednern schon angespro­chen worden: Es geht um den Biodiversitätsverlust, und der ist besorgniserregend hoch. Seit 1986 ist die Zahl der Wildtiere in Österreich um 70 Prozent gesunken. Da geht es größtenteils um Vögel und Insekten, und dafür gibt es zwei Hauptursachen: Auf der einen Seite ist das der Verlust des Naturraums. Das ist ein ganz wichtiges


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung, 25. und 26. September 2019 / Seite 358

Thema, dessen wir uns in der nächsten Legislaturperiode annehmen müssen. Wir ver­bauen nach wie vor 13 Hektar pro Tag – das ist etwas, das wir wirklich angehen müs­sen, das kann so nicht weitergehen!

Der zweite Grund ist der übermäßige Einsatz von chemisch-synthetischen Pflanzen­schutzmitteln. (Abg. Berlakovich: Da gibt es mehrere Gründe, nicht nur das!) Da sind wir bei jenem Thema, das wir heute schon gehört haben: Die Menge an chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln, die in der Landwirtschaft ausgebracht werden, ändert sich nicht wirklich, die ist im Mittel relativ konstant. Jetzt kann man wie Herr Kollege Strasser sagen, das sei gut – wir glauben, da geht noch sehr viel mehr, wir glauben, da kann es noch zu deutlichen Reduktionen kommen.

Wir brauchen eine Trendwende, und darum geht es auch in meinen zwei Anträgen. Wir haben schon von den Vorrednern gehört, dass es große Unterstützung gibt, das freut mich auch sehr. Meine Anträge handeln im Kern von Forschung und Entwicklung, um Innovation zu fördern, um Österreich in diesem Bereich zum Technologieführer zu machen – es ist vieles vorbereitet, und das können wir auch gut schaffen. Es geht auch darum, dass die Republik bei ihren Beteiligungen als Vorbild vorangeht.

Ich glaube, das sind Anliegen, die wir alle gut unterstützen können, wie wir schon ge­hört haben. Ich meine, das sind Anliegen, die der Unterstützung über Parteigrenzen hinweg bedürfen und, so sehe ich, diese heute auch bekommen. Ich möchte mich da­her ganz herzlich bedanken, dass Sie bei diesen beiden Anträgen mitgehen werden und freue mich auf die weitere Zusammenarbeit. – Danke sehr. (Beifall bei den NEOS.)

0.47

00.47.16


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Berichterstattung ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Ich bitte alle Damen und Herren Abgeordneten, die Plätze einzunehmen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 22: Entschließungs­antrag 948/A(E) der Abgeordneten Dipl.-Ing.in Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Bekenntnis zur Reduktion des Einsatzes chemischer Pflanzenschutzmittel zum Schutz der Biodiversität und des Wassers bei allen öffentlichen Institutionen, den Anstalten öffentlichen Rechts sowie Unternehmen und Gesellschaften mit Mehrheits­beteiligung des Bundes“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich dafür aussprechen, um ein Zeichen der Zu­stimmung. – Das ist einstimmig angenommen. (E 151) (Abg. Nehammer  in Rich­tung Abg. Sobotka –: Ein Pionier! Ein Vorreiter!)

Weiters kommen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 23: Entschlie­ßungsantrag 949/A(E) der Abgeordneten Dipl.-Ing.in Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Förderung der Forschung und Innovation zur Reduktion des Ein­satzes chemischer Pflanzenschutzmittel zum Schutz der Biodiversität und des Was­sers“.

Wer spricht sich hierfür aus? – Auch das ist einstimmig angenommen. (E 152)

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Preiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „deutliche Reduktion von chemisch-syn­thetischen Pestiziden durch die nächste Periode der Gemeinsamen Agrarpolitik 2020+“.

Wer spricht sich für diesen Entschließungsantrag aus? – Das ist mit Mehrheit ange­nommen. (E 153)


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00.49.1624. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Korruptionspräventionssysteme in ausgewählten Bundesministerien (BKA, BMB, BMI, BMLFUW) – Reihe Bund 2017/8 (III-15/679 d.B.)

25. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Stadt Wien Marketing GmbH – Meldeverpflichtung gemäß Parteienge­setz 2012 – Reihe BUND 2017/30 (III-30/680 d.B.)

26. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungsho­fes betreffend Bundestheater-Holding GmbH; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2017/42 (III-42/681 d.B.)

27. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungsho­fes betreffend Versicherungs- und Pensionskassenaufsicht der FMA – Reihe BUND 2017/46 (III-46/682 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungspunkten 24 bis 27, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Hermann Gahr. – Bitte.


0.50.17

Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Frau Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Ich darf ganz kurz noch auf einen Rechnungshofbericht eingehen, in dem es um die Korruptionspräventionssysteme geht. Der Rechnungshof hat vier Ministerien geprüft – das Bundeskanzleramt, das Innenministerium, das Bildungsministerium und das Land­wirtschaftsministerium –, und dabei wurden eben die zur Korruptionsbekämpfung ge­setzten Maßnahmen verglichen, die Ziele bewertet, Risiko- und Schwächeanalysen durchgeführt, die Kommunikation sowie die Weiterentwicklung dieser Maßnahmen durch den Rechnungshof geprüft.

Insgesamt hat es 46 Empfehlungen gegeben, und es hat sich gezeigt, dass es durchaus Lücken gibt. Teilweise wurden nur Teilaspekte erfüllt, speziell was die Schu­lungen betrifft, da gibt es durchaus Nachholbedarf. Keines der vier Bundesministerien führte eine ressortweite Risiko- und Gefährdungsanalyse hinsichtlich der Korruptions­risken durch. Auch in puncto Aufklärung gibt es durchaus Verbesserungsbedarf.

Insgesamt ist auch der Bereich Lobbying überprüft worden. Besonders bemängelt wur­de die Meldung von Nebenbeschäftigungen; die Beurteilung der Zulässigkeit von Ne­benbeschäftigungen oblag in erster Linie den Bediensteten selbst.

Zusammenfassend kann man sagen, dass die Umsetzung von drei Maßnahmen durch­aus eingefordert werden muss: eine ressortweite Risiko- und Gefährdungsanalyse hin­sichtlich der Korruptionsrisken, ergänzende Maßnahmen zur Stärkung des integren Verhaltens und Informationsmaßnahmen im Bereich Lobbying.


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Das ist insgesamt also ein Rechnungshofbericht mit unterschiedlichen Bewertungen, aber es gibt den klaren Auftrag, dieses Thema zukünftig gesamtheitlich zu sehen und die vorhandenen Schwächen auszumerzen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Wö­ginger: Sehr gut!)

0.52


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag.a Ka­rin Greiner. – Bitte.


0.52.36

Abgeordnete Mag. Karin Greiner (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolle­ginnen und Kollegen! Ja, wir haben es schon gehört: Vier Ressorts wurden überprüft. Was hat der Rechnungshof festgestellt? – Generell hat er angemerkt, dass quer durch alle überprüften Ressorts eine flächendeckende Risiko- und Gefährdungsanalyse fehlt. Waren Ziele definiert? – Nein, weder strategische noch organisatorische Ziele; es wa­ren keine Verantwortlichen genannt.

Angesichts der doch sehr fortgeschrittenen Stunde verzichte ich darauf, auf weitere Details einzugehen, nur ganz kurz: Was wurde überprüft? – Geschenkannahme, haben wir gehört, Nebenbeschäftigungen, Vergabe und Beschaffung und etwas, das ich schon hervorheben möchte: Lobbying und Sponsoring. Das ist insofern wichtig, als diese beiden Bereiche doch die Gefahr in sich bergen, dass man sich vom Boden neu­traler Politik wegbewegt und durch Großspender möglicherweise in Abhängigkeitsver­hältnisse gerät. Das Thema Großspender und Politik ist ja in letzter Zeit in der Öffent­lichkeit heftig diskutiert worden. Es darf wirklich kein Anschein erweckt werden, dass Politik käuflich ist.

Eine Empfehlung möchte ich an die zukünftige Regierung aussprechen: Es sollte wirklich von Anfang an ein sehr starker Fokus auf Korruptionsprävention gelegt wer­den, und zwar quer durch alle Ministerien und Ressorts. Es muss eine zentrale ver­antwortliche Person geben, es muss die Organisation angepasst werden. Die für Anti­korruption Verantwortlichen müssen kooperieren, auch im Sinne möglicher Sanktionen. Ich glaube, dass das ganz wichtig ist. Warum betone ich diese Empfehlung so sehr? – Damit den Österreicherinnen und Österreichern ein weiteres Video à la Ibiza erspart bleibt. Das hat sich niemand in Österreich verdient, und ich glaube, mit einer starken Korruptionsprävention kann man das auch vermeiden. (Beifall bei der SPÖ.)

Abschließend möchte ich noch die Gelegenheit ergreifen, mich namens meiner Fraktion bei der Vorsitzenden des Rechnungshofausschusses, Frau Dr. Griss, für die gute Kooperation und für die sachliche Vorsitzführung zu bedanken. Sie wird uns in dieser Funktion und generell im Hohen Haus abhandenkommen. Es war eine gute, wie gesagt, sehr sachliche Zusammenarbeit. – Danke dafür, ich wünsche Ihnen alles Gute. (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

0.55


Präsidentin Doris Bures: Jetzt ist sie zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Abgeordnete Dr.in Irmgard Griss.


0.55.10

Abgeordnete Dr. Irmgard Griss (NEOS): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ja, ich darf diesen meinen letzten Auftritt im Parlament dazu nutzen, mich für das Vertrauen zu bedanken, das Sie mir mit der Wahl zur Vorsitzenden des Rechnungshofausschusses erwiesen haben und mit der Wiederwahl erweisen werden. Es war für mich eine sehr schöne Aufgabe, es gab im Ausschuss eine sehr gute Zusammenarbeit, und ich habe dadurch sehr viel über die österreichische Verwaltung gelernt, ich habe auch die Arbeit im Ausschuss und vor allem auch die Arbeit des Rechnungshofes sehr schätzen ge­lernt.


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Ich darf mich auch sehr für die gute Zusammenarbeit mit der Frau Präsidentin des Rechnungshofes und mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bedanken. Die Frau Präsidentin kann ja heute nicht hier sein, weil sie als Generalsekretärin der Interna­tionalen Konferenz der Rechnungshöfe in Moskau sein muss. Es war immer ein guter Austausch, ein gutes Miteinander, es war immer konstruktiv und informativ, und ich fin­de, das österreichische Parlament kann sehr stolz und froh sein, mit dem Rechnungs­hof ein Organ zu besitzen, das wirklich höchst kompetent, objektiv und unabhängig ist und seine Aufgabe sehr gut erfüllt.

So möchte ich am Schluss meiner Tätigkeit hier im Parlament gerne auch einen Wunsch für die nächste Legislaturperiode aussprechen, und zwar dass endlich jene Änderungen im Rechnungshofgesetz umgesetzt werden, die der Rechnungshof schon lange wünscht; sie werden dazu führen, dass der Rechnungshof seine Aufgabe noch viel besser erfüllen kann. Das muss im ureigensten Interesse des Parlaments liegen. Jeder, der an einer guten Verwaltung interessiert ist, muss alles daran setzen, dass der Rechnungshof seine Aufgabe gut erfüllen kann.

Vielen Dank, dass ich die Gelegenheit hatte, hier zu sein, vielen Dank für die gute Zu­sammenarbeit! Ich darf Ihnen allen im Interesse aller Bürgerinnen und Bürger alles erdenklich Gute für die nächste Legislaturperiode wünschen. – Danke. (Beifall bei NEOS, ÖVP und SPÖ sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

0.57

00.57.51

Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete, Ihnen auch alles Gute!

Zu Wort ist nun niemand mehr gemeldet, damit ist die Debatte geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vor­nehme.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 24: Antrag des Rechnungs­hofausschusses, den Bericht betreffend Korruptionspräventionssysteme in ausgewähl­ten Bundesministerien, III-15 der Beilagen, zur Kenntnis zu nehmen.

Wer spricht sich für die Kenntnisnahme aus? – Das ist einstimmig zur Kenntnis ge­nommen.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 25: Antrag des Rechnungs­hofausschusses, den Bericht betreffend Stadt Wien Marketing GmbH – Meldeverpflich­tung gemäß Parteiengesetz 2012, III-30 der Beilagen, zur Kenntnis zu nehmen.

Wer ist für die Kenntnisnahme? – Auch das ist einstimmig zur Kenntnis genommen.

Tagesordnungspunkt 26: Antrag des Rechnungshofausschusses, den Bericht betref­fend Bundestheater Holding GmbH; Follow-up-Überprüfung, III-42 der Beilagen, zur Kenntnis zu nehmen.

Wer ist für die Kenntnisnahme? – Das ist einstimmig angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 27: Antrag des Rechnungshofausschusses, den Bericht betreffend Versicherungs- und Pensionskas­senaufsicht der FMA, III-46 der Beilagen, zur Kenntnis zu nehmen.

Wer stimmt dem zu? – Das ist auch einstimmig angenommen.

00.59.4128. Punkt

Neuwahl des Hauptausschusses


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir nun zum 28. Punkt der Tagesordnung, und ich übergebe den Vorsitz an den Herrn Präsidenten.



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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka (den Vorsitz übernehmend): Tagesordnungs­punkt 28 befasst sich mit der Neuwahl des Hauptausschusses.

Aufgrund einer Vereinbarung in der Präsidialkonferenz infolge einer dem Präsidenten mitgeteilten Veränderung im Stärkeverhältnis der Klubs soll die Zahl der Mitglieder des Hauptausschusses mit 28 festgelegt werden.

Dies setzt gemäß § 30 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Beschlussfassung durch den Nationalrat voraus.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für den Vorschlag sind, die Mitgliederzahl des Hauptausschusses mit 28 festzusetzen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig.

Demnach entfallen gemäß § 30 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf den Klub der ÖVP 10, auf den Klub der SPÖ 8, auf den Klub der FPÖ 8 Mitglieder, auf den Klub der NEOS 1 und auf den Klub JETZT ebenfalls 1 Mitglied.

Es sind somit aufgrund der mir übermittelten Listen die nachstehenden Abgeordneten gewählt:

vom ÖVP-Klub: Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Michael Hammer, Peter Haubner, Elisa­beth Köstinger, Dr. Reinhold Lopatka, Gabriela Schwarz, Mag. Wolfgang Sobotka, Mag. Michaela Steinacker, Dipl.-Ing. Georg Strasser, August Wöginger;

vom SPÖ-Klub: Ing. Maurice Androsch, Doris Bures, Dr. Johannes Jarolim, Kai Jan Krainer, Mag. Andrea Kuntzl, Mag. Jörg Leichtfried, Dr. Christoph Matznetter, Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc;

vom FPÖ-Klub: Erwin Angerer, Dr. Dagmar Belakowitsch, Dr. Reinhard Eugen Bösch, Dr. Susanne Fürst, Ing. Norbert Hofer, Herbert Kickl, Anneliese Kitzmüller, Pet­ra Steger;

vom Klub der NEOS: Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES;

vom Klub JETZT: Mag. Dr. Wolfgang Zinggl.

Damit sind Wahl und Bestellung der Mitglieder des Hauptausschusses vollzogen.

01.01.2829. Punkt

Neuwahl der Ausschüsse gemäß § 32 Absatz 1 der Geschäftsordnung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen schließlich zum 29. Punkt der Ta­gesordnung.

Entsprechend § 32 Abs. 1 der Geschäftsordnung sind Neuwahlen von bestehenden Ausschüssen durchzuführen, sobald dem Präsidenten mitgeteilte Veränderungen im Stärkeverhältnis der Klubs es erfordern.

In der Präsidialkonferenz wurde die Einigung erzielt, die Ausschussgrößen mit 28 Mit­gliedern und Ersatzmitgliedern beziehungsweise mit 23 Mitgliedern und Ersatzmitglie­dern festzulegen.

Ich werde daher zunächst die Neuwahl der zukünftigen 28er-Ausschüsse und anschlie­ßend die Neuwahl der zukünftigen 23er-Ausschüsse vornehmen.

Nach Beratung in der Präsidialkonferenz besteht Einvernehmen, folgende Ausschüsse neu zu wählen:

Ausschuss für Arbeit und Soziales

Budgetausschuss


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Ausschuss für innere Angelegenheiten

Rechnungshofausschuss

Umweltausschuss

Unterrichtsausschuss

Verfassungsausschuss.

Einvernehmlich wird weiters vorgeschlagen, gemäß § 32 Abs. 1 der Geschäftsordnung die Zahl der Mitglieder und Ersatzmitglieder dieser Ausschüsse mit jeweils 28 festzu­setzen.

Daraus ergibt sich folgende Aufteilung auf die Klubs: je 10 Mitglieder und Ersatzmit­glieder von der ÖVP, je 8 von SPÖ und FPÖ, je 1 Mitglied und Ersatzmitglied von NEOS und JETZT.

Wir kommen zur Abstimmung über diese Vorschläge.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein Zeichen der Zustim­mung. – Das ist einstimmig angenommen.

Weiters besteht nach Beratung in der Präsidialkonferenz Einvernehmen, folgende Aus­schüsse neu zu wählen:

Außenpolitischer Ausschuss

Ausschuss für Bauten und Wohnen

Ausschuss für Familie und Jugend

Finanzausschuss

Ausschuss für Forschung, Innovation und Technologie

Geschäftsordnungsausschuss

Gesundheitsausschuss

Gleichbehandlungsausschuss

Immunitätsausschuss

Justizausschuss

Ausschuss für Konsumentenschutz

Kulturausschuss

Landesverteidigungsausschuss

Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft

Ausschuss für Menschenrechte

Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen

Sportausschuss

Tourismusausschuss

Unvereinbarkeitsausschuss

Verkehrsausschuss

Volksanwaltschaftsausschuss

Ausschuss für Wirtschaft, Industrie und Energie

Wissenschaftsausschuss.


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Weiters wird wiederum einvernehmlich vorgeschlagen, gemäß § 32 Abs. 1 der Ge­schäftsordnung die Zahl der Mitglieder und Ersatzmitglieder dieser Ausschüsse mit je­weils 23 festzusetzen.

Daraus ergibt sich folgende Aufteilung auf die Klubs: Je 8 Mitglieder und Ersatzmitglie­der von der ÖVP, je 7 von SPÖ und FPÖ, 1 Mitglied und Ersatzmitglied von den NEOS.

Wir kommen zur Abstimmung über diese Vorschläge.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein Zeichen der Zustim­mung. – Das ist einstimmig, angenommen.

Die Namen der von den Klubs dem Präsidenten als Mitglieder beziehungsweise Er­satzmitglieder bekannt gegebenen und damit als gewählt geltenden Abgeordneten werden im Stenographischen Protokoll angeführt.

*****

(Die Namen der Mitglieder und Ersatzmitglieder sowie ihre Funktionen sind im Internet unter www.parlament.gv.at – Parlament aktiv>Ausschüsse abrufbar.)

*****

Die Tagesordnung ist erschöpft.

01.04.32Abstimmung über Fristsetzungsanträge


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Mag. Lettenbichler, dem Verkehrsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 992/A eine Frist bis zum 27. September 2019 zu setzen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Mag. Stefan, Kolle­ginnen und Kollegen, dem Verfassungsausschuss zur Berichterstattung über den An­trag 868/A eine Frist bis zum 27. September 2019 zu setzen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Mölzer, Kolleginnen und Kollegen, dem Unterrichtsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 1023/A eine Frist bis zum 27. September 2019 zu setzen. – Das ist die Minderheit, abge­lehnt.

01.05.27Einlauf


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf bekannt geben, dass in der heutigen Sit­zung die Selbständigen Anträge 1026/A(E) bis 1029/A(E) eingebracht worden sind.

*****

Ich darf darauf aufmerksam machen, dass im Anschluss an die Sitzung die Aus­schusskonstituierungen vorzunehmen sind.


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01.05.44Schlussansprache des Präsidenten


1.05.45

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bevor ich die Sitzung schließe – ich weiß, dass die Zeit fortgeschritten ist –, darf ich am Ende der Gesetzgebungsperiode noch ein paar Gedanken ausführen. Ich habe meine Rede von 2 Stunden stark gekürzt (allge­meine Heiterkeit) – Sie sind noch munter! –, und ich darf – auch im Namen meiner Kollegin Präsidentin Bures; Frau Präsidentin Kitzmüller hat sich ja bereits bedankt und verabschiedet – nur mit einigen wenigen Anmerkungen schließen.

Erstens möchte ich anmerken: Wir dürfen, glaube ich, ausdrücklich alle miteinander stolz sein – zu gleicher Zeit hat, wenn Sie es beobachtet haben, in England das Un­terhaus getagt – auf das, was der österreichische Nationalrat in dieser Gesetzgebungs­periode geleistet hat, wie selbstständig er agiert hat. Wir haben eine starke, eine sta­bile Demokratie. Lassen wir uns das von niemandem schlechtreden! Wenn wir daran glauben und daran festhalten, dann hat die österreichische Bevölkerung auch Vertrau­en in uns. Wenn wir diesen Mut nicht aufbringen und nicht mutig sind, dann wird auch die Bevölkerung dieses Vertrauen in die Demokratie, in den Rechtsstaat und schluss­endlich auch in unsere Rechtsordnung nicht haben.

Das Zweite ist: Ich glaube, wir können festhalten, dass wir ungeheuer fleißig gewesen sind, und das sind Sie alle, meine Kolleginnen und Kollegen, in den Ausschüssen und vor allem in den Untersuchungsausschüssen gewesen. Mich hat insbesondere die Be­merkung des im Untersuchungsausschuss tätigen Verfahrensrichters begeistert, der gesagt hat, er habe gar nicht gewusst, wie viel Arbeit die Abgeordneten zu leisten ha­ben und wie sie sie leisten. – Es sollte Sie und uns alle wirklich stolz machen, welchen Fleiß wir an den Tag legen: draußen in den jeweiligen Bezirken, wo wir als Abgeord­nete gewählt sind, aber auch hier im Parlament, in der Vorbereitung. Man hat heute am Beispiel des Ökostromgesetzes gesehen, wie die Bereichssprecher, wenn man koope­riert, gemeinsam etwas wirklich Großes für diese Republik voranbringen.

Zum Schluss: ein herzliches Dankeschön! Ich glaube, wir alle dürfen ein Dankeschön an die Bediensteten der Parlamentsdirektion richten, und zwar angefangen bei den Portieren in der Portierloge, deren Freundlichkeit die Visitenkarte nach außen ist, bis hin zum Parlamentsdirektor. In dieses Dankeschön möchte ich alle Mitarbeiter, gerade auch jene im Nationalratsdienst, die mit ihrer Exaktheit, mit ihrer Präzision wirklich ei­nen Maßstab für die Parlamentsverwaltung setzen, miteinschließen. Ich glaube, sie alle haben sich einen großen Applaus verdient. (Allgemeiner Beifall.)

Ich möchte mich – und auch Präsidentin Bures hat das ausdrücklich erwähnt – ganz herzlich bei den Kollegen und Kolleginnen in der Präsidiale bedanken. Ich glaube, wir haben viel diskutiert, wir haben kontroversiell diskutiert, wir haben aber immer wieder eine gemeinsame Linie gefunden. Ich selbst habe auch vieles lernen dürfen, ich habe vieles erfahren, und wenn ich den einen oder anderen in dieser Form vielleicht über­fordert habe oder ihm nicht mit dem nötigen Respekt begegnet bin, so bitte ich, dies zu entschuldigen. Ich glaube aber, wir alle waren von dem Gedanken getragen, dass wir letzten Endes Gemeinsames zustande bringen – für diese Republik, der wir verpflichtet sind.

Ich bedanke mich ganz ausdrücklich bei den parlamentarischen Mitarbeitern, die so vieles für uns aufbereitet haben. Ich darf mich weiters bei den Mitarbeitern der Klubs, bei den Klubdirektoren, die die Präsidiale vorbereiten, bedanken. Ich bedanke mich ausdrücklich auch bei den Klubobleuten und allen, die dazu beigetragen haben, dass der Ablauf unserer Sitzungen so reibungslos funktioniert. – Vielen herzlichen Dank! (Allgemeiner Beifall.)

Schlussendlich: Es haben sich – das ist heute schon zum Ausdruck gebracht worden – einige Kollegen und Kolleginnen von uns verabschiedet, die in der XXVII. Gesetzge-


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bungsperiode hier vielleicht nicht mehr vertreten sein werden. Es muss immer wieder Zeit sein für den menschlichen Kontakt, auch Zeit sein, in diesem Haus das Persön­liche erleben zu dürfen. Es ist ein Merkmal der österreichischen Kultur, trotz aller Un­terschiedlichkeit immer wieder auch diesen menschlichen Zugang zueinander zu fin­den. Darum hat es mich sehr erfreut, dass sich heute viele Abgeordnete auf ihre ganz persönliche Art verabschiedet haben. Ihnen wünsche ich, dass sie diese Zeit in guter Erinnerung behalten, ihnen wünsche ich, dass sie die Begegnung mit den weiterhin aktiven Mandataren des Nationalrates – und da schließe ich auch den Bundesrat mit ein – immer wieder freudvoll erleben. Ihnen wünsche ich, jetzt mehr Freizeit und mehr Zeit zur persönlichen Gestaltung zur Verfügung zu haben.

Ich darf allen, die sich in dieser Zeit in der Ausschussarbeit, in der Parlamentsarbeit eingebracht haben, also allen meinen 182 Kolleginnen und Kollegen auch im Namen von Präsidentin Bures ein herzliches Dankeschön für das Gemeinsame, das Miteinan­der sagen. Es ist ein starkes Zeichen, dass man trotz mitunter auch schwieriger Si­tuationen immer wieder das Gemeinsame voranstellt, und das ist in den letzten Sitzun­gen immer wieder zutage getreten. Darauf dürfen wir, so glaube ich, auch mit Freude zurückblicken. Von diesem Geist sollten auch die letzten noch verbleibenden Tage – es sind noch drei Tage und ein paar Stunden, bis die ersten Wahllokale schließen – getragen sein.

Ich habe Präsidentin Kitzmüller nicht vergessen. Sie selbst hat sich von dieser Stelle aus schon bedankt und verabschiedet, und selbstverständlich ist sie als Mitglied der Präsidiale in meinem Dank inkludiert gewesen. Das möchte ich noch einmal ausdrück­lich feststellen, weil das sonst vielleicht zu einem Missverständnis führt.

Es wird auch den 30. September und die Tage danach geben, und da wollen wir das eigentlich auch so weiterführen, wie wir das jetzt zum Schluss haben erleben dürfen. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen für die kommende Zeit alles Gute. (Allgemeiner Bei­fall.)

1.12

*****

01.12.23


Bevor ich diese Sitzung schließe, gebe ich noch bekannt, dass im Anschluss an diese Sitzung hier im Sitzungssaal des Nationalrates die Konstituierung von Ausschüssen stattfindet. Da es sich hierbei um nicht öffentliche Sitzungen handelt, ersuche ich, den Livestream zu beenden, und bitte eventuell noch anwesende Besucherinnen und Be­sucher und Medienvertreter, den Saal zu verlassen.

Die Sitzung ist geschlossen.

01.12.42Schluss der Sitzung: 1.12 Uhr

Impressum:

Parlamentsdirektion

1017 Wien