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Plenarsitzung
des Nationalrates


Stenographisches Protokoll

 

32. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

Dienstag, 26., Mittwoch, 27., Donnerstag, 28., und Freitag, 29. Mai 2020

 

XXVII. Gesetzgebungsperiode

 

 

 

Großer Redoutensaal

 


Stenographisches Protokoll

32. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXVII. Gesetzgebungsperiode

Dienstag, 26., Mittwoch, 27., Donnerstag, 28., und Freitag, 29. Mai 2020

Dauer der Sitzung

                                               Dienstag, 26. Mai 2020: 9.06 – 23.22 Uhr

                                               Mittwoch, 27. Mai 2020: 9.05 – 20.06 Uhr

                                        Donnerstag, 28. Mai 2020: 9.05 – 19.22 Uhr

                                                  Freitag, 29. Mai 2020: 8.34 –   9.17 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Ausländerbeschäftigungsgesetz, das Arbeits­marktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, das Bauar­beiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetz, das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abferti­gungsgesetz, das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Beamten-Dienstrechtsge­setz 1979, das Gehaltsgesetz 1956 und das Umweltförderungsgesetz geändert werden (Budgetbegleitgesetz 2020)

2. Punkt: Bericht über den Antrag 537/A der Abgeordneten Gabriel Obernosterer, Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Umsatzsteuergesetz 1994 und das Schaumweinsteuergesetz 1995 geändert werden (19. COVID-19-Gesetz)

3. Punkt: Bericht über den Antrag 538/A der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bun­desgesetz über die Bilanzbuchhaltungsberufe geändert wird (21. COVID-19-Gesetz)

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Bundesabgabenordnung, das Finanzstrafgesetz, das Bundesgesetz über die personellen Maßnahmen aufgrund der Modernisierung der Steuer- und Zollverwaltung, das Bundesgesetz über die Prüfung lohnabhängiger Abga­ben und Beiträge, das Bundesgesetz über die Schaffung eines Amtes für Betrugsbe­kämpfung, das Alkoholsteuergesetz, das Amtshilfe-Durchführungsgesetz, das Boden­schätzungsgesetz 1970, das Digitalsteuergesetz 2020, das Einkommensteuerge­setz 1988, das Finanzprokuraturgesetz, das Gebührengesetz 1957, das Glücksspielge­setz, das Kommunalsteuergesetz 1993, das Kontenregister- und Konteneinschauge­setz, das Kraftfahrzeugsteuergesetz, das Normverbrauchsabgabegesetz, das Punzie­rungsgesetz 2000, das Zollrechts-Durchführungsgesetz, das Allgemeine Sozialversi­cherungsgesetz, das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz und das Lohn- und


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 2

Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz geändert werden (2. Finanz-Organisationsreform­gesetz – 2. FORG)

5. Punkt: Bericht über den Antrag 452/A(E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppel­bauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Transparenz im Budget

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzrahmengesetz 2020 bis 2023 erlas­sen wird – BFRG 2020-2023

7. Punkt: Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2020 (Bundesfinanzgesetz 2020 – BFG 2020) samt Anlagen

*****

Inhalt

Personalien

Verhinderungen ....................................................................................  30, 306, 506, 703

Geschäftsbehandlung

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z 2 GOG              31, 306, 506

Wortmeldung des Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried betreffend Anwesenheit des Bundeskanzlers Sebastian Kurz zu Beginn der Dringlichen Anfrage .................................................... 144

Unterbrechung der Sitzung ......................................  305, 435, 436, 505, 508, 701, 702

Wortmeldungen betreffend angekündigten Abänderungsantrag beziehungsweise Anwesenheit des Bundesministers für Finanzen:

Mag. Jörg Leichtfried .......................................................  433, 435, 437, 506, 509, 510

Dr. Nikolaus Scherak, MA ......................................................................................... 434

Erwin Angerer ...................................................................................  434, 437, 508, 510

August Wöginger ..............................................................................  434, 435, 507, 509

Abgeordnete Sigrid Maurer, BA ......................................................................  436, 508

Mag. Gerald Loacker .................................................................................................. 509

Antrag des Abgeordneten Erwin Angerer im Sinne des § 18 Abs. 3 GOG auf Anwesenheit des Bundesministers für Finanzen – Ablehnung .......................................................  434, 437

Wortmeldung der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch betreffend eine der Würde des Hauses entsprechende Wortwahl ............................................................................................. 583

Antrag der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kol­legen, den Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (55 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2020 (Bundesfinanzgesetz 2020 – BFG 2020) samt Anlagen (183 d.B.), gemäß § 53 Abs. 6 Z 2 GOG an den Budgetausschuss rückzuverweisen – Ablehnung           57, 698

Antrag der Abgeordneten Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen, den Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (56 und Zu 56 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem das Bundesfinanzrahmengesetz 2020 bis 2023 erlassen wird – BFRG 2020-2023 (182 d.B.), an den Budgetausschuss rückzuverweisen – Ablehnung ..............................................  698, 698


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Antrag des Abgeordneten Kai Jan Krainer auf Vertagung der dritten Lesung über den Entwurf des Bundesfinanzgesetzes 2020 samt Anlagen in 183 d.B. gemäß § 74 Abs. 1 GOG sowie auf Durchführung einer Debatte gemäß § 59 Abs. 2 GOG – Zurückziehung .................................  700, 701

Ersuchen des Abgeordneten August Wöginger um Sitzungsunterbrechung .......... 701

Wortmeldungen zur Geschäftsbehandlung nach Abhaltung einer Stehpräsidiale:

Kai Jan Krainer ........................................................................................................... 701

August Wöginger ....................................................................................................... 701

Mitteilung der Präsidentin Doris Bures über weitere Vorgehensweise betreffend Abstimmung über Tagesordnungspunkt 7 ................................................................................................ 702

Antrag der Abgeordneten Gabriel Obernosterer, Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 74 Abs. 2 GOG auf Behebung von Widersprü­chen, die sich bei der Beschlussfassung in zweiter Lesung über Tagesordnungs­punkt 7 ergeben haben – Annahme ....  703, 708

Antrag der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES gemäß § 74 Abs. 3 GOG auf Durchführung einer Debatte über den Antrag auf Behebung von Wider­sprüchen – Annahme      703, 703

RednerInnen:

Kai Jan Krainer ........................................................................................................... 704

Mag. Andreas Hanger ................................................................................................ 704

MMag. DDr. Hubert Fuchs ......................................................................................... 705

Sigrid Maurer, BA ....................................................................................................... 706

Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES ............................................................................ 707

Verlesung der vorgesehenen Fassung eines Teiles des Amtlichen Protokolls die­ser Sitzung durch Präsident Mag. Wolfgang Sobotka ........................................................................... 715

Genehmigung des verlesenen Teiles des Amtlichen Protokolls ................................ 716

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ................................................................................................... 506

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 30

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen an den Bun­deskanzler betreffend „Es braucht echte Hilfe statt leerer Versprechen – das Ver­sagen der Kurz-Regierung bei der Bekämpfung der wirtschaftlichen und sozialen Krisen-Folgen“ (2064/J) .......................................... 137

Begründung: Mag. Jörg Leichtfried ........................................................................... 144

Bundeskanzler Sebastian Kurz ................................................................................ 147

Debatte:

Peter Wurm (tatsächliche Berichtigung) ..................................................................... 153

Alois Stöger, diplômé (tatsächliche Berichtigung) .................................................... 153

Mag. Gerald Loacker (tatsächliche Berichtigung) ...................................................... 153

Dr. Christoph Matznetter ........................................................................................... 154


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August Wöginger ....................................................................................................... 155

Michael Schnedlitz ..................................................................................................... 158

Sigrid Maurer, BA ....................................................................................................... 161

Mag. Gerald Loacker .................................................................................................. 163

Ing. Reinhold Einwallner ........................................................................................... 165

Peter Haubner ............................................................................................................. 169

Dr. Dagmar Belakowitsch .......................................................................................... 170

Ralph Schallmeiner .................................................................................................... 174

Josef Schellhorn ........................................................................................................ 175

Eva Maria Holzleitner, BSc ........................................................................................ 177

Mag. Dr. Maria Theresia Niss, MBA .......................................................................... 181

Wolfgang Zanger ........................................................................................................ 183

Dr. Elisabeth Götze .................................................................................................... 184

Henrike Brandstötter ................................................................................................. 185

Maximilian Lercher ..................................................................................................... 187

Dipl.-Ing. Georg Strasser ........................................................................................... 188

Mag. Gerald Hauser ................................................................................................... 189

Mag. Eva Blimlinger ................................................................................................... 191

Dr. Helmut Brandstätter ............................................................................................. 192

Michael Bernhard ....................................................................................................... 194

Mag. Karin Greiner ..................................................................................................... 195

Entschließungsantrag der Abgeordneten Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Amnestie für ,Corona-Sünder‘“ – Ablehnung ....................................................  160, 196

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ein Amnestiegesetz im Zusammenhang mit der zum Teil frag­würdigen bzw. unverhältnismäßigen Vollziehung der COVID-19 Gesetzgebung“ – Ablehnung ..................................  166, 196

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schluss mit der allgemeinen COVID-19-Maskenpflicht in Österreich“ – Ablehnung  172, 196

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sofortige Rettung österreichischer Arbeitsplätze und KMUs“ – Ablehnung .....  179, 196

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (71 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Ausländerbeschäftigungsgesetz, das Arbeitsmarkt­politik-Finanzierungsgesetz, das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, das Bauar­beiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetz, das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfer­tigungsgesetz, das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Beamten-Dienst­rechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956 und das Umweltförderungsgesetz ge­ändert werden (Budgetbegleitgesetz 2020) (175 d.B.) .......................................................................... 33

2. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 537/A der Abgeordne­ten Gabriel Obernosterer, Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Umsatzsteuergesetz 1994 und das Schaumweinsteuergesetz 1995 geändert wer­den (19. COVID-19-Gesetz) (184 d.B.)      3


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3. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 538/A der Abgeord­neten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Bilanzbuchhaltungsberufe geändert wird (21. COVID-19-Gesetz) (185 d.B.)      33

4. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (110 d.B.): Bundesgesetz, mit dem die Bundesabgabenordnung, das Finanzstrafgesetz, das Bundesgesetz über die personellen Maßnahmen aufgrund der Modernisierung der Steuer- und Zollverwaltung, das Bundesgesetz über die Prüfung lohnabhängiger Abgaben und Beiträge, das Bundesgesetz über die Schaffung eines Amtes für Betrugsbekämpfung, das Alkoholsteuergesetz, das Amtshilfe-Durchführungsge­setz, das Bodenschätzungsgesetz 1970, das Digitalsteuergesetz 2020, das Ein­kommensteuergesetz 1988, das Finanzprokuraturgesetz, das Gebührenge­setz 1957, das Glücksspielgesetz, das Kommunalsteuergesetz 1993, das Konten­register- und Konteneinschaugesetz, das Kraftfahrzeugsteuergesetz, das Norm­verbrauchsabgabegesetz, das Punzierungsgesetz 2000, das Zollrechts-Durchfüh­rungsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Bauarbeiter-Ur­laubs- und Abfertigungsgesetz und das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsge­setz geändert werden (2. Finanz-Organisationsreformgesetz – 2. FORG) (173 d.B.)                                                     33

5. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 452/A(E) der Abgeord­neten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Trans­parenz im Budget (174 d.B.)    33

RednerInnen:

Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc .................................................................................. 34

August Wöginger ......................................................................................................... 36

MMag. DDr. Hubert Fuchs ........................................................................................... 38

Sigrid Maurer, BA ......................................................................................................... 40

Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES .............................................................................. 42

Bundesminister Mag. Gernot Blümel, MBA .............................................................. 45

Gabriel Obernosterer ................................................................................................... 47

Kai Jan Krainer ............................................................................................................. 48

Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA ....................................................................................... 50

Dr. Dagmar Belakowitsch ............................................................................................ 51

Karlheinz Kopf .............................................................................................................. 53

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer ...................................................................................... 54

August Wöginger (tatsächliche Berichtigung) ............................................................. 57

Mag. Markus Koza ........................................................................................................ 57

Dr. Christoph Matznetter ............................................................................................. 59

Angela Baumgartner .................................................................................................... 63

Dr. Susanne Fürst ........................................................................................................ 63

Lukas Hammer .............................................................................................................. 65

Josef Schellhorn .......................................................................................................... 66

Gabriela Schwarz ......................................................................................................... 68

Gabriele Heinisch-Hosek ............................................................................................. 71

Barbara Neßler .............................................................................................................. 72

Erwin Angerer ............................................................................................................... 73

Ing. Klaus Lindinger, BSc ............................................................................................ 75

Michael Bernhard ......................................................................................................... 78

Dr. Elisabeth Götze ...................................................................................................... 79

Julia Elisabeth Herr ...................................................................................................... 80

Dr. Werner Saxinger, MSc ........................................................................................... 81

Mag. Gerhard Kaniak ................................................................................................... 82

Maximilian Köllner, MA ................................................................................................ 83

Hermann Brückl, MA .................................................................................................... 84


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Mag. Jörg Leichtfried ............................................................................................  86, 95

Mag. Gerald Hauser ..................................................................................................... 87

Mag. Andreas Hanger .................................................................................................. 90

Mag. Hannes Amesbauer, BA ..................................................................................... 91

Dr. Christoph Matznetter (tatsächliche Berichtigung) ................................................. 92

MMMag. Dr. Axel Kassegger ....................................................................................... 93

Andreas Ottenschläger ................................................................................................ 94

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc, Kol­leginnen und Kollegen betreffend „Österreich braucht das größte Investitions- und Beschäftigungspaket in der Geschichte der zweiten Republik“ – Ablehnung ..............................................................................  60, 96

Entschließungsantrag der Abgeordneten Erwin Angerer, Kolleginnen und Kol­legen betreffend „Österreich-Gutschein“ – Ablehnung ......................................................................  74, 96

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Echte Hilfe für die Gastronomie“ – Ablehnung ......................................................  88, 96

Annahme der vier Gesetzentwürfe in 175, 184, 185 und 173 d.B. ............................... 95

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 174 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend „Transparenz im Budget“ (36/E) .................................................................................... 95

Gemeinsame Beratung über

6. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (56 und Zu 56 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzrahmengesetz 2020 bis 2023 erlassen wird – BFRG 2020-2023 (182 d.B.) ............................................................................................................... 97

7. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (55 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2020 (Bundesfinanzgesetz 2020 – BFG 2020) samt Anlagen (183 d.B.) ......................................................................................................... 97

UG 01: Präsidentschaftskanzlei; UG 02: Bundesgesetzgebung; UG 03: Verfas­sungsgerichtshof; UG 04: Verwaltungsgerichtshof; UG 05: Volksanwaltschaft; UG 06: Rechnungshof; UG 10: Bundeskanzleramt; UG 17: Öffentlicher Dienst und Sport ............................................................................ 97

RednerInnen:

Mag. Thomas Drozda ................................................................................................... 98

Mag. Wolfgang Gerstl .................................................................................................. 99

Christian Lausch ........................................................................................................ 100

Dr. Astrid Rössler ....................................................................................................... 103

Dr. Nikolaus Scherak, MA ......................................................................................... 104

Bundesministerin MMag. Dr. Susanne Raab .......................................................... 108

Mag. Ernst Gödl .......................................................................................................... 110

Mag. Selma Yildirim ................................................................................................... 111

David Stögmüller ........................................................................................................ 113

Mag. Philipp Schrangl ................................................................................................ 114

Mag. Friedrich Ofenauer ............................................................................................ 115

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff .............................................................................. 116

Mag. Faika El-Nagashi ............................................................................................... 118

Mag. Karin Greiner ..................................................................................................... 119

Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich ................................................................................ 120

Mag. Gerald Loacker .................................................................................................. 121

Dipl.-Ing. Olga Voglauer ............................................................................................ 121

Mag. Christian Drobits ............................................................................................... 122


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 7

Hermann Gahr ............................................................................................................ 123

Wolfgang Zanger ........................................................................................................ 124

Rechnungshofpräsidentin Dr. Margit Kraker .......................................................... 127

Mag. Eva Blimlinger ................................................................................................... 128

Henrike Brandstötter ................................................................................................. 129

Vizekanzler Mag. Werner Kogler .....................................................................  130, 205

Christoph Zarits .......................................................................................................... 133

Nurten Yılmaz ............................................................................................................. 134

Mag. Agnes Sirkka Prammer .................................................................................... 135

Petra Steger ................................................................................................................ 136

Martina Diesner-Wais ................................................................................................. 200

Yannick Shetty ............................................................................................................ 201

Johann Singer ............................................................................................................ 208

Maximilian Köllner, MA .............................................................................................. 209

Karl Schmidhofer ....................................................................................................... 210

Edith Mühlberghuber ................................................................................................. 210

Rudolf Silvan .............................................................................................................. 211

Volksanwalt Werner Amon, MBA ............................................................................. 212

Alois Kainz .................................................................................................................. 214

Christian Hafenecker, MA .......................................................................................... 214

Entschließungsantrag der Abgeordneten Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ein freiheitliches Maßnahmenpaket für öffentlich-rechtlich Be­dienstete im Sicherheitsbereich“ – Ablehnung ..............................................................................................................................  101, 708

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „zusätzliche finanzielle Mittelausstattung des Verfas­sungsgerichtshofs“ – Ablehnung               106, 708

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „zusätzliche finanzielle Mittelausstattung des Verwal­tungsgerichtshofs“ – Ablehnung               107, 708

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Einsparung der Inszenierungsmillion des Bundeskanz­lers“ – Ablehnung ........  112, 709

Entschließungsantrag der Abgeordneten Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ausweitung der Prüfkompetenz des Rechnungshofes“ – Ab­lehnung ..............  126, 709

Entschließungsantrag der Abgeordneten Petra Steger, Kolleginnen und Kol­legen betreffend „Turnunterricht ermöglichen und Sportstätten öffnen“ – Ableh­nung ..................  198, 709

Entschließungsantrag der Abgeordneten Petra Steger, Kolleginnen und Kol­legen betreffend „finanzielle Soforthilfe für den Sport“ – Ablehnung .............................................  198, 709

Entschließungsantrag der Abgeordneten Yannick Shetty, Kolleginnen und Kol­legen betreffend „Breitensport retten! Maßgeschneiderte Lösungen für KMUs und EPUs jetzt umsetzen“ – Ablehnung     203, 709

Entschließungsantrag der Abgeordneten Christian Hafenecker, MA, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend „COVID-19-Transparenzpaket“ – Ablehnung                                               216, 709

UG 32: Kunst und Kultur .............................................................................................. 217

RednerInnen:

Mag. Thomas Drozda ................................................................................................. 217


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 8

Mag. Eva Blimlinger ................................................................................................... 218

Ing. Mag. Volker Reifenberger .................................................................................. 219

Maria Großbauer ......................................................................................................... 222

Josef Schellhorn ........................................................................................................ 223

Hermann Weratschnig, MBA MSc ............................................................................ 224

Katharina Kucharowits .............................................................................................. 226

Mag. Martin Engelberg ............................................................................................... 229

Hermann Brückl, MA .................................................................................................. 229

Mag. Dr. Rudolf Taschner .......................................................................................... 232

Mag. Ruth Becher ....................................................................................................... 232

Vizekanzler Mag. Werner Kogler .............................................................................. 233

Johann Höfinger ......................................................................................................... 237

Dr. Harald Troch ......................................................................................................... 237

Irene Neumann-Hartberger ....................................................................................... 238

Hans Stefan Hintner ................................................................................................... 239

Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Mag. Volker Reifenberger, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend „Maskenzwang beenden – Kunst und Kultur be­leben“ – Ablehnung  220, 709

Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Mag. Volker Reifenberger, Kol­leginnen und Kollegen betreffend „Insolvenzsicherung für auf Grundlage des Kunst-, Kultur- und Sportsicherungsgesetzes ausgegebene Gutscheine“ – Ableh­nung ............................................................  220, 709

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen betreffend „langfristiges Investitionsprogramm von einer Milliarde Eu­ro für die Kultur- und Kreativwirtschaft“ – Ablehnung ...........................................................................................................  228, 709

Entschließungsantrag der Abgeordneten Hermann Brückl, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „rasche Einigung auf einen Kollektivvertrag für Arbeit­nehmerinnen und Arbeitnehmer der Bundesmuseen und der Österreichischen Na­tionalbibliothek“ – Ablehnung ...............................  230, 709

UG 12: Äußeres ........................................................................................................... 239

RednerInnen:

Petra Bayr, MA MLS ................................................................................................... 239

Dr. Reinhold Lopatka ................................................................................................. 242

MMMag. Dr. Axel Kassegger ..................................................................................... 244

Dr. Ewa Ernst-Dziedzic .............................................................................................. 245

Dr. Helmut Brandstätter ............................................................................................. 247

Bundesminister Mag. Alexander Schallenberg, LL.M. ........................................... 248

Mag. Martin Engelberg ............................................................................................... 250

Dr. Harald Troch ......................................................................................................... 252

Michel Reimon, MBA .................................................................................................. 253

Henrike Brandstötter ................................................................................................. 254

Alexander Melchior .................................................................................................... 255

Eva Maria Holzleitner, BSc ........................................................................................ 256

Nico Marchetti ............................................................................................................. 257

Entschließungsantrag der Abgeordneten Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Österreichs internationale COVID-19 Hilfe“ – Ablehnung                                            241, 709

UG 13: Justiz ................................................................................................................ 258

RednerInnen:

Mag. Selma Yildirim ................................................................................................... 258


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 9

Mag. Agnes Sirkka Prammer .................................................................................... 259

Mag. Harald Stefan ..................................................................................................... 260

Mag. Michaela Steinacker .......................................................................................... 261

Dr. Johannes Margreiter ............................................................................................ 262

Bundesministerin Dr. Alma Zadić, LL.M. ................................................................. 263

Mag. Ulrike Fischer .................................................................................................... 265

Mag. Christian Drobits ............................................................................................... 265

Johann Singer ............................................................................................................ 266

Christian Lausch ........................................................................................................ 267

Dr. Gudrun Kugler ...................................................................................................... 270

Dr. Stephanie Krisper ................................................................................................ 271

Mag. Klaus Fürlinger .................................................................................................. 284

Petra Bayr, MA MLS ................................................................................................... 284

Mag. Johanna Jachs .................................................................................................. 285

Mag. Ruth Becher ....................................................................................................... 286

Dr. Christian Stocker ................................................................................................. 286

Mag. Philipp Schrangl ................................................................................................ 287

Entschließungsantrag der Abgeordneten Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „bessere budgetäre und personelle Ausstattung der Justiz­wache“ – Ablehnung  268, 710

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Das einzige, was bei einem zu intervenieren hat, ist das gesatzte Recht“ – Ablehnung  272, 710

UG 11: Inneres; UG 18: Fremdenwesen ..................................................................... 288

RednerInnen:

Ing. Reinhold Einwallner ........................................................................................... 288

Karl Mahrer, BA .......................................................................................................... 289

Mag. Hannes Amesbauer, BA ................................................................................... 290

Mag. Georg Bürstmayr .............................................................................................. 292

Dr. Stephanie Krisper ................................................................................................ 293

Bundesminister Karl Nehammer, MSc ..................................................................... 293

Mag. Wolfgang Gerstl ................................................................................................ 296

Sabine Schatz ............................................................................................................. 297

Dr. Reinhold Lopatka ................................................................................................. 298

Christian Ries ............................................................................................................. 299

Eva-Maria Himmelbauer, BSc ................................................................................... 301

Michael Seemayer ...................................................................................................... 301

Mag. Johanna Jachs .................................................................................................. 302

Nurten Yılmaz ............................................................................................................. 303

Dr. Christian Stocker ................................................................................................. 304

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend „Aussetzen des Asylrechts“ – Ablehnung .........................................  291, 710

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kol­leginnen und Kollegen betreffend „finanzielle Besserstellung der Exekutive“ – Ab­lehnung ...................  300, 710

UG 34: Innovation und Technologie (Forschung); UG 41: Mobilität; UG 43: Klima, Umwelt und Energie ....................................................................................................................................... 306

RednerInnen:

Alois Stöger, diplômé ................................................................................................ 306

Lukas Hammer ............................................................................................................ 307


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 10

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek ......................................................................................... 308

Andreas Ottenschläger .............................................................................................. 311

Michael Bernhard ....................................................................................................... 312

Bundesministerin Leonore Gewessler, BA ............................................  313, 336, 351

Dr. Astrid Rössler ....................................................................................................... 316

Mag. Dr. Sonja Hammerschmid ................................................................................ 317

Johannes Schmuckenschlager ................................................................................ 319

MMMag. Dr. Axel Kassegger ..................................................................................... 319

Ing. Martin Litschauer ................................................................................................ 321

Dr. Johannes Margreiter ............................................................................................ 322

Mag. Dr. Maria Theresia Niss, MBA .......................................................................... 323

Julia Elisabeth Herr .................................................................................................... 325

Hermann Weratschnig, MBA MSc ............................................................................ 326

Christian Hafenecker, MA .......................................................................................... 327

Tanja Graf .................................................................................................................... 331

Dr. Helmut Brandstätter ............................................................................................. 332

Mag. Meri Disoski ....................................................................................................... 333

Alois Schroll ............................................................................................................... 335

Franz Leonhard Eßl .................................................................................................... 337

Walter Rauch .............................................................................................................. 338

Dr. Elisabeth Götze .................................................................................................... 341

Mag. Felix Eypeltauer ................................................................................................ 342

Hermann Gahr ............................................................................................................ 343

Mag. Dr. Petra Oberrauner ........................................................................................ 344

Franz Hörl .................................................................................................................... 345

Peter Schmiedlechner ............................................................................................... 346

Mag. Carmen Jeitler-Cincelli, BA ............................................................................. 346

Dietmar Keck .............................................................................................................. 347

Julia Elisabeth Herr (tatsächliche Berichtigung) ........................................................ 348

Rebecca Kirchbaumer ............................................................................................... 348

Mag. Gerald Hauser ................................................................................................... 349

Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller .................................................................... 350

Mag. Christian Ragger ............................................................................................... 353

Carina Reiter ............................................................................................................... 353

Mag. Peter Weidinger ................................................................................................. 354

Christoph Stark .......................................................................................................... 355

Joachim Schnabel ...................................................................................................... 355

Lukas Brandweiner .................................................................................................... 356

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „Forschungsfinanzierungsgesetz mit Wachstumspfad jetzt!“ – Ablehnung  309, 698

Entschließungsantrag der Abgeordneten Christian Hafenecker, MA, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „keine flächendeckende Autofahrerschikane durch Beschränkung der Geschwindigkeiten im Ortsgebiet auf 30 km/h, auf Freiland­straßen auf 80 km/h und auf Autobahnen auf 100 km/h“ – Ablehnung ..............................................................................................................................  329, 698

Entschließungsantrag der Abgeordneten Christian Hafenecker, MA, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs – Umsetzung ,Nahverkehrsmilliarde‘ jetzt!“ – Ablehnung ...........................................................................................................  329, 698

Entschließungsantrag der Abgeordneten Walter Rauch, Kolleginnen und Kol­legen betreffend „Einführung eines Pfandsystems für Einweggetränkeverpackun­gen“ – Ablehnung  339, 710

UG 14: Militärische Angelegenheiten .......................................................................... 357


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 11

RednerInnen:

Robert Laimer ............................................................................................................. 357

Mag. Michael Hammer ............................................................................................... 359

Dr. Reinhard Eugen Bösch ....................................................................................... 361

David Stögmüller ........................................................................................................ 365

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff .............................................................................. 367

Bundesministerin Mag. Klaudia Tanner .................................................................. 369

Ing. Manfred Hofinger ................................................................................................ 372

Petra Wimmer ............................................................................................................. 373

Dr. Ewa Ernst-Dziedzic .....................................................................................  374, 385

MMag. DDr. Hubert Fuchs ......................................................................................... 375

Mag. Friedrich Ofenauer ............................................................................................ 376

MMag. DDr. Hubert Fuchs (tatsächliche Berichtigung) ............................................. 377

Rudolf Silvan .............................................................................................................. 377

Mag. Maria Smodics-Neumann ................................................................................. 378

Ing. Mag. Volker Reifenberger .................................................................................. 378

Mag. Romana Deckenbacher .................................................................................... 381

Dr. Harald Troch ...................................................................................................... ... 382

Andreas Minnich ........................................................................................................ 383

MMMag. Dr. Axel Kassegger ..................................................................................... 383

Mag. Gerhard Kaniak ................................................................................................. 385

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Michael Hammer, David Stög­müller, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Stärkung der Miliz durch Wegfall sozialrechtlicher Nachteile“ – Annahme (37/E)    360, 710

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Reinhard Eugen Bösch, Robert Laimer, Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend „dringend notwendige Erhöhung des Bundesheer-Budgets“ – Ablehnung ...................................................................  363, 710

Entschließungsantrag der Abgeordneten David Stögmüller, Mag. Michael Hammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Stärkung der Autarkie von Kaser­nen“ – Annahme (38/E)  366, 710

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Reinhard Eugen Bösch, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend „Wiedereinführung der 8 Monate Grundwehrdienst im Modell 6 + 2 Monate“ – Ablehnung      380, 710

UG 33: Wirtschaft (Forschung); UG 40: Wirtschaft ..................................................... 386

RednerInnen:

Dr. Christoph Matznetter ........................................................................................... 387

Peter Haubner ............................................................................................................. 388

Erwin Angerer ............................................................................................................. 389

Dr. Elisabeth Götze .................................................................................................... 392

Josef Schellhorn ........................................................................................................ 393

Bundesministerin Dr. Margarete Schramböck ....................................................... 394

Mag. Carmen Jeitler-Cincelli, BA ............................................................................. 397

Mag. Dr. Sonja Hammerschmid ................................................................................ 398

Bedrana Ribo, MA ...................................................................................................... 399

MMMag. Dr. Axel Kassegger ..................................................................................... 401

Johann Höfinger ..................................................................................................... ... 403

Dr. Helmut Brandstätter ............................................................................................. 404

Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA ..................................................................................... 406

Maximilian Lercher ..................................................................................................... 407

Andreas Ottenschläger .............................................................................................. 408

Walter Rauch .............................................................................................................. 409

Martina Kaufmann, MMSc BA ................................................................................... 413


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 12

Dr. Christoph Matznetter (tatsächliche Berichtigung)................................................ 414

Henrike Brandstötter ................................................................................................. 414

Laurenz Pöttinger ....................................................................................................... 415

Mag. Dr. Petra Oberrauner ........................................................................................ 416

Andreas Minnich ........................................................................................................ 417

Peter Wurm ................................................................................................................. 418

Rainer Wimmer ........................................................................................................... 419

Mag. Ruth Becher ....................................................................................................... 421

Entschließungsantrag der Abgeordneten Erwin Angerer, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend „Maskenzwang beenden – Handel und Gastronomie beleben“ – Ablehnung ...  391, 710

Entschließungsantrag der Abgeordneten MMMag. Dr. Axel Kassegger, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend „Auflösung von Rücklagen der Wirtschaftskam­mern zur Unterstützung der heimischen Unternehmen“ – Ablehnung ................................................................................  402, 711

Entschließungsantrag der Abgeordneten Walter Rauch, Kolleginnen und Kol­legen betreffend „unbürokratische Soforthilfe für die Unternehmen durch vollstän­dige Entschädigung für den durch erzwungene Schließungen entstandenen finan­ziellen Schaden“ – Ablehnung .  410, 711

UG 42: Landwirtschaft, Regionen und Tourismus ....................................................... 421

RednerInnen:

Cornelia Ecker ............................................................................................................ 421

Eva-Maria Himmelbauer, BSc ................................................................................... 423

Peter Schmiedlechner ............................................................................................... 424

Clemens Stammler ..................................................................................................... 426

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer .................................................................................... 427

Bundesministerin Elisabeth Köstinger .................................................................... 429

Dipl.-Ing. Georg Strasser ........................................................................................... 431

Kai Jan Krainer ........................................................................................................... 432

Dipl.-Ing. Olga Voglauer ............................................................................................ 438

Mag. Gerald Hauser ................................................................................................... 439

Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich ................................................................................ 441

Josef Schellhorn ........................................................................................................ 443

Barbara Neßler ............................................................................................................ 444

Klaus Köchl ................................................................................................................. 445

Franz Leonhard Eßl .................................................................................................... 446

Alois Kainz .................................................................................................................. 447

Lukas Brandweiner .................................................................................................... 448

Yannick Shetty ............................................................................................................ 449

Ing. Manfred Hofinger ................................................................................................ 451

Michael Seemayer ...................................................................................................... 452

Karl Schmidhofer ....................................................................................................... 453

Erwin Angerer ............................................................................................................. 454

Johannes Schmuckenschlager ................................................................................ 457

Petra Vorderwinkler ................................................................................................... 458

Gabriel Obernosterer ................................................................................................. 459

Franz Hörl .................................................................................................................... 460

Nikolaus Prinz ............................................................................................................. 461

Andreas Kühberger .................................................................................................... 462

Rebecca Kirchbaumer ............................................................................................... 463

Cornelia Ecker (tatsächliche Berichtigung) ................................................................ 464

Ing. Reinhold Einwallner (tatsächliche Berichtigung) ............................................... 464

Mag. Dr. Petra Oberrauner (tatsächliche Berichtigung ............................................. 464


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 13

MMMag. Gertraud Salzmann ..................................................................................... 464

Carina Reiter ............................................................................................................... 465

Ing. Klaus Lindinger, BSc .......................................................................................... 466

Irene Neumann-Hartberger ....................................................................................... 466

Christoph Stark .......................................................................................................... 467

Andreas Kollross (tatsächliche Berichtigung) ........................................................... 468

Ing. Josef Hechenberger ........................................................................................... 468

Joachim Schnabel ...................................................................................................... 469

Bettina Zopf ................................................................................................................. 469

Michel Reimon, MBA .................................................................................................. 470

Ing. Markus Vogl ......................................................................................................... 470

Entschließungsantrag der Abgeordneten Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Aussetzen der Agrarmarketingbeiträge zur Entlastung der heimischen Landwirte“ – Ablehnung               425, 711

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend „dringende Miteinbeziehung der privaten Vermieter von Fe­rienwohnungen im Rahmen des häuslichen Zu- und Nebenerwerbs mit maximal zehn Betten in den Coronavirus-Härtefallfonds“ – Ablehnung           440, 711

Entschließungsantrag der Abgeordneten Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Abberufung automatisch verlängerter außerordentlicher Zivil­diener“ – Ablehnung  450, 711

Entschließungsantrag der Abgeordneten Erwin Angerer, Kolleginnen und Kol­legen betreffend „sofortigen Importstopp von Billigholz“ – Ablehnung ..........................................  455, 711

UG 30: Bildung; UG 31: Wissenschaft und Forschung ............................................... 471

RednerInnen:

Mag. Dr. Sonja Hammerschmid .......................................................................  471, 504

Mag. Dr. Rudolf Taschner .......................................................................................... 476

Hermann Brückl, MA .................................................................................................. 478

Mag. Sibylle Hamann ................................................................................................. 481

Mag. Martina Künsberg Sarre ................................................................................... 482

Mag. Dr. Maria Theresia Niss, MBA .......................................................................... 485

Mag. Andrea Kuntzl .................................................................................................... 486

Mag. Eva Blimlinger ................................................................................................... 487

Mag. Dr. Martin Graf ................................................................................................... 488

MMag. Dr. Agnes Totter, BEd ................................................................................... 490

Dr. Helmut Brandstätter ............................................................................................. 491

MMMag. Gertraud Salzmann ..................................................................................... 493

Eva Maria Holzleitner, BSc ........................................................................................ 494

Mag. Maria Smodics-Neumann ................................................................................. 494

Katharina Kucharowits .............................................................................................. 495

Claudia Plakolm .......................................................................................................... 496

Bundesminister Dr. Heinz Faßmann ........................................................................ 496

Klaus Köchl ................................................................................................................. 499

Nico Marchetti ............................................................................................................. 500

Mag. Andrea Kuntzl (tatsächliche Berichtigung) ........................................................ 501

Nurten Yılmaz ............................................................................................................. 501

Ing. Johann Weber ..................................................................................................... 501

Mag. Eva Blimlinger (tatsächliche Berichtigung) ....................................................... 502

Petra Vorderwinkler ................................................................................................... 502

Mag. Corinna Scharzenberger .................................................................................. 503


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 14

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Bildungsmilliarde: die Zukunft unserer Kinder ist systemrelevant“ – Ablehnung           473, 711

Entschließungsantrag der Abgeordneten Hermann Brückl, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „sofortige Rückkehr zum regulären Unterricht ohne Mas­kenzwang“ – Ablehnung  479, 699

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Martina Künsberg Sarre, Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, Hermann Brückl, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sprachförderung“ – Ablehnung ...........................................................................................................  484, 711

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Dr. Martin Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erhöhung der Fachhochschul-Fördersätze jetzt!“ – Ableh­nung .......................  489, 699

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Martina Künsberg Sarre, Kol­leginnen und Kollegen betreffend „Erhöhung des Budgets des Wissenschafts­fonds“ – Ablehnung .....  492, 711

UG 10: Frauen und Gleichstellung .............................................................................. 511

RednerInnen:

Gabriele Heinisch-Hosek ........................................................................................... 511

Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller .................................................................... 513

Gabriele Heinisch-Hosek (tatsächliche Berichtigung) ............................................... 514

Rosa Ecker, MBA ........................................................................................................ 514

Mag. Meri Disoski ....................................................................................................... 517

Henrike Brandstötter ................................................................................................. 518

Mag. Romana Deckenbacher .................................................................................... 519

Sabine Schatz ............................................................................................................. 520

Bedrana Ribo, MA ...................................................................................................... 524

Yannick Shetty ............................................................................................................ 525

Bundesministerin MMag. Dr. Susanne Raab .......................................................... 527

MMag. Dr. Agnes Totter, BEd ................................................................................... 530

Mag. Verena Nussbaum ............................................................................................. 531

Dr. Ewa Ernst-Dziedzic .............................................................................................. 531

Philip Kucher .............................................................................................................. 533

Ing. Johann Weber ..................................................................................................... 535

Mag. Dr. Petra Oberrauner ........................................................................................ 536

Entschließungsantrag der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „Erhöhung des Budgets für Frauenangelegenheiten und Gleichstellung“ – Ablehnung              512, 711

Entschließungsantrag der Abgeordneten Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Aktionsplan Frauengesundheit“ – Ablehnung ...................................................  515, 711

Entschließungsantrag der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „Echte Gewaltschutzmaßnahmen statt Rückschritte zu Lasten gewaltbetroffener Frauen und Kinder“– Ablehnung ............................................................................................  521, 712

Entschließungsantrag der Abgeordneten Sabine Schatz, Kolleginnen und Kol­legen betreffend „den Schutz von intergeschlechtlichen und Trans*-Personen in Ungarn“ – Ablehnung  521, 712

Entschließungsantrag der Abgeordneten Yannick Shetty, Kolleginnen und Kol­legen betreffend „Sichtbare Anerkennung der LGBTIQ-Community anlässlich der Pride Week“ – Ablehnung          526, 712


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 15

Entschließungsantrag der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „Beauftragung und budgetäre Vorkehrung einer Zeit­verwendungsstudie“ – Ablehnung            534, 712

UG 20: Arbeit; UG 25: Familie und Jugend ................................................................. 537

RednerInnen:

Josef Muchitsch ......................................................................................................... 537

Tanja Graf .................................................................................................................... 539

Peter Wurm (tatsächliche Berichtigung) ..................................................................... 540

Dr. Dagmar Belakowitsch .......................................................................................... 541

Tanja Graf (tatsächliche Berichtigung) ........................................................................ 545

Mag. Markus Koza ...................................................................................................... 545

Mag. Gerald Loacker .................................................................................................. 547

Norbert Sieber ............................................................................................................ 548

Gabriele Heinisch-Hosek ........................................................................................... 549

Süleyman Zorba ......................................................................................................... 550

Mag. Christian Ragger ............................................................................................... 550

Claudia Plakolm .......................................................................................................... 551

Michael Bernhard ....................................................................................................... 552

Barbara Neßler ............................................................................................................ 555

Petra Wimmer ............................................................................................................. 556

Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler ........................................................................... 558

Edith Mühlberghuber ................................................................................................. 559

Nikolaus Prinz ............................................................................................................. 562

Ing. Markus Vogl ......................................................................................................... 562

Bundesministerin Mag. (FH) Christine Aschbacher ........................................... ... 565

Dr. Gudrun Kugler ...................................................................................................... 570

Peter Wurm ................................................................................................................. 571

Mag. Corinna Scharzenberger .................................................................................. 572

Eva Maria Holzleitner, BSc ........................................................................................ 573

Ing. Mag. (FH) Alexandra Tanda ............................................................................... 575

Maximilian Köllner, MA .............................................................................................. 576

Mag. Selma Yildirim (tatsächliche Berichtigung) ....................................................... 577

Bettina Zopf ................................................................................................................. 577

Mag. Andreas Hanger ................................................................................................ 578

Entschließungsantrag der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kol­legen betreffend „sofortige Erhöhung des Arbeitslosengeldes“ – Ablehnung                                         538, 712

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „Maßnahmenpaket gegen die sektorale Arbeitslosig­keit in Österreich“ – Ablehnung  543, 712

Entschließungsantrag der Abgeordneten Petra Wimmer, Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Unverzügliche Hilfe für Familien aus dem Familienhärtefonds, Klarheit und Chancengerechtigkeit für alle Kinder!“ – Ableh­nung ..........................................  554, 712

Entschließungsantrag der Abgeordneten Petra Wimmer, Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Mehr Budget für Familienberatungen!“ – Ab­lehnung .......  557, 712

Entschließungsantrag der Abgeordneten Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Verdoppelung der Familienbeihilfe in Monaten mit co­ronabedingter Schulschließung“ – Ablehnung       560, 712


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 16

Entschließungsantrag der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „arbeitsmarktpolitische Sofortmaßnahmen zur Beschäfti­gungsförderung“ – Ablehnung  564, 713

Entschließungsantrag der Abgeordneten Eva Maria Holzleitner, BSc, Kol­leginnen und Kollegen betreffend „jährliche Valorisierung der Bundesjugendför­derung“ – Ablehnung .  574, 713

UG 21: Soziales; UG 22: Pensionsversicherung; UG 21: Konsumentenschutz ........ 583

RednerInnen:

Alois Stöger, diplômé ................................................................................................ 583

Bedrana Ribo, MA ...................................................................................................... 584

Mag. Andreas Hanger (tatsächliche Berichtigung) .................................................... 585

Dr. Dagmar Belakowitsch .......................................................................................... 586

Mag. Michael Hammer ............................................................................................... 587

Dr. Dagmar Belakowitsch (tatsächliche Berichtigung) .............................................. 588

Mag. Gerald Loacker .................................................................................................. 588

Mag. Markus Koza ...................................................................................................... 591

Bundesminister Rudolf Anschober ................................................................  592, 625

Mag. Verena Nussbaum ............................................................................................. 595

Mag. Peter Weidinger ................................................................................................. 597

Peter Wurm ................................................................................................................. 598

Mag. Ulrike Fischer .................................................................................................... 603

Fiona Fiedler, BEd ...................................................................................................... 604

Mag. Ernst Gödl .......................................................................................................... 607

Ing. Markus Vogl ......................................................................................................... 608

Ing. Martin Litschauer ................................................................................................ 611

Peter Schmiedlechner ............................................................................................... 612

Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler ........................................................................... 615

Mag. Felix Eypeltauer ................................................................................................ 616

Heike Grebien ............................................................................................................. 617

Philip Kucher .............................................................................................................. 618

Norbert Sieber ............................................................................................................ 619

Christian Ries ............................................................................................................. 620

Christoph Zarits .......................................................................................................... 627

Petra Wimmer ............................................................................................................. 628

Mag. Klaus Fürlinger .................................................................................................. 629

Dietmar Keck .............................................................................................................. 630

Andreas Kühberger .................................................................................................... 631

Ing. Josef Hechenberger ........................................................................................... 632

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Retten wir unser Pensionssystem und die Zukunfts­chancen unserer Kinder“ – Ablehnung          589, 713

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Verena Nussbaum, Kolleginnen und Kollegen betreffend „verpflichtende Barrierefreiheit bei der Gewährung von Bundesförderungen“ – Ablehnung     596, 713

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „Ausführungsgesetze zum Sozialhilfe-Grundsatzge­setz und Adaptierung des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes in COVID-19-Zeiten“ – Ablehnung .....................................  600, 713

Entschließungsantrag der Abgeordneten Fiona Fiedler, BEd, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Abrechnungskatalog für die Primärversorgungspflege mit der Sozialversicherung“ – Ablehnung              605, 713


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 17

Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Markus Vogl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erhöhung der Treuhandfondsrückerstattung für die ASB Schuldnerberatungen GmbH, Dachorganisation der staatlich anerkannten Schul­denberatungen in Österreich“ – Ablehnung     609, 713

Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Markus Vogl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Überziehungszinsen Deckelung“ – Ablehnung .................................................  609, 713

Entschließungsantrag der Abgeordneten Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Reduktion bzw. Erlass von Sozialversicherungsbeiträgen für kleine und mittlere landwirtschaftliche Betriebe in der COVID-19-Krise“ – Ableh­nung ...................................................  613, 713

Entschließungsantrag der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend „Preismonitoring und Inflationsstopp in COVID-19-Zeiten“ – Ableh­nung ..........  621, 714

Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Markus Vogl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „finanzielle Absicherung der Landesorganisationen der Schuldnerberatung“ – Ablehnung            629, 714

UG 24: Gesundheit ...................................................................................................... 632

RednerInnen:

Philip Kucher .............................................................................................................. 632

Ralph Schallmeiner .................................................................................................... 633

Mag. Gerhard Kaniak ................................................................................................. 635

Gabriela Schwarz ....................................................................................................... 639

Mag. Gerald Loacker .................................................................................................. 640

Mag. Faika El-Nagashi ............................................................................................... 643

Bundesminister Rudolf Anschober ......................................................................... 644

Dietmar Keck .............................................................................................................. 646

Dr. Josef Smolle ......................................................................................................... 648

Rosa Ecker, MBA ........................................................................................................ 648

Martina Diesner-Wais ................................................................................................. 650

Fiona Fiedler, BEd ...................................................................................................... 650

Laurenz Pöttinger ....................................................................................................... 651

Mag. Verena Nussbaum ............................................................................................. 652

Ing. Mag. (FH) Alexandra Tanda ............................................................................... 654

Rudolf Silvan .............................................................................................................. 655

Dr. Werner Saxinger, MSc ......................................................................................... 657

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Maßnahmenpaket zum österreichischen Gesundheits­system nach COVID-19“ – Ablehnung     636, 714

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Veröffentlichung der KH-Qualitätsindikatoren (A-IQI) auf KH-Standortebene“ – Ablehnung          641, 714

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dietmar Keck, Kolleginnen und Kol­legen betreffend „höchstnotwendige Unterstützung von Gnadenhöfen und privaten Vereinen, die sich um Tiere in Not kümmern“ – Ablehnung .......................................................................................  647, 714

Entschließungsantrag der Abgeordneten Philip Kucher, Kolleginnen und Kol­legen betreffend „Ausfallshaftung des Bundes für die Krankenversicherung“ – Ab­lehnung ........  653, 714


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 18

Entschließungsantrag der Abgeordneten Rudolf Silvan, Kolleginnen und Kol­legen betreffend „Abdeckung der KV-Fusionsdefizite durch den Bund“ – Ableh­nung ..................  656, 714

UG 15: Finanzverwaltung; UG 16: Öffentliche Abgaben; UG 23: Pensionen – Beamtinnen und Beamte; UG 44: Finanzausgleich; UG 45: Bundesvermögen; UG 46: Finanzmarktstabilität; UG 51: Kassenverwaltung; UG 58: Finanzierungen, Währungstauschverträge ..................... 658

Text des Bundesfinanzgesetzes und restliche Teile der Anlage I einschließlich An­lagen II bis IV              ............................................................................................................................. 658

RednerInnen:

Kai Jan Krainer ........................................................................................................... 659

Karlheinz Kopf ............................................................................................................ 659

Herbert Kickl ............................................................................................................... 661

Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA ..................................................................................... 666

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer .................................................................................... 668

Mag. Andreas Hanger ................................................................................................ 671

Bundesminister Mag. Gernot Blümel, MBA ............................................................ 673

Mag. Karin Greiner ..................................................................................................... 675

Mag. Ernst Gödl (tatsächliche Berichtigung) .............................................................. 678

Mag. Eva Blimlinger ................................................................................................... 678

Erwin Angerer ............................................................................................................. 679

Angela Baumgartner .................................................................................................. 681

Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES ............................................................................ 682

Hans Stefan Hintner ................................................................................................... 684

Maximilian Lercher ..................................................................................................... 685

Michael Schnedlitz ..................................................................................................... 686

Josef Schellhorn ........................................................................................................ 686

Dr. Christoph Matznetter ........................................................................................... 687

August Wöginger ....................................................................................................... 688

Pia Philippa Strache ................................................................................................... 691

Dr. Nikolaus Scherak, MA ......................................................................................... 693

Mag. Hannes Amesbauer, BA ................................................................................... 694

Mag. Jörg Leichtfried ................................................................................................. 695

Entschließungsantrag (Misstrauensantrag) der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Versagen des Vertrauens gegenüber dem Bundesminister für Finanzen“ gemäß Art. 74 Abs. 1 B-VG – Ablehnung .......................................................................  665, 714

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend „Absicherung des Warenverkehrs in der Krise“ – Ablehnung ..........  670, 715

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Karin Greiner, Kolleginnen
und Kollegen betreffend „Sicherung der Gemeindefinanzen in der Krise“ – Ab­lehnung 677, 715

Entschließungsantrag der Abgeordneten Erwin Angerer, Kolleginnen und Kol­legen betreffend „Haftungsobergrenze für Gemeinden“ – Ablehnung ..........................................  681, 715

Annahme des Gesetzentwurfes in 182 d.B. ................................................................ 698

Annahme des Bundesfinanzgesetzes für das Jahr 2020 samt Anlagen in zweiter Lesung             ............................................................................................................................. 699


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 19

Annahme des Bundesfinanzgesetzes für das Jahr 2020 samt Anlagen in dritter Lesung 708

Eingebracht wurden

Regierungsvorlage ....................................................................................................... 30

181: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) über die Errichtung des Internationalen Zentrums für die Förderung von Menschenrechten auf lokaler und regionaler Ebene unter der Schirmherrschaft der UNESCO (Kate­gorie 2) in Graz (Österreich)

Berichte ......................................................................................................................... 31

III-90: 43. Bericht der Volksanwaltschaft (1. Jänner bis 31. Dezember 2019)

III-130: Bericht betreffend Bundesforschungs- und Ausbildungszentrum für Wald, Naturgefahren und Landschaft – Reihe BUND 2020/16; Rechnungshof

III-132: Bericht betreffend Bahnprojekt: Brenner Basistunnel; Follow-up-Überprü­fung – Reihe BUND 2020/17; Rechnungshof

III-135: Datenschutzbericht 2019; BM f. Justiz

III-136: Jahresbericht 2019 der NADA Austria GmbH; BM f. Kunst, Kultur, öffent­lichen Dienst und Sport

Anträge der Abgeordneten

Dr. Christoph Matznetter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Hilfspaket für Gastwirte (539/A)(E)

Maximilian Lercher, Kolleginnen und Kollegen betreffend Hilfspaket für Beherber­gungsbetriebe und Hotels (540/A)(E)

Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen betreffend langfristiges Investi­tionsprogramm von einer Milliarde Euro für die Kultur- und Kreativwirtschaft (541/A)(E)

August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, zur Unterstützung von kommunalen Investitionen 2020 (Kommunalinvesti­tionsgesetz 2020 – KIG 2020) (542/A)

Dr. Reinhold Lopatka, Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Dr. Harald Troch, MMMag. Dr. Axel Kassegger, Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend Anerkennung der deutschsprachigen Volksgruppe in Slowenien (543/A)(E)

Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausrufung eines Biodiver­sitätsnotstandes (544/A)(E)

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Landwirtschaftliche Einkommen, Betriebsanzahl und Bodenverbrauch als Wirkungsziele im Bundesbudget (545/A)(E)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Corona: Sozialstatus im Screeningregister und bessere Information für sozial Benachteiligte (546/A)(E)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kurzarbeit für alle Ar­beitnehmer_innen in Österreich ermöglichen (547/A)(E)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 20

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Veröffentlichung der KH-Qualitätsindikatoren (A-IQI) auf KH-Standortebene (548/A)(E)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Änderung der Arbeiter­kammer-RHO: detaillierte Finanzergebnis-Darstellung gem. Wirtschaftskammer-HO (549/A)(E)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Änderung der Arbeiter­kammer-RHO bezüglich Digitalisierungsoffensive (550/A)(E)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abrechnungskatalog für die Primärversorgungspflege mit der Sozialversicherung (551/A)(E)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausweitung der Budget­kontrolle des Nationalrates über das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terroris­musbekämpfung (BVT) (552/A)(E)

Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen betreffend Stufenplan für kleinere Gruppen in Kindergärten (553/A)(E)

Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gleichstellung verschie­dener Pflegeberufe im Straßenverkehr (554/A)(E)

Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Evaluierung der An­zeigepflicht (555/A)(E)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend Veröffentli­chung der Sitzungsprotokolle des Corona Krisenstabs im Innenministerium (556/A)(E)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend Prüfkompetenz des Rechnungshofs für Gemeinden (557/A)(E)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend Veröffent­lichung der Sitzungsprotokolle der Corona Taskforce im Gesundheitsministerium (558/A)(E)

Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend Flächenversiegelung und Bo­denverbrauch als Wirkungsziele im Bundesbudget (559/A)(E)

Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend Doppelresidenzmodell (560/A)(E)

Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen betreffend Rechtssicherheit für Unterneh­mer bei Härtefallfonds (561/A)(E)

Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen für den Jobmotor Tourismus- und Freizeitwirtschaft (562/A)(E)

Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kultur Satellitenkonto (563/A)(E)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeiterkammergesetz und das Wirtschaftskammergesetz geändert wird (564/A)

Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeiterkammergesetz und das Wirtschaftskammergesetz geändert wird (565/A)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Alkoholsteuergesetz geändert wird (566/A)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 21

Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstatistikgesetz 2000 geändert wird (567/A)

Mag. Felix Eypeltauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Prüfkompetenz des Rech­nungshofs für gemeinnützige Bauvereinigungen (568/A)(E)

Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Dr. Reinhold Lopatka, Kolleginnen und Kollegen betreffend Errichtung eines österreichischen zivilen Friedensdienstes als Instrument aktiver Frie­denspolitik (569/A)(E)

Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umsatzsteuergesetz 1994 geändert wird (570/A)

Fiona Fiedler, BEd, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bundeseinheitliche Regelung für das Besuchs- und Betreuungsrecht für Menschen mit Behinderung (571/A)(E)

Fiona Fiedler, BEd, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erweiterung von Behand­lungsmöglichkeiten für Tiere (572/A)(E)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Das einzige, was bei einem zu intervenieren hat, ist das gesatzte Recht“ (573/A)(E)

Alois Stöger, diplômé, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Finanzausgleichsgesetz 2017 geändert wird (574/A)

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen betreffend den Schutz von interge­schlechtlichen und Trans*-Personen in Ungarn (575/A)(E)

Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Echte Gewalt­schutzmaßnahmen statt Rückschritte zu Lasten gewaltbetroffener Frauen und Kinder“ (576/A)(E)

Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schluss mit dem diskrimi­nierenden Erlass gegen intergeschlechtliche Menschen (577/A)(E)

Petra Wimmer, Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Unverzüg­liche Hilfe für Familien aus dem Familienhärtefonds, Klarheit und Chancengerechtigkeit für alle Kinder!“ (578/A)(E)

Alois Stöger, diplômé, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Gesetz zur Einhaltung unternehmerischer Sozialverantwortung (Sozialverantwor­tungsgesetz – SZVG) erlassen wird (579/A)

Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend jährliche Valorisie­rung der Bundesjugendförderung (580/A)(E)

Petra Wimmer, Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Mehr Budget für Familienberatungen!“ (581/A)(E)

Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller, Mag. Meri Disoski, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schwerpunktsetzung: Gewalt an Frauen und Mädchen (582/A)(E)

Mag. Meri Disoski, Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Geschlechtsspezifische Auswirkungen der Corona-Krise“ (583/A)(E)

Ing. Markus Vogl, Kolleginnen und Kollegen betreffend finanzielle Absicherung der Landesorganisationen der Schuldnerberatung (584/A)(E)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 22

Ing. Markus Vogl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erhöhung der Treuhandfonds­rückerstattung für die ASB Schuldnerberatungen GmbH, Dachorganisation der staatlich anerkannten Schuldenberatungen in Österreich (585/A)(E)

Ing. Markus Vogl, Kolleginnen und Kollegen betreffend wohnortnaher Zugang zu einer Bankfiliale (586/A)(E)

Ing. Markus Vogl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maturareise Stornokosten (587/A)(E)

Ing. Markus Vogl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Überziehungszinsen Deckelung (588/A)(E)

Maria Großbauer, Mag. Eva Blimlinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Errichtung eines Fonds für eine Überbrückungsfinanzierung für selbständige Künstlerinnen und Künstler erlassen wird und Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Förderungsprüfungsgesetz geändert wird (22. COVID-19-Gesetz) (589/A)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abschaffung der Inlän­derdiskriminierung beim Zuzug ausländischer Familienangehöriger (590/A)(E)

Anfragen der Abgeordneten

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Gerüchte um AsylwerberInnen in der Messe Wien (1965/J)

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend die Hakenkreuz-Schmiererei in Linz (1966/J)

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend die Hakenkreuz-Schmiererei in Linz (1967/J)

Mag. Christian Drobits, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend die „Kriminalitätsentwicklung während und nach der Corona-Pandemie“ – Folgen und Auswirkungen dieser Krise („Coronakriminalität“) (1968/J)

Mag. Christian Drobits, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Abfrageberechtigungen nach dem Meldegesetz im Jahre 2019 (1969/J)

Mag. Christian Drobits, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend „Kriminalitätsentwicklung um Weihnachten (2015-2020)“ (1970/J)

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend die Hakenkreuz-Schmiererei in Wels (1971/J)

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend die Hakenkreuz-Schmiererei in Wels (1972/J)

Ing. Markus Vogl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend betreffend intransparente Aufwertung von Planstellen durch die Ministerin für Arbeit, Familie und Jugend (1973/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Werbe- und Marketingdienstleistungen der Wavemaker GmbH im Zuge der Corona-Krise (1974/J)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus betreffend Arzneimittelrückstände im Trinkwasser (1975/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 23

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Ge­sundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Arzneimittelrückstände im Trink­wasser (1976/J)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Arzneimittelrückstän­de im Trinkwasser (1977/J)

Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Ge­sundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Zunahme der psychischen Erkran­kungen während Corona-Lockdown (1978/J)

Hermann Brückl, MA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Lan­desverteidigung betreffend formellen Besuch der Bundesministerin in Suben (1979/J)

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Ausbruch und Flucht von Asylwerbern aus Quarantänezentrum der Messe Wien (1980/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Kriminalitätsentwicklung in Corona-Zeiten (1981/J)

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Mediencoaching in der Justizanstalt Asten (1982/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Planungen einer Behörde zur Untersuchung von Polizeigewalt (1983/J)

Hermann Brückl, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Sommerkursen an Schulen (1984/J)

Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend „Wie wird Österreichs Einlagensicherung krisenfest?“ (1985/J)

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus betreffend Vermittlungsplattform dielebensmit­telhelfer.at (1986/J)

Ing. Markus Vogl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend betreffend +500 Planstellen im AMS (1987/J)

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wis­senschaft und Forschung betreffend fehlendes Wissen von SchülerInnen über den Holo­caust (1988/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend schwarz-grüner Grenzschutzschmäh (1989/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend steigende Terrorgefahr durch Corona-Krise? (1990/J)

Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Förderung des Vereins ZARA (1991/J)

Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend För­derung des Vereins ZARA (1992/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 24

Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend betreffend Förderung des Vereins ZARA (1993/J)

Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres be­treffend Fördermittel an den Verein ZARA (1994/J)

Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Hotline gegen Diskriminierung und In­toleranz (1995/J)

Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend GISA-Einträge im Zusammen­hang mit der Pauschalreiseverordnung (1996/J)

Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Booking.com (1997/J)

Ing. Mag. Volker Reifenberger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend temporäres Trageverbot der rot-weiß-roten Armschleifen der Österreichischen Soldaten im Assistenzeinsatz (1998/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klima­schutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Korridorzüge für 24h-Betreuer_innen (1999/J)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort betreffend Taskforce öffentliche Register (2000/J)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Taskforce öffentliche Register (2001/J)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Wissenschaftliche Evidenz für Maßnahmen im Zusammenhang mit der COVID-19-Krise (2002/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Falschinformation über Ausgangsbeschränkungen in Asylquartieren (2003/J)

Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz be­treffend Förderung des Vereins ZARA (2004/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Besuch des Bundeskanzlers im Kleinwalsertal (2005/J)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort betreffend Ergänzungsregister für sonstige Betroffene (2006/J)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Ergänzungsregister für sonstige Betroffene (2007/J)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Ergänzungsregister für sonstige Betroffene (2008/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Folgeanfrage Todesfall im Polizeianhaltezentrum Wien Rossauer Lände am 12.6.2019 (2009/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 25

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Folgeanfrage Todesfall im Polizeianhaltezentrum Wien Rossauer Lände am 12.6.2019 (2010/J)

Lukas Hammer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betref­fend Ermittlungen nach Reißnägel-Attacke am Wiener Pop-Up Radweg (2011/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Leistungsmissbrauchsfälle in der Grundversorgung (2012/J)

Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Maskenpflicht, Abstandsregel und Versammlungsverbot (2013/J)

Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend „Wenn der Kanzler auf Reisen geht“ – Vorfälle im Kleinwalsertal (2014/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend sehenden Auges in eine post-Corona-Flüchtlingswelle? (2015/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Kurz-Besuch im Kleinwalsertal (2016/J)

Hermann Brückl, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend die Öffnung des Sängerknabeninternats St Florian (2017/J)

Hermann Brückl, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Hygienehandbuch für österreichische Schulen (2018/J)

Hermann Brückl, MA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Lan­desverteidigung betreffend Missstand beim Grenzeinsatz in Obernberg am Inn (2019/J)

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Überbrückungsgarantie der COFAG (2020/J)

Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Kli­maschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend EU Ver­tragsverletzungsverfahren wegen fehlender Redlichkeit (2021/J)

David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesver­teidigung betreffend Einsatz von Soldat*innen für die Post AG (2022/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Tina Liebich-Oswald (Großnichte des Novomatic-Eigentümers, Ehefrau des Novomatic-Aufsichtsratsvorsitzenden und Geldspendenempfängerin Johann Grafs) im Kabinett des Innenministers während Ermittlungen gegen Beschuldigten Graf, Novo­matic etc. (2023/J)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus betreffend Auszahlung von Förderungen im Zuge der Breitbandmilliarde (2024/J)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Auszahlung von Förderungen im Zuge der Breitbandmilliarde (2025/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 26

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Aus­zahlung von Förderungen im Zuge der Breitbandmilliarde (2026/J)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort betreffend Auszahlung von Förderungen im Zuge der Breitbandmilliarde (2027/J)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend Monitoring und Evaluation – Folgeanfrage (2028/J)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend Branchenübliches Overhead Folgeanfrage (2029/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Widersprüchliche Informationen aus dem BMI (2030/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Inanspruchnahme Pensions­splitting (2031/J)

Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Kli­maschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Lebens­mittelverschwendung (2032/J)

Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Lebensmittelverschwendung (2033/J)

Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landwirt­schaft, Regionen und Tourismus betreffend Lebensmittelverschwendung (2034/J)

Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz be­treffend Belastung der Exekutivarbeit durch diverse Vereinstätigkeiten (2035/J)

Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz be­treffend Berufe von Sexualstraftätern während des elektronisch überwachten Hausar­rests (2036/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Volkshilfe im Fokus der Finanzpolizei (2037/J)

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend ÖVP-Wählertäuschung (2038/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Angstpolitik der Regierung: 2 Millionen Corona-Infizierte (2039/J)

Mag. Felix Eypeltauer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Umsetzung des Regierungsprogramms betreffend Building Information Mod­eling (BIM) (2040/J)

Mag. Felix Eypeltauer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Digitali­sierung und Wirtschaftsstandort betreffend Studie zu Building Information Modeling (2041/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend BYD Auto Industry FFP2-Masken (2042/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Geldgeschenke von Novomatic-Eigentümer Graf, Beschuldigter in der „Ca-


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sinos-Affäre“, an seine Großnichte Tina Liebich-Oswald (ebenfalls Ehefrau des Novo­matic-Aufsichtsratsvorsitzenden und ehem. Kabinettsmitarbeiterin im Innenministerium) (2043/J)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Nebenbeschäftigungen von Mitarbeiter_innen im Bereich Cyber­security (2044/J)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend Militärbedienstete im Home Office (2045/J)

Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Wissenschaftliche Evidenz für Schul- bzw. Kindergartenschließungen (2046/J)

Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Wissenschaftliche Evidenz für Schul- bzw. Kindergartenschließungen (2047/J)

Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Wissenschaftliche Evidenz für Schul- bzw. Kindergartenschließungen (2048/J)

Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Einsicht in sensible Daten der Statistik Austria (2049/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Treffen mit Interessenvertretungen (2050/J)

Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betref­fend Folgeanfrage – Verhinderung der Eintragung des dritten Geschlechts durch Wei­sung des ehemaligen Bundesministers Herbert Kickl (2051/J)

Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Message Control in der Coronakrise (2052/J)

Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend betreffend Corona Familienhärteausgleich (2053/J)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Schafft Facebook in Österreich Fakten? (2054/J)

Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Einschränkung der Pressefreiheit (2055/J)

Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend COVID-19-Schulveranstaltungsaus­fall-Härtefonds (2056/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Folterprävention und diesbezgl. Kontrollbesuche durch die Volksanwaltschaft während der Corona-Krise (2057/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Folterprävention und diesbezgl. Kontrollbesuche durch die Volksanwaltschaft während der Corona-Krise (2058/J)


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Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Folterprävention und diesbezgl. Kontrollbesuche durch die Volksanwaltschaft während der Corona-Krise (2059/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Beschaffung von chinesischen Antikörpertests (2060/J)

Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Digita­lisierung und Wirtschaftsstandort betreffend Beendigung Intra-EU-BITs (2061/J)

Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für EU und Verfassung betreffend Dokumente über Initiativen von einzelnen Mitgliedstaaten (2062/J)

Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen be­treffend Einsatz von LeiharbeiterInnen und (neuen) Selbstständigen bei der Post als ÖBAG-Unternehmen (2063/J)

Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend „Es braucht echte Hilfe statt leerer Versprechen – das Versagen der Kurz-Regierung bei der Bekämpfung der wirtschaftlichen und sozialen Krisen-Folgen“ (2064/J)

Anfragebeantwortungen

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Stephanie Kris­per, Kolleginnen und Kollegen (1281/AB zu 1272/J)

der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Tech­nologie auf die Anfrage der Abgeordneten Alois Stöger, diplômé, Kolleginnen und Kol­legen (1282/AB zu 1274/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Christian Hafen­ecker, MA, Kolleginnen und Kollegen (1283/AB zu 1935/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen (1284/AB zu 1278/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen (1285/AB zu 1279/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen (1286/AB zu 1292/J)

der Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen (1287/AB zu 1280/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen (1288/AB zu 1285/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen (1289/AB zu 1286/J)


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des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen (1290/AB zu 1282/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Nikolaus Sche­rak, MA, Kolleginnen und Kollegen (1291/AB zu 1284/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Alois Stöger, diplômé, Kol­leginnen und Kollegen (1292/AB zu 1281/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kol­leginnen und Kollegen (1293/AB zu 1283/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Kai Jan Krainer, Kol­leginnen und Kollegen (1294/AB zu 1507/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Christian Hafenecker, MA, Kol­leginnen und Kollegen (1295/AB zu 1290/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen (1296/AB zu 1291/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kol­legen (1297/AB zu 1305/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kollegen (1298/AB zu 1289/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen (1299/AB zu 1297/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen (1300/AB zu 1301/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Abgeordneten Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen (1301/AB zu 1288/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Abgeordneten Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen (1302/AB zu 1294/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Abgeordneten Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen (1303/AB zu 1295/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Abgeordneten Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen (1304/AB zu 1293/J)

des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf die Anfrage der Ab­geordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen (1305/AB zu 1311/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmans­dorff, Kolleginnen und Kollegen (1306/AB zu 1299/J)

der Bundesministerin für EU und Verfassung auf die Anfrage der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen (1307/AB zu 1306/J)

der Bundesministerin für Frauen und Integration auf die Anfrage der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen (1308/AB zu 1307/J)

des Bundesministers für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport auf die Anfrage der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen (1309/AB zu 1308/J)

der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort auf die Anfrage der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen (1310/AB zu 1298/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen (1311/AB zu 1309/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen (1312/AB zu 1310/J)

der Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus auf die Anfrage der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen (1313/AB zu 1300/J)

der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Tech­nologie auf die Anfrage der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolle­ginnen und Kollegen (1314/AB zu 1302/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen (1315/AB zu 1304/J)

der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort auf die Anfrage der Ab­geordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen (1316/AB zu 1315/J)


 


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09.06.09Beginn der Sitzung: 9.06 Uhr

Vorsitzende: Präsident Mag. Wolfgang Sobotka, Zweite Präsidentin Doris Bures, Drit­ter Präsident Ing. Norbert Hofer.

09.06.10*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Meine sehr geehrten Damen und Herren Abge­ordnete! Werte Vertreter der Bundesregierung! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Werte Medienvertreter! Werte Zuseher zu Hause vor den Fernsehgeräten! Ich darf Sie recht herzlich begrüßen und die Sitzung für eröffnet erklären.

Ich darf einleitend noch einmal darauf hinweisen, dass die Mitarbeiterinnen und Mitar­beiter des Expedit Gesichtsvisiere ausgeben, um den Schutz zu gewährleisten, um die Empfehlungen einzuhalten; es besteht die Möglichkeit, anstelle der Maske das Visier zu tragen, denn es gelten nach wie vor die Empfehlungen der Gesundheitsbehörden und des Gesundheitsministers.

Die nicht verlesenen Teile des Amtlichen Protokolls der 30. Sitzung und das Amtliche Protokoll der 31. Sitzung vom 13. Mai 2020 sind in der Parlamentsdirektion aufgelegen und wurden nicht beanstandet.

Wir sitzen wieder in der gelockerten Sitzordnung, Abgeordnete haben auch auf der Ga­lerie Platz genommen. Ich darf bekannt geben, dass die Medienvertreter und Medien­vertreterinnen in dieser Sitzungswoche auch Zutritt zu einem Bereich der Präsidenten­loge haben, sodass wir die bildliche Berichterstattung trotz der Einschränkungen hof­fentlich einigermaßen zufriedenstellend ermöglichen können. (Die Abgeordneten der FPÖ tragen Buttons am Revers, auf denen vor rot-weiß-rotem Hintergrund Coronaviren abgebildet sind und die Aufschrift „Allianz gegen Coronawahnsinn.at – Jetzt reicht’s!“ zu lesen ist.)

Für die heutige Sitzung als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Kira Grünberg, Josef Muchitsch und Herbert Kickl.

Einlauf und Zuweisungen


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegen­stände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 1965/J bis 2064/J

2. Anfragebeantwortungen: 1281/AB bis 1316/AB

B. Zuweisungen in dieser Sitzung:

a) zur Vorberatung:

Außenpolitischer Ausschuss:

Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Organisation der Vereinten Na­tionen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) über die Errichtung des Inter­nationalen Zentrums für die Förderung von Menschenrechten auf lokaler und regionaler Ebene unter der Schirmherrschaft der UNESCO (Kategorie 2) in Graz (Österreich) (181 d.B.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 31

Rechnungshofausschuss:

Bericht des Rechnungshofes betreffend Bundesforschungs- und Ausbildungszentrum für Wald, Naturgefahren und Landschaft – Reihe BUND 2020/16 (III-130 d.B.)

Bericht des Rechnungshofes betreffend Bahnprojekt: Brenner Basistunnel; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2020/17 (III-132 d.B.)

Volksanwaltschaftsausschuss:

43. Bericht der Volksanwaltschaft (1. Jänner bis 31. Dezember 2019) (III-90 d.B.)

b) zur Enderledigung im Sinne des § 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen Entscheidung des Ausschusses):

Justizausschuss:

Datenschutzbericht 2019, vorgelegt von der Bundesministerin für Justiz (III-135 d.B.)

Sportausschuss:

Jahresbericht 2019 der NADA Austria GmbH, vorgelegt vom Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport (III-136 d.B.)

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf bekannt geben, dass der ORF die Sitzung wie üblich bis 13 Uhr auf ORF 2 und anschließend bis 19.15 Uhr auf ORF III überträgt. Danach wird die Sitzung kommentiert in der TVthek übertragen.

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Klub der SPÖ hat gemäß § 93 Abs. 2 der Ge­schäftsordnung das Verlangen gestellt, die vor Eingang in die Tagesordnung einge­brachte schriftliche Anfrage 2064/J der Abgeordneten Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend „Es braucht echte Hilfe statt leerer Verspre­chen – das Versagen der Kurz-Regierung bei der Bekämpfung der wirtschaftlichen und sozialen Krisen-Folgen“ dringlich zu behandeln.

Die geschäftsordnungsmäßige Behandlung der Dringlichen Anfrage wird um 15 Uhr stattfinden.

Behandlung der Tagesordnung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Es ist vorgeschlagen, die Debatten über die Punk­te 1 bis 5 – inklusive Generaldebatte – sowie 6 und 7 der Tagesordnung jeweils zusam­menzufassen.

Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Das ist nicht der Fall.

Redezeitbeschränkung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zwischen den Mitgliedern der Präsidialkonferenz wurde Konsens über Gestaltung und Dauer der Debatten erzielt. Gemäß § 57 Abs. 3 Z 2 der Geschäftsordnung wurde für den heutigen Tag eine Tagesblockzeit von 9,5 „Wiener Stunden“ vereinbart, sodass sich folgende Redezeiten ergeben: ÖVP 185, SPÖ 128, FPÖ 105, Grüne 95 sowie NEOS 76 Minuten.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 32

Gemäß § 57 Abs. 7 der Geschäftsordnung beträgt die Redezeit für den heutigen Tag von jenen Abgeordneten, die keinem Klub angehören, je 38 Minuten; darüber hinaus wird deren Redezeit auf 5 Minuten je Debatte beschränkt.

Für Mittwoch, den 27. Mai 2020 wurde eine Tagesblockzeit von 9 „Wiener Stunden“ ver­einbart, sodass sich folgende Redezeiten ergeben: ÖVP 176, SPÖ 122, FPÖ 99, Grü­ne 90, NEOS 72 Minuten.

Gemäß § 57 Abs. 7 der Geschäftsordnung beträgt die Redezeit für diesen Tag von jenen Abgeordneten, die keinem Klub angehören, je 36 Minuten; darüber hinaus beschränkt sich deren Redezeit auf 5 Minuten je Debatte.

Für Donnerstag haben wir 8 „Wiener Stunden“ vereinbart; Redezeitenaufteilung: 156 Mi­nuten für die ÖVP, 108 für die SPÖ, 88 für die FPÖ, 80 für die Grünen, 64 für die NEOS.

Gemäß § 57 Abs. 7 der Geschäftsordnung beträgt die Redezeit von jenen Abgeordne­ten, die keinem Klub angehören, je 32 Minuten, 5 Minuten pro Debatte.

In der Präsidialkonferenz wurde für die Beratungen zu den Tagesordnungspunkten 6 und 7 folgende Debattengliederung festgelegt:

Heute: Untergliederungen 01 bis 06 sowie 10 und 17, anschließend UG 32, UG 12, UG 13 und schließlich UG 11 und 18.

Morgen, am Mittwoch: UG 34, 41 und 43, anschließend UG 14, anschließend UG 33 und 40, UG 42, schließlich UG 30 und 31.

Am Donnerstag: UG 10, anschließend UG 20 und 25, darauf folgend UG 21, 22, 24 und anschließend UG 15, 16, 23, 44 bis 46, 51 und 58 sowie Text des Bundesfinanzgesetzes und restliche Teile der Anlage I, einschließlich der Anlagen II bis IV.

Anschließend erfolgen die Schlussabstimmungen zu TOP 6 und 7.

Diese Gliederung ist den Abgeordneten auch schriftlich zugegangen.

Die vorgesehenen Untergliederungen werden am selben Tag jedenfalls zu Ende be­raten, die Sitzung wird danach unterbrochen.

Entschließungsanträge können nur während der Debatten zu den jeweiligen Unterglie­derungen eingebracht werden.

Die Abstimmungen über allfällige eingebrachte Entschließungsanträge erfolgen jeweils nach der dritten Lesung in der Reihenfolge ihrer Einbringung.

Die Redezeitenregelung für Regierungsmitglieder gemäß § 57 Abs. 8 der Geschäftsord­nung wird nicht in Anspruch genommen. Bei Überschreitung der 20 Minuten für jedes für die jeweiligen Beratungsgruppen ressortzuständige Regierungsmitglied beziehungswei­se bei Überschreitung der 10 Minuten für jeden für die jeweiligen Beratungsgruppen res­sortzuständigen Staatssekretär wird die überzogene Redezeit jeweils auf die Redezeit der entsprechenden Regierungsfraktion angerechnet.

Die Redezeit untergliederungsfremder Regierungsmitglieder beziehungsweise Staats­sekretäre wird jedenfalls auf die Redezeit der entsprechenden Regierungsfraktion an­gerechnet. Ausgenommen davon ist die Redezeit des Bundeskanzlers sowie des Vize­kanzlers bei der zum Budgetbegleitgesetz abgehaltenen Generaldebatte, sofern diese jeweils die Dauer von 20 Minuten nicht überschreitet.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über die Gestaltung und die eben dargestellten Redezeiten.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig an­genommen.

Wir gehen in die Tagesordnung ein.


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09.12.491. Punkt

Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (71 d.B.): Bundesge­setz, mit dem das Ausländerbeschäftigungsgesetz, das Arbeitsmarktpolitik-Fi­nanzierungsgesetz, das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, das Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetz, das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abferti­gungsgesetz, das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Beamten-Dienst­rechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956 und das Umweltförderungsgesetz ge­ändert werden (Budgetbegleitgesetz 2020) (175 d.B.)

2. Punkt

Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 537/A der Abgeordneten Gabriel Obernosterer, Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Umsatz­steuergesetz 1994 und das Schaumweinsteuergesetz 1995 geändert werden
(19. COVID-19-Gesetz) (184 d.B.)

3. Punkt

Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 538/A der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Bilanzbuchhaltungsberufe geändert wird (21. COVID-19-Gesetz) (185 d.B.)

4. Punkt

Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (110 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem die Bundesabgabenordnung, das Finanzstrafgesetz, das Bun­desgesetz über die personellen Maßnahmen aufgrund der Modernisierung der Steuer- und Zollverwaltung, das Bundesgesetz über die Prüfung lohnabhängiger Abgaben und Beiträge, das Bundesgesetz über die Schaffung eines Amtes für Betrugsbekämpfung, das Alkoholsteuergesetz, das Amtshilfe-Durchführungsge­setz, das Bodenschätzungsgesetz 1970, das Digitalsteuergesetz 2020, das Ein­kommensteuergesetz 1988, das Finanzprokuraturgesetz, das Gebührenge­setz 1957, das Glücksspielgesetz, das Kommunalsteuergesetz 1993, das Konten­register- und Konteneinschaugesetz, das Kraftfahrzeugsteuergesetz, das Norm­verbrauchsabgabegesetz, das Punzierungsgesetz 2000, das Zollrechts-Durchfüh­rungsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Bauarbeiter-Ur­laubs- und Abfertigungsgesetz und das Lohn- und Sozialdumping-Bekämp­fungsgesetz geändert werden (2. Finanz-Organisationsreformgesetz – 2. FORG) (173 d.B.)

5. Punkt

Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 452/A(E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Transparenz im Budget (174 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen zu den Punkten 1 bis 5 der Tages­ordnung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Klubobfrau Pamela Rendi-Wagner. – Bitte.



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9.13.57

Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Bundesregierung! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Corona mit all seinen Folgen ist für die Bevölkerung, für uns alle seit Wochen, seit Mo­naten allgegenwärtig. Corona bestimmt unser Leben, denn die sozialen und vor allem auch die wirtschaftlichen Folgen des Lockdowns sind unübersehbar.

In den kommenden Tagen soll hier im Hohen Haus ein Budget beschlossen werden. Es ist der Finanzplan für das heurige Jahr, für 2020. Doch was das Parlament beschließen soll, was Sie, Herr Finanzminister, uns vorgelegt haben, bildet diese Jahrhundertkrise nicht im Geringsten ab – während Deutschland es geschafft hat: Deutschland hat vor einigen Wochen sehr wohl ein sehr detailliertes Nachtragsbudget mit einer sehr de­taillierten Prognose von Mindereinnahmen und Mehrausgaben, die aufgrund der Krise für heuer prognostiziert wurden, vorlegen und sogar beschließen können.

Dem, was Sie, Herr Finanzminister, dem Parlament vorlegen, fehlt vor allem eines: Es fehlt ein Plan. Es fehlt ein Plan und es mangelt an einer Perspektive, Herr Finanzminister; es mangelt an einer Orientierung. Es ist genau das: Plan, Orientierung, Perspektive – das sind die Parameter, die Vertrauen schaffen, die Vertrauen in der Wirtschaft schaffen, bei Unternehmerinnen und Unternehmern, in der Politik und natürlich in der gesamten Bevölkerung. Ja, dieser Plan wäre dringendst notwendig.

Wenn wir heute eines wissen, dann dies: dass diese Planlosigkeit gleich zu Beginn des Shutdowns die Ursache von dramatischen Folgen war, die wir bis heute und wahr­scheinlich in den nächsten Monaten und Jahren noch weiter spüren werden. Es sind die Folgen von leeren Versprechungen und Planlosigkeit, sehr geehrte Bundesregierung, mit denen wir hier zu kämpfen haben. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Loacker.)

Die Folgen dieser Planlosigkeit, dieser Orientierungslosigkeit sind ein historischer Höchststand an Arbeitslosigkeit in Österreich, ein Höchststand an Menschen, die zur Kurzarbeit gemeldet sind, mehr als eine Million Menschen in Österreich – übrigens: die Quote der Arbeitslosen in Deutschland ist nur halb so groß, dabei hat Deutschland mit ziemlicher Sicherheit dieselbe Coronakrise durchgemacht wie Österreich –, und es sind Hunderttausende Unternehmerinnen und Unternehmer, die vor einer unklaren Zukunft stehen und nicht wissen, wie sie die nächsten Wochen, die nächsten Monate gesund überstehen – wenn nicht rasch wirklich echte Hilfe kommt.

Ja, bei Pressekonferenzen wird wortreich fast täglich mit Milliarden jongliert, aber wie wir spätestens seit der „ZIB 2“ gestern wissen, wurden von diesen 38 Milliarden Euro, Herr Finanzminister, gerade einmal 460 Millionen Euro vergeben – 460 Millionen, ein kleiner Bruchteil des Geldes, das Sie in mehr als 80 Pressekonferenzen angekündigt haben. Daraus, aus diesem Fakt geht für mich hervor, dass es eine Gruppe und viele Men­schen in diesem Land gibt, die schlaflose Nächte haben – nicht Sie, Herr Finanzminister: Es sind die 550 000 Arbeitslosen dieses Landes, es sind die 1,1 Millionen Menschen, die zur Kurzarbeit angemeldet sind, es sind die Hunderttausenden Unternehmerinnen und Unternehmer, die keine klare Zukunft vor sich haben. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Meinl-Reisinger.)

Und der Unmut, die Angst und die Verunsicherung wachsen in Österreich von Tag zu Tag. Es sind Menschen wie ein Wiener Blumenhändler, der bisher zweimal Unterstüt­zung aus dem Härtefallfonds beantragt hat, seit Wochen keinen Cent aus diesem Härtefallfonds bekommen hat und in einem Interview vor ein paar Tagen nur eines sagt: „Ich wünsche mir, dass die Regierung“ endlich „hält, was sie verspricht.“ – Oder eine junge Salzburger Unternehmerin, die in einem Printinterview gesagt hat, sie wurde trotz der vielen großen Versprechen auf ihrem Weg zu den Unterstützungen von sehr vielen bürokratischen Hürden überrascht; oder ein Wirt aus Wien Landstraße, der kürzlich im Radio, auf Ö1, gesagt hat, dass er bisher keinen einzigen Cent gesehen hat.


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Eine Studie der Universität Wien belegt das: Mehr als 1 000 Klein- und Mittelbetriebe wurden befragt, und mehr als 70 Prozent geben der Regierung für die Unterstüt­zungsleistungen nur ein Genügend oder sogar ein Nicht genügend. Nur 2 Prozent be­trachten Ihre Hilfsleistungen, die Sie in den letzten Wochen gegeben haben, als Sehr gut. – Das ist kein gutes Zeugnis, sehr geehrte Bundesregierung! Ja, es braucht endlich echte Hilfe, echte Hilfe statt leerer Versprechen, sehr geehrter Herr Bundeskanzler! (Beifall bei der SPÖ.)

Es braucht echte Hilfe für mehr als eine halbe Million Arbeitslose, es braucht echte Hilfe für Hunderttausende Unternehmerinnen und Unternehmer, für Tausende Alleinerziehe­rInnen in unserem Land und viele mehr. Für sie alle braucht es diese echte Hilfe, und die braucht es nicht erst in einigen Monaten, nein, die hätte es schon längst gebraucht, spätestens jetzt braucht es diese echte Hilfe. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist ein kritischer Moment, und wenn man nicht jetzt entschlossen, klar und mit Plan und Orientierung gegensteuert, dann setzt sich – und das ist ein kleines Einmaleins – eine Negativspirale aus Arbeitslosigkeit und Wirtschaftsabschwung in Gang. Je länger Sie zuwarten, desto schneller bewegt sich diese Spirale nach unten und desto schwie­riger ist es, diese Spirale nach unten zu stoppen, und desto mehr Mittel werden Sie auch brauchen, die Mittel der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, um diese Negativspirale zu stoppen – und das darf nicht passieren, sehr geehrte Bundesregierung! (Beifall der SPÖ.)

Das, was es jetzt braucht, ist ein Plan, es ist politische Entschlossenheit und es ist Kom­petenz, und diese kompetenten Stimmen sagen uns, dass es in Österreich das größ­te Investitions- und Beschäftigungspaket in der Geschichte der Zweiten Republik braucht. – Wann, wenn nicht jetzt?!

Wir müssen die Steuern für die ArbeitnehmerInnen endlich reduzieren, damit sie mehr Geld fürs tägliche Leben und damit eine höhere Kaufkraft haben, den Konsum ankurbeln und damit die Wirtschaft unterstützen können. Wir müssen das Arbeitslosengeld auf 70 Prozent der Nettoersatzrate erhöhen – eine wichtige menschliche Geste, aber auch eine volkswirtschaftlich notwendige Geste, Herr Finanzminister. Wir müssen mit klugen und nachhaltigen Investitionen in Wachstum und Beschäftigung endlich ein Stoppschild für diese Negativspirale, diese größte soziale und wirtschaftliche Krise unseres Landes aufstellen. All das sollte sich in dem heute von Ihnen vorgelegten Budget wiederfinden, all das findet sich in Ihren Zahlen aber leider nicht wieder. (Beifall bei der SPÖ.)

Noch eines: Insel sind wir auch keine. Österreich und die österreichische Wirtschaft sind nicht alleine, sind keine isolierte Insel, daher müssen wir als Österreich und österreichi­sche Wirtschaft auch ein hohes und großes Interesse an einem EU-weiten Investitions­plan zum europäischen Wiederaufbau haben, an einem gemeinsamen Wiederaufbau – nicht aus einem reinen Akt der europäischen Solidarität heraus; aus meiner Sicht ja, weil ich auch immer solidarisch denke, aus Ihrer Sicht wäre aber vielleicht die wirtschaftliche Vernunft das attraktivere Momentum. Auch das sehe ich aber nicht, sehr geehrter Herr Finanzminister. Es sollte in unserem ureigensten Interesse sein, dass alle Länder Eu­ropas stabil durch diese Krise kommen. Das ist ein Gebot der Stunde. So zu tun, als ob uns in Österreich die Wirtschaft in Italien nichts anginge, ist kleingeistig, kurzsichtig und wirtschaftlich einfach unvernünftig. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren der Bundesregierung! Es braucht jetzt verantwor­tungsvolle Politik, und verantwortungsvolle Politik heißt, genau diese Zusammenhänge aufzuzeigen, den Menschen diese Zusammenhänge zu erklären. Das ist die Aufgabe einer Regierung und das ist die Aufgabe von verantwortungsvollen europäischen Re­gierungschefs. Österreich sollte Teil der Lösung und nicht Teil des Problems sein, denn die europäische Zukunft ist auch die österreichische Zukunft. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

9.23



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 36

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gelangt der Klubobmann der ÖVP August Wöginger. – Bitte.


09.23.41

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Vi­zekanzler! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Werte Abgeordnete! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, es ist richtig, wir debattieren das Budget 2020 in einer sehr außergewöhnlichen Situation. Ich möchte aber schon zwei Bemerkungen zu meiner Vorrednerin machen.

Ich treffe viele Menschen in meinem Wahlkreis, die froh und dankbar dafür sind, dass wir bis jetzt - - (Heiterkeit und Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Ja, Sie gehen anscheinend nicht zu den Leuten, denn sonst würden Sie das auch hören, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Amesbauer: ... ÖVP volksnah ... neu! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Ich nehme das immer sehr ernst, was mir die Bevölkerung sagt (Zwischenrufe bei der SPÖ), und da gibt es sehr viele Menschen, die froh und dankbar dafür sind, dass Öster­reich bis jetzt sehr gut durch diese Gesundheitskrise (Abg. Matznetter: ... Regierungs­krise!) – und wir reden hier von einer weltweiten Pandemie – gekommen ist; und ich verstehe nicht, warum eine ehemalige Gesundheitsministerin darüber kein Wort verliert. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Zum Zweiten reden Sie von wirtschaftlicher Vernunft (Zwischenrufe der Abgeordneten Kollross und Leichtfried), Sie fordern das größte Hilfspaket der Zweiten Republik. Eines möchte ich Ihnen schon sagen: In der Sozialpartnerschaft werden gute Dinge ver­einbart, wenn man zum Beispiel die Kurzarbeitsregelung als Beispiel nimmt, die mitt­lerweile bei einem Volumen von 12 Milliarden Euro angelangt ist, und dann stellen Sie sich hierher und kritisieren diese Maßnahmen, die Ihre eigenen Gewerkschafter richti­gerweise auch mitvereinbart haben. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wir haben die So­zialpartnereinigung eins zu eins übernommen (Abg. Matznetter: Nein, wir kritisieren, dass ...!), es ist jetzt die Verlängerung, bei der die Gewerkschaftsvertreter mitstimmen. (Zwischenruf des Abg. Stöger.) Das geht auch nicht, meine Damen und Herren: auf der einen Seite verhandeln und zustimmen, auf der anderen Seite kritisieren. Das ist un­seriöse Politik, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Warum beschließen wir dieses Budget? – Das haben Sie zur Gänze verschwiegen, Frau Klubobfrau: weil es zusätzliche Mittel für viele Bereiche in den einzelnen Untergliede­rungen gibt: für Polizei und Bundesheer ein Plus von 119 Millionen Euro; bei der Justiz eine Aufstockung um 10 Prozent, insbesondere für Supportpersonal, von 165 Millionen Euro; zusätzliche Mittel für den ländlichen Raum und zum Schutz vor Naturgefahren, ein Plus von 144 Millionen Euro, zum Beispiel für die Nahverkehrsmilliarde; und das Budget für Umwelt-, Klima- und Energiemaßnahmen wird 2020 um fast 70 Prozent erhöht. Vor allem auch deshalb ist es notwendig, dieses Budget auch zu beschließen (Zwischenruf bei der SPÖ), denn das wäre mit der Fortschreibung des Budgetprovisoriums nicht möglich. Das haben Sie auch verschwiegen, meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Derzeit ändern sich die Wachstumsprognosen, die leider Negativprognosen sind, bei­nahe täglich. Allein das Wifo geht derzeit von einer Bandbreite von minus 5,25 Prozent bis zu minus 7,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes aus. Der Internationale Währungs­fonds prognostiziert minus 7 Prozent, die Oesterreichische Nationalbank minus 3,2 Pro­zent und die Bank Austria rechnet gar mit minus 9 Prozent. (Ruf bei der SPÖ: Raika?!) Also wir haben eine Bandbreite von minus 3,2 Prozent bis minus 9 Prozent.

Sie haben an die wirtschaftliche Vernunft appelliert, die ich bei der SPÖ seit ihrem Be­stehen vermisse (Beifall bei der ÖVP – Zwischenrufe bei der SPÖ), aber was bedeutet


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 37

das jetzt bei minus 3,2 bis minus 9 Prozent? Wie hätten Sie es denn gerne, Frau Rendi-Wagner, was sollen wir denn in das Budget hineinschreiben? (Zwischenruf des Abg. Kassegger.) Da geht es um Milliardenbeträge. – Auch das verschweigen Sie der Be­völkerung, liebe Frau Kollegin, aber vielleicht wäre es hilfreich gewesen, auf die Experten im Hearing zu hören. (Zwischenruf des Abg. Matznetter. Das, was du gut kannst, ist schreien, Herr Kollege Matznetter, das ist dir seit vielen Jahren auf den Leib geschrie­ben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wenn Sie den Expertinnen und Experten wirklich zugehört hätten, dann hätten Sie ver­nommen, dass zum Beispiel Martin Kocher vom IHS betont hat, „trotz wöchentlicher Updates der Studien sei eine Prognose der wirtschaftlichen Lage zum Ende des Jahres nicht möglich“. Margit Schratzenstaller vom Wifo sprach „von der schwierigsten Budget­erstellung in der Geschichte der Zweiten Republik“. (Zwischenrufe der Abgeordneten Kollross und Matznetter.) Man höre: „Das Budget könne deshalb nur eine Moment­aufnahme sein, die aber immerhin die Möglichkeit bietet, die wichtigsten Akzente der Regierungserklärung in Zahlen zu gießen.“ – Genau das machen wir, meine Damen und Herren, die wichtigsten Akzente, die wir vereinbart haben, werden mit diesem Budget auch beschlossen. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenruf des Abg. Kassegger.)

Für die Coronahilfsmaßnahmen ist im Budget eine Überschreitungsermächtigung im Ausmaß von 28 Milliarden Euro vorgesehen (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), weil es sich bei den anderen 10 Milliarden Euro um Steuerstundungen handelt. Die Auszah­lungen werden im Sinne der Transparenz jeden Monat in einem umfassenden Bericht dargelegt. Zusätzlich hat jetzt auch der Rechnungshof die Prüfung der Covid-Maßnah­men angekündigt, was gut und richtig ist (Zwischenrufe der Abgeordneten Doppelbauer und Meinl-Reisinger), weil ja der Rechnungshof das Kontrollinstrument des Parlaments ist. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Wir diskutieren derzeit ja auch über einen Unterausschuss auf der parlamentarischen Ebene im Zusammenhang mit dem Cofag-Beirat.

Wir können derzeit nur von Momentaufnahmen sprechen, alles andere wäre unseriös, meine Damen und Herren. Der Finanzminister hat am Sonntag im „Kurier“ auch klar­gestellt: Die Meldung nach Brüssel war keine Budgetdatenmeldung, sondern eine Wirt­schaftsdatenmeldung auf Aufforderung der Europäischen Kommission. (Abg. Loa­cker: ... biegen! – Abg. Matznetter: Das war nicht das Wifo!) Eine Endabrechnung gibt es derzeit nicht, weder einnahmen- noch ausgabenseitig, und ein Kassensturz macht erst im Herbst Sinn, das bestätigen auch die Expertinnen und Experten in diesem Be­reich. Es ist notwendig, dieses Budget jetzt zu beschließen (Abg. Doppelbauer: Wel­ches Budget?), damit wir abbilden können, wo Mehrausgaben vorgesehen sind.

Zum Schluss noch einige Aspekte, damit man versteht, warum wir das in dieser Art und Weise machen: Der Tourismus wird am kommenden Wochenende geöffnet, und wir hoffen natürlich, dass die Österreicherinnen und Österreicher dieses Angebot wieder annehmen und im Inland Urlaub machen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Der Tourismus schlägt sich in Normalzeiten mit 15 Prozent des Bruttoinlandsproduktes nieder, nur wis­sen wir nicht, wie das heuer in der Endabrechnung aussehen wird. (Abg. Matznetter: Das ist aber sehr ...!)

Wir haben 12 Milliarden Euro für die Kurzarbeit vorgesehen; die Abrechnung ist noch nicht erfolgt, das wird erst in den kommenden Wochen und Monaten passieren. (Ruf bei der SPÖ: ... Auszahlung ...!) Heute wird ein Gemeindepaket mit einem Volumen von 1 Milliarde Euro eingebracht. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.) 50 Prozent der In­vestitionskosten im Bereich der Gemeinden werden vom Bund übernommen, und zwar für künftige, aber auch für bestehende Projekte, die sich in den Voranschlägen wieder­finden. Es gibt die Auszahlungen im Bereich des Härtefallfonds und Fixkostenzuschüsse (Zwischenruf bei der SPÖ), die jetzt bereits vorzeitig an die betroffenen Unternehmerin­nen und Unternehmer ausbezahlt werden.


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Meine Damen und Herren, wie wollen Sie das unter dem Aspekt der wirtschaftlichen Vernunft in ein Budget gießen (Zwischenruf bei der SPÖ), wenn niemand weiß, wie diese Abrechnung am Ende des Tages wirklich aussehen wird? Das wäre unseriös, und daher machen wir das nicht. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Wir beschließen aber das Budget, das vorliegt, weil wir es als Grundlage dafür brauchen, jene Ausgaben korrekt zu tätigen, die wir, die Regierungsfraktionen, vereinbart haben – deshalb werden wir dieses Budget auch gemeinsam beschließen. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Abg. Leichtfried: Also das war eine sehr uninformierte Rede! – Zwischenruf des Abg. Haubner.)

9.32


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Fuchs. – Bitte.


9.32.26

Abgeordneter MMag. DDr. Hubert Fuchs (FPÖ): Sehr geehrter Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Sehr geehrte Österreicherinnen und Österreicher! Die Bewilligung und Kontrolle des Staatshaushalts gehören in Demokratien zu den zentra­len, wichtigsten und ältesten Rechten der Parlamente. Es gibt bedauerlicherweise 97 schwarz-grüne Nationalratsabgeordnete, welche am Donnerstag wissentlich ein fal­sches Budget beschließen werden. Wir haben auch einen Finanzminister, der nicht in der Lage ist, wozu alle seine Vorgänger in der Lage waren, nämlich ein ordentliches und korrektes Budget vorzulegen. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.) Wir haben auch einen Nationalratspräsidenten Sobotka, der kein Problem damit hat, dass der Finanzminister wissentlich ein falsches Budget vorlegt. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.)

Das Budget ist die in Zahlen gegossene Politik – noch nie war dieser Spruch so zutref­fend wie heute. Wir diskutieren nämlich im Hohen Haus immer noch ein Budget, das der Finanzminister vor der Coronakrise erstellt hat. Dieses Budget samt Budgetrede hat der Finanzminister bereits am 18. März in den Mistkübel geworfen. Der Finanzminister findet es aber nicht der Mühe wert, mit aktuellen Budgetzahlen zu hantieren. Die Begründung des Finanzministers ist unfassbar: Jede Zahl, die wir heute kennen, wird schlussendlich falsch sein, meint der Finanzminister; und weil das so ist, hat es laut Finanzminister gar keinen Sinn, das Budget zu aktualisieren.

Herr Finanzminister, ist Ihnen bewusst, dass es ein Bundeshaushaltsgesetz gibt? Ich darf Ihnen – und auch dir, lieber Klubobmann Wöginger – in diesem Zusammenhang § 28 Abs. 2 Bundeshaushaltsgesetz zur Kenntnis bringen: „Die Voranschlagswerte sind zu errechnen, wenn dies aber nicht möglich ist, zu schätzen.“ – Also hört nicht auf eure Experten, lest einmal das Gesetz! (Beifall bei der FPÖ sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS. – Abg. Leichtfried: Das war jetzt ein ...!)

Jetzt stellen wir uns einmal vor, der AUA-Vorstand wird mit einem Businessplan oder einem Budget, welches der Vorstand in Vor-Corona-Zeiten erstellt hat, beim Finanz­minister vorstellig und beantragt Staatshilfe. – Die AUA würde keinen einzigen Cent vom Finanzminister erhalten. Was aber der Finanzminister von einem Unternehmen verlangt, das muss wohl auch für den Herrn Finanzminister gelten. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.)

97 schwarz-grüne Nationalratsabgeordnete werden diese Woche 82,4 Milliarden Euro an Auszahlungen und 81,8 Milliarden Euro an Einzahlungen genehmigen, was einen Nettofinanzierungsbedarf von rund 600 Millionen Euro ergibt. Wir wissen aber bereits heute, dass der Finanzminister am 30. April nicht 600 Millionen Euro nach Brüssel ge­meldet hat, sondern 30,5 Milliarden Euro – aber auch diese 30,5 Milliarden Euro werden bei Weitem nicht ausreichen. Brüssel wird also vom Finanzminister über die aktuelle budgetäre Situation informiert, nicht aber der Nationalrat. Für den Finanzminister hat Brüssel wohl eine höhere Priorität als das Hohe Haus.


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Trotzdem genehmigen 97 schwarz-grüne Abgeordnete ein falsches Defizit von 600 Mil­lionen Euro. Und als Belohnung dafür, dass uns der Finanzminister ein falsches Budget vorlegt, bekommt er von den schwarz-grünen Abgeordneten auch noch einen Blanko­scheck über 28 Milliarden Euro zur freien Verfügung als Draufgabe. Eine mögliche Verfassungswidrigkeit dieser Ermächtigung stört die Regierungsparteien sowieso nicht, man ist das ja schon von den Covid‑19-Sammelgesetzen gewohnt. – So schaut es mit der Budgethoheit des Nationalrates aus, wenn Schwarz-Grün die Mehrheit hat; von Budgettransparenz hält Schwarz-Grün nicht viel. Umso wichtiger ist es nun, dass endlich der Covid‑19-Unterausschuss eingerichtet wird, damit alle budgetrelevanten staatlichen Maßnahmen einer echten parlamentarischen Kontrolle unterliegen. Da geht es um das Steuergeld der Österreicher, und da haben Transparenz und Kontrolle noch nie ge­schadet.

Die Opposition hat den Finanzminister schon zigmal aufgefordert, endlich ein Budget auf Basis der zur Verfügung stehenden Daten vorzulegen, auch wenn – wie wir wissen – diese Daten mit Unsicherheit behaftet sind und nicht alle Unwägbarkeiten vorhersehbar sind. Der nun vorliegende Budgetentwurf ist auf jeden Fall Ausdruck von großer Re­spektlosigkeit des Finanzministers und eine Missachtung des Nationalrates. Mittlerweile bekommen wir Nationalratsabgeordnete ja mehr Infos vom Budgetdienst als vom Fi­nanzminister; bei dieser Gelegenheit darf ich mich beim Leiter des Budgetdienstes, Dr. Berger, und seinem Team ganz herzlich für die fachkundigen Analysen bedanken. (Allgemeiner Beifall.)

Nach zehnwöchiger budgetärer Untätigkeit hat der Finanzminister das Budget jetzt wie­der aus seinem Mistkübel geholt und glaubt allen Ernstes, dass wir diesem Budget un­sere Zustimmung erteilen werden. – Nein, die FPÖ wird diesem Budget ganz sicher nicht zustimmen!

Lassen Sie mich noch ein paar Anmerkungen zum Gastropaket der Bundesregierung machen: Von der Erhöhung der Beträge der steuerfreien Essensgutscheine profitieren die Arbeitnehmer, aber nicht die Wirtshäuser; es wird deswegen nicht mehr konsumiert. Von der befristeten Erhöhung der steuerlichen Absetzbarkeit der Geschäftsfreundebe­wirtung profitieren alle Unternehmer, aber sicher nicht die Wirtshäuser; es wird dadurch kein einziges Geschäftsessen mehr geben. Die Abschaffung der Schaumweinsteuer hilft den Sektproduzenten, aber sicher nicht den Wirten. Die Wirtshäuser profitieren lediglich von der befristeten Senkung des Umsatzsteuersatzes für offene nicht alkoholische Ge­tränke. Das von der Bundesregierung groß angekündigte Gastropaket ist in Wirklichkeit gar kein Gastropaket, sondern ein Sammelsurium von steuerlichen Begünstigungen, von denen alle profitieren – nur nicht die Wirte. Die Gastronomie und die Hotellerie brauchen aber rasch ein echtes Hilfspaket und nicht ein schwarz-grünes Marketingpaket. (Beifall bei der FPÖ.)

Aber es ist ja nichts Neues: Die ÖVP widmet der Inszenierung von Politik so viel Zeit und Detailplanung, dass für die inhaltliche Ausgestaltung kaum Zeit übrig bleibt. Wir haben eine Bundesregierung, die schnelle und unbürokratische Hilfe versprochen hat, aber dieses Versprechen nicht einmal ansatzweise einhält. Schnell und unbürokratisch funk­tioniert bei den Hilfsmaßnahmen nämlich gar nichts. Die Bundesregierung hat den Un­ternehmen 38 Milliarden Euro an Hilfsmaßnahmen versprochen, bis dato sind davon erst 464 Millionen Euro in Cash geflossen. Beispielsweise wurde der Härtefallfonds mit 2 Mil­liarden Euro dotiert, und – man glaubt es kaum – erst 191 Millionen Euro wurden ausbe­zahlt; das sind weniger als 10 Prozent.

Wenn Sie, Herr Finanzminister, mit Ihrem Bürokratismus und Ihrer Formularwirtschaft so weitermachen, dann werden die meisten Unternehmen pleite sein, bevor sie jemals einen einzigen Euro an Hilfe erhalten haben. So sieht die schnelle und unbürokratische Hilfe der Bundesregierung aus.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 40

Ein Budget, in dem schlussendlich jede einzelne Zahl falsch sein wird, bildet eine Politik ab, in der sich schlussendlich jede einzelne Maßnahme ebenfalls als falsch herausstel­len wird. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

9.42


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Klubobfrau Maurer. – Bitte.


09.42.20

Abgeordnete Sigrid Maurer, BA (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Mitglie­der der Bundesregierung! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe ZuseherInnen vor den Bildschirmen! Wir stehen vor vier sehr intensiven Plenartagen, an denen wir uns vor allem mit dem Budget für das bereits weit fortgeschrittene Jahr 2020 beschäftigen werden. Das Jahr 2020 ist bisher ein sehr herausforderndes Jahr und es wird mit Sicher­heit weiterhin sehr herausfordernd bleiben: für die zahlreichen Menschen, die ihren Job verloren haben, für die zahlreichen Unternehmerinnen und Unternehmer, die in einer wirtschaftlich sehr prekären Situation sind, aber auch für die Eltern – insbesondere na­türlich die Frauen –, die in den letzten Wochen mit der großen Herausforderung von Homeschooling und Homeoffice konfrontiert waren.

Aber es wird bergauf gehen! (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.) Wir haben Locke­rungen, wir haben Hilfsfonds, und entgegen der Einzelbeispiele, die hier immer genannt werden, gibt es sehr viele Beispiele, wo das Geld sehr wohl ankommt, auch wenn man hie und da jedenfalls noch nachbessern wird müssen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Das Budget, das wir hier beschließen werden, ist das Ergebnis durchaus langer und zäher Verhandlungen, die im Herbst im Winterpalais begonnen haben und sich bis weit nach Weihnachten gezogen haben. Sie sind auch das Ergebnis deutlich kürzerer, aber nicht minder zäher Verhandlungen mit dem Finanzministerium im Februar. Zu diesen Zeitpunkten war noch nicht absehbar, dass Corona die Republik aufrütteln wird, dass uns Corona einen Strich durch die Rechnung machen wird.

Das Budget ist in Zahlen gegossene Politik – bis jetzt haben das schon drei von vier RednerInnen gesagt. Dieser Satz wird auch an diesem Tag weiter strapaziert werden. Während die Opposition hier lautstark von einem Fakebudget spricht, also von einem gefälschten Budget – und das ist schon eine recht starke Ansage, würde ich meinen, die ich ganz sicher nicht teile –, möchte ich mich hier heute auf die Politik konzentrieren, die hinter diesen Zahlen steht und die in diese Zahlen gegossen ist. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Auch wenn uns Corona einen Strich durch die Rechnung gemacht hat und wir in vielen Bereichen logischerweise umdisponieren müssen, ist das Regierungsprogramm, das sich diese türkis-grüne Regierung ausgemacht hat, auf das wir uns geeinigt haben, alles andere als hinfällig. Es ist ein Regierungsprogramm, dem wir uns als grüne Fraktion verpflichtet haben und das wir der österreichischen Bevölkerung und natürlich insbe­sondere auch unseren WählerInnen schuldig sind.

Keine Frage, auch das ursprünglich geplante Budget hätte ohne Corona logischerweise noch nicht alle Maßnahmen umfasst, die das Regierungsprogramm vorsieht. Es war immer klar, dass es gewissermaßen eine Art Übergangsbudget sein wird. Dennoch haben wir aber viele Akzente gesetzt, mit denen wir die Politik, die wir in den nächsten Jahren für diese Republik machen wollen, unterstreichen. Darauf möchte ich mich heute konzentrieren.

Wir von den Regierungsfraktionen haben uns verpflichtet, im Bereich des Klimaschutzes maßgebliche Schritte zu setzen und die Katastrophe abzuwenden, die uns durch die ungebremste Erhitzung des Planeten weiterhin droht. Dadurch leisten wir einen ange­messenen Beitrag, um diese Katastrophe zu verhindern. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)


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Wir verdoppeln die Mittel für die Fotovoltaik, wir verfünffachen die Mittel für den Raus-aus-dem-Öl-Bonus, wir erhöhen das Budget des Klima- und Energiefonds um 15 Mil­lionen Euro. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Coronabedingt steigen jetzt viele Leute aufs Fahrrad um. Das dafür zur Verfügung stehende Budget wird verzehnfacht. Wir haben insgesamt eine Steigerung von über 160 Millionen Euro im Bereich Umwelt, Klima und Energie vorzuweisen, über 200 Millionen Euro mehr für Mobilität, über 20 Millionen Euro mehr für Forschung in diesem Bereich.

Ein anderer Punkt: Alma Zadić, unsere Justizministerin, hat erfolgreich dafür gekämpft, dass in diesem Budget deutlich mehr Mittel zur Verfügung stehen, damit die Justiz ihre chronische Unterfinanzierung überwinden kann. (Beifall bei den Grünen und bei Abge­ordneten der ÖVP.) 165 Millionen Euro mehr bedeuten auch 30 neue StaatsanwältInnen für die Bekämpfung von Cybercrime, Hass im Netz und Korruption (Zwischenruf des Abg. Leichtfried), 100 neue Planstellen für Supportpersonal, das die Bearbeitung der Fälle in der Justiz deutlich beschleunigen wird, ebenso eine Aufstockung für die Justiz­wache oder der Datenschutzbehörde. (Zwischenruf des Abg. Loacker.)

Ein anderer Bereich, der mir persönlich sehr wichtig ist und der uns jetzt auch corona­bedingt wieder stärker betrifft, ist Gewalt an Frauen. Wir erhöhen in einem ersten Schritt das Budget im Frauenbereich um 20 Prozent auf 12 Millionen Euro. (Abg. Heinisch-Hosek: 17 Millionen ...!) Das Geld soll insbesondere in den Gewaltschutz fließen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir beschließen dieser Tage dieses Budget inklusive der Überschreitungsermächtigun­gen, die notwendig sind, um die Coronakrise abzufedern. Das betrifft, wie schon gesagt, mehrere Milliarden Euro für die Kurzarbeit, es betrifft die Hilfsfonds, die Härtefallfonds, es betrifft auch Maßnahmen wie die Stundungen. Wir setzen aber neben dieser Direkt­hilfe auch Impulse, damit die Wirtschaft wieder in Gang kommen kann und tun genau das, Frau Rendi-Wagner, was Sie hier gefordert haben, zum Beispiel mit einem 1-Mil­liarde-Euro-Gemeindeinvestitionspaket, mit dem wir dafür sorgen, dass Projekte, die geplant waren (Zwischenruf bei der SPÖ), die aber aufgrund der Ertragsentfälle in den Gemeinden potenziell nicht mehr durchgeführt werden können – der Bau von Kindergär­ten, von Schulen, von Seniorentagesheimen –, trotzdem durchgeführt werden. Wir för­dern dabei 50 Prozent. Auch dieses Gemeindepaket trägt ganz klar eine grüne Hand­schrift. Wir treiben auch mit diesem Investitionspaket die Ökologisierung voran. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es werden Projekte im Bereich der erneuerbaren Energie und im Bereich der thermi­schen Sanierung gefördert. Neubauten haben den Klimaaktiv-Silberstandard zu erfüllen. All das sind wichtige Schritte bei der Bekämpfung der Klimakrise.

Wir haben außerdem 300 Millionen Euro frisches Geld für den Ausbau der Bahn, insbe­sondere der Nebenbahnen vorgesehen; da geht es darum, die regionale Wirtschaft an­zukurbeln. Wir haben 200 Millionen Euro für den Schutz und die Ökologisierung unserer Gewässer vorgesehen. Corona hat uns schwer getroffen, aber gemeinsam mit den zu­kunftsgerichteten Investitionen werden wir es auch schaffen, herauszukommen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir wissen heute vor allem eines, nämlich dass wir nicht wissen, wie das Jahr 2020 wirtschaftspolitisch, arbeitsmarktpolitisch und auch gesundheitlich zu Ende gehen wird. (Abg. Vogl: ... 31. Dezember!) Das wissen wir nicht. Wir wissen aber, dass, auch wenn die Coronakrise überwunden ist, die nächsten Krisen vor der Tür stehen – eine Wirt­schaftskrise und die Klimakrise –, die zu bewältigen sind.

Wir werden aufgrund des heute beschlossenen Budgets flexibel genug sein, die notwen­digen Änderungen einzupreisen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Von einem gefälschten Budget zu sprechen halte ich für deutlich unangemessen. Falsche Zahlen – andere


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falsche Zahlen – einzufügen, dafür würden Sie uns, werte Frau Rendi-Wagner, garan­tiert genauso prügeln. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.) Dementsprechend hoffe ich sehr, dass die weitere Debatte an diesen folgenden Tagen sich doch den eigentlichen Inhalten dieses Budgets widmet und nicht nur dieser Metakritik. (Ruf bei der SPÖ: ... rich­tige Zahlen nehmen! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

9.50


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Klubobfrau Meinl-Reisinger. – Bitte. (Zwischenrufe der Abgeordneten Matznetter und Vogl.)


9.50.47

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Werter Herr Bundeskanzler, Herr Vizekanzler! Werte Mitglieder der Bundesregie­rung! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuschauerinnen und Zuschauer nicht hier im Saal, aber vielleicht vor den Bildschirmen! Es ist schon einiges zu dem Budget, das die nächsten Tage hier debattiert wird, gesagt worden, und ich habe auch einiges darüber gelesen, wie das so kommentiert wurde. Da ist die Rede von „Haus­nummern“; man könnte genauso gut Hausnummern diskutieren. Es ist, finde ich, auch sehr treffend von „Altpapier“ gesprochen worden, das eigentlich eh schon vor einigen Wochen mehr oder weniger symbolisch in den Mistkübel verfrachtet worden ist.

Man könnte natürlich auf dem Standpunkt stehen, das ist die dumme Opposition, die nicht versteht, in welcher außergewöhnlichen Situation man ist, und dass es sehr schwer möglich ist, wirklich akkurate Zahlen zu liefern. (Zwischenruf des Abg. Deimek.) Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist jedes Verständnis dafür da, dass nicht jede Zahl in jeder Untergruppe auf Punkt und Beistrich halten wird – das ist völlig klar. Das ist der Opposition genauso klar. Es aber nicht einmal zu versuchen, ein seriöses Budget mit einem entsprechenden Nachtrag zu liefern, ist tatsächlich eine Respektlosigkeit ge­genüber dem Parlamentarismus und gegenüber der Volksvertretung in diesem Land. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

Herr Klubobmann Wöginger, Sie haben gesagt, es wäre unseriös, revidierte Zahlen auf den Tisch zu legen. Der Leitspruch dieser Bundesregierung oder auch der Abgeordneten der Regierungsfraktionen dürfte also sein: Wenn schon unseriös, dann gescheit! (Hei­terkeit der Rednerin.) Da legen wir gleich das Altpapier vor und keine neuen Zahlen (Zwischenruf des Abg. Wöginger) – das ist genauso unseriös beziehungsweise noch unseriöser –, und dann debattieren wir nicht darüber!

Das ist doch kein Anspruch! Das ist doch kein Anspruch, den man an eine ernsthafte Budgetdebatte haben kann. Noch einmal: Das Verständnis ist ja da. Wenn aber die beste Information, die wir hier im eigenen Haus als Abgeordnete bekommen, von unserem Budgetdienst erstellt wird – an dieser Stelle einmal ein herzliches Dankeschön für die wirklich hervorragende Arbeit, die da gemacht wurde (Beifall bei NEOS und SPÖ sowie bei Abgeordneten der FPÖ) –, dann kommt das doch einer Arbeitsverweigerung des Fi­nanzministers und des gesamten Finanzministeriums gleich. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Der Budgetdienst hat das eingearbeitet, was an Brüssel gemeldet wurde, und es mag schon sein (Zwischenruf der Abg. Greiner), dass das in der Detailtiefe nicht vergleichbar ist – keine Frage –, aber immerhin konnten dadurch wesentliche Abschätzungen und Vorausschauen getätigt werden.

Was Sie machen, ist eigentlich die Fortsetzung Ihrer Aktivitäten der letzten Wochen: Sie nutzen die Krise, um sukzessive eine Entmachtung des Parlaments voranzutreiben. (Beifall bei NEOS und SPÖ sowie bei Abgeordneten der FPÖ.) Es geht um eine Ver­ordnungsermächtigung, die Sie dann auf rechtsstaatlich schwindligem Boden umsetzen. Es geht hier nun um eine Überschreitungsermächtigung. Wenn ich lese, dass es welche gibt, die sagen: Das ist ja eine kleinliche Debatte!, dann sage ich Ihnen: Das ist keine


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kleinliche Debatte! Es geht um die Grundinstitutionen der Demokratie und es geht um das Haushaltsrecht des Parlaments.

Wenn die Abgeordneten der Regierungsfraktionen hier am Donnerstagabend beschlie­ßen werden, dass dem Finanzminister mal locker-flockig nahezu ein Drittel des Budgets im Wege einer Überschreitungsermächtigung – eine Art Blankoscheck – ohne Mitwir­kungsrecht des Parlaments gegeben wird, dann ist das meiner Meinung nach eine Selbstaufgabe des Parlamentarismus. Und was das für die Demokratie in diesem Land bedeutet, sollten Sie in Ihren Fraktionen zu Ende diskutieren! (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

Inszenierung schlägt Inhalt – wesentliche Zahlen kennen wir aus Pressekonferenzen. Das ist immer besonders interessant, wenn wir hier keine ordentlichen Zahlen geliefert bekommen, aber wie so viele fieberhaft bei der 80. Pressekonferenz vor den Bild­schirmen sitzen und dann dort die Zahlen hören, die Sie quasi als in Zahlen gegossene Politik – als Plan – präsentieren. (Zwischenruf des Abg. Loacker.) Ich höre schon auf, darüber zu sprechen, was das wieder in Bezug auf den Respekt gegenüber dem Haus­haltsrecht des Parlaments bedeutet, wenn man diese Zahlen aus Pressekonferenzen erfährt.

Wir wissen aber auch seit gestern – seit der „ZIB 2“ – definitiv, dass Inszenierung auch Inhalt schlägt, wenn es um die Frage der Wirtschaftshilfen geht. Entschuldigen Sie, aber wenn wir betreffend Budget eh nur im Kaffeesud lesen können – auch wenn Frau Klub­obfrau Maurer sich redlich bemüht hat, sich noch an den Zielen festzuhalten, die vor Corona ausgeschrieben wurden –, dann diskutieren wir doch darüber, welche Covid-19-Hilfsmaßnahmen tatsächlich passiert sind und welche Wirksamkeit diese gehabt haben!

Schauen Sie, ich habe da so einen Knopf im Hirn: Vor ein paar Wochen – mittlerweile eigentlich Monaten – sind Sie hier gestanden und haben einen Schulterschluss be­schworen, haben gesagt, dass wir nur gemeinsam gut und stark aus dieser Krise heraus­kommen. Es gab da immer wieder Momente, bei denen mit großer Geste verkündet wurde, was jetzt nicht alles gemacht werden würde. Die größte aller Gesten war: „Koste es, was es wolle!“

Immer wieder gab es dann Situationen, in denen Abgeordnete der Oppositionsparteien darauf aufmerksam gemacht haben, dass die eine oder andere Hilfsmaßnahme vielleicht nicht so klug gestrickt war, wie Sie sich das in den Pressekonferenzen schöngeredet haben, dass vielleicht die eine oder andere Hilfsmaßnahme wie zum Beispiel die Kurz­arbeit eine Art Liquiditätsfalle für die Unternehmer werden könnte, weil die Auszahlungen nicht rasch passieren.

Was haben Sie damals gesagt? – Sie haben gesagt: Die Opposition kann nur kritisieren, das ist ja alles falsch, das ist ja alles nicht wahr! – Und jetzt schauen Sie sich das anhand der tatsächlichen Zahlen an, die nun auch auf dem Tisch liegen! Gestern haben wir das von der Kurzarbeit gehört: Diese wurde mittlerweile auf 12 Milliarden Euro erhöht, 273 Millionen Euro wurden ausbezahlt – das Ganze in der Situation, dass nun der Juni kommt, in dem die doppelten Gehälter fällig werden. (Abg. Wöginger: Es ist ja noch gar nicht abgerechnet!) – Das ist ja die Tragik, Herr Wöginger, dass noch nicht abgerechnet ist! Das ist genau das Problem, vor dem wir gewarnt haben. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wir haben gesagt, dass das eine Liquiditätsfalle für Unternehmen werden wird. (Zwi­schenrufe der Abgeordneten Wöginger und Schellhorn.) Das ist schlecht gemacht, absolut schlecht gemacht! (Beifall bei NEOS und SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Schell­horn. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Oder auch der Härtefallfonds: Der Härtefallfonds ist an Bürokratismus nicht zu überbie­ten! (Abg. Schellhorn: Wahnsinn!) Nicht zu überbieten! (Zwischenruf des Abg. Wögin­ger.) Für vielleicht 436 Euro geben Unternehmer alle Zahlen (Zwischenruf des Abg. Vogl) – übrigens nicht nur Schätzungen – und auch alle Daten der Wirtschaftskammer


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bekannt (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Wöginger), und es sind 191 Millionen Euro ausgezahlt worden. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Die Frage ist: Können Sie es nicht oder wollen Sie es nicht? (Ruf: Sie können es nicht!) – Wenn das Budget in Zahlen gegossene Politik ist und ein Plan ist (Abg. Wöginger: ... her­schenken?!), dann muss man sagen, das zeugt von einer ungeheuren Planlosigkeit. (Abg. Schellhorn – in Richtung Abg. Wöginger –: Herschenken? Was schenkst du denn her? – Abg. Wöginger – in Richtung Abg. Schellhorn –: ... Untersuchungsausschuss!) – Darf ich die Herren vielleicht bitten, das nachher zu diskutieren? Danke schön. Es zeugt von einer ungeheuren Planlosigkeit und letztlich auch von einer Realitätsverweigerung, was die Betriebe, was die Menschen, was die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, aber auch die Unternehmerinnen und Unternehmer jetzt tatsächlich brauchen.

Phase eins sollte rasche und unbürokratische Hilfe bedeuten – also gut, ich glaube, wir können heute feststellen, dass das nicht so wahnsinnig gut funktioniert hat. Die Phase zwei ist nun das Hochfahren. Das ist ein sehr sensibler Bereich, und da habe ich schon einmal gesagt, da reicht die große Geste nicht, das muss mit sehr viel Gewissen­haftigkeit passieren – Inkonsistenzen sind ja genug da –, aber vor allem muss es mit Optimismus, Zuversicht und Planbarkeit einhergehen.

Ich kann an dieser Stelle hier nur noch einmal appellieren, das eine oder andere Mal auch dem zuzuhören, was die Opposition sagt. Mit Angstrhetorik – da (in Richtung Bun­deskanzler Kurz) sitzt ja der oberste Angstrhetoriker – allein wird man die Zuversicht und den Optimismus nicht in dieses Land hineinbringen (Beifall bei den NEOS), weder bei den Konsumentinnen und Konsumenten noch bei den Betrieben, die nun wieder hoch­fahren. Wenn ich möchte, dass konsumiert wird, wenn ich möchte, dass die Betriebe wieder arbeiten, dann braucht es dafür diese Zuversicht. Wir haben gestern auch Vor­schläge gemacht – ich kann sie Ihnen auch gerne wieder unterbreiten –, was man für diese Zuversicht, diese Planbarkeit und den Optimismus braucht.

Wenn wir von Freiheit sprechen, und ich glaube, es ist dringend notwendig, darüber zu sprechen, dann müssen wir in dieser Situation von der Freiheit für Unternehmerinnen und Unternehmer reden. Die kreativen Köpfe, die in den letzten Wochen adaptiert haben, stoßen immer wieder an die Grenzen der Gewerbeordnung. Wann, wenn nicht jetzt, wäre der Plan vorzulegen, Zuversicht und unternehmerische Freiheit in dieses Land zu bringen und die Gewerbeordnung zu reformieren oder auch Entlastung zu bringen? Frau Klubobfrau Rendi-Wagner hat es auch gesagt: steuerliche Entlastung in der Tarifreform bitte vorziehen, damit wir eine Chance haben, den Konsum anzukurbeln und so Zuver­sicht zu bringen!

Eigenkapitalstärkung ist auch wichtig; daher unser Vorschlag, für nicht entnommene Gewinne in den nächsten zwei, drei Jahren die KÖSt auszusetzen. Das wird ein wesent­liches Thema sein – hören Sie Herrn Treichl im „Morgenjournal“ zu! –: die Eigenkapital­ausstattung der Unternehmen. Investitionen in den Unternehmen sicherstellen, Eigen­kapital stärken – habe ich schon gesagt –, und nun sage ich Ihnen den letzten Punkt – ich nehme an, wir werden das auch noch diskutieren –, und zwar: Europa.

Optimismus und Zuversicht bedeuten auch, anzuerkennen – wie es auch schon hier be­sprochen wurde –, dass Österreich keine Insel, sondern Gott sei Dank eine sehr ver­netzte Volkswirtschaft ist. Ich hoffe doch, dass sich, anders als in den Fünfziger- und Sechzigerjahren, bei den Regierenden ein europäischer Gedanke durchgesetzt hat, dass man sieht, dass eine reine Austria-First-Position wirtschaftspolitisch und europa­politisch das Dümmste ist, das man machen kann.

Wir sind vernetzt, das ist gut so, und die Stärke Österreichs, auch in der Zukunft, liegt in einem starken Europa. Das bedeutet, es gilt die Grenzen aufzumachen, und das be­deutet, es gilt auch auf europäischer Ebene in dieser Phase solidarisch vorzugehen. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

10.00



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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist der Herr Finanzminister. Ich darf ihm das Wort erteilen. (Abg. Matznetter: Vielleicht hat er ja die richtigen Zahlen mitgebracht! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Martin Graf.)


10.00.45

Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel, MBA: Meine sehr geehrten Da­men und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeord­neten! Werte Damen und Herren auf der Galerie und vor den Fernsehschirmen! Vor allem: Sehr geehrte Damen und Herren der Oppositionsfraktionen! Ich darf Ihnen tat­sächlich in einigen Kritikpunkten recht geben (Zwischenruf bei der SPÖ), in vielen Kritik­punkten muss ich Ihnen aber entschieden widersprechen.

Recht geben darf ich Ihnen, wenn es darum geht, dass wir uns in einer Situation der höchsten Unsicherheit befinden und in dieser Politik machen. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Recht geben darf ich Ihnen, wenn Sie sagen, dass diese Krise wohl die größte und schwerste ist, die wir zu unser aller Lebzeiten erlebt haben. Recht geben darf ich Ihnen auch, dass es ständig Verbesserungspotenzial gibt.

Genau aus diesem Grund hat sich die Bundesregierung dafür entschieden, ein beispiel­loses Hilfspaket von 38 Milliarden Euro auf den Weg zu bringen, um einen Schutzschirm über der österreichischen Volkswirtschaft aufzuspannen, um all jenen zu helfen, die am meisten von dieser Krise betroffen sind – und diese Hilfe kommt an, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Ruf bei der SPÖ: Bei wem? – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich darf Ihnen diesbezüglich ein paar Zahlen näherbringen (Zwischenruf der Abg. Grei­ner): Bis dato sind 250 000 Anträge auf Steuerstundungen und Steuerherabsetzungen im Finanzministerium eingegangen (Zwischenruf bei der SPÖ) und im Ausmaß von 6 Milliarden Euro unmittelbar bewilligt worden. (Zwischenruf des Abg. Schellhorn.) Dieses Geld verbleibt als ein Mehr an Liquidität in den Unternehmen, um in dieser Zeit durchkommen zu können. (Abg. Belakowitsch: Die haben ja keine Einnahmen!) Bei den Garantien und Krediten sind bisher über 20 000 Anträge gestellt und bewilligt wor­den, insgesamt ist ein Volumen von 4 Milliarden Euro an Garantien seitens des Staates übernommen worden. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Was die Kurzarbeit betrifft – ursprünglich ja gemeinsam mit der Gewerkschaft mit einem maximalen Ausmaß von 400 Millionen Euro konzipiert (Abg. Belakowitsch: Das haben wir damals schon kritisiert!) –, sind mittlerweile Anträge im Ausmaß von über 10 Milliar­den Euro bewilligt worden. Natürlich kann die Kurzarbeit erst im Nachhinein abgerechnet werden – so ist sie auch konzipiert (Abg. Meinl-Reisinger: Falsch konzipiert!) –, wenn man weiß, wie viel tatsächlich gearbeitet worden ist. Das ist seit Anfang Mai möglich, und auch in diesem Bereich sind bisher über 40 000 Anträge abgerechnet worden, das Geld ist geflossen. Ich bitte Sie also, auch das zu berücksichtigen, wenn Sie schon sach­liche Kritik äußern wollen, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Natürlich ist nicht alles perfekt. Es gibt keine Blaupause für eine Coronakrise, es gibt kein Handbuch dafür, deswegen arbeiten wir auch ständig an Verbesserungen. Wir ha­ben im Finanzministerium eine Hotline eingerichtet, bei der alleine mittlerweile 12 000 Bür­gerkontakte stattgefunden haben. Wir stehen nicht nur den Bürgerinnen und Bürgern Rede und Antwort und helfen ihnen weiter (Abg. Schellhorn: Sapperlot!), sondern zie­hen auch für uns die Lehren daraus – wir sehen, wo wir nachbessern und besser werden müssen.

Wenn Sie sich aber die internationalen Zahlen und Vergleiche ansehen, die publiziert werden – egal ob sie von der Europäischen Kommission oder der OECD sind –, sehen Sie, dass Österreich offensichtlich besser als andere Länder durch die Krise kommt


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(Abg. Greiner: Welche Zahlen sind das?) –, egal ob das im Bereich der Gesundheit ist oder ob wir dank der entschiedenen Maßnahmen der Bundesregierung jetzt die Wirt­schaft schneller wieder hochfahren können, als das in anderen Ländern der Fall ist. Das sagen nicht nur wir, das sagt auch die Europäische Kommission.

Die Hilfsmaßnahmen, die in Österreich gesetzt worden sind, gehören teilweise zu den besten weltweit. Das Kurzarbeitsmodell ist das attraktivste und flexibelste, das es welt­weit gibt. (Abg. Schellhorn: Wer sagt das? – Abg. Belakowitsch: Wie kommen Sie darauf?)

Bezüglich der Kredite, die von Ihnen auch immer wieder kritisiert worden sind: Der öster­reichische Staat ist einer von nur vier in der gesamten Europäischen Union, die für bis zu 100 Prozent von Kreditsummen garantieren. Nur ein Beispiel, weil auch Deutschland genannt worden ist: In Deutschland gab es bisher 8 000 Anträge für diese Kredite, in Österreich knapp 7 000, wovon über 6 000 bereits bewilligt worden sind (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch) – und das bei einem Faktor eins zu zehn zwischen Österreich und Deutschland. Auch das ist eine Wahrheit dieser Krise. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Der Fixkostenzuschuss hat letzte Woche gestartet, es gab bisher knapp 2 000 Anträge, das erste Geld wird Ende Mai, Anfang Juni fließen. Wir haben auch dabei aus der De­batte gelernt und das Auszahlen dieses Fixkostenzuschusses massiv vorgezogen: vom kommenden Jahr auf bereits Anfang Juni und Ende August.

Ich darf zum Budget und den von Ihnen kritisierten Themen kommen. Ich bin der Mei­nung, dass es sinnvoll ist, das Budget in dieser Form zu beschließen, weil viele gute, wichtige und richtige Maßnahmen darin enthalten sind, egal ob das mehr Geld für die Justiz ist (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch – Zwischenruf bei der SPÖ) – 30 Staats­anwälte mehr, über 100 Personen mehr beim Supportpersonal –, ein um 70 Prozent er­höhtes Budget in vielen Bereichen für Umwelt, Klima und Energie, mehr als 100 Mil­lionen Euro mehr für die Polizei oder ein Plus von 400 Millionen Euro im Wissenschafts- und Forschungsbereich. Das kann sich sehen lassen. Danke, dass wir dieses Budget diese Woche beschließen können, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Die Prognosen, was die Wachstumszahlen in Österreich betrifft, sind höchst unter­schiedlich, sie divergieren von minus 3,5 Prozent bis zu minus 9 Prozent. Auch die Wirt­schaftsforscher sagen, dass es erst im Herbst sinnvoll ist, einen Kassasturz zu machen und die Zahlen auf den Tisch zu legen, was es bisher gekostet hat und was es insgesamt vielleicht kosten kann. Spätestens im Herbst werden wir ja auch das Budget für 2021 diskutieren, und auch da wird dann diese Kostenwahrheit entstehen.

Betreffend die bisherigen Coronaausgaben arbeiten wir höchst transparent. Wir haben auch festgelegt, dass es eine Überschreitungsermächtigung von bis zu 28 Milliarden Euro im Budget geben soll, über die auch jedes Monat berichtet wird. Jedes Monat wird dem Parlament genau berichtet, was mit diesem Geld passiert ist. Eine eigene Unter­gruppe für Covid-Maßnahmen ist dafür eingerichtet worden, und auch was mit den Co­ronamaßnahmen genau passiert, kann nachverfolgt werden. Darüber hinaus werden wir natürlich auf die Kritik eingehen und den bisher konkret ausbezahlten Betrag im Budget abbilden.

Vierter Punkt: Die Meldung, die nach Brüssel gegangen ist – es ist ohnehin schon oft gesagt worden, auch gestern Früh im Ö1-„Morgenjournal“ von einer Wirtschaftsfor­scherin –, hat natürlich nichts mit dem Budget zu tun. Ein Budget hat 36 000 Konten, eine Budgetschätzung aus dem Finanzministerium dauert mehrere Wochen, wird zwei­mal im Jahr gemacht und beeinflusst 5 000 bis 6 000 Konten. Was nach Brüssel gemel­det wurde, ist eine Wifo-Schätzung mit volkswirtschaftlichen Gesamtzahlen und nichts anderes.


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Zur Kritik von Kollegen Fuchs, die die Rechtmäßigkeit oder den Zweifel daran betrifft: Ich weiß nicht, mit wem Sie gesprochen haben, Herr Kollege Fuchs – ich schätze Ihre Meinung inhaltlich normalerweise sehr –, aber alle Verfassungsrechtler und Budgetex­perten, mit denen wir gesprochen haben, bestätigen uns die Rechtmäßigkeit dieser Vor­gangsweise, egal ob das Universitätsprofessor Dr. Heinrich aus Klagenfurt ist, Univer­sitätsprofessor Dr. Poier aus Graz oder Budgetexperte Manfred Lödl. Sie alle haben wir konkret befragt, nachdem diese Kritik aufgekommen war, und alle bestätigen uns eine korrekte Vorgangsweise. – Danke auch an diese Experten, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Abschließend darf ich Ihnen nochmals recht geben: Wir stehen vor einer noch nie da­gewesenen Herausforderung. Ich möchte in dieser Situation explizit Danke für die letzten Wochen sagen, vor allem allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Kabinetten, in den Ministerien, die Tag und Nacht daran arbeiten, dass es in den verschiedenen Kör­perschaften ständig zu Verbesserungen kommt, die mit uns gemeinsam gegen diese Krise kämpfen, und Danke an die Österreicherinnen und Österreicher für den starken Zusammenhalt in dieser Situation. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

10.09


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Obernoste­rer. – Bitte. (Abg. Wöginger: Jetzt is’ zsammgräumt in der Hüttn! – Abg. Matznetter: Aber nicht genug ...! – Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.)


10.09.09

Abgeordneter Gabriel Obernosterer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Herr Finanzminister! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer zu Hause vor den Fernsehschirmen! (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.) Herr Finanzminister, Sie haben das ausgeführt und ich möchte nichts wiederholen, aber lassen Sie mich noch ein paar Worte zum Budget an die Oppositionsparteien richten. (Zwischenruf der Abg. Greiner.)

Meine Familie führt zwei Hotels, auch wir müssen ein Budget erstellen. Wir haben uns letzte Woche vor dem Aufsperren – am Wochenende sperren wir beide Häuser auf – zusammengesetzt und haben uns angesehen, wie jetzt das Budget für dieses Jahr aussieht – weil es ja so, wie wir es mit 1. Jänner erstellt haben, nicht mehr passt –, welche Fixkosten wir haben, weil wir ja auch die Verpflichtung gegenüber den Banken haben. Die Fixkosten kennen wir genau: Sie setzen sich zusammen aus dem, was wir in der Küche brauchen, was wir im Service brauchen, im Stock brauchen, in der Verwaltung brauchen. – Genauso verhielt es sich für den Herrn Finanzminister mit den Kosten für die einzelnen Ressorts: Diese Kosten sind fix auf dem Tisch – auch hier im Budget für den Staat.

Dann haben wir ein Budget für Sonderaktionen, die wir setzen müssen, damit wir den Betrieb eventuell besser und schneller in die Höhe fahren können. Dafür gibt es eine Pauschalsumme – wir wissen heute noch nicht, wie viel wir davon in Anspruch nehmen können –, und diese entspricht circa, wenn ich jetzt vergleiche – das Rot ist im Kleinen gleich wie im Großen –, dem Sonderbudget, der Ermächtigung für diese Mittel im Um­fang von 38 Milliarden Euro. Und wisst ihr, wo das größte Fragezeichen bei uns im Be­trieb und wahrscheinlich auch hier im Staat ist? – Es steht hinter der Frage: Wie viel Geld kommt herein? – Das können wir zu Hause nicht sagen, und der Staat kann es auch nicht sagen.

Noch einmal zum Verständnis: Diese Regierung beschäftigt sich momentan schwer­punktmäßig mit dem, was zu tun ist, damit die Wirtschaft in diesem Land wieder in die Höhe geht und damit die Menschen wieder in Arbeit kommen; und dazu gratuliere ich dieser Regierung mit Bundeskanzler Kurz und Vizekanzler Kogler an der Spitze. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)


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Dann komme ich – da ich Gastronom und Hotelier bin – gleich zum zweiten Punkt, den wir heute hier auch noch mit beschließen werden, und zwar zum Wirtshauspaket. Frau Bundesminister Köstinger, die Rahmenbedingungen, unter denen die Gastronomie und Hotellerie in Österreich aufsperren können, sind beispielhaft für ganz Europa! Ich habe mir alle Beispiele angesehen: Solche liberalen und praxisnahen Vorschriften wie bei uns in Österreich (Heiterkeit bei Abgeordneten der FPÖ), durch die trotzdem die Sicherheit gewährleistet wird, gibt es in keinem anderen Staat. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Schaut euch international an, was es dort gibt, und lacht nicht! Beschäftigt euch einmal mit der Materie, da ihr die Praxis nicht kennt – das sage ich euch ganz ehrlich! (Zwischenrufe der Abgeordneten Angerer und Wurm. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Was das Nächste ist: Das Wirthauspaket, Frau Bundesministerin, das Sie jetzt auf den Tisch gebracht haben, mit einer Pauschalierung bis zu einem Umsatz von 400 000 Euro, den steuerlichen Erleichterungen, der reduzierten Mehrwertsteuer auf alkoholfreie Getränke im zweiten Halbjahr bis Weihnachten, macht – ich habe das gestern mit einem Steuerberater, der hauptsächlich für Wirtshäuser tätig ist, durchgerechnet (Zwischenrufe der Abgeordneten Kollross und Matznetter) – bei einem Landgasthaus mit einem Um­satz von circa 300 000 Euro, das natürlich – wenn es im Familienverband betrieben wird – einen halbwegs guten Gewinn macht, zwischen 5 000 und 15 000 Euro nur an steuerlichen Erleichterungen aus (lebhafte Heiterkeit und Zwischenruf des Abg. Wurm), ohne dass man irgendetwas beantragen muss.

Diese steuerlichen Erleichterungen, Frau Bundesministerin, die in diesem Paket enthal­ten sind, machen mehr aus als der Fixkostenzuschuss, um den die Betriebe auch ansu­chen können. Das ist Hilfe, das ist schnell geholfen, und ich danke der Regierung sehr für diese wirklich praxisnahe Umsetzung. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

10.13


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Krainer. – Bitte.


10.13.15

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt einige Dinge, die diese Regierung, vor allem die ÖVP, ganz gut kann: Sie kann sehr gut Pressekonferenzen machen. Sie kann sehr gut PR und Inszenie­rung – das macht sie sehr gut, das muss man sagen. Sie kann auch sehr gut rein par­teipolitisch motivierte Entscheidungen treffen, sowohl bei Personalentscheidungen als auch zum Beispiel bei der Frage, wer Härtefallfonds abwickelt – nämlich die WKO und nicht die Finanzämter. Die ganze Welt nimmt Finanzämter, weil diese es besser können, weil sie mehr Personal haben, weil sie schneller sind, weil sie unbürokratischer sind; in Österreich hingegen muss das die WKO machen, weil Präsident Mahrer offensichtlich noch Zeit für andere Dinge hat und sich als Gönner darstellen will – es geht also wieder um die Inszenierung, darum, dass er das Geld an die Betriebe verteilt. – Das also kann die ÖVP, und sie kann auch gut von oben herab agieren. Es gibt aber auch viele Sachen, die die ÖVP nicht kann, die auch Finanzminister Blümel nicht kann.

Das Erste, das er nicht kann, ist, ein verfassungskonformes Budget vorzulegen. Das kann er nicht. Er kann auch kein Budget vorlegen, das dem Haushaltsrecht entspricht. Das kann er nicht. Deutschland kann das. Deutschland macht das! Erklären Sie mir: Wieso können die Deutschen – natürlich aus heutiger Sicht – sagen, wie sich die Einnahmen und Ausgaben – aus heutiger Sicht – entwickeln werden, und das dem Parlament vorle­gen, aber der Blümel und die ÖVP können das nicht? Erklären Sie mir, wieso die Deut­schen so viel besser sind als Sie! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Doppelbauer.)


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Ich habe inzwischen allerdings gehört, dass Sie schon einen Abänderungsantrag ange­kündigt haben. Anscheinend haben Ihnen diese Experten, die Sie aufgezählt haben, ge­sagt, was nicht geht, dass nämlich das, was Sie hier machen, verfassungsmäßig nicht geht, und deswegen werden Sie einen Abänderungsantrag vorlegen müssen, weil die­ses Budget sonst verfassungswidrig sein wird. Das habe ich ganz genau gehört, wie Sie angekündigt haben, Sie werden einen Abänderungsantrag einbringen, in dem Sie die Zahlen verändern werden – weil Sie sie verändern müssen.

Auf uns haben Sie ja nicht gehört, und als wir angekündigt haben, dass wir externe Gut­achter beauftragen werden, das zu prüfen (Abg. Steinacker: Das ist ja unglaublich!), sind sie ganz nervös geworden (Abg. Steinacker: Nein, ...!), sowohl im BMF als auch im Verfassungsdienst – wer ist denn der Leiter des Verfassungsdienstes?; Ihr ehemali­ger Kabinettschef, jetzt fällt es mir wieder ein! –, und haben jetzt tagelang massiv ver­sucht, überhaupt einmal Gutachter zu bekommen. Das ist gar nicht so leicht in Öster­reich, quasi Gutachter zu finden, die das begutachten wollen, was Sie hier vorlegen (Beifall bei der SPÖ), weil jeder auf den ersten Blick sagt: Das ist klar gesetzeswidrig, das ist klar verfassungswidrig! – Sie kündigen also bereits an, dass Sie das reparieren müssen; und das ist gut so, dass Sie das hier zumindest ankündigen.

Was Sie auch nicht können, ist, Hilfe zu organisieren. Sie sind super darin, Pressekon­ferenzen zu machen, zu sagen: 1 Milliarde Euro für die EPUs und KMUs!, dann gibt es die nächste Pressekonferenz, in der es heißt: Nicht 1, nein, 2 Milliarden Euro! – Das, was wir wissen, ist jedoch: Diese Hilfe kommt nicht an! Nicht einmal 200 Millionen Euro von den 2 Milliarden Euro versprochenen Soforthilfen sind angekommen. (Beifall bei der SPÖ.)

Zehntausende EPUs, Zehntausende KMUs bekommen gar nichts oder ein paar Hundert Euro. Das wird nicht reichen! Und Sie wissen, dass das Geld nicht ankommt – Sie haben es ja gestern selber zugegeben, denn Sie können es ja nicht mehr leugnen –, und sagen dann immer: Wir werden jetzt nachjustieren! – Ich sage Ihnen: Lassen Sie das endlich Praktiker machen! Wickeln Sie das endlich über die Finanzämter ab, und binden Sie endlich auch Praktiker aus der Opposition ein, die wissen, wie das geht und wie man das macht! (Beifall bei der SPÖ.)

Das Nächste, das Sie nicht haben, sind Ideen (Heiterkeit der Abg. Steinacker), nämlich innovative Ideen, wie man wirklich mit dieser Krise umgehen kann – im Gegensatz zum Beispiel zum Wiener Bürgermeister, der ein ganz einfaches Konzept hat (Heiterkeit des Abg. Obernosterer): Jeder Wiener Haushalt bekommt einen Gutschein im Wert von 25 Euro – bei Einpersonenhaushalten – oder 50 Euro zur Verwendung in Wirtshäusern. (Abg. Wöginger: Das hat früher der Haider gemacht!) Das wird im Juni ausgeschickt, und da geht es darum: Dieses Geld kommt bei denen an, die es brauchen, nämlich bei den Wirtshäusern und bei den Kaffeehäusern – die wollen nicht Geld fürs Nichtstun, sondern sie wollen Gäste haben und wollen Umsatz machen. Und dort kommt das an! (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn Sie ernsthaft den Tourismus unterstützen wollen, wieso lehnen Sie dann die An­träge der Opposition ab? Wir haben gesagt, genau dasselbe Konzept kann man auch für Tourismusbetriebe machen: Geben wir jeder Österreicherin, jedem Österreicher, jedem, der in Österreich lebt, hier arbeitet und Steuern zahlt, allen, die hier leben, einen 200-Euro-Gutschein, der in einem Beherbergungsbetrieb ihrer Wahl bis Ende des Jahres einzulösen ist! (Zwischenruf der Abgeordneten Haubner und Steinacker.) – Da­mit helfen Sie dem Tourismus! Da können Sie noch so viel in Werbung hineinstecken, damit die Deutschen herkommen und womöglich wieder irgendwelche Viren einschlep­pen (Bundesministerin Köstinger: Hallo?! Hallo?!) – da ist es mir lieber, dass die Öster­reicherinnen und Österreicher hier in Österreich Urlaub machen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das ist das, was wir brauchen! Das ist etwas, was wirklich helfen würde, nämlich innovative Ideen, damit das funktioniert!


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Dass Sie es handwerklich nicht können, sehen wir auch an dem Gesetz, das wir hier gerade debattieren (Abg. Lopatka: Was heißt das: Viren einschleppen?! – Bundesminis­terin Köstinger: Die Deutschen schleppen Viren ein?! – Zwischenruf des Abg. Otten­schläger. – Weitere Rufe bei der ÖVP: Viren einschleppen?!): Das hier (eine Mund-Nasen-Schutzmaske in die Höhe haltend) soll steuerfrei werden – das ist der Schutz aus Stoff, der soll steuerfrei werden –, und auf das hier (ein Gesichtsvisier in die Höhe hal­tend) soll nach wie vor Steuer zu zahlen sein, weil Sie es handwerklich nicht können.

Wir werden Ihnen heute auch die Gelegenheit geben, das handwerklich besser zu ma­chen, nämlich so, dass beides steuerfrei wird, und wir geben Ihnen auch die Gelegen­heit, dieses Budget noch so zu verbessern, dass es gesetzeskonform und verfassungs­konform wird. Es wäre gut für die ehemalige Wirtschaftspartei ÖVP und für die ehemalige Kontrollpartei die Grünen, uns da zu folgen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Steinacker: Sozialistische ...! – Abg. Ottenschläger: War das jetzt ein ..., die Grenzen wieder zu schließen, Herr Krainer? – Abg. Wöginger: Aber die Deutschen nicht! – Ruf bei der ÖVP: Der überholt den Kickl rechts! – Heiterkeit bei Abgeordneten der ÖVP.)

10.19


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schwarz. – Bitte.


10.19.37

Abgeordneter Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA (Grüne): Herr Präsident! Geschätzte Mit­glieder der Bundesregierung! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kolle­gen! Liebe ZuseherInnen! Ich weiß, dass vielen diese Gesetzesvorlage nicht aktuell ge­nug ist. Ich glaube, wir alle hätten gern aktuelle Zahlen, aber hätten wir – wie von Ihnen, Herr Krainer, gefordert – Anfang Mai vor den Ausschussberatungen die Zahlen upge­datet, dann wären sie heute aufgrund der Krise schon wieder überholt gewesen. Das ist ja im Moment gerade das Problem bei der Erstellung dieses Budgets, und es fällt mir einfach schwer, zu verstehen, dass Sie das nicht nachvollziehen können.

Ja, Frau Klubobfrau, das Budget ist ein Plan, ein Plan für die Vorhaben und die Priori­täten, die politischen Schwerpunkte der Regierung, und genau die sind im Budget ab­gebildet, sei es im Bereich des Klimaschutzes oder im Bereich der Digitalisierung. Diese Maßnahmen und diese Zielsetzungen sind vor der Krise richtig gewesen, und sie werden auch nach der Krise richtig sein – sie sind richtig, sowohl mit als auch ohne Corona. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zu diesen Maßnahmen gehören eine Verfünffachung des Raus-aus-dem-Öl-Bonus – das ist eine Förderung, ein Kesseltauschprogramm, das typischerweise nach ein paar Wochen ausgeschöpft gewesen ist – und eine Verzehnfachung der Mittel für Radfahren und aktive Mobilität ebenso wie eine Aufstockung von über 100 Planstellen in der Justiz – eine Budgeterhöhung um 10 Prozent –, eine Erhöhung des Frauenbudgets um 20 Prozent. (Ruf bei der SPÖ: 17! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das sind politische Ziele, die in Form von Zahlen ins Budget gegossen worden sind. Das ist doch genau das, worum es im Budget geht.

Auf diese Baseline, auf diese Zielsetzung kommt Corona oben drauf, und bei Corona macht es eben keinen Sinn, zu sagen: Wir setzen uns das Ziel, dass die Kurzarbeit 20 Prozent mehr kostet. – So macht man keine Budgetpolitik, sondern es geht darum – das ist ja die politische Vereinbarung innerhalb der Regierung –, dass die wirtschaftliche Katastrophe, koste es, was es wolle, abgewendet wird – darum geht es und darauf ha­ben wir uns geeinigt – und dass wir für stabile wirtschaftliche Verhältnisse sorgen.

Jetzt quasi bis runter auf Globalbudgets festzulegen, was Corona kosten darf, würde auch ein gewisses Risiko bedeuten: Man stelle sich vor, wir würden zu niedrig bud­getieren, dann käme es wahrscheinlich zum Beispiel bei den verschiedenen Fonds zu


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einem First-come-first-serve-Prinzip. (Ruf bei der SPÖ: In der Art von Auszahlung gibt es keine ...!) Die Leute würden sich anstellen, und die anderen bleiben dann übrig. Das kann nicht richtig sein. Umgekehrt kann es, wenn man zu hoch budgetiert, zu Mitnah­meeffekten kommen, und schlimmer noch: Es kann dazu führen, dass die Schätzungen im Märzbudget akkurater sind als ein Update, das wir jetzt hineingeben könnten.

Ich glaube, dem Finanzminister die Ermächtigung zu geben, Überschreitungen der ver­schiedenen UGs zuzustimmen, ist genau der richtige Zugang, weil es eben eine Cha­rakteristik dieser Krise ist, dass die Probleme an unterschiedlichen Stellen im Zeitablauf unterschiedlich aufpoppen. Darauf muss man reagieren können, und das geht genau über diese Variante. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Was es aber gerade wegen der hohen Dynamik braucht – da stimme ich Ihnen zu –, sind Transparenz und Kontrolle und die dafür notwendigen Berichte. Genau in diesem Bereich haben wir mittlerweile einiges erreicht. Einerseits hatten wir – wir haben es im Budgetausschuss schon diskutiert – ein relativ ausführliches Kapitel zur Coronakrise im Monatsbericht März, andererseits bringen wir heute einen gemeinsamen Antrag mit den NEOS ein, der Detailbudgets, die abbilden, wo in den verschiedenen UGs die Coro­nahilfen verwendet werden, zum Thema hat. Außerdem gibt es die Verhandlungen zum Coronaunterausschuss und zum Cofag-Beirat, bei dem es starke Minderheitsrechte und regelmäßige Berichtspflichten geben wird. (Abg. Meinl-Reisinger: Es geht doch nicht um Minderheitsrechte! Das ist irgendwie schräg!)

Zusätzlich stehen wir kurz vor den nächsten Budgetverhandlungen. Wir werden im Herbst, glaube ich, eine bessere Sicht darauf haben, wie sich sowohl die wirtschaftlichen als auch die gesundheitspolitischen Verhältnisse entwickeln. Wir werden dann, glaube ich, sowohl das Budget als auch den Finanzrahmen überarbeiten müssen, und zwar nicht nur wegen der Coronakrise, sondern auch wegen der anderen Maßnahmen der Bundesregierung, insbesondere auch wegen der Entwicklungen in der Klimakrise. Ich glaube, das ist in Summe der richtige Zugang.

Ich hoffe, dass Sie sich am Ende vielleicht doch noch durchringen können und diesem Budget zustimmen. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

10.23


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Belakowitsch. – Bitte.


10.23.51

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Herr Präsident! Werte Steuerzahlerin­nen und Steuerzahler! Heute wird also über ein Budget debattiert, das in Wahrheit schon im Februar beschlossen worden ist und das der Herr Finanzminister nach eigenen Wor­ten längst ins Altpapier geschmissen hat. Trotzdem soll es heute beschlossen werden. Man stellt sich schon die Frage: Wie seriös ist denn das? – Das ist überhaupt nicht seriös, weil wir ja auch gar keine Informationen darüber bekommen, was denn jetzt in Wahrheit finanziert werden soll, meine Damen und Herren!

Herr Finanzminister, ich habe Ihnen aufmerksam zugehört: Sie werden sich heute wieder einmal eine Verordnungsermächtigung sozusagen ausstellen lassen, nämlich über 28 Milliarden Euro, um die Sie das Budget überschreiten dürfen, aber Sie haben uns heute nicht gesagt, was Sie mit diesem Geld vorhaben. Sie sagen einfach nicht, was Sie in den nächsten Jahren mit 28 Milliarden Euro Steuergeld vorhaben. Herr Finanzminis­ter, das ist eine Missachtung der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler! Es handelt sich dabei nicht um das Privatgeld dieser Bundesregierung, sondern um das Geld der Ös­terreicherinnen und Österreicher, und die haben ein Recht, zu erfahren, was mit diesem Geld passieren soll, meine Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)


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Weil sie ja heute schon so oft angesprochen worden sind, die großartigen Hilfen: Wie heißt es so schön? – Wer schnell hilft, hilft doppelt! Herr Finanzminister, das war das erste Credo dieser Bundesregierung, und das zweite war: „Koste es, was es wolle“! – Wenn wir heute die nackten Zahlen sehen, dann sehen wir, dass von diesen 38 Mil­liarden Euro so gut wie nichts ausbezahlt worden ist. Sie selbst haben sich vorhin hierhergestellt und erklärt, welche Förderungen geflossen sind. Herr Finanzminister, Sie haben nur gesagt, was es an Stundungen gegeben hat und was es an Haftungen ge­geben hat, weil Sie ganz genau wissen, dass nur ganz, ganz wenig Geld tatsächlich geflossen ist, nämlich genau 464 Millionen Euro.

Vielleicht ist dieses wenige geflossene Geld auch mit ein Grund, warum Sie überhaupt nicht willens waren, dieses Budget zu überarbeiten, denn man hat den Eindruck, Sie knausern ganz, ganz, ganz stark bei den österreichischen Unternehmern. Es soll so wenig wie möglich ausbezahlt werden, es werden Hürden eingebaut, es werden die Antragsteller zu Bittstellern gemacht. Kollege Wöginger hat es ja heute richtig ausge­drückt: Die Leute sind uns und dieser Regierung dankbar. – Na, das ist genau das, wohin die ÖVP die Bürgerinnen und Bürger haben will: dass sie zu abhängigen, dankbaren Menschen werden. – Das wollen wir nicht, meine Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Wir wollen, dass sich die Österreicherinnen und Österreicher frei bewegen dürfen, dass die Unternehmer frei entscheiden dürfen, was sie machen und wie sie handeln, und nicht, dass es nur Einschränkungen von oben hinunter gibt. Das ist dieser ganze Coro­nawahnsinn, der sich da abspielt, und all das macht die Unternehmen kaputt – es ist nicht das Virus, sondern es sind Ihre Maßnahmen, meine Damen und Herren, die Sie den österreichischen Unternehmen, den Österreicherinnen und Österreichern Tag für Tag auferlegen und aufbrummen! Ausdruck dessen ist dann diese komische Gesichts­maske, bezüglich der wir genau wissen, dass sie überhaupt nichts hilft, und trotzdem schreiben Sie diese Maske immer noch allen Bürgerinnen und Bürgern in diesem Land vor (Abg. Meinl-Reisinger: Und den Kindern!), und das trotz der Temperaturen, die bald kommen werden.

Schon jetzt gibt es sehr viele Rebellen. Schon jetzt gibt es viele Österreicher, die sie nicht mehr tragen wollen und auch nicht mehr tragen können, weil sie Allergien darauf bekommen, weil sie sie nicht vertragen. Wenn ich in die Reihen der ÖVP schaue, dann bemerke ich, dass auch dort die Rebellion zunimmt: Immer mehr ÖVP-Abgeordnete sitzen heute schon ohne Maske im Plenarsaal. Hören Sie also endlich damit auf, schaf­fen Sie diese Maskenpflicht ab, meine Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)

Kommen wir noch einmal zurück zu Ihrem Budget. Wenn Sie sagen, es ist so viel Geld geflossen, dann muss man sich fragen, Herr Finanzminister: Welche Unternehmer tref­fen Sie denn? Vielleicht ist die Wirtschaftskammer doch die falsche Institution, um diese Gelder auszuzahlen. Vielleicht ist die Wirtschaftskammer schlicht und einfach überfor­dert und vielleicht sollte man es doch die Finanzämter auszahlen lassen – dann wäre es vielleicht ein objektiveres Verfahren, denn das sind Personen, die das können; die haben das gelernt, die sind dafür da, Gelder auszubezahlen –, damit das Geld auch tatsächlich ankommt, denn viel Zeit, Herr Finanzminister, haben wir nicht mehr. Viele Unternehmer sind heute schon so weit, dass sie sagen, sie sperren zu. Viele Gastronomiebetriebe haben ein, zwei Tage offen gehabt und wieder zugesperrt. Ich weiß nicht, in welcher Welt Sie leben, dass Sie glauben, es geht jetzt allen so wunderbar gut.

Man sieht natürlich, es gibt Gleiche und Gleichere: Bei manchen ist es nicht so wichtig, dass man 1 Meter Abstand hält, bei manchen ist es nicht so wichtig, dass sie Maske tragen. Wenn der Herr Bundeskanzler im Auto mit seinem Chauffeur fährt – ich glaube nicht, dass er mit seinem feschen Chauffeur im gleichen Haushalt lebt (Heiterkeit des


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Abg. Deimek) –, trägt er keinen Mund-Nasen-Schutz. Wenn das jemand anderer macht, nämlich jemand aus dem gemeinen Volk, bekommt er eine Strafe aufgebrummt.

Wenn der Herr Bundeskanzler Schulter an Schulter mit dem Vorarlberger Landeshaupt­mann geht, sich dann in die „ZIB 2“ setzt und erklärt, die Bevölkerung war schuld, dann frage ich mich schon, ob er nicht wahrgenommen hat, dass er zum Landeshauptmann keinen Sicherheitsabstand eingehalten hat. Es gibt da also wirklich Unterschiede, ge­nauso wie beim Herrn Bundespräsidenten – allerdings rechne ich diesem schon sehr hoch an, dass er sich im Gegensatz zum Herrn Bundeskanzler dafür entschuldigt und zugegeben hat, dass es ein Fehler war.

Gerade aber weil der Herr Bundespräsident es auch eingesehen hat, bin ich der Mei­nung, dass diese Sperrstunde weg gehört. Ich habe schon einmal die Frage gestellt: Wie schaut es denn aus, ist das Virus nachtaktiv? Ist es ab 23 Uhr aktiv? – Also weg mit dieser Sperrstunde! Lassen Sie auch die Unternehmer, die Gastronomiebetriebe frei ar­beiten, solange sie arbeiten wollen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)

Da kann ich den Herrn Bundespräsidenten nur einladen, auch unsere Petition auf der Website www.coronawahnsinn.at zu unterschreiben, denn das ist nämlich genau eine der Forderungen, die wir haben: Weg mit der Sperrstunde und weg mit dieser sinnent­leerten Maskenpflicht, meine Damen und Herren! Schluss mit diesem Coronawahnsinn! (Beifall bei der FPÖ.)

10.29


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Kopf. – Bitte.


10.29.39

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren der Bundesregierung! Hohes Haus! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher vor den Bild­schirmen! Diese Koalition, meine Damen und Herren, und auch diese Bundesregierung sind durch das Ergebnis der Nationalratswahlen 2019 in höchstem Maße politisch legi­timiert. Die beiden Wahlsieger von 2019, die ÖVP und die Grünen, haben sich ein sehr, sehr ambitioniertes Regierungsprogramm gegeben, das sozialpolitische Initiativen setzt, sicherheitspolitische Initiativen setzt, umweltpolitische Initiativen setzt und nicht zuletzt auch wirtschaftspolitische Initiativen setzt. Man könnte, den Herrn Bundeskanzler zitie­rend und auch Werner Kogler zitierend, sagen, „das Beste aus beiden Welten“: ein öko­soziales Regierungsprogramm. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Es ist nur logisch und legitim, dass der Herr Finanzminister mit seinen Kolleginnen und Kollegen in der Bundesregierung in den Budgetverhandlungen Ausgabenschwerpunkte gesetzt hat, die natürlich diesem Regierungsprogramm folgen. Diese Schwerpunkte, die sich in diesem Regierungsprogramm finden, sind heute trotz dieser bedauerlichen Co­ronakrise nach wie vor aktuell und gültig; deswegen finden sie in diesem jetzt vorliegen­den Budget auch zu Recht ihren Platz auf der Ausgabenseite – völlig richtig.

Ja, natürlich ist es richtig, Corona hat die Situation bei uns im Land dramatisch verändert. Es verändert auch die Situation für unser Budget, sowohl auf der Ausgabenseite als auch auf der Einnahmenseite – keine Frage. Es braucht Ausgaben für Zuschüsse an Unternehmen. Es braucht großzügige Ausgaben zur Sicherung der Arbeitsplätze, hohe Ausgaben für die Kurzarbeit. Es braucht spezielle Branchenkonzepte wie zum Beispiel für die Gastronomie. Es braucht weitere Konzepte: ob für die Hotellerie, ob für die Reiseveranstalter und Busunternehmer, ob für die Eventveranstalter und viele andere mehr, die in ganz besonderer Weise von dieser Krise betroffen sind; daran wird auch gearbeitet.

Insgesamt steht derzeit ein Rahmen von 38 Milliarden Euro zur Verfügung. Dazu kom­men noch Kreditgarantien – der Herr Finanzminister hat schon ausgeführt, wie diese jetzt zu laufen beginnen und in Anspruch genommen werden – sowie Stundungen von


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Steuern und Abgaben in einem sehr hohen Ausmaß. Jawohl, es haben all jene recht, die einfordern, dass es in weiterer Folge auch konjunkturelle Maßnahmen brauchen wird. Der richtige Zeitpunkt dafür ist aber wohl mit den Expertinnen und Experten, den Wirt­schaftsforschern, zu setzen; es ist mit ihnen gemeinsam abzustimmen, wann diese Maß­nahmen am wirkungsvollsten gesetzt werden können. Es wird auch noch Weiteres brau­chen: strukturelle Maßnahmen bei den Steuern, bei der Bürokratie.

Wenn man das alles zusammen betrachtet, dann muss man sagen, es ist einfach un­möglich, zum jetzigen Zeitpunkt seriöse Prognosen darüber zu treffen, was diese zu­sätzlichen Maßnahmen – und es werden weitere folgen müssen, die wir noch gar nicht kennen – alle miteinander kosten werden, nämlich auch in Bezug auf die Einnahmen­seite. Es ist richtig, die Einnahmen werden deutlich hinter dem jetzt vorliegenden Budget zurückbleiben; aber wer kann bei Prognosen der Wirtschaftsweisen und der Wirt­schaftsforscher, die zwischen 3,5 Prozent und 9 Prozent Einbruch bezüglich der Wirt­schaftsleistung differieren, seriös prognostizieren, wo denn die Einnahmen wirklich zu liegen kommen? Das wäre ein unseriöser Blick in die Glaskugel. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Meine Damen und Herren! Das heißt, es ist absolut seriös, dieses vom Finanzminister auf Basis des Regierungsprogramms verhandelte Budget, so wie es jetzt am Tisch liegt, dem Parlament vorzulegen – alle Ministerien brauchen eine taugliche und rechtlich ver­bindliche Grundlage für ihre Ausgabentätigkeit; diese orientiert sich weiterhin unter an­derem am Regierungsprogramm –, aber es ist auch seriös, die Unwägbarkeiten bei Ein­nahmen und Ausgaben, die ich gerade geschildert habe, bei all dieser Unklarheit und Un­planbarkeit zunächst einmal mit einer Überschreitungsermächtigung an den Finanzmi­nister zu regeln. (Abg. Belakowitsch: ... unseriös! – Zwischenruf des Abg. Kassegger.)

Das ermöglicht nämlich neben diesen strukturellen Maßnahmen, die wir im Regierungs­programm haben, auch eine Chance für einen maximalen Hilfsrahmen, und es braucht einen maximalen Hilfsrahmen, denn sehr viele Unternehmerinnen und Unternehmer sind hart und härtest in ihrer Existenzgrundlage getroffen, da braucht es diesen maximalen Spielraum für den Finanzminister für das Setzen dieser Maßnahmen.

Vielleicht noch eines: Na selbstverständlich – auch das hat der Herr Finanzminister schon gesagt – werden diese Maßnahmen mittels einer monatlichen Berichtspflicht auch dem Parlament zur Kenntnis gebracht und vorgelegt.

Meine Damen und Herren auch von der Opposition! Die Kritik an dieser gewählten Bud­gettechnik – und wir reden hier wirklich nur von einer Technik – halte ich einfach für kleinlich. Stattdessen wäre es angebracht, einerseits die sozial-, umwelt-, sicherheits- und wirtschaftspolitischen Initiativen dieser Regierung zu unterstützen und uns anderer­seits auch dabei zu unterstützen, maximalen Spielraum für die Hilfen für jene in Öster­reich zu schaffen, die sie brauchen – und das sind leider sehr, sehr viele. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

10.36


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Doppelbauer. – Bitte.


10.36.29

Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Zuseherinnen, liebe Zuseher! Hohes Haus! (Die Rednerin stellt einen helltürkisfar­benen Mistkübel mit der Aufschrift „Ein Budget zum Kübeln.“ auf das Rednerpult. – Abg. Matznetter: Sogar das Türkis ist schon blass! – Gegenruf bei der ÖVP.) Werte Mitglieder der Bundesregierung! (Ruf bei der ÖVP: Eine Oberwitzige!) Sehr geehrter Herr Finanz­minister: „Die Tat wird vergessen, doch das Ergebnis bleibt bestehen.“ – Herr Finanzmi­nister, ich weiß nicht: Sagt Ihnen dieses Statement vielleicht irgendetwas? Kennen Sie


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das? (Bundesminister Blümel schaut auf sein Smartphone.) – Er hört mir gerade nicht zu. Er müsste es kennen, es stammt nämlich von seinem Lieblingsdichter Ovid. (Zwi­schenruf des Abg. Leichtfried.)

In der Tat, Herr Finanzminister, Sie haben Ihre Arbeit hier verweigert; das wird vielleicht irgendwann einmal vergessen werden, das kann schon sein, aber im Ergebnis werden Sie der erste und der einzige Finanzminister der Zweiten Republik sein, der es nicht geschafft hat, dem Parlament, dessen Abgeordneten, der Republik und den Bürgerinnen und Bürgern Österreichs ein ordentliches Budget vorzulegen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Stattdessen diskutieren wir hier Altpapier. – Herr Finanzminister, das sind eben Ihre Worte. Weil dieses Ergebnis ja bestehen bleibt, möchte ich Ihnen einfach als Erinnerung diesen Papierkorb überreichen (Abg. Leichtfried: Vielleicht kann der Herr Finanzmi­nister kurz aufmerksam sein?!), in den Sie ja Ihr Budget oder Ihre Budgetrede hinein­geschmissen haben. (Die Rednerin stellt den Mistkübel neben Bundesminister Blümel auf den Boden. – Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Was sollten wir eigentlich hier diskutieren oder was sollen wir eigentlich machen? – Zu beschließen wäre ein realistischer Bundeshaushalt der Republik Österreich. Gerade jetzt wäre es doch so wichtig für die Wirtschaft, einen richtig guten Fahrplan zu haben, einen Fahrplan auf Sicht zu haben, aber was passiert hier? – Es gibt eben keinen.

Was auch besonders wichtig ist, ist, dass in Zeiten der Unsicherheit jeder seine Aufga­ben kennt und auch jeder seine Verantwortlichkeiten ernst nimmt. Lassen Sie uns einmal kurz darüber reden, wie das normalerweise funktioniert! Der Finanzminister der Repu­blik – und ja, das steht in Ihrer Jobdescription, Herr Finanzminister – ist dafür ver­antwortlich, dass er ein Budget vorlegt. Dieses Budget wird dann im Nationalrat diskutiert und es wird letztendlich am Donnerstag diese Woche abgestimmt. Dieses abgestimmte Budget ist der Haushalt, ist der Rahmen, an den sich die Bundesregierung dann zu halten hat; darüber muss sie auch Rechenschaft ablegen. Die Rolle des Nationalrates, dieses Hauses ist, dass hier kontrolliert wird, dass diese Verwendungen begleitend kontrolliert werden.

Das sind die Spielregeln – die sind nicht von uns –; das ist das, was in der Verfassung vorgesehen ist. Leider können wir uns aber auf diese demokratisch bewährten Spiel­regeln im Augenblick nicht verlassen. Meine Damen und Herren, Sie wissen alle, warum das so ist: weil sich nämlich der Finanzminister hierherstellt und ein Altpapier diskutieren lässt – ein Altpapier mit Zahlen von vor Corona. Wir finden das nicht gut, das ärgert mich wirklich.

Es ärgert mich auch, Herr Abgeordneter Kopf, wenn Sie dann sagen, das sei alles se­riös. – Das ist es eben nicht. Es gibt Zahlen und diese Zahlen könnten eingearbeitet werden. Es gibt Zahlen, die hier vorgelegt werden könnten. Man schickt aktuellere Zah­len nach Brüssel, aber was man nicht macht, ist, dass man diese dem Parlament vorlegt. Den Nationalrat lässt man über Altpapier – und das sind die Worte Ihres Herrn Finanz­ministers – diskutieren. Da frage ich mich schon, wie der Parlamentarismus von dieser Truppe um Kurz gelebt wird, und ich sage, er wird nicht gut gelebt und die Demokratie, die Spielregeln werden mit Füßen getreten. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ehrlich, ich habe mich auch gefragt – es ist ja nicht so, dass wir hier nicht Vorschläge liefern wollen –: Gibt es einen guten Grund dafür, warum es so läuft, wie es im Augen­blick läuft? Dann fragt man nach und hört das Zitat vom Finanzminister, das ja sein Credo ist: Aktuell sind leider alle Zahlen falsch, deshalb lohnt es sich nicht, ein ordentliches Budget vorzulegen! – Das ist gelinde gesagt absurd, das ist eine Frechheit!


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Ganz im Ernst, Herr Finanzminister, stellen wir uns einmal vor, Sie wären in der Privat­wirtschaft tätig, Sie wären der CFO oder der Finanzvorstand von einem Unternehmen, das jetzt wegen der Krise einen Kredit braucht. Dann gehen Sie zu Ihrer Bank und stehen dem Bankberater gegenüber, der Sie dann fragt: Wie schaut es denn mit den aktuellen Zahlen aus?, und Sie sagen zu ihm: Puh, weiß ich nicht, die Zahlen sind eh alle falsch, hat mich nicht gefreut! – Dann fragt er Sie vielleicht noch: Haben Sie einen Plan? Wie sind denn die Prognosen für die Zukunft?, und Sie antworten ihm darauf: Hm, na ja, eh alles falsch, keine Ahnung, weiß ich auch nicht!

Was wird dann passieren? – Er wird Sie heimschicken, er wird Sie ohne einen Cent heimschicken. Was wird noch passieren? – Ihre Geschäftsführung oder Ihr Aufsichtsrat, je nachdem, wird Sie kündigen, und das zu Recht, und er wird sich nach einer fähigeren Person umsehen, die das dann erledigt. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ganz im Ernst: Ich würde mir das ehrlich gesagt heute und hier auch wünschen, aber richtig, wir sind ja nicht im realen Leben, wir sind ja hier im Parlament, und da geht es ja dann noch einen Schritt weiter: Als Finanzminister holt man sich dann auch noch eine Überschreitungsermächtigung über 28 Milliarden Euro – freihändig und natürlich wieder einmal ohne parlamentarische Kontrolle kann dieses Geld vergeben werden, denn das wird ja schon wieder vorbeischlawinert. (Abg. Wöginger: Das stimmt ja gar nicht!) – Natürlich stimmt das, natürlich! (Abg. Wöginger: Das stimmt überhaupt nicht! Das ist schlicht und einfach falsch! Sie sind Abgeordnete und behaupten die Unwahrheit!) – Herr Wöginger, mäßigen Sie sich ein bisschen (Abg. Wöginger: Sie auch!), zu Ihnen komme ich auch noch! (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Was wir brauchen, was wir wollen, was wir auch verhandeln, was wir als Opposition vorgeschlagen haben, ist ein Budgetunterausschuss für eine begleitende Kontrolle. Was machen Sie als Bundesregierung? – Die Bundesregierung geht her und junktimiert, indem sie sagt: Ja, ihr könnt schon einen haben, aber nur dann, wenn ihr in den Cofag-Beirat geht! – Ganz im Ernst: Dieser Cofag-Beirat hat mit parlamentarischer Kontrolle einfach nichts zu tun! (Beifall bei den NEOS.)

Ich glaube, man muss es noch einmal erklären, denn von außen betrachtet denkt man sich vielleicht: Warum gehen die da nicht hinein? Da hätten sie doch gute Chancen, sich die Zahlen anzuschauen! – Es gibt zwei Punkte, die wir da als Opposition kritisieren. Der eine Punkt ist der: Es wird nur ein Teil der Gelder, die in der Krise vergeben werden, in diesem Beirat untersucht. Der zweite Punkt, der eigentlich noch schwerwiegender ist: Man unterliegt in dem Beirat strenger Geheimhaltung. Das heißt, das hat nichts mit parla­mentarischer Kontrolle zu tun. Wir reden über Steuergelder, die ausgegeben werden, und da braucht es einen anderen Zugang.

Dieser Cofag-Beirat ist ein zahnloser Tiger und ein Ablenkungsmanöver, damit man eben die Opposition vollkommen ohnmächtig und geknebelt als Feigenblatt mit ins Boot holt, um dann letztendlich sagen zu können: Ihr wart ja eh alle dabei! – Ganz ehrlich: So geht es nicht! (Beifall bei den NEOS.)

Ja, es gibt auch kleine Schritte in die richtige Richtung. So haben wir zum Beispiel mit einem NEOS-Vorschlag, einem Antrag von uns, erreicht, mehr Transparenz zumindest in den monatlichen Berichten zu schaffen. Das ist ein guter Schritt in die richtige Rich­tung, und ich möchte mich da auch noch einmal ganz herzlich beim Budgetdienst be­danken, der die Vorlage dafür geliefert hat. Das, meine Damen und Herren, wäre ei­gentlich das, was wir hier in diesem Hause machen sollten; das ist eigentlich der Job, den wir Abgeordnete in diesem Haus haben.

Meine Damen und Herren vor allem von der ÖVP, aber auch von den Grünen, deswegen bitte ich Sie, deswegen appelliere ich auch an Sie: Stimmen Sie diesem Budgetunter­ausschuss zu, denn da kann man wirklich die gesamten Gelder gut kontrollieren!


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Herr Klubobmann Wöginger – weil wir vorhin schon geredet haben – und auch Klubob­frau Maurer: Sie haben hier eine Verantwortung auch Ihrem Team gegenüber, Ihren Abgeordneten gegenüber, denn Sie fordern sie praktisch auf, zu Mittätern zu werden, und das ist nicht das, was wir im Parlamentarismus brauchen. Sie brauchen doch nicht alle Stöckchen, die Ihnen die Regierung zuwirft, sofort zu apportieren, einfach alles ab­zuwinken und durchzuwinken, was gemacht wird. Das ist nicht die Aufgabe von einem Parlamentarier! Dafür werden Sie wirklich nicht bezahlt.

Wir, die gesammelte Opposition, fordern von Ihnen eine ordentliche, begleitende demo­kratische Kontrolle durch einen Budgetunterausschuss – und das jetzt und sofort und nicht junktimiert mit irgendetwas anderem. Es ist nicht akzeptabel, was hier gerade ab­geht. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Abschließend bleibt mir noch eines, etwas sehr Schönes: Ich möchte allen Maturantin­nen und Maturanten – darauf vergessen wir nämlich, die sitzen seit heute in der Früh und schreiben Maturaarbeiten – wirklich alles, alles Gute wünschen und ihnen sagen: Ihr macht einen super Job, ihr macht wirklich einen super Job in dieser absoluten Aus­nahmesituation!

Daran schließe ich noch einen Wunsch an: Ich würde mir nämlich wünschen, dass das gleiche Engagement bei unserem Finanzminister zu sehen wäre. Ich möchte ihm aber noch eine letzte Möglichkeit geben, daran zu arbeiten, und zwar indem ich heute einen Antrag stelle, nämlich einen Rückverweisungsantrag zur Rückverweisung des Budgets an den Budgetausschuss, um dem Bundesminister für Finanzen die Möglichkeit zu ge­ben, seine Versäumnisse aufzuholen und dem Nationalrat doch noch ein aktuelles Bud­get vorzulegen. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

10.45


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Abgeordnete, der Antrag liegt uns nicht vor. (Abg. Scherak: Der kommt später!) – Gut.

Zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet hat sich Herr Klubobmann Wö­ginger. (Rufe bei der SPÖ: Oje!)


10.45.52

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Herr Präsident! Frau Abgeordnete Doppel­bauer hat behauptet, dass die 28 Milliarden Euro an den Kontrollrechten des Parlaments vorbeigeschwindelt werden. – Das ist die Unwahrheit!

Ich berichtige tatsächlich, dass es, gesetzlich verankert, eine monatliche Berichtspflicht an den Budgetausschuss gibt, was von diesen 28 Milliarden Euro wie verwendet wird. Zum Zweiten prüft jetzt der Rechnungshof als das Kontrollinstrument des Parlaments die gesamten Covid-Maßnahmen und zum Dritten stehen wir mitten in den Verhand­lungen über einen separaten Unterausschuss, in dem alle Covid-Maßnahmen noch ein­mal abgearbeitet werden sollen.

Frau Kollegin, ich erwarte mir etwas mehr Seriosität! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

10.46


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Koza. – Bitte.


10.46.43

Abgeordneter Mag. Markus Koza (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Wenn die Krise etwas gezeigt hat, dann, wie wichtig ein starker Sozialstaat ist, dass wir ein Gesundheitssystem haben, das glück­licherweise noch nicht so wie in anderen Ländern kaputtgespart ist und hoffentlich auch


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so stark und gesund bleibt, wie es ist, dass wir einen Sozialstaat und soziale Siche­rungssysteme haben, in denen die automatischen Stabilisatoren tatsächlich so wirken und wirken können, dass sie einerseits bestmöglich gegen Armut schützen und ande­rerseits Einkommen sichern und dadurch auch die Nachfrage stabilisieren, und dass wir auch sozialstaatliche Institutionen haben, die funktionieren. Alleine das ist nicht hoch genug zu schätzen.

Es hat sich aber auch gezeigt, dass wir Lücken in diesem Sozialstaat haben, wenn es darum geht, schnelle Hilfe, schnelle Unterstützung, rasche Unterstützung zu bieten, wenn es darum geht, ausreichend gegen Armut und soziale Risiken abzusichern. Wir haben auch erlebt, dass die Institutionen unseres Sozialstaats teilweise auch an ihre Grenzen – an Kapazitätsgrenzen, an die Grenzen ihrer Möglichkeiten – stoßen. Ich den­ke nur daran, dass das AMS bei der Umsetzung der Kurzarbeitsregelung massive Auf­stockungen des Personals gebraucht hat und auf eine derartige Krise einfach nicht vorbereitet war. Das zeigt auch dieses Budget. Dieses Budget ist kein Budget, das die Krise berücksichtigt, das auf die Krise vorbereitet ist, weil es schlichtweg für diesen Fall auch nicht gemacht wurde.

Es ist für mich schon sehr nachvollziehbar und ganz verständlich, wenn die Opposition – auch ich persönlich und viele von uns wahrscheinlich – sehr gerne aktualisierte Daten hätte, Daten, von denen wir sagen können: Darauf können wir uns verlassen, das passt, das ist super. Jetzt wissen wir ungefähr, in welche Richtung es geht.

Nur, ganz kurz: Ich weiß nicht, ob ihr dieses Papier kennt (einige Ausdrucke in die Höhe haltend). Das ist das Papier des Fiskalrats vom 17. April 2020, in dem beispielsweise die Kurzarbeitsregelung noch mit 5,4 Milliarden Euro veranschlagt ist. Heute stehen wir bei 12 Milliarden Euro, und wir wissen in Wahrheit bis heute nicht, wie viel von dieser Kurzarbeit (Zwischenrufe bei der SPÖ) – zuhören, lernt etwas! – tatsächlich schlagend wird. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Wir wissen aus der letzten Krise, dass die Kurzarbeit im Umfang von circa 25 bis 30 Prozent budgetrelevant, ausgabenrelevant geworden ist. (Abg. Wurm: Das ist eine Selbstanklage! Eine Selbstanklage ist das! – Präsident Sobotka gibt das Glockenzei­chen.) Wir stehen jetzt bei 12 Milliarden Euro. Wir haben keine Ahnung: Werden es 30 Prozent sein? Werden es 40 Prozent sein? Werden es 50 Prozent sein? – Das heißt, wir haben möglicherweise Abweichungen von über 2 Milliarden Euro. Auch das ist nicht unbedingt eine Form von seriöser Budgetierung, es tut mir aufrichtig leid, auch wenn ich dann die Zahlen da drinnen stehen habe.

Was wir allerdings bedauerlicherweise wissen, ist, wohin die Richtung in den öffentlichen Haushalten geht. (Zwischenruf des Abg. Kollross.) Der Budgetdienst hat wunderbar herausgearbeitet, wie es dahin gehend, was das Finanzministerium nach Brüssel ge­meldet hat, ausschaut. Das Maastrichtdefizit wird auf 8 Prozent des BIP prognostiziert, sprich 30 Milliarden Euro, davon 19 Milliarden Euro ausgabenseitig, 11 Milliarden Euro einnahmenseitig. Im Papier des Fiskalrates steht drinnen – und diese Tatsache beun­ruhigt mich ehrlich gesagt ziemlich –, dass die Sozialversicherungen heuer wahrschein­lich einen Einnahmenentfall von 5,6 Milliarden Euro haben und sich auch die Staats­schuld entsprechend erhöht.

Das wird für uns die zentrale Herausforderung künftiger und aktueller Budgetpolitik sein: den Sozialstaat und seine Institutionen, die uns durch diese Krise getragen haben, die uns gestützt haben, auch weiterhin nachhaltig und ausreichend zu finanzieren. Wir brau­chen den Sozialstaat nicht nur jetzt in der Krise, sondern wir brauchen ihn immer. (Ruf bei der FPÖ: Dann macht ihn nicht kaputt!) Der Sozialstaat ist schlichtweg nicht nur eine Einrichtung der Armutsbekämpfung, für die soziale Sicherheit, sondern ein wesentlicher Wirtschafts- und Standortfaktor. (Beifall bei den Grünen.)


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In der Hinsicht werden wir auch im Rahmen dieses Budgetprozesses und künftiger Bud­getprozesse über alte, neue und künftige Finanzierungsformen – wie wir im Zuge der Krise gesagt haben – tabulos reden müssen. Wir werden auch tabulos über eine Ver­abschiedung von bisherigen Budgetpraktiken, sprich vom Nulldefizit, und über die künf­tige Finanzierung unserer sozialen Sicherheit in einem starken sozialen Wirtschaftssys­tem reden müssen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

10.51


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Matznetter. – Bitte.


10.52.04

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Präsident! Meine geschätzten Damen und Herren auf der Regierungsbank! Mein Vorredner Mag. Koza hat gemeint, es gebe Lücken in unserem Staat, was die Schnelligkeit von Auszahlungen betrifft. Reden wir über eine Lücke, die in der Verwaltung an der Spitze der Weisungspyramide, beim Finanzministerium, liegt.

Ich möchte dieses Beispiel, das Frau Dipl.-Ing. Doppelbauer vorhin gebracht hat, ein bisschen weiterspinnen: Nehmen wir an, die Republik ist ein Unternehmen und alle Steuerzahlerinnen und Steuerzahler sind die Aktionäre, denen der Staat gehört. Sie haben einen CFO namens Gernot Blümel (Ruf bei der ÖVP: Hervorragende Wahl!), und der CFO, der für das Rechnungswesen zuständig ist, erklärt, dass jede Zahl, die er vor­legt, falsch ist, da er keine richtigen Zahlen vorlegen kann (Abg. Haubner: Stimmt ja nicht!), und dass, würde er andere Zahlen vorlegen, diese auch falsch wären. (Zwischen­ruf des Abg. Obernosterer.) Dann kommt es zum Jahresabschluss dieses Unterneh­mens. Dieses Haus, das Parlament, hat allen größeren Kapitalgesellschaften vorge­schrieben, dass der dortige Vorstand beziehungsweise die Geschäftsführung einen Lagebericht abgeben muss, der auch die künftige Entwicklung darstellen muss.

Ich schaue bewusst in Richtung des Kollegen Dr. Fuchs: Was müsste der Wirtschafts­prüfer machen, wenn der zuständige Vorstand einen Lagebericht dergestalt abgibt, dass er sagt: Die Zahlen sind falsch, ich bin nicht in der Lage, richtige Zahlen zu nennen, und im Übrigen, was der Gesetzgeber da will, ist eine Prognose, und die ist bekanntlich besonders schwierig, was die Zukunft betrifft, daher gebe ich gar keinen Lagebericht ab! Welchen Bestätigungsvermerk müsste die Kollegin oder der Kollege einem solchen Un­ternehmen geben? – Einen eingeschränkten oder keinen! Welche Aufgabe hätte die Generalversammlung oder die Hauptversammlung? – Sie müsste so einem Vorstand das Vertrauen versagen, weil er nicht in der Lage ist, die Mindestanforderung betreffend das, was er zu tun hat, zu erfüllen.

Das Argument, dass sich die Zahlen ändern können, ist lächerlich, meine Damen und Herren! Man muss immer mit Stand heute die richtigen Zahlen bekannt geben; auch Sie, Herr Blümel! Sie werden es bei Candy Crush nicht lernen! Versuchen Sie, es wirklich einmal zu machen, und tun Sie Ihre Arbeit! (Beifall bei der SPÖ.)

Jetzt komme ich zu dem Teil, der notwendig ist: Wir haben einen Anstieg der Arbeits­losigkeit auf 58 Prozent – im Vergleich zu 19 Prozent in Deutschland –; Hunderttausen­de Frauen und Männer in diesem Land sind arbeitslos und haben wenig Perspektive. Frau Dr. Rendi-Wagner hat zu Recht als erste Rednerin gefordert: „Österreich braucht das größte Investitions- und Beschäftigungspaket in der Geschichte der zweiten Re­publik“! – Jetzt, und nicht wieder in drei Monaten und nicht mit Nachbessern und Bemü­hen! Jetzt!

Daher bringe ich folgenden Antrag ein:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 60

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc, Kolleginnen und Kollegen betref­fend „Österreich braucht das größte Investitions- und Beschäftigungspaket in der Ge­schichte der zweiten Republik“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat das größte Investitions- und Beschäftigungsprogramm in der Geschichte der zweiten Republik vorzulegen, das ge­eignet ist, Österreich mittelfristig zur Vollbeschäftigung zurückzuführen. Dies soll insbe­sondere durch ein Vorziehen der geplanten Steuerreform für kleine und mittlere Ein­kommen, öffentliche Investitionen – insbesondere im Bereich Klimaschutz -, die Schaf­fung von Investitionsanreizen für Unternehmen sowie öffentliche Beschäftigungspro­gramme gelingen.“

*****

Wenn wir das nicht machen, werden wir noch weiter abstürzen, und wenn die Insol­venzwelle rollt, werden wir genau jene verlieren, die es können.

An dieser Stelle, falls die ÖVP-Fraktion nicht weiß, wen sie statt Gernot Blümel nehmen soll: Gabriel Obernosterer hat ja gestanden, er schafft es, die Budgets für seine Hotels zu erstellen. Nehmt den Obernosterer, der schafft ein Budget! (Ruf bei der FPÖ: Na, bitte nicht!) Ihr müsst keinen Philosophen hinsetzen, nehmt einen erfahrenen Hotelier, der ist sicher eine Bereicherung für dieses Haus! – Danke. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

10.56

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Pamela Rendi-Wagner, Christoph Matznetter

Genossinnen und Genossen

Eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 1: Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (71 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Ausländerbeschäftigungsge­setz, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Insolvenz-Entgeltsicherungsge­setz, das Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetz, das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956 und das Umweltförderungsgesetz geändert werden (Budgetbegleitgesetz 2020) (175 d.B.)

Betreffend: Österreich braucht das größte Investitions- und Beschäftigungspaket in der Geschichte der zweiten Republik

Die Ausgangslage

Der Lockdown hat eine soziale und wirtschaftliche Krise ausgelöst, die beispielhaft ist in der zweiten Republik. Die Arbeitslosigkeit ist binnen kürzester Zeit explodiert (+76 % April 2020 im Vgl. zu April 2019), Unternehmen kämpfen um ihre wirtschaftliche Existenz. Das Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) erwartet angesichts der Corona-Pandemie in Österreich 2020 einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 5,2% (best case) bis 7,5% (worst case). Damit wäre das Wachstum der vergangenen zwei Jahre vernichtet und das BIP am Stand von 2017.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 61

Österreich hat mithilfe der Bevölkerung und dank der gut ausgestatteten öffentlichen Spitäler das Corona-Virus bisher erfolgreich eigedämmt, bei der Bekämpfung der Aus­breitung der sozialen und wirtschaftlichen Krise versagt die Bundesregierung. Die Wirtschaftshilfen wurden zu spät beschlossen, sind zu wenig und zu bürokratisch. Den Ankündigungen in Pressekonferenzen folgen keine Taten – wortreich wird fast täglich mit Millionen jongliert, bei den Betroffenen kommt nichts davon an.

Steuern auf Arbeit senken, aus der Krise „hinausinvestieren“

Angesichts der negativen Wirtschaftsprognosen hat Österreich keine Zeit mehr zu verlieren. Es muss jetzt gehandelt werden. Der Beschäftigungsmotor muss gezündet werden, um die Arbeitslosigkeit zu senken und Beschäftigung zu schaffen. Senken wir die Steuern auf Arbeit, um den Konsum anzukurbeln. Investieren wir in Wachstum und Beschäftigung, um einen Neustart der heimischen Wirtschaft zu ermöglichen. Stellen wir die Wirtschaft auf ein widerstandsfähiges und nachhaltiges Fundament.

Das größte Investitions- und Beschäftigungspaket braucht einen vernünftigen Maßnah­menmix:

1.          Nachfrage stabilisieren, Konsum stärken

•             Arbeitslosengeld auf 70% Nettoersatzrate anheben – damit erhöht sich das Ein­kommen aller Arbeitslosen und auch jener Menschen, die aufgrund von Corona unverschuldet in die Arbeitslosigkeit gerutscht sind, um fast 30%.

•             Zwar wurde ein SV-Bonus zur Stärkung der kleinen und mittleren Einkommen beschlossen, für die ArbeitnehmerInnen und PensionistInnen greift diese Maß­nahme allerdings erst 2021 und damit viel zu spät. Der SV-Bonus soll für alle schon ab 1.1.2020 greifen – rückwirkend!

•             Zusätzlich Tarifsenkung für die Lohn- und Einkommenssteuer vorziehen. Für klei­ne und mittlere Einkommen sollen die Steuersenkung schon ab 1.7.2020 voll wirken.

2.          Investitionsturbo starten

Die Unternehmen halten sich aufgrund des größten Wirtschaftseinbruchs seit den 1930er Jahren mit Investitionen zurück. Dies führt zu einem (weiteren) Rückgang des Wirtschaftswachstums. Damit die Unternehmen wieder mehr investieren, müssen An­reize geschaffen werden.

a.          Vorzeitige Abschreibung als Investitionsanreiz: Einführung einer zeitlich begrenz­ten vorzeitigen Abschreibung – also steuerliche Anreize für Investitionen für Un­ternehmen, sodass Investitionen vorgezogen werden – zum Beispiel für Inves­titionen von 1.7.2020 bis 1.7.2021. Das stärkt die Industrie und belastet das Bud­get mittelfristig zudem nicht.

b.          Gemeinnützigen Wohnbau verstärken: Durch Zweckzuschüsse des Bundes für die Schaffung von leistbarem Wohnraum. Das schafft zusätzliche Arbeitsplätze.

c.          Sofortige thermische Sanierung aller öffentlichen Gebäude: Zur Stärkung der Bauwirtschaft und der Zulieferindustrie.

d.          Klimainvestitionspaket in Höhe von 1 Mrd. € jährlich (Verkehr, alternative Ener­gien, Forschung und Entwicklung etc.)

e.          Infrastrukturinvestitionspaket für Städte- und Gemeinden: Aufgrund des Wirt­schaftseinbruchs droht bei den Gemeinden ein riesiger Investitionsstau. Der Städtebund rechnet mit bis zu 2 Mrd. € Einnahmeverlust. Das ist für die lokalen KMUs ein großes Problem – weil die Gemeinden wichtige Auftraggeber sind. Daher braucht es ein jährliches Investitionspaket für Gemeinden von zumindest 500 Mio. € jährlich.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 62

f.            Thermische Sanierung für Privathaushalte. Für Privathaushalte mit alten Heiz­systemen und schlechte gedämmte Wohnungen/Häusern soll es eine staatlich garantierte, zinslose Sanierungsaktion geben. Dabei soll bei der Bank die Be­stätigung/Rechnung des Installateurs bzw. der Baufirma direkt eingereicht wer­den können. Die Bank übernimmt die Rechnung und die betroffenen Haushalte erhalten einen zinslosen Kredit der über 10 Jahre abzubezahlen ist.

3.          Beschäftigung stärken

Das WIFO hat festgestellt, dass uns bis 2030 rund 25.000 Pflegekräfte fehlen werden. Eine Investition in FacharbeiterInnenausbildung rentiert sich daher doppelt. Kurzfristig kommen Menschen in Schulungsmaßnahmen, mittel- bis langfristig mildern wir dadurch das Pflegeproblem.

a.          Qualifizierungsoffensive: Ein „Qualifizierungsgeld Neu“ soll allen Personen über 25 Jahre, die beruflichen Neuorientierungs- oder grundlegenden Weiterbildungs­bedarf haben, eine Weiterbildung ermöglichen. Es soll mit Rechtsanspruch aus­gestattet sein und auch gegenüber dem Arbeitgeber sollen Beschäftigte, die das Qualifizierungsgeld nutzen wollen, eine Freistellung für die Ausbildung analog zur Elternteilzeit durchsetzen können. Mit dem neuen Qualifizierungsgeld sollen schrittweise die bisherigen Instrumente Bildungskarenz, Bildungsteilzeit und Fachkräftestipendium ersetzt werden. Von dieser Offensive sollen als aller erstes potentielle Pflegekräfte erfasst sein.

b.          Aktion 20.000 zu einer Jobgarantie für Langzeitarbeitslose umwandeln: Die schwarz-blaue Bundesregierung hat mit dem vorzeitigen Stopp der „Aktion 20.000“ tausenden älteren Arbeitslosen die Tür vor der Nase zugeknallt. Im freien Spiel der Kräfte wurde eine Art „Aktion 20.000 light“ eingeführt. Dies wird an­gesichts Corona bei weitem nicht ausreichen, um den Anstieg der Arbeitslosigkeit in dem Segment der älteren Arbeitslosen und Langzeitarbeitslosen einzubrem­sen. Hier braucht es einen großen Wurf im Sinne einer Beschäftigungsgarantie für ältere Menschen und Langzeitarbeitslose.

a.          Lehrlingspaket

Die dramatischen Entwicklungen am Arbeitsmarkt treffen besonders Jugendliche sehr stark. Als letzte in den Betrieb gekommen, sind sie oft die ersten die ihren Job verlieren. Zuspitzen wird sich die Situation auch für jene, die jetzt die Schule abschließen. Sie werden im Herbst auf Lehrstellen bzw. Jobsuche sein. Die Aussichten hierfür allerdings düster: 5.000 Lehrstellen drohen zu fehlen. Jugendarbeitslosigkeit und Perspektivenlo­sigkeit für junge Menschen gehören zu den größten gesellschaftlichen Problemen und führen zu immensen sozialen Folgekosten. Dies wird nicht nur zu sozialen Verwerfungen führen, sondern in der Zukunft einen massiven Fachkräftemangel zur Folge haben.

Hier dürfen wir nicht tatenlos zu sehen. Ansonsten droht aus der Corona-Krise eine Ju­gendkrise zu werden, mit einer „Generation-Corona“, die in Jugendarbeitslosigkeit ab­driftet. Es braucht daher dringend ein umfassendes Maßnahmenpaket insbesondere für Lehrlinge, um den Wegfall tausender Lehrstellen entgegen zu wirken. Lehrbetriebe, die trotz Corona-Krise Lehrlinge aufnehmen, müssen besser unterstützt werden. Die Ausbil­dungsplätze im Rahmen der überbetrieblichen Lehrausbildung müssen dringend aufge­stockt werden. Hier braucht es eine Aufstockung der Finanzmittel um 70 Mio. Euro. Auch im staatlichen sowie staatsnahen Bereich müssen zusätzliche Lehrstellen geschaffen werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 63

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat das größte Investitions- und Beschäftigungsprogramm in der Geschichte der zweiten Republik vorzulegen, das ge­eignet ist, Österreich mittelfristig zur Vollbeschäftigung zurückzuführen. Dies soll ins­besondere durch ein Vorziehen der geplanten Steuerreform für kleine und mittlere Ein­kommen, öffentliche Investitionen – insbesondere im Bereich Klimaschutz -, die Schaf­fung von Investitionsanreizen für Unternehmen sowie öffentliche Beschäftigungspro­gramme gelingen.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, aus­reichend unterstützt und steht somit mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Baumgartner. – Bitte.


10.57.00

Abgeordnete Angela Baumgartner (ÖVP): Herr Präsident! Werte Mitglieder der Bun­desregierung! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte es noch einmal betonen: Der Budgetbeschluss bringt Sicherheit für alle Res­sorts. Die Krisenbewältigung hat oberste Priorität, die Schwerpunkte haben sich ver­lagert. Die Coronapandemie hat die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rahmen­bedingungen geändert. Wir müssen Handlungssicherheit schaffen.

Im Herbst werden wir wieder ein Budget vorlegen, dann werden mehr Daten und validere Zahlen eingefügt werden. Diese jetzt schon zu fordern, zeigt, dass die Opposition selbst keine besseren Lösungsvorschläge hat. Eines möchte ich hier unbedingt festhalten: Die Experten aller Parteien haben im Budgethearing verschiedene Ansätze gehabt und waren sich mehrheitlich einig, dass die Bundesregierung richtig handelt. Einer muss einfach dagegen gewesen sein – der würde wahrscheinlich überall rot sehen.

Wir schnüren Hilfspakete, setzen Maßnahmen, um den Österreicherinnen und Öster­reichern in der Krise zu helfen, um das Land gut aus der Krise zu bringen: Kurzarbeit, Familienhärtefonds, Gastropaket, der Hilfsfonds. Gestern wurde das Gemeindepaket vorgestellt, was mich als Bürgermeisterin besonders freut. Danke, Herr Finanzminister! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wir sehen aber auch, es braucht eine neue Form der Finanzverwaltung – sie muss schneller, digitaler, effizienter, unbürokratischer werden – und es braucht geballte Kom­petenz in den einzelnen Bereichen. Die Anforderungen und Erwartungen an die Finanz­verwaltung haben sich nachhaltig geändert. Um diesen Veränderungen gerecht zu werden, wurde ein erster wichtiger Modernisierungsschritt durch die Organisationsre­form der Finanzverwaltung gesetzt. Mit dem 2. Finanz-Organisationsreformgesetz, das wir heute beschließen, können die notwendigen Veränderungen eingearbeitet und um­gesetzt werden.

Liebe Opposition, vor allem Herr Kollege Krainer und Frau Kollegin Doppelbauer: Ich bin mir wirklich sicher, dass Finanzminister Gernot Blümel in dieser Krisenzeit und auch danach einen wirklich guten Job macht. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

10.59


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Fürst. – Bitte.


10.59.41

Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Sehr geehrte Damen und Herren! Coronazeit ist Sprüchezeit. Einer der vielen Sprüche, die der Herr Bundeskanzler in der letzten Zeit in den Pressekon­ferenzen und Interviews über uns ergossen hat, war folgender: Es ist das Virus, welches


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 64

die Wirtschaft lahmgelegt hat und welches für die verheerenden Folgen auf dem Ar­beitsmarkt verantwortlich zeichnet – wiewohl, es sind nicht die Maßnahmen der Bun­desregierung, es ist das Virus selbst. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Es ist also auch das Virus, welches das familiäre, gesellschaftliche und das Erwerbsle­ben heruntergefahren hat. Es ist das Virus, welches die verfassungswidrigen und ge­setzwidrigen Verordnungen und Erlässe verkündet hat, und nicht der Herr Gesund­heitsminister. Es ist das Virus, welches die Polizei auf die Straße geschickt hat, um Bürger, die sich völlig rechtskonform und eigenverantwortlich verhalten haben, mit dra­konischen Strafen zu belegen – Strafen für die Lebensgefährder. Das war das Virus und nicht der Herr Innenminister.

Viele der Thesen, die in den unzähligen Pressekonferenzen verkündet wurden, haben mit Hausverstand, mit Vernunft und Logik nicht so viel zu tun. Da hätte es nur ein biss­chen kritisches Hinterfragen gebraucht, das von den Journalisten und von den Medien nicht gekommen ist. Warum? – Na gut, die waren natürlich von der außertourlichen Presseförderung satt gegessen, die über sie ergossen wurde. Dieses Geld kam an, im Unterschied zum Geld bei den Unternehmen, die jetzt noch warten.

„Jede Zahl, die wir heute kennen, wird schlussendlich falsch sein“, so ein Spruch vom Herrn Finanzminister – schon verständlich, aber dass schon die Anfangszahl, dass schon die 38 Milliarden Euro einfach eine falsche Zahl sind, ist jetzt wieder nicht nach­vollziehbar, denn dieses Geld kommt bei den Unternehmen nicht an. (Zwischenruf des Abg. Hanger.)

Um es kurz zusammenzufassen: Es geht eigentlich um Stundungen und um Kredite, und das heißt, das ist alles zurückzuzahlen. Daher gehen der AKV und auch das Wifo davon aus, dass es zu einer zeitlich stark verzögerten Insolvenzwelle, zu einer Wirtschaftskrise und einer Rezession kommen wird, denn die Unternehmen werden es sich auch in einem halben Jahr oder in einem Jahr wahrscheinlich nicht leisten können, die Kredite, die dann zurückverlangt werden, zurückzuzahlen.

Ob die Auslagerung von 15 Milliarden Euro auf die schwarz-grüne Finanzierungsagen­tur, die jetzt so locker vorgenommen wird, den verfassungsrechtlichen Haushaltsvor­schriften entspricht, wird auch noch nachzuprüfen sein.

Der nächste Spruch: „Koste es, was es wolle“. – Ja, das trifft zu. Es wurde wirklich alles in Kauf genommen, um den Lockdown, um die Beschränkungen, die es noch gibt, um die plötzliche neue Machtfülle für die Bundesregierung und die alleinige Meinungshoheit und das Eigenlob fortzusetzen und in die neue Normalität zu retten. Da hat man keine Kosten und Mühen gescheut. Der Shutdown der Grenzen und des Flughafens Schwe­chat, den die Freiheitliche Partei schon sehr früh verlangt hat, wurde – fürchte ich – nie ganz so lückenlos umgesetzt; es hat noch Flüge aus China gegeben. Dass der Brenner vielleicht gesperrt wird, wurde vom Herrn Gesundheitsminister noch lange als populis­tische Aktion der FPÖ bezeichnet; Grenzen schließen ist nicht so die Sache der grünen Partei.

Die Kollateralschäden wurden in Kauf genommen: die psychischen Folgen für viele, viele Menschen in der Isolation, vor allen Dingen die Schäden für die Kinder und Jugendli­chen, die von der Bundesregierung total vernachlässigt worden sind; Kinder, die jetzt schon den dritten Monat zu Hause sitzen, viele von ihnen vom schulischen Unterricht abgehängt, jüngere Kinder, die jetzt zwar wieder in die Schule gehen, aber mit absur­desten Vorschriften, die sie sehr verstören.

Die Zertrümmerung der Grundrechte wurde in Kauf genommen. – Bitte, die Lockerungen sind kein Gnadenrecht der Bundesregierung! Die Verhältnismäßigkeit der Eingriffe ist jeden Tag zu überprüfen. Was Mitte März vielleicht in Ordnung war, war Anfang April schon nicht mehr verfassungsmäßig. Im Zusammenhang mit der Zertrümmerung des


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Rechtsstaates durch die verfassungswidrigen rechtlichen Grundlagen fehlt mir übrigens im Budget ein Posten für die Prozesslawine, für die Entschädigungen, die da auf Sie zukommen werden.

Das Kollabieren der Wirtschaft wurde in Kauf genommen. Zwei bis drei Wochen hätte der Shutdown dauern dürfen, für eine Urlaubszeit von zwei, drei Wochen, das schaffen Wirtschaft und Gesellschaft. Diese Zeit hätte man sich nehmen können, um sich wirklich vorzubereiten und zu lernen, mit dem Virus umzugehen. Ab dann, ab Anfang April – es gibt diese These von vielen Wissenschaftern – hat die Bundesregierung einen Irrweg eingeschlagen, ab da war die Bundesregierung als Wirtschafts- und Wohlstandsgefähr­der unterwegs.

Die Bundesregierung sollte sich jetzt nicht länger mit der langfristigen Entrechtung der Bürger befassen. Denken Sie nicht einmal daran, eine Zwangsapp einzuführen, eine zwangsweise Impfung einzuführen, sondern machen Sie ein gutes Budget, entfesseln Sie die Wirtschaft, deregulieren Sie! Lassen Sie bitte das Steigern der Bürokratie – die Zettel- und Formularwirtschaft steigt jetzt exponentiell an –, deregulieren Sie, damit aus dieser Kurzarbeit nicht eine lange Arbeitslosigkeit für viele Menschen wird!

Wir wollen Eigenverantwortung auf allen Ebenen für die Eltern, für die Familien – wir können uns sehr gut um unsere Kinder kümmern –, für die Erwerbstätigen und die Un­ternehmer. Es braucht weniger Staat und nicht mehr. Hören Sie nicht auf Ihren grünen Koalitionspartner, der jetzt da und dort die Konzepte von Karl Marx auspacken will – das ist nicht die Lösung! Wir brauchen Eigenverantwortung und Freiheit auch für die Politiker, auch für Bundeskanzler Kurz. Natürlich kann er im Kleinwalsertal auf seine Wähler und auf seine Bewunderer zugehen, er ist ja volksnah – nicht aber dann, wenn die Menschen nicht das Gleiche dürfen und sie dann die Schuld dafür bekommen, dass sie sich ihm so angenähert haben.

Es braucht Freiheit und Eigenverantwortung auch für Vizekanzler Kogler; natürlich kann er eine Pressekonferenz mit Leo Windtner, dem ÖFB-Präsidenten, geben, Schulter an Schulter kuschelnd – nicht aber dann, wenn gleichzeitig Regeln für unsere Jungs ver­kündet werden, wie sie den Anfangskreis am Fußballfeld zu gestalten haben, dass sie nicht jubeln dürfen und wie sie zu duschen haben.

Es braucht Freiheit und Eigenverantwortung natürlich auch und nicht zuletzt für unseren Bundespräsidenten; er soll noch lange nach Mitternacht im lauschigen Gastgarten sitzen dürfen – wir aber auch! Ich werte sein Verhalten und seine Verteidigung als freundliche, konkludente Zustimmung zur FPÖ-Onlinepetition: Stoppt den Coronawahnsinn! (Beifall bei der FPÖ.)

11.06


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Lukas Hammer. – Bitte.


11.07.01

Abgeordneter Lukas Hammer (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Damen und Herren auf der Regierungsbank! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir, ÖVP und Grüne, haben uns auf ein gemeinsames Ziel verständigt, und dieses Ziel lautet: Öster­reich bis zum Jahr 2040 klimaneutral zu machen und uns auch von der Abhängigkeit von Öl-, Gas- und Kohleimporten zu verabschieden, die uns jedes Jahr Milliarden Euro kostet.

Ich habe in den letzten Wochen – ich weiß nicht, wie es Ihnen gegangen ist – sehr viele Nachrichten bekommen, ich wurde gefragt: Was ist jetzt mit dem Klimaschutz? Stirbt der Klimaschutz wegen Corona? Können wir uns das überhaupt leisten? Was ist jetzt mit euren Zielen? – Meine Antwort ist: Wir haben unsere Ziele keine Sekunde aus den Au­gen verloren, und dieses Budget zeigt auch, dass wir Klimaschutz immer noch genauso ernst nehmen wie vorher und dass sogar mehr denn je dafür veranschlagt ist. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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Das Budget, das wir vorgelegt bekommen haben, stärkt jedes einzelne klimapolitische Instrument; ich nenne Ihnen ein paar Beispiele.

Wir stärken zum Beispiel den Raus-aus-Öl-Bonus, bei dem es ja nicht nur darum geht, dass man Ölheizungen, sondern auch Gas- und Kohleheizungen tauschen kann. Allein an Ölheizungen gibt es in Österreich immer noch 650 000. Bisher hatten wir da eine Stop-and-go-Förderpolitik; die Förderungen haben nur wenige Wochen ausgereicht. Jetzt verfünffachen wir die Mittel, und das ist eine sehr gute Nachricht.

Bei der UFI, der Umweltförderung Inland, gehen 80 Prozent der Mittel in KMUs. Die UFI wird um 20 Millionen Euro auf das gesetzliche Maximum – das wir sicherlich noch erhö­hen werden –, auf 90 Millionen Euro angehoben. Die UFI finanziert Betriebe. Ein Beispiel für ein Projekt in diesem Jahr ist die Brauerei in Schladming, die auf klimaneutrale Pro­duktion umgestellt hat. Das sind alles regionale Projekte.

Die Fotovoltaikförderung wurde um 7 Millionen Euro erhöht.

Es gibt endlich eine wesentliche Förderung zur Errichtung von Radwegen – auch in Städten, das war bis jetzt nicht möglich –, da verzehnfachen wir die Mittel.

Was mich als Wiener besonders freut: Auch die Wiener U-Bahn wird in den nächsten Jahren mit 78 Millionen Euro weiter kofinanziert. (Beifall bei den Grünen.)

Es geht aber nicht nur um den Klimaschutz, sondern auch um Arbeitsplätze und re­gionale Wertschöpfung. Wer tauscht denn die Ölheizung in einem Haus und wo werden die Pelletöfen produziert? – In Österreich, in Oberösterreich zum Beispiel werden Pelletöfen produziert. Investitionen in den Klimaschutz sind also nicht nur für das Klima wichtig, sondern auch für die Wirtschaft.

Eine Sache möchte ich auf jeden Fall noch ansprechen, weil hier immer wieder von ei­nem Fakebudget gesprochen wird und davon, dass man es in den Mistkübel schmeißen kann: Ich appelliere, da ein bisschen aufzupassen. Sie verunsichern Menschen, die da­rauf warten, dass wir endlich mit der Fotovoltaikförderung anfangen können. Wir müssen dieses Budget jetzt beschließen, damit wir endlich Klimaschutzinvestitionen vornehmen können.

Allen, die mir jetzt zuhören, möchte ich sagen: Ich kann Ihnen versichern, dass es diese Fördermittel geben wird, die werden nicht gestrichen, die werden nicht in den Mistkübel geschmissen. Wenn wir das am Donnerstag beschließen, dann wird es diese För­dermittel geben. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Ich komme wieder auf den Klimaschutz zurück, und da stellt sich die Frage: Reicht das, um unsere Klimaziele zu erreichen? – Natürlich nicht! Das behauptet auch niemand. Abgesehen davon, dass Klimapolitik ein bisschen mehr ist, als einfach viel mehr Geld in ein altes System zu kippen, ist uns natürlich klar, dass es noch ein wesentlich höheres Budget für Umwelt- und Klimaschutz geben muss und auch geben wird, und zwar nicht trotz der Coronakrise, sondern auch wegen der Corona- und Wirtschaftskrise, da wir genau mit den Klimainvestitionen auch die Wirtschaftskrise lösen werden. – Danke. (Bei­fall bei Grünen und ÖVP.)

11.11


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Josef Schellhorn. – Bitte.


11.11.48

Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Finanz­minister! Liebe Ministerinnen und Minister auf der Regierungsbank! Herr Finanzminister, Sie haben zuvor im Rahmen Ihrer Rede gesagt, dass Steuerstundungen, Haftungsüber­nahmen et cetera fließen beziehungsweise einberechnet sind. – Ja, einberechnet sind


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sie, aber da fließt nichts, und das wissen Sie genau. Ich glaube, dass es sehr relevant wäre, das zu betonen.

Herr Finanzminister, stellen Sie sich vor, wir beide würden die Rollen tauschen: Sie wä­ren Unternehmer und ich wäre Finanzminister. Sie, Herr Finanzminister beziehungswei­se lieber Unternehmer Gernot Blümel, würden von mir, glaube ich, erwarten, dass ich mein Amt als Finanzminister in dieser Zeit auf eine besondere Art und Weise führe: Besonders gerecht, besonders transparent und besonders sorgfältig sollte ich mein Amt führen. Gerade in einer Krisenzeit ist es wichtig, dass man sein Amt besonders trans­parent und besonders sorgfältig ausführt – und ich würde das tun.

Stellen Sie sich vor, lieber Unternehmer Gernot Blümel, ich hätte Ihnen vor acht Wochen gesagt: 10 Milliarden, nein, 14 Milliarden Euro sind bereits geflossen, um Sie als Unter­nehmer zu unterstützen – für das Geld, das Sie so notwendig zur Überbrückung brau­chen. Auch die Wirtschaftsministerin hat gesagt: 100 Prozent der Haftungen fließen jetzt ganz schnell und unbürokratisch. Wirtschaftsministerin Schramböck hat auch gesagt: In ein, zwei Tagen ist das drüben!

Wenn Sie als Unternehmer zur Bank gehen, Herr Gernot Blümel, dann läuft das aber so ab: Die AWS sagt: Die Hausbank ist schuld! Die Hausbank sagt: Die AWS ist schuld!, oder: Basel III ist schuld! Die AWS sagt, nachdem die Hausbank Sie wieder zurück­geschickt hat: Wir müssen noch auf die Cofag warten! Der Finanzminister sagt: Eh alles da! Jetzt weiß der letzte Bankbeamte auch in Goldegg, dass das alles da ist! Die Wirt­schaftsministerin nickt zustimmend und sagt: Passt alles! Und der Bankbeamte in Gold­egg sagt wieder: Ich weiß es ja nicht, ich bin nicht verantwortlich! Ich müsste für alles geradestehen, wenn Sie insolvent werden! – Das ist die Realität, Herr Finanzminister, das ist die Realität für einen Unternehmer!

Wenn ich dann – so wie gestern – erfahre, dass nicht 10 Milliarden, nicht 14 Milliarden, nicht 38 Milliarden Euro geflossen sind, sondern 500 Millionen, dann kann ich mir vor­stellen, wie es einem Unternehmer geht, der angeblich auch aus dem Härtefallfonds nichts bekommt, einem Kleinstunternehmer. Sie als Finanzminister wissen auch ganz genau: Für einen Fixkostenzuschuss, für Kurzarbeit, bei einem Notfallfonds, überall, wo Sie ansuchen, müssen Sie Umsatzausfälle angeben.

Diese Umsatzausfälle könnten aber auch Sie angeben. Ein ordentlicher Kaufmann, ein verantwortungsvoller Finanzminister, ein gerechter, ein transparent arbeitender und ein sorgfältiger Finanzminister würde drei Szenarien angeben: vom Best Case zum Worst Case. Sie haben verschiedene Institute erwähnt, und bei denen ist vom Best Case bis zum Worst Case alles dabei. Wenn Sie uns heute diese drei Möglichkeiten bieten wür­den, würden wir alle das verstehen, das Problem ist aber, Sie sagen: Es ist eh alles gut, wir wissen von nichts!

Ich als Unternehmer kann nie zu einer Bank gehen und sagen: Ich weiß von nichts! – Ich habe jetzt für den Sommer budgetieren müssen, wie es aussieht, wenn die Salz­burger Festspiele ausfallen, und wie es aussieht, wenn sie nicht ausfallen. Ich denke, das müsste ein Unternehmer Gernot Blümel genauso tun und er wäre diesen Banken gegenüber genauso verantwortlich.

Die Bank, von der wir sprechen, sind die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, denn die geben Ihnen das Geld, das Sie verantwortungsvoll verwalten sollten, alle Zuseherinnen und Zuseher draußen. Und alle, auch jene, die keine Arbeit haben, müssen wissen: Wie läuft es in Zukunft ab? Welches Szenario wollen Sie denn? Wohin wollen wir denn ge­hen, wenn alles vorbei ist? Wollen wir den Faktor Arbeit entlasten, damit wir mehr Men­schen in Beschäftigung bringen? Was wollen wir tun? – Das wäre ein verantwortungs­volles, besonders transparentes und besonders gerechtes Vorgehen, das Sie an den Tag legen sollten.


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Bei den Plaudereien von Herrn Wöginger und von Kollegin Maurer wird mir ganz schlecht. Sie sagen: Es ist eh alles super, eh alles okay!, aber wir kommen bei den Zahlen nicht mehr zusammen.

Heute ist eine neue Staatssekretärin für Kultur hier bei uns. Das Kulturbudget – und jetzt rede ich nicht vom Unternehmertum – ist ohne Coronapandemie bis 2024 um 100 Mil­lionen Euro weniger, weil die Inflation zum Tragen kommt. Und jetzt sagen Sie mir, wie Sie bei gleichzeitigem Rückgang der Zahl der Museumsbesucher, der Zahl der Thea­terbesucher, der Burgtheaterbesucher und der Stützungen für dieses Theater den Kul­turbereich auffetten wollen! Wie wollen Sie das schaffen? – Das interessiert die Steu­erzahlerinnen und Steuerzahler, das interessiert die Kulturinteressierten, und ich glaube, das ist besonders wichtig.

Da fehlt es an Transparenz, da fehlt es an Gerechtigkeit und da fehlt es vor allem an Solidarität! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

11.17


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Gabriela Schwarz. – Bitte.


11.17.54

Abgeordnete Gabriela Schwarz (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Sehr verehrte Damen und Herren! Es ist in den letzten Tagen und Wochen und auch heute schon mehrmals von Fake und vom Kübel die Rede gewesen – ich halte es lieber mit den Fakten.

Zur Erinnerung, warum wir dieses Budget in dieser Form jetzt haben: Fakt ist, dass wir es nach wie vor mit einer Pandemie zu tun haben, die weltweit Opfer fordert. Fakt ist, dass Länder, die weitaus später und nicht so konsequent wie Österreich reagiert haben, weitaus mehr Todesopfer zu beklagen haben. Fakt ist, dass Österreich rechtzeitig reagiert hat. Und wir haben es der Solidarität – weil sie gerade erwähnt wurde – aller Menschen, die in Österreich leben, zu verdanken, dass die Maßnahmen so konsequent umgesetzt wurden und dass es jetzt möglich ist, Schritt für Schritt Lockerungen vorzu­nehmen.

Fakt ist auch, dass das – das wissen wir sehr genau – viel Verständnis und viel Geduld erfordert und dass regelmäßig überprüft werden muss, welche Schritte welche Konse­quenzen zur Folge haben. Fakt ist allerdings auch, dass die Bundesregierung mit großer Verantwortung vorgegangen ist und vorgeht und auch der Finanzminister mit hohem Bewusstsein für notwendige Schritte reagiert hat und reagiert und wir hier im Parlament einmal im Monat genau über diese Schritte informiert werden, nämlich wohin welches Geld fließt.

Die Schätzungen der Experten, auch das ist Fakt, gehen weit auseinander – wir haben es heute schon mehrmals gehört –: zwischen 3 und 9 Prozent. Und Fakt ist auch, dass wir nach wie vor nicht wissen, welche Dinge planbar und vorhersehbar sind, sondern dass wir gewisse Dinge einfach in Kauf nehmen werden und in Kauf nehmen werden müssen.

Zum Beispiel ist in der heutigen Ausgabe des „Kurier“ zu lesen, dass Wifo-Chef Badelt sagt: „Jetzt ein Budget mit konkreten Zahlen abzugeben, wäre fast ein Selbstbetrug. Ein Kassensturz fürs Budget macht erst im Herbst Sinn“. – Mehr ist dazu, glaube ich, auch nicht zu sagen.

Fake hingegen ist – jetzt bin ich beim Fake –, dass Corona eine Grippe ist. Fake ist, wenn Maßnahmen, die zur Lebensrettung von uns ergriffen wurden, als Wahnsinn bezeichnet werden. Fake sind Verschwörungstheorien und Fake ist auch, dass es Zwangsapps und Zwangsimpfungen geben soll. – Genau das, meine Damen und Her­ren, ist für den Kübel. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)


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Ich darf nun zum Schluss einen Abänderungsantrag der Abgeordneten Gabriel Ober­nosterer, Dr. Elisabeth Götze, Kolleginnen und Kollegen einbringen:

Die Stundung der Sozialversicherungsbeiträge soll verlängert werden.

*****

Meine Damen und Herren, ich bin überzeugt davon, dass uns allen gemeinsam das Comeback für Österreich gelingen wird, wenn wir weiterhin mit Vernunft, mit Hausver­stand, mit Herz und mit Hirn jeden Schritt gehen. – Ich danke Ihnen dafür. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

11.20

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Gabriel Obernosterer, Dr. Elisabeth Götze,

Kolleginnen und Kollegen

zur Regierungsvorlage (110 der Beilagen) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Bundesabgabenordnung, das Finanzstrafgesetz, das Bundesgesetz über die perso­nellen Maßnahmen aufgrund der Modernisierung der Steuer und Zollverwaltung, das Bundesgesetz über die Prüfung lohnabhängiger Abgaben und Beiträge, das Bundes­gesetz über die Schaffung eines Amtes für Betrugsbekämpfung, das Alkoholsteuerge­setz, das Amtshilfe-Durchführungsgesetz, das Bodenschätzungsgesetz 1970, das Digi­talsteuergesetz 2020, das Einkommensteuergesetz 1988, das Finanzprokuraturgesetz, das Gebührengesetz 1957, das Glücksspielgesetz, das Kommunalsteuergesetz 1993, das Kontenregister- und Konteneinschaugesetz, das Kraftfahrzeugsteuergesetz, das Normverbrauchsabgabegesetz, das Punzierungsgesetz 2000, das Zollrechts-Durchfüh­rungsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz und das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz geändert werden (2. Finanz-Organisationsreformgesetz – 2. FORG), in der Fassung des Aus­schussberichtes (173 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

1. Art. 20 (Änderung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes) wird wie folgt ge­ändert:

a) Nach der Z 1a wird folgende Z 1b eingefügt:

»1b. § 733 Abs. 7 wird durch folgende Abs. 7 bis 14 ersetzt:

„(7) Die nach den Abs. 1, 2 und 5 gestundeten verzugszinsenfreien Beiträge sind spä­testens am 15. Jänner 2021 einzuzahlen. Wird glaubhaft gemacht, dass diese Beiträge teilweise oder zur Gänze wegen der Coronavirus-Pandemie aus Gründen der Unter­nehmensliquidität zu diesem Zeitpunkt nicht entrichtet werden können, so sind die noch nicht entrichteten Beiträge auf Antrag in elf gleichen Teilen vom Dienstgeber jeweils zum 15. eines Monates beginnend mit Februar 2021 verzugszinsenfrei einzuzahlen. Die Drei­tagesfrist nach § 59 Abs. 1 findet jeweils Anwendung.

(8) Für Beiträge für die Beitragszeiträume Mai bis Dezember 2020 können dem Dienst­geber auf Antrag bis zu drei Monaten Stundungen und bis längstens Dezember 2021 Ratenzahlungen gewährt werden, wenn glaubhaft gemacht wird, dass diese Beiträge


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 70

wegen der Coronavirus-Pandemie aus Gründen der Unternehmensliquidität nicht ent­richtet werden können.

(9) Die Abs. 7 und 8 gelten nicht für Beiträge, für die der Dienstgeber auf Grund von Kurzarbeit, Freistellung nach § 735 oder Absonderung nach § 7 des Epidemiegeset­zes 1950 einen Anspruch auf Beihilfe, Erstattung oder Vergütung durch den Bund oder das Arbeitsmarktservice hat. Diese Beiträge sind verzugszinsenfrei bis zum 15. des auf die Beihilfen-, Erstattungs- oder Vergütungsauszahlung zweitfolgenden Kalendermona­tes einzuzahlen. Die Dreitagesfrist nach § 59 Abs. 1 findet Anwendung.

(10) Die Abs. 7 bis 9 gelten auch für die nach dem BMSVG oder nach den Landar­beitsordnungen, in Vorarlberg nach dem Land- und Forstarbeitsgesetz, zu entrichtenden Beiträge.

(11) Für die Stundungs- sowie die Teil- und Ratenzahlungszeiträume nach den Abs. 7 und 8 wird vermutet, dass dem Krankenversicherungsträger zur Zeit der Beitragsein­zahlung die Begünstigungsabsicht und die Zahlungsunfähigkeit des Dienstgebers nicht bekannt war oder bekannt sein musste.

(12) Abweichend von § 13a Abs. 2 IESG schuldet der Insolvenz-Entgelt-Fonds für die Beitragszeiträume Februar bis Dezember 2020 dem zur Beitragseinhebung zuständigen Krankenversicherungsträger Dienstnehmerbeitragsanteile für nach § 733 gestundete Beiträge oder offene Ratenzahlungen, soweit diese bis längstens drei Jahre vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bzw. vor jenen Zeitpunkten, die dieser nach § 1 Abs. 1 IESG gleichgestellt sind, rückständig sind. Mit Eröffnung eines Insolvenzver­fahrens oder Abweisung mangels kostendeckenden Vermögens sind durch Stundung oder Ratenzahlungen noch offene Beiträge sofort zu zahlen.

(13) Für Meldeverstöße nach § 114 Abs. 1 Z 2 bis 6 im Zeitraum von 1. Juni bis zum 31. August 2020 sind keine Säumniszuschläge vorzuschreiben.

(14) Die Abs. 7 bis 13 sind auch auf den von § 30a B-KUVG erfassten Personenkreis anzuwenden.«

b) In der Z 2 wird in § 738 nach dem ersten Satz folgender Satz angefügt:

„§ 733 Abs. 7 bis 14 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxx/2020 tritt mit 1. Juni 2020 in Kraft.“

Begründung

Anstelle der Verordnungsermächtigung nach § 733 Abs. 7 ASVG zur zeitlichen Ausdeh­nung der Maßnahmen, die zur Erleichterung der Beitragspflichten im Zusammenhang mit der Corona-Krise ergriffen wurden, soll zum einen vorgesehen werden, dass die bereits gewährten Stundungen längstens bis zum 15. Dezember 2021 bei dreitägigem Respiro verzugszinsenfrei entrichtet werden können.

Zum anderen soll normiert werden, dass die Beiträge für die Beitragszeiträume Mai bis Dezember 2020 auf Antrag gestundet werden können, wenn von Unternehmen glaub­haft gemacht wird, dass sie diese Beiträge wegen der Coronavirus-Pandemie aus Gründen der Unternehmensliquidität nicht fristgerecht entrichten können. Auch in diesen Fällen sind die Stundungen und die Ratenzahlungen mit Dezember 2021 begrenzt.

Bei Eröffnung eines Insolvenzverfahrens oder Abweisung eines entsprechenden An­trags mangels kostendeckenden Vermögens tritt Terminverlust ein, durch Stundung oder wegen Ratenzahlung noch offene Beiträge sind in diesem Fall sofort zu zahlen.

Soweit nichts anderes bestimmt ist, gelten die allgemeinen Regelungen der Lohnver­rechnung, etwa über die Fälligkeit der Beiträge, Meldeverpflichtungen usw. sowie zu Verzugszinsen (§ 59).


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Beiträge, für die der Dienstgeber auf Grund von Kurzarbeit, Freistellung nach § 735 ASVG oder Absonderung nach § 7 des Epidemiegesetzes einen Anspruch auf Beihilfe, Erstattung oder Vergütung durch den Bund oder das AMS hat, sollen davon nicht erfasst sein. Diese sollen vielmehr nach der Auszahlung an den Dienstgeber entrichtet werden müssen.

Durch die Zahlungserleichterungen und der damit einhergehenden Zurückhaltung bei der Geltendmachung von Beitragsrückständen durch Betreibung in Exekutions- und In­solvenzverfahren sollen dem Krankenversicherungsträger keine insolvenzrechtlichen Nachteile weder im Anfechtungsrecht (vgl. die §§ 30 Abs. 1 Z 3 und 31 Abs. 1 Z 3 IO) noch bei der Sicherung der Ansprüche durch den Insolvenz-Entgelt-Fonds entstehen.

Die Aussetzung der Säumniszuschläge für verspätete Meldungen (mit Ausnahme der Anmeldung) soll entsprechend dem Zeitraum für die Möglichkeit von Kurzarbeit bis Ende August 2020 verlängert werden.

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Abänderungsantrag wurde knapp in seinen Grundzügen erläutert, wurde auch an die Abgeordneten verteilt und steht mit in Verhandlung.

Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek. – Bitte.


11.20.55

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Frau Präsidentin! Mitglieder der Bun­desregierung! Kolleginnen und Kollegen! Zuseherinnen und Zuseher! Wir reden heute, morgen und übermorgen über Milliarden und Abermilliarden Euro. Es ist unvorstellbar, glaube ich, für jede und jeden von uns, was das für Summen sind.

Ich denke jetzt an die Hunderttausenden arbeitslosen Frauen und Männer, die jetzt viel­leicht teilweise zusehen und – der Mai neigt sich dem Ende zu – die vielleicht nicht wis­sen, wie sie die nächsten Lebensmitteleinkäufe bewerkstelligen. Am Ende eines Monats kann es für diese Leute ganz schön eng werden. Wenn 55 Prozent Nettoersatzrate für arbeitslos Gewordene der Meinung der Regierung nach genug sind, so ist das für Zig­zigtausende Leute in Österreich sicher viel zu wenig. Ich verstehe überhaupt nicht, wa­rum nicht eine der Maßnahmen umgesetzt wird.

Weil heute schon einmal gefallen ist: Na, die Opposition soll Vorschläge machen! – Ich kann gar nicht zählen, wie viele Vorschläge wir schon gemacht haben. Beispielsweise wären 70 Prozent Arbeitslosengeld etwas, was jetzt sofort helfen könnte, aber Sie haben das abgelehnt. Das ist jetzt nur ein einziges Beispiel. (Beifall bei der SPÖ.)

Wer in diesem Hohen Haus redet überhaupt über die Frauen? – Außer Dr.in Pamela Rendi-Wagner hat das noch niemand gemacht. Die Frauenministerin ist entschwunden, der Bundeskanzler auch schon längst. – Herr Finanzminister, vom Budget her wären vor allem Sie verpflichtet, darauf zu schauen, wie sich die Ausgaben auf die Frauen und die Männer dieses Landes auswirken. Jedes Ressort ist aufgefordert, ordentliche Gleichstel­lungsziele zu formulieren, nicht irgendwelche Blumenziele, die ohnehin für eh alles oder für nichts sind. Sie haben versäumt – der Budgetdienst hat es nicht versäumt ‑, dass Sie das auch tun.

Hier im Hohen Haus müssen wir genau darauf schauen, wie viel Geld für wen ausge­geben wird. Die Frauen brauchen keinen Applaus, wenn sie am Ende des Monats kein Geld für ihre Familien mehr haben, sie brauchen auch nicht die Zusprüche vom Herrn Bundeskanzler, der sagt: Es ist eh keine Schande, wenn die Kinder in die Betreuung, in die Schule geschickt werden; wenn sie es nämlich nicht mehr schaffen – das hat er nicht dazugesagt, aber gemeint. Das heißt, Frauen sollen die Wunderwuzzis sein, sollen am


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besten nur mehr zu Hause bleiben, sollen kochen, putzen, waschen, die Kinder ver­sorgen, die Älteren pflegen und nicht mehr in ihre Berufe zurückkehren. Das sind die Fünfzigerjahre, die haben wir überwunden! Das wird auch nicht gelingen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Es ist hoch notwendig, dass die Hilfsgelder auch ankommen. Letztes Beispiel: Eine Fa­milie mit zwei Kindern; er ist in Kurzarbeit, sie studiert. Sie haben am 15. April für den Familienhärtefallfonds angesucht. Wir haben am 22. Mai eine E-Mail bekommen: Sie haben noch immer kein Geld. Sie haben alles gut leserlich abgegeben, was abzugeben ist, aber das Geld ist noch nicht da. Das ist nur eines von vielen Beispielen. Es gibt 170 000 Frauen, die Einpersonenunternehmer sind. Der Großteil davon hat überhaupt noch keinen Cent gesehen. – Ja, was denken Sie sich dabei? Was denken sich die Leute, die heute zuschauen und von Ihnen nur blumige Worte hören, aber keine Taten sehen? – Das muss aufhören! (Beifall bei der SPÖ.)

11.24


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Barbara Neßler. – Bitte.


11.24.42

Abgeordnete Barbara Neßler (Grüne): Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich möchte etwas zum Gastropaket, zu der Hilfe für die Gastronomie sagen, aber vorweg möchte ich bitte klarstellen, dass unser Staat kein Unternehmen ist. – Das ist absurd! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zurück zur Gastronomie: In den letzten Wochen haben wir gemerkt, wie sehr uns unser Lieblingslokal, unser Lieblingscafé fehlt. Ich glaube, wir sind alle froh, dass wir wieder mit unseren Familien, mit unseren Freunden im Café sitzen können. Da geht es nicht darum, dass der Kaffee so gut ist oder dass das Essen so gut ist, sondern unsere Restaurants, unsere Gasthäuser, unsere Bars, unsere Kaffeehäuser sind Orte, wo wir Leute treffen, wo wir Leute kennenlernen, es sind Orte des Zusammenkommens. Egal, wie klein das Dorf ist oder egal, wie groß die Stadt ist, ohne sie würde ein wichtiger Teil im sozialen Gefüge fehlen, der nicht ersetzt werden kann. Wenn man ein Gasthaus aus einem Dorf oder einer Straße wegnimmt, dann nimmt man diesem Dorf, diesem Viertel ein Stück Gemeinschaft und auch ein Stück vom Stadt- und Gemeindebild. Stellen Sie sich unsere Dörfer, unsere Städte ohne die Lokale vor!

Wir alle kennen die traurigen Bilder von leer stehenden Lokalen, die davor mit Leben gefüllt waren. Unsere Gastronomie ist eben mehr als nur ein Lokal. Unsere Gastronomie ist noch viel mehr: Sie ist Arbeitgeberin, sozialer Raum und auch regionale Infrastruktur. Der Bregenzerwälder Bergkäse im Gasthaus, der Tiroler Zirbenschnaps, das Wiener Schnitzel im Restaurant, im Wiener Beisel: Da hängen so viele Bauern, Bäcker, regio­nale Lieferketten dran, das können wir nicht wegdenken. Ein Lokal ist so viel mehr.

Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass der Job in der Gastronomie kein einfacher ist: der Dauerstress, den man hat, die Arbeitszeiten, die Arbeitsstunden, der ständige Kontakt mit den Menschen (Abg. Loacker: Was hat das jetzt mit dem Budget zu tun?); und trotz­dem stehen hinter der Gastronomie, hinter den Lokalen Menschen mit großem Gestal­tungswillen, mit einer großer Portion Mut und mit Herzblut und Leidenschaft, die für uns die Türen öffnen.

Derzeit sind viele Gastronomen besorgt und blicken mit wenig Zuversicht in die Zukunft. Die genannten Maßnahmen, wie die im Gastropaket festgeschriebene Steuersenkung, die Fixkostenzuschüsse und auch die Verlängerung der Kurzarbeit sind erste Schritte, aber wir dürfen nicht vergessen, dass die Entwicklung des Landgasthaussterbens nicht erst mit der Covid-Krise angefangen hat, sondern dass das davor schon ein Thema war.


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Darum haben wir auch das Maßnahmenpaket gegen Gasthaussterben reinverhandelt, und das wird gerade nach der Covid-Krise besonders wichtig.

Was wir brauchen, sind Konjunkturmaßnahmen, die besonders diese kleinteilige Wirt­schaft mit oft familiär geführten Betrieben mit dem Fokus auf Nachhaltigkeit und Ent­wicklung bestmöglich unterstützen und die für Fairness sorgen, denn mit jedem Lokal, das zusperren muss, verlieren wir Charme und Lebensqualität. Jedes Lokal, das zu­sperrt, ist ein Lokal zu viel. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Leicht­fried: Da hätte jetzt die ÖVP besser zuhören sollen!)

11.28


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Erwin Angerer. – Bitte.


11.28.30

Abgeordneter Erwin Angerer (FPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren der Bundesregierung! Herr Finanzminister! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Her­ren! Herr Kollege Kopf hat gemeint, dass das, was die Regierung und vor allem der Herr Finanzminister hier machen, wäre seriös. Ich würde eher sagen: Das ist systematisch, was diese Bundesregierung macht, was der Herr Finanzminister hier macht. Er legt uns ein Budget vor und sagt selber dazu: Keine Zahl in diesem Budget wird stimmen; aber was interessieren uns die Gesetze dieser Republik, wir stehen über den Gesetzen. – Offensichtlich ist das die Symptomatik dieser Bundesregierung.

Da sich heute ein paar meiner Bürgermeisterkolleginnen und -kollegen oder auch Ge­meinderäte – Herr Klubobmann Wöginger ist ja selber Gemeinderat – herausstellen und das auch noch rechtfertigen und verteidigen, darf ich eine kleine Nachhilfe geben, was die Gemeindehaushaltsordnung betrifft. In § 14 der Gemeindehaushaltsordnung steht nämlich: „Wird der Voranschlag während des Finanzjahres durch außer- oder überplan­mäßige Ausgaben, durch Mehreinnahmen oder Mindereinnahmen in seiner Aussage­kraft wesentlich beeinflußt oder droht durch außer- oder überplanmäßige Ausgaben oder Mindereinnahmen die Störung des Haushaltsgleichgewichtes, so hat der Gemeinderat einen Nachtragsvoranschlag zu erstellen.“

Also was für eine Gemeinde gilt, wird wohl auch für die Republik gelten, aber offen­sichtlich nicht für einen Finanzminister, weil er ja offensichtlich über dem Gesetz steht.

Ich bin nur neugierig, ob die circa 2 000 Gemeinden und Bürgermeister, die es in Öster­reich gibt, samt ihren Gemeinderäten – und da vor allem die ÖVP-Gemeinderäte – in ihren Gemeinden auf die gleiche Art argumentieren und sagen werden: Wir machen kein Nachtragsbudget, es stimmt eh keine Zahl, die in diesem Budget steht. – Ich bin neu­gierig, was die Gemeindeaufsicht in den einzelnen Ländern dann dazu sagen wird.

Was ist noch symptomatisch für diese Regierung? – Wie gesagt, sie steht über dem Gesetz: Wir wissen, der Herr Kanzler bewegt sich auf Wahlkampftour im Kleinwalsertal und hält sich an keine seiner Verordnungen. Der Herr Bundespräsident verplaudert sich und übersieht die Sperrstunde. Die ersten Verordnungen des Gesundheitsministers müssen wieder aufgehoben werden, weil sie nicht verfassungs- und gesetzeskonform sind – wie überhaupt einfach infrage gestellt wird, ob man Verfassungskonformität in so einer Situation braucht! – Also: Was für die Bevölkerung gilt, gilt für diese Regierung noch lange nicht, denn sie steht offensichtlich über dem Gesetz.

Wenn darüber hinaus in gefühlt 100 Pressekonferenzen immer wieder etwas verkündet wird und dabei auch der Wahrheitsgehalt des in diesen Pressekonferenzen Gesagten sehr infrage zu stellen ist, dann, muss ich auch sagen, bin ich etwas skeptisch, was das Gemeindepaket betrifft. Es ist zwar eine Forderung, die wir hier mehrfach aufgestellt haben, dass die Gemeinden 1 Milliarde Euro für Investitionen, für Projekte bekommen, die Frage dabei wird aber sein, welche Kriterien es bei diesen Vergaben für die Projekte gibt. Wenn sie nämlich die gleichen oder ähnliche sind, wie wir sie beim Härtefallfonds


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 74

haben, dann wird diese Milliarde bei den Gemeinden gleichfalls nie ankommen. Es ist also noch die große Frage, wie das ausgestaltet wird, ob man das wirklich ehrlich meint, wie die Gemeinden bei Projekten unterstützt werden sollen.

Es war aber zumindest ein Schritt in die richtige Richtung, ihr habt unseren Antrag auf­genommen. Deshalb kommt eine weitere Anregung von uns, die wir schon mehrfach eingebracht haben (der Redner stellt eine Tafel auf das Rednerpult, auf der in roter Schrift „Österreich 1000er“ zu lesen ist und zehn Hunderteuroscheine abgebildet sind): ein Gutschein, der Österreichtausender, der 1 000-Euro-Gutschein – noch einmal als Antrag. (Abg. Leichtfried: Oje, der ist schlecht! – Zwischenruf des Abg. Matznetter.) Die Gemeinde Wien hat das ja schon übernommen, hat einen Wirtegutschein ausge­stellt, hat gesehen, dass das eine sinnvolle Maßnahme ist. Herr Ludwig hat das sofort erkannt, ich hoffe, die Bundesregierung wird das auch erkennen. Jeder Österreicher soll einen Gutschein in Höhe von 1 000 Euro bekommen, der bis 31.12. dieses Jahres bei einem Unternehmen, das in Österreich steuerpflichtig ist, eingelöst werden kann. Das würde direkt in der Wirtschaft ankommen. Das würde jedem Einzelnen helfen, das würde den Unternehmen helfen und das wären rund 8,8 Milliarden Euro, die als wirkliche Hilfe in der Wirtschaft ankommen.

Deshalb bringe ich noch einmal folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Österreich-Gutschein“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, jedem österreichischen Staatsbürger Gut­scheine im Wert von insgesamt 1.000.- Euro auszustellen, die bis 31. Dezember 2020 nur bei heimischen und in Österreich steuerpflichtigen Betrieben eingelöst werden kön­nen.“

*****

Danke schön für Ihre Unterstützung (Zwischenrufe bei der SPÖ); ich hoffe, dass Sie alle zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Matznetter.)

11.33

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Erwin Angerer, Michael Schnedlitz

und weiterer Abgeordneter

betreffend „Österreich-Gutschein“

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 2, Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 537/A der Abgeordneten Gabriel Obernosterer, Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteu­ergesetz 1988, das Umsatzsteuergesetz 1994 und das Schaumweinsteuergesetz 1995 geändert werden (19. COVID-19-Gesetz) (184 d.B.)

in der 32. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 26. Mai 2020

Die Maßnahmen der Bundesregierung im Zuge der Coronakrise führen zu einer histori­schen Wirtschaftskrise.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 75

Mehr als 1,8 Millionen Menschen haben ihre Arbeit verloren oder haben durch die Kurz­arbeit deutliche weniger Einkommen. Zigtausende Wirtschaftstreibende haben ebenfalls ihre Einkommensgrundlage verloren. Und mit all diesen Menschen auch ihre Familien!

Die österreichische Wirtschaft ist am Boden, zigtausende Betriebe wurden zwangsge­schlossen. Ob viele Betriebe, Gastronomiebetriebe, Touristiker, Handwerker, aber auch Dienstleister die Corona-Maßnahmen der Regierung wirtschaftlich überleben, darf an­gezweifelt werden. Dass die Auftragslage plötzlich wieder in die Höhe schießt, ist un­wahrscheinlich. Sämtliche Wirtschaftsforscher prognostizieren eine schwere Rezession. Hand in Hand mit einer drohenden gigantischen Pleitewelle geht der Konsumschock.

Die österreichischen Familien und die heimischen Wirtschaftstreibenden haben nichts von Versprechungen. Von Hoffnung allein können sie nicht leben, sie brauchen jetzt konkrete Hilfe und Sicherheit.

Wenn wir die massive Pleitewellen abfedern wollen und die Kaufkraft stärken, braucht es schnelle Maßnahmen, die möglichst viele Menschen erreichen und besonders schnell die Kaufkraft österreichischer Familien stärken. Jeder Österreicher und jede Österrei­cherin – etwa 7,4 Millionen Menschen – soll völlig unabhängig vom Alter einen soge­nannten Österreich-Gutschein in der Höhe von 1.000.- Euro erhalten. Für eine vierköp­fige Familie sind das 4.000.- Euro.

Von dieser unbürokratischen Soforthilfe für österreichische Familien und heimische Be­triebe in Höhe von rund 7,4 Mrd. Euro, die Arbeitsplätze sichert, die Wirtschaft ankur­belt und somit natürlich indirekt auch dem Sozialsystem zugutekommt, fließen rund 2,5 Mrd. Euro direkt in Form von Steuereinnahmen zurück in den Bundeshaushalt.

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten daher nachste­henden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, jedem österreichischen Staatsbürger Gutschei­ne im Wert von insgesamt 1.000.- Euro auszustellen, die bis 31. Dezember 2020 nur bei heimischen und in Österreich steuerpflichtigen Betrieben eingelöst werden können.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher auch mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Klaus Lindinger. – Bitte.


11.33.16

Abgeordneter Ing. Klaus Lindinger, BSc (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Mit­glieder der Bundesregierung! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Da­men und Herren! Wir diskutieren hier das Budget des Jahres 2020, und da geht es vor allem um wichtige zusätzliche Investitionen in verschiedene Bereiche, vor allem um den Handlungsspielraum in den Bundesministerien. Dabei geht es um höhere Investitionen in die Bereiche Polizei und Justiz, aber vor allem auch um zusätzliche Investitionen in den Bereich der erneuerbaren Energien und in den ländlichen Raum.

Weil es da noch ein paar technische Anpassungen braucht, bringe ich folgenden Ab­änderungsantrag ein:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 76

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Gabriel Obernosterer, Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA, Kolleginnen und Kollegen

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert

1. Im Titel wird die Wortfolge „, das Gehaltsgesetz 1956“ gestrichen.

2. Art. 1 (Änderung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes) wird wie folgt geändert:

a. Im Einleitungssatz wird der Ausdruck „BGBl. I Nr. 104/2019“ durch den Ausdruck „BGBl. I Nr. 23/2020“ ersetzt.

b. In der Z 5 werden die Bezeichnungen „Abs. 50“ und „(50)“ durch die Bezeichnungen „Abs. 51“ und „(51)“ ersetzt.

3. Art. 2 (Änderung des Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetzes) wird wie folgt ge­ändert:

a. Im Einleitungssatz wird der Ausdruck „BGBl. I Nr. 12/2020“ durch den Ausdruck „BGBl. I Nr. 23/2020“ ersetzt.

b. Z 1 lautet:

„1. Dem § 10 werden folgende Abs. 74 und 75 angefügt:

„(74) § 14 Abs. 4 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2020 tritt mit 1. Jänner 2021 in Kraft und mit Ablauf des 31. Dezember 2022 außer Kraft.

(75) § 14 Abs. 1 bis 3 samt Überschrift in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxx/2020 tritt mit 1. Jänner 2023 in Kraft.““

c. Z 2 lautet:

„2. Dem § 14 wird folgender Abs. 4 angefügt:

„(4) Die gemäß Abs. 2 und 3 in den Jahren 2021 und 2022 ermittelten Beträge sind im Jahr 2021 um 50 Mio. Euro und im Jahr 2022 um 100 Mio. Euro zu vermindern.““

4. Art. 6 (Änderung des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967) wird wie folgt geändert:

a. Im Einleitungssatz wird der Ausdruck „BGBl. I Nr. 104/2019“ durch den Ausdruck „BGBl. I Nr. 28/2020“ ersetzt.

b. Die Novellierungsanordnung in Z 1 lautet:

„1. In § 5 Abs. 1 und § 6 Abs. 3 wird jeweils nach lit. c folgende lit.d eingefügt:“

c. Die Novellierungsanordnung in Z 2 lautet:

„2. In § 55 wird nach Abs. 41 folgender Abs. 42 eingefügt:“

*****

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben 2017 einen Budgetpfad eingeleitet, der meines Erachtens die Prädikate nachhaltig und generationengerecht verdient. Heute heißt es, ein Budget zu beschließen, bei dem wir all jenen unter die Arme greifen, die unsere Unterstützung brauchen – an dieser Stelle ein großes Dankeschön an unseren Finanzminister, dass er so viele zielgerichtete Maßnahmen bereitgestellt hat. (Beifall bei der ÖVP.)

Es geht da nicht nur um die Ankurbelung der Wirtschaft, sondern auch um die Un­terstützung der Landwirtschaft. Unsere Bäuerinnen und Bauern haben zwar selbst in der


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 77

Krise bewiesen, dass sie uns mit qualitativ hochwertigen Lebensmitteln versorgen können, aber auch in der Landwirtschaft spitzt sich die Lage immer mehr zu, und deshalb braucht es auch dort eine Entlastung in Form einer Steuerreform, in Form einer Ab­gabensenkung, damit wir die bäuerlichen Familienbetriebe auch in Zukunft erhalten können und damit wir auch die Arbeitsplätze in der Landwirtschaft sicherstellen können. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Kolleginnen und Kollegen, gehen wir gemeinsam diesen Weg aus der Krise, ge­hen wir gemeinsam den Weg in Richtung erfolgreiches Comeback Österreichs! – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

11.37

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Gabriel Obernosterer, Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA,

Kolleginnen und Kollegen

zur Regierungsvorlage (71 der Beilagen) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Aus­länderbeschäftigungsgesetz, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Insol­venz-Entgeltsicherungsgesetz, das Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetz, das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, das Familienlastenausgleichsge­setz 1967, das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956 und das Umweltförderungsgesetz geändert werden (Budgetbegleitgesetz 2020), in der Fassung des Ausschussberichtes (175 d.B.)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert

1. Im Titel wird die Wortfolge „, das Gehaltsgesetz 1956“ gestrichen.

2. Art. 1 (Änderung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes) wird wie folgt geändert:

a. Im Einleitungssatz wird der Ausdruck „BGBl. I Nr. 104/2019“ durch den Ausdruck „BGBl. I Nr. 23/2020“ ersetzt.

b. In der Z 5 werden die Bezeichnungen „Abs. 50“ und „(50)“ durch die Bezeichnungen „Abs. 51“ und „(51)“ ersetzt.

3. Art. 2 (Änderung des Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetzes) wird wie folgt ge­ändert:

a. Im Einleitungssatz wird der Ausdruck „BGBl. I Nr. 12/2020“ durch den Ausdruck „BGBl. I Nr. 23/2020“ ersetzt.

b. Z 1 lautet:

„1. Dem § 10 werden folgende Abs. 74 und 75 angefügt:

„(74) § 14 Abs. 4 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2020 tritt mit 1. Jän­ner 2021 in Kraft und mit Ablauf des 31. Dezember 2022 außer Kraft.

(75) § 14 Abs. 1 bis 3 samt Überschrift in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxx/2020 tritt mit 1. Jänner 2023 in Kraft.““

c. Z 2 lautet:

„2. Dem § 14 wird folgender Abs. 4 angefügt:

„(4) Die gemäß Abs. 2 und 3 in den Jahren 2021 und 2022 ermittelten Beträge sind im Jahr 2021 um 50 Mio. Euro und im Jahr 2022 um 100 Mio. Euro zu vermindern.““


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 78

4. Art. 6 (Änderung des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967) wird wie folgt geändert:

a. Im Einleitungssatz wird der Ausdruck „BGBl. I Nr. 104/2019“ durch den Ausdruck „BGBl. I Nr. 28/2020“ ersetzt.

b. Die Novellierungsanordnung in Z 1 lautet:

„1. In § 5 Abs. 1 und § 6 Abs. 3 wird jeweils nach lit. c folgende lit.d eingefügt:“

c. Die Novellierungsanordnung in Z 2 lautet:

„2. In § 55 wird nach Abs. 41 folgender Abs. 42 eingefügt:“

Begründung

Auf Grund der als Folge der wirtschaftlichen Beschränkungen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie zu erwartenden stärkeren Inanspruchnahme des Insolvenz-Ent­geltsicherungsfonds soll die ursprünglich geplante Abschöpfung von Mitteln im Jahr 2020 entfallen und in den Jahren 2021 und 2022 50 bzw. 100 Mio. Euro betragen.

Die übrigen Änderungen dienen lediglich der Anpassung an die mit dem 3. COVID-19-Gesetz erfolgten Änderungen (Zitierung der letzten Gesetzesnovelle und Korrektur der Absatznummern im Hinblick auf zwischenzeitig eingefügte Absätze).

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Michael Bernhard. – Bitte. (Abg. Leichtfried: Der linke NEOS-Typ!)


11.37.39

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Frau Präsidentin! Geschätzte Bundesregie­rung! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Ich möchte voranstellen, dass ich es sowohl dem Hohen Haus wie allen Menschen in un­serem Land gegenüber in Wahrheit als eine große Respektlosigkeit empfinde, nicht nur, dass wir ein Budget bekommen, das substanzlos ist, sondern auch, dass wir diese Bud­getdebatte tatsächlich erst Ende Mai führen. Es war ab März zwar nicht mehr möglich, aber ein Budget Mitte des Jahres zu diskutieren und zu verabschieden ist an sich schon ein Treppenwitz der Geschichte.

Was ich mir jetzt aber im Detail anschauen möchte, ist die Frage (Zwischenrufe der Ab­geordneten Jachs und Gabriela Schwarz) – jaja! –, wie viel Nachhaltigkeit und wie viel Verantwortungsbewusstsein, sozusagen wie viel bewusstes Handeln für die nächsten Generationen denn in diesem Budget steckt. Ich habe mir sehr genau angehört, was meine grünen Vorredner und Vorrednerinnen hier von sich gegeben haben und kann den Argumenten ehrlich gesagt weitestgehend nicht folgen.

Was wir in diesem Budget sehen, ist, dass die Klimakrise, die es ja vor Covid-19 gab, die es während Covid-19 gibt und die es leider auch noch danach geben wird, in dem bestehenden Budget weitestgehend zu wenig Beachtung findet. Vielmehr ist es so, dass wir – das kann man in vielen Zeilen und in vielen Detailbudgets verfolgen – eine Art Greenwashing von ÖVP-Politik erleben. Wir erleben jene Politik, die es bereits seit Jahr­zehnten gibt: sehr hohe Steuern, sehr hohe Förderungen, sehr hohe Subventionen, die oft auch umweltschädlich sind – und dann als Pflaster ein Umweltbudget.

Dieses Pflaster ist größer geworden, das kann man schon sagen; wenn man aber weiß, dass wir 4,3 Milliarden Euro für umweltschädliche Subventionen ausgeben – zehnmal


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so viel, wie das gesamte Umweltbudget überhaupt beträgt – und dann 460 Millionen Eu­ro für das Umweltbudget, dann fragt man sich: Mit welchem Nutzen?! – Zuerst pressen wir die Menschen aus, dann geben wir ihnen einen Teil des Geldes zurück, dann ver­schmutzen wir die Umwelt, und dann versuchen wir, diese zu reparieren. Das ist unlo­gisch, das ist falsch, das ist in Wahrheit alte und oft auch dumme Politik. (Beifall bei den NEOS.)

Was die Regierung nicht gemacht hat, ist: Sie hat nicht auf die Wissenschaft gehört. Das Wegener Center hat sehr klar zum Ausdruck gebracht, dass es 4 Milliarden Euro an Investitionen bräuchte, um die Klimaneutralität bis 2040 zu erreichen; davon finde ich 700 Millionen Euro in diesem Budget. Nichts von dem, was die Wissenschaft empfiehlt, finden wir im Budget von 2020. Es ist also sozusagen weder auf wissenschaftlicher noch auf ökologischer Ebene nachvollziehbar, wo da die Spuren einer grünen Partei sein sollen.

Als letzter Punkt, da das in den letzten Tagen auch sehr genau vom Bundeskanzler angesprochen worden ist: Die Allianz der Sparsamen haben wir auch nicht erreicht. Wir erleben vielmehr eine Allianz der Geizigen, wenn es um die Bundesregierung geht. Der Green Climate Fund ist von österreichischer Seite maßgeblich unterdotiert. Während Dänemark, Schweden und die Niederlande, die ja von Sebastian Kurz genannt werden, bis zu 850 Millionen Euro einzahlen, um gegen den Klimawandel zu kämpfen, macht das die österreichische Bundesregierung mit 35 Millionen Euro.

Es gibt in diesem Budget keine Generationengerechtigkeit, es gibt in diesem Budget keinen maßgeblichen Kampf gegen den Klimawandel. Das geht viel besser, und des­wegen erwarte ich auch eine Rückverweisung an den Budgetausschuss. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS sowie der Abgeordneten Herr und Leichtfried.)

11.41


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Elisabeth Götze. – Bitte.


11.41.33

Abgeordnete Dr. Elisabeth Götze (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuse­her zu Hause vor den Bildschirmen! Seit fast drei Stunden diskutieren wir hier, und ich habe viel Kritik von der Opposition gehört: Fakebudget, zu langsam, Bürokratie und gleich­zeitig wieder zu wenig Kontrolle. – Im Wienerischen würde ich sagen: Ein Gejammer. (Abg. Bernhard: Na geh, komm! Das ist ...!)

Die Kritik ist aber sehr widersprüchlich und sie zeigt: Der Opposition können wir es nicht recht machen. Und, ehrlich gesagt: Das ist auch nicht der Anspruch. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Worum geht es? Was wollen wir? – Wir wollen uns alle, die Menschen, die hier leben, die Unternehmen in Österreich, auch die Gemeinden gut durch die Krise bringen (Abg. Leichtfried: Das sieht der ... aber anders!), und wir wollen, dass es danach wieder bergauf geht. Darüber sprechen wir heute und in den nächsten Tagen. (Abg. Belako­witsch: Dass es irgendwann wieder bergauf geht?) Am Nachmittag beginnt die Debatte über das Budget, jetzt geht es um die Budgetbegleitgesetze, zum Beispiel um jenes, mit dem geregelt wird, dass auch Bilanzbuchhalter, Bilanzbuchhalterinnen neben Steuerbe­raterInnen und WirtschaftsprüferInnen die Zuschüsse für Unternehmen überprüfen kön­nen. (Abg. Matznetter: Die brauch’ ma net, die Überprüfung, das ist bürokratischer Murks!) – Also wieder ein Beispiel: Gejammer! Danke, Herr Kollege Matznetter! (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Matznetter: Wer braucht eine Überprüfung? Erteilen Sie doch ...!)


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Liquide Mittel wurden gefordert, und das sind sie: Zuschüsse, die nicht zurückgezahlt werden, die Unternehmen bekommen. Ich möchte ein paar Punkte zu diesem Corona­hilfsfonds aufzählen, auf die wir wirklich stolz sind. (Anhaltende Zwischenrufe des Abg. Matznetter. – Ruf bei den Grünen – in Richtung Abg. Matznetter –: Zuhören, Herr Kol­lege! – Gegenruf des Abg. Matznetter. – Abg. Leichtfried: Außerdem jammert er nicht, sondern er stellt fest! – Rufe und Gegenrufe zwischen Abg. Matznetter und Abg. Jakob Schwarz. – Abg. Obernosterer – in Richtung Abg. Matznetter –: Lassen Sie sie aus­reden!) – Herr Kollege (in Richtung Abg. Matznetter), hören Sie vielleicht einmal zu, und dann können wir darüber reden!

Erstens: Für Zuschüsse bis 12 000 Euro brauchen Unternehmen keine Bestätigung ei­nes Wirtschaftsprüfers, einer Steuerberaterin, eines Bilanzbuchhalters, sondern es reicht eine eidesstattliche Erklärung – also keine Bürokratie; darauf bin ich stolz. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Auch ganz kleine Selbstständige können Zuschüsse bekommen: Ab 500 Euro Fixkosten können Zuschüsse beantragt werden. Alle von der Coronakrise betroffenen Unterneh­men können Zuschüsse bekommen, also nicht nur direkt betroffene Branchen, die ge­sperrt waren, sondern das geht ab 40 Prozent Umsatzeinbruch.

Eine besondere Herausforderung, und auch das wurde hier oft diskutiert, sind die Unter­nehmen, die – so heißt das technisch – in wirtschaftlichen Schwierigkeiten sind, „Unter­nehmen in Schwierigkeiten“: Dazu gibt es strenge Vorgaben der EU. Wir haben es aber geschafft, dass, sofern die sogenannte De-minimis-Klausel gilt, also für kleine Unter­nehmen, Zuschüsse bis zu 200 000 Euro an Unternehmen gewährt werden können; ein­zige Ausnahme: wenn das Unternehmen bereits vor Corona insolvent war.

Da heute schon mehrmals vom Härtefallfonds die Rede war: Dieser deckt übrigens den Unternehmer-, Unternehmerinnenlohn ab und nicht, wie das immer wieder irrtümlich ge­sagt wurde, alle Kosten eines Unternehmens. Wenn ein Unternehmen also den Här­tefallfonds für den UnternehmerInnenlohn in Anspruch nimmt, kann es trotzdem die Zuschüsse aus dem Coronahilfsfonds in Anspruch nehmen. Das ist also ein weiterer Punkt, der gelungen ist.

Von meinen Vorrednern wurde von Lücken gesprochen: Ja, wir arbeiten daran, diese Lücken zu füllen, wenn Sie so wollen.

Was braucht es noch? (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.) – Das Gemeindepaket: Da­rüber werden wir in den nächsten Tagen noch sprechen, ich glaube, am Freitag ist das dran; das ist ein Konjunkturpaket. Es gibt Branchen, die noch mehr Unterstützung brauchen, auch darüber werden wir sprechen. Es kommt auch – der Herr Finanzminister hat es, glaube ich, schon gesagt – ein Bonus für den Härtefallfonds.

Also: Hören wir auf zu jammern und arbeiten wir daran! – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie Bravoruf des Abg. Obernosterer.)

11.46


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Julia Herr. – Bitte.


11.46.57

Abgeordnete Julia Elisabeth Herr (SPÖ): Frau Präsidentin! Wertes Hohes Haus! Das ist für mich und für alle neuen Abgeordneten das erste Budget, das wir beschließen, und ich muss sagen, ich habe es mir anders vorgestellt. Das liegt aber nicht an den Masken und an Corona, sondern an der unglaublichen Frechheit der ÖVP und der Grünen, uns ein Budget vorzulegen, das schlicht und einfach veraltet ist, bei dem die Zahlen nicht stimmen, gar nicht stimmen können. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist ein Budget aus dem Februar, über das der zuständige Minister selbst gesagt hat, dass er es in den Mistkübel geworfen hat, weil es ja nicht mehr aktuell ist. Und, siehe


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da, es wurde offenbar ausgegraben und man legt es uns jetzt vor. Auf die Kritik geht man ein, indem man ganz einfach sagt: Na ja, es gibt dann einen Freischein für den Finanzminister, es gibt – schon wieder – eine Überschreitungsermächtigung.

Transparenz, Kontrolle schaut natürlich anders aus. Was uns dieser Umgang mit dem Budget aber vor allem zeigt, ist, wie viel Respekt man gegenüber dem Nationalrat hat, nämlich ganz offensichtlich null, wenn man uns hier ganz einfach ein Budget vorlegt, das wir seit Wochen diskutieren, das wir heute Morgen diskutieren, obwohl wir schon wissen, dass es ja gar nicht halten kann. Für wie blöd also will man die Abgeordneten verkaufen?

Ich gehe jetzt aber auf einen zweiten Punkt ein: Man hätte Zeit gehabt, man hätte zwei Monate Zeit gehabt, das Budget zu aktualisieren oder zusätzliche Zahlen vorzulegen, sodass wir unserer Arbeit überhaupt gewissenhaft nachkommen und überhaupt gewis­senhaft über das Budget abstimmen können. Andere Länder, wie Deutschland, haben das ja auch geschafft; aber es ist nicht passiert.

Was ist stattdessen in den letzten zwei Monaten passiert? – Unternehmen sind einge­gangen, Unternehmen, die drei Monate lang keine Einnahmen, aber drei Monate lang weiterhin Ausgaben hatten. Und Hilfe gab es nicht. Das Einzige, was man tun konnte, war, die 31 000. Pressekonferenz zu schauen, bei der man dann wieder gehört hat, dass es ja so unbürokratische und so schnelle Hilfe geben wird, bei der dann der Kanzler und der zuständige Finanzminister immer von 38 Milliarden Euro gesprochen haben. Jetzt, Wochen später, können wir uns anschauen, wie viel Geld denn tatsächlich geflossen ist: Von diesen 38 Milliarden Euro sind überhaupt erst 1,5 Prozent geflossen. – Ja das ist zu langsam, liebe Wirtschaftspartei ÖVP! (Beifall bei der SPÖ.) Die Unternehmen sind weg. Da waren vorher Unternehmen, die jetzt nicht mehr da sind. Da waren vorher Arbeits­plätze, die es jetzt nicht mehr gibt – das ist eine soziale Katastrophe!

Und was machen Sie? Was verhandeln Sie in den zwei Monaten tatsächlich? Was steht jetzt im Budgetbegleitgesetz? – Zum Beispiel eine Senkung der Schaumweinsteuer. Das ist eine gute Botschaft an die Arbeitslosen, an die Menschen in Kurzarbeit, an die Selbstständigen, die gerade keine Aufträge haben, zu sagen: Na bitte, kauft euch doch ein Glaserl Sekt! Das ist genau das, was wir jetzt brauchen! (Abg. Matznetter: Cham­pagnisieren statt ...!)

Somit komme ich zum dritten und letzten Punkt dessen, was uns diese Krise zeigt: dass die ÖVP selbst in so einer Zeit weiterhin Klientelpolitik macht. Die Schaumweinsteuer wird gesenkt, aber auch das eigene Repräsentationsbudget wird vervierfacht; der Bun­deskanzler hat das gemacht. 1 Million Euro mehr für Repräsentation, für Selbstinszenie­rung – das ist jetzt wirklich, wirklich wichtig gewesen!

Ich mache Ihnen einen Vorschlag: Streichen wir dieses Budget für Repräsentationskos­ten des Kanzlers! Wissen Sie, wie vielen Selbstständigen, wie vielen Unternehmern wir damit helfen können? – Über 1 000! Das wäre einmal ein Ansatz, den dieses Land braucht: eine Regierung, die sich nicht selbst bereichert, sondern allen hilft, die Hilfe brauchen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Leichtfried: Das war eine sehr gute Rede!)

11.50


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Werner Saxinger. – Bitte. – (Abg. Matznetter – in Richtung des sich zum Rednerpult begeben­den Abg. Saxinger, auf dessen Stichwortkarten weisend –: Die türkisen Karterln haben die gleiche Farbe wie ...! – Abg. Saxinger: Eine schöne Farbe voller Zukunft!)


11.51.01

Abgeordneter Dr. Werner Saxinger, MSc (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Mitglieder der Bundesregierung! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Wissen Sie, was das österreichische Wort des Jahres 2019 war?


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(Abg. Meinl-Reisinger: Ibiza!) – Ibiza, genau. In diesem Jahr wird es wahrscheinlich das Wort Corona werden – aber mir persönlich gefällt ein anderes Wort besser, das in den letzten Wochen oft genannt wurde, mein Favorit ist nämlich der Begriff des Präventions­paradoxons. (Abg. Belakowitsch: Das ist viel zu lang, das macht sich auch nicht gut am „Österreich“!)

Das klingt jetzt sehr kompliziert, ist aber sehr leicht erklärt. Was bedeutet das? – Man hat ein Problem, löst dieses, und dann wird gesagt, man hätte gar nichts tun müssen, weil das Problem ja kaum mehr vorhanden ist. Für Corona bedeutet das: Im Rahmen der Pandemie gab es Szenarien mit hohen zu erwartenden Fallzahlen, vielen Infizierten und Intensivpflichtigen. Wir haben mit großen Augen ängstlich auf das benachbarte Ausland geschaut und gesehen, was passiert, wenn man zuwartet und nicht schnell handelt. Wir haben daher alle rechtzeitig den Shutdown mitgemacht, und dafür gebührt der Bevölkerung nach wie vor Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Prammer.)

Glücklicherweise haben viele Maßnahmen gefruchtet, die Infektionszahlen sind derzeit auf einem minimalen Stand. Jetzt sagen aber manche, dass wir das alles nicht gebraucht hätten, da es derzeit ohnehin wenige Infizierte gibt – aber wir haben nur deswegen so wenige Erkrankte, weil wir so rasch und entschlossen gehandelt haben! Das ist das Prä­ventionsparadoxon, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Das Virus ist aber nicht weg, wir haben es derzeit nur im Griff. Die erste Phase haben wir aus medizinischer Sicht sehr gut überstanden. Was tun wir weiter? – Mit den sin­kenden Zahlen steigt auch die Zahl der sogenannten Experten, und so viel Wissen über unser Nichtwissen hatten wir noch nie. Was tut man, wenn man etwas nicht genau weiß und nicht genau vorhersagen kann? (Abg. Belakowitsch: Man verbreitet Angst!) – Nein, es sind Vorsicht und vorausschauendes, verantwortungsvolles Handeln gefragt, und so handeln wir auch im Zusammenhang mit dem Budget. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir bewegen uns weiterhin auf dünnem Eis, Vertrauen und Zuversicht werden in den nächsten Wochen und Monaten sehr wichtig sein und von uns verlangt werden. Wir müssen auch weiterhin in Szenarien denken und die Wissenschaftler forschen lassen. Seien wir kritisch und schalten wir in Bezug auf Verschwörungstheorien und Halbwahr­heiten unser Hirn ein!

Das diesjährige Budget ist ein in Zahlen gegossenes Werk mit – in Zeiten von Corona – vielen Fragezeichen und Unwägbarkeiten, aber mit dem festen Willen, die Zukunft positiv zu gestalten (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), eine Zukunft, die im heurigen Budget aufgrund der Krise nur mit sehr unsicheren Zahlen und Daten abgebildet werden kann, quasi eine jeden Tag aufs Neue schon wieder veraltete Momentaufnahme. (Beifall bei der ÖVP.)

Diese Krise stellt unbequeme Fragen, liebe Kolleginnen und Kollegen, und diese werden wir gemeinsam lösen! – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

11.54


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gerhard Kaniak. – Bitte.


11.54.24

Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Es ist ziemlich genau drei Monate her, dass ich hier an dieser Stelle gestanden bin und meine Sorge geäußert habe, dass die Maßnahmen und die Politik der Bundesregierung größeren Schaden verursachen würden als der Coronavirus. Jetzt, drei Monate später, hat sich diese Sorge aus meiner Sicht leider be­stätigt.

Was haben wir nämlich zusammengebracht? – Es hat sich gezeigt, dass durch Einhalten einfacher Hygienemaßnahmen und die Disziplin der österreichischen Bevölkerung die


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Infektionsraten schon vor dem Lockdown deutlich zurückgegangen sind. Ja, natürlich haben die von der Regierung getroffenen Maßnahmen diesen Trend verstärkt – aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, um welchen Preis, mit welchen Kollateral­schäden, die unsere österreichische Bevölkerung hat erleiden müssen? Es gibt Kollate­ralschäden in nahezu all unseren Gesellschaftsbereichen!

Ein Bereich, der mir besonders am Herzen liegt, ist der Gesundheitsbereich: Da wurden ganze Abteilungen und Spitäler einfach gesperrt, Hunderttausende Behandlungen in den letzten zwei Monaten einfach nicht durchgeführt. Was das für die betroffenen Pa­tienten an langfristigen, nachhaltigen Schäden bedeutet, lässt sich noch gar nicht errech­nen.

Im Bereich der Wirtschaft, über die wir hier heute diskutieren, gibt es Kollateralschäden in ungeahntem Ausmaß, eine Rezession, wie sie die Zweite Republik noch nicht gese­hen hat. Es gibt Hunderttausende Arbeitslose, und Zehntausende Unternehmen – vor allem im Bereich Gastronomie, Hotellerie und Tourismus – stehen vor den Trümmern ihrer Existenz.

Es hat auch massive Kollateralschäden im Bereich der persönlichen Freiheit gegeben: Es gab Ausgangsverbote, Einschränkungen und Verordnungen, die gesetzlich besten­falls schwach gedeckt waren, wenn überhaupt. Das sind Eingriffe in die Grundrechte unserer Bürger, wie wir sie uns nie vorgestellt hätten.

Zu guter Letzt gibt es auch massive Kollateralschäden, nachhaltige Schäden für den Sozialstaat. Das, was da passiert, dieses maßlose Schuldenmachen nach dem Motto: „Koste es, was es wolle“, diese Bürde für die nächsten Generationen, die da geschaffen wird, gefährdet die soziale Sicherheit und den sozialen Frieden in unserem Land nach­haltig. – Das sind die Auswirkungen der Maßnahmen der Bundesregierung.

Kommen wir nun zu den vorliegenden Gesetzentwürfen, die wir hier debattieren, wir sind mittlerweile beim 19., 20. und 21. COVID-19-Gesetz. Die Bundesregierung versucht damit, die überschießenden Maßnahmen im Bereich der Gastronomie mit einem Pflaster zu kitten – aber ich frage Sie ganz ehrlich: Was hat ein Wirt davon, wenn die Schaum­weinsteuer abgeschafft wird? Wie viel mehr Umsatz wird er machen, wenn wir die Es­sensgutscheine für den Supermarkt verdoppeln? Was hat der Wirt davon, wenn der Unternehmer statt 50 Prozent jetzt 75 Prozent seiner Kosten für Geschäftsessen steu­erlich geltend machen kann? – Gar nichts hat der Wirt davon!

Auch die halbherzige Senkung der Mehrwertsteuer auf nicht alkoholische Getränke bringt aufgrund ihrer Befristung auf ein halbes Jahr kaum etwas, meine sehr geehrten Damen und Herren. Den meisten kleinen Betrieben kostet nämlich die Umstellung der Registrierkassen mehr, als sich der Wirt durch die geringere Mehrwertsteuer überhaupt erspart.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Bundesregierung, stoppen Sie den Coro­nawahnsinn, beenden Sie diese überschießenden Maßnahmen, beenden Sie die Ein­schränkungen der persönlichen und unternehmerischen Freiheit, und vor allem: Been­den Sie diese vollkommen unsinnige und gesundheitsschädliche Maskenpflicht! – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

11.57


Präsidentin Doris Bures: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Maximilian Köllner zu Wort gemeldet. – Bitte.


11.57.56

Abgeordneter Maximilian Köllner, MA (SPÖ): Frau Präsidentin! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Jetzt wollte ich schon den Bundeskanzler begrüßen, aber es ist mir erneut nicht gelungen, in seiner Anwe­senheit sprechen zu dürfen – schade, denn es hätte mich wirklich gefreut, wenn er uns


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hier im Hohen Haus einmal länger die Ehre erwiesen hätte. Der Herr Bundeskanzler hat im Moment aber sicher etwas Besseres zu tun, vielleicht ist er auch schon wieder auf Coronatour im Kleinwalsertal.

Heute ist dafür genau jene Person da, die das Geld des Steuerzahlers verwaltet, aber gleichzeitig über das eigens erstellte Budget sagt, dass es quasi ein Fall für den Mist­kübel ist, wie wir bereits gehört haben. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Wenn ich schon bei Ihnen bin, Herr Finanzminister Blümel – der mir nicht zuhört –: Sie wirken ähnlich flexibel wie getrockneter Beton! Wenn beispielsweise ein Gastronom so unflexibel auf die Coronakrise reagiert hätte wie Sie beim Erstellen des Budgets, dann hätte uns bereits jetzt eine Pleitewelle erreicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Wirte haben von einem Tag auf den anderen in Eigenregie ein über Jahre oder gar Jahrzehnte eingespieltes System umkrempeln müssen: von Gaststätten, die es gewohnt sind, tagtäglich in ihrem Lokal Gäste zu empfangen, zu reinen Liefer- und Abholbetrie­ben – und das über Nacht. In der Nacht haben genau diese Menschen nicht schlafen können, weil sie oftmals Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken oder gar kündigen mussten und selbst nicht wussten, wie sie ihre Rechnungen bezahlen sollen. Kleine und mittlere Unternehmer wie zum Beispiel eben Gastronomen haben Sie zu Bittstellern für Almosen bei der Wirtschaftskammer degradiert. (Beifall bei der SPÖ.)

Genau das ist das, was Sie wollten, anstatt dass Sie einfach das tun, wozu Sie sich in Ihrer Position verpflichtet fühlen sollten, nämlich uneigennützig, rasch und unbürokra­tisch zu helfen. Dieses Motto ist bei Ihnen ebenso nur ein Fall für das Phrasenschwein wie „Koste es, was es wolle“ oder „Wir lassen niemanden zurück“.

Den Betroffenen zaubern solche Aussagen maximal ein bitteres Lächeln ins Gesicht, denn diese müssen sich sprichwörtlich bis auf die Unterhose ausziehen und einen Büro­kratiedschungel durchbrechen, damit sie in den Genuss von in vielen Fällen nicht einmal ein paar Hundert Euro kommen. Jetzt stellen Sie sich vor, Sie sind Betreiber eines Fit­nessstudios und haben bis dato überhaupt noch nicht aufsperren können! Ich habe erst gestern mit einem Fitnessstudiobetreiber aus meiner Region gesprochen, bei dem seit dem Lockdown Mitte März keine Hantel geschwungen wurde und der dennoch erst ein Mal eine kleine Minizahlung erhalten hat; viele haben aber noch nicht einmal irgendet­was bekommen. Wie soll er überleben, wenn er gerade erst sein Erspartes in sein Le­benswerk investiert hat?

Herr Finanzminister, Sie messen mit zweierlei Maß! Was für andere gilt, gilt für Sie of­fenbar nicht – und für den Bundeskanzler, wie wir im Kleinwalsertal gesehen haben, auch nicht. „Max. 4 Gäste pro Tisch außer Sie sind Bundeskanzler“ (ein Bild, auf dem eine Schiefertafel mit der genannten Aufschrift zu sehen ist, in die Höhe haltend) – das kursiert zurzeit im Internet. Diesen Spott haben Sie sich selbst zuzuschreiben. Während jeder noch so kleine Unternehmer mit Verordnungen sekkiert wird und für ein paar Hundert Euro alles offenlegen muss, wollen Sie einen Blankoscheck für 28 Milliarden Euro Steuergeld, ohne korrekte Zahlen vorzulegen. Wohin das Geld fließt, ist unklar. Bei den Unternehmen kommt es aber anscheinend nicht an.

Wir reden also über ein Fakebudget – das ist schlichtweg eine Farce. Sie stoßen die Menschen vor den Kopf, so geht man aber mit den wahren Leistungsträgern in unserer Gesellschaft nicht um. (Beifall bei der SPÖ.)

12.02


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Hermann Brückl. – Bitte.


12.02.07

Abgeordneter Hermann Brückl, MA (FPÖ): Frau Präsident! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Ich möchte meinem Vorredner von der ÖVP noch


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etwas sagen, weil er gemeint hat, dieses Budget sei vorausschauend: Ich frage mich, was an einem Budget, das der Herr Bundesminister selbst in den Papierkorb wirft, weil die Zahlen darin nicht valide sind und niemals aktuell sein werden, vorausschauend ist.

Eine jener Gruppen – das wurde jetzt mehrmals angesprochen –, die am meisten unter dieser sogenannten Coronakrise leiden, ist die unserer Wirte und Gastronomen. Dass wir ein besonderes Augenmerk auch auf diese Gruppe legen müssen, liegt daran, dass sie ja nicht nur einen wirtschaftlichen Auftrag, sondern auch einen sozialen Auftrag zu erfüllen haben. Wirtshäuser, Gaststätten, Lokale, Bars, Restaurants sind Treffpunkte des gesellschaftlichen Lebens, sie sind Orte des Zusammenkommens.

Mit der Änderung des Einkommensteuergesetzes, des Umsatzsteuergesetzes, des Schaum­weinsteuergesetzes sollen wir heute dieses sogenannte Wirtepaket beschließen. In Summe gesehen sind diese Maßnahmen irgendwie positiv zu bewerten, aber sie führen nicht zum Ziel und stoppen nicht das Wirtesterben. Sie bieten keinen Rettungsschirm für unsere Wirte. Es mag nett sein, dass wir die Schaumweinsteuer abschaffen. Mancher Wirt wird sich darüber freuen, dass der Steuersatz für die nicht alkoholischen offenen Getränke gesenkt wird oder die Absetzbarkeit von sogenannten Geschäftsessen erhöht wird. Das Überleben unserer Wirte können wir damit aber bei Weitem nicht sichern. Es ist nicht nur so, dass diese Maßnahmen nicht sofort greifen, es ist auch ein bürokrati­scher Aufwand damit verbunden, weil der erhöhte Verwaltungsaufwand für die Um­stellung des Rechnungswesens, der Registrierkassen und die erhöhten Sozialversiche­rungsausgaben einfach unberücksichtigt bleiben.

Jeder, der sich damit auseinandersetzt, jeder, der mit einem Wirt redet, weiß, dass das größte Problem in Wirklichkeit darin liegt, dass es gilt, die Liquidität dieser Gaststätten, dieser Gastronomiebetriebe aufrechtzuerhalten und zu sichern. Sie müssten jetzt über die Runden kommen. Ihre Betriebe sind zwei Monate lang stillgestanden – völlig still – und können jetzt langsam wieder hochgefahren werden, soweit sie überhaupt noch wei­termachen wollen. Wir wissen, dass es genug Gastrobetriebe in Österreich gibt, die mittlerweile bereits zugesperrt haben und nicht mehr aufmachen können, weil sie auf­grund des Einnahmenentfalls ihre Pacht, ihre Miete nicht mehr zahlen können. Sie kön­nen die Mitarbeiter nicht mehr beschäftigen, die Löhne und Gehälter nicht mehr bezah­len, weil ihnen die Infrastruktur zusammen- und weggebrochen ist.

Es gibt in Österreich etwa 46 000 Gastronomiebetriebe, die Hunderttausenden Men­schen Arbeit geben. Wenn wir nicht darauf schauen, dass die Liquidität in diesen Betrie­ben erhalten bleibt, dann wird es für unsere Wirte sehr, sehr schlecht ausschauen. Eine Hilfe könnte darin bestehen, dass wir Direktzahlungen – die können nach Betriebsgröße, nach Mitarbeiteranzahl gestaffelt sein, der Kreativität sind da keine Grenzen gesetzt – leisten, aber auch Vereinfachungen herbeiführen, wie die Aufhebung des absoluten Rauchverbots und die Aufhebung dieser völlig sinnlosen Maskenpflicht für das Personal in den Gastrobetrieben.

Das ist die einzige Möglichkeit, um unsere Gastronomie wirklich zu beleben: dass man den Wirten, den Gasthäusern, den Gastrobetrieben einfach eine größtmögliche unter­nehmerische Freiheit zugesteht. Jetzt, da – wie gesagt – die ersten Wirtshäuser wieder zusperren müssen, weil die Gäste ausbleiben, ist es auch aus ökonomischen Überle­gungen heraus völlig sinnvoll, dass wir uns von diesem umsatzschädigenden Rauchver­bot verabschieden.

Zehntausende Gastronomiebetriebe in Österreich, an denen wiederum ein Vielfaches an familiären Existenzen hängt, brauchen die größtmögliche unternehmerische Freiheit, um wirtschaftlich wieder auf die Beine zu kommen, daher abschließend noch einmal zwei Punkte, auf die es jetzt ankommt, die notwendig sind, um der Gastronomie das Überleben zu sichern: Es gilt, einerseits eine rasche, unbürokratische Liquiditätsbrücke


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 86

zu schaffen und andererseits eine größtmögliche unternehmerische Freiheit für diese Unternehmen zu sichern. (Beifall bei der FPÖ.)

12.06


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Jörg Leichtfried. – Bitte.


12.06.49

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren der Bundesregierung! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Heute ist ein be­sonderer Tag – das möchte ich schon erwähnen. Viele Tausende junge Menschen in Österreich haben gerade Matura, ihnen möchte ich sagen: Ich und wir alle gemeinsam, glaube ich, halten euch die Daumen, dass unter diesen speziellen Bedingungen die Ma­tura gut hinhaut. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Abg. Hofer.)

Wenn wir schon von der Matura reden: Ich glaube, ich kann davon ausgehen, dass die meisten, die da hingehen, gut vorbereitet sind und das gut machen werden. Ich habe in einer Zeitung gelesen: Aufgrund des neuen Systems gibt es jetzt einige, die ihre Matu­raarbeit schon nach einer halben Stunde wieder abgeben, weil sie das Zeugnis für das ganze Jahr vor Schlimmerem bewahrt – ich weiß nicht, ob das Sinn der Sache ist, Herr Unterrichtsminister, aber es ist halt so –; aber sie unterscheidet etwas von Ihnen, Herr Finanzminister.

Der Herr Finanzminister – den Sie zu meiner Linken sehen – nimmt gerade bei den ÖVP Open in Candy Crush teil und hat jetzt nicht unbedingt Zeit, dem Redner zuzuhören – aber das ist eh nichts Neues. (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.) Der Unterschied zwi­schen den Schülerinnen und Schülern und Ihnen, Herr Finanzminister, mit Ihrem Budget ist folgender: Sie sind erstens schlecht vorbereitet, Sie haben schlechte Vorarbeiten geleistet – und ob Sie jetzt da sitzen bleiben oder nach einer halben Stunde aufge­standen wären, dieses Budget bekommt sowieso ein Nicht genügend, sehr geehrter Herr Finanzminister! (Beifall bei der SPÖ.)

Wie gut ein Budget ist, ist eigentlich ganz einfach zu erschließen: Ein gutes Budget sorgt dafür, dass die Menschen gesund aus der Krise kommen. Es sorgt dafür, dass die Menschen nicht arbeitslos werden, dass sie keine Existenzängste haben. Es sorgt dafür, dass Künstlerinnen und Künstler nicht vor dem Nichts stehen. Es sorgt dafür, dass unser Sozialstaat erhalten bleibt. Wenn ich mir aber dieses Budget so anschaue – das, was man hier überhaupt davon zu sehen kriegt –, muss ich sagen: Es ist nichts davon drin­nen, und das ist wahrscheinlich der Grund, warum Sie sich nicht trauen, ein Budget, das irgendetwas aussagt, vorzulegen.

Es geht nicht darum, dass man es nicht kann; man kann selbstverständlich. Sie zeigen immer mit dem Finger nach Deutschland und meinen, die machen etwas schlechter. – Ein Budget bringen sie zustande. Da sieht man halt, wo die Profis und wo die Laien­darsteller sind, Herr Bundesfinanzminister! (Beifall bei der SPÖ.)

Diese Ausreden aber, die Sie da verwenden – bei denen Sie so halbherzig von Ihren Kollegen im Abgeordnetenhaus unterstützt werden (Abg. Gabriela Schwarz: Halbher­zig?!), die eh wissen, dass das alles nicht so ist, wie Sie sagen, und sich halt auch be­mühen, das zu verschleiern –, sind ja nicht nur ein Problem für uns und dieses Hohe Haus. Es ist ungehörig, dass kein Budget vorgelegt wird. Es ist ungehörig, dass Sie sich weigern, konkrete Zahlen bekannt zu geben. Es ist ungehörig, dass Sie alle zu täuschen versuchen. Was aber noch schlimmer ist, ist, dass Sie wissen (Zwischenruf der Abg. Maurer), dass das, was Sie tun, bei den Menschen nicht ankommt.

Auch deshalb haben Sie Scheu, Zahlen zu nennen, Herr Bundesfinanzminister! Sie wis­sen, dass von den Milliarden, die Sie per Pressekonferenz versprochen haben, nichts – überhaupt nichts! – bei den Menschen, die es brauchen, ankommt. Herr Klubobmann


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Wöginger sagt: Die Menschen müssen uns dankbar sein und Fahnen aufhängen! – Die Menschen ärgern sich inzwischen! Die Menschen ärgern sich, dass sie im Kreis ge­schickt werden, fleißige, brave Unternehmer werden beispielsweise eine weitere Woche im Kreis herumgeschickt, weil sie vergessen haben, ihr Geburtsdatum anzugeben. Das ist das Problem bei diesen Hilfen! Die, die sie brauchen, bekommen sie nicht! (Beifall bei der SPÖ.)

Da gibt es wiederum einen Unterschied zu unserem nördlichen Nachbarn, und dieser ist sehr aussagekräftig: In Deutschland bekommt in der Regel jeder 48 Stunden nach der Antragstellung die Hilfe, die er braucht. In Österreich dauert es schon einmal 48 Stun­den, bis man überhaupt diesen Antrag ausfüllen kann, weil er so kompliziert ist und von der Wirtschaftskammer nicht akzeptiert wird (Beifall bei der SPÖ), und das sind Dinge, mit denen Sie unser Land ruinieren. (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Kös­tinger.) – Ja, Frau Köstinger passt es nicht, die keppelt schon herein. Damit ruinieren Sie unser Land. (Zwischenruf der Abg. Gabriela Schwarz.)

Es gibt aber wie immer eine Ausnahme: Bei einem geht es besonders flott, und zwar beim Herrn Bundeskanzler. Während alle anderen um ihre Existenz bangen, während alle anderen anscheinend Monate brauchen, um irgendein Geld zu bekommen (Zwi­schenruf des Abg. Obernosterer), macht diese Regierung eiskalt eine Budgetänderung im Bereich der Repräsentationsausgaben – 2019 beim Bundeskanzler: 270 000 Euro, 2020: 1 200 000 Euro. – Das kann man sich wirklich sparen, und das ist etwas, das nie­mand versteht, geschätzte Damen und Herren! Das ist ein Skandal! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Leichtfried – auf dem Weg zu seinem Sitzplatz –: ... der Obernosterer ...! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

12.12


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Gerald Hauser. – Bitte.


12.12.28

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Regierungs­mitglieder! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen und vor allem auch Zuseher zu Hause! Ich möchte ein bisschen zurückblenden: 15. März. Da wurden die Betriebe gemäß Epi­demiegesetz geschlossen. Ich habe die Verordnung betreffend den Bezirk Lienz, Ost­tirol, von wo ich herkomme, mitgenommen. Die Bezirkshauptmannschaft hat dort, datiert mit 14. März, eine Verordnung mit folgendem Inhalt erlassen: „Alle Gastgewerbebetriebe zu touristischen Zwecken im Bezirk Lienz, insbesondere Gast- und Beherbergungsbe­triebe, Hotelbetriebe, Appartementhäuser, Restaurants, Cafés“ und so weiter „sind zu schließen“. – Das heißt, man hat den Betrieben mit dieser Verordnung, basierend auf dem Epidemiegesetz, die Geschäftsgrundlage entzogen; so weit, so gut.

Im Epidemiegesetz ist aber auch festgehalten, dass in diesem Falle die Betriebe zu ent­schädigen sind, dass sie einen vollen Entschädigungsanspruch haben, was bedeutet, dass es kein Bitten und auch kein Betteln beim Herrn Finanzminister gibt. Ich verweise auf die Vorredner von ÖVP und Grünen, die hier ans Rednerpult treten und sagen: Herr Finanzminister, ich verneige mich vor Ihnen, weil Sie so großherzig und so großzügig sind und uns mit so vielen Programmen unterstützen. – Das wäre, mit Verlaub, alles nicht notwendig gewesen. Das wäre viel einfacher gegangen, indem man einfach die Bestimmungen des Epidemiegesetzes umgesetzt, den Verdienstentgang ersetzt und den Antrag der Opposition am 15. März hier im Hohen Haus angenommen hätte, das Epidemiegesetz eben nicht auszusetzen. Sie haben das Gegenteil gemacht. Wieso haben Sie das Gegenteil gemacht?

Ich zitiere aus einem Kommentar der „Tiroler Tageszeitung“, mit Verlaub, wortwörtlich: „Erst verwehrt die Regierung den Wirten mit juristischen Winkelzügen die Entschädigung aus dem Epidemiegesetz, um sich dann als Retter der Gasthäuser zu präsentieren. Ein


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 88

Vorgehen, unter dem auch das Vertrauen in das Rechtssystem leidet.“ – Dem ist nichts hinzuzufügen.

Sie haben den Ball aufgenommen, weil Sie der große Retter sein wollen. Dann machen Sie den Job aber bitte richtig! Schauen Sie nicht zu, wie die Hilfsprogramme zu kurz geraten sind und wie sie nicht umgesetzt werden, agieren Sie vernünftig!

Ich komme jetzt zum Wirtshauspaket, und zwar mit konkreten Zahlen der Prodinger Tou­rismusberatung zu drei unterschiedlichen Beispielen. Ich nehme nur eines heraus: ein klassisches Wirtshaus in zentraler ländlicher Lage mit einem Jahresumsatz von 444 000 Euro. Der Anteil alkoholfreier Getränke liegt in diesem Fall konkret – das sind keine fiktiven Zahlen – bei 8,4 Prozent. (Abg. Obernosterer: 20 bis 30 Prozent!) Durch die Reduktion der Mehrwertsteuer auf alkoholfreie Getränke von 20 auf 10 Prozent ergibt sich eine Jahresersparnis von 1 400 Euro, sprich halbjährlich – es gilt ja nur bis zum 31.12. – von sage und schreibe 700 Euro. Wenn man noch die Umstellung mit hinein­nimmt, muss man sagen, dass unterm Strich wenig bis nichts übrig bleibt. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Obernosterer.)

Wer tatsächlich von diesem Paket profitiert (in Richtung Abg. Obernosterer), ist zum Bei­spiel McDonald’s. Der darf profitieren. Das ist eine McDonald’s-Förderung, aber keine Wirteförderung!

Deswegen darf ich heute und hier einen Entschließungsantrag einbringen, der weit über das Wirtepaket hinausgeht und der vor allem eines bewirken soll: Man muss die Wirte arbeiten lassen! Man muss sie tun lassen, was sie können, nämlich ausschenken, Essen verkaufen, bewirten, freundlich sein! Wenn sie das können, brauchen sie viel weniger Almosen.

Deshalb bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Echte Hilfe für die Gastronomie“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, im Sinne der heimischen Gastronomie umge­hend folgende Punkte umzusetzen [...]:

- Rücknahme aller Covid-19-Beschränkungen wie sofortige Aufhebung der Masken­pflicht und sofortige Beendigung aller Betretungsverbote

- Sperrstunde wie in der Vor-Corona-Zeit

- Erleichterungen bei Betriebsübergaben

- Erleichterungen bei Betriebsanlagengenehmigungen

- spürbare Senkung der Lohnnebenkosten

- Erleichterungen bei der Registrierkassapflicht

- Einfache und praxisnahe Neuregelung der sogenannten Aushilfen-Regelung

- Wahlfreiheit der Gastronomen hinsichtlich des Rauchverbots.“

*****

Dieses Paket entlastet die Tourismuswirtschaft und lässt vor allem die Unternehmer ar­beiten. Das können sie am besten. Ich bitte um Zustimmung. (Beifall bei der FPÖ.)

12.18

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 89

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerald Hauser

und weiterer Abgeordneter

betreffend Echte Hilfe für die Gastronomie

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 2: Bericht des Budgetausschusses über An­trag 537/A der Abgeordneten Gabriel Obernosterer, Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuer­gesetz 1988, das Umsatzsteuer 1994 und das Schaumweinsteuergesetz 1995 geändert werden (19. COVID-19-Gesetz) (184 d.B.) in der 32. Sitzung des Nationalrates am 26. Mai 2020

Mit dem 19. COVID-Gesetz werden einige wenige Maßnahmen gesetzt, die aus Sicht der Regierung die heimische Gastronomie unterstützen sollen wie die vorübergehende Halbierung des Steuersatzes auf offene alkoholfreie Getränke oder die vorübergehende Erhöhung der Absetzbarkeit von Aufwendungen oder Ausgaben für die werbewirksame Bewirtung von Geschäftsfreunden. Auch wenn die einzelnen Maßnahmen positiv zu sehen sind und teilweise seit Jahren gefordert werden wie beispielsweise die Streichung der Schaumweinsteuer, sind sie vom Inhalt und Umfang in keinster Weise geeignet bzw. ausreichend, um die coronabedingt schwer in die Krise geratene Gastronomie zu retten.

Die derzeitigen Vorschriften zur Öffnung der Gastronomie sind völlig willkürlich. Es gibt keinen vernünftigen Grund, warum die Lokale nur bis 23 Uhr offenhalten dürften und warum nur vier Personen pro Tisch zugelassen werden. Die Vorschriften, wer wann ei­nen Mund-Nasen-Schutz tragen muss, sind in keinster Weise nachvollziehbar.

In ihrem Statement in einer Pressekonferenz sagte Ministerin Köstinger: „Wir wissen jetzt nicht, wie dieses Wiederhochfahren funktionieren wird.“ Dass die Maßnahmen nicht funktionieren, zeigt die Realität. Einige Betriebe haben aufgrund der verordneten Be­schränkungen erst gar nicht aufgesperrt, andere haben nach den Erfahrungen in den ersten Tagen bereits wieder geschlossen.

Daher stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, im Sinne der heimischen Gastronomie umge­hend folgende Punkte umzusetzen und dem Nationalrat entsprechende Regierungsvor­lagen zuzuleiten:

•             Rücknahme aller Covid-19-Beschränkungen wie sofortige Aufhebung der Mas­kenpflicht und sofortige Beendigung aller Betretungsverbote

•             Sperrstunde wie in der Vor-Corona-Zeit

•             Erleichterungen bei Betriebsübergaben

•             Erleichterungen bei Betriebsanlagengenehmigungen

•             spürbare Senkung der Lohnnebenkosten

•             Erleichterungen bei der Registrierkassapflicht

•             Einfache und praxisnahe Neuregelung der sogenannten Aushilfen-Regelung

•             Wahlfreiheit der Gastronomen hinsichtlich des Rauchverbots.“

*****



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 90

Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher auch mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Andreas Hanger. – Bitte.


12.18.25

Abgeordneter Mag. Andreas Hanger (ÖVP): Frau Präsidentin! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Werte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Wir befinden uns in der Generaldebatte zum Bundesbudget 2020, und es ist mir persönlich wichtig, einmal einleitend festzuhalten, auf welchen Grundlagen wir diese Debatte führen. Wir debat­tieren hier auf der Grundlage einer in den letzten Jahren sehr erfolgreichen Budget- und Finanzpolitik. Es ist mir wichtig, das ausdrücklich zu betonen.

Wir hatten 2018 erstmals einen gesamtstaatlichen Überschuss, wir hatten 2019 dann auch in allen Gebietskörperschaften Überschüsse, und wir haben es geschafft, die re­lative Verschuldung von 85 Prozent wieder Richtung 70 Prozent zu bringen.

Wieso ist das wichtig? – Weil in Zeiten einer Coronakrise natürlich enorme Finanzierun­gen notwendig sind, damit wir die Wirtschaft wieder in Schwung bringen, und das können wir nur dann, wenn wir solide finanzpolitische Grundlagen haben. Das war schon in der Vorgängerregierung so – da muss ich Staatssekretär Fuchs anschauen –, und das ist ganz wichtig, weil wir unsere Schulden jetzt mit sehr günstigen Zinsen finanzieren können, kurzfristige Anleihen sogar mit einem Minuszinssatz. Die internationalen Fi­nanzmärkte vertrauen Österreich also. Das ist eine solide Grundlage, um diese Krise wirklich bewältigen zu können.

Dieser Rettungsschirm wurde in kürzester Zeit über die österreichische Volkswirtschaft gespannt, und das Krisenmanagement ist hervorragend, wie man anhand der Gesund­heitsdaten, in Kürze aber mit Sicherheit auch anhand der Wirtschaftsdaten sieht.

Wenn wir eine Budgetdebatte führen, dann müssen die Oppositionsparteien halt natür­lich Kritik üben. Ich bin aber sehr überrascht, dass diese Kritik wirklich zum Teil ganz, ganz substanzlos ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich bringe Ihnen drei Beispiele, machen wir es jetzt ganz konkret: Kollege Leichtfried hat gerade gesagt, die Deutschen haben das viel anders, viel besser gemacht, die haben einen Nachtragsvoranschlag eingebracht. Da hat Kollege Leichtfried noch recht: Am 23. März hat das Bundeskabinett in Deutschland einen neuen Nachtragsvoranschlag eingebracht. Herr Kollege Leichtfried, Herr Kollege Matznetter, wissen Sie, wie viel Ein­nahmenentfall die Deutschen budgetiert haben?– Herr Kollege Matznetter hat schon zu­gegeben (Zwischenruf des Abg. Leichtfried), dass er das nicht weiß, es sind nämlich 33 Milliarden Euro. Heruntergebrochen auf Österreich wären das 3 Milliarden Euro. (Zwi­schenrufe der Abgeordneten Leichtfried und Matznetter.) Ganz ehrlich: Diese Zahl ist genauso unrichtig wie jene, die derzeit auch im österreichischen Budget steht, weil die Zahlen ganz einfach nicht prognostizierbar sind. Ich würde Sie wirklich bitten, das zur Kenntnis zu nehmen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwi­schenrufe der Abgeordneten Matznetter und Kassegger.)

Noch ein anderes Argument habe ich mehrfach gehört: Das technische Update des Ös­terreichischen Stabilitätsprogramms wurde der EU-Kommission zur Verfügung gestellt, nicht aber dem österreichischen Parlament. – Ich frage mich ganz ehrlich, liebe SPÖ, liebe NEOS, liebe FPÖ: Wo waren Sie im Budgetausschuss? – Natürlich wurde dieser Bericht auch dem Budgetausschuss übermittelt, und die Zahlen, die dort genannt worden sind, waren ganz klar ersichtlich; diese dann auf 35 000 Konten herunterzubrechen macht technisch-administrativ ganz einfach keinen Sinn. Das jetzt vorgelegte Budget ist daher die richtige Vorgangsweise.

Noch zu einem dritten Vorwurf, der mangelnden parlamentarischen Kontrolle: Punkt eins: Es gibt einen Monatsbericht an den Budgetausschuss mit detaillierten Daten, wie


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 91

die Coronahilfsgelder ausgegeben werden (Abg. Kassegger: Nicht detailliert!), und die Opposition ist herzlich eingeladen, jede einzelne Zahl zu hinterfragen. Der Rechnungs­hof hat die Möglichkeit, all diese Maßnahmen zu prüfen. Davon zu sprechen, dass es keine Kontrolle gibt, ist sehr – ich würde nicht sagen: lachhaft – abwegig. (Zwischenruf des Abg. Vogl.)

In diesem Sinne: Die Vorgangsweise ist eine gute. Wir bringen Österreich mit Sicherheit mit einem gesunden Optimismus wieder auf einen guten Weg, und da wäre natürlich auch ein Schulterschluss im Parlament sehr gefordert. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Leichtfried: Das war jetzt eher eine wirre Rede!)

12.22


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hannes Amesbauer. – Bitte.


12.22.22

Abgeordneter Mag. Hannes Amesbauer, BA (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren der Bundesregierung! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn man die Wortspenden einiger Vertreter der ÖVP und ihrer grünen Steigbügelhalter im Zuge der bisherigen Debatte verfolgt hat, könnte man meinen, sie sind weltfremd, sie sprechen von einem anderen Planeten, aber nicht von der Erde und nicht von der Si­tuation hier in Österreich.

Kollege Hanger von der ÖVP hat gerade das hervorragende Krisenmanagement der Bundesregierung gelobt. – Ja bitte, das ist ja eine Verhöhnung der Betroffenen! Was ist da hervorragend? Wo ist das Krisenmanagement? Wie schaut es mit der Wirtschafts­krise aus? Wie schaut es mit der sozialen Krise aus? (Zwischenruf der Abg. Gabriela Schwarz.) Wie schaut es mit der Existenzkrise vieler Menschen aus? (Zwischenruf bei der ÖVP.) – Wenn Sie das hier zum Besten geben, sich herstellen und sagen: Das ist ein hervorragendes Krisenmanagement, wir haben alles im Griff, alles wird gut und alles ist gut!, dann sage ich, meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist eine Verhöhnung jener zigtausend Menschen, die unter Ihren unverantwortlichen Maßnahmen zu leiden haben. Das ist die Wahrheit! (Beifall bei der FPÖ.)

Meine Damen und Herren, wenn das alles so großartig ist und wenn es heißt: „Koste es, was es wolle“, wir helfen jedem Betroffenen!, wieso hört man dann nie etwas davon, dass das Geld ankommt? – Ich höre immer nur von Wirten, von Unternehmern, von kleinen Betrieben, dass schon das Ausfüllen der Anträge ein riesengroßes Problem ist und dass dann aus irgendwelchen Gründen kein Geld fließt. Ich habe noch von keinem einzigen Unternehmer gehört, dass von diesen Dingen, diesem Katastrophenfonds und diesen ganzen Hilfspaketen, die Sie ständig ankündigen, etwas ankommt. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Bei jeder Pressekonferenz schmeißen Sie verbal mit den Milliarden um sich, aber diese Milliarden kommen bei den Menschen nicht an. Das ist Unwissenheit, das ist eine bewusste Falschinformation von Ihnen. Sie wissen ganz genau, dass das nicht funktioniert.

Wenn Sie den Gastronomen und auch vielen anderen Branchen helfen wollen, dann hören Sie einmal mit Ihrer Symbolpolitik auf! Beenden Sie den verpflichtenden Gesichts­fetzen, das bringt ja wirklich nichts! Schauen Sie sich an, wie das die Konjunktur belebt! Das Einkaufen, wenn man Gewand kaufen geht, wenn man in ein Bekleidungsgeschäft geht und einen Anzug, einen Pullover oder irgendetwas probiert und dann mit dieser Maske vor dem Spiegel steht, ist zum Beispiel eine ganz tolle Sache. Das ist auch in der Gastronomie eine ganz tolle Sache. Ich möchte meinem Wirt ins Gesicht schauen, wenn ich bei ihm ein Bier bestelle. So schaut es zumindest bei uns am Land aus, meine sehr geehrten Damen und Herren!


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 92

Auch die 23-Uhr-Sperrstunde gehört weg, das ist willkürlich. Das Plexiglas wird auch nicht wirklich viel bringen. Die 23-Uhr-Sperrstunde ist umsatzschädigend, sie ist wirt­schaftsschädigend und irrational. Bis 23 Uhr kann man im Gasthaus sitzen, und um 23.01 Uhr ist die Virenbedrohung größer. – Das glaubt Ihnen ja kein Mensch mehr! Das funktioniert ja so nicht, meine Damen und Herren! (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Jetzt gab es diese Situation mit dem Herrn Bundespräsidenten, der ja die Sperrstunde weit überzogen hat. Dazu hört man nur Beschwichtigungen. Ich sage Ihnen ehrlich, ich empfinde es nicht als große Tragik, was der Herr Bundespräsident gemacht hat, weil ich, wie gesagt, diese 23-Uhr-Sperrstunde für einen Schwachsinn halte, aber diese Ver­ordnung gilt für alle, und das darf dann auch nicht kleingeredet werden. Alle rücken aber zur Verteidigung aus.

Die gleiche Situation gab es übrigens bei Sebastian Kurz’ Besuch im Kleinwalsertal, da wurde ja die Bevölkerung sogar zuvor aufgefordert, die Häuser zu beflaggen und Hul­digungen für den großen Erlöser stattfinden zu lassen. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Das ist ja eine offizielle Aufforderung der Gemeinde vor Ort gewesen, das wissen Sie ganz genau. Schuld waren alle anderen: Die Journalisten dort, die Menschen waren schuld. Im Gegensatz zu Herrn Kurz hat sich der Herr Bundespräsident zumindest entschuldigt. Das schaffte Herr Kurz nicht. (Beifall bei der FPÖ.)

Abschließend ein kleiner Vergleich, um zu verdeutlichen, wie hier mit zweierlei Maß ge­messen wird: In der Steiermark hat es zu Beginn der Maßnahmen einen Vorfall mit einem Landtagsabgeordneten der Freiheitlichen Partei gegeben, mit einem jungen Landtags­abgeordneten, der nichts anderes gemacht hat, als sich in einem Vereinsheim zu einer Besprechung mit drei weiteren Funktionären zu treffen. Diese haben dabei ein Bier ge­trunken. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Ja, das war dann der große Lebensgefährder, das war der große Skandal, da gab es auch vonseiten der ÖVP Rücktrittsforderungen. Er musste es sich gefallen lassen, in Zeitungen mehrfach als Idiot und Depp bezeichnet zu werden. Da wurde eine Hetzkampagne gegen einen jungen Menschen losgetreten, der einen Fehler gemacht hat, der sich entschuldigt hat, was aber nicht zur Kenntnis genommen wurde. Es wird heute noch gegen ihn gehetzt, weil er sich erlaubt, noch im Gemeinderat zu sitzen und auch wieder zu kandidieren. (Zwischenruf der Abg. Belako­witsch. – Zwischenrufe bei der ÖVP.) Wenn aber Herr Sebastian Kurz gegen alle Verordnungen und Maßnahmen verstößt, wenn es der Herr Bundespräsident macht, ist es egal. Mit dem Finger gezeigt wird nur auf die Freiheitlichen, und das ist schäbig, meine Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

Ändern Sie Ihren Kurs! Hören Sie mit dieser Maskerade, mit dieser Symbol- und Angst­politik auf! Lassen Sie endlich die Wirtschaft wieder leben, und Sie, Herr Finanzminister, sorgen Sie für ein ordentliches Budget! Mehr kann ich zu Ihrem Budget nicht sagen, weil alle hier im Raum wissen, dass es das Papier nicht wert ist, dass es für den Mistkübel ist – das haben Sie selbst gesagt – und dass es nicht halten wird. Bitte ändern Sie endlich Ihren Kurs! (Beifall bei der FPÖ.)

12.27


Präsidentin Doris Bures: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abge­ordneter Christoph Matznetter zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.


12.28.00

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Kollege Hanger hat behauptet, wir wüssten alle nicht, dass Deutschland das Budget nur um 33 Milliarden Euro geändert hat. – Das ist falsch.

Ich berichtige tatsächlich: Bereits am 21. März 2020 stand im „Kurier“ – von dort haben Sie es her –, dass Deutschland das Budget um 150 Milliarden Euro ändert. Es handelt sich um eine Verwechslung des Kollegen Hanger. Er hat den Einnahmenentfall zu Be­ginn des Lockdowns – der war da nämlich – mit der Budgetänderung verwechselt. Das


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 93

macht aber nichts, service is our success. Sie machen es besser als Sie. – Danke. (Bei­fall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS. – Abg. Wöginger: Sozialistische In­ternationale funktioniert noch!)

12.28


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Axel Kassegger. – Bitte.


12.28.47

Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Im Übrigen eine Ergänzung zu Kollegen Matznetter: Die Deutschen haben im Gegensatz zu uns ihr ordentliches Budget für 2020 schon im Oktober 2019 beschlossen. All das, was sie jetzt machen, ist State of the Art: Man macht es selbstverständlich mit Nachtragsbudgets auf Grundlage entsprechender Lageänderungen. (Abg. Wöginger: Ibiza-Nationalratswahl, nicht?) – Wir können darü­ber jetzt diskutieren, Faktum ist, dass wir nach wie vor kein Budget haben. (Zwischenruf des Abg. Vogl.) Was 180 Abgeordnete heute diskutieren müssen beziehungsweise die ganze vorige Woche diskutieren mussten, dazu muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen, ich bin jetzt auch schon eine bestimmte Zeit – sieben Jahre – im Parlament, aber so etwas ist mir in dieser Dimension der Sinnlosigkeit wie das, was wir in der letzten Woche ge­macht haben und in dieser Woche machen werden, noch nicht passiert.

Wir werden ein Budget beschließen, von dem Sie selbst sagen, dass Sie es bereits in den Mistkübel geschmissen haben, von dem auch Ministerkollegen sagen, dass wir über Zahlen von Februar sprechen. Sie sagen: Die Zahlen sind falsch, das wissen wir, aber wir sagen euch keine aktuellen Zahlen. – Selbstverständlich gibt es die aktuellen Zah­len – wir können uns an den Budgetausschuss erinnern –, sie werden jedoch einfach nicht mitgeteilt und dem Parlament nicht gesagt. (Zwischenruf des Abg. Wöginger.) Das ist schon eine Missachtung des Parlaments.

Im Übrigen ist meines Erachtens des Pudels Kern in der ganzen Geschichte die Er­mächtigung zur Überschreitung um 28 Milliarden Euro, die man sich im Bundesfinanz­rahmengesetz genehmigen lässt. Die Freiheitlichen stimmen dagegen, weil uns das zu wenig an Information war, was damit passiert.

Des Pudels Kern ist die Cofag mit 15 Milliarden Euro. Wir reden beim Budget teilweise über Detailpositionen, runtergebrochen bis 100 000 Euro, was auch gut so ist. Das wird diskutiert. Selbstverständlich ist es so, dass dann letztlich die Mehrheit entscheidet. Das ist auch gut so. Im Rahmen des parlamentarischen Prozesses wird sich da von den Nationalratsabgeordneten aller Fraktionen sehr viel Mühe gegeben und es werden die einzelnen Positionen hinsichtlich Sinnhaftigkeit durchdiskutiert. Wie gesagt, das geht teilweise runter bis zu 100 000 Euro, und jetzt haben wir 15 Milliarden Euro zur freien Vergabe in der Cofag. 15 Milliarden, 15 000 Millionen Euro! Das ist ein bissi mehr als die 300 Millionen Euro, von denen wir heute reden, die frisches Geld sein sollen. Ich schaue jetzt den ehemaligen Infrastrukturminister Norbert Hofer an, und mir ist neu, dass das frisches Geld ist. Das sind Programme, die unter seiner Ministerschaft schon längst und in größerem Ausmaß angegangen wurden, die Städtemilliarde et cetera.

Wir reden von 15 000 Millionen Euro Cofag-Mitteln! Eine Gesellschaft mit zwei Vorstän­den, einem Schwarzen und einem Grünen, vergibt das teilweise. – Was heißt teilwei­se? – Nach der Geschäftsordnung sind es bis zu 10 Millionen Euro im Einzelauftrag. Und jetzt sagen Sie: Ja, da gibt es dann die detaillierten Berichte. – Den Detaillie­rungsgrad schaue ich mir dann an. Wenn die so detailliert sind wie die Berichte zum Thema Kurzarbeit, nämlich eine Zeile lang – 10 000 Unternehmen haben das bean­tragt –, dann ist das nicht der Detaillierungsgrad, den wir gerne hätten, und das ist un­sere Befürchtung. Ich glaube, dass die Befürchtung durchaus zu Recht besteht. Kom­men Sie mir jetzt bitte nicht mit dem Aufsichtsrat und dem Rechnungshof und dem Beirat!


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Der Beirat hat überhaupt keine Kompetenzen und ist nach guter, alter Tradition besetzt. (Zwischenruf der Abg. Steinacker.) Da sitzen mehr Kämmerer drinnen als Opposi­tionsabgeordnete, es gibt nämlich fünf Sitze für die Kammern und drei gestehen Sie der Opposition zu. Das Absurde daran ist – Kollege Scherak lächelt schon – das suspensive Vetorecht, also so à la Bundesrat: Man kann etwas verschieben, allerdings nur dann, wenn vier Beiratsmitglieder das beantragen. Meinen Sie das ernst, dass das eine Al­ternative ist? Deswegen lehnen wir das völlig ab! Ganz wichtig ist jetzt – und dazu wird die Nagelprobe am Donnerstag kommen – der Cofag-Unterausschuss des Parlaments. (Zwischenruf des Abg. Wöginger.) – Na ja, die Junktimierung ist eben nicht in Ordnung, Herr Kollege Wöginger. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Wöginger.) Natürlich junk­timieren Sie das, weil Sie eine Ausrede haben wollen, um den Unterausschuss nicht zu machen. Ich sage Ihnen eines: Wir sind nicht bereit, und zwar absolut nicht bereit, 15 Mil­liarden Euro im Rahmen der Cofag ohne parlamentarische Kontrolle vergeben zu lassen.

Wen betrifft es denn? – Die Cofag ist für größere Unternehmen gemacht, die werden also wahrscheinlich nicht zurückgelassen werden. Nicht mit uns! Das ist das Mindeste, was eingerichtet werden muss, und das ist für Sie die Nagelprobe, ob Sie es wirklich ernst meinen, und dann können wir im Cofag-Unterausschuss parlamentarisch weiter­reden, und das nicht beschränkt durch irgendwelche Verweise auf Bankgeheimnisse et cetera, sondern parlamentarisch unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Jeder Abgeordnete sollte da Zugang zu ausreichender Information haben. Ich bin schon sehr gespannt da­rauf, was da am Donnerstag passieren wird. Es ist ja im Geschäftsordnungsausschuss auf der Tagesordnung. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

12.34


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Herr Abgeordneter Andreas Ottenschläger. – Bitte.


12.34.30

Abgeordneter Andreas Ottenschläger (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Werte Kolleginnen und Kol­legen hier im Hohen Haus! Vor allem aber auch sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Ich kann gleich auf meinen Vorredner replizieren. Das ist natürlich schon sehr interes­sant: Auf der einen Seite sagen Sie den ganzen Vormittag über, dass die Hilfen zu bü­rokratisch sind und es dieses Formularunwesen gibt, und auf der anderen Seite stellen Sie sich jetzt gerade her und sagen: Wir wollen aber alles überprüfen. (Abg. Kassegger: Sie haben es nicht verstanden oder Sie wollen es nicht verstehen!) Jetzt frage ich Sie ernsthaft: Wie sollen Sie etwas ohne eine entsprechende Dokumentation überprüfen? (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Das heißt, der Finanzminister hat auch die Funktion – und ich habe das an dieser Stelle das letzte Mal auch schon gesagt – als Treuhänder für alle Steuerzahlerinnen und Steu­erzahler. Auch in einer Situation wie dieser muss er gewährleisten, dass eben auch durch gewisse bürokratische Maßnahmen entsprechend für die Dokumentation Sorge getragen wird, dass diejenigen, die die Hilfe wirklich brauchen, sie auch bekommen und dass eben kein Missbrauch entsteht. (Zwischenruf des Abg. Kassegger.) Deswegen gibt es auch diese Auflagen, und da sollten die Zuseherinnen und Zuseher auch wissen: Sie messen hier mit zweierlei Maß! Sie sagen auf der einen Seite: Es ist zu viel Büro­kratie!, Sie stellen sich aber gleichzeitig her und sagen: Wir werden genau schauen, wer welches Geld bekommen hat und warum. (Abg. Kassegger: Aber nicht wegen 500 Eu­ro!) Und ich wiederhole: Wie soll man das als Parlament überprüfen, wenn es keine entsprechende Dokumentation dafür gibt?

Jetzt zur SPÖ: Ich muss wirklich sagen, Sie glauben hoffentlich selber nicht, dass Ihnen die Kritik irgendwer von den Unternehmerinnen und Unternehmern abnimmt. (Abg.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 95

Matznetter: Das läuft sehr gut!) Ich sage Ihnen auch, warum: Sie haben in der Ver­gangenheit über viele Jahrzehnte hinweg bewiesen, dass Sie im Zweifelsfall den Un­ternehmern lieber Steine in den Weg legen als sie zu entlasten. (Beifall bei der ÖVP.) Sich jetzt herzustellen und zu glauben, die Speerspitze für die Unternehmerinnen und Unternehmer in diesem Land sein zu können, ist mehr als unglaubwürdig. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.) Mir würden dazu noch andere Worte einfallen.

Eines ist auch sehr interessant: In der gesamten Debatte zum Thema Budget über den ganzen Vormittag hinweg ist eine Kritik an der Vorgangsweise, die eben auch der jet­zigen Situation geschuldet ist, die eine Situation der Unsicherheit ist, sodass gewisse Zahlen einfach nicht prognostizierbar sind, durchaus legitim und man kann darüber de­battieren. Eines war jetzt aber schon interessant: Es hat eigentlich kaum jemanden von den Oppositionsabgeordneten gegeben, der das Budget in seinen Schwerpunkten kri­tisiert hätte. (Abg. Wöginger: Ja, genau!) Das würde die Interpretation zulassen, dass es eigentlich ein sehr gutes Budget ist! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Wöginger: Ja, das ist so!)

12.37


Präsidentin Doris Bures: Mir liegt jetzt noch eine Wortmeldung von Herrn Abgeordne­ten Jörg Leichtfried vor. – Bitte. (Oje-Rufe bei der ÖVP. – Rufe bei der ÖVP: Nein!)


12.38.11

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Kolleginnen und Kollegen! Ja, auch wenn es Herr Kollege Otten­schläger nicht zur Kenntnis nehmen möchte: In unseren Wahlkreisen werden wir massiv von Kleinunternehmern, Einpersonenunternehmen, selbstverständlich auch von Arbeit­nehmerinnen und Arbeitnehmern angesprochen. Wäre ich jetzt bei der Österreichischen Volkspartei mit diesem Selbstverständnis, das Herr Ottenschläger relativ präpotent von sich gegeben hat (Widerspruch bei der ÖVP), dann würde ich mir ernsthaft Sorgen ma­chen, wenn jetzt schon die Unternehmerinnen und Unternehmer zur Sozialdemokrati­schen Partei kommen und sich über die Österreichische Volkspartei beschweren! (Abg. Matznetter: Sogar von der Wirtschaftskammer!) Das ist nämlich die Situation! (Beifall bei der SPÖ. – Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)

12.39

12.39.18


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu jetzt niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Ich frage die Berichterstattung, ob sie ein Schlusswort möchte. – Das ist nicht der Fall.

Bevor wir in den Abstimmungsvorgang eingehen, frage ich die Klubobleute, ob eine Sit­zungsunterbrechung gewünscht wird oder ob wir die Abstimmung durchführen können. – Es wird keine Sitzungsunterbrechung gewünscht. Damit kommen wir sogleich zur Ab­stimmung.

Zunächst gelangen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 1: Entwurf betref­fend Budgetbegleitgesetz 2020 in 175 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Obernosterer, Jakob Schwarz, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Weiters liegt ein Verlangen auf getrennte Abstimmung vor.

Ich werde daher zunächst über die vom erwähnten Abänderungsantrag sowie vom Ver­langen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Obernosterer, Jakob Schwarz, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag betreffend eine Titeländerung sowie Änderungen in den Artikeln 1 und 2 eingebracht.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 96

Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

Die Abgeordneten Obernosterer, Jakob Schwarz, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag betreffend Änderungen in Artikel 6 eingebracht.

Wer sich hiefür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

Wir gelangen nun zur getrennten Abstimmung über die restlichen, noch nicht abge­stimmten Teile des Artikels 6 in der Fassung des Ausschussberichtes.

Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist ein­stimmig so angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

Ich komme sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben, um ein Zeichen. – Der Gesetzentwurf ist somit in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.

Damit gelangen wir nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Pamela Rendi-Wagner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Österreich braucht das größte Investitions- und Beschäftigungspaket in der Geschichte der zweiten Republik“.

Wer spricht sich für diesen Entschließungsantrag aus? – Das ist die Minderheit, ab­gelehnt.

Damit gelangen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 2: Entwurf betreffend 19. COVID-19-Gesetz samt Titel und Eingang in 184 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich für den Gesetzentwurf aussprechen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Wer in dritter Lesung seine Zustimmung gibt, den ersuche ich um ein Zeichen. – Der Gesetzentwurf ist somit in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten An­gerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Österreich-Gutschein“.

Wer sich für diesen Entschließungsantrag ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Hauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Echte Hilfe für die Gastronomie“.

Wer für diesen Entschließungsantrag ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Damit kommen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 3: Entwurf betreffend 21. COVID-19-Gesetz samt Titel und Eingang in 185 der Beilagen.

Wer sich für diesen Gesetzentwurf ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen der Zustim­mung. – Der Gesetzentwurf ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Wer in dritter Lesung dafür ist, den bitte ich ebenfalls um ein Zeichen der Zustimmung. – Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.


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Nun gelangen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 4: Entwurf betreffend 2. Finanz-Organisationsreformgesetz in 173 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Obernosterer, Götze, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde daher zunächst über den vom erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abände­rungsantrag betroffenen Teil und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimm­ten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Obernosterer, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatz- bezie­hungsweise Abänderungsantrag betreffend Artikel 20 eingebracht.

Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit so ange­nommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussbe­richtes.

Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen der Bejahung. – Das ist mit Mehr­heit so angenommen.

Ich komme sogleich zur dritten Lesung.

Wer dem auch in dritter Lesung seine Zustimmung gibt, den ersuche ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 5, die dem Aus­schussbericht 174 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend „Transpa­renz im Budget“.

Wer sich hiefür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist ein­stimmig angenommen. (36/E)

12.45.466. Punkt

Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (56 und Zu 56 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzrahmengesetz 2020 bis 2023 erlassen wird – BFRG 2020-2023 (182 d.B.)

7. Punkt

Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (55 d.B.): Bundesge­setz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2020 (Bundesfi­nanzgesetz 2020 – BFG 2020) samt Anlagen (183 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Nun kommen wir zu den Punkten 6 und 7 der Tagesordnung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

UG 01: Präsidentschaftskanzlei

UG 02: Bundesgesetzgebung

UG 03: Verfassungsgerichtshof

UG 04: Verwaltungsgerichtshof

UG 05: Volksanwaltschaft

UG 06: Rechnungshof

UG 10: Bundeskanzleramt

UG 17: Öffentlicher Dienst und Sport



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 98

Präsidentin Doris Bures: Als Erster gelangt Herr Abgeordneter Thomas Drozda zu Wort. – Bitte.


12.46.28

Abgeordneter Mag. Thomas Drozda (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Sehr geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer rasch hilft, hilft doppelt. – Dieses grundsätzlich richtige Bekenntnis hat die Bundesre­gierung wieder und wieder formuliert. Letztlich findet das nur leider so nicht statt.

Sie behaupten das bei den EPUs, bei den KMUs, bei der Kurzarbeit, bei den Künst­lerinnen, bei den Künstlern. Sie behaupten es auch bei der Presse- und Medienför­derung, und das ist ein Thema, auf das ich mich jetzt konzentrieren möchte.

Wir von der SPÖ bekennen uns dazu, dass in dieser Krise auch Medien geholfen werden muss, weil diese Zeit auch für Medien eine ökonomisch besonders herausfordernde ist. Das trifft auf elektronische Medien, seien es kommerzielle oder nichtkommerzielle, ge­nauso zu wie auf konventionelle Printmedien oder digitale Medien. Sinnvoll wäre es je­denfalls, Leistungen publizistischer Medien mit gut ausgestatteten Redaktionen und Mit­arbeiterInnen mit Kollektivverträgen zu unterstützen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn wir uns aber die Details dieser Medienförderung ansehen, dann stellen wir fest, dass einige vollständig durch die Finger schauen, obwohl in Summe 32 Millionen Euro an österreichische Medienbetriebe zusätzlich ausgeschüttet werden. Da momentan eine Zeit ist, die jede Macht im Staat braucht, gerade und besonders auch die vierte, die kontrollierende, ist es richtig, jetzt kritische Medien zu unterstützen. Die konkrete Aus­formung allerdings macht deutlich: Medien wollen sie schon, allzu kritisch sollen sie aber nicht sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Wie wäre es sonst zu erklären, dass – und das sind Zahlen, die man sich wirklich auf der Zunge zergehen lassen muss – die Raiffeisen-Zeitungen mehr Geld als das „Profil“ bekommen, oder dass sechs Kirchenzeitungen, quer durch die Bundesländer, in Summe knapp 650 000 Euro bekommen? Weniger Geld als diese sechs Kirchenzeitungen be­kommen zusammen: der „Kurier“, die „Tiroler Tageszeitung“, die „Salzburger Nachrich­ten“, „Der Standard“, die „Vorarlberger Nachrichten“, „Falter“, „Profil“ und „News“. Sie alle bekommen zusammen weniger als diese sechs Kirchenzeitungen im Land.

Nikolaus Forgó, Andy Kaltenbrunner und Daniela Kraus haben im „Addendum“ festge­stellt, dass die Coronasonderförderung in Österreich gerade solche Medien bestraft, die in letzter Zeit auf Innovation und Digitalisierung gesetzt haben. Wo ist die Unterstützung der Onlinemedien? Diese hat man einfach unberücksichtigt gelassen und stattdessen einmal mehr beschlossen, das Bedrucken von Papier zu unterstützen. Erst in einer Nacht- und Nebelaktion wurden übrigens Wochenzeitungen und Magazine in der Förde­rung berücksichtigt.

Das ist also der mediale Schwerpunkt, den diese Regierung setzt. Das mag für die ÖVP noch verständlich sein. Dass die Grünen diesen Weg mitgehen und verteidigen, werden sie zu erklären versuchen. Es wird wohl beim Versuch bleiben.

Ich gestehe Ihnen zu, dass ein Notprogramm nicht der längst fällige neue Entwurf einer zeitgemäßen Medienförderung ist und sein kann, aber was Sie da geliefert haben, kann man nur mit einer Formel aus dem Tasso beschreiben: Man merkt die Absicht, und man ist verstimmt. (Beifall bei der SPÖ.)

12.50


Präsidentin Doris Bures: Ich begrüße auch die drei Volksanwälte und die Präsidentin des Rechnungshofes sehr herzlich. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen.)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wolfgang Gerstl. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 99

12.51.15

Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin, vielen Dank für die Einleitung am Beginn der Debatte, denn ich glaube, dass es für die Zu­seherinnen und Zuseher sehr, sehr wichtig ist, dass wir das auch erklären. Es fand zuvor diese Allgemeindebatte statt, bei der man sehr allgemein die Kritik der Opposition gehört hat und gemeint wurde, es sei ein Fakebudget. Jetzt geht es genau um das konkrete Budget, nämlich das für die einzelnen Ressorts: Wie viel Geld bekommt das Parlament? Wie viel Geld bekommt das Bundeskanzleramt? Wie viel Geld bekommt die Volksan­waltschaft et cetera? (Abg. Vogl: Und um die Frage, wofür!) Ich glaube, meine sehr geehrten Damen und Herren, es zeigt sich somit sofort, schon alleine aufgrund der Struk­tur der Diskussion, dass dieser Vorwurf der Opposition, es handle sich um ein Fakebud­get, einfach ins Leere geht. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte mich in meiner Rede auf zwei Organe besonders konzentrieren. Das eine ist das Parlament als oberstes Organ, und das andere ist das Bundeskanzleramt.

Meine Damen und Herren, beim Parlament geht es darum: Wie viel Geld investieren wir in die Demokratie? Ich möchte dazu einen Spruch von Herrn Benjamin Franklin zitieren: Eine Investition in Bildung bringt immer noch die besten Zinsen. – Diese Bildung ist für mich in der Politik die Demokratie. Die Demokratie muss weiterentwickelt werden, und die Demokratie muss ausgebaut werden.

Wer, wenn nicht unser Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, ist da der Berufenste? Er als Historiker ist derjenige, der weiß, wie wichtig Demokratie für den Zusammenhalt in der Gesellschaft ist (Zwischenrufe der Abgeordneten Vogl und Loacker), und daher hat er das Parlament auch durch eine externe Firma durchleuchten lassen und hat damit das Parlament auch neu aufgestellt. Er hat eine Einheit geschaffen, die Demokratikum heißt. (Zwischenrufe der Abgeordneten Bernhard und Vogl.)

Mit diesem Demokratikum setzt er auf etwas auf, das eine Vorgängerin von ihm, nämlich Frau Parlamentspräsidentin Prammer, schon gemacht hat. Damit zeigt er auch, dass es uns nicht darum geht, uns von anderen zu unterscheiden, sondern es geht darum, dass das, was gut ist, auch weitergeführt wird.

Das, was Frau Prammer wirklich als ihr Vermächtnis zurückgelassen hat, ist die Demo­kratiewerkstatt für die Schülerinnen und Schüler. Für die Lehrlinge hat das Frau Präsi­dentin Bures ausgebaut, und Parlamentspräsident Wolfgang Sobotka baut es nun für alle Gesellschaftsschichten weiter aus, egal ob jung oder alt, vom Schüler bis zum Uni­versitätsabsolventen, für alle Gesellschaftsschichten, nicht nur in Wien, sondern in allen Bundesländern, weil das Parlament für alle da ist, meine Damen und Herren. (Zwischen­ruf des Abg. Vogl.) Das ist ein wichtiger Schritt, den wir in diesem Jahr und in den nächs­ten Jahren setzen, und das wird mit diesem Budget nun ermöglicht.

Der zweite Punkt, auf den ich nun gerne eingehen möchte, ist das Bundeskanzleramt. Ich möchte gerne eine Diskussion, die wir im Budgetausschuss zu diesem Thema hat­ten, hier nochmals aufgreifen. Die Sozialdemokraten haben den Herrn Bundeskanzler gefragt, wie es denn nun mit seinem Personal in der Kommunikation ausschaue. Der Herr Bundeskanzler hat damit die Möglichkeit bekommen, zu zeigen, wie der Bundes­pressedienst – das ist die Zusammenfassung aller Organe, die für die Öffentlichkeits­arbeit im Bundeskanzleramt zuständig sind – aufgebaut war.

2007 wurde dieser Bundespressedienst von Bundeskanzler Gusenbauer ins Leben ge­rufen. Er hat damals knapp über 50 Mitarbeiter eingestellt. Dann wurde dieser Bundes­pressedienst weiter ausgebaut, und zwar unter Kanzler Faymann auf 65 Mitarbeiter, und unter Kanzler Kern wurde bereits auf 101 Mitarbeiter aufgestockt.

Meine Damen und Herren! Was hat Kanzler Kurz gemacht? – Er hat als Erstes gesagt: Nein, wir müssen die Aufgaben auch sachlichen Punkten zuführen. Er hat den Bundes­pressedienst als solchen aufgelöst, und er hat es auch, obwohl es sehr schwer ist, dass


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 100

man Beamte wieder entfernt, geschafft, dass man die Anzahl der Mitarbeiter im Bun­despressedienst wieder reduziert. Nunmehr gibt es nur mehr 98 Mitarbeiter. Er zeigt da­mit, dass es ihm wichtig ist, dass man nicht nur über schlanke Strukturen redet, sondern dass man selbst Vorbild ist.

In dieser Form ist das ein Budget – in der Ausgabenstruktur schlank und effizient –, mit dem wir die Mittel dorthin bringen, wo sie wirklich notwendig sind. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

12.56


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christian Lausch. – Bitte.


12.56.15

Abgeordneter Christian Lausch (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Vizekanzler! Geschätz­te Volksanwälte! Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Geschätzte Mitglieder der Bun­desregierung! Wir haben heute schon sehr viel Kritik am Budget gehört und über uns ergehen lassen müssen. Es wurden viele Ausdrücke verwendet bezüglich falscher Zahlen, die Zahlen seien das Papier nicht wert und so weiter und so fort, aber das Wort „Fakebudget“, Kollege Gerstl, von einem Abgeordneten der ÖVP zu hören, ist uns neu. Es ist aber vielleicht auch ein bisschen bezeichnend dafür, dass auch die ÖVP einsieht, dass diese Zahlen so nicht stimmen. Es freut mich natürlich auch, dass Kollege Gerstl das Wort „Fakebudget“ in den Mund nimmt.

Man hat gehört, dass die Republik in den vergangenen Wochen sehr gut durch die Co­ronakrise hindurchgeschifft wurde und viele Berufsgruppen hervorragende Arbeit ge­leistet haben. Das ist im Gesundheitswesen so, das ist im Handel so. Da sind sehr viele kleine Betriebe, die offengehalten haben, obwohl da natürlich auch die Angst vor einer Ansteckung vorgeherrscht hat. Natürlich gehen aber auch ein großes Lob und ein großer Dank an die über 150 000 öffentlich Bediensteten in diesem Land.

Wenn man sich das Budget anschaut und sagt, da sind die Zahlen eh das Papier nicht wert, dann ist das natürlich vollkommen in Ordnung, und das ist auch richtig so. Ich bin schon etwas enttäuscht, aber auch verwundert, wie man Berufsgruppen wie dem öf­fentlichen Dienst – da müsste man nicht einmal klatschen, da müsste man auch nicht um 18 Uhr singen und die vielen Danksagungen äußern, die man gehört hat – im Rah­men dieses Budgets dankt.

Das ist hervorragend, das ist wirklich hervorragend, denn wenn man sich das Budget anschaut, dann sieht man, dass da Rücklagen aufgelöst werden, und somit erhöht sich das Budget der Präsidentschaftskanzlei um 0,23 Millionen Euro.

Das Bundeskanzleramt gönnt sich 50 Planstellen mehr. Man sieht also schon deutlich, wie die Bundesregierung da im Einsatz ist. Da wird nicht gespart, sei es mit oder ohne Corona, sondern da wird sich kräftigst gegönnt, aber nicht bei den öffentlich Be­diensteten, bei denen man in den letzten Jahren Aufholbedarf gehabt hätte – und das weiß man –; dabei hat die Vorgängerbundesregierung schon einiges geleistet. (Präsi­dent Hofer übernimmt den Vorsitz.)

Wo liegen die Probleme im öffentlichen Dienst? – Einmal in der Personalsituation – gut, sei’s drum! –, aber natürlich ist auch ein einziges Dienstrecht für Lehrer, für Verwal­tungsbeamte, für Exekutivbeamte nicht mehr zeitgemäß. Da ist die letzte Regierung da­rangegangen, ein eigenes Dienstrecht für die Exekutive zu fertigen. Das wird in diesem Budget – danach wurde auch der Vizekanzler gefragt – eigentlich nicht weiter verfolgt. Das ist traurig, denn es gibt sehr, sehr viele Maßnahmen, die für die öffentlich Bediens­teten dringendst zur Umsetzung gelangen sollten.

Sie können einem Entschließungsantrag, den ich gleich einbringen werde, zustimmen, in dem viele, viele Punkte enthalten sind, die für die öffentlich Bediensteten schon seit


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Jahren, um nicht zu sagen seit Jahrzehnten, wichtig sind, und sich, wenn es Ihnen ernst ist, auf diese Weise bei den öffentlich Bediensteten bedanken.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ein freiheitli­ches Maßnahmenpaket für öffentlich-rechtlich Bedienstete im Sicherheitsbereich“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert dem Nationalrat eine Regierungsvorlage vorzu­legen, die das freiheitliche Maßnahmenpaket für öffentlich-rechtlich Bedienstete im Si­cherheitsbereich umsetzt.“

*****

Das ist dringend notwendig. Ein paar Punkte noch kurz herausgenommen: Gefordert werden in dem Antrag eine Ballungsraumzulage für die Sicherheitswache, eine Rege­lung für Bedienstete 50 plus, da es im Exekutivdienst, in der Kriminalitätsbekämpfung nicht einfach ist, wenn man in die Jahre kommt und natürlich auch nicht mehr so fit ist, eine Schaffung von Sicherheitsassistenten zur Unterstützung der Polizei, die Polizei­ausbildung und die Justizwacheausbildung als öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis, der Schutz der Privatsphäre – man weiß ganz genau, die Privatsphäre der Bediensteten in der Exekutive ist wenig geschützt –, die Stärkung von Persönlichkeitsrechten bei der Erhebung von strafrechtlich relevanten Anschuldigungen und strafrechtlicher Verfolgung und eine Schwerarbeiterregelung – das ist absolut ein Thema, das man endlich an­erkennen sollte, und jetzt in der Coronakrise kann man Danke sagen: Exekutivdienst ist Schwerarbeit!

In diesem Sinne hoffe ich auf Unterstützung des Entschließungsantrages und bedanke mich bei allen, die die Republik in der Coronakrise aufrechterhalten: bei den vielen Han­delsbediensteten, bei der Exekutive, bei den öffentlich Bediensteten, bei all den Ärzten im Gesundheitswesen – sie alle haben hervorragende Arbeit geleistet – und, nicht zu vergessen, auch bei den Lehrern, die auch in der Krise hervorragende Arbeit geleistet haben und sich um die Kinder gekümmert haben, sodass die Eltern ihrem Beruf nach­gehen konnten. In diesem Sinne: Herzlichen Dank! (Beifall bei der FPÖ.)

13.02

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Christian Lausch

und weiterer Abgeordneter

betreffend ein freiheitliches Maßnahmenpaket für öffentlich-rechtlich Bedienstete im Si­cherheitsbereich

eingebracht in der 32. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 26. Mail 2020 im Zuge der Debatte über den Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (55 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2020 (Bun­desfinanzgesetz 2020 – BFG 2020) samt Anlagen (183 d.B.) (TOP 7) (UG 17)

Der österreichische Staat ist derzeit mehr denn je gefordert gesetzliche Vorausset­zungen zu schaffen, die der Exekutive im Kampf gegen die Kriminalität wirksames Han­deln ermöglichen, damit diese auch in Zukunft den Österreicherinnen und Österreichern Schutz und Hilfe in allen Bedrohungsszenarien gewähren kann.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 102

In Zeiten extremer Migrationsbewegungen und globaler Gesundheitskrisen ist es dem Engagement und der Einsatzbereitschaft öffentlich-rechtlich Bediensteter im Sicher­heitsbereich, insbesondere bei Polizei, Justizwache und anderen ähnlichen Berufsgrup­pen des öffentlichen Dienstes, zu verdanken, dass die Sicherheitslage nicht weiter aus den Fugen gerät.

Der anhaltende Kriminalitätsrückgang aufgrund der aktuellen Grenzkontrollen öffnet nunmehr ein vorübergehendes Zeitfenster für die Bundesregierung, um sich mit der Si­tuation öffentlich-rechtlich Bedienstete im Sicherheitsbereich neu und ernsthaft zu be­fassen.

Es braucht dringend ein Maßnahmenpaket für öffentlich-rechtlich Bedienstete im Si­cherheitsbereich, insbesondere bei Polizei, Justizwache und anderen ähnlichen Berufs­gruppen des öffentlichen Dienstes, welches folgende Kernpunkte enthält:

•             Definitivstellung: Zur Sicherheit bei der Ausübung des Berufes wird nach einer Dienstzeit von vier statt bisher sechs Jahren im provisorischen Dienstverhältnis die Definitivstellung gewährt.

•             Finanzielle Besserstellung: Pauschalierte Zulagen und Nebengebühren werden Bestandteil des Grundbezuges und somit 14x jährlich ausbezahlt, um eine Ver­besserung im Krankheitsfall zu erreichen und Überstunden zu attraktivieren.

•             Schwerarbeiterregelung: öffentlich-rechtlich Bediensteten, insbesondere im Exe­kutivdienst, dh. etwa bei Polizei, Justizwache oder Bundesheer und anderen ähnlichen Berufsgruppen des öffentlichen Dienstes, sollen im Sinne der be­schlossenen Regelung für ASVG-Versicherte, abschlagsfrei in Pension gehen dürfen.

•             Ballungsraumzulage: um den Mehraufwand in arbeitsintensiven Polizeidienst­stellen zu würdigen aber auch der damit einhergehende Personalfluktuation wir­kungsvoll zu begegnen, braucht es für einschlägige Tätigkeiten in Ballungsräu­men eine wertschätzende Zulage.

•             Regelung für 50+ Bedienstete: Durch verbesserte dienstliche Rückzugsmöglich­keiten (exekutiver Innendienst, Verwaltungsdienst ect.) soll langgedienten öffent­lich-rechtlich Bedienstete im Sicherheitsbereich der Rückzug aus dem Schicht- und Wechseldienst ermöglich werden. Dabei soll der Verlust etwaiger Zulagen stufenweise abgefedert werden.

•             Schaffung von Sicherheitsassistenten: Ergänzend zur herkömmlichen Ausbil­dung braucht es die Einführung von Sicherheitsassistenten bei der Polizei, um den akute Personalnot zu beheben. Dabei sollen Jugendliche nach der Pflicht­schule in einer 3-jährigen Ausbildung den Polizeiberuf erlernen und die Ausbil­dung mit der Dienstprüfung abschließen. Ab dem 2. Ausbildungsjahr sollen diese Sicherheitsassistenten auch zu einfachen Unterstützungsdiensten herangezo­gen werden (z.B. Schulwegsicherung oder Parteienverkehr auf der Polizeiinspek­tion), und damit die Polizistinnen und Polizisten der Dienststelle personell wie auch administrativ entlasten.

•             Polizeiausbildung als öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis: Derzeit werden Poli­zeischüler (Aspiranten) auf Basis eines Sondervertrages nach dem Vertragsbe­dienstetenrecht aufgenommen. Nicht zuletzt aufgrund der nunmehr vorhandenen Ausbildungsplanstellen ist inzwischen wieder eine Aufnahme der Polizeischüler in ein befristetes öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis sinnvoll und notwendig.“

•             Schutz der Privatsphäre: Es wird ein medienrechtlicher Schutz der Privatsphäre der Bediensteten eingeführt. Wird bei Eingriffen die Privatsphäre von Bediens­teten durch Veröffentlichungen verletzt, kann der Dienstgeber im Wege der Fi­nanzprokuratur die Ansprüche der Betroffenen geltend machen.


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•             Stärkung der Persönlichkeitsrechte: Bei strafrechtlich relevanten Anschuldigun­gen, beispielsweise ungerechtfertigten Misshandlungsvorwürfen, übernimmt die Dienstbehörde die aktive Verfolgung um das Risiko nicht auf den Bediensteten abzuwälzen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert dem Nationalrat eine Regierungsvorlage vorzu­legen, die das freiheitliche Maßnahmenpaket für öffentlich-rechtlich Bedienstete im Si­cherheitsbereich umsetzt.“

1 https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/A/A_00049/imfname_771655.pdf

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht somit mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Frau Kollegin Dr. Astrid Rössler. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


13.02.50

Abgeordnete Dr. Astrid Rössler (Grüne): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Regierung! Geschätzte Herren Volksanwälte und Frau Dr.in Rechnungs­hofpräsidentin! Ich darf konkret auf drei Untergliederungen Bezug nehmen, und zwar auf die Untergliederungen betreffend oberste Gerichtshöfe und auf die Untergliederung 10: Bundeskanzleramt, und vorausschicken: Das Budget in der vorliegenden Form ist die Grundlage für jedes staatliche Handeln, für Verwaltungshandeln, und daher ist es beson­ders wichtig, genauer hinzuschauen, welche Ziele und Maßnahmen darin aufgenommen worden sind, wie weit das Regierungsprogramm im Arbeitsprogramm wiederzufinden ist und natürlich auch, welche überprüfbaren Indikatoren es für die Umsetzung und die Ziel­erreichung gibt.

Hier ist wichtig, für die obersten Gerichtshöfe – für den Verwaltungsgerichtshof, für den Verfassungsgerichtshof und sinngemäß natürlich auch für das Bundesverwaltungsge­richt – ausreichend Mittel zur Verfügung zu stellen, den Verbesserungsbedarf zu sehen, Maßnahmen hinsichtlich eines Modernisierungsbedarfs zum Beispiel im Sinne der Digi­talisierung mit zu verankern und vor allem für die entsprechenden Personalressourcen, für Planstellen und wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ausreichend Vor­sorge zu treffen.

Das alles ist in diesem Budget zu einem guten Teil vorgesehen. Es ist genau dieser Teil, die obersten Gerichtshöfe, im Sinne eines unverzichtbaren rechtsstaatlichen Prinzips, nämlich des Instanzenzugs, der Überprüfbarkeit von staatlichem Handeln, der Sicher­stellung des Zugangs zum Recht – genau das sind Grundsätze unseres Rechtsstaa­tes! –, besonders gut auszustatten.

Der zweite Punkt, bei dem es auch um das Thema Festlegen von Indikatoren und Wir­kungszielen geht, ist im Bundeskanzleramt verortet, das diesbezüglich eine koordinie­rende Funktion hat, und zwar die Umsetzung der globalen Nachhaltigkeitsziele, die Agenda 2030, oder wie sie so schön heißt: 17 Ziele auf dem Weg zu einer besseren Welt.

Die Umsetzung dieser Nachhaltigkeitsziele wurde in Österreich mit Ministerratsbe­schluss 2016 auf den Weg gebracht, als Anleitung und Auftrag an alle Ministerien, diese


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Nachhaltigkeitsziele umzusetzen – eine Querschnittsmaterie, die gar nicht so einfach wiederzufinden ist und daher sehr gut strukturiert angegangen werden muss. Auch in der EU-Jahresvorschau 2020 ist sie verankert. Österreich deklariert sich ausdrücklich dazu, die globalen Nachhaltigkeitsziele weiter umzusetzen.

Es gibt dankenswerterweise dafür die SDG-Landkarte des Budgetdienstes, auf der ab­gelesen werden kann, in welchen Bereichen diese Nachhaltigkeitsziele bereits auf den Weg gebracht sind und wo noch Verbesserungsbedarf besteht.

Dann gibt es noch den SDG-Indikatorenbericht der Statistik Austria, auch ein ganz wich­tiges Instrumentarium, um zu sehen, wie man denn bei der Umsetzung vorankommt. Was sich ein wenig technisch anhört, ist in Wahrheit das Überprüfen, ob unsere Wir­kungsziele erfüllt werden, zum Beispiel gute Infrastruktur – nicht nur ein globales Nach­haltigkeitsziel, sondern selbstverständlich auch ein Ziel für uns in Österreich. Da heißt es etwa, das Straßennetz ist gut, aber der Energieverbrauch ist im Verkehrsbereich viel zu hoch und auch die Treibhausgasemissionen im Verkehrsbereich sind zu hoch.

Nachhaltige Städte und Gemeinden: Wir haben einen sehr guten Wohnstandard, aber Minuspunkte sind, dass die hohen Wohnkosten viele Familien, viele Menschen, die auf Wohnungssuche sind, finanziell überfordern, dass der Flächenverbrauch zu hoch ist, aber auch, dass die Siedlungsabfälle zu stark steigen. – Auch das ist etwas, das mittels Indikatoren begleitet und überprüft werden muss.

Schließlich wird hinsichtlich der globalen Partnerschaft positiv festgestellt, dass Öster­reich internationale Abkommen für wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit abge­schlossen hat. Österreichs Entwicklungshilfe ging jedoch in den Jahren 2010 bis 2018 zurück. Umso erfreulicher ist, dass genau in diesem Bereich der Entwicklungszusam­menarbeit jetzt in diesem Budget eine maßgebliche Erhöhung vorgesehen ist – ein weiterer Grund, dieses Budget zu unterstützen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeord­neten der ÖVP.)

13.07


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.07.29

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Volksanwälte! Frau Rechnungshofpräsidentin! Die Debatte um das Budget der Höchstgerichte erinnert mich immer ein wenig an den Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“. Ich weiß nicht, wer den aller kennt. Da ist es so: Bill Murray wacht in der Früh auf und erlebt immer wieder den gleichen Tag. – So ähnlich fühle ich mich, wenn wir hier die Debatte zum Budget für die Höchstgerichte führen. Es ist nicht mein erstes Mal, sondern ich war schon bei mehreren Budgets dabei, und es ist jedes Mal das Gleiche: Es ist meistens so, dass fast alle sagen: Ja, die Arbeit der Höchstgerichte ist wichtig!, und wenn wir dann im Ausschuss sitzen und die Präsidenten des Verfassungs- und des Verwaltungsgerichtshofes fragen, ob sie mit ihrem Geld aus­kommen, hören wir eigentlich immer entweder sehr klar oder zwischen den Zeilen, dass sich das so nicht ausgehen wird.

Das Einzige, was sich jetzt geändert hat: Normalerweise sind Sie ja dann vorne alle eher beschämt und sagen gar nichts über die finanzielle Situation, Frau Kollegin Rössler hat jetzt aber gemeint, es sei eh alles rosig – das ist etwas Neues, denn normalerweise wird hier totgeschwiegen, dass sich das finanziell nicht wirklich ausgeht.

Es ist so, dass die Höchstgerichte ja schon vor der Coronakrise einen unfassbar großen Anfall an Verfahren hatten. Es waren 2019 beim Verfassungsgerichtshof 5 200 Verfah­ren anhängig, beim Verwaltungsgerichtshof sind es 7 800 neue Fälle. Gerade aufgrund


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 105

der Coronakrise war es ja in den letzten Wochen so, dass die Bundesregierung leider Gottes sehr viele Maßnahmen gesetzt hat, die unter Umständen verfassungswidrig sind. In vielen Bereichen war es ganz offensichtlich, dass die Maßnahmen gesetzeswidrig oder auch verfassungswidrig sind, und es gibt jetzt schon 60 neue beim Verfassungs­gerichtshof anhängige Verfahren. Das heißt, es wäre eigentlich höchst an der Zeit, dass wir diesen beiden Gerichtshöfen endlich das Budget zur Verfügung stellen, das sie brau­chen.

Es ist dieses Jahr auch wie jedes Jahr so, dass der Verfassungsgerichtshof auf Rück­lagen zurückgreifen muss, um überhaupt den laufenden Betrieb aufrechterhalten zu kön­nen. Der Präsident des Verwaltungsgerichtshofes Thienel schreibt in einer Unterlage, die er uns ausgeteilt hat, wörtlich:

Für das Jahr 2020 kann der Verwaltungsgerichtshof aus heutiger Sicht bei normalem Betrieb

 – und wir gehen jetzt einmal nicht von einem normalen Betrieb aus, sondern wahr­scheinlich von einem anderen Betrieb aufgrund von Corona –

mit den vorhandenen Budgetmitteln bei äußerster Sparsamkeit gerade noch das Aus­langen finden. – Zitatende.

Ich finde das einigermaßen peinlich für uns als Parlament, dass wir es nicht schaffen, den beiden Höchstgerichten, dem Verwaltungs- und dem Verfassungsgerichtshof, ein ausreichendes Budget zur Verfügung zu stellen. (Beifall bei den NEOS und bei Abge­ordneten der FPÖ.)

Da geht es ja um die Grundfesten der Demokratie. Ich sage Ihnen etwas: Das Problem ist ja nicht, dass wir da unfassbar große finanzielle Mittel zur Verfügung stellen müssen – das sind ja im Vergleich zu dem, was wir sonst diskutieren, Peanuts, da geht es um so gut wie gar nichts –, es führt aber dazu, dass die Gerichtshöfe teilweise notwendige Sa­nierungsarbeiten nicht durchführen können, dass sie Planstellen später besetzen, als es notwendig wäre, damit sie beispielsweise Zimmer ausmalen können. Ich halte das nicht für sinnvoll, ich halte das für schlichtweg falsch.

Es geht bekanntlich auch nicht um juristische Spitzfindigkeiten, wie der Bundeskanzler das so nebenbei tituliert hat, sondern es geht darum, dass die Höchstgerichte es schaf­fen, unsere grundlegenden Grund- und Freiheitsrechte auch weiterhin zu schützen; da­her bringe ich – wie jedes Mal bei der Budgetdebatte zu diesen Untergliederungen – folgende Entschließungsanträge ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „zu­sätzliche finanzielle Mittelausstattung des Verfassungsgerichtshofs“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen, wird aufgefor­dert, im Rahmen der mittelfristigen Budgetplanung den Verfassungsgerichtshof mit aus­reichenden Budgetmitteln auszustatten, um den laufenden Betrieb und die hohe Qualität der Entscheidungen nachhaltig zu sichern.“

*****

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „zu­sätzliche finanzielle Mittelausstattung des Verwaltungsgerichtshofs“


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 106

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen, wird aufgefor­dert, im Rahmen der mittelfristigen Budgetplanung den Verwaltungsgerichtshof mit aus­reichenden Budgetmitteln auszustatten, um den laufenden Betrieb und die hohe Qualität der Entscheidungen nachhaltig zu sichern.“

*****

Ein Land, das nicht fähig ist, seine wichtigsten Höchstgerichte mit ausreichend Budget­mitteln auszustatten, macht sich langfristig furchtbar peinlich. (Beifall bei den NEOS.)

13.11

Die Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak‚ MA, Kolleginnen und Kollegen

betreffend zusätzliche finanzielle Mittelausstattung des Verfassungsgerichtshofs

eingebracht im Zuge der Debatte in der 32. Sitzung des Nationalrats über den Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (55 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2020 (Bundesfinanzgesetz 2020 – BFG 2020) samt Anlagen (183 d.B.) TOP 7 - UG 03

Der Präsident des Verfassungsgerichtshofs DDr. Christoph Grabenwarter machte in den Beratungen des Budgetausschusses auf die knappen finanziellen Ressourcen des Ver­fassungsgerichtshofes aufmerksam. Laut Bundesvoranschlag-Entwurf 2020 steigen die Auszahlungen für den Verfassungsgerichtshof im Jahr 2020 im Vergleich zum Vorjahr geringfügig von 16,0 Mio. Euro auf 17,3 Mio. Euro. Um Mehrausgaben durch den wei­terhin hohen Arbeitsanfall am VfGH abzudecken, muss auf die Rücklagen zugegriffen werden. Im BVA-E 2020 sind Rücklagenentnahmen iHv 0,4 Mio Euro für den laufenden Betrieb und den Personalbereich budgetiert. Die Auszahlungsobergrenze im Entwurf zum Bundesfinanzrahmengesetz sinkt bis 2023 auf 16,8 Mio. Euro.

Die Zahl eingegangener neuer Anträge und Beschwerden blieb 2019 mit rund 5200 neu anhängig gewordenen Verfahren ungefähr auf dem hohen Niveau der voran-gegange­nen Jahre. Ein überdurchschnittlich hoher Arbeitsanfall war erneut in Asylrechtssachen zu verzeichnen. Die Fallzahlen in diesem Bereich lagen im Jahr 2019 mit über 3.200 neu anhängig gewordenen Verfahren bei rund 62% des Gesamtanfalls. Zudem standen zahl­reiche, teils sehr komplexe Gesetzesprüfungsanträge zur Entscheidung an (z.B. Sozial­versicherungs-Organisationsreform, Sicherheitspaket, Sozialhilfe-Grundsatzgesetz).

Zu einem spürbaren Mehraufwand am VfGH führen die COVID-19-Maßnahmen. Der VfGH-Präsident informierte die Ausschussmitglieder darüber, dass bis dato 59 Eingaben im Zusammenhang mit COVID-19-Maßnahmen erfolgt sind, die sich auf die Gesetz­gebung oder die Erlassung von Verordnungen in diesem Bereich beziehen. Den Großteil machen dabei Individualanträge auf Gesetzes- bzw. Verordnungsprüfung aus (insge­samt 56). Überdies liegen zwei Staatshaftungsklagen vor, wobei es sich in einem Fall um einen Verfahrenshilfeantrag eines Zivildieners handle.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 107

"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen, wird aufgefor­dert, im Rahmen der mittelfristigen Budgetplanung den Verfassungsgerichtshof mit aus­reichenden Budgetmitteln auszustatten, um den laufenden Betrieb und die hohe Qualität der Entscheidungen nachhaltig zu sichern."

*****

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak‚ MA, Kolleginnen und Kollegen

betreffend zusätzliche finanzielle Mittelausstattung des Verwaltungsgerichtshofs

eingebracht im Zuge der Debatte in der 32. Sitzung des Nationalrats über den Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (55 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2020 (Bundesfinanzgesetz 2020 – BFG 2020) samt Anlagen (183 d.B.) TOP 7 - UG 04

Der Präsident des Verwaltungsgerichtshofs Dr. Rudolf Thienel machte im Rahmen des Budgetausschusses auf die knappen finanziellen Ressourcen des Verwaltungsgerichts­hofes aufmerksam. Der Entwurf zum Bundesvoranschlag 2020 sieht für den Verwal­tungsgerichtshof Auszahlungen iHv insgesamt 21,7 Mio. Euro vor. Im Vergleich zum vorläufigen Erfolg 2019 bedeutet dies für 2020 einen Anstieg um knapp 0,7 Mio. Euro, das sind 3,1 %,

Wörtlich heißt es in einer den Abgeordneten zur Verfügung gestellten schriftlichen Stel­lungnahme des VwGH-Präsidenten: "Für das Jahr 2020 kann der VwGH aus heutiger Sicht bei normalem Betrieb mit den vorhandenen Budgetmitteln (Personal- und Sachauf­wand) bei äußerster Sparsamkeit gerade noch das Auslangen finden." Außerdem sei noch nicht abschätzbar, ob infolge der Corona-Krise zusätzliche Aufwendungen (etwa für vorgezogene Maßnahmen zum verstärkten Einsatz des Homeoffice) erforderlich sein werden, die allenfalls durch Rücklagenentnahmen abzudecken wären.

Im Jahr 2019 blieb der Neuanfall beim VwGH auf sehr hohem Niveau bei rund 7800 neuen Fällen. Auch im Asylrecht wurde im Jahr 2019 mit knapp 3000 neu anhängig gewor­denen Verfahren das hohe Niveau gehalten. Diese Entwicklung des Aktenanfalles ist durch die Änderungen im Asyl- und Fremdenrecht auch in den folgenden Jahre zu er­warten.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen, wird aufgefor­dert, im Rahmen der mittelfristigen Budgetplanung den Verwaltungsgerichtshof mit ausreichenden Budgetmitteln auszustatten, um den laufenden Betrieb und die hohe Qualität der Entscheidungen nachhaltig zu sichern."

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Frau Bundesministerin Dr. Raab hat sich zu Wort ge­meldet. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 108

13.11.53

Bundesministerin für Frauen und Integration im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Su­sanne Raab: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeord­nete! Sehr verehrte Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Werte Herren Volksanwälte! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Als Kanzleramtsministerin darf ich Ihnen kurz einen Einblick in das Budget des Bundeskanzleramtes geben.

Das Budget des Bundeskanzleramtes hat sich im Vergleich zum Vorjahr durchaus ge­ändert. Im Jahr 2019 standen noch 311,4 Millionen Euro zur Verfügung, nunmehr, im Jahr 2020, beträgt das Budget 413,5 Millionen Euro. Warum diese Veränderung? – Die grundsätzliche Veränderung in der Budgetstruktur hat sich dadurch ergeben, dass es umfassende Zuständigkeitsänderungen im Bundeskanzleramt gab.

Es sind also gegenüber dem Erfolg von 2019 im Jahr 2020 um 90 Millionen Euro mehr; zu begründen ist das zum einen damit, dass der Bereich Integration mit einem Bud­getvolumen von rund 70 Millionen Euro dazugekommen ist, auch der Verfassungsdienst dazugekommen ist, wohingegen Kompetenzen für Familien und Jugend sowie Kunst und Kultur abgewandert sind.

Was das Budget betrifft, so wurden zwei Untergliederungen abgegeben, die UG 10, un­sere zentrale UG, ist aufgrund dieser Verschiebungen angewachsen. Es darf – und das ist uns auch wichtig – festgehalten werden, dass wir im Bundeskanzleramt natürlich weiterhin ganz sparsam haushalten und dass die Mittel im Vergleich zum Übergangsjahr 2019 nicht entsprechend erhöht wurden.

Es gab nur vier Veränderungen in folgenden Bereichen: Zum Ersten wurde das Frau­enbudget um 2 Millionen Euro erhöht. Das freut mich als Frauenministerin natürlich sehr, ich darf dazu am Donnerstag noch einmal im Detail ausführen, wie das Frauenbudget beziehungsweise die Erhöhung in diesem Jahr verwendet werden wird.

Zum Zweiten: Es gibt eine Digitalförderung in Höhe von 15 Millionen Euro für Medien.

Zum Dritten: Der Verfassungsdienst ist, wie gesagt, dazugekommen, was insgesamt 3 Millionen Euro ausmacht.

Der Bereich Integration mit einem Budget von rund 70 Millionen Euro ist ebenfalls dazu­gekommen.

Auf den letztgenannten und auch größten Bereich möchte ich als Integrationsministerin noch kurz eingehen. Wir haben ja in den letzten Jahren, gerade vor dem Hintergrund der Flüchtlingskrise in Österreich, umfassende Integrationsstrukturen aufgebaut. Wir können als Staat stolz darauf sein, was wir an Integrationsangeboten leisten. Wichtig ist uns auf der einen Seite, dass diese Integrationsangebote stattfinden, auf der anderen Seite aber auch, dass sie angenommen werden. Wir fordern den Erwerb der deutschen Sprache, die Annahme unserer Werte und auch die Integration in den Arbeitsmarkt ganz klar und konsequent ein.

Das spiegelt sich auch im gemeinsamen Regierungsprogramm in zwei Grundsätzen wider. Zum Ersten: Integration durch Leistung. Es geht nicht darum, woher jemand kommt, sondern darum, was er in unserem Land beizutragen bereit ist. Zum Zweiten: Integration ist ein wechselseitiger Prozess, der eben Bereitschaft und Anstrengungen von beiden Seiten bedarf. Dafür braucht es viel Eigenverantwortung, Eigenengagement und Eigenmotivation. Und: Wer Integration behindert, wer keine Schritte dazu unter­nimmt, wer die staatlichen Angebote nicht wahrnimmt, der hat auch mit Sanktionen zu rechnen. Das ist das Grundkonzept unserer verbindlichen Integrationspolitik im Regie­rungsprogramm.

Das jetzige Budget trägt diesen Prinzipien Rechnung, denn nach dem Grundsatz: Wir fördern Integration, ja, aber wir fordern auch Integration!, gibt es verschiedene Schwer­punkte, die dem gerecht werden.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 109

Zum Ersten: Wir als Integrationsministerium werden die jetzigen Budgetmittel dafür ver­wenden, dass wir die gesetzlichen Verpflichtungen erfüllen, also die zentralen Elemente, die sich auch im Integrationsgesetz wiederfinden, nämlich Deutscherwerb, Wertevermitt­lung und auch Arbeitsmarktintegration. Dementsprechend stellen wir auch Integrations­angebote zur Verfügung. Im Jahr 2019 waren das beispielsweise 160 000 Beratungen an Integrationszentren, 31 000 Werte- und Orientierungskursplätze, 18 000 Deutsch­kursplätze – also da passiert viel an unseren österreichischen Integrationszentren.

Abseits der gesetzlichen Verpflichtungen haben wir uns im Regierungsprogramm auch weitere Schwerpunkte gesetzt. Natürlich sind und bleiben der Deutscherwerb und Deutsch als gemeinsame Sprache der Schlüssel für die Integration. Wir haben auch in der Krise gesehen, dass es da noch viel Aufholbedarf gibt, dass es viel Bedarf an mut­tersprachlichen Informationen gab. Diese muttersprachlichen Informationen können in der Krise die Ausnahme sein, ja, aber sie können natürlich nie die Regel sein, denn wer in Österreich lebt, der muss eben auch Deutsch können. Umso wichtiger ist es, dass unser Ressort jetzt nach der Sozialhilfereform Deutschkurse bis B1-Niveau anbietet; damit einhergehend, also mit der Verknüpfung mit dem Bezug von Sozialleistungen, wird sichergestellt, dass dieses Angebot auch angenommen wird. 60 Prozent der Kursplätze werden von Frauen in Anspruch genommen, deshalb war und ist es mir wichtig, dass auch die Beaufsichtigung der Kinder in diesen Kursen möglich ist; das entsprechende Angebot dafür werde ich weiter ausbauen.

Zweitens – und das ist mir als Integrationsministerin, aber auch als Frauenministerin wichtig – ist folgende Tatsache gegeben: Die Frauen sind der Motor für Integration. Frau­en sind diejenigen, die die Werte innerhalb der Familie weitergeben, die das Rollenbild der Kinder prägen, die vielfach auch für den Bildungsverlauf der Kinder zuständig sind. Deshalb brauchen wir die Frauen im Integrationsprozess, sie spielen da eine ganz zen­trale Rolle. (Ruf bei der SPÖ: Es gibt auch Väter, oder?)

Darüber hinaus wäre es natürlich wichtig – und das sieht man auch –, dass insbesonde­re Frauen davon profitieren, dass es verpflichtende Integrationsmaßnahmen gibt. Seit wir die Integrationsmaßnahmen im Integrationsprozess verpflichtend gestaltet haben, hat sich der Frauenanteil in unseren Kursen verdoppelt. Das zeigt auch – und das ist auch meine Erfahrung aus dem Integrationsbereich –, dass es für viele Frauen mit Mi­grationshintergrund nicht selbstverständlich war, dass sie an Kursen teilnehmen dürfen. Ich habe selbst oft miterlebt, dass man gesagt hat: Einen Wertekurs brauchst du nicht zu besuchen, einen Deutschkurs brauchst du nicht zu besuchen, es reicht, wenn einer in der Familie Deutsch kann!

Weiterhin ist mir ein Thema besonders wichtig, das die Schnittstelle zwischen Frauen und Integration betrifft, das ist das Thema Gewalt an Frauen. Ein gewaltfreies Leben ist die Grundlage für ein selbstbestimmtes Leben von Frauen. An der Schnittstelle zwischen Frauen und Integration werde ich auch das Thema der kulturell bedingten Gewalt speziell adressieren und Präventionsmaßnahmen dafür setzen, um gegen kulturell be­dingte Formen von Gewalt, denen Frauen mit Migrationshintergrund unterliegen, wie weibliche Genitalverstümmelung oder Zwangsverheiratung, anzukämpfen, denn klar ist natürlich: So etwas kann und darf es in unserer Gesellschaft nicht geben.

Drittens: Lassen Sie mich noch einmal betonen, wie wichtig es ist, dass wir in einem Land leben, in dem wir auch ein starkes Wertefundament haben, in dem wir Grundwerte haben – die wir alle mit Leben erfüllen müssen –, in dem wir die Gleichberechtigung von Mann und Frau als zentralen verfassungsrechtlichen Wert haben, genauso wie die Men­schenwürde und demokratische Prinzipien! Es ist auch wichtig und richtig, wenn wir Menschen, die nach Österreich kommen, dieses starke Wertefundament vermitteln und wenn wir dieses starke Wertefundament im Integrationsprozess betonen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 110

2015 haben wir damit begonnen, Wertekurse für Flüchtlinge abzuhalten, die seit 2017 verpflichtend sind, was ein wesentlicher Meilenstein war; aber nicht nur die Kurse sind wichtig, sondern auch die direkte persönliche Begegnung ist wichtig. Wir haben in der Coronakrise gesehen, dass ehrenamtliches Engagement von ganz zentraler Bedeutung für das Miteinander, für die Gesellschaft ist, dass das Ehrenamt der Kitt ist, der unsere Gesellschaft auch in schwierigen Zeiten zusammenhält.

Aus meiner Erfahrung ist es so, dass Engagement im Sportverein, bei der freiwilligen Feuerwehr oder im Musikverein schon die halbe Miete in der Integration ist. Darum findet sich im Regierungsprogramm auch ein diesbezüglicher Schwerpunkt, und ich werde auf das Ehrenamt auch besonderes Augenmerk in der Integrationsarbeit legen.

Ohne Zweifel ist es für eine langfristige Bewertung der Auswirkungen der Coronakrise auf die Integration zum jetzigen Zeitpunkt noch zu früh, aber wichtig war, dass wir in der Integration jetzt ganz rasch wieder Fahrt aufnehmen, weshalb wir ab Mitte Mai unsere Integrationsangebote nach einer zweimonatigen Pause wieder hochgefahren haben und jetzt wieder Deutschkurse und -prüfungen mit persönlichem Kontakt angeboten werden können.

Abschließend lassen Sie mich noch festhalten, dass die Coronakrise natürlich nicht dazu führen darf, dass die Integrationsdefizite größer oder auch die vielen Integrationserfolge der letzten Jahre geschmälert werden. Gerade in Zeiten wie diesen, in denen die Re­duktion der Sozialkontakte wesentlich ist, um unsere Gesundheit zu schützen, müssen wir besondere Anstrengungen unternehmen, um den sozialen Zusammenhalt trotz der Reduktion der körperlichen Nähe – sozusagen – zu stärken. Der Integration kommt da­bei eine ganz besondere Bedeutung zu. Der Rückzug in eine Herkunftsgemeinschaft kann keine Antwort auf die Krise sein. Verfestigung von problematischen Milieus und Abschottung schaden der Integration und schaffen auch Nährboden für Extremismus und Radikalisierung, und deshalb müssen wir jene Maßnahmen im Regierungspro­gramm, die sich gegen problematische Milieus, Parallelgesellschaften und alle Formen von Extremismus richten, weiter vorantreiben. Was vor der Krise wichtig war, ist es jetzt mehr denn je. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

13.22


Präsident Ing. Norbert Hofer: Ich darf mitteilen, dass die von Kollegen Dr. Nikolaus Scherak eingebrachten Entschließungsanträge ausreichend unterstützt sind, ordnungs­gemäß eingebracht sind und somit auch mit in Verhandlung stehen.

Zu Wort gelangt nun Abgeordneter Mag. Ernst Gödl. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


13.22.18

Abgeordneter Mag. Ernst Gödl (ÖVP): Herr Präsident! Meine geschätzten Damen und Herren der Bundesregierung! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen und liebe Zuhöre­rinnen und Zuhörer zu Hause vor den Bildschirmen! In der Vorbereitung zu dieser Bud­gettagung hier im Nationalrat schaut man üblicherweise auch, was sich in der letzten Budgetdebatte so zugetragen hat, welche Argumente verwendet wurden, und da kann man sehr schnell erkennen, dass es damals, 2018, als wir in einer anderen Regierungs­konstellation für 2018 und 2019 das Budget beschlossen haben, durchaus ähnliche Ver­haltensmuster gegeben hat. Es waren auch damals die Leichtfrieds und die Matznetters, die empört alles in Grund und Boden kritisiert und von einer Mogelpackung gesprochen haben. Ich behaupte nun: Egal welches Budget der Finanzminister ins Haus gebracht hätte, es wäre nie auf die Zustimmung mancher Parteien in diesem Haus gestoßen. Das sei dieser Budgetdebatte vorangestellt.

Ich stehe hier aber auch, gerade im Zusammenhang mit diesem Thema, als Sprecher für Integration und Migration meiner Fraktion, und die Frau Bundesministerin hat ja ge­rade sehr vorzüglich ausgeführt, dass auf dieses Detailbudget Integration das Augen­merk gelegt wird. Das zeigt nämlich auch, wie zukunftsweisend dieses Budget, das wir


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am Donnerstag beschließen werden, ausgestaltet ist. Die Bundesregierung hat sich ganz klar dazu bekannt, im Regierungsprogramm einen starken Fokus auf die Integra­tion zu richten. Das ist schon dadurch dokumentiert, dass ein eigenes Ministerium ein­gerichtet und mit Frau Bundesministerin Susanne Raab auch eine exzellente Expertin für diesen Bereich in die Bundesregierung berufen wurde. Es zeigt sich auch jetzt bei der Erstellung des Budgets, dass wir einen starken Fokus darauf richten, indem wir das Budget eindeutig erhöhen, nämlich insgesamt um 17,8 Millionen Euro im Vergleich zum Jahr 2019. Es ist also ein ganz klares Bekenntnis zu einer verstärkten Integration, zu verstärkten Maßnahmen im Bereich der Integration, und auch wenn die Zahl der Asylwerber in den letzten Jahren kontinuierlich sinkt, bleibt es trotzdem eine ganz große Anstrengung, jene, die in den letzten Jahren, vor allem im Jahr 2015, zu uns zuge­wandert sind, die bei uns einen Aufenthaltsstatus, eine Asylberechtigung erreicht haben, in die Gesellschaft zu integrieren.

Integration ist nun einmal ein sehr langwieriger Prozess, und Integration braucht neben dem Willen und dem Engagement des Einzelnen und neben der Unterstützung der Aufnahmegesellschaft vor allem eines: Sie braucht Zeit.

Es braucht auch noch ein Zweites: Es braucht dazu auch Geld, damit wir als Staat jene Maßnahmen, die im Integrationsgesetz als verpflichtend festgeschrieben sind, umsetzen können: den Zugewanderten Deutschkurse, Wertekurse, eine Prüfung und die Möglich­keit zur Erreichung eines guten Sprachniveaus zur Verfügung zu stellen. Es ist unsere Verpflichtung, die Strukturen bereitzustellen, das Eigenengagement der Zugewanderten einzufordern und im Fall des Falles, wenn diese Verantwortung nicht wahrgenommen wird, auch mit Sanktionen gegenzusteuern.

Es ist in der Tat äußerst unbefriedigend – wenn man Zahlen verwenden darf, die vor der Coronakrise aktuell waren –, dass zum Beispiel damals 30 000 Asylberechtigte in Ös­terreich keine Arbeit hatten, davon 10 000 junge Menschen unter 25, und oft ist ein Grund, dass sie zu geringe Sprachkenntnisse haben und sich in unserer Gesellschaft nicht zurechtfinden. Es ist unsere Aufgabe, da ganz klar gegenzusteuern, daher werden 57,7 Millionen Euro für den Österreichischen Integrationsfonds vorgesehen, weitere 12,9 Millionen Euro werden seitens des Bundeskanzleramts über unsere Frau Ministerin direkt in 128 Integrationsprojekte fließen.

Meine Damen und Herren, dieses Budget ist also zukunftstauglich, es steht für eine kon­sequente Integrationspolitik; konsequent in der Bereitstellung von Sprach- und Werte­kursen, konsequent im Einfordern der Leistungsbereitschaft der zugewanderten Perso­nen mit rechtmäßigem Aufenthalt und konsequent auch in der Finanzierung. (Abg. Leichtfried: Das ist aber sehr optimistisch gesehen!) Wir können und sollen dieses Budget für das Jahr 2020 daher auch unbedingt beschließen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

13.26


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Selma Yildirim. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


13.26.52

Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich stelle fest, dass Herr Bundeskanzler Kurz bei der Budgetdebatte dann, wenn es um das Bundeskanzleramt geht, abwesend ist und sich lieber vertreten lässt. Ich möchte in dem Zusammenhang, weil doch Herr ÖVP-Abge­ordneter Gerstl den Herrn Bundeskanzler ob seiner Sparsamkeit so gelobt hat, einiges richtigstellen.

Sehr geehrte Damen und Herren, parlamentarische Anfragen haben ergeben, dass Herr Bundeskanzler Kurz seine Beraterkosten um 50 Prozent erhöht hat. (Abg. Leichtfried:


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Oh!) Es hat sich aus den vorliegenden Unterlagen zum Budget herausgestellt, dass er seine Repräsentationskosten um das Vierfache erhöht hat, um 1 Million Euro.

Wir wissen, dass Kurz im Vergleich zu seinen Vorgängern, den roten Bundeskanzlern, fünf zusätzliche Büroleiter oder Kabinettschefs hat. Wir wissen auch, dass bei ihm be­züglich sehr vieler Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – im Gegensatz zu unseren Kanz­lern, ob das Christian Kern oder Werner Faymann waren – intransparent dargestellt wird. Ich empfehle Ihnen, einen Blick auf die Homepage zu werfen. Wenn man das nur über­fliegt, sieht man, wie viele eigentlich in Fachabteilungen versteckt sind. Das tun wir nicht, und das unterscheidet uns von Ihnen: mehr Transparenz! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Rede betrifft aber im Grunde genommen den öffentlichen Dienst, sehr geehrte Damen und Herren. Wir haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Verwaltung als Heldinnen und Helden beklatscht – zu Recht. Sie haben Großartiges geleistet. Wir haben gesehen, wie wichtig eine gut funktionierende öffentliche Verwaltung ist, aber wir sollten aus dieser Krise lernen.

Ich erinnere daran, dass in dem Bereich seit Jahren sukzessive gekürzt wird. Das geht auf Kosten der Dienstleistungen und auf Kosten der Versorgung. Die Präsidentin des Rechnungshofes sitzt hier. Der Rechnungshof kritisiert seit 2013 regelmäßig, dass die Finanzverwaltung in vielen Bereichen nicht mehr in der Lage ist, ihre Aufgaben zu vollziehen. Das sollte uns beschäftigen. Und weil es mich wie sehr viele andere entsetzt hat: Es greift – seit 20 Jahren, nicht nur seit Neuestem – das mit den Leiharbeitskräften auch im öffentlichen Dienst um sich. Sehr geehrte Damen und Herren, wir brauchen diese Menschen (Zwischenruf bei der ÖVP), aber wir verstecken sie unter Sachaufwand, Sachkosten! Wir haben den Menschen ihre Würde und ihre sicheren, guten Arbeitsplätze genommen und haben sie zur Manövriermasse degradiert und entwürdigt. Das können wir aus der Krise lernen: dass wir das rückgängig machen sollten.

Es erzürnt mich wirklich, dass in dieser Krise, in der viele Menschen ihre Arbeit verloren haben – 533 000 arbeitslose Menschen, 1,2 Millionen Menschen in Kurzarbeit, die nicht wissen, ob sie ihren Job wieder vorfinden werden –, das Budget für das Bundeskanz­leramt dermaßen erhöht wird. Das ist eine Verhöhnung dieser Menschen! (Beifall bei der SPÖ.)

Daher bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Einspa­rung der Inszenierungsmillion des Bundeskanzlers“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundeskanzler wird aufgefordert, auf die Erhöhung seiner Repräsentationsaus­gaben um eine Million Euro zu verzichten.“

*****

Das haben sich nämlich diese Menschen verdient, dass direkte und schnelle Hilfe geleistet wird – und nicht diese Verschleierungstaktik! (Beifall bei der SPÖ.)

13.30

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Maga Selma Yildirim, GenossInnen

betreffend Einsparung der Inszenierungsmillion des Bundeskanzlers


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 113

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 7 Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (55 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvor­anschlages für das Jahr 2020 (Bundesfinanzgesetz 2020 – BFG 2020) samt Anlagen (183 d.B.) in der 32. Sitzung des Nationalrates zur Untergliederung 10

Der Bundeskanzler hatte im Bundesvoranschlag 2019 für Repräsentationskosten den Betrag von 270.000 Euro vorgesehen. Unter Repräsentationskosten sind Reisekosten, Kosten für Veranstaltungen und „sonstige Repräsentationskosten“ zu verstehen.

Im Bundesvoranschlag 2020 wird dieser Betrag nun auf 1.200.000 Euro erhöht. Der budgetierte Betrag wird somit um das 4,4-fache erhöht. Gerade in Zeiten, in denen 1,8 Mio. ÖsterreicherInnen entweder arbeitslos oder in Kurzarbeit sind, der Großteil der kleinen und mittleren Unternehmen um ihre Existenz fürchtet und viele Menschen in systemrelevanten Berufen für geringe Bezahlung ihr Bestes für die Allgemeinheit geben, ist eine solche enorme Erhöhung von Luxusausgaben zum Zweck der Selbstinszenie­rung ein schwerer Fehler.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundeskanzler wird aufgefordert, auf die Erhöhung seiner Repräsentationsausga­ben um eine Million Euro zu verzichten.“

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht somit mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter David Stögmüller. – Bitte schön, Herr Abgeord­neter.


13.30.39

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Verehrtes Präsidium! Sehr geehrte Frau Mi­nisterin! Herren Volksanwälte! Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Zuerst einmal möchte ich als Rechnungshofsprecher einen Dank an den Rechnungshof, an Sie und an Ihr gesamtes Team aussprechen, nämlich für die ausgezeichnete Arbeit, die Sie leisten, und möchte heute auch zum Thema Rechnungshof sprechen, das ja auch zu dieser UG gehört. Vielen Dank an Sie und an Ihr gesamtes Team! (Beifall bei den Grünen.)

Um gleich auf den Punkt zu kommen: Eine ausreichende budgetäre Ausstattung des Rechnungshofes ist eigentlich das Um und Auf. Er braucht diese auch, denn die Aufga­ben des Rechnungshofes sind sehr vielfältig; er prüft die Sparsamkeit und die Wirt­schaftlichkeit in der Verwaltung. Wie wir alle wissen, legt der Rechnungshof diese Grundsätze der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit ja nicht nur bei den geprüften Ein­richtungen an, sondern auch bei sich selber, und doch ist zu sehen – das ist uns im Budget auch aufgefallen, speziell an der Besetzung der Planstellen im Rechnungshof ‑, dass der Rechnungshof mit einem sehr knappen Budget arbeiten muss. Zum Beispiel ist es seit Langem nicht möglich, dass er für ihn vorgesehene Planstellen zur Gänze ausschöpfen oder besetzen kann. Deswegen freut es mich besonders, dass uns die Präsidentin erst letzte Woche im Budgetausschuss die doch freudige Nachricht mitteilen konnte, dass zumindest einige der offenen Planstellen nun auch besetzt werden können. Das ist auch eine sehr gute Nachricht für die Transparenz in diesem Land.

Am Wochenende haben wir weiters erfahren – von Ihnen, Frau Präsidentin; auf Ö1 war das –, dass der Rechnungshof nun auch einen Schwerpunkt auf die Prüfungen der Coro­namaßnahmen legen wird. Das ist eine Entscheidung, die ich nur sehr begrüßen kann


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 114

und die auch richtig und wichtig ist, da der Rechnungshof hier sicherlich seine lang­jährige Expertise einbringen kann und Empfehlungen aussprechen wird, die es uns dann ermöglichen, wenn es wieder zu so einer Katastrophe, zu so einer Krise kommt, die Rahmenbedingungen dementsprechend zu optimieren.

Eine gesunde budgetäre Ausstattung des Rechnungshofes ist aber auch deshalb wich­tig, weil wir im Regierungsprogramm einige Projekte mit dem Rechnungshof vorhaben: einerseits vor allem ein umfassendes Transparenzpaket, das wir gesetzlich verankern wollen. Auch da werden wir den Rechnungshof brauchen und wird eine dementspre­chende finanzielle Ausstattung benötigt. Es geht zum Beispiel darum, durch die Auswei­tung seiner Prüfkompetenzen mehr Transparenz in die Finanzen von Unternehmen zu bringen, an denen der Staat zumindest mit 25 Prozent beteiligt ist. Wir sind gerade dabei, das auszuarbeiten, und wir werden versuchen, das ehestmöglich umzusetzen. Wir wer­den auch mit allen Parteien hier das Gespräch suchen, damit wir zu einer bestmöglichen Umsetzung kommen.

Auch die längst überfällige Kontrolle der Parteifinanzen steht ganz oben auf unserer Prioritätenliste, damit die SteuerzahlerInnen endlich wissen, was die Parteien mit den Steuergeldern machen, die ihnen für ihre politischen Aufgaben zur Verfügung stehen. Das ist ja spätestens seit damals ein Thema, als aufgeflogen ist, dass Ex-FPÖ-Partei­obmann Strache wie in einem Selbstbedienungsladen seine Privatkosten mit Parteigel­dern bezahlen lassen haben soll. Damit wird sich auch der Untersuchungsausschuss in den nächsten Wochen beschäftigen.

Daher muss es unser aller Anliegen hier im Parlament sein, den Rechnungshof budgetär so auszustatten, dass er das bleiben kann, was er ist, nämlich ein verlässlicher und kompetenter Partner, der die Steuergeldverwaltung akribisch kontrolliert und uns durch seine Empfehlungen auch laufend auf mögliche Einsparungspotenziale in der Verwal­tung hinweist.

Ich möchte darauf hinweisen, dass kein Euro, den wir dem Rechnungshof zur Verfügung stellen, ein verlorener Euro ist. Wenn man sich anschaut, wie viel Geld alleine durch die Umsetzung von Rechnungshofempfehlungen Jahr für Jahr eingespart wird, dann ist klar, dass das Budget, das wir dem Rechnungshof zur Verfügung stellen, eine gute Investition ist, die uns bei Weitem nicht so viel kostet, wie es oft den Anschein hat. Je mehr Prü­fungen der Rechnungshof vornehmen kann und je mehr Empfehlungen für Einspa­rungen im System von der Politik aufgegriffen und umgesetzt werden können, desto mehr Geld sparen wir an den richtigen Stellen, nämlich dort, wo Einsparungen auch tat­sächlich sinnvoll sind.

Also noch einmal, Frau Präsidentin: Vielen Dank an Sie und an Ihr gesamtes Team! Vielen Dank für die Arbeit! – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.35


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Philipp Schrangl. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


13.35.41

Abgeordneter Mag. Philipp Schrangl (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Herren Volksanwälte! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren zu Hause vor den Fernsehschirmen!

Ich möchte mich in dieser Budgetdebatte ganz am Anfang einmal bei den Parlaments­diensten für die sehr gute Arbeit bedanken, beim Legislativdienst und auch beim Bud­getdienst, die uns ja dieses Budget aufbereitet haben und uns auch mitgeteilt haben,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 115

dass es eben nicht passt, wie wir heute schon oft gehört haben. Es ist ein Budget, das noch vor der Covid-19-Krise erstellt worden ist, und das Finanzministerium, der Herr Finanzminister und auch die Regierungsparteien haben es nicht für notwendig gehalten, das Parlament und somit auch Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren Bürger und Steuerzahler, über die neuesten Zahlen zu informieren – anders, als man das mit den Herren und Damen in Brüssel gemacht hat.

Wir sehen eine Reihe von Ausgabensteigerungen, und diese sehen wir kritisch. Da stellt sich zum Beispiel hinsichtlich des Parlaments die Frage, wofür wir diese enorm vielen neuen Planstellen für Public Affairs brauchen. Landläufig werden ja manche ORF-Landesstudios auch als Landeshauptmann-TV verunglimpft – ich hoffe, dass das nicht zu einem Parlamentspräsidenten-TV wird, sondern dass auch die Abgeordneten in diesem neuen Medium nach ihrer Stärke ordnungsgemäß vertreten sein werden. Gut ist die Verbesserung der Sicherheitseinrichtungen, das ist etwas, was sehr wichtig sein wird.

Dann kommen wir zu einem nächsten Punkt: Wenn man sich das Budget der gesamten Bundesgesetzgebung anschaut, also des Hohen Hauses, der Gesetzgebung, dann sieht man, dass dafür 0,23 Prozent des gesamten Budgethaushaltes aufgewendet werden. Schauen wir jetzt ein bisschen genauer hin, wie viel der Herr Bundeskanzler für sich aufwendet: Das Bundeskanzleramt braucht mehr als das Doppelte, und es ist eigentlich ein Wahnsinn, wenn ein einziger Bundeskanzler für seine Medienarbeit doppelt so viel braucht wie alle 183 Abgeordneten zusammen.

Herr Bundeskanzler, vielleicht schichten Sie ein bisschen etwas von Ihren neuen Plan­stellen zu den Gerichten um, denn die müssen sich nämlich in Zukunft öfter damit be­schäftigen, was Sie in den ganzen Pressekonferenzen für ein Chaos angerichtet haben, und diesen Blödsinn wieder geradebiegen! Vielleicht geben Sie auch ein paar Plan­stellen vom Bundeskanzleramt an das Finanzministerium ab, damit man dort die Mög­lichkeit hat, die Hilfen, die Sie den Unternehmerinnen und Unternehmern schon seit zwei Monaten versprechen, schneller auszuzahlen!

Weil mich Herr Kollege Stögmüller zuerst ein bisschen angespornt hat: Das sind alles so Dinge, da wären die Grünen früher auf die Barrikaden gestiegen! Und jetzt stimmt ihr einfach ganz ruhig mit, und es sagt auch niemand mehr etwas, sondern ihr seid dabei. Also ich möchte nie wieder hören, dass die Grünen die großen Korruptionsjäger sind. Und wenn Herr Kollege Stögmüller da auch noch den Namen unseres ehemaligen Bun­desparteiobmannes in den Mund nimmt, der sich aus Parteigeldern – das werden die Gerichte klären – wie auch immer bedient hat, dann frage ich Sie: Wann sagen die Grünen endlich, wie hoch der Vertrag des Herrn Lothar Lockl in der Bundespräsident­schaftskanzlei dotiert ist? Das sind nämlich öffentliche Gelder, und solange das nicht offengelegt wird, braucht ihr überhaupt nichts von anderen Leuten und anderen Parteien in diesem Zusammenhang zu reden. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

13.39


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Mag. Friedrich Ofenauer. – Bitte schön, Herr Abgeordneter. (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordne­ten von Grünen und FPÖ.)


13.39.44

Abgeordneter Mag. Friedrich Ofenauer (ÖVP): Herr Präsident! Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Herr Vizekanzler! Frau Minister! Geschätzte Herren Volksanwälte! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen im Hohen Haus! Geschätzte Zuseherinnen und Zu­seher! Irgendwie ist es ja doch so, wie Kollege Scherak zitiert hat: „Und täglich grüßt das Murmeltier“ – in diesem Fall nur alle Jahre oder alle zwei Jahre.


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Jedes Mal, wenn ein Budget diskutiert wird, kommt – je nach Standort, je nach Stand­punkt – die Schelte entweder von links oder von rechts, in diesem Fall von Kollegin Yildi­rim und von Kollegen Schrangl – dabei hätten Sie bei der Beantwortung der Budgetan­fragen, was die Leiharbeiter betrifft, nur richtig zuhören müssen, denn unser Bundes­kanzler Sebastian Kurz hat durchaus auch ausgeführt, dass unter den SPÖ-Bundes­kanzlern tatsächlich viele Leiharbeiter beschäftigt waren und diese Leiharbeiter jetzt nicht mehr beschäftigt werden, und genauso, dass der Budgetposten Repräsentations­ausgaben an frühere Zeiten angeglichen wurde, weil das zu niedrig budgetiert war. Wenn aber die Schelte von links und von rechts kommt, dann sind wir in der Mitte und liegen richtig.

Das Budget 2020 steht tatsächlich unter dem Eindruck der Coronakrise – einer Gesund­heitskrise, die uns eine weltweite Pandemie beschert hat. Auch das Wifo bestätigt – das werden Sie ja gehört haben –, dass sich diese Zahlen krisenbedingt tagtäglich ändern können, dennoch müssen wir das Budget 2020 beschließen, denn die Zahlen, auf die es wirklich ankommt – nämlich die Erhöhungen im Bereich der Justiz, der Polizei, des Bundesheeres, im Bereich der Forschung und des Klimaschutzes –, stimmen auf jeden Fall und die sind wichtig und richtig und notwendig. Genau deshalb müssen wir dieses Budget beschließen. Damit werden viele wichtige Projekte finanziell abgesichert, und gerade als Sprecher für den Bereich öffentlicher Dienst ist es mir wichtig, darauf hinzu­weisen, dass zum Beispiel im Bereich der Justiz 100 Planstellen für zusätzliches Per­sonal im Verwaltungsbereich, Planstellen für rund 40 Staatsanwälte und zehn Richter, fünf Planstellen für die Datenschutzbehörde und 96 in Justizanstalten geschaffen wer­den.

Was das Sicherheitsbudget betrifft: Schaffung von 1 184 Planstellen im Bereich der Exe­kutive, verbesserte Schutzausrüstung und technische Ausstattung, meine sehr ver­ehrten Damen und Herren! Das ist wichtig, denn der öffentliche Dienst – das hat sich in dieser Krise wieder bestätigt – ist eine tragende Säule unserer Gesellschaft. (Beifall bei der ÖVP.) Das haben wir in den letzten Tagen und Wochen bemerkt. Es hat sich gezeigt, wie wichtig diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind: vom Krankenhaus über das Pflegeheim, Polizei, Bundesheer, die Lehrerschaft und noch viele andere Bereiche. Sie repräsentieren die Republik auch als Dienstleister und haben die Coronakrise hervor­ragend gemeistert, genauso wie wir alle. Darauf können wir stolz sein.

Jeder wird Ihnen bestätigen, dass das Budget in der jetzigen Situation jederzeit neu ge­schrieben werden müsste, was die Ausgaben betrifft, aber dennoch, Herr Vizekanzler, möchte ich Ihnen noch einen Gedanken mitgeben, was das Thema Pensionierungen betrifft: Im öffentlichen Dienst wird es in den nächsten 13 bis 15 Jahren viele Pensio­nierungen geben. Ich ersuche, durch ein entsprechendes Personalmanagement – was die Nachfolge betrifft, was das Wissensmanagement betrifft – eine entsprechende Vor­sorge zu treffen, um die Fachkompetenz im öffentlichen Dienst zu erhalten.

Meine Damen und Herren, aufgrund der Coronakrise werden wir viele neue Schulden machen müssen. Es ist aber ein Glück, dass wir in den vergangenen Jahren gut ge­wirtschaftet haben, nach dem Motto: Spare in der Zeit, dann hast du in der Not. – Auch wenn wir jetzt viele Schulden aufnehmen müssen: Wir verfolgen eine solide und eine funktionierende Finanzpolitik im Interesse unseres Landes. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

13.43


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Abgeordneter Hoyos-Trauttmans­dorff. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


13.43.26

Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS): Herr Präsident! Frau Präsi­dentin des Rechnungshofes! Herr Vizekanzler! Frau Ministerin! Liebe Damen und Herren


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 117

der Volksanwaltschaft! Ich darf kurz zum Rechnungshofbudget, zur UG 06, reden: Na­türlich – das haben auch schon Vorredner hier gesagt; Niki Scherak hat vorhin gesagt, „täglich grüßt das Murmeltier“ – ist es schön, wenn das Budget des Rechnungshofes ein bisschen steigt. In diesem Fall bewegen wir uns in einem Bereich von knapp 3,2 Prozent. Das ist durchaus etwas, worüber man sich freut, aber die Situation ist trotzdem so, dass die Planstellen des Rechnungshofes nach wie vor nicht ausgeschöpft werden können, die Personalsituation ist nach wie vor sehr angespannt. Der Rechnungshof leistet mit seinen Ressourcen großartige Arbeit, aber die Ressourcen sind eben sehr eng be­messen.

Gerade in Zeiten der Krise muss man sich daher darüber Gedanken machen, wie wir die Ressourcen zur Verfügung stellen können, um über die Dinge, die hier passieren, Kon­trolle ausüben zu können. Der Rechnungshof hat glücklicherweise angekündigt, dass er konkret hinschauen wird, was die Förderungen betrifft, was den Härtefallfonds betrifft, was aber auch andere Maßnahmen während der Coronakrise betrifft. Als Parlament ist es unser Anliegen – beziehungsweise es muss unser Anliegen als Parlament sein –, dass dem Rechnungshof auch zukünftig genug Mittel zur Verfügung stehen.

Wir hatten in den letzten Jahren immer wieder die Situation, dass der Rechnungshof Rücklagen hat auflösen müssen, um seiner Arbeit nachkommen zu können. Wir sind dieses Jahr Gott sei Dank nicht in dieser Situation, aber wir müssen darüber hinaus schauen, dass es auch in den nächsten Jahren niemals zu einer derartigen Situation kommt.

Erhöhter Prüfungsaufwand: Da sprechen wir einerseits über Covid und alle Dinge, die rund um Covid passiert sind, und andererseits über Maßnahmen, die im Regierungspro­gramm angekündigt werden. Die Prüfung von Unternehmen ab 25 Prozent öffentlicher Beteiligung ist beispielsweise zu erwähnen, aber darüber hinaus auch andere Dinge, die ihr angekündigt habt. Wir warten auf das Transparenzpaket, ich hoffe, dass das kommt. All das wird auch weitere Investitionen in den Rechnungshof und auch mehr Geld für den Rechnungshof bedeuten müssen, damit es am Ende nicht heißt: Ja, der Rech­nungshof darf zwar mehr prüfen, aber eigentlich kann er nicht mehr prüfen, weil er nicht die entsprechenden Ressourcen hat.

Das heißt, Budget und Prüfungsaufgaben gehen natürlich immer Hand in Hand. Wir wer­den auch in Zukunft darauf schauen, dass der Prüfungsaufwand budgetär gedeckt wird und der Rechnungshof seiner Aufgabe gut nachkommen kann.

Wir werden heute zwei Selbständige Entschließungsanträge einbringen, weil wir eben diese Prüfung als so wichtig empfinden und weil wir es als wichtig empfinden, dass der Rechnungshof auch dort hinschauen kann, wo momentan sogenannte Prüfungslücken sind. Das ist zum Beispiel im Gemeindebereich der Fall – Sie wissen es, Frau Prä­sidentin –: Es gibt Bereiche, wo nicht klar ist, ob der Landesrechnungshof oder der Bun­desrechnungshof für die Prüfung zuständig ist. Dazu bringen wir einen Entschließungs­antrag ein. Darüber hinaus bringen wir einen Entschließungsantrag zum Thema ge­meinnützige Bauvereinigungen ein. Auch dieses Thema kennen wir schon und haben wir hier schon einmal diskutiert.

Ich glaube, dass die Arbeit, die Kontrolle des Rechnungshofes gerade in Zeiten der Krise, gerade in Zeiten, in denen es ein erhöhtes Maß an Aufgaben oder Aufwand auf­seiten der Republik gibt, weil eben Förderungen ausbezahlt werden, weil es gewisse Notfallmaßnahmen gibt, nicht zu unterschätzen ist. Dementsprechend müssen wir auch in Zukunft darauf schauen, dem Rechnungshof jene Mittel zur Verfügung zu stellen, die er notwendigerweise braucht, um seine Aufgaben erfüllen zu können. Dafür haben Sie, Frau Präsidentin, auch in Zukunft unsere volle Unterstützung. (Beifall bei den NEOS.)

13.47



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 118

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag.a Faika
El-Nagashi. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


13.47.09

Abgeordnete Mag. Faika El-Nagashi (Grüne): Herr Präsident! Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Die Herren Volksanwälte! Herr Vizekanzler! Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Integrationsbudget hat eine wesentliche Aufgabe, näm­lich ein Chancenbudget zu sein, ein Zukunftsbudget, und ich würde auch so weit gehen, zu sagen, ein partizipatives Budget. Damit kann es ein Budget des Zusammenhalts sein, ein Budget der Inklusion und auch ein Budget der Vielfalt. Das ist möglich durch die Integrationsarbeit der unzähligen Projekte, der Initiativen und der Vereine, die in diesem Bereich tätig sind. 2020 werden es 128 Projekte sein, die mit nahezu 13 Millionen Euro gefördert oder kofinanziert werden. (Beifall bei den Grünen.)

Das ist eine beachtliche Zahl, aber ich möchte auch auf jene Vereine, Projekte und Initia­tiven eingehen, die unbezahlt, im Ehrenamt, ohne Förderung ihre Arbeit leisten und auch in den vergangenen Wochen ihre Arbeit kontinuierlich, niederschwellig und bedarfsorien­tiert geleistet haben.

Das sind Vereine, die Menschen aus der Isolation geholt haben, wie zum Beispiel der Verein Fremde werden Freunde, der gemeinsam mit dem ORF über die Social-Media-Kanäle des ORF Informationen mehrsprachig – auf Arabisch und auf Farsi – zur Ver­fügung gestellt hat, um die Bevölkerung in Österreich zu informieren und ständig auf dem Laufenden zu halten. Das sind Initiativen wie die vielen Mentoring- und Paten­schaftsprojekte, die Menschen miteinander verbinden, auch virtuell, etwa die Initiativen PatInnen für alle oder auch Start with a Friend. Das sind Vereine und Gruppen, die Mög­lichkeiten für Jugendliche geschaffen haben, über ihre Anliegen, Sorgen und Probleme zu sprechen, wie die Muslimische Jugend Österreich oder der Verein Afghanische Ju­gendliche – Neuer Start in Österreich. Das sind Vereine wie Fibel oder Ehe ohne Gren­zen, die in dieser sehr schwierigen Zeit bikulturelle und binationale Familien begleitet haben, in einer Zeit, in der die Familienangehörigen nicht gewusst haben, ob sie sich wiedersehen können, wann sie sich wiedersehen können und das zum Teil immer noch nicht wissen. Das sind Vereine und Initiativen wie Miteinander Lernen und Orient Ex­press, die Migrantinnen dabei unterstützt haben, auch in dieser Zeit Deutsch zu lernen, sie darin unterstützt haben, weiterhin unabhängig zu sein. Das sind Vereine wie das Integrationshaus und die Asylkoordination, die der Desinformation entgegengewirkt und sich für die Rechte der Betroffenen eingesetzt haben. Das sind Vereine wie Queer Base, der mit lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans- und intersexuellen Geflüchteten zu­sammenarbeitet, die Schwarze-Frauen-Community, die Dokustelle Islamfeindlichkeit und antimuslimischer Rassismus und die Beratungsstelle Zara – Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit –, die auf die Lebensrealitäten von Menschen aufmerksam machen, die Rassismus und Diskriminierung erleben.

Ohne all diese Vereine und Initiativen, die zum Teil unbezahlte Arbeit machen, wäre Integrationsarbeit in Österreich nicht möglich. Diese Initiativen machen Integrations­arbeit in Österreich feministisch, antirassistisch, inklusiv und intersektional, und genau so sollte Integrationspolitik in Österreich auch sein. (Beifall bei den Grünen.)

Wir haben deswegen im Regierungsprogramm auch festgehalten, dass Integration ein Querschnittsbereich ist, dass wir die interkulturelle Kompetenz vor allem im Bildungs­bereich erhöhen werden, dass wir in der staatlichen Verwaltung und in staatsnahen Be­trieben auf Diversitymanagement und -monitoring setzen werden und dass wir eine poli­tische Verantwortung im Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung haben.

Integrationspolitik in diesem Sinne ist Frauenpolitik, ist Bildungspolitik, ist Sozialpolitik, und Integrationspolitik schafft damit Chancen, Zukunft und Zusammenhalt. Das ist nur


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 119

mit der Zivilgesellschaft und durch die Zivilgesellschaft möglich, das verdient nicht nur Dank, sondern das verlangt nach Dialog, nach kontinuierlichem Dialog und nach nach­haltigen Strukturen, die das ermöglichen und absichern. Dafür werde ich mich und dafür werden wir uns auch weiterhin einsetzen. – Danke. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Ku­charowits: Auch beim Budget!)

13.51


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag.a Karin Grei­ner. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


13.52.08

Abgeordnete Mag. Karin Greiner (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Als Rechnungshofsprecherin möchte ich einen Punkt aufgreifen, den der Rech­nungshof auch prüfen wird, nämlich den Härtefallfonds, über den 2 Milliarden Euro an Steuergeldern ausbezahlt werden sollen. Wir wissen, der Herr Finanzminister hat die Abwicklung des Härtefallfonds an die Wirtschaftskammer Österreich ausgelagert. Das ist eigentlich nicht die ureigenste Aufgabe der Wirtschaftskammer und auch kein Kompli­ment für die Bediensteten des Finanzministeriums. (Beifall bei der SPÖ.)

Wie läuft die Handhabung des Härtefallfonds? – Viele Betroffene haben sich wirklich ratlos gezeigt, weil proklamiert wurde, die Antragsabwicklung erfolge rasch, sie erfolge vor allem unbürokratisch. Wie aber sehen das die Unternehmerinnen und die Unterneh­mer, die EPUs, die KMUs? – Sie sind mit einem 15-seitigen Antrag konfrontiert, mit mehrmaligen Versuchen, diesen zu stellen, wenn man nicht wirklich mit der Materie vertraut ist. Man hat ihn schließlich den Steuerberatern übergeben. Selbst dann wurden Anträge mit der Begründung, sie seien mangelhaft ausgefüllt, zurückgeworfen. Die Leute wurden im Kreis geschickt. Es bedurfte also mehrerer Anläufe, einer großen Portion Ge­duld.

Hat es sich wenigstens gelohnt? – Leider nein, denn der Großteil der Unternehmerinnen und Unternehmer wartet nach wie vor auf Unterstützung. Viele wissen nicht, ob ihr Ge­schäft überleben wird, viele sind wirklich verunsichert. Heute Vormittag sagt der Herr Finanzminister großmütig: Die Hilfe kommt an! – Wo hat der Herr Finanzminister hin­geschaut? (Beifall bei der SPÖ.) Er sollte seinen Blick von seinem Handy abwenden, hin zum wirklichen Leben. Man hat die UnternehmerInnen dazu befragt – wir haben eine aktuelle Umfrage da –: 66 Prozent der EPUs und 63 Prozent der KMUs geben der Hand­habung des Härtefallfonds ein Nicht genügend. – Wir von der SPÖ haben den Rech­nungshof ersucht, den Härtefallfonds zu überprüfen. Die Frau Präsidentin hat sich am Wochenende auch medial dazu geäußert und erfreulicherweise findet das auch statt. Sehr geehrte Damen und Herren, da geht es um Steuergeld und da brauchen wir volle Transparenz!

Einen Punkt möchte ich noch kurz ansprechen, der betreffend Prüftätigkeit sehr sensibel ist, und zwar Betreuungseinrichtungen und Pflegeeinrichtungen. Wie ist es diesen in der Krisenzeit ergangen? Wie haben sie agiert? Wie ist es den dort Betreuten ergangen? – Die Frau Rechnungshofpräsidentin hat sich dazu positioniert, wir haben das in Gesprä­chen vorher auch schon geklärt: Bei Prüfungen von Betreuungseinrichtungen wird der Fokus nicht ausschließlich auf den wirtschaftlichen Faktor gelegt. Warum nicht? – Es geht vor allem um gesundheitsrelevante Fragen, es geht um den sensiblen sozialen Bereich. Wir haben aus den Prüfungen, die uns in naher Zukunft hierzu vorliegen wer­den, Schlüsse zu ziehen und dann die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Frau Präsidentin Kraker, ich darf mich abschließend bei Ihnen und bei all Ihren Mitarbei­terinnen und Mitarbeitern für die konstruktive Zusammenarbeit bedanken. (Beifall bei der SPÖ.)

13.55



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 120

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Ni­kolaus Berlakovich. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


13.55.42

Abgeordneter Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Vertreter der Volksanwaltschaft! Vertreter des Rechnungshofes! Hohes Haus! Vor Kurzem haben wir der Gründung der Zweiten Republik aus den Trüm­mern des Zweiten Weltkriegs vor 75 Jahren gedacht. Gedacht wurde auch eines Ereig­nisses, das zehn Jahre später stattgefunden hat, nämlich der Unterfertigung des öster­reichischen Staatsvertrages vor 65 Jahren. Er hat dieser neuen Republik und den Men­schen hier in Österreich die Freiheit gebracht, er war aber auch von großer Bedeutung für die österreichischen Volksgruppen. Zu diesem Thema darf ich sprechen, denn erst­mals wurden im Staatsvertrag die österreichischen Volksgruppen erwähnt und ihre Rechte festgeschrieben, nämlich im Artikel 7. Im Wesentlichen geht es dabei erstens um das Recht auf Amtssprache, zweitens um das Recht auf eine mehrsprachige Ausbildung und drittens um das Recht auf topografische Aufschriften.

In diesen 65 Jahren ist für die Volksgruppen sehr viel passiert, das Volksgruppengesetz wurde erlassen, die Volksgruppenbeiräte wurden gegründet, es wurde eine finanzielle Unterstützung für die Volksgruppen geschaffen, und zweisprachige topografische Auf­schriften wurden im Burgenland und in Kärnten – wenn auch erst nach Jahrzehnten – eingeführt.

Man könnte meinen, dass alles in Ordnung ist. – Leider nein, ist es nicht. Vor einiger Zeit hat die Europäische Kommission eine Studie in Auftrag gegeben, um zu erfahren, zu erforschen, wie es denn um die Volksgruppen, um die Minderheiten in Europa steht. Das Ergebnis ist ziemlich bedrückend: 80 Prozent der europäischen Volksgruppen sind in ihrer Existenz gefährdet. Das ist deswegen sehr bedauerlich, weil die Einzigartigkeit unseres gemeinsamen Europas die kulturelle und die sprachliche Vielfalt ist. Das gilt nicht nur für große Sprachgruppen und Kulturgruppen, sondern auch für viele kleine. Diese Vielfalt macht die Einzigartigkeit Europas und auch Österreichs aus.

In Österreich ist die Situation eine ähnliche. Wir haben in der Staatszielbestimmung fest­geschrieben, dass sich die Republik Österreich zu ihrer gewachsenen sprachlichen und kulturellen Vielfalt bekennt, ihr unterstützend gegenübersteht und diese auch fördert. Daher ist es wichtig, dass wir da aktiv sind. Wir haben das bei den Regierungsver­handlungen gemacht. Wir, Kollegin Voglauer, Kollegin Blimlinger, Präsident Sobotka, Bundesministerin Raab – danke für die Initiative –, haben gemeinsam ein Programm aufgestellt, das hinsichtlich Volksgruppen sehr breit gefasst und sehr positiv ist.

Zum einen wurde eine zeitnahe Erhöhung der Volksgruppenförderung festgeschrieben. Leider geht sich das aufgrund der vorhin diskutierten Schwierigkeiten aufgrund von Co­rona und der finanziellen Nöte jetzt nicht aus, aber immerhin bleibt die Volksgruppen­förderung nominell gleich. Das begeistert die Volksgruppenvertreter weniger, sie haben sich mehr erhofft. Es wird notwendig sein, in den nächsten Jahren eine Erhöhung der Volksgruppenförderung zu veranlassen, weil auch das ein Impuls für die regionale Wirt­schaft ist und wir das brauchen.

Wichtig ist aber auch, dass Publikationsorgane der österreichischen Volksgruppen, wie es zum Beispiel bei den burgenländischen Kroaten die „Hrvatske novine“ oder bei den Kärntner Slowenen die „Novice“ ist, abgesichert werden. Das sind zentrale Blätter, die die Bevölkerung informieren, und damit wird die Sprache gelebt und auch am Leben erhalten. Von zentraler Bedeutung ist auch der Sendeplatz im ORF und die Verwendung der Sprache in den öffentlich-rechtlichen Medien.

Danke an Bundesministerin Raab, sie hat sich bereits mit den Volksgruppenvertreterin­nen und -vertretern zusammengesetzt. Wichtig ist der permanente Dialog, und wichtig


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ist in unserem eigenen Interesse auch, dass wir gemeinsam etwas für die österreichi­schen Volksgruppen erreichen. – Srdacno hvala da ste me poslušali. Vielen Dank. (Bei­fall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

13.59


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Gerald Loa­cker. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


13.59.36

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bun­desministerin! Frau Rechnungshofpräsidentin! Hohes Haus! Ich spreche zur Unterglie­derung 17, das betrifft die Beamten. Der Herr Vizekanzler ist leider nicht da, aber es wird ihm sicher berichtet, was ich dazu sage. Viele Erwerbstätige sind jetzt von Kurzarbeit betroffen, sind von Arbeitslosigkeit betroffen, Unternehmer stehen vor ihrem Ruin. Nicht betroffen sind zwei Berufsgruppen: die öffentlich Bediensteten und die Politiker, die haben ein fixes Einkommen, mit dem sie jeden Monat sicher rechnen können. Gerade deswegen ist es jetzt schon wichtig, einen Blick auf die Dienstrechtsverhandlungen im Herbst zu haben und sich bewusst zu machen, welche budgetären Folgen das hat, was da vereinbart wird.

In den letzten beiden Jahren haben die öffentlich Bediensteten großes Glück gehabt. 2017 war Wahlkampf, und so ist 2018 eine schöne, dicke Gehaltserhöhung dahergekom­men. 2018 haben wir eine Übergangsregierung gehabt, die keine politische Rückende­ckung hatte, und so war es für die Gewerkschaft ein Leichtes, den Minister einigermaßen über den Tisch zu ziehen und ein dickes Paket auszuverhandeln, obwohl der EuGH mit der Vordienstzeitenanrechnung dem öffentlichen Dienst gerade ein 400-Millionen-Euro-Paket hinübergeschoben hatte.

Die Kosten sind deutlich gewachsen, die Biennalsprünge schlagen jedes Jahr im Schnitt mit 1,1 Prozent zu Buche – also da ist eine sehr hohe Dynamik drin –, und jetzt wird der öffentliche Dienst mit 1 340 Planstellen noch zusätzlich aufgeblasen. Es wäre an der Zeit, sich zu überlegen: Wie gehe ich als Arbeitgebervertreter, wie gehe ich als Vize­kanzler Kogler in die Verhandlungen mit der Gewerkschaft im Herbst? Der Arbeitgeber müsste der Gewerkschaft erstmalig auch mit eigenen Forderungen gegenübertreten. Ich habe im Budgetausschuss den Vizekanzler danach gefragt, und er hat mich quasi wissen lassen, dass er mit der Einstellung des H.-C. Strache in die Verhandlungen ge­hen wird, nämlich ohne Gegenforderung, und einfach die Politik des Verteilens weiterma­chen wird. – So kann man nicht arbeiten.

In der aktuellen Krise bangen zwei Millionen Österreicher um ihre finanzielle Zukunft – mindestens! –, die öffentlich Bediensteten haben das Glück, dass sie von ihrem Einkom­men her am allerwenigsten betroffen sind, weder Arbeitslosigkeit noch Kurzarbeit noch Konkurs müssen sie fürchten, daher wäre es Zeit, mit Gegenforderungen in die Ver­handlungen zu gehen und zum Beispiel alte Zöpfe wie die bezahlte Mittagspause ab­zuschaffen, denn viele Menschen, die jetzt keinen Job haben, wären froh, wenn sie we­nigstens eine unbezahlte Mittagspause machen dürften. (Beifall bei den NEOS.)

14.02


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dipl.-Ing. Olga Voglauer. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


14.02.35

Abgeordnete Dipl.-Ing. Olga Voglauer (Grüne): Herr Präsident! Gospod president! Spoštovane dame in gospodje! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Vertreter der Volksanwaltschaft und des Rechnungshofes! Der Umgang mit seinen Volksgruppen ist die Visitenkarte eines Landes. Im vorliegenden Budget sind


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für die Volksgruppenförderung etwas mehr als 3,8 Millionen Euro vorgesehen – ein nicht allzu hoher Budgetrahmen für Österreichs Volksgruppen, vor allem ein Budgetrahmen, der seit 25 Jahren nicht mehr erhöht wurde; also in Wirklichkeit ist dieses Budget die Hälfte wert.

Wenn sich bei mir in der Früh meine Familie trifft, dann begrüßen wir uns mit einem herzlichen: Dobro jutro! – Guten Morgen! –, so wie es viele Familien tun, die sich einer Volksgruppe angehörig fühlen. Ja, 75 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs werden diese Sprachen unserer Volksgruppen nach wie vor gesprochen. Sie gehören zu unse­rem Alltag in Österreich und in den Bundesländern, und das Sprechen dieser Sprachen ist keine Selbstverständlichkeit.

Es gibt in jeder Sprache ein herzliches: Dobro jutro!, genauso aber auch ein: Lahko noc! – Gute Nacht! Während unsere Kinder in Kärnten zum Beispiel unbekümmert das slowenische Gymnasium besuchen können und sich um den Erhalt ihrer Schule nicht irgendwie zu kümmern brauchen, wissen tschechische Schüler der tschechischen Volks­gruppe in Wien, dass deren Eltern und Schulerhalter jährlich darum kämpfen, die Schule zu erhalten. – Beides findet in Österreich statt. Den Verlust an angewandter Sprache, an gelebter Kultur und Tradition, an gelebter Bildung, all das können wir mit Geld nicht ausgleichen – die Weichen für eine gute Zukunft stellen können wir allemal! Daran wer­den wir gemessen.

Es sind diese reichen Sprachen, diese vielschichtigen Kulturen und ihre Kunst, landes­weit und international gepriesen und ausgezeichnet, diese Lebensart mehrerer Kulturen: All das braucht Raum, braucht Schutz und braucht Anerkennung – nicht nur in Kärnten, sondern überall, wo Volksgruppen leben. Volksgruppen, die nicht um ihre Existenz und ihren Fortbestand bangen müssen, das würde unser Land auszeichnen.

Für Volksgruppen und ihre Institutionen ist das Budget immer eine Frage der Existenz, immer eine Frage der eigenen Aufopferung, denn was finanziell nicht abgegolten werden kann, wird ehrenamtlich geleistet. Diese ehrenamtlichen Leistungen sind über die Jahre in allen Volksgruppen jährlich stärker geworden, und sie können nicht Basis dessen sein, was wir in Zukunft als eine angemessene Förderung ansehen werden. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es ist unsere Aufgabe, den österreichischen Volksgruppen ein gutes Fundament mit ei­ner angemessenen Förderung zu geben, dass wir diese Identität, die zu Österreich gehört, weiterentwickeln, zukunftsweisend in ein: Dobro jutro!, und nicht in ein: Lahko noc! Es ist unsere Aufgabe, gezielt zukunftsorientierte und moderne Volksgruppenförde­rung aufzubauen, und das bedeutet Investition in Kompetenz und Identität – Kompetenz und Identität, zwei wichtige und seit jeher tragende Säulen unseres schönen Österreich mit all seinen Menschen, die hier leben, mit allen Volksgrupppen, mit allen Minderhei­ten. – Hvala lepa, danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

14.06


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Christian Drobits. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


14.06.36

Abgeordneter Mag. Christian Drobits (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Volksanwaltschaft und des Rechnungshofes! Hohes Haus! Werte Zuseherinnen und Zuseher vor dem Bildschirm! Wir haben die tiefste Wirtschaftskrise seit 1945, viele sind in ihrer Existenz gefährdet, egal ob Arbeitnehmer oder Unternehmer, und viele wollen Wahrheit und Fairness erfahren.

In diesem Budget finden sie weder Wahrheit noch Fairness. Hinsichtlich Budgetwahrheit sieht man gar nichts, da ist nämlich alles unklar. Seit zehn Wochen gibt es eine be­harrliche Realitätsverweigerung, und diese wird auch abgebildet. Fairness findet man


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deshalb nicht, weil genau diese Gruppen seit der Abschaffung des Epidemiegesetzes nunmehr nicht entschädigt werden können und so nicht in der Lage sind, weiter zu existieren.

Schaut man sich nun diese Fairness und diese Wahrheit und die obersten Organe an, so sieht man, dass da eine krasse Diskrepanz besteht. Worin liegt diese?

Erstens: oberste Organe, Bundesgesetzgebung: Hinter mir sitzt der Dritte Nationalrats­präsident, der in Bezug auf den Personalplan in der Präsidentschaftskanzlei etwas ge­fragt wurde. Er hat dann eine Frage gestellt, und es wurde ihm seitens des Ersten Präsidenten gesagt, diese Frage passe nicht zum Budget. Das Einvernehmen nach § 14 der Geschäftsordnung wurde somit nicht hergestellt. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Die Zweite Nationalratspräsidentin wurde gar nicht nach dem Personalplan gefragt. – Das ist nicht das Einvernehmen, das wir wollen. (Beifall bei der SPÖ.)

Einvernehmen ist dem Demokratieverständnis entsprechend notwendig, und, Herr Kol­lege Gerstl, Demokratieausbau heißt für mich nicht Demokratieeinschränkung, indem die beiden anderen Nationalratspräsidenten ausgeschlossen werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein weiterer Punkt: Präsidentschaftskanzlei, 300 000 Euro Erhöhung der Repräsenta­tionsaufgaben. Was rechtfertigt diese 300 000 Euro, wenn derzeit überhaupt keine Fest­aktivitäten stattfinden, wenn durch Corona keinerlei Reisen notwendig sind? Die Antwort von Bundesministerin Edtstadler war, das werde nach der Coronakrise schon kommen. Ich hoffe nicht, dass das der Ansporn für unseren Bundespräsidenten war, nach 23 Uhr einen Lokalaugenschein vorzunehmen.

Ich glaube auch nicht, dass der Herr Bundeskanzler – der jetzt nicht da ist – weiß, dass er im Endeffekt ein eigenes System aufgebaut hat. Dieses System heißt: Kontrolle über die Kontrolle durch Kontrolle, Kontrolle zum Quotienten. Was heißt das genau? – Er hat 6,5 Millionen Euro für diesen Bereich bereitgestellt. Diese 6,5 Millionen Euro beinhalten zwei Kleingruppen mit jeweils fünf Mitgliedern; die Zahl fünf dürfte die Lieblingszahl sein. Diese fünf Mitglieder sind Think Austria, wo bekanntlich Frau Mei-Pochtler den Vorsitz hat, und Büroleiter, die er bezahlt. Und dieses System, das da aufgebaut worden ist, geht an der parlamentarischen Kontrolle vorbei.

Meiner Meinung nach haben wir die Aufgabe, darauf zu achten, dass grundsätzlich das Sparen im System erfolgt. Momentan habe ich das Gefühl – wenn ich das Budget be­trachte, in dem die Repräsentationsausgaben mittlerweile das 4,4-Fache ausmachen, in dem es mittlerweile eine 23-prozentige Steigerung des Etats im Bundeskanzleramt gibt –, dass im Endeffekt das Sparen bei anderen angesagt ist, und das Sparen im System heißt beim Herrn Bundeskanzler: sparen, aber noch nicht zum richtigen Zeitpunkt jetzt bei mir, sondern bei den anderen! – Das wollen wir nicht, das ist purer Luxus!

Ich sage ganz klar: Wir wollen nicht, dass bei den Kleinen gespart wird, sondern wir wollen, dass bei den obersten Organen gespart wird – und das ist im Budget nicht er­sichtlich. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

14.10


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Hermann Gahr. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


14.10.55

Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Mein Vorredner hat jetzt alles schlechtgemacht. (Ruf bei der SPÖ: Das Richtige gesagt!) Ich darf feststellen, dass das Budget 2020 für alle hier eine besondere Herausforderung darstellt. Es geht um riesige Herausforderun­gen, es geht um Investitionen, gezielte Investitionen in die Sicherheit, es geht um den


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Schutz vor Naturgefahren, es geht um erneuerbare Energie, aber es geht vor allem da­rum, meine Damen und Herren, dass wir in Arbeit und Wirtschaft investieren: einerseits, um bestehende Arbeitsplätze zu sichern, und andererseits, um den Wirtschaftskreislauf wieder in Schwung zu bringen.

Wir sollten auch darauf Bedacht nehmen, dass der österreichische Rechnungshof immer wieder aufzeigt, dass wir in unserem Land sparsam, wirtschaftlich und transparent wirt­schaften. So kann man, glaube ich, feststellen, dass das Budget für den österreichischen Rechnungshof von 36 Millionen Euro – eine Steigerung von 3,83 Prozent – gut investiert ist, weil es damit Planungssicherheit und Stabilität gibt. Der Rechnungshof kann also seinem Auftrag nachkommen.

Es geht darum, dass wir die zukünftigen Herausforderungen annehmen. Im Septem­ber 2019, vor den Nationalratswahlen, hat es den Beschluss zum Parteiengesetz gege­ben, der ein Verbot von Großspenden und die Verschärfung bei Geldbußen beinhaltet.

Wichtig ist auch – wir haben das heute schon öfter gehört –, dass wir die Maßnahmen, die aufgrund von Covid gesetzt wurden und werden, möglichst zeitnahe prüfen. Frau Präsident des Rechnungshofes, ich glaube, das ist eine riesige Herausforderung.

Zusätzlich wird im Rechnungshof gezielt in IT investiert. Die Frau Präsident hat es im Budgetausschuss festgestellt: Es geht darum, dass wir den Wissensaustausch und die Vernetzung in allen Bereichen ermöglichen, um Doppelgleisigkeiten zu vermeiden.

Abschließend darf ich hier noch einen Punkt erwähnen: Der Rechnungshof hat immer wieder gesagt, dass die Zahl der Akut- und Intensivbetten in Österreich reduziert werden sollte. Hin und wieder passiert aber etwas, und in der heurigen Krise haben wir diese Akutbetten durchaus gebraucht. In anderen Ländern hat es einen Mangel daran gege­ben, was zu dramatischen Situationen geführt hat. Frau Rechnungshofpräsident, ich meine, man sollte das Ganze überdenken und dabei die Langfristigkeit und Nachhaltig­keit sehen, aber es geht vor allem darum, dass wir der Bevölkerung, wenn es Anlässe und Fälle wie Corona gibt, Sicherheit bieten können.

Abschließend darf ich mich für die Zusammenarbeit bedanken. Ich glaube, wir sollten gemeinsam die zukünftigen Herausforderungen bewältigen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

14.14


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wolfgang Zan­ger. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


14.14.06

Abgeordneter Wolfgang Zanger (FPÖ): Ja, für mich ist das heute zum Teil, muss ich sagen, ein Freudentag, und das habe ich der Frau Präsidentin des Rechnungshofes zu verdanken. Ich möchte euch und auch Ihnen, Frau Präsidentin, gleich erzählen, warum das so ist.

Vor ziemlich genau 14 Tagen sind wir hier herinnen gesessen, und zwar im Budgetaus­schuss zur Besprechung eines Budgets, das das Papier, auf dem es geschrieben steht, zwar nicht wert ist, aber wir erfüllen schon unsere Pflichten. Damals habe ich Sie gebeten, zu berücksichtigen, dass es meiner Meinung nach notwendig wäre, im Rech­nungshof eine Sondereinheit einzurichten, die all die schwarz-grünen Coronaknüller zu prüfen hat. Nach dem zu schließen, was Sie, Frau Präsidentin, am Wochenende bekannt gegeben haben, haben Sie das jetzt getan, und Sie werden sich diesen Coronaknüllern widmen.

Einer dieser Knüller ist der Soforthilfefonds – es geht also um dessen Prüfung –, den Sie gleich einmal kritisch hinterfragen wollen; so nehme ich das wahr. Dieser Soforthilfe­fonds hat ja tatsächlich für Aufsehen gesorgt, und ich habe mir dann die Mühe gemacht,


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bei den Steuerberatern, die mir bekannt sind, beziehungsweise bei ihren Angestellten nachzufragen, wie es denn tatsächlich mit den Anträgen ausschaut: Wie viele werden da eingereicht? Wie viele kommen positiv beschieden zurück? Und der Eindruck, den ich hatte, war – das ist ohnehin schon beschämend genug –, dass vielleicht 10 Prozent der eingereichten Anträge positiv beschieden wurden.

Ich muss sagen, das deckt sich auch mit meiner Wahrnehmung, denn in meinem Umfeld kenne ich keinen Coronainfizierten und schon gar keinen Coronatoten, aber auch kei­nen, der irgendeine Soforthilfe gekriegt hätte.

Wie wir jetzt wissen, sind von dem mit 2 Milliarden Euro dotierten Soforthilfefonds rund 120 Millionen Euro ausbezahlt worden. Da sind wir noch ein bisschen unter der Quote, da ist es ja so, dass fast 95 Prozent nichts bekommen haben.

Jetzt frage ich mich auf der einen Seite, wie das passieren kann – das werden Sie prüfen, Frau Präsidentin –, aber auf der anderen Seite, wofür man so etwas prüft, was ohnehin das Finanzamt auch prüfen wird, wobei es in Wirklichkeit um eine verschwindend ge­ringe Summe geht.

Ich würde anregen, dass man die Cofag prüft, denn es ist ja das eigentliche Versagen des Parlaments, der schwarzen und grünen Abgeordneten, dass wir eine Finanzierungs­agentur des Bundes haben, eine Coronafinanzierungsagentur, die von zwei Geschäfts­führern geleitet wird – natürlich einem schwarzen und einem grünen; es geht dort um einen Topf von 15 Milliarden Euro, die praktisch freihändig, ohne Kontrolle vergeben werden (Zwischenruf bei der ÖVP) – und nicht dem parlamentarischen Interpellations­recht unterliegt. Das ist ja der wahre Knüller! Ich wünsche mir, Frau Präsidentin, dass der Rechnungshof auch da hineinschaut, und zwar sehr, sehr genau! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Zum konkreten Budget: Frau Rechnungshofpräsidentin, Sie haben den Wunsch ge­äußert, dass Sie von 282,5 Vollbeschäftigungsäquivalenten auf 290 aufstocken können. Das ist natürlich ein legitimer Wunsch und dafür finden Sie auch unsere Unterstützung, denn auch wir haben ja Wünsche, insbesondere wenn es um eine Erweiterung und Ausweitung der Prüfkompetenzen des Rechnungshofes geht. Ein schon lange gehegter Wunsch, den wir auch immer wieder in Anträge fassen, ist, dass der Rechnungshof Un­ternehmen prüfen soll, die eine 25-prozentige staatliche Beteiligung aufweisen – also nicht erst ab einer 50-prozentigen.

Wir legen wieder einen entsprechenden Entschließungsantrag vor, den ich hiermit ein­bringe:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ausweitung der Prüfkompetenz des Rechnungshofes“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzu­leiten, in der das Bundes-Verfassungsgesetz und das Rechnungshofgesetz dahinge­hend geändert werden, dass die Prüfkompetenz des Rechnungshofes ausgeweitet wird, um Unternehmen, an denen die öffentliche Hand mit mindestens 25 Prozent beteiligt ist, prüfen zu dürfen.“

*****

Ich hoffe auf Zustimmung und darauf, dass ein lange gehegter Wunsch endlich einmal in Erfüllung geht, aber noch mehr wünsche ich mir, dass Sie bei all den schwarz-grünen


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 126

Coronaknüllern, die da jetzt vom Parlament verabschiedet wurden, fündig werden. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

14.18

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Zanger und weiterer Abgeordneter

betreffend Ausweitung der Prüfkompetenz des Rechnungshofes

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 7 über den Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (55d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundes­voranschlages für das Jahr 2020 (Bundesfinanzgesetz 2020 –BFG 2020) samt Anla­gen (183d.B.) – UG 6 – in der 32. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 26. Mai 2020

Für die Kontrolle wirtschaftlicher Unternehmen durch den Rechnungshof ist derzeit ent­weder eine mindestens 50-prozentige Beteiligung, oder eine gleichzuhaltende tatsäch­liche Beherrschung durch die öffentliche Hand (Bund, Länder, Gemeinden mit mindes­tens 10.000 Einwohnern oder RH-unterworfene Rechtsträger) vorgesehen. Bei einigen Unternehmen, an denen die Republik beteiligt ist, werden derzeit nur ca. 25 Prozent gehalten.

So zeigt ein internationaler Vergleich von entsprechenden Zuständigkeitsregelungen et­wa, dass im Unternehmensbereich eine Prüfungszuständigkeit von Einrichtungen der externen öffentlichen Finanzkontrolle bereits bei jedweder Beteiligung der öffentlichen Hand besteht (wie bspw. der Obersten Rechnungskontrollbehörden von Ungarn und Polen). Aber auch auf nationaler Ebene ist in mehreren Bundesländern das Beteiligungs­ausmaß zur Auslösung einer Prüfung herabgesetzt. So haben die Länder Burgenland, Kärnten, Salzburg und Steiermark eine Kontrolle von Unternehmen durch den Landes­rechnungshof schon ab einer 25-prozentigen Beteiligung vorgesehen.

Eine entsprechende Prüfungskompetenz sollte auch für den Bundesrechnungshof vor­gesehen werden und in Artikel 126b Abs. 2, Artikel 127 Abs. 3 und Artikel 127a Abs. 3 B-VG sowie in § 12 Abs. 1, § 15 Abs. 1 und § 18 Abs. 1 RHG somit die Wortfolge in „25 vH“ anstelle von „50 vH“ geändert werden.

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzu­leiten, in der das Bundes-Verfassungsgesetz und das Rechnungshofgesetz dahinge­hend geändert werden, dass die Prüfkompetenz des Rechnungshofes ausgeweitet wird, um Unternehmen, an denen die öffentliche Hand mit mindestens 25 Prozent beteiligt ist, prüfen zu dürfen.“

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht somit in Verhandlung.

Zu einer Stellungnahme hat sich die Präsidentin des Rechnungshofes, Frau Dr. Margit Kraker, zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Präsidentin. (Abg. Leichtfried: Das war jetzt eine untypische Zanger-Rede!)



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14.19.08

Präsidentin des Rechnungshofes Dr. Margit Kraker: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Hohes Haus! Ja, ich möchte mich jetzt auch zur UG 6: Rechnungshof, zu Wort melden und mich auch bei Ihnen für die un­terstützenden Ausführungen und auch für die Zusammenarbeit, die mit allen Fraktionen vonseiten des Rechnungshofes sehr intensiv angestrebt wird, bedanken. Der Rech­nungshof ist ja das Kontrollorgan des Nationalrates und versucht, durch unabhängige und objektive Berichte die Arbeit, die Kontrollarbeit des Hohen Hauses zu unterstützen.

Wenn Sie mich fragen, ob mir als Rechnungshofpräsidentin schwummrig wird, wenn je­den Tag neue Milliarden versprochen werden, dann muss ich sagen: Mitunter ja, aber natürlich – und das ist unbestritten und wurde auch schon öfter betont – erfordern außer­gewöhnliche Situationen außergewöhnliche Maßnahmen.

Förder- und Hilfsmaßnahmen des Staates in Milliardenhöhe sind jetzt sicherlich notwen­dig, um die Wirtschaft und die Gesellschaft in dieser Zeit der aktuellen Krise zu unterstüt­zen, denn die Krise hat uns alle ja auch unvermittelt getroffen. Wenn man zu Milliarden­paketen Ja sagt, dann muss man eben auch zu Transparenz und zu einer umfangrei­chen Kontrolle Ja sagen – und da ist eben der Rechnungshof jenes Organ, das dazu aufgerufen ist.

Der Rechnungshof sieht es angesichts dieses großen Volumens der Krisenbewälti­gungsmaßnahmen, die insbesondere der Bund beschlossen hat, aber eben auch die Länder in Teilen beschlossen haben, als seine Verpflichtung an, diese Pakete umfas­send zu kontrollieren. Wichtig ist es dem Rechnungshof und auch mir, dass die Hilfspakete bei denen ankommen, für die sie gedacht sind, nämlich zur Bewältigung der Folgen der Coronakrise. Da werden wir genau hinschauen. Deshalb wird die Aufarbei­tung der Covid-Maßnahmen den Rechnungshof in der nächsten Zeit sehr stark beschäf­tigen.

Ich habe schon einige Themen angekündigt: den Härtefallfonds, aber eben auch andere Themen wie die Bedeutung der Verfügbarkeit und der Nutzung von Gesundheitsdaten, das Zusammenwirken zwischen Behörden von Bund und Ländern und eben insbe­sondere die Krisenfestigkeit von Pflegeeinrichtungen. Viele weitere Prüfungen werden folgen, aber wir haben eben auch nur begrenzte Kapazitäten, mit denen wir nur Stück für Stück abarbeiten können. Ziel der Prüfungen ist es, Verbesserungen für die Zukunft zu erreichen.

Sehr geehrte Damen und Herren, das Budget 2020, das erst jetzt zur Beschlussfassung steht, wurde ja bereits vor der Coronakrise oft als Übergangsbudget bezeichnet – es gab ja das Provisorium –, weil sich wesentliche Regierungsvorhaben erst im Budget 2021 widerspiegeln sollten. Jetzt, da wir die Covid-Krise erleben, handelt es sich erst recht um ein Übergangsbudget, denn beim Budget für das Jahr 2020 fahren wir derzeit alle nur auf Sicht und zum Teil ins Ungewisse. Eines ist aber sicher: Sobald die Sicht wieder klarer wird, müssen die Grundprinzipien der Budgetierung wieder strikt eingehalten wer­den, und wir alle müssen die richtigen Lehren aus der Krise ziehen.

Hohes Haus, vor dem Hintergrund, dass Kontrolle eben unverzichtbar ist, kommt einer ausreichenden finanziellen Ausstattung des Rechnungshofes eine grundlegende Bedeu­tung zu, denn nur so ist es möglich, dass wir die Planung der Prüfungshandlungen ganz konsequent vorantreiben können. Das vorliegende Budget sieht für das laufende Jahr ein Auszahlungsvolumen von 36 Millionen Euro vor, das entspricht einer Erhöhung um 3 Prozent gegenüber dem Vorjahresbudget – das ist grundsätzlich positiv. Der Finanz­rahmen für die Folgejahre reicht aber nicht aus, er müsste für die kommenden Jahre noch entsprechend angepasst werden, damit es nicht zu realen Kürzungen kommt. Deshalb sage ich, dass man am Budget 2021 erkennen wird, ob insbesondere die von


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 128

vielen Seiten versprochene Stärkung der Finanzkontrolle zum Tragen kommen kann und wird.

Mit dem vorliegenden Budget können wir – und das habe ich im Budgetausschuss schon deponiert – 282,5 Stellen finanzieren. Das liegt deutlich unter dem – wie wir schon öfter gesagt haben – kommunizierten erforderlichen Personalstand von 290 Vollzeitstellen, die wir zur Erfüllung unseres Aufgabenportfolios anstreben.

Zudem gibt es eben die Debatte um zusätzliche und weitere Aufgaben für den Rech­nungshof infolge eines umfassenden Transparenz- und Kontrollpakets mit echten Prüf­rechten für den Rechnungshof, an dem gearbeitet wird. Es soll auch die beschriebene Ausweitung der Prüfkompetenzen bei öffentlichen Unternehmen kommen, in welcher Form, das wird man dann noch sehen. Ich halte fest, dass der Rechnungshof die Aus­weitung der Prüfkompetenzen selbstverständlich sehr begrüßt. Es wurden auch noch andere Bereiche wie Wohnbauträger et cetera angesprochen.

Eines ist auch klar: Jede künftige Ausweitung der Prüfkompetenzen muss, wenn man Kontrolle ernst nimmt, mit zusätzlichen Ressourcen für den Rechnungshof einhergehen. Darüber hinaus ist der Rechnungshof auch gefordert, im Bereich der Digitalisierung wei­tere Maßnahmen zu setzen. Beim digitalen Rechnungshof geht es darum, zusätzliche Prüfressourcen freizusetzen, neue Tools einzusetzen, die Steuerungsinstrumente auszubauen und die Prozesse zu vereinfachen. Deshalb – und damit schließe ich – kommt es auf das Budget 2021 und auf einen realistischen Rahmen für die Folgejahre an.

Ich bedanke mich nochmals für Ihre Unterstützung und für die Zusammenarbeit. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS sowie bei Abgeord­neten der FPÖ.)

14.25


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag.a Eva Blimlinger. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


14.25.15

Abgeordnete Mag. Eva Blimlinger (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehr­te Frau Präsidentin! Sehr geehrte Volksanwälte! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen, ob TV oder Laptop, was auch immer! Ich freue mich sehr, heute zum öffentlichen Dienst zu sprechen, weil ich mich sehr darüber freue, dass wir in den letzten Wochen, um nicht zu sagen Monaten, sehr deutlich gesehen haben, wie zentral es ist, dass es einen starken Staat mit einer starken öffentlichen Verwaltung gibt.

Gott sei Dank haben sich – das ist ein bisschen mit den Intensivbetten vergleichbar – nicht diejenigen durchgesetzt, die immer für einen schlanken Staat plädiert haben und immer ein Beamtenbashing veranstaltet haben. Die Öffentlichkeit hat ja immer ein äu­ßerst negatives Bild – wie ich meine völlig zu Unrecht – von den Beamten: die faulen Beamten, die eigentlich abgesichert sind und deren Zahl man abbauen müsste. Ganz im Gegenteil: Man muss den Staat stärken, man muss ihn mit den fähigen und guten Beamtinnen und Beamten stärken. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Leichtfried.)

Es ist auch so, dass im Budget für den öffentlichen Dienst eine Steigerung von 10,9 Pro­zent gegeben ist, das entspricht 18,5 Millionen Euro mehr. Das ist unter anderem dem geschuldet, dass wir in Zukunft eine zentrale Bundesdisziplinarbehörde haben. Das ist also nicht mehr verteilt auf alle Ministerien mit eigenen Disziplinarkommissionen, son­dern es gibt eine zentrale Behörde, die auch im Dienstrecht die Aufgaben, die diszipli­narrechtlich nötig sind, wahrnehmen wird. Dadurch wird es auch zu einer Verbesserung


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 129

kommen. Es gibt da ja auch oft die Klage: Was kann einem Beamten schon passieren? – Es kann ihm viel passieren und daher ist auch diese Behörde eingerichtet worden.

In diesem Zusammenhang ist auch zu sagen, dass es im Rahmen der Wirkungsziele um eine Weiterentwicklung des Dienstrechts geht. Jeder, der ein bisschen etwas damit zu tun hat, weiß, dass das Beamtendienstrecht und das Vertragsbedienstetengesetz Mate­rien sind, die nur wenigen Kennerinnen und Kennern wirklich bekannt sind und von die­sen durchdrungen werden. Da geht es sicherlich darum, das eine oder andere auch in Bezug auf das Gehaltsgesetz zu verändern, den Zulagendschungel durchaus auch im Sinne der öffentlich Bediensteten, im Sinne der Beamtinnen und Beamten etwas zu ver­einfachen.

Was aber ein besonderer Bereich ist – und den gilt es, im kommenden Budgetjahr und in den kommenden Budgetjahren auszubauen –, ist ein modernes Recruiting. Wir haben in den nächsten vier bis fünf Jahren eine große Welle in Bezug auf das Ende der Beam­tendienstzeit. Sie wissen, Beamte haben ja kein Recht in Pension zu gehen, sie treten nur in den Ruhestand und können jederzeit zurückgeholt werden. (Abg. Loacker: Wir weinen alle ...! – Abg. Wurm: Wie viele holen wir zurück?!) Daher muss es eine Ent­wicklung dahin gehend geben, dass wir ein modernes Recruiting haben, um dieses De­fizit, das in den nächsten Jahren entstehen wird, auszugleichen.

Was uns aber ganz wichtig ist, ist die Wirkungsorientierung, und zwar im Sinne der Kenn­zahlenarchitektur, im Rahmen der Qualitätssicherung. Da kommen Wirkungsziele wie Klimaschutz und Gleichstellung der Geschlechter hinzu. Diesbezüglich sind wir auch schon in den vorigen Jahren im öffentlichen Dienst auf einem guten Weg und werden noch auf einen besseren Weg kommen.

Abschließend noch zwei Punkte, die ich gerne sagen will – wir haben das im Regie­rungsprogramm –: Beamtinnen und Beamte sind die einzige Gruppe, für die es keine Altersteilzeit gibt, was insbesondere im Bereich der Lehrerinnen und Lehrer, aber auch im Bereich der Pflegeberufe wirklich ein großes Thema ist. Es ist diesbezüglich danach zu trachten, dass wir eine Altersteilzeit für Beamtinnen und Beamte einführen.

Ich bedanke mich sehr herzlich bei allen, die in den letzten Wochen wirklich über die Maßen Dienst geleistet haben, und würde die Ministerien, die Ministerinnen und Minister, aber auch die Leiter der obersten Organe dringend und inständig bitten, im Bereich der Prämien und Belohnungen für diesen Einsatz während der Coronazeit großzügig vorzu­gehen. – In diesem Sinne sage ich Danke! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Leichtfried: Der Kollege Loacker ... hinter die komplette ...!)

14.29


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Henrike Brand­stötter. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


14.30.03

Abgeordnete Henrike Brandstötter (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause vor den Bildschirmen! Es war ja ein lobenswerter Schritt, es war eine gute Idee, in der Coro­nakrise gezielt auch Medien mit einer Sonderförderung von 32 Millionen Euro zu helfen, aber damit, die jeweilige Höhe dieser Förderung an die Druckauflage zu knüpfen, sind wir schon wieder um einiges weg von einer guten Idee. Zwischen Ihre Idee und eine gute Idee passt nicht nur ein Babyelefant, da kann man eine ganze Reihe von Altpapiercon­tainern hinstellen.

Vielleicht ist das aber auch Ihre soziale Ader, denn mit dem vielen Altpapier können sich dann all jene ein warmes Bett bauen, die Sie im Stich gelassen haben und die Sie nicht flächendeckend und ohne Rücksicht auf Verluste gefördert haben. Das sind die ganzen


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Klein- und Einzelunternehmer und -unternehmerinnen, die ganz komplizierte Kriterien erfüllen müssen, um dann eventuell vielleicht unter Umständen auch nur eine Handvoll Almosen zu bekommen.

Apropos Kriterien: Sinnvolle Kriterien vermisst man in der Medienpolitik ja überhaupt auf allen Ebenen. Qualität? – Fehlanzeige! Zukunftsweisende Konzepte? – Aber nein! Wenn man sich die Förderlisten anschaut, dann könnte man meinen, dass jene am meisten bekommen, die den Presserat am häufigsten beschäftigen. Und dem nicht genug, wird auch noch jenen eine Extraportion gegeben, die ohnehin schon haben, und gerne auch Druckwerken politischer Vorfeldorganisationen. Da bekommt zum Beispiel die österrei­chische „Bauernzeitung“, an der selbstverständlich auch der ÖVP-Bauernbund beteiligt ist, 129 000 Euro aus dem Coronatopf. Das ist mehr als das „Profil“ mit 103 000 Euro und deutlich mehr als der „Trend“ mit 42 000 Euro. Nur 103 000 Euro für das „Profil“: also mit diesem Betrag kann man die 59 PR-Mitarbeiterinnen und ‑Mitarbeiter im Bun­deskanzleramt wahrscheinlich nicht einmal einen halben Monat lang bezahlen.

Eigentlich soll es jetzt ums Budget gehen, aber wenn Sie keine neuen Zahlen liefern – wo wir doch alle wissen, dass die alten Zahlen nicht halten werden –, dann seien Sie mir nicht böse, wenn ich das auch nicht ganz ernst nehme. Da rede ich lieber über das, was ich sehe, und nicht über Ihre Ankündigungen – und was ich sehe, ist, dass die Medien­förderung eine Dauerbaustelle ist, aber statt sie zu reparieren und neu zu denken, bauen Sie sich eine Medienlandschaft ganz nach Ihrem Geschmack. Ihnen geht es dabei nur darum, die Zügel in der Hand zu halten, und die Medienmacherinnen und Medienmacher sollen sich um Förderungen brav anstellen – und dann bitte aber auch Hofberichterstat­tung machen. Das ist Ihnen wichtig. Wer aber nicht spurt und wer nicht kontrolliert wer­den kann, der wird dann eben ausgesperrt.

Innovation und Zukunft interessieren Sie dabei überhaupt nicht. Onlinemedien, Pod­casts, Finanzierungen neuer Formate? – Davon taucht in Ihren Medienplänen genau gar nichts auf. Plattformunabhängiger Qualitätsjournalismus? – Ich habe den Eindruck, al­lein die Vorstellung, dass es so etwas geben könnte, überfordert Sie schon. Sie über­gehen unglaublich viel, was für die Entwicklung einer gesunden Medienlandschaft über­lebenswichtig wäre und senden damit auch dramatisch falsche Signale für die Jour­nalistinnen und Journalisten, für die Medienbranche und für die Gesellschaft in Öster­reich.

Und übrigens: Bei all dem, was ich jetzt in Richtung ÖVP gesagt habe, sind die Grünen immer mitgemeint. (Beifall bei den NEOS.)

14.33


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme hat sich nun Herr Vizekanzler Mag. Werner Kogler gemeldet. – Bitte schön, Herr Vizekanzler.


14.33.50

Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler
Mag. Werner Kogler
: Nur ein paar kurze Gedanken zum Budgetprozess hier, dann zum öffentlichen Dienst und zum Sport, der ja in dieser Runde, glaube ich, schon mit umfasst ist:

Es ist ja bekannt, dass ich für Budgetprozesse im parlamentarischen Betrieb sehr viel übrighabe, und ich verstehe alle hier, die meinen, na ja, sie hätten es gerne ein bisschen genauer. Ich möchte trotzdem darum werben nachzuvollziehen, dass eine einmalige Situation halt einmalige Maßnahmen und Umstände erzeugt und dass das nun einmal nicht nur einfach ist.

Wir wären schon gut dran, wenn wir einschätzen könnten, ob der Einbruch in der Wirt­schaftsentwicklung 5 Prozent oder 9 Prozent beträgt. – Es ist eben sehr schwer, und ich


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sage Ihnen nur, wenn Sie 5 Prozent Range haben, dann ist das eine Differenz in Höhe von 20 Milliarden Euro in der monetären Leistung der Volkswirtschaft. Auch wenn es nur 2,5 Prozent wären – ich beglückwünsche jeden, der voraussagen kann, in welchem Kor­ridor das mit Ende des Jahres aufschlagen wird –, sind es immer noch 10 Milliarden Euro – Entschuldigung, sind es dann 10 Milliarden Euro?; ja – mit einem Eins-zu-eins-Durchschlag ins Budget. (Zwischenruf des Abg. Wurm.)

Nun, an dem Vorgang kann ich jetzt – weil man sich da sehr bemüht, höre ich von den Sozialdemokraten – nichts großartig Verfassungswidriges erkennen, ich erinnere mich aber an einen Vorgang, als man aufgrund von Wiener Landtagswahlen das Budget ein­fach zwei Monate verschoben hat, obwohl es schon fertig war – man wollte es halt nur nicht der Öffentlichkeit präsentieren. Dieser Vorgang war in der Tat verfassungswidrig, und das hat dazu geführt, dass der eine oder andere Abgeordnete hier im Haus 12-Stun­den-Reden gehalten hat, und der erste Satz hat gelautet: Am Anfang war der Verfas­sungsbruch. (Zwischenruf des Abg. Scherak.) So heilig ist die ganze Angelegenheit also nicht, und ich wollte wirklich um Verständnis werben, dass das gerade für alle, die sich hier beteiligen und bemühen, keine einfache Situation ist; ich habe aber auch für die andere Seite Verständnis.

Jetzt zum öffentlichen Dienst: Da geht mein Dank natürlich hinaus an die Beamtinnen und Beamten, an die Vertragsbediensteten, dass selbst in Zeiten der Krise, und zwar an vielen Stellen – an viel, viel mehr, als man glaubt! –, hervorragende Arbeit geleistet wur­de. Man kommt drauf, dass wir eigentlich auch im staatlichen Gefüge sehr, sehr viele, wenn man so will, Schlüsselressorts haben, die dafür sorgen, dass auch unter diesen schwierigen Umständen alles aufrechterhalten bleibt. Das sind viel, viel mehr als die Krankenhausbediensteten oder die Bediensteten in Pflegeanstalten und es reicht natürlich bis hin zu den als solchen wahrnehmbaren Polizeibeamtinnen und Polizei­beamten. Da sind eigentlich noch ganz viele andere in allen Häusern, und wir haben uns ganz genau überlegt, wie wir mit diesen Schlüsselpositionen in den Häusern umgehen, die dann immer da und nicht im Homeoffice waren beziehungsweise vom Homeoffice hereingeholt wurden, wenn sie gebraucht wurden. Das hat, denke ich, überall recht gut funktioniert – Sie wissen, dass wir hier gemäß unseren Bestimmungen ja letztendlich Ressortverantwortung haben und die Kolleginnen und Kollegen in den Ressorts das gemacht haben. Ich denke, das kann sich sehen lassen, das hat ganz gut funktioniert – vielen Dank dafür! Das sollte auch in diesen besonderen Zeiten nicht unerwähnt bleiben. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Ansonsten gibt es in der Zukunft natürlich eine Reihe von Herausforderungen im öffent­lichen Dienst – die wurden zum Teil angesprochen, zuletzt von Kollegin Blimlinger –, etwa was das Recruiting betrifft, wenn man sich anschaut, wie die Altersverläufe im öffentlichen Dienst sind. Ich kann mich noch daran erinnern, dass vor 15 Jahren davon abgeraten wurde, dass junge Menschen Lehramt studieren. Jetzt dreht sich das um, aber das gibt es ja auch in vielen anderen Bereichen. Das heißt, wir brauchen eigentlich eine gute Imagekampagne, dass wir auf allen Ebenen – da geht es nicht nur um die A-Posten, da geht es gerade auch und genauso um die B-Posten – ein gescheites Recruiting zustande bringen. (Zwischenruf des Abg. Vogl.) Das ist uns völlig bewusst.

Wir haben zu Beginn des Jahres im Eifer des Neuen natürlich sehr viele Projekte entwi­ckelt. Die müssen jetzt coronabedingt zumindest in der Vorbereitung einmal verschoben werden, wir sind aber gerade dabei, das alles wieder aufzunehmen. Das betrifft ja viele Bereiche – ich kann sie hier nur stichwortartig streifen.

Insgesamt, im großen politischen Kontext, geht es natürlich um ein Transparenzpaket; wir haben ja die Gelegenheit, hier mit der Frau Rechnungshofpräsidentin zu diskutieren: Es sind einige Erweiterungen und Verbesserungen betreffend die Möglichkeiten und Kompetenzen des Rechnungshofes vorgesehen.


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Im Transparenzpaket geht es aber natürlich noch um viel mehr. Es geht darüber hinaus – Stichwort öffentlicher Dienst – um die nächste große Welle, wenn Sie so wollen, der Schulungen im Antikorruptionsbereich, sodass wir da wirklich in die alleroberste Liga in Europa aufsteigen – das ist mir natürlich ein besonderes Anliegen.

Es geht aber auch darum, dass wir, wenn man es in haptische Einzelprojekte zerlegen wollte, etwa bei der Verwaltungsakademie anständige Verbesserungen vornehmen können – allein schon deshalb, weil mit einem neuen Mietvertrag im wahrsten Sinne des Wortes die halbe Miete eingespart werden könnte und wir wirklich Budgetausweitungen vornehmen, wenn es dann um die Kurse, um die Qualifizierungen geht. Das ist jetzt schon sehr gut dort, und es gibt das ambitionierte Programm, das noch einmal massiv aufzuwerten, momentan unter dem Arbeitstitel Austrian School of Governance.

Da gäbe es jetzt also noch eine ganz lange Liste vorzutragen – ich bin aber, glaube ich, gut beraten, Sie da nicht allzu lang zu strapazieren, und das Thema Sport habe ich mir ja auch noch vorgenommen.

Ich möchte nur eines sagen, weil ja der Rechnungshof als sogenanntes Organ dieses Hauses schon angesprochen wurde: Mir ist dieser auch deshalb immer schon so wichtig, weil seine Arbeit aus Sicht der Regierung und aus Gründen der Effizienz begrüßenswert ist. Es gibt nicht so viele Institutionen in der Republik, bei denen man sagen kann, dass der investierte Euro und auch die Posten, um die es geht, mit Sicherheit eine hohe Ren­tabilität haben.

Es gibt zwar viele solche Stellen – viel mehr als vermutet werden –, aber es gibt ein paar, bei denen wir über diese Rentabilität gar nicht nachzudenken brauchen. Das ist der Rechnungshof, das ist die Großbetriebsprüfung bei der Finanz – das war nicht immer beliebt, aber da haben wir ja anständig nachgelassen –, und das sind überhaupt alle Bereiche der Korruptionsbekämpfung. Diese Bereiche schaffen Effizienz, da ist der Euro an sich gut investiert, dazu haben wir unsere Meinung natürlich genau gar nicht geän­dert, und an diesen Projekten werden wir auch weiterarbeiten.

Jetzt noch zum Sport: Darüber wurde noch nicht so viel debattiert, ich weiß auch gar nicht, wie weit das dann von den Abgeordneten beabsichtigt ist. Ich kann nur sagen, wir haben das im Budgetausschuss ausführlich getan. Ich darf auch die Einladung wie­derholen – die Terminakkordierung findet ja gerade statt –, dass wir uns auch mit den Sportsprecherinnen und Sportsprechern treffen, um alle Vorhaben genauer durchzuge­hen. Das ist nämlich mit Sicherheit ein Themengebiet, bei dem wir sehr viel gemeinsam weiterbringen können.

Ich möchte von den vielen, vielen Projekten nur ein paar stichwortartig aufzählen. Ich werde das nicht großartig ausführen, aber Sie wissen, wie wichtig mir die sind. Es gibt die tägliche Bewegungseinheit mit dem Projekt Kinder gesund bewegen 2.0, das hat einen konkreten Namen und ist schon entwickelt worden. Das ist extrem ausbaufähig, und damit wir da weiterkommen, haben wir darauf einen budgetären Schwerpunkt ge­legt, der jetzt dazu führt, dass wir schon in diesem Jahr 6,4 Millionen Euro verfügbar haben, und da soll es noch weitergehen.

Auch wenn das Ganze jetzt coronabedingt in der geplanten Form nicht möglich war, würde ich das Geld nicht umschichten, sondern wir können einfach einen noch größeren Schwerpunkt mit Beginn des neuen Schuljahres setzen und die Mittel ganz gezielt einsetzen. Ich habe diesbezüglich schon Kontakt mit dem Bildungsminister aufge­nommen.

Ein anderes Projekt, dessen Wert oft unterschätzt wird, sind kostenlose Schwimmkurse für alle. Die kosten natürlich auch etwas, aber wenn man die flächendeckend anbietet – das wurde zwar immer schon gefordert, aber nur teilweise umgesetzt, und diese Kurse sollten bis hinunter zu den Kleinsten angeboten werden –, kann man etwas bewirken,


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denn Ertrinken ist die häufigste Todesursache bei Unfällen von Kindern unter fünf Jah­ren. Diese Situation kann und soll verbessert werden.

Wir haben dann, und das ist mir natürlich besonders wichtig, noch ein paar andere Schwerpunkte, die Sie vielleicht wenig überraschen werden, sie bilden sich aber im Budget ab, wenn Sie genau nachlesen: Wir wollen die Sportevents, die wir fördern, unterstützen, etwa bei den Anlagebauten; es geht vor allem aber auch um Projekte, bei denen es nur um die Veranstaltungsförderung geht, damit es wesentlich mehr Green Events gibt. Wir möchten die Veranstalter dazu bringen, immer mehr entsprechende Kriterien zu erfüllen. Das kann bei den ganz großen internationalen Events beginnen und geht bis hin zu den Vereinsfesten, wenn wir da alle mittun, auch alle Gebiets­körperschaften. Das geht dann von Beschaffungs- und Materialmanagement bis zum Abfallmanagement und so weiter. Ich habe mir das selber einmal bei ein paar größeren Sportstätten angeschaut: Da geht schon noch etwas. Ich würde das also nicht unter­schätzen, es kostet gar nicht so viel, und da wollen wir anständig antauchen.

Dann gibt es noch drei Bereiche, die wir uns im Besonderen vorgenommen haben, die die Gleichstellung der Geschlechter und die Frauenförderung im Sport betreffen. Da gibt es einzelne Positionen, die für diese Vorhaben ausgewiesen sind.

Weil jetzt auch Frau Bundesministerin Raab hier neben mir sitzt: Ein anderer Schwer­punkt, den ja sie auch im Ressort hat, betrifft die Frage der Integration, Integration und Sport. Da haben wir schon mit einem Projekt begonnen, da wollen wir noch mehr ma­chen. Man kann das immer wieder im Vereinsleben sehen, was das bewirken kann, und da ist sicherlich großes Potenzial vorhanden.

Zuallerletzt wollte ich nicht unerwähnt lassen, dass für uns auch die Inklusion und damit die Förderung des Behindertensports eine große Rolle spielt, und auch das bildet sich im Budget ab. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

14.44


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Christoph Zarits. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


14.45.09

Abgeordneter Christoph Zarits (ÖVP): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Frau Minister! Geschätzte Volksanwälte! Frau Rechnungshofpräsidentin! Meine geschätzten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte gleich bei der Rede des Herrn Vizekanzlers anschließen und mich auch zum Thema Sport äußern. Als Sportsprecher der Volkspartei ist mir das Thema Sport natürlich ganz besonders wichtig. Wir stehen natürlich im Sport, so wie in vielen anderen Bereichen auch, aufgrund der Coronakrise vor massiven Herausforderungen, vor schwierigen Aufgaben, die wir vor drei Monaten noch nicht für möglich gehalten haben.

Ich möchte aber die Gelegenheit nutzen, um mich hier ganz herzlich bei allen Sport­lerinnen und Sportlern und bei all jenen Menschen, die sich ehrenamtlich in den Vereinen und in den Kommunen engagieren, zu bedanken. Sie haben maßgeblich dazu beige­tragen, dass wir in Österreich besser durch die Krise gekommen sind, weil Sie einerseits das Verhalten im Sport angepasst haben und andererseits auch sehr, sehr viel Verständ­nis für die Situation gezeigt haben. Ich meine, der Dank gehört denen, die sich im Sport an die Verhaltensregeln gehalten haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Der Sport hat neue Herausforderungen, neue Aufgaben vor sich – ich habe es angespro­chen –, der Sport braucht in der Krise unsere Hilfe. Ich glaube, wir alle müssen anpa­cken – ich nenne die Gemeinden, ich nenne die Länder und auch den Bund –, um ge­meinsam die Sportvereine, die Verbände, die Sportlerinnen und Sportler und den Sport im Allgemeinen zu unterstützen.


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Ich bin dem Herrn Vizekanzler sehr dankbar dafür, dass er bereits im Ausschuss über den NPO-Unterstützungsfonds berichtet hat: 700 Millionen Euro werden für die Vereine, für die Verbände, für die Sportlerinnen und Sportler und für den Sport allgemein zur Bewältigung der Krise zur Verfügung stehen. Wir werden am Donnerstag den Beschluss fassen, hoffentlich einen sehr, sehr breit getragenen Beschluss, vielleicht gelingt uns hier im Plenum sogar ein einstimmiger Beschluss für die Vereine und für die Non-Profit-Organisationen, das wäre mir sehr, sehr, sehr viel wert. Ein herzliches Dankeschön an den Herrn Vizekanzler für die Vorbereitungsarbeiten, die Richtlinie wird gerade erstellt, und ich denke, es wird ein sehr, sehr gutes Paket sein.

Wichtig ist für mich, das Budget 2020 im Sportbereich noch anzusprechen. Es ist wichtig, dass wir da mehr Geld zur Verfügung haben. Einige Projekte wurden ja bereits vom Herrn Vizekanzler im Detail vorgestellt. Wesentlich ist, dass wir in den Schulen mit der Bewegungseinheit, die wir flächendeckend einführen wollen, für mehr Bewegung sor­gen. Weitere Projekte betreffen den Bau von Sportstätteninfrastruktur sowie natürlich auch die Förderung von Nachwuchs- und Leistungssport. Auch die Sportveranstaltun­gen, Stichwort Green Events, möchten wir fördern.

Ich glaube, es ist wichtig und auch ein Ziel von uns allen, die den Sport lieben, die den Sport betreiben, die den Sport konsumieren – sei es auf der eigenen Sportanlage in der eigenen Kommune oder auch bei großen Sportveranstaltungen –, dass wir bald wieder Sportveranstaltungen in der Realität sehen und Sport konsumieren können. Ich glaube, das ist unser aller Wunsch.

Der Herr Vizekanzler hat in der Vergangenheit gemeinsam mit den anderen Mitgliedern der Bundesregierung, auch mit dem Gesundheitsminister, bereits sehr, sehr viele Lo­ckerungsregelungen verabschiedet, mit denen es dann möglich war, schrittweise wieder verschiedene Sportarten auszuüben. Wir sind auch im Sportbereich weiter als andere Länder. Ich meine, wenn wir alle zusammenhalten, wenn wir den Sport in dieser schwie­rigen Situation unterstützen, wenn wir den Sportvereinen und den Ehrenamtlichen in den Vereinen die nötige Unterstützung zukommen lassen, dann sehen wir auch im Sportbe­reich einer guten Zukunft entgegen.

Ich bitte um die Unterstützung unseres Fonds für die Ehrenamtlichen und vor allem die Vereine und die Verbände im Sportbereich am Donnerstag. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

14.49


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Nurten Yılmaz. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


14.49.17

Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin! Herr Vizekanzler! Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Werte Herren Volksanwälte! Wer hat in der Coronakrise die Zeitungen ausgetragen? Wer hat die Pakete mit dem Lkw ausgeliefert? Wer ist auf den Baustellen gestanden? Wer hat si­chergestellt, dass unsere Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen in der Krise funktio­nieren? Wer saß an der Kassa und sitzt noch immer an der Kassa und schwitzt den ganzen Tag unter der Maske? Wer hat die Lebensmittel in den letzten Wochen geerntet und geliefert? – Das waren nicht die Damen und Herren Abgeordneten, das war nicht die Bundesregierung, das waren die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in unserem Land. Das waren besonders Frauen und Arbeitnehmerinnen, Arbeiterinnen und Arbeiter mit Migrationsbiographie, die unser Land in der Coronakrise am Laufen gehalten haben.

Wir können stolz darauf sein, was da in unserem Land geleistet wurde. Es wird Zusam­menhalt gezeigt, es stehen die Leute solidarisch zusammen, und zwar egal welchen Vornamen sie tragen, egal wo sie geboren wurden, egal welche Erstsprache sie spre­chen und egal welchen Pass sie besitzen. Deshalb verlange ich Respekt, Respekt vor


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der harten Arbeit, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und Migrantinnen und Mi­granten in unserem Land täglich leisten. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich verlange eine Politik, die diesen Zusammenhalt fördert anstatt nach Herkunft zu spalten. Ich verlange, dass diese Arbeit endlich gescheit bezahlt wird. Ich verlange, dass MigrantInnen endlich rechtlich gleichgestellt werden und mitreden können, wenn es um unser Land geht, und nicht Bürger zweiter Klasse sind. Ich erwarte mir von der Politik, dass sie endlich die Wahrheit zur Kenntnis nimmt, dass wir ein Einwanderungsland sind und man dementsprechend in unsere gemeinsame Zukunft investieren sollte. (Beifall bei der SPÖ.)

Das alles wäre Aufgabe einer klugen Integrationspolitik, liebe Frau Ministerin, leider findet sich nichts davon in Ihrem Budget wieder. Sie führen einfach die schwarz-blaue Symbolpolitik weiter. Diese Symbolpolitik hat mit ernsthafter Integrationspolitik im Inter­esse der Menschen nichts zu tun. Machen Sie endlich konsequente Politik für diejenigen, die sich in Österreich etwas aufbauen möchten und unser Land täglich am Laufen halten! Es geht nicht nur um Integration, es geht um Teilhabe, Gleichheit und Lebenschancen.

Ich möchte hier auch ein Versprechen abgeben: Die ArbeitnehmerInnen, egal ob mit Migrationsbiographie oder ohne Migrationsbiographie, sind jetzt schon die Hauptbetrof­fenen dieser Krise, sei es durch Arbeitslosigkeit, durch Kurzarbeit oder Konkursgefahr; und sie sind auch besonders dem Virus ausgesetzt. Wir lassen nicht zu, dass die Kosten der Coronakrise diesen Leuten umgehängt werden. Diese 38 Milliarden Euro Corona­kosten werden jene zu zahlen haben, die jetzt schon viel Vermögen besitzen und viel zu wenig für unser Gemeinwohl leisten. Wir SozialdemokratInnen stehen immer auf der Seite jener, die die Zeitungen austragen, die Pakete ausliefern, am Bau hakeln, unsere Eltern pflegen und den Handel am Laufen halten. Wir werden nicht zulassen, dass sie doppelt und dreifach für das Regierungsversagen zu zahlen haben. (Beifall bei der SPÖ.)

14.53


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


14.53.58

Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer (Grüne): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Frau Bundesministerin! Geschätzte Herren Volksanwälte! Frau Präsidentin des Rech­nungshofes! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Wenn in der letzten Zeit die Rede vom Sport war, dann meistens im Zusammenhang mit dem, was gerade nicht möglich ist.

Dieses Budget, das uns heute vorliegt, bildet aber das ab, was in Zukunft wieder möglich werden soll. Es zeigt uns, wohin der Weg im Sport führen wird. Insgesamt wird das Sportbudget auf über 140 Millionen Euro aufgestockt. Allein für die allgemeine Sportför­derung werden die Mittel um über 10 Millionen auf 54,2 Millionen Euro erhöht.

Ziel ist es, das Niveau in der Sportförderung zu halten. Um die effiziente und zielge­richtete Verwendung der Mittel sicherzustellen, ist es dabei notwendig, das Augenmerk auf die Transparenz zu legen. Dabei wird aber genauso auf die Erhöhung des Frau­enanteils geachtet werden, sowohl bei den FunktionärInnen als auch in jenen Gremien, die die Sportförderung vergeben. Es ist wohl unbestritten, dass da noch ein gewaltiger Gestaltungsspielraum ist. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Die Investitionen in den Sportstättenbau sollen weiterhin gefördert werden, nicht zuletzt auch deshalb, weil das Mittel sind, die der lokalen und regionalen Wirtschaft zur Verfü­gung stehen. Grundsätzlich bleibt auch die Förderung von Sportveranstaltungen, von Großveranstaltungen ein weiteres Ziel. Wenn diese wieder stattfinden können, werden dabei auch die Kriterien der Nachhaltigkeit eine wesentliche Rolle spielen. Weiterhin


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investiert wird auch in die Förderung von SpitzensportlerInnen, in deren Ausbildung und deren Karrierewege, sowohl für SportlerInnen ohne als auch für solche mit Behinderung.

Schon bevor die Menschen in Österreich durch die Abstandsmaßnahmen bemerkt ha­ben, wie wichtig Sport und Bewegung im Alltag sind, wurde in diesem Budget einer der Schwerpunkte auf den Bereich der Bewegung im Alltag gelegt. Aus beiden Programmen, Tägliche Sport- und Bewegungseinheit und Kinder gesund bewegen, wurde das Pro­gramm Kinder gesund bewegen 2.0 ins Leben gerufen. Damit wird das bundesweite Bewegungsangebot in Kindergärten und Volksschulen verbessert. Die Fördermittel für Kinder gesund bewegen wurden substanziell aufgestockt – der Herr Vizekanzler hat es bereits gesagt. Damit nähern wir uns dem Ziel der täglichen Bewegungseinheit für alle Kinder und Jugendlichen bis zum Ende der Schulpflicht mit einem ersten wichtigen Schritt.

Viele Menschen haben jetzt mehr denn je festgestellt, dass Sport mehr ist als nur eine schöne Nebensache. Im Budget wurde das schon vorher so gewertet und so soll es auch umgesetzt werden, noch zusätzlich zu der raschen Akutunterstützung der Vereine durch das NPO-Paket. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

14.57


Präsident Ing. Norbert Hofer: Frau Abgeordnete Steger, Sie wollen, glaube ich, zwei Anträge einbringen. Das heißt, ich würde vorschlagen, das sehr flott zu machen. – Dan­ke schön.


14.57.24

Abgeordnete Petra Steger (FPÖ): Herr Präsident, ich werde versuchen, schneller zu reden. Sehr geehrter Herr Sportminister, Sie sind ja noch da! Ich habe Ihnen vorhin bei Ihrer Rede über das Sportbudget sehr genau zugehört und ich muss sagen, ich bin wirklich fassungslos – fassungslos aus dem einfachen Grund, dass man, wenn man Ihnen zugehört hat, den Eindruck gewonnen hat, als gebe es diese Coronakrise im Sport überhaupt nicht. Es fehlt Ihnen offenbar vollkommen – vollkommen! – das Bewusstsein dafür, in was für einem Zustand der österreichische Sport sich zurzeit befindet. Sie reden über Gendermaßnahmen, über Green Events im Sportbereich und alles andere, nur nicht über die dringend benötigten Hilfsmaßnahmen, die der Sport jetzt dringend notwen­dig hat, sehr geehrter Herr Minister! (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Shetty.)

Sie reden von einer Terminkoordinierung mit den Sportsprechern, die es noch überhaupt nicht gab. Es gab keinen Sportausschuss, es gibt keine Gespräche mit den Sportspre­chern. Sie haben nicht einmal das Interesse an Vorschlägen für mögliche Maßnahmen, von denen es wahrscheinlich von allen Seiten viele geben würde. Sie haben kein In­teresse daran, diese überhaupt zu hören. Mir als ehemaliger Profisportlerin tut es rich­tiggehend weh, wenn ich das hier mit anhören muss, sehr geehrter Herr Minister.

Es ist absolut unverständlich! Sämtliche Maßnahmen, die Sie gemeinsam mit dieser Regierung in den letzten Monaten, von Beginn an im Bereich des Sports gesetzt haben, sind unverständlich. Am Beginn der Krise haben Sie einmal alles komplett zugemacht, kein Sport war mehr möglich, ohne Differenzierung, egal ob Freizeitsport oder Berufs­sport, egal ob drinnen oder draußen, egal ob Einzelsport oder Mannschaftssport; es war vollkommen egal. Sie haben nicht mit den zuständigen Verbänden, mit den Sportlern, mit den direkt Betroffenen gesprochen.

Sie haben es bis heute nicht geschafft, dass der Turnunterricht in den Schulen wieder stattfinden kann. Das ist etwas, das die Menschen überhaupt nicht verstehen, dass die Kinder auf ihren Plätzen festgehalten werden und sich in den Schulen auch nicht mehr bewegen dürfen. Besonders jetzt hat sogar die WHO gemeinsam mit dem Olympischen Komitee einen Brief ausgeschickt und gesagt, dass den Kindern endlich wieder die Bewegung ermöglicht werden muss, dass es wichtig ist, auch den Sport in die Corona­maßnahmen zu integrieren, weil das für die Gesundheit, für die Abwehr wichtig ist.



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Präsident Ing. Norbert Hofer: Ich darf bitten, den Antrag einzubringen. Wir haben nur mehr ein paar Sekunden.


Abgeordnete Petra Steger (fortsetzend): Ich komme zum Antrag, zumindest einmal zum ersten Antrag; vielleicht bringe ich den zweiten dann nach der Dringlichen Anfrage ein. Ich bringe einmal folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Turnunterricht er­möglichen und Sportstätten öffnen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, sofortige Schritte zu setzen, um den Turnun­terricht an österreichischen Schulen ab Ende Mai sicherzustellen und eine rasche Öff­nung aller Sportstätten für den Breitensport zu ermöglichen.“

*****

Das ist dringend notwendig für die Gesundheit unserer Kinder.

Zu dem Rest komme ich dann wieder nach der Dringlichen Anfrage. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Shetty.)

15.00


Präsident Ing. Norbert Hofer: Besten Dank, Frau Abgeordnete. Der Antrag ist ausrei­chend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht somit in Verhandlung. Der zweite Antrag folgt dann später.

Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen über die Punkte 6 und 7 der Tagesord­nung, damit die verlangte Behandlung einer Dringlichen Anfrage gemäß der Geschäfts­ordnung jetzt um 15 Uhr stattfinden kann.

15.00.31Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen an den Bun­deskanzler betreffend „Es braucht echte Hilfe statt leerer Versprechen – das Versagen der Kurz-Regierung bei der Bekämpfung der wirtschaftlichen und so­zialen Krisen-Folgen“ (2064/J)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen zur dringlichen Behandlung der schrift­lichen Anfrage 2064/J.

Da diese inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich deren Verlesung durch den Schriftführer.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

Begründung

Seit längerem beherrscht Sars-Covid-19 die politische Realität in Österreich – aus­reichend Zeit um ein erstes Resümee zu ziehen. Die Österreicherinnen und Österreicher haben Monate der Entbehrungen und der Angst durchlebt. Menschen starben, Exis­tenzen wurden vernichtet, Unternehmen schlitterten in die Pleite, die Arbeitslosigkeit ex­plodierte.

Trotz Versäumnissen bei Beschaffungen von Schutzausrüstungen und Tests sowie mangelhafter Krisenkoordination hat Österreich durch die große Mithilfe der Bevölkerung


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und dank der gut ausgestatteten öffentlichen Spitäler das Corona-Virus bisher erfolg­reich eingedämmt – bei der Bekämpfung der Ausbreitung der sozialen und wirtschaft­lichen Krise versagt die Bundesregierung jedoch auf ganzer Linie. Die Wirtschaftshilfen wurden zu spät beschlossen, sind zu wenig und zu bürokratisch. Den Ankündigungen in Pressekonferenzen folgen keine Taten – wortreich wird fast täglich mit Millionen jongliert, bei den Betroffenen wächst der Unmut von Tag zu Tag, weil von den versprochenen Hilfen nichts bei ihnen ankommt.

Während in Ischgl die Reaktion auf die anrollende Pandemie verspätet kam, wurde der Shutdown für ganz Österreich rasch beschlossen. In der Folge wurde es verabsäumt, den Beschäftigten und Unternehmen ausreichend und schnell Hilfe zukommen zu lassen. Die im Epidemiegesetz bis zum Shutdown enthaltenen notwendigen Entschädi­gungen für Unternehmen wurden gestrichen und somit abgeschafft. Damit ging Ver­trauen verloren, die Unsicherheit bei den Unternehmen wurde vergrößert, Massenkündi­gungen waren die Folge. Einzelmaßnahme reihte sich an Einzelmaßnahme. Die Res­sorts wirkten oftmals wenig abgestimmt, die Regelungen widersprachen sich mitunter gar. Die geforderte zentrale Krisenkoordination in der Bundesregierung fehlt bis heute.

Diese leeren Versprechen haben dramatische Folgen: Die soziale und wirtschaftliche Krise ist beispiellos in der Zweiten Republik. Die Arbeitslosigkeit ist – anders als in an­deren Ländern wie z.B. Deutschland – binnen kürzester Zeit explodiert. Unternehmen mussten Insolvenz anmelden, viele kämpfen um ihre wirtschaftliche Existenz. Das Wirt­schaftsforschungsinstitut (WIFO) erwartet angesichts der Corona-Pandemie in Öster­reich für 2020 einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 5,2 Prozent (best case) bis 7,5 Prozent (worst case). Damit wäre das Wachstum der vergangenen zwei Jahre vernichtet und das BIP am Stand von 2017.

Obwohl der Faktor Zeit eine große Rolle spielt und rasches Handeln gefragt wäre, lässt sich bis heute keine Strategie der Bundesregierung für die Bewältigung der wirtschaftli­chen und sozialen Auswirkungen der Corona-Krise ausmachen.

Chaos beim Öffnen und „Hochfahren“ schafft Unsicherheit

Viele Maßnahmen und Regeln scheinen mittlerweile willkürlich und wenig nachvollzieh­bar. So gelten bis 29. Mai beispielsweise für unterschiedliche Räume ähnlicher Größe völlig unterschiedliche Regelungen. Wird ein Saal als Restaurant genutzt, so ist es vier Personen plus Kindern ohne Masken gestattet, an einem Tisch Platz zu nehmen. Geht nun aber der Vorhang auf und betritt ein Kabarettist die ebenfalls vorhandene Bühne, ist dies nicht mehr möglich, da für Theater andere Bestimmungen gelten. In Flugzeugen wiederum sitzen Menschen dicht aneinander ohne die gängigen Abstandsregeln ein­halten zu müssen. Die Regelungen für Schulen zählen wohl zu den am wenigsten nach­vollziehbaren.

Während die Unzufriedenheit mit der von der Bundesregierung verordneten „neuen Nor­malität“ steigt, gönnte sich der Bundeskanzler im Kleinwalsertal ein Bad in der Menge – ganz ohne Maske und Distanz. Gleichzeitig laufen zigtausende Strafverfahren gegen „normale Menschen“ wegen angeblicher Verletzungen der Abstandsvorschriften.

Wirtschaftshilfen kommen nicht an, Rekordarbeitslosigkeit als Folge

Zu Beginn der Krise hatte der Bundeskanzler versprochen: "Koste es, was es wolle" – niemand in Österreich werde im Stich gelassen. Die Realität sieht jedoch anders aus: Statt rascher Hilfe in ausreichender Höhe, wurden bürokratische Hürden aufgebaut. For­mulare mit zweistelliger Seitenanzahl müssen ausgefüllt werden, um am Ende mit ein paar hundert Euro abgespeist zu werden. Sogar der Tiroler Wirtschaftskammerpräsident Christoph Walser (ÖVP) stellt fest: „Diese zweite Auszahlungsphase ist kompliziert ge­staltet. Es gibt in der Abwicklung Probleme, vor denen wir aber den Bund bereits beim


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Start gewarnt haben. Manche Unternehmer hätten nur 37 bis 40 Euro bekommen. Sol­che Auszahlungen habe ich nicht veranlasst – das wäre ja peinlich. Erst in Nachver­handlungen haben wir eine Mindestgrenze bei Auszahlungen von 500 Euro erreicht. Tat­sache ist aber, dass bis zum heutigen Tag noch viele Unternehmen auf eine tatsächli­che finanzielle Hilfe aus einem der vielen Hilfspakete warten.“ (Tiroler Tageszeitung, 18.5.2020)

Zwei Drittel der Kleinunternehmer sagen, die Hilfen der Regierung genügen bei weitem nicht. Die Kulturszene fühlt sich komplett im Stich gelassen. Viele von ihnen haben sich darauf verlassen, dass die Regierung ihre Versprechen einhält und die angekündigten Hilfen auch wirklich kommen – doch die Erwartungen wurden enttäuscht.

Beim Härtefallfonds wurden unbürokratische Hilfe und 6.000 Euro für drei Monate an­gekündigt. Die Realität sieht jedoch anders aus: Hunderttausende Unternehmen fielen in der ersten Phase (mit strengen Kriterien zu Mindest- und Maximalumsatz, Nebenbe­schäftigung und Doppelversicherung) ganz durch und wurden auch in der zweiten Phase gar nicht oder nur gering gefördert. Von den Anfang März versprochenen zwei Milliarden wurden im ersten Monat laut Wirtschaftsministerin Schramböck nur 156 Millionen Euro ausbezahlt – das sind gerademal acht Prozent (!) der versprochenen Summe. Viele EinzelunternehmerInnen bekamen die Mindesthöhe von 500 Euro in der ersten Aus­zahlungswelle – das ist nicht einmal die Höhe des Sozialhilferichtsatzes (920 Euro). Da­her ist es mehr als verständlich, dass eine Studie der Universität Wien zeigt: 63 Prozent der Ein-Personen-Unternehmen (EPU) und 66 Prozent der Kleinstunternehmer beur­teilen den Härtefallfonds mit der Note "Nicht genügend".

UnternehmerInnen beklagen, dass es de facto keine Hilfe und Unterstützung gibt. Ein Lokalbesitzer gegenüber dem Ö1 Mittagsjournal am 19.5.2020: „Es heißt überall, die Unternehmen werden unterstützt und die kriegen ja urviel Geld, wir haben bis heute keinen einzigen Cent bekommen. Wie geht da bitte die Rechnung auf.“

Im Gegenzug wurden den Unternehmen ihr Recht, das seit mehr als 100 Jahren besteht – nämlich die volle Entschädigung nach dem Epidemiegesetz – genommen. Selbständige und kleine Unternehmen wurden stattdessen zu Bittstellern bei der Wirtschaftskammer gemacht. Die Wirtschaftshilfen machen umgerechnet nicht einmal die Hälfte von denen in Deutschland aus. Kein Wunder, dass Experten bereits davon sprechen, dass rund ein Drittel der Klein- und Mittelunternehmen illiquide sind – bei Gastronomie und Hotels sind bereits 40 Prozent der Betriebe in ihrer Existenz bedroht.


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Ein Thema, das anderen Regierungschefs schlaflose Nächte beschert hätte, bei der ak­tuellen Bundesregierung jedoch nur eine untergeordnete Rolle spielt, ist die Arbeits­losigkeit. Die Bundesregierung hat die höchste Arbeitslosigkeit in Österreich in der Geschichte der Zweiten Republik zu verantworten. Der Höchststand Mitte April lag bei 588.000 Betroffenen. An EPUs und Kleinstunternehmen hängt ein Viertel der öster­reichischen Arbeitsplätze – die misslungenen Hilfen haben die explodierenden Arbeits­losenzahlen mit zu verantworten. Dazu kommen noch 1,3 Millionen Menschen in Kurz­arbeit. Experten prophezeien, dass auch von dieser Gruppe viele Menschen in die Ar­beitslosigkeit kommen werden.

In Österreich ist dabei die Arbeitslosigkeit deutlich stärker gestiegen als in Deutschland. Während sich die Zahl der Arbeitslosen in Österreich seit dem Vorjahr um 58 Prozent erhöht hat, ist sie in Deutschland um 19 Prozent gestiegen. Im Gegenzug ist das Volu­men für die Wirtschaftshilfen in Deutschland hochgerechnet fünfmal so groß wie in Ös­terreich. Für EPUs und Kleinstunternehmen gibt die deutsche Regierung das 25-fache aus und leistet mit 15.000 Euro eine bis zu 2,5-fache maximale Auszahlung im Vergleich zu Österreich.

  Stand 4. Mai 2020

Der angekündigte "Kampf um jeden Job" wurde wohl abgesagt. Langfristige Strategien, wie die Arbeitslosigkeit gesenkt werden kann, sind keine bekannt. Innovative Instrumen­te der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit stehen nicht in Diskussion. Die Auswirkungen werden noch lange zu spüren sein. Einer ganzen Generation von jungen Menschen wird der Einstieg ins Berufsleben erschwert, die ältere Generation aus dem Arbeitsmarkt ge­drängt, ohne Perspektive nochmals im Berufsleben Fuß zu fassen. Doch all dies war kein Gegenstand von Pressekonferenzen. Selbst die unmittelbare Existenzsicherung durch die Anhebung des Arbeitslosengeldes von 55 auf 70 Prozent des letzten Netto­einkommens wird von Sebastian Kurz verweigert.

Inzwischen rollt eine Pleitewelle an. Und diese wird noch weiter anschwellen, wenn die Corona-Kurzarbeit ausläuft. Angekündigt wurde auch, dass Betriebe für den Zeitraum der Schließung keine Miete zahlen müssen. Die Bundesregierung verweigerte jedoch, klare gesetzliche Grundlagen dafür zu schaffen. In der Praxis verlangt sogar die Bundes­immobiliengesellschaft weiter Mietzahlungen.


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Die Bundesregierung und vor allem der Finanzminister haben nicht begriffen, was ihr Zögern bei den Wirtschaftshilfen bedeutet: Dass der viel zu langsame, bürokratisch ge­bremste Fluss der Hilfsgelder der Wirtschaft ungleich mehr schadet als ein paar Mil­lionen, die weniger zielgerichtet eingesetzt werden. Diese Summen sind letztlich unbe­deutend im Verhältnis zu dem wirtschaftlichen Schaden, der entsteht, wenn Unterneh­men angesichts mangelnder Liquidität zugrunde gehen.

Familien und Kinder gehören zu den Hauptverlierern

Die Bundesregierung betreibt jedoch auch in anderen Bereichen Ankündigungspolitik, denen sie kaum Taten folgen lässt. Der Familien-Härtefonds sollte Familien mit Kindern die Existenz sichern. In der Realität bekommen Familien, die bereits zuvor von Arbeitslo­sigkeit betroffen waren und nun kaum Chancen haben, einen Job zu finden, eine deutlich kleinere Unterstützung. Kinder von geringfügig Beschäftigten oder von Eltern, die So­zialhilfe bzw. Mindestsicherung beziehen, sind de facto von einer Unterstützung aus­geschlossen.

Während die Bundesregierung für viele Bereiche zumindest Rettungspakete angekün­digt hat, werden 1,1 Mio. SchülerInnen völlig im Regen stehen gelassen. Erst nach mas­sivem öffentlichen Druck wurde ein Plan für Schulen vorgelegt. Den Eltern und Kindern wird dabei einiges abverlangt. Erschwerend kommt hinzu: für Kinder und Eltern sucht man vergebens nach einem Hilfspaket, obwohl doch unbestritten ist: die Zukunft unserer Kinder ist systemrelevant!

Dabei hat die Corona-Krise unser Bildungssystem und unsere Kinder besonders hart getroffen. Die Wochen der Schulschließungen haben viele an ihre Grenzen gebracht. Die Mammutaufgabe beginnt aber an den Schulen erst so richtig. Nicht nur, weil es eine immense Herausforderung ist, den Schulalltag im restlichen Schuljahr mit seinen neuen Corona-Regeln zu organisieren. Sondern auch, weil die Wochen der Schulschließungen Probleme und Defizite unseres Schulsystems erst so richtig deutlich gemacht haben. Viele Eltern haben bereits ihren Urlaub aufgebraucht, wissen nicht, wie sie im Sommer die Betreuung organisieren sollen. Auch hier gibt es noch kein Hilfsangebot der Bundes­regierung.

Krisenbewältigung im Bereich Wirtschaft und Soziales ist gescheitert

Die Krisenbewältigung im Bereich der Wirtschafts- und Sozialpolitik muss als gescheitert betrachtet werden. Die Arbeitslosigkeit ist die höchste in der Zweiten Republik, die Hilfen kommen bei den Unternehmen nicht an. Sogar der Rechnungshof hat hier mittlerweile Prüfungen angekündigt. Was Österreich jetzt braucht, ist planvolles Vorgehen: Das größte Investitions- und Beschäftigungspaket in der Geschichte der Zweiten Republik mit zielgerichteter Zukunftsorientierung.

Die unterzeichnenden Abgeordneten stellen daher nachstehende

Dringliche Anfrage

1.          Wie begründen Sie konkret den Missstand, dass es der Bundesregierung bis heute nicht gelungen ist, eine Strategie im Umgang mit den sozialen und wirt­schaftlichen Folgen der Corona-Krise zu entwickeln?

2.          Welche unabhängigen Evaluierungen der bisherigen Einzelmaßnahmen finden derzeit statt, um den bestmöglichen Weg für Österreich aus der Krise zu finden?

a.          Wer hat diese Evaluierungen vorgenommen und was waren die konkreten Ergeb­nisse?

3.          Welche Erwägungen der Bundesregierung waren konkret ausschlaggebend da­für, den Entschädigungspassus aus dem Epidemiegesetz zu streichen?


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4.          Welche Fehlentscheidungen haben Sie und Mitglieder ihrer Bundesregierung bisher im Umgang mit der Coronakrise getroffen?

a.          Welche Lehren haben Sie konkret daraus gezogen?

5.          Welche Überlegungen und Berechnungen für Österreichs Wirtschaft und Arbeits­markt wurden bei Beschluss des Shutdowns für die Zeit danach, konkret nach Planungszielen, angestellt?

a.          Welche Expertinnen und Experten waren in diesen Prozess einbezogen?

b.          Es ist auffällig, dass Umfang der Hilfen und die Auszahlungsmodalitäten mehr­mals geändert wurden. Welche Gründe liegen dafür vor, dass die Bundesre­gierung die Situation zu Beginn völlig falsch eingeschätzt hat?

6.          Welche Schlussfolgerungen ziehen Sie aus dem Umstand, dass Deutschland die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Corona-Krise bisher besser als Öster­reich bewältigt hat?

a.          Welche unterschiedlichen staatlichen Maßnahmen sind für die deutlich höher gestiegene Arbeitslosigkeit in Österreich maßgeblich gewesen?

b.          Inwiefern wird der Vergleich mit Deutschland zu anderen Maßnahmen der Bun­desregierung führen?

7.          Haben Sie einen Krisenstab zur Bekämpfung der wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Coronakrise eingerichtet und wie setzt sich der konkret zusammen?

8.          Wer berät den Bundeskanzler gegenwärtig in wirtschaftlichen Fragen, aufgeglie­dert nach internen und externen BeraterInnen?

9.          Haben Sie als Bundeskanzler Gespräche mit Kleinunternehmern geführt, um zu erfahren, welche Probleme sie in Folge der Maßnahmen der Bundesregierung gegen die Covid-19-Pandemie haben?

a.          Wenn ja, mit wem und wann erfolgten die Gespräche, welche Ergebnisse brachten diese konkret?

b.          Wenn ja, warum wurden dann keine entsprechenden Maßnahmen getroffen?

c.          Wenn nein, warum nicht?

10.        Warum hat die Bundesregierung das Arbeitslosengeld nicht erhöht und damit die soziale Situation vieler ÖsterreicherInnen dramatisch verschlechtert?

11.        Warum wurde das Angebot der EU-Kommission zur Beschaffung von Schutz­ausrüstung bereits im Jänner 2020 von Ihrer Seite abgelehnt?

12.        Warum kam es auch in der Folge zu Verzögerungen bei Bestellung und Lieferung von Schutzausrüstung und Tests?

13.        Welche Maßnahmen hat die österreichische Bundesregierung konkret gesetzt, um Österreich entsprechend vor einer zweiten Welle an Covid-19 Infektionen zu schützen?

14.        Welche Personen koordinieren das Corona-Krisenmanagement der Bundesre­gierung, um die einzelnen Maßnahmen effizient aufeinander abzustimmen, auf­gegliedert nach regierungsinternen und externen Personen?

15.        Wie viele Personen wurden insgesamt bisher wegen Missachtung der Corona­vorschriften angezeigt, wie viele Personen wurden rechtskräftig bestraft und wie viele Verfahren laufen noch?

16.        Sollte der Bundeskanzler der Republik Österreich in der Coronakrise für den Rest der Bevölkerung bezüglich der Einhaltung von Vorschriften als Vorbild dienen?


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17.        Auf welcher Grundlage konnte bei Ihrem Besuch des Kleinwalsertals die Einreise sowie Ausreise von Ihnen selbst und Ihren Begleitpersonen über die Grenzüber­gänge des Kleinwalsertals erfolgen, obwohl diese von deutscher Seite geschlos­sen waren?

18.        Welche Personen haben Sie konkret begleitet und welche Funktion haben diese konkret inne?

19.        Erfolgte bei Ihnen und Ihren Begleitpersonen die vorgeschriebene Vorlage eines negativen COVID-19-Tests, der nicht älter als vier Tage sein durfte?

a.          Von wem wurde dieser Test bei den Personen Ihrer Delegation wann vorge­nommen?

b.          Welcher Behörde gegenüber wurden diese Tests vorgelegt?

20.        Warum haben Sie sich nicht selbst in 14-tägige Heimquarantäne begeben, wie es die Vorschriften über die Einreise nach Österreich vorsehen?

21.        Gegenüber welchen Ländern wurden seitens der Bundesregierung konkrete Maßnahmen in Bezug auf Grenzöffnungen gesetzt und welche evidenzbasierten, insbesondere gesundheitspolitischen Gründe gibt es dafür?

22.        Welche Schritte zur Wiederherstellung der Reisefreiheit wurden seitens der Bun­desregierung im Rahmen der EU gesetzt und welche gesundheitspolitischen Hintergründe gibt es dafür?

23.        Aus welchem evidenzbasierten Grund wurde die Öffnungszeit von Gastbetrieben mit 23 Uhr beschränkt?

24.        Warum setzt die Bundesimmobiliengesellschaft nicht die Rechtsmeinung der Bundesregierung, dass Betriebe für den Zeitraum der Schließung keine Miete zahlen müssen, um?

a.          Was hat die Bundesregierung und das zuständige Mitglied der Bundesregierung konkret unternommen, damit diese Rechtsmeinung allgemeine Gültigkeit er­langt?

25.        Warum hat die Bundesregierung nicht dafür Sorge getragen, dass Hilfsleistun­gen, wie von ihr angekündigt, rasch und unbürokratisch erfolgen?

a.          Welche Maßnahmen werden Sie setzen, damit es endlich zu raschen Auszah­lungen kommt?

26.        KünstlerInnen und die Kreativwirtschaft sind besonders von der Coronakrise be­troffen, da sie noch längerfristig mit Einschränkungen ihrer Berufstätigkeit rech­nen müssen. Warum hat die Bundesregierung den Auswirkungen der Maßnah­men auf den Kunst- und Kulturbereich so wenig Bedeutung beigemessen?

a.          Haben Sie als Bundeskanzler Gespräche mit KünstlerInnen geführt?

b.          Wenn ja, wann und mit wem?

c.          Wenn ja, warum wurden dann keine entsprechenden Maßnahmen getroffen, um die Situation für die Betroffenen zu verbessern?

d.          Wenn nein, warum nicht?

27.        Wie viele Unternehmen mussten seit Beginn der Coronakrise nach Monaten auf­gegliedert Insolvenz anmelden?

28.        Mit wie vielen weiteren Insolvenzen rechnet die Bundesregierung konkret bis zum Ende des Jahres?


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In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage im Sinne des § 93 Abs 2 GOG-NR zum frühest möglichen Zeitpunkt zu behandeln und dem Erstanfragesteller Gelegenheit zur mündlichen Begründung zu geben.

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Ich erteile Herrn Abgeordnetem Mag. Leichtfried (Abg. Leichtfried: Zur Geschäftsordnung!) als erstem Fragesteller zur Begründung der Anfrage, die gemäß § 93 Abs. 5 der Geschäftsordnung 20 Minuten nicht überschreiten darf, das Wort. (Abg. Matznetter – auf Abg. Leichtfried weisend –: Zur Geschäftsord­nung!) – Zur Geschäftsbehandlung? – Bitte schön.


15.01.04

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Danke, Herr Präsident, und danke, dass Sie mich schon aufgefordert haben, meine Rede anzutreten. (Präsident Sobotka übernimmt den Vorsitz.)

Ich möchte nur darauf aufmerksam machen, dass das eine Anfrage an den Bundes­kanzler ist und der Herr Bundeskanzler anscheinend nicht da ist. Deshalb würde ich Sie ersuchen, zu klären, wie das Abbleiben des Herrn Bundeskanzlers zu interpretieren ist, und die Sitzung dann, wenn der Herr Bundeskanzler da ist, fortzusetzen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von FPÖ und NEOS. – Bundeskanzler Kurz betritt den Saal. – Rufe: Da kommt er! – Abg. Matznetter: Jörg Leichtfried wirkt! – Abg. Wöginger: Gut, dass wir das bei euren ... auch gemacht haben! – Abg. Loacker – in Richtung Abg. Wöginger –: Wie ihr in Opposition wart, warst du noch in der Schule!)

15.01


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich begrüße den Bundeskanzler und die Regie­rungsmitglieder und erteile dem Anfragesteller, Herrn stellvertretendem Klubobmann Leichtfried, das Wort. – Bitte sehr.


15.02.25

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Vielen Dank, Herr Präsident! Ich darf mich auch bei Herrn Präsidenten Hofer bedanken, dass das so prompt funktioniert hat und der Bundeskanzler sofort erschienen ist. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Frau Bundesministerin! Geschätzte Damen und Herren! Ein Redebeitrag, den dieses Haus am Vormittag erfahren hat, hat mich nicht zur Ruhe kommen lassen. Es war August Wöginger, der gemeint hat, die Menschen sind „dankbar“. (Ruf bei der ÖVP: Jawohl!) Ich habe das Gefühl, das ist zumindest ein großer Trugschluss.

Wir haben dieses starke parlamentarische Mittel, eine Anfrage an den Bundeskanzler, sehr bewusst gewählt, weil landauf, landab in allen Bundesländern, in allen Bezirken, in allen Städten, in allen Dörfern die Menschen nicht dankbar sind, sondern ängstlich und wütend, weil nichts an Hilfe ankommt. Die Hilfspakete funktionieren nicht. Die Maßnah­menpakete funktionieren vielleicht vor den Kameras, wenn man Pressekonferenzen ab­hält, aber dort, wo das Geld benötigt wird, dort kommt es nicht an.

Die Regierung hat versprochen: „Koste es, was es wolle!“ – Und was ist passiert? – In Österreich sind so viele Menschen arbeitslos wie noch nie zuvor in der österreichischen Geschichte, in der Geschichte der Zweiten Republik. Zwei Drittel der Kleinunternehme­rinnen und Kleinunternehmer sagen: Diese Hilfen genügen nicht. Die Kunst- und Kul­turszene fühlt sich im Stich gelassen. Menschen, die krank sind, kommen nicht in die Krankenhäuser. Menschen, die sich von ihrem Vater, ihrer Mutter, ihrem Ehemann, ihrer Ehefrau verabschieden wollen, durften das nicht. Viele von ihnen haben sich darauf


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verlassen, dass die Regierung ihr Versprechen: „Wir lassen niemanden im Stich“, ein­hält, und die sind jetzt enttäuscht, mehr als enttäuscht.

Unbürokratische Hilfe war angekündigt: 6 000 Euro für drei Monate. Wir erinnern uns, das war eines der ersten Dinge, die angekündigt wurden. Sie, Herr Bundeskanzler, haben das gesagt: 6 000 Euro für die ersten drei Monate, bis zu 2 000 Euro Maximum pro Monat für jede einzelne Person und jedes einzelne EPU. Nichts davon ist ange­kommen. Nichts haben die Menschen, die sich bemühen, ihre Geschäfte wieder aufzu­sperren. Nichts haben die Menschen, die ihre Gasthäuser wieder aufgesperrt haben. Nichts haben die, die in der Arbeitslosigkeit sind, die glauben, vielleicht gäbe es doch ein bisschen mehr. Nichts haben die, die in Kurzarbeit sind und zu wenig Geld verdienen.

Hunderttausende Unternehmen fielen beim Härtefallfonds in der ersten Welle um eine Förderung um und wurden auch in der zweiten Welle nicht gefördert. Von den Anfang März versprochenen 2 Milliarden Euro wurden höchstens 150 Millionen Euro ausge­zahlt. Das sind nicht einmal 8 Prozent! Das sind nicht einmal 8 Prozent von dem, was die Menschen zum Überleben brauchen, geschätzte Damen und Herren.

Viele Einzelunternehmer bekamen Abschlagszahlungen in geringer Höhe. Das ist nicht nur eine Mär, die von der Opposition verbreitet wird; es wird von der Universität Wien bestätigt. Vor allem wird bestätigt und wird klar, dass die abwickelnde Stelle, die Wirt­schaftskammer – aus welchen Gründen immer die ausgesucht wurde –, vollkommen überfordert ist. Sie ist inzwischen der Bremser zwischen den Auszahlungen und den Empfängern geworden, und die Bürokratie, die hier eingefordert wurde, die Bürokratie, die von den Unternehmen erledigt werden muss, hindert diese, ihren Überlebenskampf vernünftig zu führen, geschätzte Damen und Herren.

Ich habe dieses Wochenende mit einem Brucker Konditor gesprochen. Er hat gesagt, er ist mit seinem Steuerberater eine Woche bei diesem Antrag für die Wirtschaftskammer gesessen und am Ende haben sie ihn zurückgeschmissen, weil versehentlich das Ge­burtsdatum falsch angegeben war. Ja was ist denn das für eine Servicequalität, ge­schätzte Damen und Herren? So bringt man die Unternehmen und Unternehmer in un­serem Land um! (Beifall bei der SPÖ.)

Es droht das Zusperren. Es sind und drohen Existenzängste, von denen Sie anschei­nend nichts mitbekommen. Wie viele Menschen kennen Sie, die in der Nacht nicht mehr schlafen können, weil sie nicht wissen, wie sie ihr Geschäft, ihre Eigentumswohnung finanzieren, ihre Kredite zurückzahlen? Wie viele kennen Sie von denen? Und wie viele kennen Sie von denen, die nicht mehr wissen, an wen sie sich wenden sollen?

Wir haben heute Vormittag eine Diskussion geführt, in der Kollege Ottenschläger ge­meint hat, dass sich keine Unternehmer und Unternehmerinnen an uns wenden. – Das tun sie sehr wohl, und ich darf Ihnen etwas vorlesen, was mich besonders gerührt hat; ein älteres Ehepaar hat sich an uns gewendet. Sie haben, bis sie in Pension gegangen sind, ein Nebenerwerbsweingut betrieben, und in der Pension – denn wir wissen, wie hoch die Pensionen in diesem Bereich sind – haben sie sich im Jahr 2015 entschlossen, eine Frühstückspension aufzumachen.

Sie sind dann in dieses Coronaschlamassel gekommen und haben geglaubt, niemand wird zurückgelassen und einem jeden wird geholfen werden. Die Dame schreibt wort­wörtlich: Mein Mann und ich dachten auch, dass wir zumindest aus dem Härtefallfonds einen Obolus erhalten würden – abgelehnt, weil wir zwar zwei Steuernummern haben, aber keine zweite Krankenversicherung in der Gewerbekasse. Wieder einmal fallen wir durch den Rost und können nun mit unserer sauer verdienten Pensionsrente den Umbau abbezahlen. Bitte senden Sie einen lieben Gruß an Herrn Vizekanzler Kogler und an den Herrn Bundeskanzler, der behauptet hat: Wir lassen niemanden im Stich. – Zitatende.

Diese Grüße richte ich Ihnen jetzt aus, Herr Bundeskanzler. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)


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An diesen Menschen, an den vielen, die betroffen sind, hängt ungefähr ein Viertel der österreichischen Arbeitsplätze, und da zeigt sich, dass andere es besser machen.

Ich kann mich gut erinnern, mit welcher Häme manchmal – insbesondere während der Zeit der letzten von Ihnen geführten Regierung – nach Deutschland geschaut wurde. Ich kann mich gut erinnern, wie wir – also nicht wir, sondern Sie – behauptet haben, bei uns läuft alles besser und wird alles besser gemacht. – Jetzt gibt es einen wesentlichen Unterschied zwischen Österreich und Deutschland: In Österreich dauert es 48 Stunden, den Antrag auszufüllen, in Deutschland bekommt man nach 48 Stunden die Hilfe. Das ist der Unterschied, und das ist meines Erachtens dort besser gemacht. (Beifall bei der SPÖ.)

Man sieht auch am Beispiel der Kurzarbeit, dass es hakt, und zwar gewaltig hakt. Groß­spurig wurden 10 Milliarden Euro für Kurzarbeit angekündigt. – 10 Milliarden Euro! Von der Wirtschaftsministerin wurde betont, dass das binnen 48 Stunden ausbezahlt wird. Was ist die Realität bis jetzt? – Von den 10 Milliarden Euro wurden 273 Millionen Euro ausbezahlt, geschätzte Damen und Herren. Das bedeutet, dass die Unternehmen nicht genug Geld haben, um ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu bezahlen. Das bedeutet, dass diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht genug Geld haben, um ihre Kredite zu bezahlen. (Abg. Haubner: Keine Ahnung!) Das sind die Auswirkungen dieser Langsam­keit. Für diese Langsamkeit sind Sie voll verantwortlich, das muss man auch einmal ganz klar sagen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haubner: Keine Ahnung!)

Ich bitte Sie, bedenken Sie eines: Tun Sie endlich etwas gegen diesen Bürokratiewahn­sinn in diesen Fragen! Tun Sie endlich etwas dafür, dass die Menschen ihr Geld schnell und wirksam erhalten! Ich habe von einem Gastronomen gelesen, der einen 20-seitigen detaillierten Antrag einreichen musste. Er sagt, wenn wir das alle so machen, werden die Beamten in der Wirtschaftskammer zehn Jahre brauchen, um das alles abzuarbeiten. In Salzburg erzählt ein Geschäftsführer, dass er wegen Kurzarbeit für jeden Einzelnen der 1 300 Mitarbeiter ein 12-seitiges Formular ausfüllen musste, 1 300 mal 12, damit ist auch ein Geschäftsführer lange beschäftigt, geschätzte Damen und Herren. Ist das das kurze, schnelle Helfen, das Sie versprochen haben? Ist das die wirkungsvolle Hilfe, von der Sie in 61 – oder waren es 63? – Pressekonferenzen gesprochen haben? – Nein, das ist Schikane gegenüber all denen, die Hilfe brauchen, und nichts anderes, geschätzte Damen und Herren von der Bundesregierung!

Wie schaut es mit der Hilfe für die Menschen aus, die in der Coronakrise arbeitslos geworden sind? Haben sie Hilfe erhalten, damit sie mit 55 Prozent dessen, was sie vor­her bekommen haben, auskommen können? – Nein. Haben sie Hilfe erhalten dafür, dass sie schnell wieder in neue Jobs kommen? – Nein.

Alles, was Sie bis jetzt getan haben, ist, zu verhindern, dass das Arbeitslosengeld von 55 auf 70 Prozent aufgestockt wird. Das wäre doch das Mindeste, das man schnell tun kann, um diesen Menschen zu helfen. (Beifall bei der SPÖ.)

Dasselbe gilt für den Kunst- und Kulturbereich. Ein wesentlicher Bestandteil des öffent­lichen Lebens in Österreich wurde im Stich gelassen, ihm wurde nicht geholfen.

Dasselbe gilt für die Risikogruppen, für die wir uns verzweifelt bemüht und darum ge­kämpft haben, dass auch Angehörige von Menschen, die zur Risikogruppe gehören, besser geschützt werden. Auch das wollten Sie nicht.

Ich habe langsam das Gefühl, Ihnen geht es nicht darum, vielen Menschen zu helfen. Ihnen geht es wie immer darum, denen zu helfen, denen Sie sich politisch verpflichtet haben. Und das, geschätzte Damen und Herren, ist in dieser Zeit das Falscheste, was man machen kann.

Was dann noch dazukommt, ist, dass Sie nicht nur nicht helfen, sondern dass sich die Menschen inzwischen aufgrund dessen, was Sie an Maßnahmen ergreifen, einfach nicht


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mehr auskennen. Sie wissen nicht mehr, was zu tun ist, was sicher ist und was weniger sicher ist. Sie wissen nicht mehr, wie man sich verhalten muss, und werden dann ge­straft, weil sie sich unter Umständen falsch verhalten.

Wer aber kann sich denn noch auskennen, wenn beispielsweise im Freien 1 Meter Ab­stand beim Spazierengehen einzuhalten ist und im Gasthaus kann man zu viert zu­sammenkuscheln? Was für einen medizinischen, gesundheitspolitischen Sinn macht das? Was ist die Überlegung dahinter? Oder: Wie kann es sein, dass wir zur Schweiz die Grenzen öffnen, aber zu Slowenien nicht, wobei jeder weiß, dass Slowenien pro 100 000 Einwohner weniger Betroffene hat? Was ist der medizinische Sinn dahinter? (Abg. Schmidhofer: Da kannst du rüberfahren nach Italien!) – Das kann man von der Schweiz aus auch, die grenzt nämlich auch an Italien – für alle, die das nicht wissen.

Das Problem bei diesen Maßnahmen ist aber – und die Juristen unter Ihnen werden mir zustimmen –, dass Menschen, die von diesen Normen betroffen und ihnen unterworfen sind, die diese Normen nicht mehr verstehen und durch sie verwirrt werden, auch das Bewusstsein für die Rechtmäßigkeit dieser Normen fehlt.

Um dem I noch ein Tüpfelchen aufzusetzen, passiert dann Folgendes – und das, Herr Bundeskanzler, war, glaube ich, schon ein großer Fehler von Ihnen, über den Sie vielleicht noch etwas sagen könnten –: Es hat eine kurze Zeit gegeben, in der die Grenze zu Slowenien offen war. Ich selbst bin aus der Steiermark und denke, es ist bei den Kärntner Freundinnen und Freunden ähnlich: Das haben einige ausgenützt, um schnell günstig Zigaretten kaufen zu fahren. Jetzt kann man darüber, ob das gescheit ist, un­terschiedlicher Meinung sein, das kann man diskutieren. Was aber dann passiert ist, als sie zurückgekommen sind, war interessant. Sämtliche dieser Zigarettenkäuferinnen
und -käufer, die wahrscheinlich dort mit niemandem gesprochen haben, die Schutzmas­ken getragen haben, die niemanden getroffen haben, haben samt und sonders 14 Tage in Quarantäne gehen müssen. Für Sie, Herr Bundeskanzler, der Sie zweimal die ös­terreichische Staatsgrenze von Deutschland her überschritten haben, gilt das alles an­scheinend nicht, und das ist ungerecht. Entweder gelten Gesetze und Regeln für uns alle, entweder sind Politikerinnen und Politiker auch Vorbild, um das einzuhalten, oder wir können mit diesen Maßnahmen aufhören und uns das alles ersparen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

15.17


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist der Herr Bundeskanzler. – Bitte, Herr Bundeskanzler.


15.17.27

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Ab­geordnete! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Liebe Österreicherinnen und Ös­terreicher! Vor allem aber natürlich Herr Abgeordneter Leichtfried, vielen Dank für diese Dringliche Anfrage und für die Möglichkeit, vielleicht ein paar Fragen, die Sie gestellt haben, zu beantworten (Rufe bei SPÖ und FPÖ: Alle, bitte! Alle!) und da und dort viel­leicht das eine oder andere aus meiner Sicht zu schildern beziehungsweise auch rich­tigzustellen.

Einleitend möchte ich festhalten, dass ich verstehe, dass es bei vielen Menschen eine wahnsinnige Anspannung, eine große Betroffenheit gibt und die Situation keine einfache ist. Wir erleben gerade nichts Alltägliches. Wir erleben eine globale Pandemie und eine globale Wirtschaftskrise. Ich glaube, ich bin nicht der Einzige in diesem Raum, auch wenn ich einer der Jüngsten bin, der sagen kann: Wir alle haben so etwas bisher noch nicht erleben müssen.

Als ich Ihren Ausführungen gefolgt bin, Herr Abgeordneter Leichtfried, hatte ich fast den Eindruck, wir wären in Österreich in einer schlechteren Situation als anderswo. Die


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Wahrheit ist aber: So dramatisch diese globale Pandemie ist, so dramatisch diese glo­bale Wirtschaftskrise ist, mir fällt kein Land ein, mit dem ich gerne tauschen würde. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Nehmen wir uns vielleicht trotz aller Notwendigkeit der Oppositionsarbeit, trotz aller An­spannung, trotz aller Emotion einen Moment des Innehaltens! Versuchen wir alle ge­meinsam hier im Parlament über die Parteigrenzen hinweg, ohne Emotion, ohne Ag­gression, einfach nur einen Moment in uns zu gehen und uns selbst ganz ehrlich – Hand aufs Herz, Herr Abgeordneter! – folgende Frage zu stellen: Mit welchem Land auf der Welt würden wir im Moment gerne tauschen?

Sehr geehrte Damen und Herren, ich kann Ihnen sagen, aufgrund meiner Tätigkeit als Außenminister und als Bundeskanzler habe ich viele Kontakte, viele Freundschaften, viele Bekanntschaften überall auf der Welt. Mir fällt im Moment kaum jemand ein, der mir sagt, es ginge ihm besser als bei uns in Österreich, und ich habe noch niemanden getroffen, der mir gesagt hat: Euch in Österreich geht es schlechter als uns, anderswo in der Welt. – Das sollten wir uns bei aller Emotion einen Moment vor Augen führen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Gerade weil ich für mich auf die Frage, mit welchem Land ich gerne tauschen würde, keine Antwort geben kann, weil mir keines einfällt, möchte ich heute schon noch einmal ein großes Wort des Dankes loswerden: ein Danke an alle im Gesundheitsbereich, ein Danke an alle Verantwortlichen, die in dieser Phase Entscheidungen getroffen haben, auch an Sie in der Opposition – wir haben viele der Beschlüsse einstimmig gefasst (Zwischenruf der Abg. Brandstötter) –, ein Danke an die österreichische Bevölkerung, die vorbildlich agiert hat, und an alle, die gemeinsam dazu beigetragen haben, dass wir seit drei Wochen weniger als 100 Neuinfizierte pro Tag haben, dass wir eines der Länder mit den niedrigsten Ansteckungszahlen in ganz Europa sind und dass wir dadurch eines der Länder sind, die am schnellsten wieder hochfahren können. Danke an alle, die dazu einen Beitrag geleistet haben! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Sehr geehrte Damen und Herren, ich bin froh, dass wir nach der Phase des Lockdowns schneller als andere wieder in die Phase der Öffnung kommen konnten. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Jetzt nach dieser Phase der Öffnung ist es wichtig, dass wir den nächsten Schritt machen, hin in Richtung Eigenverantwortung, hin in Richtung wenig Regeln, wenig klare Regeln (Abg. Loacker: „Wenig klare Regeln“ stimmt!) und eines Maximums an Freiheit, Eigenverantwortung und Hausverstand. Das wird der nächste Schritt sein, den wir mit Juni setzen wollen, und der wird gut und richtig für unser Land sein. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Jetzt zur wirtschaftlichen Situation: Wir haben es nicht nur mit einer globalen Pandemie zu tun, wir haben es – und das soll man nicht kleinreden – mit der größten Wirtschafts­krise zu tun, die wir jemals erlebt haben. Das ist die Realität, weltweit (Zwischenrufe bei der SPÖ), und gestatten Sie mir auch da einen kurzen Blick über unsere Grenzen hinaus: Obwohl wir ein exportorientiertes Land sind, obwohl wir ein Tourismusland sind – zwei Bereiche, die ganz besonders stark betroffen sind –, ist die EU-Kommission laut der aktuellsten Studie der Meinung, dass es zwei Länder gibt, die wirtschaftlich am bes­ten durch diese Krise kommen werden, nämlich Österreich und Deutschland (Abg. Ha­fenecker: Die EU hat nicht einmal ...!), und dass es eine Handvoll Länder mit einem vergleichsweise geringen Einbruch des BIPs gibt. Österreich ist unter diesen Ländern. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich kann Ihnen auch sagen, warum das der Fall ist: Zum Ersten, weil wir schnell und rasch reagiert haben. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Danke an Sie alle – Sie haben die Maßnahmen, die Sie jetzt kritisieren, alle mitgetragen (Abg. Belakowitsch: Das stimmt ja nicht!), und ich bin Ihnen nach wie vor dankbar dafür. Zum Zweiten, weil wir ein 38-Milliarden-Euro-Hilfsprogramm geschnürt haben, das vom Volumen her, da


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wir ein finanz- und wirtschaftsstarkes Land sind, natürlich deutlich größer ist als in vielen anderen Ländern.

Sehr geehrte Damen und Herren, verstehen Sie mich nicht falsch. Ich verstehe jeden, der sagt: Warum ist das Geld noch nicht am Konto? Warum geht das nicht schneller? Warum geht das nicht einfacher? – Die Behörden arbeiten Tag und Nacht, dass es funk­tioniert, es ist aber eine Herausforderung (Zwischenruf des Abg. Leichtfried), 38 Mil­liarden Euro rechtskonform und möglichst treffsicher an den Mann zu bringen. (Zwi­schenruf des Abg. Brückl.)

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Leichtfried, da ich Sie einige Jahre kenne: Sie wären der Allererste, der uns Vorhaltungen machen würde, wenn das Geld nicht treffsicher oder bei irgendjemandem fälschlich oder zu Unrecht ankommen würde. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Ruf bei der FPÖ: Seit wann ist die Wirt­schaft ...? – Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.)

Daher bleibe ich dabei: Ich habe volles Verständnis für jeden, der ungeduldig ist, der sagt: Warum ist das Geld noch nicht am Konto angelangt?, ich bitte und werbe aber auch um Verständnis, dass wir in einem Rechtsstaat leben und niemand Steuergeld frei­händig verteilen kann, sondern alles eine gesetzliche Grundlage und auch ein Minimum an Kontrolle braucht.

Ich möchte ein Stück weit ins Detail gehen, weil Sie, Herr Abgeordneter Leichtfried, in Ihrer Anklage auch ausgeführt haben (Zwischenrufe bei der SPÖ), niemand habe Hilfe erhalten, bei niemandem sei irgendetwas angekommen. (Ruf bei der SPÖ: ... keine Anklage! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Auch da mache ich, wenn Sie gestatten, kurz den Blick in die Details.

Zur Kurzarbeit: Es sind über 100 000 Anträge auf Kurzarbeit gestellt worden. In Summe reden wir da von einer Million Arbeitsplätzen, die in Österreich gerettet werden. Öster­reich ist das einzige Land in Europa mit einer Nettoersatzquote von bis zu 90 Prozent. (Ruf bei der FPÖ: Falsch!) Das klingt jetzt alles wahnsinnig sperrig, im Detail aber heißt das, dass es bis zu einer Million Menschen gibt, deren Job dadurch gerettet werden konnte.

Der Staplerfahrer, der vor der Krise 1 590 Euro als Gehalt bezogen hat, hat, selbst wenn er 0 Stunden gearbeitet hat, während der Krise 1 350 Euro erhalten. Der Kellner, der vor der Krise 1 300 Euro netto verdient hat, hat, selbst wenn er 0 Stunden gearbeitet hat, in der Krise 1 200 Euro netto erhalten.

Man kann alles schlechtreden, sehr geehrter Herr Abgeordneter Leichtfried, aber nen­nen Sie mir ein einziges Land in Europa mit einem vergleichbaren Kurzarbeitsmodell! Nennen Sie mir ein einziges Land in Europa, in dem dadurch über eine Million Jobs gerettet werden konnten (Zwischenrufe bei der SPÖ), und nennen Sie mir ein einziges Land auf der Welt, in dem Menschen in dieser Krise, auch wenn sie keine einzige Stunde gearbeitet haben, 90 Prozent ihres Gehalts erhalten haben! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Verstehen Sie mich nicht falsch! Das ist nicht das Verdienst der Bundesregierung. Es sind die österreichischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, die das möglich gemacht haben. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Es sind die österreichischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, die in dieser Zeit den Beschäftigten, die die Unterstützung brauchen, hel­fen, ihren Job zu behalten und trotzdem 90 Prozent ihres Gehalts zu bekommen, und es waren die Sozialpartner, die dieses Modell der Kurzarbeit ausgehandelt haben. Daher auch ein großes Danke an die sozialdemokratischen Vertreter, die mit der Wirtschafts­seite gemeinsam dieses Modell erarbeitet, ausverhandelt und letztlich auch beschlossen haben! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)


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Ich gehe ein Stück weiter in die Details, zu staatlich garantierten Krediten und Steuer­stundungen. Es gab über 250 000 Anträge, die im Regelfall innerhalb von wenigen Ta­gen abgearbeitet worden sind. Es sind 6 Milliarden Euro an Steuern gestundet worden, und ich möchte mir auch da einen Moment Zeit für den internationalen Vergleich neh­men: Insgesamt gibt es in ganz Europa vier Länder, die ein mit dem unseren vergleich­bares Modell haben, mit 100 Prozent staatlichen Garantien für Kredite. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Der dritte Bereich, bei dem ich gern ins Detail gehen würde, ist der Fixkostenzuschuss. Sie haben diesen angesprochen und selbst ein Beispiel eines kleinen Beherbergungs­betriebs, der nichts erhält, genannt. Bitte nennen Sie uns die Kontaktdaten dieser Men­schen! Wir wollen sie gerne darüber informieren, dass das unwahr ist.

Der Fixkostenzuschuss, wie er in Österreich existiert, existiert in Europa zum derzeitigen Zeitpunkt einzig und allein in einem anderen Land. Hier sind wir also nicht bei den besten Vier, sondern wir sind bei den besten Zwei. Neben Dänemark sind wir derzeit das einzige Land, das einen Fixkostenzuschuss für Betriebe von bis zu 75 Prozent ihrer Fixkosten hat.

Auch hier ein Beispiel: Was bedeutet das für einen Beherbergungsbetrieb? – Einem Be­herbergungsbetrieb, der einige Monate geschlossen war, der einen Umsatz von 2,5 Mil­lionen Euro hat, werden die Kosten für die Mitarbeiter durch die Kurzarbeit ersetzt. Da­rüber hinaus gibt es natürlich Fixkosten. Wenn in diesem Betrieb mit 2,5 Millionen Euro Umsatz in drei Monaten 80 000 Euro an Fixkosten anfallen, erhält dieser Betrieb fast 60 000 Euro dieser Fixkosten ersetzt. Ja, es sind nicht 100 Prozent, aber es ist hart ver­dientes Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, und es ist nur in einem einzigen anderen Land in der Europäischen Union so, dass es ein vergleichbares Modell gibt. Auch das sollte hier einmal in aller Offenheit ausgesprochen werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Abschließend: Ja, es ist eine herausfor­dernde Zeit, und trotz aller Hilfen wird es eine extrem schwierige Phase für die österrei­chischen Unternehmen bleiben, es wird eine schwierige Phase auf dem österreichischen Arbeitsmarkt bleiben, es wird nicht einfach und nicht leicht werden. Ich möchte keine der Herausforderungen kleinreden, weder für die Betriebe noch für die Beschäftigten. Ich bin mir aber genauso sicher, dass es jetzt eines braucht, nämlich Optimismus, Mut und Zuversicht. Was es nicht braucht, ist das Schlechtreden von Systemen, die europaweit und international positiv hervorstechen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wir alle können und sollen besser werden. Ich bin für alle Anregungen dankbar, die es für die unterschiedlichen Ministerien in den letzten Wochen gegeben hat, ganz gleich, ob sie von Wirtschaftskammer oder Gewerkschaft kamen, ob von Regierungsparteien oder Oppositionsparteien. Ganz besonders danke ich natürlich der Bevölkerung und den zahlreichen Unternehmerinnen und Unternehmern, die mitgewirkt haben, um diese Sys­teme so schnell aufzubauen, aber auch immer treffsicherer und besser zu machen.

Ich bin mir vollkommen bewusst, dass die Situation eine schwierige ist, aber ohne Mut, Zuversicht, Optimismus und den Blick nach vorne wird es nicht gehen. Insofern braucht es, gerade wenn die Zeit schwierig ist, gerade wenn die Anspannung eine große ist, gerade wenn die Sorge droht, überhand zu nehmen, vielleicht einen Moment des Inne­haltens, des Blicks in alle Himmelsrichtungen und die ehrliche Frage: Mit welchem Land der Welt wollen wir im Moment tauschen? – Da kommt man drauf, dass man dankbar sein kann, Österreicher sein zu dürfen. (Zwischenruf des Abg. Loacker.) Ich für meinen Teil bin es jeden einzelnen Tag. – Vielen Dank. (Anhaltender Beifall bei ÖVP und Grünen.)


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Ich darf nun noch einige konkrete Fragen beantworten, die uns schriftlich übergeben worden sind. (Abg. Belakowitsch: Einige?! Bitte alle! – Ruf bei der SPÖ: Alle!)

Ich komme zu den Fragen 1, 2, 4, 6 bis 9, 13, 14 und 23:

Oberstes Ziel der Bundesregierung bei der Bewältigung der Coronakrise war und ist es, Menschenleben zu retten und eine Überlastung des Gesundheitssystems zu vermeiden. Die österreichische Bundesregierung hat bereits frühzeitig Maßnahmen gesetzt, um eine unkontrollierte Ausbreitung der Erkrankung bestmöglich zu verhindern. Bereits am 27. Jänner wurde eine Sondersitzung des staatlichen Krisen- und Katastrophenmanage­ments zum Thema Coronavirus einberufen, um den Ausbruch des Virus in China und die zu erwartenden Entwicklungen in Europa beziehungsweise in Österreich zu erörtern.

Auch in den Folgewochen wurden die Arbeiten im Koordinationsausschuss des staatli­chen Krisen- und Katastrophenmanagements fortgesetzt. In diesem Rahmen fließt so­wohl die Expertise des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Kon­sumentenschutz als auch jene aller anderen betroffenen Bundesministerien und Dienst­stellen ein. Darüber hinaus findet in diesem Rahmen ein formalisierter regelmäßiger Aus­tausch mit den Ländern und deren Behörden statt, sodass auch deren Experten ein­bezogen werden können.

Weiters gibt es eine Vielzahl an nationalen und internationalen bilateralen Kontakten, mit denen aktuelle Fragestellungen aus unterschiedlichen Sichtweisen erörtert werden. Die Medizin mit all ihren Fachrichtungen gibt hier einen sehr wichtigen Input. Allerdings rei­chen die berücksichtigten Informationen viel weiter: von den Sozialpartnern über Ex­perten zum Thema Wirtschaft und Arbeitsmarkt, Mathematikerinnen und Mathematiker, Datenexpertinnen und -experten bis hin zu vielen anderen, die ihre Expertise in die La­geeinschätzung eingebracht haben. Natürlich findet auch ein Austausch mit den be­troffenen Unternehmen aller Größen gemeinsam mit Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh­mern zu Arbeitsmarktthemen statt.

All diese unterschiedlichen Fachmeinungen und Einschätzungen werden verarbeitet, um eine bestmögliche Entscheidungsgrundlage zu haben. Letztendlich muss die Politik im­mer alle Meinungen und Interessen abwägen und dann die Entscheidungen treffen. Diese wurden von der Regierung auch stets einstimmig getroffen. An dieser Stelle möchte ich mich auch bei den Mitgliedern des Nationalrates für die gute Kooperation bedanken. Ich möchte auf diesem Weg auch Danke dafür sagen, dass einige Be­schlüsse sogar einstimmig erzielt werden konnten.

Das öffentliche Leben wurde beginnend mit 16. März auf das Notwendigste beschränkt. Gleichzeitig wurden Quarantänemaßnahmen für besonders gefährdete Regionen in Kraft gesetzt. Wie der Rückgang der Infektionszahlen im internationalen Vergleich zeigt, haben wir schnell und richtig gehandelt, und die Maßnahmen wurden von der Be­völkerung in einem sehr hohen Maß mitgetragen. Der Erfolg dieser Maßnahmen zeigt sich an den aktuellen Zahlen und darin, dass Österreich früher als andere Staaten die Beschränkungen lockern kann.

Diesen erfolgreichen Weg setzen wir in einem informellen Austausch mit den Ländern innerhalb und außerhalb Europas fort, welche alle durch die frühzeitige Reaktion auf das Coronavirus nun auch früher wieder hochfahren können. Zu diesen First Movers zählen neben Österreich beispielsweise Israel, Tschechien, Norwegen, Dänemark und andere Staaten.

Auch die geringe Zahl der Todesopfer zeigt einen guten Umgang mit dieser Krise. Da­durch war es uns möglich, andere europäische Partner zu unterstützen und sogar Pa­tienten aus Ländern wie Italien, Frankreich oder Montenegro aufzunehmen.

Zu den Fragen 11 und 12:


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Unser Ziel war und ist es, den bestmöglichen Schutz für alle sicherzustellen, die an vorderster Front im Einsatz gegen das Coronavirus stehen. Insbesondere bei der Schutzausrüstung haben wir sehr große internationale Nachfrage erlebt. Es kam da­durch auch bei uns zu Engpässen. Daher wurde in der ersten Phase die Beschaffung von Schutzausrüstung für Österreich über das Österreichische Rote Kreuz abgewickelt. Wir konnten damit rasch große Mengen an qualitativ hochwertigem Material für das Gesundheitspersonal und jene, die im direkten Kontakt mit Patienten standen, garan­tieren.

Zusätzlich möchte ich die Vielzahl der österreichischen Unternehmen hervorheben, die rasch auf die Krise reagiert haben und Schutzmaterialien herstellen, und all jenen ein großes Danke aussprechen, die hier schnell reagiert haben und heute hochwertige Mas­ken, Plexiglasschilder, Beatmungsgeräte und anderes herstellen.

Zur Frage 15:

Ich möchte festhalten, dass die Einhaltung der Maßnahmen und Empfehlungen der Bun­desregierung durch die Bevölkerung der wichtigste Schritt im Kampf gegen das Virus ist. Jeder und jede, der oder die sich an die Verhaltensregeln hält, kann dazu beitragen, das Virus einzudämmen. Ich ersuche um Verständnis, dass die genaue Beantwortung der Frage aufgrund der Unzuständigkeit des Bundeskanzleramts sowie der unterschiedli­chen vollziehenden Behörden in den Bundesländern nicht im Detail erfolgen kann.

Zu den Fragen 16 bis 20:

Im Kleinwalsertal sind uns Fehler in der Vorbereitung passiert, daher haben wir noch in derselben Nacht begonnen, daran zu arbeiten, dass so etwas nicht mehr passieren kann. Die Einreise erfolgte in Abstimmung mit dem Außenministerium und den deut­schen Behörden. Begleitet wurde ich von zwei Mitarbeitern aus meinem Kabinett sowie meinem Personenschutz in Zivil.

Zu den Fragen 21 und 22:

Beim Thema Grenzöffnungen müssen wir eine gute Balance finden: Auf der einen Seite muss sichergestellt werden, dass wir das Risiko einer Eintragung von Covid so weit wie möglich reduzieren, auf der anderen Seite wollen wir natürlich die Reisefreiheit schnellst­möglich wiederherstellen. Bereits mit Mitte Mai konnten wir dank der guten Entwicklung erste Lockerungsschritte setzen, am 15. Juni soll es Grenzöffnungen zu all jenen Län­dern geben, die eine ähnlich gute Entwicklung der Neuinfektionen haben wie Österreich. Mit einigen Ländern haben wir schon Vereinbarungen treffen können, mit unseren an­deren Nachbarstaaten arbeiten wir daran.

Zur Frage 24:

Ich darf um Verständnis dafür ersuchen, dass diese Frage nicht beantwortet werden kann, da sie nicht den Vollziehungsbereich des Bundeskanzleramts betrifft.

Zu den Fragen 3, 5, 10, 25 bis 28:

Das vorrangige Ziel beim Setzen der Maßnahmen war, rasch zu reagieren und dadurch Menschenleben zu retten und eine unkontrollierte Ausbreitung des Virus sowie den Zu­sammenbruch unseres Gesundheitssystems zu verhindern. Wir mussten schnell Maß­nahmen setzen und kommunizieren, um das – gerade auch in den Betrieben und Unter­nehmen – sicherzustellen. Klar ist, dass es bei einer globalen Pandemie, die weltweit nahezu jede Volkswirtschaft belastet, Zusammenhalt von allen braucht. Dies wurde auch durch die zahlreichen einstimmigen Beschlüsse im Parlament sichtbar.

Um die wirtschaftlichen Auswirkungen zu bewältigen, hat die Bundesregierung ein Paket im Ausmaß von 38 Milliarden Euro geschnürt, davon insgesamt 15 Milliarden Euro für den Coronahilfsfonds für besonders betroffene Branchen der Wirtschaft. 12 Milliarden


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Euro wurden mittlerweile zur Finanzierung des Kurzarbeitsmodells zur Verfügung ge­stellt. Gemeinsam mit den Mitteln aus dem Härtefallfonds, den Garantieübernahmen, dem Fixkostenzuschuss, den Hilfen für Forschung, Medien, Kunst und Kultur wurde ein starkes und treffsicheres Paket geschnürt.

Uns ist völlig bewusst, dass wir weiter hart arbeiten müssen, um diese Krise zu bewälti­gen, aber ich kann Ihnen versichern: Wir geben täglich unser Bestes. – Vielen Dank. (An­haltender Beifall bei ÖVP und Grünen.)

15.42


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Wurm zu Wort gemeldet. – Bitte.


15.42.42

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Herr Bundeskanzler Kurz hat in seiner Rede be­hauptet, dass Österreich in Europa das einzige Land mit einer Nettoersatzrate von 90 Prozent bei der Kurzarbeit ist. Das ist falsch, so wie einige andere Aussagen auch.

Ich berichtige tatsächlich: Die Schweiz hat auch über 90 Prozent Ersatzrate, Irland hat bis zu 100 Prozent Nettoersatzrate, Dänemark, Schweden, Norwegen und einige andere Länder haben eine Ersatzrate von bis zu 100 Prozent vom Bruttolohn. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

15.43


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu einer tatsächlichen Berichtigung ist Abge­ordneter Stöger zu Wort gemeldet. – Bitte.


15.43.47

Abgeordneter Alois Stöger, diplômé (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine sehr verehrten Damen und Herren der Bundesregierung! Der Herr Bundeskanzler hat behauptet, dass der stellvertretende Klubvorsitzende Leichtfried eine Anklage an ihn gerichtet hat. Das ist unrichtig.

Ich berichtige tatsächlich: Der stellvertretende Klubvorsitzende Leichtfried hat eine Dringliche Anfrage gestellt. Das ist etwas anderes. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Haubner: Peinlich!)

Weiters hat der Herr Bundeskanzler behauptet, die Sozialdemokratie hat seinen Weg mitgetragen.

Ich berichtige tatsächlich: Die SPÖ hat gemeinsam mit der gesamten Opposition die Bestimmungen des Covid-Gesetzes, mit denen das Epidemiegesetz umgangen worden ist, nicht mitgetragen und hat dagegen gestimmt. Es wäre schön, wenn wir einen Bun­deskanzler hätten, der bei der Wahrheit bleibt. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

15.44


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Abgeordneter Loacker hat auch noch eine tat­sächliche Berichtigung. – Bitte.


15.45.07

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Der Herr Bundeskanzler hat gesagt, die Regierung hätte rechtzeitig Schutzmaterialien eingekauft, um die Arbeitskräfte im Ge­sundheitswesen damit zu versorgen.

Ich berichtige tatsächlich: Pflegekräfte sind am Anfang zu Spar und Billa gegangen und haben sich dort ihre Mund-Nasen-Schutzmaske geholt, weil sie im Spital vom Arbeit­geber keine bekommen haben. (Beifall bei NEOS, SPÖ und FPÖ.)

15.45



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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ist noch jemand zu einer tatsächlichen Berich­tigung zu Wort gemeldet, den wir übersehen hätten? (Abg. Belakowitsch: Wir hätten schon noch einige! Ich kann das aber in meine Rede einbauen!) – Niemand mehr. (Zwi­schenrufe bei SPÖ und FPÖ.)

Dann gelangt Abgeordneter Matznetter zu Wort. – Bitte.


15.45.52

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuse­her! Sie haben Glück, dass hier so viel Zurückhaltung herrscht. Würde man alles, was hier gesagt wurde, tatsächlich berichtigen, bräuchte man nämlich bis zum Abend. Wir wollen uns aber mit dem Thema beschäftigen.

Der Herr Bundeskanzler hat einmal gezeigt, was in ihm steckt. Das ist für die zukünftige Berufsentwicklung von Herrn Kurz interessant. Vielleicht können Sie bei den christlichen Predigern in der Stadthalle anheuern, Sie reden wie ein junger Kaplan. Sie müssen nur eines sehen: Selbstbeweihräucherung reicht nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir müssen den Fakten ins Auge sehen, ein Teil davon wurde Ihnen bereits gesagt. Jetzt kommen wir zu Ihren Anfragebeantwortungen – Sie haben die Fragen nämlich nicht beantwortet (Ruf bei der SPÖ: Genau!), zum Beispiel die Frage, ob für Sie im kleinen Grenzverkehr dieselben Regeln betreffend Quarantäne gelten wie in Kärnten oder in der Steiermark. Haben Sie danach die 14 Tage Quarantäne eingehalten? Ich habe keine Antwort darauf gehört. – Nein! Da gilt der alte römische Spruch: Quod licet Iovi, non licet bovi. Nur: Unsere Österreicherinnen und Österreicher sind keine Ochsen – das sage ich Ihnen, Herr Bundeskanzler –, und sie verdienen es, dass alle gleich behandelt werden und dass nicht für wenige etwas Besseres gilt. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeord­neten von FPÖ und NEOS.)

Ich sage Ihnen auch, an wem Sie sich ein Beispiel nehmen können: am Herrn Bundes­präsidenten Alexander Van der Bellen; der konnte sich nämlich entschuldigen. Das habe ich von Ihnen nach den Vorkommnissen im Kleinwalsertal nicht gehört. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Der Bürgermeister von Wien hat in der Annagasse auch keine Beflaggung angeordnet.

All das sind Beispiele dafür, wie man es nicht macht, und kein Anlass, sich hierher zu stellen und zu sagen: Mit welchem Land wollen Sie tauschen? – Ich sage es Ihnen gerne. Bleiben wir einmal bei den Toten: 641 Coronatote. Sagen Sie den betroffenen Familien einmal: Mit welchem Land hätten Sie denn getauscht? Vielleicht mit Singapur mit nur 21 Toten, vielleicht mit Taiwan mit nur zehn Toten? Die haben nämlich ab Ende Dezember Containment gemacht. Oder mit Korea, die zuvor die zweithöchste Infektions­zahl hatten und es geschafft haben, es einzudämmen? – Ich halte nichts davon – ernst­haft –, sich hinzustellen und zu sagen, wie toll wir sind. Reden wir über die Probleme, die wir haben! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von FPÖ und NEOS. – Zwi­schenruf der Abg. Gabriela Schwarz.)

Nein, nein, nein, Frau Kollegin! Sie sagen uns dann: Sagen Sie uns die Namen derer, die Probleme haben! – Lesen Sie das „Profil“, die aktuelle Ausgabe vom 24. Mai! Dort wird über Jutta Pregenzer vom Pregenzer Fashion Store, hier ganz in der Nähe, ge­schrieben und gesagt, wie viel sie gekriegt hat: 81,75 Euro! Eine Schande sind solche Beträge! (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Gabriela Schwarz.)

Reden wir über diese Probleme, reden wir darüber, warum das zu wenig ist! Sie, Herr Bundeskanzler, fragen: Mit welchem Land wollen Sie tauschen? – Warum sind Sie in Vorarlberg bei den Fahnenmasten im Kleinwalsertal steckengeblieben? Wären Sie ein bissel weitergefahren und hätten Sie jene Unternehmerinnen und Unternehmer gefragt,


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die einen Betrieb über der Grenze in der Schweiz haben! Sie hätten sich von denen zeigen lassen können: In 24 Stunden das Geld am Konto! – Mit denen hätten unsere tauschen wollen.

Zu der von Ihnen viel gelobten Kurzarbeit und Ihren Aussagen darüber, wie viel der Ga­belstaplerfahrer bekommen hat: Der hat das Geld von seinem Arbeitgeber bekommen. Der wiederum hat jedoch noch keinen Schilling und keinen Euro gesehen, weil erst 71 Millionen von den 12 Milliarden Euro ausbezahlt worden sind. So schaut es aus!

Zu Ihrem „Koste es, was es wolle“: Ja, das hat er gesagt. Er hat aber nicht dazugesagt, wem. Es sind Zigtausende, die mit ihrer wirtschaftlichen Existenz den Preis dafür zahlen, denn die kostet es, was es wolle, nicht die Allgemeinheit, die zahlungspflichtig war.

Die tatsächliche Berichtigung hat gestimmt. Wir haben den Antrag gestellt, nämlich im Zusammenhang mit § 4 Abs. 2 COVID-19-Maßnahmengesetz – am 14. März, Herr Klubobmann –, dass alle Betriebe mit bis zu 25 Mitarbeitern volle Entschädigung für den Verdienstentgang erhalten.

Was haben Sie mit ihnen gemacht? – Sie haben sie zu Bittstellern gemacht! Sie haben sie sogar im Namen verhöhnt! Die, die einen Antrag stellen, weil ihr Betrieb zum Schutz der Allgemeinheit geschlossen wurde, bekommen nicht den Umsatz ersetzt, nein, sie dürfen sich anstellen und werden zum Härtefall im Fonds. Wie kann man Menschen, die etwas unternehmen und ein Teil unserer Wirtschaft sind, zu Bittstellern und Almosen­empfängern degradieren?! Das ist ein Sündenfall, den werden wir Ihnen nicht durchge­hen lassen! (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der FPÖ sowie des Abg. Brandstätter.)

Stellen Sie das wieder her, geben Sie denen die Entschädigung! Die Betriebe wurden zum Schutz der Allgemeinheit gesperrt, nicht im Interesse der Unternehmerinnen und Unternehmer, sondern im Interesse der Allgemeinheit.

Seit 100 Jahren gelten Regelungen bezüglich Verdienstentgang. Seit 70 Jahren galt § 32 Epidemiegesetz. 70 Jahre österreichisches Gesetz: volle Vergütung bei Verdienst­entgang, voller Schadenersatz, gesetzlicher Anspruch! – Sie haben das weggenommen beziehungsweise wegzunehmen versucht.

Ich habe einen Musterantrag ins Netz gestellt und ich darf mich an dieser Stelle an jene Händlerinnen und Händler wenden, die seit Dienstag nach Ostern aufsperren dürfen: Heute läuft die Sechswochenfrist aus. Stellen Sie noch den Antrag! Vielleicht hat sie es auch schlampig gemacht, die Regierung, und dann kriegen Sie Ihre vollen Umsätze. – Ich würde es diesen Unternehmerinnen und Unternehmern sehr, sehr, sehr wünschen. – Danke. (Anhaltender Beifall bei der SPÖ.)

15.51


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gelangt Herr Klubobmann August Wö­ginger. – Bitte.


15.51.30

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren! – (Sich angesichts des anhaltenden Beifalls bei der SPÖ an Präsident Sobotka wendend:) Das geht aber nicht auf meine Zeit. Allerhand, ich hätte mir nicht gedacht, dass das einmal geht!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Nachdem Herr Kollege Matznetter jetzt mit den Sterbezahlen gekommen ist, möchte ich Ihnen ei­nes doch noch einmal mitgeben: Österreich ist bei Weitem besser durch diese Krise gekommen als viele andere Länder, auch viele unserer Nachbarländer. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Meine Damen und Herren, wir reden hier von einer Pandemie, von einer weltweiten Gesundheitskrise, die jetzt in eine weltweite Wirtschaftskrise mündet. Zu Be­ginn war aber die Gesundheitskrise. Da geht es um den Erhalt der Menschenleben in


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unserer Republik, und da hat Österreich rasch, konsequent und richtig gehandelt, meine Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Dass Sie das ärgert, ist irgendwie unglaublich, das möchte ich schon einmal zum Aus­druck bringen. Es ist unglaublich, dass es jemanden ärgern kann, dass wir in dieser Gesundheitskrise, dieser Pandemie Gott sei Dank niedrige Todeszahlen haben. Dann stellt man sich als Oppositionsvertreter hierher und sagt: Nein, nein, das ist eh alles nicht wahr, das stimmt alles gar nicht, hantiert nicht mit diesen Zahlen! – Das ist unglaublich, Herr Kollege Matznetter. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.) Es ist wirklich unglaublich, auf dem Rücken der Menschen hier eine solche Show abzuziehen; das möchte ich Ihnen schon einmal mitgeben. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Abg. Matznetter: Ihre Show ist ...!) – Ja, ja, dann lesen Sie wenigstens die Zeitung! Blättern Sie nicht nur im „Profil“ herum, sondern lesen Sie eine Tageszeitung! Da steht heute „Lob für Österreichs Co­rona-Bekämpfung“. „Von Expertenseite gibt es erneut Lob für die bisher gesetzten Maß­nahmen in Österreich.“ Armin Fidler ist der genannte Experte. Laut ihm „hat die Alpen­republik in der Corona-Krise ‚etwas hinbekommen, das im internationalen Vergleich fast einzigartig dasteht’“.

Fidler bezog sich in seinen Ausführungen insbesondere auf die Covid‑19-Todesrate, die weltweit gesehen eine der niedrigsten ist. „‚Mit 71 Toten pro einer Million Einwohner sind wir um 30 Prozent besser dran als beispielsweise Deutschland’, rechnete Fidler vor.“

Herr Kollege Matznetter, jeder Tote durch Corona ist einer zu viel; aber wir haben es gut und richtig gemacht, und darauf kommt es an, meine Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Dass wir jetzt Österreich wieder hochfahren, dass wir dieses Comeback Österreichs jetzt einleiten, ist nur deshalb möglich, weil wir niedrige Infektionszahlen haben. Ich habe in den letzten Wochen schon viele Male an diesem Rednerpult gesagt: Nur dann, wenn wir niedrige Infektionszahlen haben, ist es möglich, dass wir in Zweiwochenschritten, in
14-Tages-Schritten, Österreich wieder hochfahren! Und das machen wir. Begonnen ha­ben wir mit den Geschäften, mit den Schulen, mit den Gasthäusern, am kommenden Wochenende sperren auch Tourismusbetriebe wieder auf, und auch die Grenzen zu vielen unserer Nachbarländer, insbesondere zur Bundesrepublik Deutschland, werden am 15. Juni geöffnet. Wir sind ein Export- und Tourismusland, daher ist das notwendig, möglich ist es aber nur deshalb, weil wir niedrige Infektionszahlen haben. Manchmal habe ich hier den Eindruck, dass man das völlig vergisst.

Ja, wir haben Herausforderungen zu bewältigen, die größten seit Beginn der Zweiten Republik – das reden wir auch nicht klein –, und ja, es stimmt, wir können nicht alle Anträge auf einmal abarbeiten – wir als Abgeordnete sowieso nicht, aber auch nicht das AMS, die Wirtschaftskammer, die einzelnen Behörden, die Finanzämter. Eines, Herr Kol­lege Matznetter, mache ich aber schon: Ich sage all den Mitarbeiterinnen und Mit­arbeitern, egal wo sie tätig sind, die fast rund um die Uhr daran arbeiten, dass diese Anträge abgearbeitet werden, Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Es ist ein 38-Milliarden-Euro-Hilfspaket, das, wenn man die Größenordnung vergleicht, seinesgleichen sucht, auch in den anderen Ländern. Ja, wir bemühen uns, die Gelder so rasch wie möglich zu den Betroffenen – den Unternehmerinnen und Unternehmern, den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern – zu bringen.

Einige Punkte möchte ich aber doch herausstreichen. Kommen wir noch einmal zum Thema Kurzarbeit: Ich verstehe nicht, warum dieses Modell jetzt kritisiert wird. Es beruht auf einer Sozialpartnereinigung. Ich glaube, da haben rote Gewerkschafter mit unseren Vertretern der Wirtschaftskammer ganz gut zusammengearbeitet. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das ist ein gutes Modell. 1,1 Millionen Menschen haben den Job nicht verloren, sondern sie sind weiterhin bei ihren Betrieben angestellt.


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Eines noch, Herr Kollege Matznetter: Das muss doch das Herzelement der Sozialdemo­kratie sein! Man müsste ja in dieser schwierigen Zeit diesen Menschen in den Betrieben freudeströmend gegenübertreten! Ein Staplerfahrer, der rund 1 600 Euro netto hatte, kommt jetzt in der Kurzarbeit auf immerhin 1 350 Euro, egal wie viel dort letzten Endes im Betrieb gearbeitet wird. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.) Das ist Hilfe, die an­kommt, meine Damen und Herren! Das erhält die Kaufkraft der Menschen, und das ist für unseren Wirtschaftskreislauf von enormer Bedeutung. Über eine Million Menschen sind in Kurzarbeit und nicht in der Arbeitslosigkeit! (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwi­schenruf der Abg. Belakowitsch.)

Die Abrechnungen in diesem Bereich laufen auf Hochtouren, und ich verstehe nicht, was man da kritisieren kann. Es ist ein gutes Modell. Die Arbeitslosenzahlen gehen derzeit zurück (Zwischenruf des Abg. Matznetter) – möge es so bleiben, meine Damen und Herren –: minus 9 000 Arbeitslose in den letzten Wochen. Wichtig ist, und das möchte ich auch betonen, dass wir - - (Abg. Matznetter: Nein, aber das ist doch kein ...!) – Kön­nen Sie einmal zuhören, Herr Matznetter? Das ist anscheinend nicht möglich. (Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)

Wichtig ist, dass wir die Menschen wieder in die Arbeit bringen, dass sie in ihre Jobs zurückkönnen, denn Arbeit bedeutet Einkommen, Einkommen bedeutet Wohlstand, und Arbeit ist das beste Mittel gegen Armut. Daher ist es wichtig, dass wir die Menschen zurück in die Arbeitswelt bringen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Wir sichern damit auch die Liquidität. 250 000 Anträge auf Steuerstundung, 6 Milliarden Euro – erledigt. Garantieübernahme für Kredite – nur vier Länder in Europa machen das bis zu 100 Prozent –: 5 Milliarden Euro, 6 500 Anträge genehmigt; insgesamt gab es 7 000 Anträge, in Deutschland gab es insgesamt nur 8 000 Anträge. Die Auszahlung des Fixkostenzuschusses wurde jetzt vorgezogen. Ein Friseurgeschäft mit 1 Million Euro Umsatz und einem Umsatzrückgang von 100 Prozent – zugesperrt bis Anfang Mai, wir wissen es –: 11 000 Euro Zuschuss für drei Monate, 5 500 Euro direkt nach Bewerbung ausbezahlt. (Zwischenruf des Abg. Loacker.)

Das ist Hilfe, die wir so schnell wie möglich geben, die die Unternehmungen brauchen, daher halte ich es für nicht angebracht, dass wir alles schlechtreden. Halten wir doch zusammen und geben wir den Unternehmen und den Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh­mern so rasch Unterstützung, wie wir sie eben in dieser schwierigen Zeit geben können! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Wir haben in diesen Minuten das Gemeindepaket eingebracht: 1 Milliarde Euro für In­vestitionen auf der kommunalen Ebene. Das soll die Arbeitskräfte, die Bauwirtschaft und auch die regionalen Betriebe sichern. Vereinspaket: 700 Millionen Euro – ebenfalls ein­gebracht; Wirtepaket: 500 Millionen Euro – ebenfalls eingebracht; öffentlicher Verkehr: 300 Millionen Euro; Ökologisierungsmaßnahmen: 200 Millionen Euro.

Es ist uns bewusst, dass wir auch noch weitere Maßnahmen werden setzen müssen, wenn es um die Entlastung der kleinen und mittleren Einkommen und um mehr Anreize für Investitionen geht, aber das sind Pakete, die zielgerichtet sind, mit denen den jewei­ligen Gruppen unter die Arme gegriffen wird und die bei den Betroffenen auch ankom­men werden, meine Damen und Herren – und wir bringen diese Pakete auf raschestem Weg, nämlich per Initiativanträgen, zur Umsetzung.

Das Comeback Österreichs, meine Damen und Herren, wird gelingen, wenn wir zusam­menhalten. Wenn die Österreicherinnen und Österreicher auch in der jetzigen Situation so zusammenstehen, wie sie es zu Beginn dieser Krise getan haben, dann bin ich wirk­lich davon überzeugt, dass wir auch diese zweite Phase so gut wie möglich gemeinsam werden meistern können.


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Jetzt ist das Gebot der Stunde, Lockerungen überall dort durchzuführen, wo sie möglich sind: weniger Regeln, mehr Eigenverantwortung und Hausverstand! Wenn wir gemein­sam weiterhin dieser Krise entgegentreten, dann wird Österreich besser aus dieser Ge­sundheits- und auch aus dieser Wirtschaftskrise herauskommen als viele andere Länder der Welt.

Meine Damen und Herren, Sie sind alle eingeladen, hier mitzuarbeiten, weil wir für die Menschen in diesem Land arbeiten, und wir wollen, dass die Infektionszahlen auch wei­terhin niedrig bleiben und dass wir das Comeback Österreichs gemeinsam einleiten kön­nen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

16.01


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schnedlitz. – Bitte.


16.01.09

Abgeordneter Michael Schnedlitz (FPÖ): Herr Präsident! Herr Kanzler! Hohes Haus! Herr Kanzler, wenn Sie die Frage stellen, wer von den Österreicherinnen und Österrei­chern jetzt gern in einem anderen Land wäre, dann ist die Antwort logisch: nahezu niemand. Sie müssen nur dazusagen, dass das nicht an Ihrer Politik liegt. Es liegt daran, dass wir in einem großartigen Land leben, in einem großartigen Land, das unsere Eltern, unsere Großeltern, unsere Urgroßeltern aufgebaut haben – und nicht Sie aus dem Jahr­gang 1986 (Beifall bei der FPÖ) –, in einem Land mit einer großartigen Bevölkerung.

Ich habe schon gesagt, dass diejenigen es aufgebaut haben, die Sie jetzt wegsperren. Das muss man auch einmal aussprechen. Sie schützen nämlich unsere Eltern und Groß­eltern und Urgroßeltern nicht, sondern Sie sperren sie weg. Das ist Ihre Politik zur Be­wältigung der Krise. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

Ich darf Ihnen aber eine Gegenfrage stellen: Wann haben Sie sich dazu entschlossen, nicht der Bevölkerung zu helfen, sondern die Krise dazu zu missbrauchen, Politik zum Selbstzweck zu leben, Politik zum „Ernten der Früchte“, wie wir mittlerweile alle wissen? Wann war dieser Zeitpunkt? Wann war der Zeitpunkt, und wann haben Sie sich dazu entschlossen, statt Krisenmanagement zu leben, allein auf Krisen-PR zu setzen, wie Sie jetzt mit Ihrer Rede wieder gut bewiesen haben?

Gebraucht hätte die Bevölkerung nämlich etwas anderes. Sie hätte Ordnung und Klarheit statt Chaos gebraucht, Schutz und Hilfe, Schutz zum Beispiel durch die Schutzausrüs­tung, die Sie abgelehnt haben – das haben Sie in Ihrer Anfragebeantwortung vergessen dazuzusagen –, Schutzausrüstung, die bis heute zum Beispiel in den systemrelevanten Sparten nicht in ausreichendem Maße vorhanden ist. Jeder Österreicher schüttelt den Kopf, wenn er sieht, was bei der Post los ist. Na, warum ist es dort so? – Weil Sie dort nicht für ausreichenden Schutz sorgen.

Jeder Österreicher ärgert sich, dass Sie den Weg gehen, den ich vorhin schon angespro­chen habe, dass Sie unsere ältere Generation wegsperren, anstatt für Schutzausrüstung zu sorgen, damit Besuche unter menschenwürdigen Umständen möglich sind. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie haben aber nicht nur beim Schutz versagt, Sie versagen auch tagtäglich bei der Hilfe. „Koste es, was es wolle“ – diesen Spruch kennt jeder Österreicher und jede Österreiche­rin. Wir haben es schon von Kollegen Matznetter richtig gehört: Wann haben Sie sich eigentlich dazu entschlossen, dass nicht Sie helfen, sondern dass diese Rechnung à la „Koste es, was es wolle“ die Bevölkerung zahlen muss, dass es die UnternehmerInnen bezahlen müssen, dass sie sich selbst helfen müssen? Zu allem Überdruss helfen Sie nicht nur nicht, Sie torpedieren diese Selbsthilfe auch noch mit Ihren Maßnahmen und Ihren Verordnungen und dem Chaos beim Hochfahren. (Zwischenruf der Abg. Steinacker.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 159

Da wundert es mich nicht, sehr geehrte Damen und Herren, dass Sie bis heute so sehr an der Maskenpflicht festhalten. Sie tun das wahrscheinlich, damit die Bevölkerung nicht die beschämenden Gesichter sehen muss, die sich mittlerweile unter den Masken befin­den. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn Sie schon nicht helfen wollen, dann hören Sie doch endlich auf, diese Selbsthilfe so mit Ihren Maßnahmen und Verordnungen zu torpedieren, die die Bevölkerung und die Wirtschaft auch beim Hochfahren mit voller Härte treffen, Maßnahmen und Ver­ordnungen, auf deren Grundlage Sie mit Strafen, mit voller Härte gegen die Bevölkerung vorgehen, Verordnungen – und das schlägt dem Fass den Boden aus –, die für Sie selbst anscheinend nicht gelten! Rund 40 000 Strafen wurden ausgestellt, unter ande­rem gegen 14-jährige Kinder in Höhe von 360 Euro, obwohl nur eine Obergrenze von 300 Euro möglich wäre, Ersatzfreiheitsstrafen für Kinder, obwohl das gar nicht vorgese­hen ist, Strafen gegen Bürger, die spazieren gehen. Sogar Warnschüsse wurden auf die Bevölkerung abgegeben, wie wir alle wissen.

Was aber tun Sie selbst? – Das lässt sich leicht an Ihrem Auftritt im Kleinwalsertal und auch am Lokalbesuch des Bundespräsidenten weit über die Sperrstunde hinaus festma­chen. Niemand in diesem Land versteht das mehr. Es ist einer Demokratie absolut un­würdig, wenn man für die Bevölkerung andere Maßstäbe ansetzt als für schwarz-grüne Politiker, als für den Kanzler und den Bundespräsidenten.

Ich sage Ihnen in aller Deutlichkeit: Hören Sie auf, die Bevölkerung wie Untertanen zwei­ter Klasse zu behandeln, während Sie die Maßnahmen und Ihre eigenen Verordnungen für sich selbst nicht als Maßstab heranziehen! Das ist in der Demokratie nicht vertretbar. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn Sie auch nur einen einzigen Funken Anstand besitzen, dann gibt es einen Weg heraus, indem Sie eine ehrliche Selbstanzeige einbringen, eine Selbstanzeige zu den Vorfällen im Kleinwalsertal. Dasselbe gilt im Übrigen auch für den Herrn Bundespräsi­denten.

Im Volksmund würde man sagen: herunter vom hohen Ross! Dann verstehen Sie viel­leicht auch, wie es der Bevölkerung unter Ihren Verordnungen geht und wie es den 40 000 Menschen geht, die Sie auf Basis Ihrer Verordnungen gestraft haben.

Wenn dieser Schritt erledigt ist, dann befinden Sie sich wieder dort, wo die Politik hin­gehört, und zwar auf Augenhöhe mit der Bevölkerung, die unter Ihren Maßnahmen und unter Ihren Verordnungen jetzt so leidet.

Dann, sehr geehrter Herr Kanzler und sehr geehrte Damen und Herren der Regierung, folgt der zweite Schritt: Dann gestehen Sie sich ein, dass Ihre Politik zum „Ernten der Früchte“ der falsche Weg ist. Verabschieden Sie sich von Panikmache und Symbolpolitik und stampfen Sie die unnötigen Verordnungen ein, an die Sie sich selbst nicht halten!

Als dritten Schritt, sehr geehrte Damen und Herren, erlassen Sie dann eine Generalam­nestie für all jene, die gestraft wurden.

Dementsprechend darf ich auch den folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Amnestie für ‚Corona-Sünder‘“

Der Nationalrat wolle beschließen:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 160

„Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung werden aufgefordert per Erlass sicher zu stellen, dass alle Verwaltungsstrafverfahren die auf Basis von Covid-19-Verordnun­gen und Gesetzen eingeleitet wurden, eingestellt werden. Bereits bezahlte Strafgelder sind rückzuerstatten.“

*****

Wenn Sie diesen Fehler dann auch wiedergutgemacht haben, dann sollten Sie das tun, was es seit März gebraucht hätte: Verabschieden Sie sich von der Politik zum „Ernten der Früchte“ und sorgen Sie für Schutz und Hilfe! Sorgen Sie für Schutzmaßnahmen gegen eine zweite Welle! Bekämpfen wir gemeinsam das Virus, allem voran mit qua­litativer Schutzausrüstung, mit ausreichend Testungen! Sorgen wir schlussendlich für eine echte unbürokratische Hilfe, um den Scherbenhaufen, den Sie angerichtet haben, wieder aufzuräumen!

Zu diesem Schulterschluss reiche ich Ihnen die Hand. Das ist ein Schulterschluss, der der österreichischen Bevölkerung wirklich hilft. (Beifall bei der FPÖ.)

16.08

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Schnedlitz

und weiterer Abgeordneter

betreffend Amnestie für „Corona-Sünder“

eingebracht in der 32. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 26. Mail 2020 im Zuge der Debatte über die dringliche Anfrage gem. § 93 Abs. 2 GOG-NR der Abgeordneten Jörg Leichtfried, Genossinnen und Genossen an den Bundeskanzler betreffend: "Es braucht echte Hilfe statt leerer Versprechen – das Versagen der Kurz-Regierung bei der Bekämpfung der wirtschaftlichen und sozialen Krisen-Folgen"

Im März dieses Jahres, unmittelbar nach Ausbruch der Corona Krise, lege ein Land­tagsabgeordneter der FPÖ sein Mandat nieder. Der Grund war seine Teilnahme an einer sogenannten „Corona-Party“ und die öffentliche Empörung über sein Treffen mit einer Handvoll Tenniskumpels im Vereinslokal bei Pizza und Bier. Damals echauffierte sich vor allem der Innenminister über Personen, die partout nicht vor Treffen im privaten Rah­men absehen wollten. Wörtlich meinte er: „die Polizei ist hier konsequent im Einsatz und wird weiter auch vermehrt darauf achten, durch noch stärkere Präsenz, dass die An­ordnungen des Gesundheitsministeriums (...) auch tatsächlich eingehalten werden“.

Peinlich, dass das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich in der vergangenen Wo­che geurteilt hat, dass solche „Corona-Partys“ überhaupt nie verboten gewesen waren. Im Juristendeutsch klingt das so: „Der Aufenthalt in der Wohnung eines befreundeten Ehepaares ist von den Bestimmungen der Verordnung des BM für Gesundheit nicht umfasst, da diese Wohnung kein „öffentlicher Ort“ ist. Der Aufenthalt in privaten Räumen unterlag zu keinem Zeitpunkt einem Verbot durch die gegenständliche Verordnung.“

Spannend ist in diesem Zusammenhang die Frage, welche Konsequenzen der Bundes­präsident auf Grund des von ihm eingestandenen Bruchs der Corona-Sperrstunde bei einem Wiener Nobel-Italiener ziehen wird. Orientiert er sich an der gelebten Praxis des Wirtschaftsministeriums, das vor einigen Wochen auch wegen solch einer Zusammen­kunft in die Schlagzeilen geraten war, gar keine.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 161

Auch der Auftritt von Sebastian Kurz im Kleinwalsertal Mittwochabend passt ins Bild, zumal der Kanzler die eigenen Regeln gegen das Coronavirus wie Abstandhalten und Maskenpflicht nicht einhielt.

An diesen kleinen Beispielen wird deutlich, mit welch unterschiedlichem Maß gemessen wird. Was bei den Machthabern zu kleinen Fehlern heruntergespielt wird, führt beim Bürger zu Verwaltungsstrafverfahren.

Vor diesem Hintergrund stellen die unterfertigten Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung werden aufgefordert per Erlass sicher zu stellen, dass alle Verwaltungsstrafverfahren die auf Basis von Covid-19-Verordnun­gen und Gesetzen eingeleitet wurden, eingestellt werden. Bereits bezahlte Strafgelder sind rückzuerstatten.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß ein­gebracht, ausreichend unterstützt und steht in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Klubobfrau Maurer. – Bitte.


16.08.38

Abgeordnete Sigrid Maurer, BA (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Ich tue mir immer schwer, wenn jemand von der FPÖ hier ans RednerInnenpult tritt, weil ich nicht mehr verstehen kann, was die FPÖ eigentlich will. Es ist jeden Tag irgendetwas anderes. Einmal gibt es Corona eigentlich überhaupt nicht und ist Corona nur eine Grippe; jetzt geht es wieder darum, groß davor zu schützen. Ent­scheiden Sie sich bitte endlich! Wir kennen uns nicht mehr aus. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Wir debattieren jetzt hier eine Dringliche Anfrage der Sozialdemokratie. Kollegin Rendi-Wagner hat sich bei der letzten Plenarsitzung tatsächlich dazu hinreißen lassen, zu be­haupten, diese Regierung hätte mit ihrer Bekämpfung der Coronakrise gegen die Menschlichkeit entschieden. (Zwischenruf der Abg. Rendi-Wagner.) – Das haben Sie gesagt, Frau Rendi-Wagner! (Abg. Belakowitsch: Stimmt! – Abg. Rendi-Wagner: Nein, habe ich nicht gesagt!)

Die vorliegende Dringliche Anfrage bringt alle möglichen und unmöglichen Argumente dafür vor, dass die Bewältigung dieser Gesundheitskrise nicht gut funktioniert hätte. Kol­lege Leichtfried stellt sich hier ans RednerInnenpult und kritisiert plötzlich Maßnahmen, die die Sozialdemokratie mitbeschlossen hat.

Sie, Frau Klubobfrau Rendi-Wagner, haben von Beginn an sehr wertvolle Beiträge zur Bewältigung dieser Krise geleistet (Zwischenrufe der Abgeordneten Leichtfried und Rendi-Wagner), mit einer sehr hohen fachlichen Kompetenz und mit einem der Situation angemessenen Verantwortungsgefühl der österreichischen Bevölkerung gegenüber. (Abg. Leichtfried: Kollege Stöger würde da wieder eine tatsächliche Berichtigung ma­chen!) Es war in diesen Wochen wenig Dissens zwischen den Maßnahmen, die die Regierung gesetzt hat, und dem, was die Sozialdemokratie gefordert hat, zu spüren, und dafür bin ich auch dankbar, insbesondere für Ihren fachlichen Input als Ärztin. Das war eine sehr gute Zusammenarbeit, und wir haben auch viele von den Punkten, die Sie eingebracht haben, gemeinsam umgesetzt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordne­ten der ÖVP. Zwischenruf des Abg. Leichtfried.)


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Umso weniger verstehe ich, warum man nun, nachdem sich das alles etwas lockert, die eigenen Aussagen, die eigenen Forderungen offensichtlich vergessen hat. Ich verstehe natürlich, jetzt befinden wir uns in der Phase der Lockerungen, die erste Phase der Be­wältigung dieser Krise ist hoffentlich erfolgreich vorbei und wir treten in die nächste Phase ein, die auf uns zukommt. (Abg. Belakowitsch: Ah, jetzt ist die nächste Phase!) Selbstverständlich, es ist die Aufgabe der Opposition, zu kritisieren, Kritik zu üben, den Finger dort hinzulegen, wo es wehtut, aber ich habe kein Verständnis für diesen ab­soluten Richtungsschwenk, wenn heute hier zum Beispiel davon gesprochen wird, dass die Regierung auf ganzer Linie versagt hätte. (Ruf bei der SPÖ: Na ja, ...!)

Diese Kritik ist aus meiner Sicht nicht treffsicher. Da wird in der Anfrage zum Beispiel begründet, die Regierung würde bei der Bewältigung der sozialen Krise komplett versa­gen. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.) Wir haben in dieser Koalition Maßnahmen gesetzt, um jene aufzufangen, die arbeitslos zu werden drohen, die bereits arbeitslos waren oder die durch Corona arbeitslos geworden sind. Wir haben hier gemeinsam ein Kurzarbeitsmodell beschlossen, das die Sozialpartner ausverhandelt haben. Es ist eine gute österreichische Tradition, dass sich ArbeitnehmerInnen und ArbeitgeberInnen ge­meinsam an einen Tisch setzen und daran arbeiten, eine für alle gut geeignete Lösung zu finden. Das ist eine der Stärken Österreichs, das zeigt auch die österreichische Ge­schichte, und dazu hat die Sozialdemokratie auch einen immensen Beitrag geleistet. Dass man sich jetzt hierherstellt und nachträglich behauptet, das wäre alles blöd, also das wäre alles nicht gut genug gewesen, finde ich schon einigermaßen erstaunlich, sind es doch auch Ihre MandatarInnen, die da mitverhandelt haben und das auch mitbe­schlossen haben. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Rufe und Gegenrufe zwischen Abge­ordneten von SPÖ und Grünen.)

Das gilt im Übrigen auch für die Verlängerung des Modells, wie sie in den letzten Tagen verkündet worden ist; es hat noch weitere Verbesserungen gegeben, damit die Treff­sicherheit auf jeden Fall gegeben ist.

Wir haben gemeinsam mit der Sozialdemokratie beschlossen, dass Menschen, die ar­beitslos sind und denen das Abrutschen in die geringere Notstandshilfe droht, das hö­here Arbeitslosengeld weiterhin beziehen können (Zwischenruf des Abg. Stöger), ver­bunden mit dem Einkommens- und Berufsschutz. Das haben wir gemeinsam be­schlossen. Wir haben einen Fonds mit insgesamt 60 Millionen Euro eingerichtet, der der Bekämpfung von Kinderarmut in jenen Familien dient, die jetzt durch Corona besonders betroffen sind beziehungsweise davor bereits von Arbeitslosigkeit betroffen waren (Zwi­schenruf der Abgeordneten Heinisch-Hosek), den Familienhärtefonds – auch das ha­ben wir gemeinsam gemacht. Wir haben dafür gesorgt, dass Mieten, die jetzt nicht be­zahlt werden können, gestundet werden können, dass sie frühestens nach Ablauf dieses Jahres eingeklagt werden können und dass Delogierungen erst ab 2022 erfolgen kön­nen. All das sind Maßnahmen, die wir gesetzt haben, um die soziale Situation der Ös­terreicherinnen und Österreicher und der Menschen, die hier leben, so gut wie möglich abzusichern. (Beifall des Abg. Jakob Schwarz.) Dass das, wie man jetzt behauptet, sozial nicht verträglich wäre und wir da sozial versagt hätten, ist ganz sicher nicht richtig. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

All diese Maßnahmen sind von der Gewerkschaft, von der ArbeiterInnenkammer begrüßt worden. Ich verstehe schon, dass es schmerzt, wenn wir jetzt in einer türkis-grünen Koa­lition Dinge umsetzen, die man sich in einer sozialdemokratischen potenziell gewünscht hätte, aber das ist halt unser Regierungsprogramm, unser Ansatz in dieser Regierung. Dementsprechend würde ich mir da ein bisschen mehr Seriosität erwarten.

Ja, selbstverständlich gibt es sie, die Einzelbeispiele, die Sie hier aufzählen. Wir haben bei den Hilfsfonds auch an allen möglichen Stellen nachgebessert und müssen auch weiter nachbessern – das liegt in der Natur der Sache, dass nicht alles von Beginn an


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 163

komplett rund läuft. Wir sind total committet, für Verbesserungen zu sorgen, wenn sie notwendig sind.

Eines möchte ich schon auch noch sagen: Herr Kollege Matznetter – er ist jetzt, glaube ich, nicht im Saal, aber wir kennen ihn alle –, Sie sind ja nie um ein hartes Wort, um ein scharfes Wort und auch um eine gute Prise Humor in der parlamentarischen Debatte verlegen. Dass Kollege Matzenetter (Abg. Leichtfried: Matznetter!) sich aber heute hierherstellt und versucht, den Tod von Menschen zu instrumentalisieren, ist einer sozialdemokratischen Partei nicht würdig. Das bin ich von den Freiheitlichen gewohnt, aber sicher nicht von der Sozialdemokratie. (Beifall bei Grünen und ÖVP. Zwischenrufe der Abgeordneten Heinisch-Hosek und Kuntzl.)

Wir haben in dieser Regierung zur Krisenbewältigung alles Mögliche umgesetzt, in ganz, ganz vielen Punkten gemeinsam mit Ihnen, und ich hoffe auch weiterhin darauf, dass die Vernunft wieder einzieht, dass der gemeinsame Kampf zur Bewältigung dieser Kri­se – denn sie ist noch lange nicht vorbei! – im Vordergrund steht und dass wir an einem Strang ziehen können. Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

16.15


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Loacker. – Bitte.


16.15.52

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Geschätzter Herr Bun­deskanzler! Herr Vizekanzler! Weitere Regierungsmitglieder! Hohes Haus! Ja, „den Tod von Menschen zu instrumentalisieren“, hat Klubobfrau Maurer gesagt, und da gibt es einen, der das besonders gut kann (Abg. Belakowitsch – auf Bundeskanzler Kurz, der gerade mit Bundesministerin Edtstadler und Abg. Wöginger spricht, weisend : Der ist gerade beschäftigt!), der hat uns nämlich gesagt, es wird jeder jemanden kennen, der an Corona verstorben ist. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.)

Mit Angst ist Politik gemacht worden, und das muss man dieser Regierung vorwerfen. Zuerst hat man mit 100 000 Toten gedroht  100 000! –, und jetzt wachelt auch Klubob­mann Wöginger mit dem Leichentuch: Ja, es könnte ja viel mehr Tote geben!, und man muss auch mit der zweiten Welle drohen, denn es wird alles ganz schlimm, und nur wenn alles ganz schlimm wird, kann man natürlich alle möglichen Restriktionen verordnen. So wird da gearbeitet und so wird der Tod von Menschen instrumentalisiert, wie Klub­chefin Maurer es gesagt hat.

Die SPÖ hat in ihrer Dringlichen Anfrage auf etwas Wichtiges hingewiesen, und zwar auf das Chaos beim Öffnen und Hochfahren. Kein Mensch kennt sich mehr mit den vielen Regelungen, die es an allen Ecken und Enden gibt, aus, und die ändern sich auch wö­chentlich. Zum Beispiel geht der Gast im Restaurant ohne Maske auf die Toilette, aber die Schüler in der Schule müssen mit Maske auf die Toilette gehen. Die Verwirrung bei den geltenden Regelungen geht bis an die Staatsspitze hinauf, und so sitzt dann halt der Herr Bundespräsident um halb eins in der Nacht noch draußen und der Bundeskanzler vergisst, dass er eigentlich gar nicht mit Landeshauptmann Wallner und Staatssekretär Brunner in einer WG wohnt und deswegen eigentlich gar nicht so nah bei ihnen stehen dürfte. Wenn die Spitzen der Republik sich nicht mehr auskennen, dann kann man das von den Bürgern auch nicht verlangen! (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.)

Was es in diesem großen Konzert von wunderbar orchestrierten Pressekonferenzen noch nicht gibt, ist ein Konzept, wie wir wieder in eine normale Welt und in ein normales Leben kommen, weil wir das, was derzeit abläuft, unmöglich bis 2021 oder 2022 durch­halten können, wenn uns, so wie das behauptet wird, unbedingt eine zweite Welle droht.


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Schulklassen in Gruppe A und Gruppe B aufteilen, das geht nicht bis 2021 und 2022. Was tun Sie, wenn ein Schüler positiv auf Corona getestet wird? Schließen Sie immer die ganze Schule für 14 Tage? Müssen Eltern jederzeit damit rechnen, dass der Kin­dergarten oder die Schule geschlossen wird? Muss ein Unternehmer jederzeit damit rechnen, dass seine Baustelle geschlossen wird, weil ein Mitarbeiter auf der Baustelle positiv getestet wurde? Wenn im Sommer in einem Hotel ein Coronafall auftritt, schlie­ßen Sie für 14 Tage das ganze Hotel?

Sie haben kein Rezept und keine Lösung, wie wir da mit einer praktikablen, lebensnahen Lösung herauskommen. Wie könnte eine solche aussehen? – Wenn jemand getestet wird, muss das schnell gehen. Es muss das Ergebnis schnell feststehen, nicht in vier bis fünf Tagen. Es müssen die, die positiv getestet werden, in Quarantäne und ebenso, wer mit diesen Personen im gemeinsamen Haushalt wohnt. Die Kontaktpersonen müssen schnell getract werden, und sie müssen auch dann getestet werden, wenn sie keine Symptome zeigen – wir wissen alle, dass nicht jeder Symptome zeigt –, aber das wird bei uns nicht so gemacht. Und dann muss man den anderen ermöglichen weiterzuarbei­ten: die Schule offen halten, die Baustelle in Betrieb halten, das Hotel offen halten. Diese Logik fehlt aber in diesem undurchdringlichen Wirrwarr an Verordnungen, das Sie da wöchentlich publizieren.

Die Kurzarbeit: Also wir haben ja wirklich das Beste von da bis Texas, wenn man Ihnen zuhört! In der Schweiz sind 1,9 Millionen Personen in Kurzarbeit, und in der Schweiz wird die Kurzarbeitsbeihilfe akontiert, sodass das Unternehmen spätestens in 48 Stun­den Geld auf dem Konto hat und nicht wochen- und monatelang warten muss. Das ist der Unterschied. Unternehmer wären halt lieber in der Schweiz, wo sie sofort Kreditga­rantien haben und wo die Kurzarbeitsbeihilfe sofort fließt und nicht irgendwann, wenn dem Unternehmen längst die Luft ausgegangen ist. (Beifall bei den NEOS und bei Ab­geordneten der FPÖ.)

12 Milliarden Euro für die Kurzarbeit! 12 Milliarden Euro an Kurzarbeitsbeihilfe haben wir genehmigt, um 10 Milliarden wurde schon angesucht – aber nur 0,44 Milliarden von die­sen dick angekündigten 12 Milliarden wurden überwiesen. Es funktioniert nicht! Jetzt wird die Kurzarbeit reformiert. Ganz toll! Es wird jetzt vier verschiedene Arten geben, wie man die Kurzarbeit abrechnen kann. Jedes Softwarehaus muss jetzt vier Lösungen pro­grammieren, jeder Steuerberater muss mit jedem Kunden ausmachen, welche der vier Varianten man nimmt. Es ist nicht einfacher geworden, es wird immer komplizierter.

Dann gibt es auch noch ein veritables Testchaos, nicht? 15 000 Tests pro Tag haben Sie versprochen, Herr Bundeskanzler, im Moment liegen wir noch immer so bei 5 000 bis 6 000. An keinem Tag wurden diese 15 000 erreicht, die Sie versprochen haben, und dann gehen Sie her und versprechen 65 000 Tests für den Tourismus. Woher sollen denn die kommen, wenn das Rote Kreuz da Tests macht? – Das Rote Kreuz hat für Minister Faßmann nicht einmal 2 500 Tests für die Sora-Studie, die da gemacht wurde, zusammengebracht. 2 500!

Und dann kommen wir zu den Antikörpertests. Der Gesundheitsminister hat in China eine Million Stück Antikörpertests gekauft, die nicht brauchbar sind, wie die Experten jetzt feststellen. Währenddessen hat die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt einen Antikörpertest entwickelt, diesen verwendet der Gesundheitsminister aber nicht. Das Chaos, das Sie in Ihrer Regierung haben: Faßmann macht was mit Tests, Sie machen was, Köstinger meldet sich, Anschober macht was – lauter Spieler auf dem Feld, aber irgendwie hat keiner die Ballkontrolle. Sie sollten vielleicht einmal schauen, dass Sie in der Regierung zum Funktionieren kommen, und zwar weit über die Pressekonferenzen hinaus. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Wurm.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 165

16.21


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Kollege Einwallner. – Bitte.


16.21.49

Abgeordneter Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Mitglieder der Bundesregierung! Zwischen den Ankündigungen dieser Bundesregierung und der Realität klaffen Welten, meine Damen und Herren. Jeder dritte Österreicher ist entweder von Kurzarbeit oder von Arbeitslosigkeit betroffen. Herr Bun­deskanzler, es fehlt Ihnen offenbar das Gefühl, nachzuempfinden, wie es jemandem geht, der in Kurzarbeit oder in Arbeitslosigkeit ist, denn: Warum zögern Sie sonst, das Arbeitslosengeld zu erhöhen? Das kann doch keinen anderen Grund haben. Es fehlt Ihnen das Gefühl dafür. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie können offensichtlich auch nicht nachempfinden, wie es einem Einpersonenunter­nehmen oder einem kleinen oder mittleren Unternehmen geht, einem Unternehmer, der mit viel Risikobereitschaft, mit viel Einsatz den Weg in die Selbstständigkeit gewagt hat und jetzt vielleicht vor den Trümmern seiner Existenz steht, um seine Existenz fürchten muss, denn die Unternehmerinnen und Unternehmer bekommen noch viel zu wenig. Ich zitiere auch eine Unternehmerin, die schreibt: Exakt 81,75 Euro habe ich bekommen. Das ist eine Farce. Das sind ja nicht einmal Almosen. – Zitatende.

Meine Damen und Herren! Herr Klubobmann Wöginger, weniger reden, mehr auszahlen! Das wäre das Prinzip. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundeskanzler, Gefühl entwickeln Sie nur dann, wenn es um Inszenierungen geht. Der Bevölkerung haben Sie in den letzten Wochen ganz, ganz viel abverlangt. Nur wenn der Kanzler auf Inszenierungsreise geht, ist plötzlich alles ganz anders. Da fordert man im Vorfeld Beflaggungen in Mittelberg ein. Wenn der Kanzler auf Inszenierungsreise geht, gibt es plötzlich keine Grenzschließungen mehr. Die Patchworkeltern, die wochen­lang auf eine Regelung gewartet haben, damit sie über die Grenze können, wenn sie ihre Kinder wiedersehen möchten, empfinden das ganz anders. Herr Bundeskanzler, innehalten! Spüren Sie die Ungerechtigkeit? Innehalten ist da gefragt. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Stefan und Brandstätter.)

Wenn der Kanzler auf Inszenierungsreise geht, dann kann er mit Landeshauptmann Wallner in Vorarlberg Schulter an Schulter gehen, da spielt der Abstand keine Rolle, da braucht man keinen Mund-Nasen-Schutz, aber wenn sich zeitgleich in Vorarlberg zwei Schulfreunde auf einer Parkbank treffen, dann bekommen sie mehrere Hundert Euro Strafe. Innehalten, Herr Bundeskanzler! Spüren Sie die Ungerechtigkeit? (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Brandstätter.)

Wenn der Kanzler auf Inszenierungsreise geht, dann spielt es keine Rolle, wie viele Menschen sich versammeln, damit der Kanzler gute Fotos bekommt und ein paar Selfies machen kann. Meine Damen und Herren, gleichzeitig hat diese Bundesregierung die Zahl der Trauergäste auf Beerdigungen beschränkt, sodass die Menschen nicht einmal in Würde von ihren Liebsten Abschied nehmen können. Herr Bundeskanzler, innehalten! Innehalten! Spüren Sie die Ungerechtigkeit? (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Ihre Reaktion auf die Vorfälle im Kleinwalsertal war auch bezeichnend, denn es ist immer das Gleiche: Sie schieben die Schuld ab. Sie schieben die Schuld auf die Bevölkerung und auf die Journalistinnen und Journalisten. Dass Sie nicht einmal heute, heute hier die Gelegenheit genutzt haben, sich zu entschuldigen, dass Sie nicht die Größe haben, diesen Fehler einzugestehen, das zeugt einerseits von Charakterschwäche und ist an­dererseits – ich möchte fast sagen – eine Unverschämtheit den Menschen draußen ge­genüber. (Beifall bei der SPÖ.)

Hauptsache aber, es ist Ihnen gelungen, das Repräsentationsbudget in Ihrem Haus zu vervierfachen, damit die Inszenierung munter weitergehen kann. Das hilft den Menschen jedoch leider nicht. Die Aufgabe der Politik ist es, den Menschen zu helfen, Herr Bun­deskanzler.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 166

Meine Damen und Herren, ich bringe abschließend den Entschließungsantrag unserer Justizsprecherin Selma Yildirim betreffend „ein Amnestiegesetz im Zusammenhang mit der zum Teil fragwürdigen bzw. unverhältnismäßigen Vollziehung der COVID-19 Ge­setzgebung“ ein. In diesem Entschließungsantrag geht es darum, dass einerseits die Verfolgung von Personen in Fällen, in denen die Ermittlungen noch laufen, eingestellt wird und dass es andererseits hinsichtlich jener Strafen, die schon ausgesprochen wur­den, zu einer Amnestie kommt.

*****

Ich danke Ihnen recht herzlich. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

16.26

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag.a Selma Yildirim

und GenossInnen

betreffend ein Amnestiegesetz im Zusammenhang mit der zum Teil fragwürdigen bzw. unverhältnismäßigen Vollziehung der COVID-19 Gesetzgebung

eingebracht in der 32. Sitzung des Nationalrates am 26. Mai 2020 im Zuge der Debatte über die Dringliche Anfrage gem. § 93 Abg. 2 GOG-NR der Abgeordneten Jörg Leicht­fried, Genossinnen und Genossen betreffend: „Es braucht Hilfe statt leerer Versprechen – das Versagen der Kurz-Regierung bei der Bekämpfung der wirtschaftlichen und sozialen Krisen-Folgen“

Infolge der COVID-19 Pandemie ist in Österreich ein umfangreiches rechtliches Re­gelwerk geschaffen worden, um die Weiterverbreitung dieser Pandemie möglichst ein­zuschränken bzw. zu verhindern. Dazu zählt das Bundesgesetz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (COVID-19-Maßnahmen­gesetz), in dessen Paragraph 2 festgelegt ist, dass beim Auftreten von COVID-19 durch Verordnung das Betreten von bestimmten Orten untersagt werden kann, soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist.

Aufgrund von § 2 Z1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes BGBl. II 98/2020 wurde vom Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz verordnet:

§ 1. Zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 ist das Betreten öffentlicher Orte verboten.

§ 2. Ausgenommen vom Verbot gemäß § 1 sind Betretungen,

1.            die zur Abwendung einer unmittelbaren Gefahr für Leib, Leben und Ei­gentum erforderlich sind;

2.            die zur Betreuung und Hilfeleistung von unterstützungsbedürftigen Perso­nen dienen;

3.            die zur Deckung der notwendigen Grundbedürfnisse des täglichen Le­bens erforderlich sind und sichergestellt ist, dass am Ort der Deckung des Bedarfs zwischen den Personen ein Abstand von mindestens einem Me­ter eingehalten werden kann;

4.            die für berufliche Zwecke erforderlich sind und sichergestellt ist, dass am Ort der beruflichen Tätigkeit zwischen den Personen ein Abstand von min­destens einem Meter eingehalten werden kann;


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 167

             5.            wenn öffentliche Orte im Freien alleine, mit Personen, die im gemeinsa­men Haushalt leben, oder mit Haustieren betreten werden sollen, ge­genüber anderen Personen ist dabei ein Abstand von mindestens einem Meter einzuhalten.

Das gesetzliche Verbot, bestimmte Orte zu betreten, wurde vom Gesundheitsminister damit mit einer Verordnung konkretisiert. Schon gesetzlich scheint dieses Verbot höchst problematisch, weil es beabsichtigt, das Betreten aller Orte zu regeln, was die Verord­nungsermächtigung überschreitet. Dies wird von höchst qualifizierten Verfassungs­experten bestätigt .

Noch schlimmer ist: darüber hinaus wurden von Mitgliedern der Bundesregierung – ins­besondere im aufgrund der hohen Zuschauerzahl meinungsbildenden ORF – wiederho­lend Rechtsmeinungen in diesem Zusammenhang vertreten, die sogar der selbst ge­schaffenen Rechtslage widersprachen. Insbesondere wurde die rechtsunrichtige Mei­nung verbreitet, dass eine Betretung des öffentlichen Raums im Freien nur zum Spa­zieren und Sport zulässig wäre und der Besuch in Privaträumen verboten sei.

Es ist nicht auszuschließen, vielmehr sogar anzunehmen, dass sowohl die Sicherheits- als auch die Gesundheitsbehörden in der Vollziehung der Gesetze durch diese öffent­lichen Äußerungen von Regierungsmitgliedern beeinflusst wurden. Dadurch wurden in der Folge Menschen für Handlungen bestraft, die gar nicht gegen das Gesetz verstoßen haben.

Ein Beispiel dafür bietet ein Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Tulln vom 8. April 2020, durch welches Herr A. gemäß § 1 iVm § 2 der Verordnung gemäß § 2 Z1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes, BGBl. II 98/2020 iVm § 3 Abs. 3 COVID-19-Maß­nahmengesetz BGBl. I 12/2020 idgF. zu einer Geldstrafe von insgesamt 660€ verurteilt wurde, im Uneinbringlichkeitsfall mit einer Ersatzfreiheitsstrafe von 60 Stunden.

Herr A. hat gegen den gegenständlichen Bescheid Beschwerde erhoben und hat vom Landesverwaltungsgericht Niederösterreich Recht bekommen (Entscheidung vom 12. Mai 2020, GZ LVwG-S-891/001-2020).

Das Landesverwaltungsgericht hat in seiner Begründung unter anderem ausgeführt:

„Der Beschwerdeführer hat mit seiner im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehefrau den öffentlichen Ort betreten, um Freunde zu besuchen. Die Verordnung sieht keine Be­schränkung des Zweckes für ein Betreten des öffentlichen Ortes nach der Ausnahmebe­stimmung des § 2 Z5 vor, auch wenn medial immer nur das ,Luftschnappen‘ oder ,Sport‘ als zulässig dargestellt wurden… Der Aufenthalt in privaten Räumen unterlag zu keinem Zeitpunkt einem Verbot durch die gegenständliche Verordnung. Der Beschwerdeführer hat daher die ihm zu Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen.“

Ähnliche Fehlentscheidungen sind in einer Vielzahl an Fällen zu befürchten, weil laut Medienberichten auf der gleichen gesetzlichen Grundlage zehntausende polizeiliche An­zeigen gegen Menschen in ganz Österreich erhoben worden sein sollen. Die Entschei­dungen sind vielfach auch bereits rechtskräftig und zwingend, wenn Fristen versäumt wurden, oder Menschen sich – auch aufgrund der finanziell angespannten Lage auf­grund der Covid 19 -Krise – eine Rechtsberatung hinsichtlich der Bescheide nicht leisten konnten.

Frau Abg. z. NR. und SPÖ-Justizsprecherin Mag.a Selma Yildirim hat nach Bekanntwer­den dieses Urteils eine Generalamnestie für alle gefordert, die eine Verwaltungsstrafe für das Betreten öffentlicher Räume oder für Treffen in privaten Rahmen, bei vergleich­baren Sachverhalten, bekommen haben. Das soll auch für alle gelten, die kein Rechts­mittel gegen die Strafe ergriffen haben.


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Mitglieder der Bundesregierung aus ÖVP und Grünen haben nicht nur bewusst Angst verbreitet, sondern auch Verwirrung über die wahre Bedeutung der Gesetze. Die Tatsa­che, dass zahlreiche Personen in Österreich zum Teil ohne schuldhaftes Verhalten, zum Teil auch aufgrund sehr geringen Unrechtsgehaltes aufgrund der geschilderten frag­würdigen Vollziehung der gegenständlichen COVID-19 Normen hohe Strafen erhalten haben, macht die Forderung nach einer geeigneten Amnestie oder einem sonst geeig­neten Vorgehen zwingend erforderlich. Ein koordiniertes einheitliches Vorgehen schafft zudem Rechtssicherheit und Effizienz in der Verwaltung. Die Verwaltungsgerichte haben ohnehin Corona-bedingt zahlreiche Rückstände und könnten somit ihre Kräfte darauf konzentrieren, dass die BürgerInnen in anderen wichtigen Rechtsmaterien – Baurecht, Gewerberecht, Betriebsanlageverfahren uvm – rasch zu ihrem Recht kommen.

Zu bedenken ist hierbei auch, dass die Verwaltungsbehörden auch in Vollziehung der Covid 19-Maßnahmen von Amtswegen eine Aufhebung selbst von rechtskräftigen Be­scheiden nach § 52a VStG verfügen können, wenn das Gesetz zum Nachteil des Be­straften offenkundig verletzt worden ist. Auch hierfür wäre aber ein klarstellender Erlass des zuständigen Bundesministers notwendig, der die Unrichtigkeit der von Regierungs­mitgliedern zuvor geäußerten Rechtsansichten verlässlich feststellt.

Von der Regelung sind alle Sachverhaltskonstellationen zu umfassen, in welchen Per­sonen nach der VO BGBl. II 98/2020 vom anzeigenden Organ oder der anzeigenden Person lediglich im privaten Raum und nicht im öffentlichen Raum angetroffen wurden und sich der Vorwurf in der angeblich zweckwidrigen Benützung des öffentlichen Raums im Freien zur An- oder Abreise beschränkt. Überdies sind vergleichbare Sachverhalts­konstellationen zu beheben, in welchen eine Unterschreitung des Mindestabstandes ohne nähere Nachweise im Verfahren lediglich aufgrund der Behauptungen der Anzei­ger pauschal behauptet wurde.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

1)        Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird ersucht, als vorläufige Maßnahme umgehend durch Erlass gegenüber den zuständigen Vollziehungsbehörden die Unrichtigkeit der in der Einleitung darge­legten vormaligen Rechtsmeinung der Regierung zur Betretung im Freien nach der 98. Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz idgF. gemäß § 2 Z1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes zu bestätigen und diese Behörden aufzufordern, die Verfolgung in allen betroffenen Fällen einzustellen oder nach § 52a VStG vorzugehen.

2)        Die Bundesregierung wird ersucht,

dem Nationalrat ehestmöglich, nach einem ordentlichen Begutachtungsverfahren, eine Regierungsvorlage für ein Amnestiegesetz vorzulegen, nach welchem unter Berücksichtigung der in der Einleitung dargelegten Maßstäbe der von rechtlichen Fehlinformationen durch Regierungsmitglieder erfassten Sachverhaltskonstella­tionen:

a) Verwaltungsstrafverfahren im Zusammenhang mit der 98. Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz in der jeweils geltenden Fassung gemäß § 2 Z1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes einzustellen sind und


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b) Strafnachsicht gegenüber diesbezüglich bereits rechtskräftigen Verwaltungs­strafen verfügt wird (d.h. bereits verhängte Strafen nachgesehen werden).

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht und ausreichend unterstützt. Er ist auch verteilt worden, sodass wir auf eine Verlesung - -(Abg. Leichtfried: Das war einmal eine Rede!) – Bitte? (Abg. Leichtfried: War eine gute Rede!) – Darf ich ausreden, Herr Abgeordneter? (Abg. Leichtfried: Selbstverständ­lich!) – Danke. – Er ist ausreichend unterstützt und steht damit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Haubner. – Bitte.


16.27.10

Abgeordneter Peter Haubner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ja, Corona hat die Welt, Europa und Österreich verändert. Wir wissen alle, Corona ist nicht weg, aber wir wissen auch, dass viele Experten und viele internationale Medien uns bescheinigen, dass wir vieles sehr, sehr richtig gemacht haben, meine Damen und Herren – zuerst im Gesundheitsbereich und jetzt beim stufenweisen Hochfahren der Wirtschaft. Seien wir doch gemeinsam auch ein wenig froh darüber, dass wir es gemein­sam so gut geschafft haben, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich bin an und für sich eher ruhig und gelassen, aber was wir heute hier vonseiten der SPÖ erleben, das ist schon ein Schauspiel. Die SPÖ, Herr Leichtfried, Frau Rendi-Wag­ner spielen sich auf einmal als die großen Wirtschaftsversteher und die großen Wirt­schaftsunterstützer auf (Zwischenrufe bei der SPÖ) – die SPÖ, die uns immer mit höhe­ren Unternehmenssteuern gedroht hat, die immer nach höheren Unternehmerabgaben gerufen hat, die uns von der Wirtschaft Steine in den Weg gelegt hat, die SPÖ, die in ihren Reihen einen Arbeiterkammerpräsidenten hat, der Videos gegen Unternehmer macht und diese verunglimpft. (Heiterkeit der Abg. Heinisch-Hosek.) Meine Damen und Herren, Sie sind immer mit sich selber beschäftigt! Sie haben vor lauter internen und externen Streitereien (Rufe bei der SPÖ: Ja, ja!) ja gar keine Zeit, sich um uns zu küm­mern. Ich sage Ihnen, Sie sind reif für die Unglaubwürdigkeitsmedaille in Gold, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.)

Sie sagen hier immer, wir haben keinen Plan. – Diese Bundesregierung hat einen Plan, und zwar einen ganz klaren Plan. (Abg. Greiner: Sehr geheim!) Die erste Stufe war die Bekämpfung der Pandemie, deren Eindämmung. Diesbezüglich waren wir Vorbild für viele andere Länder. Die zweite Stufe war, Arbeitsplätze zu sichern, Beschäftigung zu sichern und die Unternehmer durch die Krise zu begleiten. Dabei sind wir jetzt. Und die dritte Stufe wird ein Konjunktur- und Impulsprogramm sein. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wir haben es ja schon öfter gesagt: Es gibt kein Handbuch für diese Krise, deshalb schauen wir immer, dass wir auch bei den Unterstützungen nachbessern. Wir setzen alles daran, die Unternehmerinnen und Unternehmer zu unterstützen und die Arbeits­plätze in Österreich zu sichern, meine Damen und Herren.

Ich möchte auch einmal Beispiele bringen, da wir immer nur Beispiele dahin gehend hören, wie es nicht funktioniert: Wir kennen eine Brauerei in der Steiermark mit 200 Mit­arbeitern, die Kurzarbeit beantragt hat. Das ist inzwischen abgerechnet, und sie hatte nach wenigen Tagen das ihr zustehende Geld auf ihrem Konto. – Danke an das AMS für diese gute Abwicklung.

Das Gleiche gilt für die Überbrückungsfinanzierung beim AMS. Auch hier hat es funktio­niert, und sie haben inzwischen wieder ihre Kapazitäten von 20 auf 70 Prozent hoch­fahren können. 200 Mitarbeiter haben weiterhin ihren Arbeitsplatz, meine Damen und Herren. Das ist ein Beispiel.


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Ein zweites Beispiel ist ein Gewerbebetrieb in Salzburg mit 30 Mitarbeitern: Kurzarbeit beantragt, genehmigt, Abrechnung erfolgt. Genau das Gleiche: 100 Prozent Garantie beim AWS beantragt – in 48 Stunden erhalten, und das Geld ist inzwischen am Konto. Der Betrieb ist fast wieder im Vollbetrieb.

Drittes Beispiel, eine Uhrmachermeisterin mit fünf Mitarbeitern: Kurzarbeit beantragt, Abrechnung selbst gemacht – sie hat gesagt, sie hat eineinviertel Stunden dafür ge­braucht –, und das Geld war nach vier Tagen am Konto.

Es gibt auch viele positive Beispiele, meine Damen und Herren, heben wir diese auch einmal hervor! (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn wir heute schon über die Kurzarbeit reden, Kollege Wurm – 100 Prozent in Irland, ja, bis 800 Euro! –, dann muss man schon ganz klar auch die Wahrheit sagen und darf nicht einfach nur Prozente nennen, meine Damen und Herren. (Abg. Wurm: Und Dä­nemark? – Abg. Matznetter: Es wäre halt schön, ... die 800 Euro kriegen würden! 800 Euro, das ...! – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)

Kollege Matznetter, wenn Sie als Vizepräsident der Wirtschaftskammer sich hier heraus­stellen und diese ganzen Maßnahmen immer nur kritisieren, dann würde ich Ihnen emp­fehlen: Suchen Sie sich einen anderen Nebenjob!, denn die Wirtschaftskammer leistet hervorragende Arbeit. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Matznetter.) Die Mitarbeite­rinnen und Mitarbeiter sind Tag und Nacht für ihre Mitglieder im Einsatz und arbeiten die Anträge ab. (Abg. Matznetter: Das ist Aufgabe der Wirtschaftskammer!)

Zur Rechtskonformität, Kollege Leichtfried: Bei allem Verständnis für die harte Situation, in der die Unternehmer sind, wirklich, aber es gibt ein Mindestmaß an Rechtskonformität, das zu erfüllen ist, und wir tun alles und setzen uns wirklich dafür ein, dass wir die Un­ternehmerinnen und Unternehmer durch diese Krise begleiten, und wir werden das auch weiterhin tun, meine Damen und Herren!

Zum Abschluss möchte ich eine große Bitte an Sie richten, und zwar geht es darum, dass wir diese Krise gemeinsam bewältigen, denn wir haben in Österreich eine gute Tradition, Krisen gemeinsam zu bewältigen, das haben wir schon öfter getan. Unser Einsatz gilt eben den Unternehmen und den Arbeitsplätzen in Österreich, daher zum Schluss meine Bitte: Kaufen Sie in der Heimat! Machen Sie Urlaub in Österreich! Die österreichischen Unternehmer freuen sich auf Sie! – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Ruf bei der SPÖ: Diese Rede braucht man sich nicht zu merken!)

16.32


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Belako­witsch. – Bitte.


16.32.48

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Herr Kollege Haubner, Sie sind doch viel unterwegs draußen, Sie reden doch mit vielen, Sie wissen es besser. Sie wissen, dass das, was Sie hier jetzt erzählt haben, so nicht stimmt. Sie wissen es ganz genau, im Gegensatz zum Herrn Bundeskanzler. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Dem Herrn Bundeskanzler nehme ich ab, dass er keine Ahnung davon hat, was draußen wirklich passiert, denn der ist nur in seinem Glasbunker, aber Sie sind mit den Leuten unterwegs. Sie sind in der Wirtschaftskammer mit so vielen Unternehmern in Kontakt. Sie wissen es wirklich, also hören Sie auf, sich hierherzustellen und irgendwas zu er­zählen! Die Wirtschaftskammer ist nämlich in Wahrheit derzeit der Sargnagel für die Un­ternehmer: Es wird geprüft, es werden Formulare nachgefordert, es passt das hundertste Mal nicht. Die Zahlen sprechen doch für sich, wenn aus dem Härtefallfonds bisher erst


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191 Millionen Euro ausbezahlt worden sind. Diese Zahl können Sie nicht wegleugnen! Das zeigt doch einmal mehr, dass die Hilfe eben nicht fließt und dass sie nicht ankommt, Herr Kollege Haubner! Also hören Sie auf, den Leuten hier irgendetwas zu erzählen! (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Bundeskanzler, ich habe Ihnen sehr genau zugehört – das machen Sie in der Regel nicht so, Sie sind ja immer mit dem Handy beschäftigt –, Sie haben sich hierhergestellt und haben in Richtung Kollege Leichtfried gesagt: Ja, Herr Kollege Leichtfried, Sie wären der Erste, der sich wieder aufregt, wenn fälschlich oder unberechtigt Geld bei Unterneh­men ankommt.

Wissen Sie, was Sie damit gesagt haben, Herr Bundeskanzler? – Als Bundeskanzler und Parteivorsitzender einer angeblichen Wirtschaftspartei (Rufe bei der SPÖ: Angebli­chen!) haben Sie die Unternehmer unter Generalverdacht gestellt, so, als würde jeder Unternehmer, der einen Antrag stellt, automatisch einen Betrug versuchen. Das haben Sie hier heute gesagt, und das weise ich massiv zurück, Herr Bundeskanzler! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Sich in einer Zeit, in der diese Bundesregierung den Unternehmern die Luft zum Atmen genommen hat, in einer Zeit, in der man das Epidemiegesetz mit miesen Tricks ausge­hebelt hat, in einer solchen Zeit hierherzustellen und Unternehmer unter Generalver­dacht zu stellen, das spottet jeder Kritik, Herr Bundeskanzler! Sie sollten endlich einmal von Ihrem hohen Ross heruntersteigen! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Legen Sie einmal Ihr Handy weg! Das ist eine Unhöflichkeit, die Sie hier an den Tag legen, eine Missachtung dieses Hohen Hauses und dieses Parlaments! Das zeigt auch Ihre Körperhaltung, dass Sie am liebsten eh schon wieder draußen wären, weil Sie das alles nicht tangiert und nicht interessiert!

Genau so, Herr Bundeskanzler, haben Sie es auch im Kleinwalsertal ausgelebt. Genau so sind Sie dorthin gefahren, haben sich bejubeln lassen, haben keinen Sicherheitsab­stand eingehalten – und da ist nicht die Bevölkerung schuld. Sie persönlich gingen Schulter an Schulter mit dem ÖVP-Landeshauptmann Wallner. Sie persönlich waren das! Das war nicht irgendein Publikum, das sich halt gefreut hat, dass hoher Besuch aus Wien kommt – nein, Herr Bundeskanzler, das waren Sie!

Das hat schon begonnen, als Sie aus dem Auto ausgestiegen sind: Ohne Mund-Nasen-Schutz sind Sie drinnen gesessen. Heute Vormittag waren Sie nicht da, aber ich habe heute schon einmal die Frage gestellt: Wohnen Sie denn mit Ihrem feschen Chauffeur im gleichen Haushalt oder wohnen Sie nicht mit ihm im gleichen Haushalt?, denn wenn nicht, sind Sie verpflichtet, einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen. Den haben Sie aber im Auto nicht aufgehabt. Das ist auf den Videoaufnahmen der „Vorarlberger Nachrichten“ ganz genau zu sehen.

Also Sie haben hier mehrere Gesetze, die Sie den ÖsterreicherInnen jeden Tag verbun­den mit Angstmache in Ihren gefühlten 100 000 Pressekonferenzen servieren, nicht be­achtet. All diese Maßnahmen gelten offensichtlich für Sie und Ihresgleichen nicht.

Wenn ich Ihresgleichen sage, bin ich gleich bei Ihrem besten Freund Martin Ho. Herr Martin Ho kann offensichtlich in seinem Lokal feiern, ohne dass er belangt wird. Da gibt es Feiern. Ich weiß schon, Sie waren nicht anwesend; vielleicht andere Regierungsmit­glieder, die da weitere Auskünfte geben könnten. Und das passiert zum wiederholten Male! Offensichtlich ist Herr Ho gleicher als gleich, denn das, was für das gemeine Volk gilt, das, was für den Wirten ums Eck gilt, das gilt für eine ganz spezielle Riege eben nicht.

So, und jetzt komme ich noch zum Herrn Bundespräsidenten. Herr Bundeskanzler, der Herr Bundespräsident hat etwas geschafft, was Sie nicht können, er hat gesagt: Das war


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ein Fehler, und ich entschuldige mich. – Ich möchte von Ihnen hören: Es war ein Fehler, es waren die ganzen Maßnahmen ein Fehler, denn wir brauchen sie nicht. Ich selber halte mich nicht daran, ich halte mich nicht an den Abstand und ich halte mich auch nicht daran, den Mund-Nasen-Schutz zu tragen. Diesen haben Sie nicht nur im Kleinwalsertal nicht getragen, Herr Bundeskanzler, in vielen, vielen Ausschüssen haben ÖVP-Abgeord­nete ganz selten Mund-Nasen-Schutz oben gehabt.

Es geht darum, die Bevölkerung endlich davon zu befreien. Es ist nämlich eine irrsinnige Belastung, dieses komische Ding permanent über dem Mund zu behalten. Man schwitzt darunter, viele haben Allergien bekommen, viele haben Ausschläge bekommen. Nie­mandem soll es verboten werden, aber es soll kein Zwang mehr ausgeübt werden, und genau aus diesem Grund stelle ich folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schluss mit der allgemeinen COVID-19-Maskenpflicht in Österreich“

„Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, wird aufgefordert dafür Sorge zu tragen, dass

1) die allgemeine COVID-19 Maskenpflicht im öffentlichen Raum – konkret in öffentli­chen Verkehrsmitteln, im Handel, in der Gastronomie und in der Beherbergung, im Schul- und Unterrichtswesen aber auch im Bereich des öffentlichen Kultur-, Sport- und Veranstaltungswesens – umgehend abgeschafft wird.

2) die spezielle COVID-19-Maskenpflicht im gesamten Gesundheits- und Pflegebereich und im Zusammenhang mit besonderen Risikogruppen (Pflegebedürftige, Akutpatienten usw.) weiterhin bis zur vollständigen Eindämmung der Gefahren durch COVID-19 auf­rechterhalten wird.“

*****

Was in Österreich passiert ist, war, dass es in Pflegeheimen keine Masken gab, weil einfach nichts dergleichen vorhanden war, weil Sie zu spät gehandelt haben, zu spät bestellt haben, und das ist auch der Grund, warum es Pflegeheime gibt, in denen es in der Zwischenzeit sehr, sehr viele Infizierte gibt, nämlich weil es das Pflegepersonal ein­geschleppt hat. Die hatten die Wahl, die Patienten unversorgt zu lassen oder ohne Schutzbekleidung zu arbeiten.

Diese Verantwortung haben Sie auch zu übernehmen – und jetzt hören Sie endlich auf, mit Ihrem blöden Handy zu spielen! Das ist eine Unhöflichkeit, das sage ich schon meinen Kindern den ganzen Tag: Das tut man nicht! Diese Handymanie ist eine krank­hafte Sucht, Herr Bundeskanzler! Überlegen Sie sich das einmal! (Beifall bei der FPÖ sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.)

16.39

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abg. Mag. Gerhard Kaniak, Erwin Angerer, Dr. Dagmar Belakowitsch, Peter Wurm

und weiterer Abgeordneter

betreffend Schluss mit der allgemeinen COVID-19-Maskenpflicht in Österreich


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 173

eingebracht in der 32. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 26. Mai 2020 im Zuge der Debatte zu Dringlichen Anfrage "Es braucht echte Hilfe statt leerer Versprechen – das Versagen der Kurz-Regierung bei der Bekämpfung der wirtschaftlichen und sozialen Krisen-Folgen" (2064/J)

Mit Stand 26. Mai 2020 werden von insgesamt 16.480 bisher positiv getesteten COVID-19-Infizierten noch 732 als derzeit akut „COVID-19-Infizierte“ vom Gesundheitsministerium dokumentiert. Insgesamt 15.182 ehemalige „COVID-19-Patienten“ gelten als genesen. Von den derzeit akuten „COVID-19-Patienten“ sind 605 nicht hospitalisiert, 95 belegen ein Normalbett und 32 ein Intensivbett in einer Krankenanstalt. Bis zum heutigen Tag wurden insgesamt 411.185 COVID-19-Testungen durchgeführt.

Bei der aktuell geringen Anzahl an akut „COVID-19-Infizierten“ stellt sich die Frage, ob bisher geltende Maßnahmen wie eine allgemeine COVID-19-Maskenpflicht in öffentli­chen Verkehrsmitteln, im Handel, in der Gastronomie und in der Beherbergung, im Schul- und Unterrichtswesen aber auch im Bereich des öffentlichen Kultur-, Sport- und Veranstaltungswesens noch verhältnismäßig sind.

Der führende Infektionsmediziner und Experte der Agentur für Gesundheit und Ernäh­rungssicherheit – AGES), Dr. Franz Allerberger, machte bereits vor Wochen darauf auf­merksam, dass eine allgemeine COVID-19-Maskenpflicht in Österreich den Herausfor­derungen, die der aktuelle Verlauf der COVID-19-Infektionen abbildet, nicht verhältnis­mäßig sei. Auch viele andere Experten aus dem Gesundheitswesen, ob in Österreich oder anderen Ländern, rücken von einer allgemeinen Maskenpflicht im öffentlichen Raum, im täglichen Geschäftsleben oder in öffentlichen Verkehrsmitteln immer mehr ab. Demnach würden ohne enge Kontakte, die über lange Zeiträume gehen, überhaupt kei­ne Übertragungsgefahren bestehen. Aktuell kommt etwa im Zuge des sogenannten „Asylwerber-Clusters“ rund um Asylwerberheime in Wien, das Erstaufnahmezentrum in Traiskirchen oder die Postverteilerzentren in Wien-Inzersdorf und Hagenbrunn zu Tage, dass enge private oder berufliche Kontakte über einen längeren Zeitraum eine Infek­tionskette auslösen oder begünstigen können.

Sogar von der Schädlichkeit falsch eingesetzter Masken bzw. Masken von minderer Qualität wird in medizinischen Fachkreisen immer deutlicher gewarnt.

Im Umkehrschluss bedeuten die Expertenmeinungen, dass lediglich dort das Tragen einer Maske vorgeschrieben werden soll, wo es tatsächlich um den Schutz von Risiko­gruppen gegenüber einer potentiellen COVID-19-Infektion oder das Verhindern einer Infektionskette geht. Solche Bereiche stehen etwa im gesamten Gesundheits- und Pfle­gebereich und im Zusammenhang mit besonderen Risikogruppen (Pflegebedürftige, Akutpatienten usw.) außer Diskussion und sollten weiterhin bis zur vollständigen Ein­dämmung der Gefahren durch COVID-19 aufrechterhalten werden.

Daher stellen die unterzeichnenden Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, wird auf­gefordert dafür Sorge zu tragen, dass

1)          die allgemeine COVID-19 Maskenpflicht im öffentlichen Raum – konkret in öffent­lichen Verkehrsmitteln, im Handel, in der Gastronomie und in der Beherbergung, im Schul- und Unterrichtswesen aber auch im Bereich des öffentlichen Kultur-, Sport- und Veranstaltungswesens – umgehend abgeschafft wird.

2)          die spezielle COVID-19-Maskenpflicht im gesamten Gesundheits- und Pflegebe­reich und im Zusammenhang mit besonderen Risikogruppen (Pflegebedürftige,


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Akutpatienten usw.) weiterhin bis zur vollständigen Eindämmung der Gefahren durch COVID-19 aufrechterhalten wird.

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ausreichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Die nächste Wortmeldung ist jene des Herrn Kollegen Schallmeiner. – Bitte.


16.39.34

Abgeordneter Ralph Schallmeiner (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Kanzler! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause vor den Bildschirmen! Ja, immer dann, wenn vor mir Kollegin Belakowitsch dran war, kann ich sagen: Kommen wir wieder runter, beruhigen wir uns wieder etwas, calm down! Das ist eigentlich fast immer die passende Einleitung. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Vorneweg möchte ich kurz zu Kollegen Leichtfried etwas sagen (Zwischenruf bei der SPÖ): Herr Kollege Leichtfried, wir können uns gerne gegenseitig Beispiele dafür aus­richten, was gut und was schlecht gelaufen ist. Ich kann Ihnen auch ein gutes Beispiel nennen (Zwischenruf des Abg. Kollross): Mein ehemaliger Arbeitgeber mit über 350 Han­delsangestellten in ganz Österreich hat während der Maßnahmen keinen einzigen Mit­arbeiter, keine einzige Mitarbeiterin entlassen müssen. – Ganz im Gegenteil: Die werden auch weiterhin nicht entlassen werden, wie mir zugesichert worden ist. Es gibt also auch positive Beispiele; wir können uns das gegenseitig ausrichten. 350 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu behalten ist nicht so schlecht. Ich glaube, das ist ein Zeichen dafür, dass das auch durchaus gut funktioniert hat.

Nichtsdestotrotz kommen wir zum eigentlichen Thema beziehungsweise zu dem, zu dem ich reden möchte: Was haben wir in den letzten Wochen gemacht? Wir haben uns um die Pandemiebekämpfung gekümmert, wir haben schnelle Maßnahmen gesetzt, wir ha­ben geschaut, dass wir Menschen schützen. Wir wollten gemeinsam solidarisch durch diese Krise kommen, um unser Gesundheitswesen auch dementsprechend zu schützen.

Wir haben immer noch die Bilder aus Bergamo, Frankreich, Spanien, die aktuellen Bilder aus dem UK, aus den USA und aus Brasilien vor Augen. Reden wir doch bitte einmal über Schweden, über das viel gelobte Schweden: Schweden ist gemessen an der Zahl der Einwohnerinnen und Einwohner in etwa gleich groß wie Österreich, hat aber das Fünffache an Todesopfern verzeichnet. Das ist so, das können wir nicht wegleugnen.

Wir haben in dieser Zeit also versucht, unser System so gut es geht zu schützen. Seit 14. April setzen wir entsprechende Öffnungsschritte. Dabei geht es darum, dass wir nach den Maßgaben der Expertinnen und der Experten der Taskforces agieren, damit wir step by step herauskommen. Wir bekommen mithilfe eines Screeningregisters, das wir in der Zwischenzeit beschlossen haben, eine Teststrategie. Das sind Hard Facts.

Ich sage nicht, dass alles perfekt gelaufen ist, ich sage auch nicht, dass alles gut ge­laufen ist. Es hat auch Fehler gegeben. Kollege Anschober – normalerweise sitzt er immer da, jetzt ist er nicht da – hat sich nicht nur einmal hierhergestellt und hat gesagt: Ja, es wurden Fehler gemacht, wir haben etwas zu lernen gehabt, wir haben Kritik, die aus der Opposition gekommen ist, aufgenommen! (Zwischenruf des Abg. Kollross.) Das wurde gemacht, und das könntet ihr, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ, auch einmal positiv erwähnen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Leichtfried: Aber heute geht es eher um ...! – Zwischenrufe der Abgeordneten Kollross und Vogl.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 175

Wir haben ja heute auch schon sehr oft das positive Beispiel unseres Bundespräsidenten gehört – ich bin übrigens immer noch sehr froh, dass er Van der Bellen heißt –, der sich entschuldigt hat. Das Gleiche hat auch Kollege Anschober gemacht, also wir könnten das, wenn wir schon über positive Beispiele reden, hier öfters erwähnen.

Keine Frage, wir haben auch Probleme, darüber brauchen wir gar nicht zu reden (Ruf bei der SPÖ: Wir haben ein Problem mit dem Bundeskanzler!): Die Kleinteiligkeit des Gesundheitswesens in Österreich ist nicht unbedingt immer nur positiv. Ich glaube, wir alle miteinander wissen, wo diese Kleinteiligkeit herkommt. Diese Kleinteiligkeit er­schwert uns vieles.

Ein Beispiel, das heute schon vom Kollegen Schnedlitz von der FPÖ angesprochen wurde: Ja, es stimmt, wir haben ein Problem in den Pflegeheimen und in den Altenhei­men. Ich bitte aber, sich damit nicht an den Minister zu wenden, sondern an die Betrei­berinnen und Betreiber der Pflegeheime. Das sind übrigens meistens die Länder, die im Endeffekt schon seit Wochen von Minister Anschober über die Lockerungsschritte in­formiert werden. Er sagt zu denen immer wieder: Bitte öffnet die Pflegeheime, ich kann es euch nicht vorschreiben, aber bitte lockert die Beschränkungen! Die gehen halt her und sagen: Ich möchte nicht der nächste Cluster sein und, und, und! – Sie zeigen keine Reaktion.

Vielleicht können wir alle hier herinnen uns darauf einigen, dass wir unsere Kanäle gemeinsam nutzen, um eine Lockerung zu bekommen, und das schnell. Da bin ich näm­lich bei Ihnen, da haben wir definitiv ein Thema, da haben wir ein Problem, das können wir aber auch gemeinsam lösen.

So, eine Sache noch, auf die ich eingehen möchte: Es hat immer wieder geheißen, unser Gesundheitswesen wurde komplett heruntergefahren und wir müssen das jetzt irgend­wie hochfahren. – Entschuldigung, nein, das Gesundheitswesen war in den letzten Wo­chen nicht heruntergefahren. Es hat eine Akutversorgung gegeben, es hat Akut-OPs gegeben, es hat entsprechende Rehamaßnahmen nach solchen Akut-OPs und Akut­maßnahmen gegeben. 90 Prozent der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte hatten ihre Ordinationen geöffnet und haben dafür gesorgt, dass kein medizinischer Notstand in diesem Land ausbricht. Zusätzlich wurden die psychotherapeutischen und psychologi­schen Hilfsmaßnahmen verstärkt und forciert.

Diese Maßnahmen sind im Endeffekt das beste Beispiel dafür, dass das Gesundheits­wesen nicht heruntergefahren wurde. Aber ich gebe Ihnen recht: Wir haben dementspre­chende Themen. Wir werden uns auch über die Dinge, die nicht gut gelaufen sind, un­terhalten müssen; die werden wir aufnehmen, dementsprechend evaluieren, und wir werden aus dieser Situation lernen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Ab­geordneten der ÖVP.)

16.44


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schellhorn. – Bitte.


16.44.53

Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundes­kanzler! Herr Vizekanzler! Herr Bundeskanzler, Sie haben Frage 11, „Warum wurde das Angebot der EU-Kommission zur Beschaffung von Schutzausrüstung bereits im Jänner 2020 von Ihrer Seite abgelehnt?“, nicht richtig beantwortet. Es gibt Sitzungsprotokolle von einem nicht unbedingt regierungskritischen Journalisten aus Brüssel, der bestätigt, dass das Gesundheitsministerium die Beorderung von Schutzausrüstung abgelehnt hat, weil sozusagen alles im Griff war. Das möchten wir ganz klar darstellen, so ist es.

Ich gebe Kollegen Haubner recht, es gibt kein Handbuch. Das ist völlig richtig, es gibt natürlich kein Handbuch für eine Coronakrise. Was ich hier aber schon feststellen muss,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 176

und das macht mich eigentlich traurig, ist, dass es bei einer Regierungspartei wie der ÖVP eigentlich auch kein Mitgefühl und kein unternehmerisches Denken gibt. Dahin ge­hend gibt es relativ wenig, und das möchte ich auch klar darlegen; ich komme in einem Moment dazu.

Der Bundeskanzler hat einmal gesagt, wir alle werden bald jemanden kennen – aus un­serer Umgebung, aus unserer Familie, aus unserem Bekanntenkreis –, der sterben wird. Er hat von 100 000 Toten gesprochen. Eines muss ich Ihnen sagen: Wir werden, wenn wir nicht jetzt das Ruder herumreißen, Hunderttausende Unternehmer haben, die in­solvent gehen. Das ist das Kernproblem. Und woran liegt es? Zu Ihrer Huldigung, dass wir so gut sind: Was die Kurzarbeit betrifft, brauche ich nur zu unserem Nachbarn Schweiz zu schauen. In der Schweiz ist die Arbeitslosenrate – im Verhältnis zu Öster­reich – nicht sehr stark gestiegen, in der Schweiz wurden 100 Prozent der Kosten der Kurzarbeit übernommen, in der Schweiz gab es eine Regelung, die Unternehmenshilfen sehr rasch und unbürokratisch ermöglicht hat. Es gab Kredite, mit 0 Prozent verzinst, innerhalb von fünf Jahren zurückzuzahlen, mit hundertprozentiger Haftungsübernahme, und innerhalb von 24 Stunden war das Geld auf dem Konto. – Bis heute sind wir noch nicht so weit.

Es gibt eine Vielzahl an Unternehmen, und auch wenn Kollege Haubner sagt, es gibt manche, die es bekommen haben, so darf man eines nicht außer Acht lassen: Das sind Kredite, die die Unternehmer zurückzahlen müssen, es sind Steuerstundungen, es ist ein Rucksack, den die Unternehmer schultern müssen. Sie müssen diese Steuerstun­dungen auch bewerkstelligen, und ich glaube nicht, dass es wahnsinnig viele Betriebe gibt, die diesen Rucksack bis zum 31.12. abgebaut haben werden.

Ich habe es heute Vormittag mit dem Herrn Finanzminister gespielt, und ich möchte es jetzt mit Ihnen spielen: Stellen wir uns vor, Sie wären Unternehmer und ich Bundes­kanzler, und ich würde Ihnen versprechen, dass 14 Milliarden Euro fließen, dass – wie von der Frau Wirtschaftsminister versprochen – 38 Milliarden Euro fließen. Sie als Unter­nehmer warten auf das Geld und kriegen es nicht, weil es ein Problem dabei gibt. Das Problem ist die Anordnung, das Hin- und Herschicken der Unternehmer zwischen Bank, AWS-Förderstelle, dann wieder zurück und dann wieder hin, und dann sagt man: Die Cofag ist noch nicht so weit! – Das ist ein Kernproblem der ganzen Geschichte. Der Fixkostenzuschuss ist ein Kernproblem, der Betriebskostenzuschuss ist ein Kernpro­blem, weil wir es nicht anders geregelt haben. Wenn eine Expertin wie Frau Trenkwalder sagt, da werden 40 Prozent aller Tourismusbetriebe rausfallen, dann haben wir wieder ein Problem.

Herr Bundeskanzler, ich ermutige Sie dahin gehend, mit uns dorthin zu gehen und zu tun, was jetzt notwendig ist. Entweder wir regeln es über die Basel-III-Kriterien, oder wir regeln es über etwas anderes, nämlich die Kriterien der Europäischen Investitionsbank betreffend Haftungen. Wir müssen den Druck von den Unternehmen bringen, weil sonst die Bank die Forderungen 2021 fällig stellen muss, und das ist ein Kernproblem.

Daher gibt es drei Handlungsstränge: zum einen sind das steuertechnische. Setzen Sie durch, dass das Wirtschaftsjahr 2019 mit dem Wirtschaftsjahr 2020 gleichgesetzt wird! Das ist ganz wichtig, auch für die ganzen Vorauszahlungen, was die Sozialversicherung betrifft. – Kollege Kopf ist meiner Meinung.

Setzen Sie einen Schutzschirm für die Tourismusbetriebe durch! Die werden auch mit 50 Prozent der Übernachtungen nicht überleben. Wenn man die Deutschen dazurech­net – und wir prognostizieren nicht 50 Prozent –, werden es maximal 55 Prozent. Da gibt es kein wirtschaftliches Auskommen. Wir brauchen eine Freezeregelung für 365 Tage, damit Betriebe die Zahlungen einfrieren können, gerade im Tourismus. Wir müssen auch


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Sektoren stilllegen können. Dazu braucht es eine Aufwertungsbilanz, ansonsten sind die Unternehmer mit ihrem Hab und Gut gescheitert. Das ist das Kernproblem: Viele Be­triebe können gar nicht mehr zusperren, sie vegetieren dahin. Das ist ein Kernproblem, da brauchen wir eine Aufwertungsbilanz.

Wir brauchen aber auch – und das hat Herr Treichl heute gesagt – eine Mittelstands­finanzierung. Das müssen wir jetzt auf den Weg bringen: Risikokapitalbereitstellung, die steuerlich begünstigt sein muss. Wir haben auch so viel auf den Sparkonten vieler Ös­terreicherinnen und Österreicher oder in Österreich Lebender, es braucht eine Mittel­standsfinanzierung und eine Risikokapitalbereitstellung. Wir brauchen aber auch – und das ist sozialpolitisch – eine sofortige Entlastung des Faktors Arbeit. Nur so, wenn wir die Arbeitskosten senken, können wir umso mehr aus der Arbeitslosigkeit wieder in den Betrieb, in die Beschäftigung hineinbringen, damit sie zu einem höheren Erwerb kom­men. Das ist ganz wichtig.

Der dritte Punkt, der Ihnen besonders am Herzen liegt, bei dem halt nur noch überhaupt nichts weitergegangen ist, ist die Entbürokratisierung. Erleichtern Sie Gewerbegründun­gen jetzt! Machen Sie mit uns zusammen eine Gewerbeordnungsreform! Die Vorschläge dazu liegen auf dem Tisch. Das ist besonders notwendig. Wir werden Betriebe verlieren, ja, aber wir dürfen bei Weitem keine 100 000 verlieren. Jetzt liegt es in Ihrer Verantwor­tung, und jetzt liegt es auch in der Verantwortung der Grünen, dass Sie etwas umsetzen, dass Sie die Schienen dafür legen, wie Unternehmertum 2021 funktioniert. Das ist mein Appell an Sie: Arbeiten Sie mit uns zusammen!

Ich muss es wirklich sagen: Wir alle haben gemeinsam etwas beschlossen. Der Schulter­schluss funktionierte am Anfang. Der Schulterschluss funktionierte aber nur, als es da­rum ging, das Epidemiegesetz auszuhebeln und das Covid-19-Gesetz zu beschließen. Danach war es eine Einbahnstraße, die zur einer Sackgasse für viele Unternehmen führte, weil – und das ist der Punkt – die Gelder nicht geflossen sind. Von 14 Milliarden Euro sind 500 Millionen Euro geflossen. Das betrifft die Liquidität. Ich kann es Ihnen von meinem eigenen Betrieb in Salzburg erzählen: Ich habe da relativ wenig Geld gesehen. Wenn sich das im touristischen Bereich nicht ändert, wird es viele Betriebe geben, die sterben, auch aufgrund der geringen Eigenkapitalstruktur, weil sie in der Vergangenheit nichts an Reserven aufbauen konnten, weil der Kostenfaktor Arbeit so hoch und die Bürokratie ein Wahnsinn war. Das ist der Punkt. (Beifall bei den NEOS und bei Abge­ordneten der SPÖ.)

16.52


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Holzleit­ner. – Bitte. (Abg. Vogl: Jetzt wird es erfrischend!)


16.52.18

Abgeordnete Eva Maria Holzleitner, BSc (SPÖ): Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Herr Bundeskanzler! Kinder, Jugendliche, junge Men­schen haben wirklich meisterhaft jede Maßnahme mitgetragen, sind vor großen Unsi­cherheiten gestanden und haben sich aber gleichzeitig noch zivilgesellschaftlich betei­ligt – Nachbarschaftshilfe, Zivildienst.

Mir ist jedoch in den letzten Monaten bei den unzähligen Pressekonferenzen aufgefallen, dass sich nicht eine mit den Bedürfnissen von Kindern und Jugendlichen wirklich be­schäftigt hat, nicht eine einzige – bis auf das Humankapital, kurz so als Schmankerl noch mit dazugenommen; Humankapital, das ist das, was die Regierungskoalition unter den Bedürfnissen von Kindern und Jugendlichen versteht.

Selbst im Bildungsbereich – wir haben es mitbekommen – sind nur häppchenweise und zäh Dinge verkündet worden. Die Unsicherheit war groß – weil es gerade aktuell ist: auch bei der Matura. Wenn man Schülerinnen und Schüler jetzt fragt, sagen sie: Ja, Gott


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sei Dank findet sie jetzt irgendwie statt, aber eigentlich haben wir nicht genau gewusst, wie das Ganze passiert.

Stefanie, 25, beispielsweise erzählt dem „Standard“: „Ich bin zum ersten Mal arbeitslos. Im März habe ich eine Traineestelle in einer Versicherung begonnen. Kurz nach dem ersten Arbeitstag bekam ich einen Anruf: Wegen der Wirtschaftslage würden alle in der Probezeit gekündigt. Das war wie ein Schlag ins Gesicht.“ Weiter: „Das Arbeitslosengeld ist gering, es deckt nur Fixkosten wie Auto und Versicherung. Die Miete erlassen mir meine Eltern, in deren Haus ich eine Wohnung habe, Lebensmittel zahle ich vom Er­sparten.“

Ökonomische Engpässe in der Familie aufgrund von Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit, Un­sicherheit, ob man eine Lehrstelle bekommt, ob man einen Ausbildungsplatz antreten kann oder ob man in die Jugendarbeitslosigkeit rutscht, Ungewissheit, wie man die Som­merferien überbrücken soll, ob Feriencamps stattfinden – all diese Ängste sind real, und Sie, Herr Bundeskanzler, handeln nicht. Das ist dramatisch, ich muss das wirklich sagen. (Beifall bei der SPÖ.)

Man hat auch nicht bedacht, dass von heute auf morgen jeder soziale Kontakt von Kin­dern und Jugendlichen abgebrochen werden musste – in der Schule, in den Aus­bildungseinrichtungen, bei der Feuerwehrjugend, beim Sportverein, bei all diesen Ver­einen und Organisationen –, man hat nicht bedacht, was diese Situation für Kinder und Jugendliche bedeutet.

Wir haben beispielsweise ein Paket auf den Tisch gelegt, das Unterstützung der Exeku­tive fordert, Absicherung von Kinder- und Jugendarbeit, sofort mehr Psychologinnen und Psychologen an Österreichs Schulen, Gewaltschutz für Frauen und Kinder, weitere ge­sundheitliche Maßnahmen – wirklich ein Rundumpaket mit ersten Schritten. Besonders die Kinder- und Jugendarbeit möchte ich hervorheben, weil das ein wahnsinnig wichtiger Baustein war, oftmals der letzte Anker, der letzte Kontakt außerhalb der eigenen vier Wände, und es braucht endlich eine langfristige Finanzierung für diese Organisationen und diese Arbeit, weil allen Kindern und Jugendlichen ein konsumzwangfreier Zugang zu sozialarbeiterischer Unterstützung zusteht (Beifall bei der SPÖ) – ganz einfach ein Raum, in dem man sich treffen und offen reden kann.

Genau darum geht es auch bei der psychologischen Beratung und Betreuung an Schu­len. Viele junge Menschen haben jetzt fürchterliche Dinge erlebt, über die sie vielleicht nicht mit LehrerInnen oder auch Mitschülerinnen und Mitschülern sprechen möchten. Gerade deshalb ist es unabdingbar, dass wir ab morgen 100 Psychologinnen und Psy­chologen mehr an Österreichs Schulen haben. Warum versteht man das nicht? Ich kann es wirklich nicht nachvollziehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Dieses Paket wird am Freitag abgelehnt, stattdessen wird ein Abänderungsantrag von Türkis-Grün darübergestülpt, in dem man auf das Regierungsprogramm verweist. Ei­gentlich ist genau das die Farce, weil man die Notwendigkeit von Sofortmaßnahmen verkennt – Sofortmaßnahmen, die man sofort braucht, die dringend sind und sofort wirken. Für die Schaumweinindustrie wird sofort eine Entlastung gefunden, für Kinder und Jugendliche nicht. Wer da eine Lobby hat, braucht man, glaube ich, nicht zu erwäh­nen.

Deswegen bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sofortige Rettung österreichischer Arbeitsplätze und KMUs“

Der Nationalrat wolle beschließen:


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„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend ein Gesetzespaket zur Rettung österreichischer Arbeitsplätze und EPUs bzw. KMUs vorzulegen, das die volle Entschädigung nach dem Epidemiegesetz für Unternehmen bis zu 25 MitarbeiterIn­nen unter rückwirkender Aufhebung der 6-Wochen-Frist gem. § 33 Epidemiege­setz 1950 vorsieht. Bis zur Abwicklung dieser Maßnahmen sind die Mindestauszahlun­gen aus dem Härtefallfonds auf den Sozialhilferichtsatz – rückwirkend – anzuheben und gleichzeitig ist sicherzustellen, dass alle offenen Anträge bis Ende Mai 2020 zur Auszahlung gelangen. Des Weiteren wird die Bundesregierung – zur Stärkung der Kauf­kraft – aufgefordert, das Arbeitslosengeld umgehend auf 70% der Nettoersatzrate zu erhöhen sowie die Steuerreform für kleinen und mittlere Einkommen auf den 1.7.2020 vorzuziehen.“

*****

Zum Abschluss noch die aktuellen Beratungszahlen von Rat auf Draht: Es gab um 240 Prozent mehr Schlafprobleme, um 146 Prozent mehr Anfragen zu Panikattacken und Depressionen, um 54 Prozent mehr Suizidgedanken und Autoaggression wie Ritzen und um 88 Prozent mehr physische Gewalt in der Familie.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen Prost, wenn Sie nach den Budgetbeschlüssen mit Ihrem Wunschschaumwein anstoßen. (Abg. Schmidhofer: Das ist eine Mutmaßung!) Ihre Maßnahmen helfen leider weder den Arbeitslosen noch den ArbeiterInnen noch den Familien, Kindern und Jugendlichen in Österreich. (Beifall bei der SPÖ.)

16.58

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

gemäß § 55 GOG-NR

der Abgeordneten Jörg Leichtfried, Christoph Matznetter, Eva-Maria Holzleitner

Genossinnen und Genossen

Betreffend: Sofortige Rettung österreichischer Arbeitsplätze und KMUs

eingebracht im Zuge der Debatte zur Dringlichen Anfrage der Abgeordneten Jörg Leicht­fried, Genossinnen und Genossen an den Bundeskanzler betreffend: „Es braucht echte Hilfe statt leerer Versprechen – das Versagen der Kurz-Regierung bei der Bekämpfung der wirtschaftlichen und sozialen Krisen-Folgen“

Die Stimmung bei Österreichs Selbstständigen ist schlecht. Viele kleine Unternehmer, die jetzt ohne Umsatz dastehen, bekommen nicht mal eine Unterstützung in der Höhe der Sozialhilfe. Dazu belasten undurchsichtige Bürokratie und unklare Zuständigkeiten die Unternehmen in einer ohnehin schon schwierigen Zeit. Vor allem der Härtefallfonds erntet viel Kritik: 66 Prozent der Kleinstunternehmen geben der Regierung dafür die Note „Nicht genügend“.

Vor rund 2 Monaten präsentierte die Regierung ihren Rettungsschirm. Sie kündigte an, Arbeitsplätze und der Wirtschaftsstandort sollen gesichert werden „koste es, was es wol­le“. Die Realität für Klein- und Mittelunternehmen sieht anders aus. Viele Unternehmen fielen beim Härtefallfonds zuerst ganz durch und wurden auch in der zweiten Phase gar nicht oder nur gering gefördert.

„Nachdem ich beim ersten Härtefallfonds gar nicht beantragen konnte, weil ich erst seit einem Jahr offen habe, habe ich jetzt etwas bekommen: 500 Euro. Ich will wirklich nicht


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undankbar sein. Aber davon kann ich die zwei Monate, die wir schon geschlossen ha­ben, nicht mal meine private Miete zahlen – geschweige denn die Lokalmiete!“ sagt etwa die Café-Betreiberin Viola Bachmayr-Heyda

66 Prozent geben dem Härtefallfonds ein „Nicht genügend“

Dass das kein Einzelschicksal ist, zeigt eine Studie der Universität Wien. Darin wurden Einpersonen- und Kleinstunternehmen (Unternehmen mit bis zu neun Mitarbeitern) be­fragt und die zeigen sich sehr enttäuscht von der Regierung. Besonders der Härtefall­fonds wird negativ beurteilt. In Summe beurteilen nur 0,3% der Teilnehmer den Härtefall-Fonds mit der Note „Sehr gut“. Knapp 2% der Teilnehmer vergeben die Note „Gut“, 7% die Note „Befriedigend“, und 22% die Note „Genügend“.

Die große Mehrheit der Teilnehmer beurteilt den Härtefall-Fonds mit der Note „Nicht ge­nügend“: 63% der teilnehmenden EPU und 66% der teilnehmenden Kleinstunternehmer vergeben diese Note.

Fünfer für Corona-Hilfspaket

Die Unzufriedenheit ist auch beim gesamten Corona-Hilfspaket groß. Auf die Frage: „Mit welcher Schulnote würden Sie Ihre finanzielle Unterstützung durch das Corona-Hilfspa­ket beurteilen?“ antworten nur zwei Prozent der EPUs und drei Prozent der Kleinstun­ternehmen mit „Sehr gut“. Einen Fünfer gibt es hingegen von mehr als der Hälfte (56 %) der Einpersonenunternehmen und von 49 Prozent der Kleinstunternehmen.

Wenig Geld – viel Bürokratie

Dass die Unternehmen so unzufrieden mit der Regierungsarbeit sind, liegt wohl auch an der Bürokratie. Beispielsweise ist für die Abwicklung des Härtefall-Fonds die Wirtschafts­kammer zuständig und nicht wie in anderen Ländern das Finanzministerium. Wer, wo, welche Förderung bekommt, ist oftmals nicht klar. Der Standard berichtet von Fällen, die zwischen Wirtschaftskammer, Wirtschaftsministerium und Finanzamt hin und her geschickt worden sind. Derartige Verzögerungen sind besonders bitter. Schließlich sind bei einigen die ersten Zuschüsse längst verbraucht. Vor allem Einpersonen- und Kleinst­unternehmen müssen ihre Rücklagen auflösen oder sich verschulden, um Löhne, Mieten und Lebenserhaltungskosten bezahlen zu können. „Die Situation ist fatal“, sagt auch die Unternehmensberaterin Sonja Lauterbach gegenüber dem Standard.

„Offenbar hat keiner der Verantwortlichen das Wesen der Einnahmen-Ausgaben-Rech­nung verstanden.“

Regierung zeigt beispiellose Ignoranz gegenüber der Lebensrealität von Kleinstbe­trieben

Die SPÖ befragte im Budgetausschuss zum Härtefallfonds für Selbstständige und kleine Betriebe Wirtschaftsministerin Schramböck. Der Abgeordnete Max Lercher wollte von der Ministerin wissen, warum der Härtefallfonds den hunderttausenden Einpersonenun­ternehmen, die jetzt ohne Umsatz dastehen, nicht wenigstens 920 Euro pro Monat aus­zahlt – das entspricht der Höhe des Sozialhilferichtsatzes. Schramböck lehnt das ab und verweist auf Experten, die ihr davon abgeraten haben. Welche Experten das waren und mit welcher Begründung, wollte Schramböck auf Nachfrage von Lercher nicht sagen.

Kleine Unternehmen sind für ein Viertel der Jobs verantwortlich

Viele Einpersonen- und Kleinstunternehmen fürchten nun um ihre Existenz – die Folgen wären auch für den Wirtschaftsstandort Österreich fatal: Diese Unternehmen erwirt­schaften knapp 40 Milliarden Euro an Bruttowertschöpfung. Insgesamt gibt es von ihnen 300.000 und sie sind für 720.000 Jobs verantwortlich – das sind ein Viertel der öster­reichischen Arbeitsplätze.


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Massenkündigungen und drohende Masseninsolvenzen aufgrund der Streichung der Entschädigungszahlungen aus dem Epidemiegesetz

Der Kardinalfehler der Regierung war die Streichung der Entschädigungszahlungen aus dem Epidemiegesetz. Dadurch wurden die Unternehmen nicht nur zu Bittstellern de­gradiert und an den Rand des Ruins getrieben. Man zwang sie dadurch auch zu Kün­digungen. Dadurch verloren binnen weniger Tage 200.000 Menschen in Österreich ihren Job.

Die wirtschafts- und sozialpolitische Performance dieser Regierung gefährdet hundert­tausende Arbeitsplätze und zehntausende KMUs in Österreich, die das Rückgrat unse­rer Wirtschaft sind.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend ein Gesetzespaket zur Rettung österreichischer Arbeitsplätze und EPUs bzw. KMUs vorzulegen, das die volle Entschädigung nach dem Epidemiegesetz für Unternehmen bis zu 25 MitarbeiterIn­nen unter rückwirkender Aufhebung der 6-Wochen-Frist gem. § 33 Epidemiegesetz 1950 vorsieht. Bis zur Abwicklung dieser Maßnahmen sind die Mindestauszahlungen aus dem Härtefallfonds auf den Sozialhilferichtsatz – rückwirkend - anzuheben und gleichzeitig ist sicherzustellen, dass alle offenen Anträge bis Ende Mai 2020 zur Auszahlung gelangen. Des Weiteren wird die Bundesregierung - zur Stärkung der Kaufkraft - aufgefordert, das Arbeitslosengeld umgehend auf 70% der Nettoersatzrate zu erhöhen sowie die Steuer­reform für kleinen und mittlere Einkommen auf den 1.7.2020 vorzuziehen.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Niss. – Bitte.


16.58.26

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Niss, MBA (ÖVP): Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Bundeskanzler! Hohes Haus! Ich verstehe ja, dass es die Aufgabe der Op­position ist, zu kritisieren, aber was Sie machen, liebe SPÖ, ist keine konstruktive Kritik, sondern Sie verwirren (Abg. Heinisch-Hosek: Verwirrt seid ihr selber!), wie auch Kol­legin Maurer schon gesagt hat – und zwar nicht nur uns, sondern auch die Bürgerinnen und Bürger. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Leichtfried: Da haben Sie recht, dass die Kol­legin Maurer verwirrt ist!)

Dank der Entscheidungsstärke unserer Regierung sind wir rascher als andere in den Lockdown gegangen, und die Folge daraus ist klar: Es gibt weniger Coronainfizierte und vor allem auch weniger Todesfälle. Mein Dank gilt dabei auch Ihnen, die Sie ja diese Maßnahmen hier mitbeschlossen haben, mein Dank gilt aber vor allem auch der Be­völkerung, die sich stark an diese Maßnahmen gehalten hat. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Jakob Schwarz.)

Wir haben auch gezeigt, dass es möglich ist, an Gesundheit und Wirtschaft zu denken. Durch rasche und konsequente Maßnahmen am Anfang sind wir nämlich auch führend dabei, aus dem Lockdown wieder rasch herauszukommen. Wir haben als eines der ers­ten Länder in Europa, nämlich schon nach 29 Tagen, die Wirtschaft wieder hochge­fahren, lediglich die Tschechische Republik hat vor uns kleine Shops und Markets ge­öffnet.


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Wenn die von Ihnen so sehr kritisierte Strategie der Bundesregierung so schlecht ist, verstehe ich auch nicht, warum sie international und europaweit gelobt wird: von der Schweiz, von den USA, von Deutschland.

Ich möchte auch den Vergleich zu Schweden ziehen. Ich bin ein großer Fan von der Eigenverantwortung und von der Innovationsstärke von Schweden, aber die Schweden haben sechseinhalbmal so viele Todesfälle wie wir, und auch der Weg raus für die Wirtschaft ist dort schwieriger. Sie haben einen 1 Prozent größeren Abschwung in ihrer Wirtschaftsleistung. Also ich glaube, da haben sie nicht den richtigen Weg gewählt. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Laut ist Ihre Kritik vor allem an den Wirtschaftshilfen; sie seien ja viel zu spät gekommen. Ich darf Sie daran erinnern: Innerhalb von 48 Stunden wurden die ersten Maßnahmen zur Stabilisierung des Wirtschaftsstandortes beschlossen, beispielsweise das mit den Sozialpartnern abgestimmte Kurzarbeitsmodell. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Zwei Tage nach Beginn der Covid-19-Maßnahmen wurde ein 38-Milliarden-Euro-Paket beschlossen.

Am 20.3. wurde der Härtefallfonds beschlossen.

Anfang April wurden drei neue Covid-19-Sammelnovellen beschlossen, welche extrem umfangreich ausfielen: steuerliche Erleichterungen für Unternehmer und Arbeitnehmer, das waren Kreditgarantien, Haftungen – wir wissen, bis zu 100 Prozent; eines unter vier Ländern in Europa –; der Corona-Hilfsfonds – wir wissen, Zuschüsse; eines von zwei Ländern in Europa –; Kofinanzierung für private Investitionen in Start-ups.

Kaum ein anderes Land hat so schnell und so umfassend Unterstützungsmaßnahmen gesetzt wie Österreich. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Lassen Sie mich aber noch einmal auf die Kurzarbeit zu sprechen kommen, denn das ist wirklich ein Modell, das sich sehen lassen kann und einzigartig ist. Es hilft uns nämlich vor allem, die Leute vor der Arbeitslosigkeit zu bewahren. Sabine Herlitschka, CEO von Infineon, bezeichnete es am 19.5. in den „Salzburger Nachrichten“ als wichtiges Instru­ment für die Wirtschaft, und auch die Voestalpine sieht es als Modell und als sehr positiv im Versuch, Arbeitsplätze zu halten, und das im internationalen Vergleich. Soeben wurde dieses Modell für weitere drei Monate beschlossen. Dafür gilt mein Dank der Bundes­regierung, das war extrem wichtig für die Planungssicherheit der Unternehmen. Das, liebe SPÖ, sind die Maßnahmen, die notwendig sind, damit das Vertrauen gestärkt wird, und das ist in diesen unsicheren Zeiten besonders notwendig. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Lukas Hammer.)

Meine Damen und Herren, liebe SPÖ, die Lage ist ernst. Es geht jetzt darum, wie wir dieses Comeback der Wirtschaft schaffen können, und da helfen keine Verschwörungs­theorien, sondern da helfen einzig und allein Optimismus, Mut und vor allem die wirt­schaftspolitisch richtigen Maßnahmen. Es wird einerseits die Entlastung der Arbeitneh­mer notwendig sein – mein Dank daher auch dafür, dass die Steuerentlastung vorgezo­gen wird –, und es werden andererseits natürlich auch Investitionsanreize notwendig sein. (Zwischenruf des Abg. Vogl.)

Das passiert einerseits durch intelligente Maßnahmen durch die öffentliche Hand. Ich darf beispielsweise nur an den Schulentwicklungsplan erinnern; 2,4 Milliarden Euro genau richtig investiert: in die Bildung, in die Nachhaltigkeit, in die Digitalisierung. Aber es wird natürlich auch notwendig sein, private Unternehmensinvestitionen auszulösen, und auch in diesem Bereich idealerweise in die Digitalisierung und in die Ökologisierung, denn das wird den Unternehmen helfen, sich für nachher bestmöglich aufzustellen, um im internationalen Wettbewerb zu bestehen und langfristig Arbeitsplätze zu sichern. – Das, meine Damen und Herren, ist intelligente Standortpolitik. (Beifall bei der ÖVP.)


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Die Strategie ist die richtige, das bestätigt auch ein Großteil der tatsächlich Betroffenen. Laut einer aktuellen Imas-Umfrage sind 84 Prozent mit dem Krisenmanagement der Politik sehr oder einigermaßen zufrieden, und auch über zwei Drittel der Unternehmer sind mit den Maßnahmen der Politik zufrieden.

Meine Damen und Herren, auch wenn Sie noch so oft das Gegenteil behaupten: Öster­reich kommt einfach besser aus dieser Krise, und das haben wir den Maßnahmen der Bundesregierung zu verdanken und nicht Ihrer Kritik. – Danke sehr. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Lukas Hammer.)

17.04


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Wolfgang Zanger. – Bitte.


17.04.23

Abgeordneter Wolfgang Zanger (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte es nicht verabsäumen, jetzt einmal ein Versprechen einzulösen, das ich einer Familie, die mir Folgendes geschrieben hat, vor mittlerweile fast einem Monat oder vielleicht sogar schon vor etwas längerer Zeit ge­geben habe. (Der Redner stellt eine Tafel auf das Rednerpult, auf der unter dem Titel „Mehr denn je: Corona-Wahnsinn jetzt stoppen / www.coronawahnsinn.at“ Bundeskanz­ler Kurz vor einer Menschenansammlung und Bundespräsident Van der Bellen, der aus einem Glas mit grüner Flüssigkeit trinkt, zu sehen sind, die mehrmals wegrutscht. – Oje-Rufe bei der ÖVP.) – Wir bräuchten ein gscheites Pult und nicht das Plexiglas da vorne. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich lese jetzt vor: Lieber Herr Zanger! Wir werden versuchen, Ihnen zu schildern, was uns in den letzten Tagen passiert ist. Wir haben einen geliebten Menschen vor einer Woche durch Suizid verloren, unseren Papa, einen Partner, einen Opa, einen besten Freund. Seine jüngere Tochter, seine Schwiegertochter und sein Enkelkind, ein vierjähri­ges Mädchen, mussten diese schlimme Situation leider mitansehen. Seit Tagen versu­chen wir, therapeutische Hilfe zu bekommen, aber leider sind durch die Maßnahmen nur Telefonkonferenzen möglich. Der früheste persönliche Termin wäre der 11. Mai. Das heißt vier Wochen ohne Hilfe; telefonieren mit einem vierjährigen Mädchen stelle ich mir etwas schwierig vor. Eine Verabschiedung von einem geliebten Menschen – fast nicht möglich, hätten wir diese nette Dame von der Bestattung nicht gehabt, die alle Hebel in Bewegung gesetzt hat, um uns diesen letzten Wunsch zu erfüllen. Danke dafür. Nein, wir waren keine 20 Leute, wir waren auch keine zehn Leute, die sich verabschieden wollten, wir waren nur sechs Menschen. Ich könnte schreien vor Wut.

Das zweite Desaster dreht sich um unsere 75-jährige Oma. Oma hatte eine offene Wun­de am Fuß, die wir mit der regelmäßigen Fußpflege super in den Griff bekommen haben. Die Wunden waren fast zu. Na ja, keine Fußpflege während der Coronazeit – das Ergebnis: zwei offene Wunden an den Füßen und Schmerzen, die ich mir gar nicht vor­stellen möchte. Einfach eine bodenlose Frechheit.

Zu guter Letzt: Meine Tochter ist im siebten Monat schwanger. Ihr Partner arbeitete bei McDonald’s und hat zurzeit keine Arbeit – klar, Arbeitslosigkeit aufgrund Corona. Um die Zeit trotzdem sinnvoll zu nutzen, hatte er beschlossen, das Kinderzimmer herzurichten, und ja, ein guter Freund hat ihm dabei geholfen. Nach einem langen Tag der Renovie­rung hat er seinen Freund am Abend nach Hause begleitet. Sie wurden von der Polizei angehalten, mussten ihre Personalien hergeben. Und die Moral von der Geschichte: nicht im gemeinsamen Haushalt lebend, zu wenig Sicherheitsabstand, kein Mundschutz, 360 Euro Strafe von der Bezirkshauptmannschaft für jeden von ihnen. Ein werdender Vater ohne Job – eine echt tolle Leistung.


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Das ist unsere Geschichte. In Zeiten wie diesen hoffe ich, Sie erreichen ganz viele Men­schen und so manchen werden die Augen geöffnet, was in unserem schönen freien Land so vor sich geht. – Zitatende.

Das ist eine sehr berührende Geschichte, wie ich meine, und, liebe Familie, vielleicht schaut ihr ja zu und habt jetzt gesehen, wie sehr sich Herr Bundeskanzler Kurz für eure Geschichte interessiert. (Beifall bei FPÖ, SPÖ und NEOS. – Bundeskanzler Kurz be­endet sein Gespräch mit Präsident Sobotka und Bundesministerin Edtstadler und nimmt wieder auf der Regierungsbank Platz.)

Insbesondere der Volkspartei ist das Schicksal der einfachen Menschen in diesem Land mittlerweile völlig egal. Das V im Wort ÖVP, Österreichische Volkspartei, steht nicht mehr für Volk, vielmehr steht es dafür, das Volk zu verschaukeln, das Volk zu verkaufen. Es gäbe noch mehr Metaphern dafür, die ich hier nicht nennen werde, aber der Volks­mund hat schon seine Worte dafür.

Es ist schön, dass die ÖVPler nicht mit Corona infiziert sind – (auf das Rednerpult klop­fend) klopfen wir auf Holz, dass es so bleiben möge –, aber dafür hat sich bei Ihnen das Dollfuß-Gen durchgesetzt. Unterstützung dafür bekommen Sie von jenen, die sich sonst immer als so tolerant bezeichnen, aber in Wahrheit Meinungsdiktatur leben: von den Grünen; und die Grünen beweisen, dass der Faschismus des 21. Jahrhunderts von links kommt.

Angesichts dieser Zustände möchten sich beim einfachen Bürger Wut, Zorn und Enttäuschung breitmachen, tatsächlich sagen sie aber: Es ist einfach alles nur mehr traurig! – Dem, geschätzte Damen und Herren, ist nichts hinzuzufügen. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Leichtfried.)

17.09


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Elisa­beth Götze. – Bitte.


17.10.01

Abgeordnete Dr. Elisabeth Götze (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bun­deskanzler! Liebe sonstige Mitglieder der Bundesregierung! Wertes Hohes Haus! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher zu Hause vor euren Bildschirmen! Ich habe heute Vormittag über das Gejammer der Opposition gesprochen (Abg. Heinisch-Hosek: Was heißt da „Gejammer“? Das sind Fakten!), dass ihnen die Maßnahmen zu langsam, zu wenig, zu bürokratisch sind. Man könnte meinen, Kollege Leichtfried hätte für seine Dringliche Anfrage bei meiner Rede mitgeschrieben, weil wir genau das dann in diesem Dringlichen Antrag – entschuldige, ja –, in dieser Dringlichen Anfrage gelesen haben. (Abg. Bernhard: Wer beleidigt, sollte auch richtig vorlesen können! ) Zu spät, zu wenig, zu bürokratisch: Genau so steht es auch in der Dringlichen Anfrage.

Wir haben im Hohen Haus schon oft gehört: Wer schnell hilft, hilft doppelt. (Ruf bei der SPÖ: Der Wöginger schreibt nicht so schlechte Reden!) Wir wissen: Wenn wir rasch entscheiden, sind oft noch nicht alle Umstände bekannt. Daher ist es auch in Ordnung, konstruktive Verbesserungsvorschläge aufzunehmen (Ruf bei der SPÖ: Das kann ja nur besser werden!) und nachzubessern. – Genau das passiert auch. Ich danke allen, die konstruktive Kritik üben. In den hinteren Reihen der SPÖ passiert das ab und zu, vor allem wenn man unter vier Augen spricht, aber sonst vernehme ich eher Geschrei. (Zwi­schenrufe bei der SPÖ.)

Drei konkrete Beispiele zu den Wirtschaftsmaßnahmen: Das erste ist der Coronahilfs­fonds. Es wurde schon gesagt, dass Unternehmen aus diesem Fonds Zuschüsse von bis zu 75 Prozent ihrer Fixkosten bekommen. Seit vergangener Woche können diese beantragt werden und ab kommender Woche werden bereits die ersten Zuschüsse aus­gezahlt. Es ist zu sagen, dass das liquide Mittel sind, die im Unternehmen verbleiben,


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die nicht zurückzuzahlen sind, also keine Kredite sind. Es sind verlorene Zuschüsse. Für bis zu 12 000 Euro reicht eine eidesstattliche Erklärung des Unternehmens. Es ist also keine Wirtschaftsprüfung oder sonst etwas durchzuführen. Ich glaube, unbürokratischer geht es kaum, ohne willkürlich zu agieren.

Das zweite ist die Kurzarbeit: Was die Kurzarbeit betrifft, muss ich den Herrn Bundes­kanzler etwas korrigieren – es sind meines Wissens 1,3 Millionen Menschen, die im Laufe der Zeit bereits Kurzarbeit in Anspruch genommen haben, und nicht 1 Million. (Abg. Bernhard: Es wird noch besser!) Ganz viele davon arbeiten in kleinen Unterneh­men. Ja, es ist für viele von ihnen ein Problem, wenn sie das Geld erst ausbezahlt be­kommen, wenn der Antrag beim AMS eingebracht wurde, weil erst dann klar ist, wie viel Geld sie bekommen können. Dafür können sie eine Zwischenfinanzierung von der Bank bekommen, und das passiert auch. Es reicht inzwischen, den AMS-Antrag vorzuweisen, um diese Zwischenfinanzierung zu bekommen.

Drittes Beispiel, der Härtefallfonds: Mit Stand Sonntagabend haben 165 000 Menschen diesen nicht nur in Anspruch genommen, sondern auch bereits Zahlungen bekommen. Über 190 Millionen Euro sind geflossen. (Ruf bei der SPÖ: ... 30 Milliarden!) Ich gebe zu, ich hätte mir auch mehr Geld gewünscht. Mehr ist immer besser, das gebe ich zu. (Ruf bei der SPÖ: Ihr seid in der Regierung, ihr braucht es nur tun!) Insofern freue ich mich, dass der Finanzminister bereits angekündigt hat, dass etwas kommen wird. Es wird ein Bonus kommen. (Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.)

Es kommen immer die Vergleiche mit Deutschland, mit der Schweiz – es werden immer wieder Äpfel mit Birnen verglichen. Wir haben in Österreich ein anderes System, ein System, das gut funktioniert (Zwischenrufe bei der FPÖ), das treffsicher ist, weil wir zum Beispiel zwischen den Kosten des Unternehmens und dem unternehmerischen Lohn unterscheiden, und Kosten, wie wir alle wissen, sind sehr unternehmensspezifisch. Das Gießkannenprinzip würde nicht funktionieren, daher macht es Sinn, wenn jedes Unter­nehmen die Fixkosten, die es auch in Anspruch nimmt, ersetzt bekommt. (Ruf bei der FPÖ: Weltfremder geht es nicht, Frau Kollegin!)

Zum Abschluss noch eine persönliche Geschichte: Meine Mutter sagt mir nach jedem Plenum, dass sie sich das gar nicht anhören kann, und fragt mich: Wie hältst du das aus? (Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.)

Daher möchte ich mich vor allem bei den Zuhörerinnen und Zuhörern zu Hause vor den Bildschirmen bedanken und auch bei jenen Kolleginnen und Kollegen, die konstruktiv mitarbeiten. Ich appelliere an Sie: Kommen wir zurück zu einem konstruktiven Dialog und zu einem respektvollen Umgang miteinander! – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

17.15


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste ist Frau Abgeordnete Henrike Brandstötter zu Wort gemeldet. – Bitte.


17.15.24

Abgeordnete Henrike Brandstötter (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Bundeskanzler! Kolleginnen und Kollegen! Wer hätte gedacht, dass eine Comickatze einmal das Wappentier der österreichischen Bundesregierung sein wird? Sie erinnern sich sicher alle an Garfield. Sein Leitspruch war: Wenn du sie nicht über­zeugen kannst, verwirre sie! – Das ist anscheinend auch das Leitmotiv unserer Regie­rung bei dem, was sie Hilfsmaßnahmen nennt. Ohne jede Ahnung von der wirtschaft­lichen Realität von EPUs irrlichtert sie durch ein chaotisches Labyrinth, das sie auch noch selbst gebaut hat.

Wenn sich jetzt viele fragen, warum Sie die Unternehmerinnen und Unternehmer verwir­ren, dann kann ich nur sagen: Die traurige Wahrheit ist, Sie wissen es nicht besser, Sie


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können es nicht besser. Das trifft vor allem Einpersonenunternehmen und Kleinunter­nehmen, und das hat damit zu tun, dass die Regierung einfach einen völlig falschen Blick auf EPUs hat. Für Sie scheinen diese Kleinunternehmer, diese EPUs nur die allerun­terste Entwicklungsstufe eines Unternehmens zu sein. Sie tun so, als wären die alle nur so kleine Stricklieseln, die zu Hause am Küchentisch sitzen, ihrem Hobby nachgehen und dafür jetzt auch noch Geld haben wollen.

Dass die meisten EPUs aber einfach nur ihr Ding machen wollen, sich selbst einen Job geschaffen haben, das sehen Sie nicht. Sie verkennen auch, dass EPUs nicht zwingend auf Wachstum aus sind und auch nicht darauf aus sind, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einzustellen. Sie können sich auch nicht vorstellen, dass viele EPUs Generalunterneh­mer sind, die selbst wiederum Jobs schaffen und Aufträge vergeben – und das an sehr viele Menschen.

Dieser völlig falsche Blick auf EPUs äußert sich ja nicht nur in den völlig verkorksten Hilfsmaßnahmen, diese Sichtweise ist auch wirtschaftspolitisch nicht besonders klug. Es sind gerade die EPUs, die in Krisenzeiten am längsten und auch am härtesten arbeiten können, weil sie mit den geringsten Voraussetzungen arbeiten können. Sie sind jene, die sich am schnellsten an neue Gegebenheiten anpassen können, weil sie keinen or­ganisatorischen Ballast mit sich tragen. Einpersonenunternehmer sind außerdem sehr oft hoch spezialisierte Expertinnen und Experten auf ihrem Gebiet, die auch unter schwierigen Bedingungen neue Lösungen finden. Genau die sollte man nicht über die Klinge springen lassen.

Was also brauchen EPUs, damit sie nicht der Reihe nach in die Pleite schlittern? – Ers­tens: Sie brauchen Klarheit. Unternehmerinnen und Unternehmer brauchen Klarheit da­rüber, wann sie wieder was unter welchen Bedingungen machen dürfen, und sie brau­chen Klarheit darüber, unter welchen Bedingungen sie zur Liquidität kommen. Von ech­ter Unterstützung kann man da ja nicht mehr reden, denn die Bedingungen ändern sich ja seit Wochen oft auch über Nacht. Das ist eine zusätzliche Belastung, die wirklich niemand brauchen kann.

Zweitens: Sie brauchen Unterstützung, die diesem Namen auch gerecht wird. Unterneh­merinnen und Unternehmer brauchen nicht einfach nur ein Taschengeld. Ich bitte Sie wirklich eindringlich, den Unternehmern zu helfen, ohne Hürdenlauf, ohne Steuerstrip­tease und ohne völlig realitätsfremde Auflagen. Schadenersatz ist jetzt notwendig. Abge­rechnet werden kann auch noch später.

Drittens brauchen EPUs Entbürokratisierung und Flexibilisierung. Sie sind jetzt wichtiger denn je. Dazu gehören die Nullkostengründung und die längst fällige Neuordnung des Gewerberechts – und das sind nur die allerersten Schritte. Wir brauchen zeitgemäße Unternehmensformen: Wir brauchen die Klein AG, wir brauchen die GmbH Zero. Wir sollten auch dafür sorgen, dass Einpersonenunternehmen genauso wie Kapitalgesell­schaften steuerlich begünstigte Rücklagen bilden können. Das können sie dann im nächsten Jahr gezielt ins eigene Unternehmen investieren, in Forschung, in Entwicklung oder auch in eine persönliche Aus- und Fortbildung – oder auch dafür, die nächste Krise zu überstehen, wenn sie von der Regierung wieder einmal im Stich gelassen werden.

EPUs – das sind Wachstumsmotoren, die schnell reagieren und die Krisen besser be­wältigen können, wenn man ihnen nicht lauter Steine in den Weg legt oder die Wege versperrt. Deshalb braucht es jetzt echte und schnelle Hilfsmaßnahmen, die das Über­leben der Unternehmerinnen und Unternehmer sichern. Schaffen Sie Klarheit, bieten Sie Unterstützung, die den Namen auch verdient, und bleiben Sie dann auch dabei! – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

17.19


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Max Lercher. – Bitte.



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17.20.01

Abgeordneter Maximilian Lercher (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bun­deskanzler! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bitte erlauben Sie mir, am Beginn meiner Ausführungen im Sinne einer guten Debatte zwei Dinge voneinander zu trennen: Das eine ist die Gesundheitskrise, das andere ist diese unglaubliche Sozial- und Wirt­schaftskrise, die uns gerade trifft.

Im Rahmen der Gesundheitskrise haben die Sozialdemokratie und meine Fraktion, glau­be ich, eindrucksvoll bewiesen, dass sie eine konstruktive Kraft im Sinne Österreichs und der Republik sind. Ja mehr noch: Unsere Vorsitzende hat Sie ja über weite Teile mit ihrer Expertise hervorragend geleitet. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.) Im Übrigen: Hätten Sie sie stärker eingebunden, hätten Sie sich viel an Beratungskosten erspart, liebe Herren von der ÖVP! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

Ich möchte nichts anderes behaupten, Sie haben auch gute Maßnahmen getroffen – ich stehe nicht an, das zu sagen –, aber wir sehen jetzt, dass wir in eine unglaubliche wirt­schaftliche Krise schlittern. Da haben Sie Verantwortung zu übernehmen, denn durch die Aushebelung des Epidemiegesetzes haben Sie viel von dieser Misere mitverursacht, sehr verehrte Damen und Herren!

Sie haben entgegen vielen Warnungen der Oppositionsparteien, aber auch von Exper­tinnen und Experten Vertrauen der Wirtschaft verspielt, wo es so enorm wichtig war. Sie haben vor dem Lockdown, in der wichtigsten Phase, in der die Unsicherheit begonnen hat, der Wirtschaft in Österreich signalisiert: Auf den Staat könnt ihr euch nicht verlas­sen! – Diese Schuld haben Sie jetzt zu tragen, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundeskanzler, Sie wirken in Ihren Reden immer sehr sympathisch, wenn Sie 35 Mal Danke sagen – und Sie sagen zu Recht Danke –, wenn Ihnen das Danke aber etwas wert ist, dann beschließen Sie doch mit uns den Coronatausender für die so vielen Personen, die sich jetzt eingesetzt haben. Beschließen Sie mit uns, dass die ersten 1 700 Euro steuerfrei sind! Beschließen Sie mit uns die Erhöhung des Arbeitslosengel­des! Machen wir ein Paket für die wirklich Fleißigen in diesem Lande, denn wir brauchen das im Sinne einer Konjunkturbelebung. (Beifall bei der SPÖ.)

Erlauben Sie mir noch eine Anmerkung: Herr Bundeskanzler, Sie reden immer von in­ternationalen Vergleichen, davon, wie gut Österreich in diesen dasteht. Wenn in diesen internationalen Vergleichen aber Wien gut dasteht, wissen Sie nichts davon. Ich meine, im Umgang mit unserer Bundeshauptstadt wäre es sehr, sehr seriös, auch diese Ver­gleiche einmal wahrzunehmen, und zwar im Sinne einer konstruktiven Politik, die nicht von Parteienhickhack geprägt ist. (Beifall bei der SPÖ.)

„Koste es, was es wolle“, haben Sie gesagt – und daran wollen wir Sie auch messen. 38 Milliarden Euro haben Sie beschlossen, geflossen sind 464 Millionen Euro – zu we­nig, das Geld kommt definitiv nicht an, meine sehr verehrten Damen und Herren. Be­schließen ist das eine, ausschütten das andere. Und ganz, ganz viele sind zu Recht verzweifelt, denn sie hören Tag für Tag von den Summen, aber es kommt nichts.

Da geht es wieder um Vertrauen, das Sie durch diese Vorgehensweise bewusst nicht herstellen. Nein, mehr noch: Sie haben es geschafft, mit der Wirtschaftskammer ein Bü­rokratiemonster zu schaffen, das mittlerweile alles, nur nicht Sicherheit gibt. Das erinnert mich an die Fünfjahrespläne in der damaligen Sowjetunion: Die haben auch alle fünf Jahre verkündet, es gibt Gummistiefeln, aber gekommen sind sie nie, meine sehr ver­ehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.) Dass gerade die ÖVP im Zusammen­hang mit dieser Wirtschaftskrise ein solches Modell vorlegt, das ist schon einzigartig.

Weil Herr Ottenschläger, glaube ich, gesagt hat, Sie kennen die Beispiele nicht, möchte ich Ihnen auch gerne eines bringen, nämlich jenes von Herrn Schwingenschlögl von


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Tattoo Art. Er sagt: „Ich habe jede Hürde genommen, die man mir in den vergangenen Jahren in den Weg gelegt hat. Und jetzt will sich der Staat aus der Pflicht stehlen. Das ist eine Frechheit“.

Recht hat er, es ist tatsächlich eine Frechheit, meine sehr verehrten Damen und Herren, weil der Sozialstaat geschaffen wurde, um in schwierigen Zeiten Steuergeld dorthin zurückzugeben, wo es erwirtschaftet wurde. Sie boykottieren aber die Systematik dieses wunderbaren Modells, es funktioniert nicht so, wie es mit dem Epidemiegesetz funktio­niert hätte.

Zum Schluss noch eines: Höchstwahrscheinlich ist das Kurzarbeitsmodell, das Sie ja immer so gerne lobend erwähnen, deswegen die beste Ihrer Maßnahmen, weil ein paar Rote daran mitgearbeitet haben. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

17.25


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Georg Strasser. – Bitte.


17.25.24

Abgeordneter Dipl.-Ing. Georg Strasser (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundeskanzler! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Auf sachlicher Ebene – ich möchte es so anlegen wie Kollege Lercher –, erster Teil: die Ge­sundheitsproblematik.

Es sind ja einige Ärzte in unseren Fraktionen vertreten, ich beginne mit Frau Dr. Rendi-Wagner: Ich teile die Einschätzung, dass ihre Beiträge in der ersten Phase sozusagen aufgrund ihrer medizinischen und naturwissenschaftlichen Ausbildung sehr konstruktiv und hilfreich waren, allerdings verstehe ich jetzt ihren Schwenk nicht, dass alles sozu­sagen sehr inferior, alles nichts wäre. Auch wir haben jede Menge Kontakt in den Wahl­kreisen, es gibt viel Lob und es gibt auch Kritik. Die Ausführungen des Herrn Bundes­kanzlers und auch des Herrn Finanzministers am heutigen Vormittag sind wegweisend, bitte schauen wir, dass wir, wenn es Probleme gibt, die Systeme verbessern. (Zwischen­ruf bei der SPÖ.)

Jetzt zur nächsten Doktorin, einer Ärztin in der Runde der FPÖ: Frau Dr. Belakowitsch. Bei ihr tue ich mich jetzt ganz schwer. Es ist nicht Ihre heutige Rede, sondern es sind die Reden der letzten Wochen, die mich wirklich zweifeln lassen, ob Sie es mit der Gesundheit der Menschen wirklich ernst nehmen. Und bei Ihrer Kiste, Coronawahnsinn, da dreht sich mir der Magen um. Ich möchte Sie daher fragen, ob Ihnen die Gesundheit der Menschen wirklich ein Anliegen ist. (Abg. Belakowitsch: Jedenfalls mehr als dem Herrn Bundeskanzler!)

Jetzt komme ich zu unseren Ärzten, und da möchte ich Josef Smolle nennen. Ich er­innere mich an eine Klubsitzung, in der Josef Smolle aufgestanden ist und gesagt hat: Wir als Politikerinnen und Politiker sind nicht nur menschlich und moralisch verpflichtet, zum Beispiel die ältere Generation, aber auch andere sensible Personengruppen zu schützen, sondern auch die Verfassung gebietet uns das! – Ich glaube, für diese Aus­sage hat sich Josef Smolle heute noch einen Applaus verdient. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Abschließend zum Teil eins: Ich möchte nicht mit Schweden tauschen, nicht mit Frank­reich, nicht mit Großbritannien und schon gar nicht mit den USA oder mit Russland. (Zwischenruf des Abg. Vogl.)

Erster Teil abgeschlossen – zweiter Teil: die Themen in der Landwirtschaft. Wir sind in der Landwirtschaft vor der Krise preistechnisch auf einem unterdurchschnittlichen Ni­veau gewesen. Es war notwendig, über Steuerreformen, über Abgabenentlastungen zu sprechen – und dann ist die Krise gekommen und die Situation hat sich nicht wesentlich verbessert, eh klar. Ich bin dankbar für die Angebote, die über den Härtefallfonds auch


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für landwirtschaftliche Betriebe gelten: Es gibt 2 500 Anträge aus der Land- und Forst­wirtschaft und 1 500 Anträge aus dem Bereich Urlaub am Bauernhof und auch aus dem Bereich Privatzimmervermietung. Ich sage dazu, das ist ein erster Teil der Hilfe; die Pla­nungen laufen jetzt in Richtung Forstpaket, in Richtung Steuerreform, in Richtung Ab­gabenentlastung – da brauchen wir die Landwirtschaft mit an Bord, damit wir für die Bäuerinnen und Bauern die Fähigkeit, in Österreich zu wirtschaften, wieder verbessern. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Jetzt wieder etwas Atmosphärisches: Das Wording der Regierung waren das Comeback, die Zuversicht und die Hoffnung. Ich glaube, wir wären gut beraten, auch in diesem Ho­hen Haus weniger zu emotionalisieren und die Bevölkerung mehr zu solidarisieren. (Zwi­schenruf des Abg. Vogl.) Ich möchte Ihnen das mitgeben, denn die Zurufe aus der Bevölkerung decken sich oft mit der Aussage, die die Kollegin von den Grünen von ihrer Mutter gehört hat: Wenn uns die Leute zuschauen, verstehen sie oft die Welt nicht.

Ich wünsche uns alles Gute. – Weniger emotionalisieren, mehr solidarisieren; wir sind auf einem guten Weg! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwi­schenruf des Abg. Leichtfried.)

17.30


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Gerald Hauser. – Bitte.


17.30.17

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bun­deskanzler! Sehr geehrte Frau Minister! Kolleginnen und Kollegen! Zuerst ein Wort zu Kollegen Strasser: Ihr müsst schon unsere Anticoronapetition im Ganzen lesen. Sie beginnt nämlich mit der Forderung, mit dem Verlangen, den Gesundheitsbereich, den Pflegebereich, den Ärztebereich maximal zu schützen, darauf zu schauen, dass dieser Bereich ausreichend mit Schutzmasken, mit Schutzanzügen und so weiter abgesichert wird. Das lasst ihr immer unter den Tisch fallen, das gehört aber genauso dazu! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich danke der SPÖ für die Dringliche Anfrage (Zwischenruf bei der SPÖ) betreffend das Thema „Es braucht echte Hilfe statt leerer Versprechen“ und möchte zuerst noch einmal meinen Einwand wiederholen: Wir diskutieren deswegen heute über die Hilfen, weil die Regierung aus ÖVP und den Grünen das Epidemiegesetz ausgehebelt hat und stattdes­sen ihre eigenen Hilfspakete eingeführt hat, sprich den Rechtsanspruch auf eine ge­setzlich verankerte Hilfe ad acta gelegt hat. Man ist jetzt auf – unter Anführungszeichen – „Willkür“ bei Hilfsprogrammen angewiesen. Deswegen stehen wir heute hier, um über dieses Thema zu diskutieren.

Ich möchte mich aber mit dem Punkt leere Versprechen auseinandersetzen: Sehr ge­ehrter Herr Bundeskanzler, Sie haben gemeint, wenn es Anregungen gibt, möge man diese kundtun. Ich habe eine große Anregung: Ich kämpfe – bitte, ich kämpfe! – wie viele andere seit Monaten um Gerechtigkeit für den ländlichen Raum, für die privaten Ver­mieter von Zimmern und Ferienwohnungen, die diese Tätigkeit im Rahmen des häusli­chen Zu- und Nebenerwerbes ausführen. Das ist ganz entscheidend. Da werden diese privaten Vermieter von Zimmern – später korrigiert – und Ferienwohnungen – immer noch nicht korrigiert – massiv gegenüber zum Beispiel Anbietern von Urlaub am Bauern­hof benachteiligt. Jetzt halte ich sofort fest, dass ich jede Maßnahme für Urlaub am Bau­ernhof maximal unterstütze, möchte also nicht sagen: dem einen weniger, dem anderen mehr! – Nein, diese Maßnahmen für Urlaub am Bauernhof sind wichtig, sie sind richtig, weil sie dem ländlichen Raum helfen, weil sie den Arbeitsplatz zu Hause absichern. Das ist das Entscheidende.

Nun zum aktuellen Stand: Dieses Schreiben vom 27. März 2020 ist vom Bundesminis­terium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus und von der Landwirtschaftskammer


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Österreich an die bäuerlichen Vermieter und an die Bauern betreffend Härtefallfonds ergangen. Ich zitiere daraus: „Die Soforthilfe des Härtefallfonds wird jenen land- und forstwirtschaftlichen Betrieben helfen, die ihr Einkommen rein aus der land- und forst­wirtschaftlichen Produktion erwirtschaften.“ Und dann wird konkretisiert: „Konkret betrifft das [...] Betriebe, die Privatzimmer oder Ferienwohnungen im land- und forstwirtschaftli­chen Nebengewerbe“ – sprich: „Urlaub am Bauernhof“ – „vermieten“. – Das heißt, mit 27. März wurde schriftlich nach außen hin dokumentiert, dass alle privaten Vermieter von Zimmern und Ferienwohnungen über Urlaub am Bauernhof Anspruch auf Entschädi­gung des Verdienstentganges gemäß Härtefallfonds haben.

Zu diesem Zeitpunkt sind die privaten Vermieter von Zimmern wie auch von Ferienwoh­nungen zu 100 Prozent durch den Rost gefallen. Obwohl sie gleichberechtigt sind, ob­wohl auch im Rahmen des häuslichen Zu- und Nebenerwerbes am Wohnsitz des Be­troffenen gewirtschaftet wird, hat es diesen Anspruch nicht gegeben. Ich zitiere aus einem Antwortschreiben von Mag. Anton Zimmermann, Abteilungsleiter in der Sektion V, Tourismus und Regionalpolitik. – Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, schenken Sie mir Ihr Ohr! – In diesem Schreiben vom 7. April steht: Im ursprünglichen Härtefallfondsge­setz waren weder Privatzimmervermieter noch Ferienwohnungsvermieter berücksichtigt, ursprünglich konnten nur Selbstständige und Landwirte vom Härtefallfonds profitieren und eine Förderung beantragen. Im Rahmen einer Novelle des Härtefallfondsgesetzes ist es für die zweite Förderphase gelungen, zumindest

– sagt er selber –

die Privatzimmervermieter und Privatvermieter von privaten Gästezimmern im eigenen Haushalt mit höchstens zehn Betten, die nicht der Gewerbeordnung unterliegen, aufzu­nehmen. Selbstverständlich

– sagt er dann noch –

können wir aber die Enttäuschung der Ferienwohnungsvermieter nachvollziehen und bleiben weiter für Gespräche offen. – Zitatende.

Das heißt, trotz massiver Intervention und obwohl ich auch Frau Minister Köstinger im Rahmen einer Videokonferenz aufgefordert habe, sich dieser Thematik anzunehmen, ist der aktuelle Stand nach wie vor der, dass die privaten Vermieter von Ferienwohnungen – und das sind 80 Prozent aller Vermieter im Rahmen des häuslichen Zu- und Nebener­werbes – durch den Rost fallen.

Herr Bundeskanzler, 40 000 Betriebe, das sind die Kleinsten der Kleinen, das sind die Kleinen, die maximal zehn Betten haben, entweder in Privatzimmern oder in Ferienwoh­nungen, fallen zur Gänze durch den Rost! Ich laufe Sturm, andere laufen Sturm, es tut sich fast nichts. Durch unser aller Engagement ist es zumindest gelungen, die Privatzim­mervermieter in diese Kriterien mit aufzunehmen.

Abschließend noch eine weitere Ungerechtigkeit – ich spreche es aus: Ungerechtig­keit! –: Wie schaut das jetzt mit der Entschädigung aus? – Es gibt diese Ausfüllhilfe für die Privatzimmervermieter wie auch für Anbieter von Urlaub am Bauernhof. In dieser Ausfüllhilfe wird festgehalten, wie die Entschädigung ermittelt wird. Um das auf den Punkt zu bringen: Erlös voriges Jahr: ein Monat; Erlös dieses Jahr; angenommen: 10 000 Euro; und bei den Privatzimmervermietern werden 50 Prozent der Kosten abge­zogen, um auf die Bemessungsgrundlage zu kommen, bei Urlaub am Bauernhof werden 30 Prozent abgezogen. Mir kann kein Mensch erklären, wieso bei den privaten Vermie­tern – ein und dasselbe! – 50 Prozent abgezogen werden, um auf die Bemessungs­grundlage zu kommen, und bei Urlaub am Bauernhof nur 30 Prozent. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.) Das hat mir trotz intensiver schriftlicher Urgenz bis heute niemand mitteilen können. (Abg. Loacker: Das ist der Bauernhof!)


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Ich komme zum Ende, ich habe die Zeit sowieso schon wieder überschritten: Sehr ge­ehrter Herr Bundeskanzler, wir werden morgen diesbezüglich eine Initiative im Parla­ment einbringen (Präsidentin Bures gibt das Glockenzeichen), mit der wir die Gleichstel­lung der privaten Vermieter von Ferienwohnungen im häuslichen Zu- und Nebenerwerb im selben Haus, in dem der Hauptwohnsitz ist, fordern, und hoffen, dass diese wirklich massive Ungerechtigkeit zwischen Urlaub am Bauernhof und den privaten Vermietern abgestellt - -

17.37


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter, die Fraktionsredezeit ist ausgeschöpft. (Beifall bei der FPÖ für den das Rednerpult verlassenden Abg. Hauser. – Abg. Matz­netter: Warum wundert er sich, die sind in derselben Versicherungsanstalt wie die ...!)

Frau Abgeordnete Eva Blimlinger ist zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Abgeordnete.


17.38.02

Abgeordnete Mag. Eva Blimlinger (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Bundeskanzler! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Da­men und Herren vor den Bildschirmen! Es geht wieder einmal um die Kunst und die Kultur. In dieser Anfrage der SPÖ wird ja nachgefragt, warum der Kunst und Kultur keine oder zu wenig Bedeutung zugemessen wurde. Dem muss ich natürlich widersprechen: Wir haben der Kunst und Kultur immer Bedeutung zugemessen. Das ist bei den Vor­gängerregierungen und den Kunst- und Kulturministern/-ministerinnen der SPÖ nicht immer so gewesen. Um auf meinen Kollegen Markus Koza zu verweisen, der heute in seiner Rede zum Budget richtigerweise gesagt hat, dass wir einen starken Sozialstaat brauchen: Den brauchen wir für Kunst und Kultur mehr als in allen anderen Bereichen, wie es sich jetzt zeigt, denn da gibt es in den letzten 20 oder 25 Jahren, vielleicht sogar 30 Jahren grobe Versäumnisse, die sich jetzt in dieser Coronakrise besonders deutlich zeigen. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Großbauer.)

Das kann man sowohl bei der freien Szene wie bei den etablierten Häusern sehr gut sehen. Erlauben Sie mir, da ein paar Beispiele zu nennen: Es ist seit Elisabeth Gehrer nicht gelungen, die Basissubventionen zu erhöhen, und das ist immerhin mehr als 20 Jahre her. Das führte dann dazu, dass die Museen in einem hohen Maße dazu ge­nötigt sind, ihre Eigendeckung wirklich immer wieder weiter und weiter zu treiben, was aber jetzt dazu führt, dass sie mit einer geringen Basissubvention dastehen und damit kaum ihre Häuser – ich nenne zum Beispiel das Belvedere, die Albertina oder auch das Kunsthistorische Museum – weiterführen können.

Es war immer ein Anliegen, dass sozusagen die Wirtschaftlichkeit gegeben ist, dass mehr eingenommen wird, womit man sich erspart hat, dass die Basissubvention erhöht wird. Jetzt steht man vor den Scherben, ohne sich überlegt zu haben, was passiert, wenn das nicht mehr gegeben ist.

Wie wir das in den Griff kriegen werden, wird sich zeigen. Dazu wird es auch notwendig sein, dass es neue Konzepte gibt.

Um noch einmal den Sozialstaat zu erwähnen: Es ist außer im Kunsthistorischen Mu­seum nie gelungen, dass es in den Bundesmuseen Kollektivverträge gibt. Das rächt sich jetzt, weil Leute gekündigt werden müssen, weil es einen ganz anderen Rahmen gibt und wir da schauen müssen, wie wir das in der nächsten Zeit – wir haben das ja im Regierungsprogramm – auf die Reihe kriegen. (Beifall bei den Grünen.)

Aber gehen wir zu anderen Bereichen wie zum Beispiel der freien Szene: Die freie Szene ist im Besonderen betroffen, weil dort natürlich zugesperrt wurde und es kaum Mög­lichkeiten gibt, etwas zu tun, wiewohl die Künstlerinnen und Künstler in einer Weise kreativ sind, die ich mir manchmal auch von solchen Dringlichen Anfragen wünschen


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würde, weil sie Formate finden, die für viele Leute zugänglich sind. Das Problem dabei ist, dass diese meistens nichts einspielen. Mittlerweile gibt es aber Webformate, die auch Zahlformate sind – was gut ist, damit die Userinnen und User dort sozusagen Kunst vom Feinsten bekommen und auch ein bisschen etwas zahlen, damit das den Künstlerinnen und Künstlern zugutekommt.

Diese haben keine Auftrittsmöglichkeiten, sie haben keine Präsentationsmöglichkeiten, und es gibt keine Absicherung, weil es nie dazu gekommen ist, dass es so etwas wie Fair-Pay-Situationen gibt, eine Verbesserung der Arbeitslosenversicherung auch für Selbstständige, die in dem Bereich tätig sind – dort gibt es davon ja sehr viele. Es gibt nur dieses sehr schmale Segment in der Künstlerinnen- und Künstlersozialversicherung, aber wenn man weniger hat, bekommt man gar nichts – alles sehr kompliziert.

In diesem sehr komplizierten Rahmen war es nun notwendig, Maßnahmen zu ergreifen – die waren zugegebenermaßen nicht immer die schnellsten, aber diese heterogene Si­tuation in der Kunst ist auch sehr kompliziert; das macht die Kunst und Kultur ja aus: dass sie heterogen ist – und das Segment wirklich in den Blick zu nehmen.

Es hat aber, und darauf möchte ich schon verweisen, auch sehr schnelle Maßnahmen gegeben. Deswegen geht mein Dank gleich an die Verwertungsgesellschaften, die ge­zeigt haben, dass sie schnell agieren können, und zwar mit Fonds – da wurde auch ausgezahlt –, sei es die AKM, sei es die Bildrecht, sei es die Literar-Mechana; es gab auch Unterstützung beim Künstler-Sozialversicherungsfonds. Und es nützt nichts – auch wenn dauernd verbreitet wird, es sei von dort nichts ausgezahlt worden –: Alle Anträge, die beim Künstler-Sozialversicherungsfonds eingegangen sind, sind positiv beschieden worden und die Leute haben Geld bekommen. – Ja, es war zu wenig, richtig; zweite Phase.

Wir werden schauen, dass wir das überhaupt noch irgendwie erhöhen können, und hier selbstverständlich schauen, dass es auch für das nächste halbe Jahr, denn das ist im Kunst- und Kulturbereich natürlich gegeben, etwas gibt.

Ich hätte mir sehr gewünscht, dass vieles von dem, was jetzt kritisch gesehen wird – wir brauchen Geld, Geld, Geld! –, eigentlich schon in den Jahrzehnten davor unter auch sozialdemokratischen Ministerinnen und Ministern umgesetzt worden wäre. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.43


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Helmut Brand­stätter. – Bitte.


17.43.44

Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! (Abg. Gabriela Schwarz: Er hat ein Buch mit!) Ja, ich habe ein Buch mit, und das Buch wird Sie freuen – vielleicht kennen Sie es sogar.

Ich möchte aber noch etwas anderes sagen. Es wurde die Gesundheitskrise angespro­chen, ja, die Wirtschaftskrise angesprochen, dazu gibt es noch viel zu sagen, aber – und das ist meine Befürchtung – wir schlittern auch in eine Demokratiekrise und in eine Eu­ropakrise.

Warum Demokratiekrise? – Ich verstehe ja eine Bundesregierung, die sagt, wir haben sehr, sehr viel gut gemacht – na selbstverständlich! –, was ich aber nicht verstehe, Herr Wöginger, ist, wenn Sie sagen, es kann ja nicht sein, dass man hier etwas kritisiert! – Wir leben doch davon, dass wir uns miteinander auseinandersetzen, dass wir vonein­ander lernen, und dazu gehört auch Kritik. Diesbezüglich habe ich auch einen Zeugen mitgebracht, nämlich Herrn Professor Sprenger, der eine Zeit lang beratend tätig war.


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Der hat schon Folgendes gesagt: „Aber wir haben diese Zeit nicht genutzt, um das Wis­sen zu generieren“, das wir für künftiges Risikomanagement brauchen.

Wenn man also in einer Krise so regiert, dass man sagt, wir haben immer recht und diejenigen, die uns nicht zustimmen, haben unrecht, dann werden wir nicht weiterkom­men.

Damit bin ich bei der nächsten Krise, und die betrifft mich in professioneller Hinsicht leider nicht mehr – ich war sehr, sehr gerne Journalist –, aber als Staatsbürger betrifft sie mich natürlich: Wir haben eine Medienkrise im Land. Wenn es so ist, dass man nur jene Medien mit Millionen Euro ausstattet, die jeden Tag schreiben, was man will, und jene Medien aushungert, die kritisch sind, dann werden wir in eine ernsthafte Demokra­tiekrise kommen. Ich möchte vorschlagen, dass man das nachvollzieht, was Angela Merkel – sie ist, glaube ich, bekannt – sagt:

„Freiheit bedeutet auch immer, die Meinungen und Überzeugungen anderer wahrzuneh­men und wertzuschätzen. Und das bedeutet gleichzeitig, das eigene Denken und alte Gewissheiten immer wieder auf den Prüfstand zu stellen.“ – Das ist die Aufgabe von Journalisten. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Matznetter.) – Danke.

Ich weiß – darüber werde ich auch noch viel reden und schreiben –, wie Journalisten in diesem Land unter Druck gesetzt werden. Gewisse Dinge nicht mehr zu sagen, ist de­mokratiegefährdend. – So.

Jetzt bin ich bei Alois Mock. Das (der Redner hält ein Exemplar des Buches mit dem Titel „Alois Mock. Ein Politiker schreibt Geschichte“ in die Höhe) ist ein wunderbares Buch; Herr Bundeskanzler (Abg. Belakowitsch: Er hat es noch nicht gesehen!), ich kann wirklich empfehlen, es zu lesen. Martin Eichtinger und Helmut Wohnout haben es ge­schrieben und haben diesen für mich sehr beeindruckenden Mann sehr gut beschrieben. Aber sie zitieren ihn auch. (Zwischenruf des Abg. Fürlinger.) – Wie bitte? (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Fürlinger.) – Ja, ich schreibe ohnehin gerade wieder ein Buch, ich werde aber erst im Herbst daraus vorlesen; das werde ich aber gerne machen. (Abg. Kirchbaumer: ... Werbung für eigene Zwecke! Frechheit ...! – Unruhe im Saal. – Zwi­schenruf des Abg. Matznetter.) – Zuhören!

Es geht um Alois Mock, den ich geschätzt habe, weil er die christliche Soziallehre nicht nur gelesen und verstanden hat, sondern weil er sie gelebt hat – und da gehören zwei wesentliche Worte dazu: Das sind natürlich Subsidiarität und Solidarität.

Alois Mock hat in den 1960er-Jahren und 1970er-Jahren schon Aufsätze für das vereinte Europa geschrieben, auch geschrieben, warum Österreich diesem beitreten soll, und hier in diesem schönen Buch wird er folgendermaßen zitiert:

„Das Engagement Österreichs für die gesamteuropäische Zusammenarbeit und darüber hinaus für die europäische politische und wirtschaftliche Einheit ist eine Aufgabe, die seiner historisch-integrativen Rolle, seiner wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen In­teressenlage entspricht.“ – Es entspricht unserer Interessenlage, dass wir das tun.

Damit sind wir wieder bei der Wirtschaftskrise: Wer hierher kommt und sagt, dass wir die Wirtschaftskrise ohne die EU bewältigen werden, sagt den Menschen die Unwahrheit, und das ist gefährlich. Wer hier sagt, dass die EU uns daran hindert, Förderungen aus­zuzahlen, sagt bitte die Unwahrheit. – Frau Kommissarin Vestager hat Gott sei Dank einen sehr deutlichen, sehr belehrenden Brief an den Finanzminister geschrieben, in dem sie ihm erklärt hat, es liegt nicht an der EU, sondern es liegt an ihm, wenn er nicht in der Lage ist, die richtigen Förderungen auszuzahlen.

Deswegen glaube ich so sehr an Alois Mock und bitte die ÖVP, sich mehr an ihm zu orientieren. Warum? – Weil es nicht mehr nur um Nationalismus geht – ich halte auch


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Nationalismus für schlecht –, sondern was ich im Moment in österreichischen und in an­deren Regierungen spüre, ist eine Form von Chauvinismus, und das bedeutet, die an­deren schlechter zu machen, um sich zu erhöhen. Das haben wir nicht notwendig! (Bei­fall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Matznetter.)

So schlecht sind wir nicht, so schwach sind wir nicht. Wir müssen nicht die EU-Kom­mission beschuldigen, dass sie uns an etwas hindert, wir müssen das Richtige tun – gemeinsam in Europa, solidarisch in Europa. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

17.48


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Michael Bernhard. – Herr Abgeordneter, Sie haben noch 4 Minuten Redezeit. Bitte.


17.48.50

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundes­kanzler! Geschätzte Frau Bundesministerin! Ich möchte diese Runde schließen, indem ich eine tatsächlich konstruktive Kritik versuche, ohne zu viel Lautstärke und ohne Un­terstellung. Das fällt allerdings nicht leicht, wenn man Frau Götze von den Grünen hört, die uns, der Opposition, pauschal Gejammer unterstellt. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Gejammer ist es nämlich nicht, wenn wir uns inhaltlich mit Kritik beschäftigen.

Ich möchte auf einen Missstand hinweisen, den wir letzte Woche im Familienausschuss das erste Mal in Erfahrung gebracht haben, und ich bleibe – so weit wie möglich – kons­truktiv.

Es gibt den Corona-Familienhärtefonds. Den haben Sie eingerichtet, und wir NEOS haben das begrüßt, weil wir der Meinung sind, dass die Gruppe der Familien besonders betroffen ist, und weil es wichtig ist, dass es für diese auch rasche und unbürokratische Hilfe gibt.

Der Corona-Familienhärtefonds ist seit Mitte April offen, und mich haben in den letzten Tagen – konkret in der letzten Woche – plötzlich sehr viele Schreiben aus unterschiedli­chen Bundesländern erreicht, dass Menschen, die am 15. April und in den Folgetagen einen Antrag beim Familienhärtefonds gestellt haben, keine Antwort und in weiterer Fol­ge auch kein Geld erhalten haben.

Jetzt habe ich da zu Beginn ehrlicherweise noch nicht viel deswegen vermutet, denn wenn viele Anträge kommen, gibt es immer den einen oder anderen, der auch etwas länger wartet. Ich bin ohne böse Vorahnung in den Familienausschuss gegangen und habe die Ihnen bekannte Bundesministerin Aschbacher mit der Situation konfrontiert – manche der Kolleginnen und Kollegen hier waren im Ausschuss auch dabei – und habe gefragt: Wie kann es sein, dass jemand am 15. April einen Antrag stellt und nach mehr als einem Monat noch keine Antwort hat? Es ging dabei noch nicht um das Geld auf dem Konto. (Zwischenruf des Abg. Loacker.)

Die Frau Bundesministerin konnte die Frage zwar nicht beantworten, sie hat sie aber an die Generalsekretärin weitergegeben, und von dieser habe ich eine sehr verblüffende Antwort bekommen. Die Antwort war, dass man aus Effizienzgründen nur die vollständi­gen Anfragen und Anträge beantworte! Ich war ein bisschen baff, weil ich mir gedacht habe: Wenn ein Antrag unvollständig ist, wie soll denn der Antragsteller wissen, dass er unvollständig ist, wenn er keine Antwort kriegt? Das ist irgendwie, würde ich meinen, recht logisch.

Das hat ein überraschtes Gesicht seitens der Regierungsvertreter ausgelöst. Meine Frage war dann: Wie viele Anträge waren denn unvollständig und wie viele hat es insge­samt gegeben? – Dann hat man mir geantwortet: Eine fünfstellige Anzahl von Anträgen habe es gegeben – ob es sich eher um 10 000 oder um 90 000 Anträge handelt, wollte


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oder konnte man mir allerdings nicht sagen. Dann habe ich gefragt: Wie viele dieser Anträge sind denn unvollständig gewesen und sind nicht beantwortet worden? – Da hat mir die Generalsekretärin vor den Abgeordneten gesagt: etwa 50 Prozent!

50 Prozent der fünfstelligen Anzahl der Antragsteller haben also einen unvollständigen Antrag ausgefüllt. Das sind Familien, die Familienbeihilfe beziehen, die all die Kriterien erfüllen – oder auch nicht, das weiß man ja nicht – und die auf eine Antwort warten. Diese 50 Prozent, diese mehrere Tausend Familien – wobei ich jetzt nicht sagen kann, ob es 5 000 sind, ich nehme nicht an, dass es 50 000 sind, aber es werden mindes­tens 5 000 sein – haben einen unvollständigen Antrag gestellt, warten auf das Geld und haben bisher keine Antwort bekommen.

Jetzt könnten wir uns das auf unsere Fahnen heften und sagen, wir NEOS haben diesen Missstand aufgezeigt – das ist aber heute nicht mein Anliegen, Herr Bundeskanzler. Mein ganz persönliches Anliegen und das Anliegen der Menschen, die da betroffen sind, ist, dass Sie mit Ministerin Aschbacher ein Gespräch suchen und dafür Sorge tragen – denn Sie hatten auch die Idee dieses Härtefonds, denke ich –, dass diese Familien eine Antwort erhalten. (Präsidentin Bures gibt das Glockenzeichen.) Ich erwarte von Ihnen nicht einmal, dass jeder Geld bekommt, denn dafür gibt es ja die Regeln und die Richt­linien, aber wir sollten uns darauf einigen, dass, wenn so ein Antrag gestellt wird, diese Person von der Republik und vom Ministerium auch eine Antwort erhält.

Ich bitte daher im Sinne dieser Familien um eine rasche Lösung. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

17.53


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Karin Greiner. – Frau Abgeordnete, 4 Minuten haben Sie noch. Bitte.


17.53.37

Abgeordnete Mag. Karin Greiner (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundes­kanzler! Frau Bundesministerin! Herr Bundeskanzler, Ihr Finanzminister legt ein Budget mit irgendwelchen Zahlen vor. Ich bin jetzt fast versucht, Ihnen vorübergehend ein Kompliment zu machen, weil Sie mir in diesem Moment zuhören – vielleicht bleibt das auch so. Ich habe das in den letzten drei Stunden und auch am Vormittag beobachtet: Mindestens zwei Drittel der Zeit haben Sie sich Ihrem Handy gewidmet – ebenso der Herr Vizekanzler, es waren nicht nur Sie –, und das zeigt irgendwie, wie respektvoll man uns gegenübertritt, es war nämlich auffallend oft dann der Fall, wenn Oppositionspolitiker am Rednerpult gestanden sind. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Zanger.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was ist Fakt? – Wir haben in Österreich die höchste Arbeitslosigkeit der Zweiten Republik; momentan sind es mehr als 588 000 Männer und Frauen. In Österreich ist die Arbeitslosigkeit stärker gestiegen als in Deutschland, aber die Hilfspakete sind in Deutschland bis zu fünfmal größer als bei uns in Österreich. Herr Bundeskanzler, Ihre Worte, war das ein Versprechen? Sie sagten, Sie würden um jeden Job kämpfen – ja warum kämpfen Sie dann nicht für die Unternehmerinnen und Unter­nehmer im Bereich der EPUs und der KMUs, die seit Wochen auf Unterstützung warten? Helfen Sie doch bitte rasch und unbürokratisch! (Beifall bei der SPÖ.)

Bis jetzt erleben wir das Gegenteil. Die UnternehmerInnen sind verzweifelt – das lässt Sie offensichtlich kalt –, sie werden im Kreis geschickt und sind wirklich verunsichert. Ich habe es heute schon kurz erwähnt: 63 Prozent der EinpersonenunternehmerInnen und 66 Prozent der KleinstunternehmerInnen beurteilen die Phase 2 des Härtefallfonds mit Nicht genügend. Das sind zwei Drittel – das kann einen Bundeskanzler ja nicht kalt­lassen!

Sie haben auch die Verantwortung für Ihren Finanzminister. Ich darf ein Zitat bringen, das von Peter Michael Lingens stammt, den Sie höchstwahrscheinlich kennen. Ich zitie­re: „Der viel zu langsame Fluss der Hilfsgelder schadet der Wirtschaft ungleich mehr als


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ein paar hundert Millionen zu viel. Finanzminister Gernot Blümels Abgang wäre genauso berechtigt, wie der von Ulrike Lunacek war“.

Noch ein Wort zur Grenzöffnung; da gelten für Sie persönlich offensichtlich andere Re­geln, als Sie sonst anlegen und erwarten. Ihr Außenminister hat gesagt, die Personen­freizügigkeit müsse so schnell wie möglich wiederhergestellt werden, denn wir seien ja schließlich EU-BürgerInnen. Klar, er hat recht. Als Steirerin stelle ich fest, dass die Men­schen vor Ort wirklich großes Unverständnis dafür haben, dass die Grenzen zu Slowe­nien und Italien nicht geöffnet werden. Welche Schwerpunkte gelten da für Sie? Erklären Sie doch den Österreicherinnen und den Österreichern Ihren Plan und erklären Sie diesen Menschen, warum sie ihre Verwandten in Kroatien, Slowenien und Italien nicht besuchen dürfen! Vielleicht stellt sich aber ohnehin bald heraus, sie hätten das ohnehin tun dürfen und wir haben es nur falsch verstanden.

Herr Bundeskanzler, legen Sie bitte einen Plan vor, schaffen Sie Klarheit! Ich appelliere an Sie: Bitte weniger Inszenierungen und mehr konkrete Hilfestellungen! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Mein Gott!)

17.57

17.57.29


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist damit geschlossen.

Ich frage die Klubobleute, ob sie eine Sitzungsunterbrechung wünschen, bevor ich zur Abstimmung komme.

Herr Klubobmann Wöginger? – Ich frage, ob wir unterbrechen. Das ist kein Problem, ich kann die Sitzung kurz unterbrechen. Möchten Sie eine Unterbrechung? – Nein. Dann kommen wir zu den Abstimmungen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Amnestie für ‚Corona-Sün­der‘“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Sel­ma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ein Amnestiegesetz im Zusammen­hang mit der zum Teil fragwürdigen bzw. unverhältnismäßigen Vollziehung der COVID-19 Gesetzgebung“. (Zwischenruf bei der SPÖ. – Ruf bei der FPÖ: ... Bundespräsident!)

Wer sich für diesen Entschließungsantrag ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Ka­niak, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schluss mit der allgemeinen COVID-19-Mas­kenpflicht in Österreich“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Leichtfried, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „Sofortige Rettung österreichischer Arbeitsplätze und KMUs“.

Ich bitte um ein Zeichen, wenn Sie diesem Entschließungsantrag Ihre Zustimmung ge­ben. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

17.59.41Fortsetzung der Tagesordnung


Präsidentin Doris Bures: Ich nehme die Verhandlungen über die Punkte 6 und 7 der Tagesordnung wieder auf.


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Die erste Rednerin nach der Wiederaufnahme ist Frau Abgeordnete Petra Steger. – Bitte, Frau Abgeordnete.


18.00.05

Abgeordnete Petra Steger (FPÖ) (fortsetzend): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Minister! Leider Gottes ist jetzt der Herr Sportminister nicht mehr hier, um auch den Sportsprechern zuzuhören, aber ich werde dort weitermachen, wo ich vor der Unterbre­chung aufgehört habe, nämlich bei meiner Kritik an seinen Ausführungen.

Es hat mich tatsächlich fassungslos gemacht, dass er heute über ein Budget geredet hat, das eigentlich für nichts anderes gut ist, als es zu nehmen und in die Rundablage zu geben, anstatt über die tatsächlichen Probleme der Vereine, der Sportler und des Sports allgemein hier zu sprechen. (Vizekanzler Kogler nimmt auf der Regierungsbank Platz.) – Ah, da ist er doch. Gott sei Dank ist er doch noch bereit, über den Sport weiter­zudiskutieren.

Es hat mich wirklich schockiert, dass bei ihm vollkommen das Bewusstsein darüber ge­fehlt hat oder offenbar fehlt, dass es Vereine gibt, die wirklich in ihrer Existenz bedroht sind, dass es Vereine und Sportler gibt, die nicht wissen, wie es jetzt weitergehen soll, die vor dem Aus stehen, die ums Überleben kämpfen. Herr Minister, Sie haben sich hier hergestellt und lieber über Green-Sport-Events und Genderbudgeting und alles andere geredet. Genderbudgeting, was besonders lustig ist, da Sie - - (Vizekanzler Kogler: Ha­be ich ja gar nicht geredet!) – Na sicher haben Sie über das Genderbudgeting (Vizekanz­ler Kogler: Nein!) und über Gendermaßnahmen und Gleichberechtigung gesprochen, was besonders lustig ist, da Sie gerade erst den Herrenfußball erlaubt haben, Frauen­fußball jedoch nicht. – Gratuliere zu dieser Gleichberechtigung! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der NEOS. – Abg. Wurm: Super!)

Sie stellen sich auch hin und diskutieren über die Bedeutung und die Wichtigkeit der täglichen Bewegungseinheit, in die jährlich um die 6,4 Millionen Euro fließen, und gleich­zeitig tun Sie nichts dagegen, dass die Schüler in der Schule noch immer nicht turnen dürfen – das ist noch immer verboten. Genau deswegen habe ich vorhin schon einen Antrag diesbezüglich eingebracht, um schnellstmöglich den Turnunterricht und auch ei­ne rasche Öffnung aller Sportstätten für den Breitensport wieder sicherzustellen, was extrem wichtig für die Gesundheit, nicht nur unserer Kinder, sondern allgemein der Be­völkerung, wäre. Hören Sie endlich auf, den Sport als Gefahr zu sehen, sondern endlich als Mittel, um gegen den Coronavirus zu kämpfen, sehr geehrter Herr Minister!

Was mich in diesem Zusammenhang auch interessieren würde, sehr geehrter Herr Mi­nister, ist, ob Sie überhaupt schon einmal das Gespräch mit Kollegen Faßmann gesucht haben. Haben Sie dieses Gespräch gesucht oder haben Sie sich einfach wieder einmal nicht durchsetzen können? Das war nämlich Ihre Ausrede beim Budget, bei Finanzmi­nister Blümel, dafür, dass es bis jetzt noch immer keine Hilfsmittel für den Sport gibt. Wie lange ist das jetzt her? – Es ist schon über drei Monate her, dass Sie das erste Mal angekündigt haben, dass es Hilfszahlungen geben soll – drei Monate, und noch immer ist kein einziger Cent geflossen! (Vizekanzler Kogler: Vor drei Monaten war Februar!) – Vor drei Monaten, ja, da haben Sie schon angefangen, über die ersten möglichen Hilfs­mittel zu reden.

Irgendwann sollen jetzt 700 Millionen Euro kommen, doch da hauen Sie wieder alle gemeinnützigen Vereine in einen Topf; Vereine, die unterschiedlicher nicht sein könnten, egal ob in den Bereichen Sport, Kunst, Kultur, Tierschutz bis was weiß ich was alles. Das versteht keiner.

So wie der Sport in der Vergangenheit stiefmütterlich behandelt wurde, sehe ich jetzt schon die Gefahr, dass am Schluss der Sport wieder auf der Strecke bleiben wird, sehr geehrter Herr Minister! Ich sage, wenn Sie jetzt nicht tätig werden, wenn es jetzt diese


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Zahlungen für den Sport, für die Vereine, wenn es diese Hilfsmittel nicht geben wird, dann wird es zu spät sein, dann heißt es Game over, dann ist es vorbei, dann sehen wir uns in den nächsten Monaten mit einem massenweisen Vereinssterben konfrontiert, sehr geehrter Herr Minister!

Aus diesem Grund bringe ich noch einen Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „finanzielle Sofort­hilfe für den Sport“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentli­chen Dienst und Sport werden aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, welche vorsieht, dass den Österreichischen Sportvereinen eine sofortige fi­nanzielle Unterstützung in der Höhe von bis zu 150.‑ Millionen EUR zur Verfügung ge­stellt werden.“

*****

Sehr geehrte Damen und Herren von der ÖVP und von den Grünen, Sie haben in den letzten Monaten gezeigt, dass der Sport keinen großen Stellenwert für Sie hat. Sie haben jetzt zwei Anträge vorliegen, die unglaublich wichtig wären, nicht nur für den Sport, son­dern auch für die Gesundheit der Bevölkerung und unserer Kinder, zeigen Sie, dass Ihnen der Sport und diese Dinge ein Anliegen sind! (Beifall bei der FPÖ sowie der Abge­ordneten Eypeltauer und Shetty.)

18.04

Die Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Petra Steger

und weiterer Abgeordneter

betreffend Turnunterricht ermöglichen und Sportstätten öffnen

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 7 über den Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (55d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundes­voranschlages für das Jahr 2020 (Bundesfinanzgesetz 2020 –BFG 2020) samt Anla­gen (183d.B.) – UG 17 – in der 32. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 26. Mai 2020

Kinder, die sich zu wenig bewegen können übergewichtig werden, neigen sehr früh zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes und haben dadurch ein schlechteres Immun­system. Gerade in Zeiten des Coronavirus ist es umso wichtiger, dass sich Schulkinder aller Altersgruppen für eine tägliche Bewegungseinheit begeistern. Der Gesundheitsas­pekt nimmt nach wochenlang verordneter Quarantäne einen besonderen Stellenwert ein. Durch Sport wird Stress abgebaut, das Gemeinschaftsgefühl gestärkt und die Auf­merksamkeitsspanne – auch für andere Unterrichtsfächer – erhöht. Es an sich schon unverständlich, dass zu Normalzeiten zu wenig Bewegung im Unterrichtsalltag einfließt, in Zeiten einer Pandemie, jedoch absolut absurd. Schulsport bietet für einige Kinder die einzige Möglichkeit regelmäßig Sport zu betreiben und auch die Freude an der Bewe­gung zu erleben.


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Hans Niessl, Präsident der Bundessportorganisation Sport Austria und somit der oberste Sportfunktionär des Landes, kritisiert die Ankündigung, den Turnunterricht an unseren Schulen einzustellen, in der Tageszeitung „der Standard“ wie folgt: „Ich bin überrascht, und ich bin enttäuscht. Es ist durch viele Studien belegt, welchen Beitrag der Sport für die Gesundheit leistet und wie wichtig er auch im Lernverhalten ist. […] Hätte er [Anm. der Bundesminister] die Studien angesehen, so hätte er genau das Gegenteil tun müs­sen. Er hätte versuchen müssen, dass die Schülerinnen und Schüler möglichst jeden Tag in Bewegung kommen.“

Fakt ist: Schüler brauchen Bewegung. Wenn möglich, soll die Turneinheit im Freien ab­gehalten werden, auch Wanderungen oder Spaziergänge sind denkbar. Aufgrund der kleineren Klassen, ist der Sportunterricht jedoch auch in den Turnsälen oder umliegen­den Sportstätten möglich.

Nicht nur für Schüler, sondern auch für Vereinssportler ist derzeit der Mangel an Bewe­gung ein Problem, denn die Betretung der geschlossenen Sportstätten für Hobby- und Amateursportler ist verboten. Es ist jedoch nicht einzusehen, dass nur Spitzensportler ihre sportliche Tätigkeit ausüben dürfen, weshalb - wie auch in anderen Bereichen - Ver­eins- und Hobbysportler die Möglichkeit bekommen sollen, die Sportstätten betreten und verwenden zu dürfen. Trainingseinheiten in geschlossenen Räumlichkeiten müssen, analog zum Spitzensport, erlaubt sein.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, sofortige Schritte zu setzen, um den Turnun­terricht an österreichischen Schulen ab Ende Mai sicherzustellen und eine rasche Öff­nung aller Sportstätten für den Breitensport zu ermöglichen.“

*****

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Petra Steger

und weiterer Abgeordneter

betreffend finanzielle Soforthilfe für den Sport

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 7 über den Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (55d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundes­voranschlages für das Jahr 2020 (Bundesfinanzgesetz 2020 –BFG 2020) samt Anla­gen (183d.B.) – UG 17 – in der 32. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 26. Mai 2020

Aufgrund der Corona-Krise leiden in Österreich auch tausende Sportvereine unter einem finanziellen Engpass, der teils existenzbedrohende Ausmaße annimmt. Es ist absolut unverständlich, warum es in keinem der bisherigen Hilfspakete zur finanziellen Unter­stützung des Sports gekommen ist. Die Wichtigkeit des Sports für die Gesundheit und die Wirtschaft ist evident und anhand etlicher Studien bewiesen.

Gerade die vielen kleinen Vereine samt ihren engagierten Funktionären werden wirt­schaftlich besonders hart getroffen: Haftungen (vor allem persönliche bei ehrenamtlicher Tätigkeit), Fixkosten, Betriebskosten, Gehälter, ausbleibende Beiträge und vieles mehr. Aber auch das Fundament eines Milliarden-Business steht am Spiel, das noch dazu dem Gesundheitssystem Milliarden an Kosten erspart.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 200

Der Schaden für den Spitzen- und Breitensport, für die Profibetriebe, wie auch für die Hobbysportler geht mittlerweile in eine 3-stellige Millionenhöhe. Der zuständige Sportmi­nister muss sicherstellen, dass Gelder ausgeschüttet werden, um ein Vereinssterben zu verhindern und am Ende der Krise ein Trümmerfeld im österreichischen Sport zu hin­terlassen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentli­chen Dienst und Sport werden aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, welche vorsieht, dass den Österreichischen Sportvereinen eine sofortige fi­nanzielle Unterstützung in der Höhe von bis zu 150.- Millionen EUR zur Verfügung ge­stellt werden.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher auch mit in Verhandlung.

Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Martina Diesner-Wais. – Bitte.


18.04.38

Abgeordnete Martina Diesner-Wais (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Vize­kanzler! Liebe Frau Bundesministerin! Frau Rechnungshofpräsidentin! Liebe Volksan­wälte! Der Budgetentwurf sichert mehr Geld für die Polizei, für das Bundesheer, für die Justiz, für den Klimaschutz, für den ländlichen Raum und für mehr Personal in der Volks­anwaltschaft. Das ist ein gutes Zeichen, und in diesem Sinne können ja nur alle dafür sein.

Die Volksanwaltschaft ist neben dem Rechnungshof ein wichtiges Kontrollorgan unseres Parlaments. Für 2020 beträgt das Gesamtbudget der Volksanwaltschaft 12,2 Millionen Euro, das entspricht einem Anstieg um 5,6 Prozent im Vergleich zu 2019. Die Aufgaben der Volksanwaltschaft werden mehr, sind vielfältig, und daher ist es auch gerechtfertigt, dass mehr Personal benötigt wird, denn viele Menschen sehen die Volksanwaltschaft als sichere Anlaufstelle für ihre Probleme.

Wir alle wissen, dass die Volksanwaltschaft für vier Hauptthemen da ist: erstens für die Individualbeschwerden unserer Bevölkerung. Da agiert sie immer zufriedenstellend, kompetent, die Leute sind zufrieden. Die Volksanwaltschaft ist stets bemüht, dem Bürger zu seinem Recht zu verhelfen, und das in vielen Themenbereichen – ich darf nur einige herausnehmen –, ob es jetzt um Pflegegeldeinstufungen, um die Raumordnung oder um das Baurecht geht.

Wie beliebt die Volksanwaltschaft ist, sehen wir daran, dass es 2019 16 600 Beschwer­den gab, das sind 67 Beschwerden pro Tag – also eine große Menge. (Zwischenruf des Abg. Loacker.) Die Volksanwaltschaft zeigt uns auch die Defizite in der Verwaltung auf, sodass wir die Möglichkeit haben, zu korrigieren.

Die Volksanwaltschaft ist aber nicht nur Prüferin, sondern sie ist auch Vermittlerin zwi­schen den Bürgern und den Behörden.

Das zweite Thema betrifft die präventive Kontrolle des Schutzes der Menschenrechte für jene, die in privaten Einrichtungen oder in öffentlichen Einrichtungen in ihrer Freiheit beschränkt werden. Da wird von der Volksanwaltschaft kontrolliert, für 2021 sind 500 Überprüfungen geplant. Das ist eine wertvolle und wichtige Aufgabe.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 201

Die Volksanwaltschaft ist – drittens – auch im internationalen Aufgabenbereich tätig und – viertens – in der Heimopferrentenkommission. Menschen, die als Kinder entweder in Heimen, bei Pflegeeltern oder in Krankenanstalten waren und dort Opfer von Gewalt wurden, können seit 2017 eine Zusatzrente beantragen; die Prüfung obliegt der Volksan­waltschaft. Das ist eine wertvolle Aufgabe.

Zusammenfassend kann man über die Volksanwaltschaft sagen, sie verfügt über eine hohe Prüfungsqualität und eine breite Akzeptanz in der Bevölkerung. Wie schon gesagt, es gibt sehr viele Beschwerden, die deswegen an sie herangetragen werden, weil das natürlich kostenlos ist und weil sie eine niedrige Zugangsschwelle hat.

Das ist nicht selbstverständlich, und darum möchte ich den drei Volksanwälten beson­deren Dank aussprechen, denn sie sind es, die die Volksanwaltschaft gemeinsam mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nach außen verkörpern. Sie sind sehr engagiert und auch sehr einfühlsam, das ist gerade bei vielen thematischen Punkten, die an die Volksanwaltschaft herangetragen werden, notwendig.

Ich freue mich besonders über die Aufstockung der Planstellen. Es gibt nun 89 Plan­stellen; das ist eine Steigerung um elf Planstellen. Es ist wichtig, dass wir gerade in der Volksanwaltschaft gute Mitarbeiter haben, und das soll auch gesichert werden. Es ist das die größte Erhöhung seit 2012, seit das Opcat-Durchführungsgesetz dazugekom­men ist.

Ich möchte mich abschließend noch einmal herzlich bei den Volksanwälten bedanken und natürlich auch beim Finanzminister, dass es eine Budgetaufstockung gibt. – Herzli­chen Dank, das ist im Sinne unserer Bürgerinnen und Bürger, damit sie auch in Zukunft zu ihrem Recht kommen. (Beifall bei der ÖVP.)

18.09


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Yannick Shetty zu Wort. – Bitte.


18.09.37

Abgeordneter Yannick Shetty (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Ministerinnen! Herr Bundesminister! Verehrte Volksanwälte! Frau Rechnungshofpräsidentin! Schade, dass die zuständige Ministerin für Integration – zu diesem Punkt reden wir ja heute hier auch – nicht mehr da ist, aber es ist schon einiges gesagt worden.

Das Integrationsbudget ist sehr knapp, sehr unspezifisch, und leider gab es im zuständi­gen Ausschuss, im Budgetausschuss, als wir die Integration besprochen haben, von der zuständigen Ministerin gar keine Antworten auf die für uns wirklich brennenden Fragen zum gesamten Bereich der Arbeitsmarktintegration, keine Antworten zum Integrations­jahr, zu den Kompetenzchecks beim AMS. Frau Bundesministerin Raab hat immer wie­der gesagt, sie sei nicht zuständig, das falle in die Verantwortung anderer Ministerien. Das mag schon sein, dass sie fachlich in dem konkreten Bereich nicht zuständig ist, aber von einer Integrationsministerin erwarten wir uns schon, dass sie da eine koordinierende Funktion wahrnimmt, und wenn sie zu jedem Punkt – wirklich zu jedem Punkt! – sagt, dass sie sich nicht zuständig fühlt, dann frage ich mich schon, wofür wir diese erste Integrationsministerin überhaupt haben. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Zum Budget – ich glaube, das ist auch schon mehrfach gesagt worden –: Ja, es ist gut, dass es mehr ist als im letzten Jahr, aber man muss wissen, dass im letzten Jahr das Budget um zig Millionen gekürzt wurde und wir jetzt im Vergleich zu der Zeit vor Schwarz-Blau um ein Drittel weniger Budget im Integrationsbereich haben. Um ein Drittel weniger Budget, da möchte ich mich schon auch insbesondere an die Grünen wenden: Die Priori­täten von Schwarz-Blau, vor allem auch im Integrationsbereich, können nicht der Maß­stab für die Grünen in der Regierung sein. (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. Yılmaz.)


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Frau Bundesministerin Raab sagt jetzt: Es wurde nicht gekürzt, es wurde nur umge­schichtet. Alle privaten und staatlichen Integrationsvertreter und -vertreterinnen sagen aber: Das Geld fehlt an allen Ecken und Enden! – Ja, für mich ist klar, wem ich bei dieser unterschiedlichen Darstellung der Realität eher Glauben schenke.

Integrationspolitik ist für Türkis-Grün so wie auch schon für Türkis-Blau: Da geht es viel­mehr um Verhinderung als um Ermöglichung, um Identitätspolitik, um Identitätsrhetorik statt um Sachlichkeit, um Symbolpolitik statt um Sachpolitik. Ich muss ehrlich sagen: Schaut man sich die Berichterstattung der letzten Monate an, hatte man das Gefühl, die Integrationsministerin redet häufiger über das Kopftuchverbot als zum Beispiel über Brennpunktschulen. (Abg. Yılmaz: Sicher!)

Erstes Sorgenkind ist die Integration. Unter dieser UG besprechen wir aber auch den Sport, und der Sport ist – das wurde auch schon von Kollegin Steger gesagt – zumindest zurzeit ein mindestens ebenso großes Sorgenkind.

Vorweg einmal Lob an Bundesminister Kogler. Ich war ja in beiden Ausschüssen, Inte­gration und Sport, und ich muss sagen, zumindest in der Art, wie er mit uns Abgeord­neten umgeht, merkt man schon einen Unterschied zwischen türkisen und grünen Minis­tern. Es wurden Antworten gegeben, in der Sache aber sind wir leider ähnlich kritisch.

Wir sind kritisch, was die Grundstruktur des Sportsystems betrifft, aber dafür möchte ich jetzt nicht zu viel Zeit verschwenden, sondern über den Sport in Zeiten von Corona re­den. Unser Eindruck ist leider, dass – so wie auch im Kulturbereich – wahnsinnig viel verschlafen wurde. Im Sportbereich bahnt sich jetzt das nächste Desaster an.

Ich möchte nur ein Beispiel nennen, um das zu illustrieren: Den vielen Yogastudios, den Pilatesstudios wurde gesagt: Ihr könnt eure Kurse jetzt nicht drinnen durchführen – das verstehen die im Übrigen auch –, bitte geht nach draußen! Schaut man sich an, wie die Situation zum Beispiel in Städten wie Wien ist, muss man fragen: Wohin soll man denn da gehen, zum Beispiel in die hier schon oft strapazierten Bundesgärten?

Ich möchte Ihnen vorlesen, was die Bundesgärten an Yogastudios schreiben – ich zitie­re –: Werte Damen! Da sich in letzter Zeit die Anfragen für kommerzielles Yoga, Turnen et cetera mehren, möchten die Bundesgärten nochmals hinweisen, dass dies, falls ge­nehmigt, in den Bundesgärten nur kostenpflichtig möglich ist. Wir haben alle Anfragen bis dato nicht genehmigt. Wir ersuchen, die Parkordnung einzuhalten. Unsere Tarife be­ginnen bei 1 070 Euro pro Tag. – Zitatende.

Wollen Sie die Betroffenen verarschen? Es ist für die Betroffenen unmöglich, in Bundes­gärten Kurse durchzuführen, und deswegen fordern wir Sie hier auf, da wirklich praxis­nahe Lösungen zu präsentieren.

Wir bringen dazu folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Breitensport retten! Maßgeschneiderte Lösungen für KMUs und EPUs jetzt umsetzen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport wird aufgefordert, umgehend evidenzbasierte und maßgeschneiderte Lösungen für KMU und EPU im Breitensport (z.B. Yoga-, Pilates-, Fitness- und Tanzstudios) anzubieten und diese somit vor dem Existenzverlust zu bewahren. Konkret werden folgende Maßnahmen im Zuge eines Breitensport-Maßnahmenpakets gefordert:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 203

- Statt pauschalen Personen-Obergrenzen und Quadratmeterregelungen, auf Abstands­regeln wie auch in der Gastronomie zu setzen, um den individuellen Bedingungen im Breitensport gerecht zu werden

- sofortige Öffnung der Bundesgärten und Schulsporthallen für KMU, EPU und Vereine; auch in den Sommermonaten

- Sportunterricht für Kinder und Jugendliche in angepasster Form rasch wieder aufneh­men, um weitere negative gesundheitliche Auswirkungen zu verhindern

- Regelungen für Sommersportlager rasch veröffentlichen und z.B. in Verbindung mit Testungen ermöglichen

- wissenschaftliche Aufarbeitung der Auswirkungen der Schließungen im Sportbereich auf den Public-Health-Aspekt und langfristige evidenzbasierte Gegensteuerung;“

*****

Bitte handeln Sie, nach der Kultur kann der Sport nicht das nächste Desaster in Ihrem Ministerium werden! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

18.14

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Breitensport retten! Maßgeschneiderte Lösungen für KMUs und EPUs jetzt umsetzen

eingebracht im Zuge der Debatte in der 32. Sitzung des Nationalrats über Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (55d.B.): Bundesgesetz über die Be­willigung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2020 (Bundesfinanzgesetz 2020 –
BFG 2020) samt Anlagen (183d.B.) – TOP 7, UG 17

Während in vielen Bereichen, wie der Gastronomie, im Handel, bei Friseuren, Museen und Baumärkten bereits Lockerungen der Corona-bedingten Einschränkungen erfolgten, stehen viele KMU und EPU im Sportbereich vor Unklarheiten und Existenzängsten. Die bereits erfolgten Lockerungen helfen v.a. dem Spitzen- und Outdoor-Sport, Yoga-, Pila­tes- Fitness- und Tanzstudios, stehen jedoch noch immer vor ungelösten Herausforde­rungen. Im Spitzensport wurden bereits am 20. April Lockerungen und Trainingsmöglich­keiten erlassen, im Breitensport hat sich mehr als einen Monat später noch immer nicht viel bewegt.

Es braucht dringend evidenzbasierte Maßnahmen, die auf die sehr spezifischen Pro­blemstellungen im Breitensport bei KMU und EPU eingehen und die bei den Be­treiber_innen rasch für Klarheit sorgen. Vielen Unternehmen ist mit Outdoor-Sport oder Online-Einheiten einfach nicht geholfen, da die Zielgruppe, z.B. Senior_innen, dem nicht nachkommen können oder die Sportart im Freien schlichtweg nicht betrieben werden kann. Es ist außerdem höchst problematisch, die Verlegung von Kursen und Trainings ins Freie als Universallösung anzubieten und gleichzeitig die Bundesgärten nicht für Vereine und Unternehmen freizugeben und mit Strafen von rund EUR 1.000 zu drohen. Der Breitensport braucht individuelle Lösungsvorschläge und innovative Ideen, die den einzelnen Sportarten gerecht werden. Eine Quadratmeterregelung oder pauschale Per­sonenbeschränkung erfüllt diesen Anspruch nicht, es sollte wie auch in der Gastronomie stattdessen auf Abstandsregeln, Raum- und Mattengröße (z.B. bei Yoga) geachtet und


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 204

so maßgeschneiderte Lösungen angeboten werden. Die Politik hat dafür zu sorgen, mit gezielten Maßnahmen, wie der Öffnung von Bundesgärten und schulischen Sportstät­ten, als Sofortmaßnahmen rasch Abhilfe zu schaffen. Es muss klare Antworten auf of­fene Fragen geben, wie z.B. bei der Umsetzung von Sommerlagern, deren Planung eine gewisse Vorlaufzeit braucht.

Auch der Public Health-Aspekt darf nicht aus den Augen verloren werden. Was helfen uns die strengsten Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Toten, wenn wir gleichzei­tig einen Großteil der Bevölkerung vom Kindes- bis hin ins Senior_innenalter körperlich nachhaltig schädigen? Mangelnde bis keine Bewegung zieht die vielfältigsten gesund­heitlichen Konsequenzen mit sich, daher ist es notwendig, den Schulsport schnellstmög­lich und unter Abstands- und Hygienemaßnahmen wieder aufzunehmen. Wenn im Brei­tensport nicht rasch eine Wiederaufnahme des Sportbetriebes möglich wird, stehen wir im Herbst außerdem vor der Herausforderung, dass einerseits Outdoor-Sport nur mehr begrenzt bis nicht mehr möglich ist und gleichzeitig unzählige Privatunternehmer_innen schlichtweg nicht mehr existieren. Das muss unbedingt verhindert werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport wird aufgefordert, umgehend evidenzbasierte und maßgeschneiderte Lösungen für KMU und EPU im Breitensport (z.B. Yoga-, Pilates-, Fitness- und Tanzstudios) anzubieten und diese somit vor dem Existenzverlust zu bewahren. Konkret werden folgende Maßnahmen im Zuge eines Breitensport-Maßnahmenpakets gefordert:

•             Statt pauschalen Personen-Obergrenzen und Quadratmeterregelungen, auf Ab­standsregeln wie auch in der Gastronomie setzen, um den individuellen Bedin­gungen im Breitensport gerecht zu werden

•             sofortige Öffnung der Bundesgärten und Schulsporthallen für KMU, EPU und Vereine; auch in den Sommermonaten

•             Sportunterricht für Kinder und Jugendliche in angepasster Form rasch wieder aufnehmen, um weitere negative gesundheitliche Auswirkungen zu verhindern

•             Regelungen für Sommersportlager rasch veröffentlichen und z.B. in Verbindung mit Testungen ermöglichen

•             wissenschaftliche Aufarbeitung der Auswirkungen der Schließungen im Sport-bereich auf den Public Health-Aspekt und langfristige evidenzbasierte Gegen­steuerung;"

*****


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Shetty, ich habe Ihnen jetzt keinen Ord­nungsruf erteilt, aber ich ersuche Sie, die Würde des Hauses nicht zu verletzen und daher nicht solch eine Ausdrucksweise zu verwenden.

Der Entschließungsantrag, den Sie eingebracht haben, steht mit in Verhandlung.

Als nächster Redner hat sich Herr Vizekanzler Werner Kogler zu Wort gemeldet. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 205

18.15.34

Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler
Mag. Werner Kogler
: Frau Präsidentin, wenn Sie gestatten, darf ich ein zweites Mal noch kurz etwas sagen, das sich insbesondere auf die Ausführungen der Kollegin Steger be­zieht.

Jetzt aber zum Vorredner: Kollege Shetty, mein Haus ist jedenfalls nicht für Verweise in Richtung Bundesgärten zuständig. Ich kann mir nicht vorstellen, dass von dort etwas gekommen ist, schon gar nicht im Zusammenhang mit den von Ihnen apostrophierten Körperteilen. Das ist mir jetzt nicht nachvollziehbar, wir sind jedenfalls für beides nicht zuständig. Es gibt auch keinen Hinweis darauf, dass da etwas in diese Richtung ge­kommen wäre.

Es scheint überhaupt ein Missverständnis zu geben, wer wofür zuständig ist. In der Regel handelt es sich da um Verordnungen aus dem Gesundheitsministerium, die aber relativ überlegt und mit uns abgestimmt sind, weil wir im Sportministerium ja oft genug als Vermittler auftreten.

Jetzt noch zum Grund meiner Wortmeldung und an die sehr engagiert sprechende Abgeordnete Steger: Mir gefällt tatsächlich, wenn es eine solche Auseinandersetzung gibt, und ich möchte, was die Ausführungen in Bezug auf Frauschafts- – in dem Fall –und Mannschaftssportarten betrifft, ein Missverständnis beseitigen; es wäre nicht gut, wenn das hier so stehenbliebe. Genau das war ja unser Anliegen: Es ist genau nicht darum gegangen, das bloß für die Bundesliga – diesfalls der Männer, dann im Übrigen die erste und zweite Liga – mit einem besonderen Spielkonzept zu regeln, durch das die sogenannten Geisterspiele stattfinden können, was jetzt übrigens gelungen ist; es geht da weder um Geschlechterdifferenzierung noch um eine Differenzierung der Sportart nach.

Es ist jetzt so geregelt – aus mehreren Gründen der Gleichbehandlung –, dass alle – alle, auch wenn es ein 1.-Klasse-Verein irgendwo ist –, die diese konzeptionellen Vo­raussetzungen erfüllen, die nun einmal gesundheitspolitisch bedingt sind, gleich vor­gehen können. (Abg. Martin Graf: Dann musst du die Kosten übernehmen!) Im Übrigen ist es – da das hier immer so ein Thema ist – deutlich lockerer als etwa in der Bundes­republik Deutschland.

Das hat damit zu tun, dass wir, wie auch an anderer Stelle, gar nicht die gleichen ge­sundheitspolitischen Ableitungen vorgenommen haben. Dort hat das Robert-Koch-Ins­titut, an dem man sich in der Bundesrepublik orientiert hat, öfter andere Empfehlungen gegeben als unsere Taskforces hier, und natürlich folgt das dem Versuch, konsistent zu bleiben.

Es wäre also mithin auch möglich – aber das ist Angelegenheit der jeweiligen Ligen –, und das war mir ganz wichtig und ein Anliegen, dass die Frauenliga den Betrieb auf­nimmt; im Handball, im Eishockey, wo auch immer, selbst im Nichtprofibereich. (Abg. Martin Graf: Dann musst du es bezahlen! – Abg. Steger: Dann machen Sie Maßnah­men!) Dass das dort nicht überall genauso gemacht werden kann oder will, steht ja auf einem anderen Blatt. Es ist ja durchaus naheliegend, dass das nicht alle können oder wollen.

Im Übrigen ist es ja auch gelungen, dass die zweite Liga das jetzt macht. Das haben die aber auch selbst entschieden. Die entscheiden das alle selbst. Es dürfte Ihnen auch nicht bewusst sein, dass in Österreich nicht das Sportministerium für den Spielbetrieb der Bundesliga, wurscht welchen Geschlechtes, zuständig ist. Wir ordnen keine Runden an, wer wann wo gegen wen spielt, kein Spieldatum und wir ordnen auch nicht an, wel­ches Spiel von welchem Sender übertragen wird. (Zwischenruf des Abg. Wurm.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 206

Ich bin aber froh, dass es dem ORF gelungen ist, in Verhandlungen mit Sky Sport, die ja nun einmal die Rechte haben, sich ein Paket herauszukaufen, was einen indirekt hohen Wert für die österreichischen Fußballvereine hat, nämlich deshalb, weil sie ge­genüber ihren Sponsoren etwas einhalten können oder neue Sponsoren gewinnen kön­nen. Der indirekte Wert ist sehr, sehr hoch.

Deshalb bin ich auch dem ORF dankbar, und man sieht auch wieder, dass es günstig und gut ist – das geht gerade in Ihre (in Richtung FPÖ) Richtung –, wenn man einen gescheiten Öffentlich-Rechtlichen hat. Von den Vorhaben, die Sie dort gehabt haben, wollen wir jetzt einmal schweigen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Dankenswerterweise wurde von Abgeordnetem Shetty darauf hingewiesen, dass wir uns im Ausschuss ja schon – ich gebe ja zu, dass ich da heute nicht in die Details ein­gegangen bin – wesentlich profunder unterhalten haben. Das ist richtig. Ich habe heute hier zu Vorhaben Stellung genommen, die sich im Budget abbilden. Auch da muss ich Ihnen schon sagen: Irgendwann muss irgendetwas recht sein, denn sonst rede ich drei Stunden. Wenn wir über ein Budget reden, zu dem Zahlen vorliegen, wovon Sie aber immer behaupten, dass es das angeblich gar nicht gibt, ist es auch falsch. Also einigen Sie sich! Sie können diesbezüglich ja auch eine Fraktionssitzung abhalten, das wird ja sicher alles möglich sein. (Zwischenruf der Abg. Steger.)

Jetzt zu dem, was Sie offensichtlich moniert haben und Ihnen abgegangen ist, nämlich über die Aufsperrpläne zu reden: Da ich gerade bei der Bundesliga war: Österreich ist hinsichtlich Sport und im Übrigen auch Kultur – Sie vermengen das gerne, ich verstehe das eh alles, es ist ja alles sehr schwierig, ich habe ja größtes Verständnis dafür; die beiden Bereiche weisen eine Parallele auf – am längsten von diesen Eingriffen be­troffen – ja, das sind dramatische Einschnitte. Das geht oft bis zum Herbst. Es wird Ihnen ja nicht entgangen sein, dass das 600-Millionen- oder 700-Millionen-Euro-Paket auch deshalb so groß ausgelegt wurde, weil wir auf sechs Monate rechnen, das haben wir schon eingepreist. Ich sehe das sonst nirgends in Europa. Ja, wir könnten noch schneller sein (Zwischenruf der Abg. Steger) und wir wollen das auch. Wir können wirklich schauen, dass das jetzt ganz schnell geht, aber insgesamt werden wir dann in der Rück­schau vergleichen, was wo wirklich in welcher Dimension und mit welcher Zielgenauig­keit passiert ist.

Zu den Aufsperrplänen: Auch da waren wir Österreicher bei den Ersten, auch im Sport. Wir haben schon am Tag nach Ostern – wenn Ihnen jetzt der Spitzensport solch ein Anliegen ist – begonnen, in Spitzensportbereichen Trainingseinheiten zuzulassen – da hat es viele Zurufe gegeben (Zwischenruf der Abg. Steger) –, gerade für unsere Olym­piateilnehmerinnen und Olympiateilnehmer. Da ist es so schnell geschehen, wie fast nirgendwo in Europa. Wir haben schon am 1.5. für viele Outdoorsportstätten aufge­macht, wo es der Sportart nach sinnvoll war, das rasch zuzulassen. Das waren dann gar nicht so wenige. Also auch da darf ich Sie einladen, sich mit sich selbst zu einigen. Lo­gischerweise waren auch Golfplätze und Tennisplätze dabei, da dort die Abstandsregeln natürlich leichter einzuhalten sind – es sind ja alle eingeladen, Ihren Hausverstand zu benutzen – und es dort halt schneller möglich ist, als woanders. Es waren aber viele Sportstätten dabei, und wir waren bei den Ersten in Europa. Ich sehe wirklich nicht ein, dass man das dann als Golfgaudi diskreditiert.

Ich würde Sie auch einmal einladen, zu adressieren, warum Golf nur schlecht ist. Ich bin kein Golfspieler, ich verstehe zu wenig davon, ich schaue nicht einmal zu, muss ich gestehen, ich merke nur, dass dort für die Profisportler – in erster Linie auch wieder Männer (Zwischenruf der Abg. Steger); wenn das der FPÖ jetzt solch ein Anliegen ist – hohe Summen bezahlt werden, das ist richtig. Es aber deshalb zu verbieten, das er­schließt sich mir nicht. Deshalb sagen wir immer: So schnell wie möglich ermöglichen, was tatsächlich geht, und möglichst wenig Einschränkungen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 207

So ist es auch weitergegangen: Am 15. Mai war outdoor schon ziemlich alles möglich, nur noch kein Körperkontakt, auch bei Kindern nicht. Schauen wir einmal, was wir im September machen. (Zwischenruf des Abg. Martin Graf.) Es gibt aber auch für Mann­schafts- und Frauschaftssportarten sehr, sehr viele Trainingseinheiten, bei denen man auch mit dem Abstand für den Sport, der da vorgesehen ist – wir haben uns die Konzepte ja angesehen –, wunderbare Sachen machen kann. Ich bin ja nicht der Gesundheits­minister, aber ich würde Mitte Mai, jetzt halt bald Ende Mai mit dem Wissen – wir hören ja, was die Expertinnen und Experten sagen –, das wir jetzt über das Virus, über die epidemiologischen Fragen, über die virologischen Fragen haben, die Verantwortung dafür nicht übernehmen wollen, dass man mir nichts, dir nichts Kinder- und Jugendgrup­pen in einem Mannschaftssport hat, die ständig Körperkontakt haben. (Abg. Steger: ... die WHO hat ...!) – Ja, wenn Sie das vorschlagen, ich beglückwünsche ja jeden, der immer ganz genau weiß, wie es geht.

Ich halte mich da einmal an das Vorsichtsprinzip. Mir wäre es auch lieber, wenn das so schnell ginge (Abg. Martin Graf: 1. September ...?); im Übrigen arbeiten wir daran. Viel­leicht ist es am 1. September so weit. Wir kriegen Anfang/Mitte Juni eine große Studie, in die wir auch die Sportindikatoren betreffend diese Epidemiefragen einbauen. Dann kann man entscheiden. Wir orientieren uns faktenbasiert und lösungsorientiert daran und hetzen die Kinder nicht einfach in etwas hinein. Und wenn am Schluss was weiß ich wie viele Hundert Ansteckungsfälle sind: Ui,ui,ui,ui! Wer war es dann? Die Bundesre­gierung! Sie sind bei den Ersten, die den Finger auspacken werden. Das ist es doch. So bleibt es immer eine Abwägung; na logisch, es bleibt immer eine Abwägung. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich habe jetzt vieles übersprungen, aber ab kommenden Freitag ist ja sozusagen bis auf den Abstand von zwei Metern im Sport schon sehr, sehr viel möglich, im Übrigen auch beim Schwimmen, beim Tennis oder Badminton oder so, wo jetzt Doppel möglich werden. Dort wird das kurzfristige Unterschreiten dieser Abstände möglich – das bewirkt nämlich, dass man Doppel spielen kann, das wäre ja sonst nicht gegangen. Also bis ins letzte Detail hinein wird daran gearbeitet, dass immer mehr möglich wird, auch unter Inkaufnahme von immer mehr Risiko. Wir nehmen das Risiko, weil es insgesamt gut läuft. Warum läuft es insgesamt gut? – Weil wir am Anfang rasch, schnell die richtigen Maßnahmen ergriffen haben, als andere noch in der Pendeluhr geschlafen haben, und die sind jetzt mit anderen Todeszahlen konfrontiert. Das ist halt auch ein Teil der Wahr­heit.

Jetzt können Sie sagen, wir haben es mit unserer Vorsicht übertrieben. Ja, es waren nur 250 Intensivbetten ausgelastet, ja, wir haben die Kapazitäten von 850 auf 1 250 hinauf­getrieben. Stimmt! Ui, eine so blöde Bundesregierung, nicht 1 000 Leute auf Intensivsta­tionen! (Zwischenruf des Abg. Loacker.) – Na wäre das gut gewesen? Ich meine: nein. Ja, wir haben sehr viel heruntergefahren, im Übrigen lange nicht alles, viele Wirtschafts- und Industriebetriebe sind ja weitergelaufen – auch das dürfte Ihrer Aufmerksamkeit entgangen sein –, deshalb stehen wir ökonomisch auch besser da als andere. Insgesamt hat das diese Aufsperrpläne aber auch ermöglicht.

Gerade im Sport können Sie nachschauen, wie das im internationalen Vergleich aus­schaut. (Abg. Martin Graf: ... weil der Verein ...!) Ich verstehe schon, wir sind hier in Österreich, und das ist das ganz normale Spiel hier, da gibt es keine neue Normalität, das ist auch gut so: Opposition – Regierung; ich kenne beides. Das ist nicht nur Ihr gutes Recht, machen Sie es so. Ich erlaube mir aber, darauf hinzuweisen, zumindest ein paar Vergleichswerte heranzuziehen. Manchmal ist der Blick über die Grenze unseres an sich sehr kleinen Landes nicht so schlecht. Machen Sie das, dann werden Sie draufkommen, dass wir viel schneller sind als andere. Wenn Sie dann wieder einfordern, dass keine zweite Welle kommt, wird es wieder falsch gewesen sein.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 208

Ich sage Ihnen: abwägen, analysieren, entscheiden – so haben wir es gemacht, so wer­den wir es weiterhin machen. (Beifall bei Grünen und ÖVP. Abg. Martin Graf: Minister für Bundesliga und Formel 1! Das ist es! – Abg. Steger: Was die WHO sagt, zählt nicht?)

18.26


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Johann Singer. – Bitte.


18.26.49

Abgeordneter Johann Singer (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Vizekanz­ler! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Frau Rechnungshofpräsidentin und sehr ge­ehrte Herren der Volksanwaltschaft! Als Mitglied des Rechnungshofausschusses möch­te ich mich mit dem Rechnungshof als Bestandteil des Kapitels Oberste Organe be­schäftigen.

Ich muss mich aber bei den Zuseherinnen und Zusehern zu Hause dafür entschuldigen, dass wir jetzt sehr viele Themen abarbeiten. Das ist bedingt durch diesen Teil der Ta­gesordnung, den wir behandeln, und das führt dazu, dass wir über sehr viele Themen reden. Zuerst die intensive Diskussion über den Sport, jetzt darf ich mich nochmals mit dem Rechnungshof beschäftigen.

Der Bundesvoranschlag 2020 sieht, das haben wir schon gehört, für den Rechnungshof insgesamt Ausgaben in der Höhe von 36 Millionen Euro vor. Das ist eine Erhöhung um 3,83 Prozent gegenüber 2019. Damit wird bewerkstelligt, dass zusätzlich drei Vollzeit­beschäftigte aufgenommen werden können, dass IT-Leistungen und Investitionen in die Gebäudesicherheit vorgesehen sind. Entscheidend, sehr geehrte Damen und Herren, ist, dass der Rechnungshof seinen verfassungsgemäßen Aufgaben umfassend nach­kommen kann. Ja, nach meiner Ansicht ist das mit diesem Budget möglich, wenn der Rechnungshof aber weitere Aufgaben erhalten soll, dann ist das natürlich auch budgetär entsprechend darzustellen.

Die aktuelle Situation um die Coronakrise trifft natürlich auch den Rechnungshof. Frau Präsidentin Kraker hat bereits am 10. April einige Punkte in einer Presseaussendung ausgeführt. Sie hat das Überdenken der Prüfansätze im Gesundheitsbereich – Stichwort Akutbetten in Krankenhäusern – angesprochen, sie hat aber auch angesprochen, dass der Rechnungshof die in der Krise geschaffenen Wirtschaftshilfen prüfen wird. Sie mein­te, ich zitiere: „Mir ist es wichtig, dass es keine unanständigen Profiteure der Corona-Krise gibt. Das Geld muss bei denen ankommen, die es wirklich brauchen.“ Diese Aussage kann ich nur unterstreichen.

Interessant ist für mich allerdings die Aussage der Opposition, dass der Rechnungshof aufgrund der Aussagen der Frau Präsidentin im Ö1-Journal „Im Journal zu Gast“ den Wünschen der Opposition, insbesondere der SPÖ, auf Prüfung der Coronavirushilfs­maßnahmen Rechnung trägt.

Die Aussendung des Rechnungshofes vom 10. April wurde offensichtlich ignoriert. Sehr geehrte Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen der SPÖ, nicht eine Vereinnah­mung des Rechnungshofes ist gefragt, sondern Unterstützung.

Abschließend danke ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Rechnungshofes für die qualitativ hochstehende Arbeit.

Sehr geehrte Damen und Herren! Als Bürgermeister freue ich mich sehr über das Ge­meindeinvestitionspaket der Bundesregierung. Mit der Unterstützung der Länder wird es zur vollen Entfaltung kommen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der Grünen.)

18.30



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 209

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Maximilian Köllner. – Bitte.


18.30.24

Abgeordneter Maximilian Köllner, MA (SPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Herr Sportminister, wir haben viel gehört, das ändert aber nichts an Ihrer bis dato eher enttäu­schenden Performance im Bereich des Sports. Grundsätzlich ist das nicht das Problem, mir zuliebe müssen Sie ja nichts tun; ich habe selbst lange Fußball gespielt und weiß auch mit Rückschlägen umzugehen. Aber selbst jene, die Ihrem Amtsantritt im Sport­ressort erwartungsvoll gegenübergestanden sind, kaufen Ihnen die guten Absichten nicht mehr ab. Ich sage ihnen auch, warum.

Ich habe Ihnen zu Beginn der Gesetzgebungsperiode als Sportsprecher einen Brief ge­schrieben, um mit Ihnen gemeinsam und konstruktiv über die zukünftige Entwicklung des Sports zu sprechen, damit der Sport in Österreich endlich den Stellenwert bekommt, den er verdient, dass der Mehrwert, den Bewegung und Sport für eine gesunde Gesell­schaft haben, erkannt wird. Immerhin werden dadurch ja auch einige Hundert Millionen Euro jährlich im Gesundheitssystem eingespart – von der Bedeutung für die Entwicklung von kognitiven, sozialen und psychischen Kompetenzen gar nicht zu reden.

Sie sind bis dato aber weder für ein persönliches Gespräch zur Verfügung gestanden, noch konnten wir im Rahmen eines Sportausschusses mit Ihnen diskutieren, obwohl wir Sportsprecher der Oppositionsparteien dies bereits mehrmals geschlossen gefordert haben. Was Sie also vor der Behandlung der Dringlichen behauptet haben, stimmt somit nicht. Ich kann Ihnen aber versichern, wir haben allesamt nur das Beste für den öster­reichischen Sport im Sinn, Sie brauchen daher vor uns keine Angst zu haben.

Ich bringe Ihnen ein weiteres Beispiel, warum Sie von Tag zu Tag unglaubwürdiger wer­den, wenn Sie so weitermachen. Ich habe Sie mehrfach direkt wegen der flächende­ckenden Umsetzung der täglichen Sport- und Bewegungseinheit angesprochen: im Bud­getausschuss vor zwei Wochen und heute wieder. Heute sagen Sie, dass sie kommt. – Das finde ich wirklich super.

In Wahrheit aber ist es skurril: Zurzeit sind wir nämlich von dieser täglichen Bewe­gungseinheit so weit entfernt wie der Mensch vom Mond. Sie tragen den Irrsinn mit. (Abg. Zarits: ... vom Kanzler!) – Herr Kollege Zarits, übrigens, wie ich gehört habe und soviel ich weiß, beträgt das NPO-Paket insgesamt 700 Millionen Euro und ist nicht nur für den Sport, um Sie zu korrigieren. – Sie tragen den Irrsinn mit, Herr Sportminister, dass gerade in Zeiten von Corona, in der die Stärkung des Immunsystems doch so wichtig ist, Schülern der Turnunterricht gestrichen wird. Bitte kommen Sie mir jetzt nicht (Zwischenruf bei der ÖVP), Herr Sportminister, mit der Ausrede, dafür ist Herr Bildungs­minister Faßmann zuständig! – Ja, das stimmt, aber dann nehmen Sie ihn sich zur Brust, weil er halt in Geografie wahrscheinlich bessere Kenntnisse hat und im Sport Nachhilfe braucht.

Geschadet hätte überdies auch nicht, wenn Sie Ihrem Parteifreund, Gesundheitsminister Anschober, ein bisschen Ezzes gegeben hätten. So hätten gewisse praxisuntaugliche und teils existenzbedrohende Vorgaben für Sportler, Fitnessstudio-, Yogastudio- und Tanzstudiobetreiber vermieden werden können. Da hat mein Kollege von den NEOS schon recht. (Beifall bei der SPÖ.)

Zum Wichtigsten des heutigen Tages noch ganz kurz, dem Geld: Was ist jetzt mit dem Hilfspaket für die 15 000 Sportvereine in Österreich? Sagen Sie ein Datum! Die Beamten warten nur noch auf das Go von Ihnen und dem Finanzminister. Ich bin wirklich gespannt darauf, wann was tatsächlich kommt. Seit Monaten thematisieren wir die Probleme hier im Plenum. Wir hatten seitens der Opposition auch Anträge eingebracht, die halt im Ladl verschwinden.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 210

Ich weiß schon, dass Ihnen Finanzminister Blümel – er ist halt von der ÖVP – keinen Erfolg gönnt, aber dann fahren Sie auch einmal die Ellenbogen aus wie auf dem Fuß­ballfeld; dort muss man ja auch lernen sich durchzusetzen. Denn so werden Sie lange nur der Steigbügelhalter der ÖVP bleiben, bis der Kanzler auch diese Regierung sprengt.

Goethe hätte die Situation im Sport nicht besser beschreiben können als mit: „Die Bot­schaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube“. – Aber aufgegeben wird ein Brief, dafür ist der Sport zu wichtig. Ich kann mein Angebot für ein konstruktives Gespräch nur noch einmal aussprechen. (Beifall bei der SPÖ.)

18.34


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Karl Schmidhofer. – Bitte.


18.34.35

Abgeordneter Karl Schmidhofer (ÖVP): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Vizekanz­ler! Frau Ministerin! Frau Rechnungshofpräsidentin! Liebe Volksanwälte! Als Präsident des Steirischen Skiverbandes – ehrenamtlich, so wie viele Funktionärinnen und Funktio­näre in Österreich – darf ich für den Skisport schon etwas festhalten. Es ist davon ge­sprochen worden, dass der Herr Sportminister nur für Golf, Fußball und Tennis etwas übrig hätte. Ich darf betreffend die Gleichbehandlung, die Frau Petra Steger angespro­chen hat, Folgendes zurechtrücken: Wir haben als eine der ersten Nationen die öster­reichischen Sportlerinnen und Sportler zum Trainieren auf die Gletscher gebracht (Zwi­schenruf des Abg. Leichtfried), weil wir ein gutes Paket vorgestellt haben, welches das Sportministerium begutachtet und der Gesundheitsminister freigegeben hat. Also: Wer ein gutes Konzept vorlegt, wird auch entsprechend bedient.

Ich stehe auch nicht an, den ehrenamtlichen Aspekt noch einmal in den Vordergrund zu stellen. Was wäre der Sport ohne die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer?! Wir müssen auch in Zukunft – und darum bitte ich Sie, Herr Sportminister – auf dieses Eh­renamt besonderen Wert legen und nicht nur die Wertschätzung aussprechen, sondern das Paket, das wir im Regierungsprogramm haben, dann auch Schritt für Schritt um­setzen.

Ich bin sehr, sehr froh über unsere Lösungen für den österreichischen Sport, nicht nur für den Spitzensport, wir werden jetzt ja auch in den Landeskadern – und da gibt es keinen Unterschied, ob es Damen oder Herren sind, Mädchen oder Burschen – schritt­weise mit dem Training beginnen. – Vielen Dank, Herr Sportminister, dass das möglich ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

18.36


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Edith Mühlberg­huber. – Bitte.


18.36.28

Abgeordnete Edith Mühlberghuber (FPÖ): Frau Präsident! Sehr geehrter Herr Vize­kanzler! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Werte Präsidentin des Rechnungshofes! Geschätzte Volksanwälte! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Die Volksan­waltschaft ist das zweitkleinste Oberste Organ und kann mit mehr Budget rechnen.

Der Bundesvoranschlag 2020 sieht für die Volksanwaltschaft 12,24 Millionen Euro vor, das ist eine Steigerung von 5,6 Prozent. 2020 werden aber nicht nur mehr Aufgaben zu bewältigen sein, es ist auch für den Personalplan der Volksanwaltschaft ein Mehr an Planstellen vorgesehen, nämlich ein Mehr von elf Planstellen gegenüber 2019, sodass es dann 89 Planstellen sind.

Zusätzlich bedeuten mehr Aufgaben auch mehr Verantwortung, wie zum Beispiel durch das Heimopferrentengesetz. Seit 2017 befasst sich die Volksanwaltschaft mit diesen


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 211

Antragstellungen. Die Planstellen sind bis 2023 befristet. Man hofft, dass die Zahl dieser Anträge mit der Zeit rückläufig wird und sich das dann auch einpendeln wird.

Die Coronakrise hat auch Auswirkungen auf die Volksanwaltschaft, die Zahl der Be­schwerden ist mehr geworden. Bis dato sind über hundert Beschwerden eingegangen, die insbesondere den Härtefallfonds und das Einschreiten der Polizei bei den Kontrollen betreffen. Man rechnet auch im Gesundheits- und Sozialbereich mit mehr Beschwerden. Das ist auf die Sprechstunden, die ausgefallen sind beziehungsweise verschoben wor­den sind oder die man verschieben musste, zurückzuführen.

Erwähnen möchte ich noch, dass die Volksanwaltschaft, wie schon gesagt, das zweit­kleinste Oberste Organ ist. Der Frauenanteil beträgt 67 Prozent und das nicht nur wegen der Quote, sondern aufgrund der Qualifikation.

Abschließend möchte ich mich recht herzlich bei den Volksanwälten und bei den Mitar­beitern in der Volksanwaltschaft für ihr Engagement, für ihre Arbeit und für die gute Zu­sammenarbeit bedanken.

Ich möchte mich aber auch für die Sprechtage in den Bezirken bedanken, bei denen Sie die Nähe zur Bevölkerung, zu den Menschen gefunden haben. Wegen der Coronakrise können diese Sprechtage momentan nicht durchgeführt werden, aber in absehbarer Zeit sind diese auch wieder möglich. – Ich wünsche der Volksanwaltschaft, den Volksanwäl­ten für die Zukunft alles Gute. (Beifall bei der FPÖ.)

18.39


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Rudolf Silvan. – Bitte.


18.40.00

Abgeordneter Rudolf Silvan (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Rechnungshofpräsidentin! Frau Ministerin! Sehr geehrte Herren Volksanwälte! Es wurde schon mehrmals gesagt, dass die Budgeterhöhung für die Volksanwaltschaft begrüßt wird. Das tue ich natürlich auch, ich denke aber, dass die Mittel zu gering sein werden, denn 60 bis 80 Beschwerden pro Woche langen bei der Volksanwaltschaft jetzt im Zu­sammenhang mit den Covid-Maßnahmen der Bundesregierung ein. Es ist, wie gesagt, zwar begrüßenswert, dass es eine leichte Erhöhung des Budgets der Volksanwaltschaft gibt, diese Mittel werden aber aufgrund der zu erwartenden Flut von Beschwerden aus heutiger Sicht nicht ausreichen.

Laut Volksanwalt Walter Rosenkranz betreffen viele dieser Beschwerden die Polizei. Er kritisierte zu Recht, dass es für Polizistinnen und Polizisten auf der Straße keine klaren Handlungsanleitungen gebe. Das ist keine Kritik an der Polizei, sondern eine Kritik am Innenminister, der sie nicht mit genügend und ausreichend genauen Handlungsanlei­tungen für die Covid-Schutzmaßnahmen ausstattet. – Vielen Dank an dieser Stelle an die Polizistinnen und Polizisten, die einen hervorragenden Job machen. (Beifall bei der SPÖ.)

Eben weil es keine genauen Handlungsanleitungen gibt, kommt es oft zu kuriosen Situa­tionen. So musste zum Beispiel ein Mann, der auf der Donauinsel in Wien allein auf einer Parkbank saß, 500 Euro Strafe zahlen, weil er dadurch den Abstand zu den vorbeige­henden Spaziergängern nicht eingehalten hat. In Judenburg wurde die Einkaufstasche einer Frau beim Verlassen eines Lebensmittelgeschäftes kontrolliert – aus welchen Gründen auch immer.

Genau diese Menschen, die Strafe zahlen mussten, genau diese Menschen, die sich seit Wochen strikt an die Coronaschutzmaßnahmen gehalten haben, müssen dann se­hen, wie der Bundeskanzler (Ruf bei der ÖVP: Oje!) – ja, nicht oje!, es ist so – im Klein­walsertal ein kleines Bad in der Menschenmenge nimmt. Es wundert dann kaum, wenn die Beschwerden bei der Volksanwaltschaft zunehmen und sich häufen. (Beifall bei der SPÖ.)


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Der zweite Teil der Beschwerden betrifft den Coronahärtefallfonds. Nach unzähligen An­kündigungen in über 70 Pressekonferenzen fühlen sich Tausende Einpersonenunter­nehmen sowie kleine und mittlere Unternehmen von der Regierung massiv im Stich gelassen. Viel zu bürokratisch, viel zu spät, viel zu wenig oder überhaupt keine Hilfe, das ist der Tenor der Unternehmerinnen und Unternehmer. Mehrere Unternehmer haben mir geschrieben, und das bedeutet schon etwas, wenn ein Unternehmer oder eine Unter­nehmerin einen sozialdemokratischen Gewerkschafter um Hilfe bittet. Ein Unternehmer, der mir geschrieben hat, hat in der ersten Phase 500 Euro und in der zweiten Phase 9,58 Euro bekommen. (Ruf bei der SPÖ: Boah!) Vom 15. März bis 12. Mai hat dieser Mann also mit 509,58 Euro auskommen müssen, und das Tragische ist: Der sperrt nicht mehr auf.

Es ist aber noch schlimmer: Dieses Unternehmen würde, wäre es in Deutschland oder in der Schweiz, weitergeführt werden können. – Das ist die Wahrheit, liebe Kolleginnen und Kollegen! (Beifall bei der SPÖ.)

Man wird sich auch die Situation in den Pflegeheimen genau ansehen müssen, zum Beispiel, warum alte Menschen während der Covid-Krise keinen Spaziergang in den Gärten ihrer Pflegeeinrichtung machen durften.

Die Menschen brauchen Sicherheit, Klarheit, Vertrauen in die Politik – diese Regierung hat das Gegenteil bewirkt! – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

18.43


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Herr Volksanwalt Werner Amon zu Wort ge­meldet. – Bitte.


18.43.53

Volksanwalt Werner Amon, MBA: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Frau Bundesministerin! Geschätz­te Kollegen Volksanwälte! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Ich möchte zunächst die Gelegenheit nutzen, auch namens meiner Kollegen, mich beim Bundesministerium für Finanzen, beim Finanzminister für die sehr konstruktiven und transparenten Verhand­lungen zum Budget der Volksanwaltschaft zu bedanken. Bedanken möchte ich mich natürlich auch beim Hohen Haus, denn letztlich liegt die Budgethoheit ja beim Hohen Haus. Wir hatten im Budgetausschuss eine sehr interessante, sehr gute inhaltliche Dis­kussion, einerseits über das Budget, natürlich aber auch über eine Reihe von inhaltlichen Fragen.

Der Voranschlag 2020 sieht für die Volksanwaltschaft eine Steigerung von 5,6 Prozent vor; das ist eine Steigerung um 759 000 Euro. Das mag, insbesondere wenn man den Prozentsatz betrachtet, eine schöne Steigerung sein, in Wirklichkeit ist es durch eine gewisse Personalerhöhung, die der Volksanwaltschaft zugestanden wird, bedingt. Die Frau Vorsitzende des Volksanwaltschaftsausschusses und auch andere Abgeordnete haben bereits darauf verwiesen. Allerdings möchte ich zum Ausdruck bringen, dass das eigentlich ein Nachvollziehen ist, denn seit 2009 sind wir etwa für die Vollziehung des Heimopferrentengesetzes verantwortlich. Immer noch steigt die Zahl der Anträge dazu, immer noch melden sich Menschen, die in der Zeit von 1945 bis 1999 in Heimen miss­braucht oder misshandelt worden sind, und die Volksanwaltschaft hat die Möglichkeit, ihnen nach Prüfung durch eine entsprechende Kommission, die mit Experten besetzt ist, eine kleine Rente zuzuerkennen. Dafür wurde seinerzeit befristet Personal beziehungs­weise Posten zur Verfügung gestellt, die aber ausgelaufen wären, und da wir deutlich sehen, dass es immer noch sehr viele Anträge gibt, wurde dafür eine entsprechende Personalressource vorgesehen, und dafür möchte ich mich, auch namens der Kollegen, herzlich bedanken.


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Die Aufgaben der Volksanwaltschaft sind vielfältig, sie sind um einiges vielfältiger, als der Öffentlichkeit gemeinhin bekannt ist, denn was bekannt ist, ist vor allem die nach­prüfende Kontrolle. Wir betätigen uns sehr stark als Vermittler innerhalb der Verwaltung, ganz gleich, ob es sich um die Bundesverwaltung oder die Landesverwaltungen handelt; mit Ausnahme von Tirol und Vorarlberg, die, wie Sie wissen, ja eigene Volksanwaltschaf­ten haben. Dort sind wir nur für die Bundesverwaltung zuständig, nicht aber für die Landes- und Gemeindeverwaltung. In allen anderen Bundesländern sind wir ja den Lan­desverfassungen entsprechend zugleich auch die Landesvolksanwälte und prüfen daher auch die Landesverwaltungen.

Das ist also die nachprüfende Kontrolle, die sich mit der Verwaltung beschäftigt. Darüber hinaus gibt es aber noch eine Reihe weiterer Aufgaben, das Heimopferrentengesetz habe ich schon angesprochen. Wir achten auch auf die Einhaltung der UN-Behinder­tenrechtskonvention – eine wesentliche Aufgabe der Volksanwaltschaft – und wir üben das sogenannte Opcat-Mandat aus. Dazu bedienen wir uns sechs Expertenkommis­sionen, die interdisziplinär besetzt sind, und kontrollieren und überprüfen im Hinblick auf den präventiven Schutz der Einhaltung der Menschenrechte alle Orte der Freiheitsbe­schränkung oder Freiheitsentziehung; eine ganz, ganz wesentliche Aufgabe der Volks­anwaltschaft, im Zuge derer wir eben als nationaler Präventionsmechanismus zum Schutze der Menschenrechte operieren.

Seit 2009 ist die Volksanwaltschaft auch Sitzstaat des IOI, des International Ombudsman Institute, jener globalen Organisation, in der sich eigentlich alle Ombudseinrichtungen weltweit organisieren. Das sind mittlerweile fast 200 Organisationen aus 104 Staaten, und Österreich hat eben den Sitz. Das ist eine wesentliche Aufgabe, insbesondere für den Austausch von Best-Practice-Modellen im Hinblick auf nachprüfende Kontrolle, vor allem aber auch im Hinblick auf den Schutz der Menschenrechte.

In diesem Sinn sind die Aufgaben vielfältig. Es gibt aber natürlich auch den Wunsch der Volksanwaltschaft – ich darf da an die Frau Rechnungshofpräsidentin anschließen –, unsere Prüfkompetenz aus dem Blickwinkel unserer täglichen Arbeit heraus zu erwei­tern. Dabei geht es uns vor allem darum, ausgegliederte Einrichtungen, die nach wie vor zu 100 Prozent im Eigentum von Gebietskörperschaften stehen und insbesondere die Bereiche der Daseinsvorsorge umfassen, zu prüfen.

Beispielhaft darf ich die Wiener Linien im Hinblick auf die Frage der Behindertengerech­tigkeit von Transportmitteln im öffentlichen Bereich erwähnen. Wenn da Problemfälle bei uns auftauchen, treten wir auch heute schon an die Wiener Linien heran, und ich muss ausdrücklich sagen, dass die Zusammenarbeit auch mit ausgegliederten Einrichtungen in der Regel sehr, sehr gut funktioniert. Es geht aber natürlich auch um Rechtssicherheit, und deshalb wäre es uns eben ein Anliegen, dass wir solche Einrichtungen überprüfen können.

In diesem Sinne, glaube ich, ist das Budget ein angemessenes Budget. Wir werden mit der Genehmigung des Finanzministeriums auch die Möglichkeit haben, auf unsere Rücklagen zuzugreifen. Die Volksanwaltschaft hat in den letzten Jahren mit ihren exzel­lenten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehr sparsam gewirtschaftet, möchte ich auch betonen. Da wir ja alle relativ neu im Amt sind, konnten wir uns von Anfang an über­zeugen, welch große Expertise sich im Haus der Volksanwaltschaft findet, nicht nur in der Verwaltung, die ich eben im Hinblick auf den sparsamen Umgang mit unserem Bud­get erwähnt habe, sondern selbstverständlich auch in allen anderen Bereichen. Aber durch die Möglichkeit, auf die Rücklagen zurückzugreifen, werden wir die nächsten ein, zwei Jahre mit diesem Budgetansatz ganz gut durchkommen und können die Kosten für das Personal abdecken. Spätestens dann werden wir uns aber wieder an das Hohe Haus wenden und Sie ersuchen, uns entsprechend zu unterstützen.


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In diesem Sinne bedanken wir uns für diesen Budgetansatz, und ich danke zugleich für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

18.51


Präsidentin Doris Bures: Danke vielmals.

Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Alois Kainz. – Bitte.


18.51.17

Abgeordneter Alois Kainz (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Regierungsmitglie­der! Geschätzte Vertreter der Volksanwaltschaft! Hohes Haus! Sehr geehrte Frau Präsi­dentin des Rechnungshofes! Der Rechnungshof ist das oberste Kontrollorgan unserer Republik und als dieses prüft er die Effizienz und die Effektivität unserer Staatswirtschaft.

Selbstverständlich kann der Rechnungshof diese Aufgabe nur erfüllen, wenn das Budget im Einklang mit der Arbeit steht. Für das Jahr 2020 stehen dem Rechnungshof gemäß dem Bundesvoranschlag 2020 36 Millionen Euro zur Verfügung. Das heißt, das Budget wurde im Vergleich zum Vorjahr um 3,8 Prozent erhöht, was ich begrüße, es wird da­durch nämlich sichergestellt, dass weitere Planstellen finanziert werden können.

Meine Damen und Herren! Die Coronakrise hat viele Veränderungen mit sich gebracht, nicht nur für uns, sondern auch für die Arbeit des Rechnungshofes. Der Rechnungshof musste nicht nur elektronische Veränderungen vornehmen und mehr auf Digitalisierung setzen, auch müssen im Angesicht der Krise einige Berichte überarbeitet beziehungs­weise neu bewertet werden.

Sehr geehrte Frau Rechnungshofpräsidentin Kraker, Sie haben bereits angekündigt, dass es generell einer Neubewertung der bisherigen Ansätze bedarf. Dem stimme ich gerne zu, denn in meinen Augen ist es falsch, sich an starren Ansätzen zu orientieren. Ich finde, eine Neubewertung der bisherigen Ansätze kann man durchaus als positive Weiterentwicklung der Arbeit des Rechnungshofes werten.

Abschließend möchte ich noch sagen, dass ich sehr dankbar bin, dass wir in unserem Land eine überparteiliche Institution wie den Rechnungshof haben. Der Rechnungshof wird sich in den nächsten Monaten intensiv mit den Covid-19-Maßnahmen beschäftigen, und in diesem Zusammenhang ist die Neubewertung der bisherigen Ansätze sicherlich von Vorteil. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

18.53


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christian Hafenecker. – Bitte.


18.53.35

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Vizekanzler! Wertes Regierungsmitglied! Frau Rechnungshofpräsidentin! Werte Volksanwälte! Ich möchte nur ganz kurz auf die Rede von Frau Kollegin Voglauer eingehen, die vorhin erwähnt hat, dass die Minderheitenrechte für die Slowenen in Österreich sehr, sehr wichtig und hochzuhalten sind. Keine Frage, dazu bekennen wir uns natürlich auch, ich hoffe aber auch, dass man auf der anderen Seite nicht vergisst, dass die deutsche Minderheit in Slowenien gar nicht anerkannt ist und somit nach wie vor auch eine ent­rechtete Minderheit ist. Ich denke, das ist auch ein Zustand, der in Mitteleuropa nicht haltbar ist. Ich ersuche Sie hier vom Rednerpult aus, uns dabei zu unterstützen, dieses Unrecht bald zu beseitigen. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich beziehe mich jetzt auf die Untergliederung 10: Bundeskanzleramt. Ja, die Covid-19-Maßnahmen haben schon schwerwiegende Folgen für uns alle. Es werden die nächsten Generationen sein, die das werden ausbügeln müssen. Die Schäden, meine sehr ge­ehrten Damen und Herren, sind bis jetzt einfach noch nicht absehbar, und das muss uns auch bewusst sein.


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Ich möchte daher auch an Kollegen Zanger anschließen, der vorhin sehr, sehr drastische Worte zum Demokratieabbau in Österreich gefunden hat. Es ist wirklich atemberaubend, in welcher Geschwindigkeit er vonstattengegangen ist und dass die Grünen dabei noch mitgemacht haben. Ja, auch ich erkenne Merkmale des Ständestaates, er greift um sich, und die Grünen beteiligen sich auch noch als Beitragstäter.

Jetzt bin ich, sehr geehrte Damen und Herren, nicht Gerda Rogers, die Bundeskanzler Kurz eine große Zukunft vorausgesagt hat, aber den Grünen möchte ich schon etwas voraussagen: Sie werden noch ein ganz, ganz schlimmes Erwachen erleben, weil Ihre Regierung nicht halten wird.

Ich gebe Ihnen ein paar Denkanstöße mit, zum Beispiel wie die Messagecontrol tat­sächlich funktioniert. Denken Sie nur darüber nach: Alle Verbote, alles, was den Shut­down betroffen hat, hat Bundesminister Anschober kommentieren und verordnen müs­sen, Herr Vizekanzler. Alles, was mit Lockerungen verbunden ist, kommuniziert jetzt Bundeskanzler Kurz. Wenn ich bei den Grünen wäre – was mir nicht passieren könnte ‑, würde ich schön langsam beginnen, nachzudenken.

Vielleicht noch eines: Auch Szenen einer Ehe haben wir jetzt gesehen, dieses ganze Hickhack: Anschober wird von der Bundesregierung widersprochen, es widerspricht Kanzler Kurz. Dann gibt es diese Leaks mit den Todesgeschichten vom Bundeskanzler. Dann wird Frau Staatssekretärin Lunacek im Regen stehen gelassen. Dann wird bei der Austro Control umbesetzt, und jetzt wird wieder Herr Pilnacek abberufen. Ich glaube, als Nächstes in diesem Ehekrach ist wieder die ÖVP dran.

Zurück zu Bundeskanzler Kurz: Er befindet sich auf dem Weg zur totalen Macht. Was braucht man dazu? – Man braucht natürlich auch die Medien dazu, und deswegen hat man eben auch Kampagnen um 20 Millionen Euro geplant, deswegen hat man die Pres­seförderung um 16 Millionen Euro erhöht. Der Boulevard und Herr Benko sagen ja auch Danke dazu. Das heißt, es sind 40 Millionen Euro für die Kurz-Mania.

Dem ist nicht genug, man greift jetzt auch noch auf die Statistikämter zu. Der „Standard“ hat kürzlich aufgedeckt, dass die Statistik Austria eigentlich gegen den Kodex für die Statistikämter jetzt schon Vorabstatistiken an die Bundesregierung liefern muss. Dreimal dürfen Sie raten, warum das der Fall ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Man greift hemmungslos auf den Presse­bereich zu, man greift hemmungslos auf die Statistik Austria zu, und deshalb ist ein Covid-19-Transparenzpaket das Gebot der Stunde. Wir wollen wissen, was Sie mit un­serem Geld machen. Die Leute draußen sollen auch sehen, wo Sie überall hingreifen.

Daher bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „COVID-19-Transparenzpaket“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert die Unabhängigkeit der Statistik Austria wieder­herzustellen und die Kosten der Medienkampagnen im Zusammenhang mit COVID-19 transparent zu veröffentlichen.“

*****

(Beifall bei der FPÖ.)

18.57


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 216

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Hafenecker, MA

und weiterer Abgeordneter

betreffend COVID-19-Transparenzpaket

eingebracht in der 32. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 26. Mail 2020 im Zuge der Debatte über den Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (55 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2020 (Bun­desfinanzgesetz 2020 – BFG 2020) samt Anlagen (183 d.B.) (TOP 7) (UG 10)

Die Maßnahmen der Bundesregierung gegen COVID-19 ziehen schwerwiegende Fol­gen nach sich, welche alle Österreicherinnen und Österreicher betreffen und dennoch mit einem fortwährenden Transparenzmangel einhergehen. Die darum wichtige frei­heitliche Forderung nach einer unabhängige Kontrollinstanz – einem Covid-19-Untersu­chungsausschuss – wird trotz der milliardenschweren Corona-Hilfsmaßnahmen der Re­gierung schlichtweg übergangen.

Es erscheint zunehmend, als habe die Bundesregierung diesen steten Mangel an Trans­parenz vorsätzlich herbeigeführt. Durch eine freiheitliche parlamentarische Anfrage wurde unlängst bekannt, dass die Medienkampagnen im Zusammenhang mit COVID-19 mit intransparenten Rahmenverträgen abgewickelt werden. Wie Bundeskanzler Sebas­tian Kurz in seiner Budgetanfragebeantwortung mitteilte, belaufen sich die Kosten der sogenannten Corona-Kampagnen bereits auf über 10 Millionen Euro. Insgesamt geplant sind derzeit Kosten in der Höhe von bis zu 19,5 Millionen Euro, zusätzlich zur Erhöhung der Presseförderung nach dem 4. Covid Gesetz um circa 15,6 Mio. Euro.

Als eine Tageszeitung aufdeckte, dass das Bundeskanzleramt seit Ende März wichtige Mitteilungen aus der Statistik Austria, entgegen der Bestimmungen im Kodex für die Statistikämter, schon am Vortag ihrer Veröffentlichung erhält, hat sich das Bild einer Re­gierung die sich der Kontrolle entziehen möchte weiter verfestigt.

Im Kodex für die Statistikämter wird im Sinne der Transparenz tatsächlich ein weit hö­herer Maßstab gesetzt, als die Bundesregierung bereit ist einzuhalten: Statistische Stel­len haben „alle Nutzerinnen und Nutzer gleichzubehandeln“ und ihnen „gleichzeitigen und gleichberechtigten Zugang zu statistischen Daten“ zu geben. „Jeglicher bevorzugte Vorabzugang an Externe ist beschränkt, stichhaltig begründet, kontrolliert und wird öf­fentlich bekannt gegeben.“

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert die Unabhängigkeit der Statistik Austria wieder­herzustellen und die Kosten der Medienkampagnen im Zusammenhang mit COVID-19 transparent zu veröffentlichen.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Mir liegen nun keine Wortmeldungen mehr dazu vor, damit sind die Beratungen zu die­sem Themenbereich beendet.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 217

18.57.52UG 32: Kunst und Kultur


Präsidentin Doris Bures: Wir kommen zur Debatte über Untergliederung 32: Kunst und Kultur.

Erster Redner: Herr Abgeordneter Thomas Drozda. – Bitte.


18.58.03

Abgeordneter Mag. Thomas Drozda (SPÖ): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In dieser Woche wird das erste Budget der türkis-grünen Regierung beschlos­sen. Unter normalen Bedingungen könnte man diesem Budget durchaus das Prädikat tauglich ausstellen, jedenfalls was den Bereich Kunst und Kultur betrifft. Die Zeiten sind aber, wie wir alle wissen, alles andere als normal, und eine neue Normalität gibt es in der Kunst und der Kultur nicht – und im Übrigen auch sonst nirgendwo. Schon jetzt ist daher klar, dass dieses Budget so keinen Sinn ergibt, nicht halten wird und dass die Regierung uns Parlamentariern etwas vorlegt und drei Tage debattieren lässt, was de facto Makulatur ist. Ich bezeichne es jetzt einmal als fragwürdig, weil ich in allen anderen Fällen wahrscheinlich einen Ordnungsruf antizipieren könnte.

Wir debattieren also ein Fakebudget, das veraltet ist und das alles bestimmende Thema der letzten Wochen und der nächsten Monate nicht abbildet. Es findet sich beispiels­weise keine Klarheit über die Dauer und Finanzierung der Kurzarbeit – generell nicht und naturgemäß auch nicht hinsichtlich der zur Debatte stehenden Kultureinrichtungen.

Ebenso wenig sind zusätzliche Mittel für die Bedeckung der prognostizierten Einnahme­verluste, etwa der Bundestheater, Bundesmuseen oder anderer kleinerer Kultureinrich­tungen, vorgesehen. Uns wurde mitgeteilt, dass eine Ausfinanzierung dieser Institu­tionen, die in ihren Sparten zweifellos zu den weltbesten gehören und maßgeblich dazu beitragen, dem Ansehen unseres Landes Ausdruck zu verleihen, noch bis August sicher­gestellt sei. Was passiert aber dann im September? Was passiert mit diesen Institutionen im Oktober, und warum um alles in der Welt bildet sich das nicht in diesem Budget ab? (Beifall bei der SPÖ.)

Wir wissen um die fatalen Auswirkungen auf Kunst und Kultur im Bereich der Museen, der Theater und der Konzertsäle. Das sind die Bereiche, die als Erste zugesperrt wur­den, und es sind die Bereiche, die jetzt erst sukzessive und als Letzte wieder aufgesperrt werden. (Präsident Hofer übernimmt den Vorsitz.)

Die Bundesregierung hat, und wir haben sie darin unterstützt, eine weitreichende Ent­scheidung getroffen: Sie hat den Kulturbetrieb auf null heruntergefahren. Nun muss die Regierung aber auch die Verantwortung, die aus dieser Entscheidung resultiert, wahr­nehmen. Ich spreche nicht von Hilfspaketen und ich spreche nicht von der Klostersuppe, ich spreche nicht von Almosen, sondern ich spreche von einem Rechtsanspruch auf Schadenersatz, der zuzuerkennen ist.

Mit Ausnahme der Republik Österreich, des Staates, kann niemand das Problem der fehlenden Ticketeinnahmen lösen. Der Staat muss umfassend einspringen und wie an­dere Länder Einbußen aus dem fehlenden Kartenverkauf kompensieren, sonst straft die Krise vor allem jene, die entweder eine besonders hohe Eigenfinanzierung hatten oder haben, oder auch jene, die über Jahre hinweg Rücklagen aufgebaut haben.

Darüber hinaus fordere und erwarte ich eine zufriedenstellende Abwicklung der Unter­stützungsmaßnahmen. Eine Studie der Universität Wien zeigt, dass zwei Drittel der EPUs und kleinen Unternehmen den Härtefallfonds mit der Note Nicht genügend beur­teilen. Die Studie war so vorsichtig und so rücksichtsvoll, nicht die Künstlerinnen und Künstler gefragt zu haben, denn dann wäre das Urteil wahrscheinlich noch harscher ausgefallen. Die Anträge sind bürokratisch, und die Wirtschaftskammer ist für die Ab­wicklung vollkommen unqualifiziert und daher ungeeignet.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 218

Ich kann daher nur hoffen und erwarten, dass die neue Staatssekretärin die Dinge selbst in die Hand nimmt, selbst Budget in die Hand nimmt und das tut, was jetzt zu tun ist, nämlich eine Kulturmilliarde zu budgetieren, die die Notlage lindert und den Kultureinrich­tungen eine Perspektive für die nächsten drei Jahre gibt, und ihnen auch ermöglicht, sich wieder zu fangen und zu stabilisieren. (Beifall bei der SPÖ.)

19.02


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Eva Blim­linger. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


19.03.00

Abgeordnete Mag. Eva Blimlinger (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Vizekanzler! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss sozusagen mit dem Ende anfangen: Kollege Drozda hat von bürokratischen Anträgen gesprochen. Ja, ich sage das zum wiederholten Male hier im Hohen Haus: Bürokratie ist das Gegenteil von Willkür. So etwas muss bürokratisch sein. Es sollte einfacher sein, da gebe ich Ihnen recht. Würden wir es willkürlich machen, wäre die SPÖ unter den Ersten, die sich darüber aufregt und nach dem Rechnungshof schreien würde. Bürokratie muss also sein, denn es handelt sich um Steuergeld, und das soll bitte nach nicht willkürlichen Maßstäben vergeben werden. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Wir sind ja nicht der Wiener Bürgermeister, der Gutscheine für Taxis und Gastronomie ver­teilt, willkürlich vergibt, sondern wir halten uns an Regeln. (Zwischenruf des Abg. Scherak.)

Ich darf zunächst einmal festhalten, dass das Kunst- und Kulturbudget in Vor-Corona-Zeiten um rund 11 Millionen Euro gestiegen ist. Wir werden natürlich wesentlich mehr brauchen, das ist vollkommen klar, und das gibt es auch. Es gibt auch schon Um­schichtungen im Ministerium und es gibt zusätzliche Mittel – die auch noch, so hoffe ich, mehr werden – für die Künstlerinnen und Künstler, aber auch für jene, die im Umfeld der Kunst und Kultur arbeiten und diese ermöglichen. Das reicht von der Maskenbildnerin bis zum Tontechniker oder zur Bühnenarbeiterin – was auch immer –; das ist eine große Gruppe.

Selbstverständlich werden wir in der Kunst und Kultur nicht zur neuen Normalität zu­rückkehren, denn es hat in der Kunst und Kultur auch keine alte Normalität gegeben. Kunst und Kultur verweigern sich der Normalität, und das macht es auch so schwierig, sie zu finanzieren. Genau das ist aber unser Anliegen, das wir für die nächsten Jahre haben. Wir werden sehen, wie das funktionieren kann. Ich habe das schon in meiner vorherigen Rede gesagt. Zu lang hat man darauf gesetzt, dass es private Finanzierun­gen gibt, und zum Beispiel die Museen immer wieder darauf verwiesen: Nehmt Drittmittel ein! Drittmittel! Drittmittel! – Jetzt gibt es keine Drittmittel und es gibt weniger Einnahmen durch Besuche.

Da haben wir den Salat, weil man zum Beispiel Basissubventionen nicht erhöht hat und weil man insbesondere die freie Szene nicht durch ein starkes staatliches Sozialsystem abgesichert hat, sei es im Rahmen der Arbeitslosenversicherung oder sei es als soge­nannte neue Selbstständige, die oft nur deswegen neue Selbstständige waren, weil es den Finanzrahmen für Beschäftigungsverhältnisse in den Institutionen nicht gegeben hat beziehungsweise zu wenig an Subvention vorhanden war, um Angestelltenverhältnisse zu finanzieren, die dauerhafter und auch sozial besser abgesichert wären. Es wird auch hier im Parlament unsere Aufgabe sein, so etwas zu unterstützen und auch immer wie­der von der Bundesregierung einzufordern.

Ja, den Shutdown gab es als Erstes für den Kunst- und Kulturbereich, und wie wir ja auch schon gehört haben, wird der Sportbereich bereits langsam, step by step, raufge­fahren. Das ist nicht einfach, das ist für jedes Segment anders. Wenn ich Performances im Tanzbereich mache, ist das etwas anderes, als wenn ich auf einer Bühne stehe oder


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Diskurs- oder Diskussionsveranstaltungen mache, bei denen ich das Geschehen viel besser organisieren kann.

Noch ein Wort zu den Ausführungen des Kollegen Drozda: Er nannte den Begriff Scha­denersatz. Ein Schaden kann es ja wohl nicht sein, denn es ist ja kein Autounfall passiert, bei dem man sagt, dass der Gegner mir den Schaden ersetzt. (Abg. Drozda: Der Ein­nahmenausfall ist sehr wohl ein Schaden!) Ein Virus und eine Pandemie sind kein Schaden, und daher gibt es auch keinen Schadenersatz. Es muss eine Absicherung der Kunst und Kultur geben. Es wird kein Schaden ersetzt, sondern es sollen Einnahmeent­gänge, Fixkosten, all das, was sozusagen notwendig ist, um die Ausgaben der letzten Monate abzudecken und dafür zu sorgen, dass keine Situation entsteht, in der Kunst und Kultur eingehen, zur Verfügung gestellt werden, um sie wieder auf den Weg zu brin­gen. Das muss unser Anliegen sein, und wir müssen gemeinsam daran arbeiten und dafür sorgen, dass das funktioniert. Mein Appell ist: Nehmen Sie das alles wahr, gehen Sie ins Theater, gehen Sie in die Oper, schauen Sie sich Performances an und zahlen Sie das Doppelte von dem, was Sie normalerweise zahlen würden. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

19.07


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Volker Reifenberger. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


19.07.51

Abgeordneter Ing. Mag. Volker Reifenberger (FPÖ): Hohes Haus! Über das heute vom Finanzminister vorgelegte Kunst- und Kulturbudget zu diskutieren, ist müßig. Es gleicht einer Verhöhnung des Parlaments, weil auch in diesem Bereich der Finanzmi­nister nicht einmal im Ansatz versucht, die Coronasituation im Budget abzubilden. Wenn auch rechtlich nicht möglich, so hätte uns Minister Blümel ganz ehrlich sagen können: Wir machen heuer überhaupt kein Budget, denn ich weiß nicht wie.

Der Finanzminister erinnert mich an Pippi Langstrumpf, die singt: „Zwei mal drei macht vier, widewidewitt und drei macht neune, ich mach mir die Welt, widewide wie sie mir gefällt.“

Da Ihr Budget dem Kunst- und Kulturbereich nicht hilft, bringen wir auch heute wieder Anträge ein, die wirklich helfen würden. Unser erster Antrag betrifft die Abschaffung des Maskenzwangs im Kunst- und Kulturbereich. Niemand ist gezwungen, eine Kulturver­anstaltung gegen seinen Willen zu besuchen. Wenn es aber Menschen gibt – und ich bin mir sicher, von denen gibt es viele –, die das selbst beurteilen und sagen: Ich gehöre nicht zur Risikogruppe, ich traue mir zu, das Risiko einzuschätzen, nehme es auf mich und besuche eine Veranstaltung, bei der der Mindestabstand von 1 Meter nicht einge­halten werden kann und setze trotzdem keine Maske auf!, dann sollten Sie den Bürgern diese Möglichkeit, diese Freiheit geben, Herr Vizekanzler – auch wenn Sie (in Richtung des den Saal verlassenden Vizekanzlers Kogler) jetzt gehen.

Unser Ansatz ist Eigenverantwortung statt staatlicher Bevormundung. Diese zaghafte Öffnungsstrategie ist zwar ein kleiner Schritt in die richtige Richtung, aber nicht ambi­tioniert genug. Das liegt aber vermutlich weder an der alten noch an der neuen Staats­sekretärin, in Wahrheit liegt das an einem Bundeskanzler, der das Land regiert, indem er es in Angst und Schrecken versetzt. Es liegt an einem Vizekanzler, der sich für Kunst und Kultur nicht wirklich interessiert und sich deswegen im eigenen Ministerium eine Staatssekretärin hält, um sich dieses für ihn unangenehme Thema vom Leib zu halten. Schließlich liegt es an einem Volksschullehrer als Gesundheitsminister, der durch seine juristische Inkompetenz wie ein Winkelschreiber enormes individuelles Leid verursacht und unserem Land Schaden zufügt. Daher fordere ich Sie abermals auf: Hören Sie auf mit diesem staatlich verordneten Coronawahnsinn und geben Sie uns die alte Normalität zurück!


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 220

Ich bringe folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ing. Mag. Volker Reifenberger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Maskenzwang beenden – Kunst und Kultur beleben“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, den Maskenzwang im Kunst- und Kulturbereich umgehend zu beenden und auf Freiwilligkeit umzustellen.“

*****

Mit unserem zweiten Antrag geben wir Ihnen eine weitere Chance zur Schadensminimie­rung. Das eingeführte Gutscheinsystem im Kunst- und Kulturbereich weist einen schwe­ren Mangel auf: Sie haben das Insolvenzrisiko nämlich auf die Gutscheitbesitzer, auf die Konsumenten abgewälzt.

Ich bringe folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ing. Mag. Volker Reifenberger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Insolvenzsicherung für auf Grundlage des Kunst-, Kultur- und Sportsicherungsgesetzes ausgegebene Gutscheine“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzu­leiten, die eine Insolvenzsicherung für alle auf Grundlage des Kunst-, Kultur- und Sport­sicherungsgesetzes ausgegebenen Gutscheine sicherstellt.“

*****

Zusammengefasst und leicht verständlich: Wir fordern einen Insolvenzschutz für Gut­scheinbesitzer, wir lehnen Ihre Maskerade ab und wir lehnen dieses Fakebudget ab! (Bei­fall bei der FPÖ.)

19.11

Die Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Ing. Mag. Volker Reifenberger

und weiterer Abgeordneter

betreffend Maskenzwang beenden – Kunst und Kultur beleben

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 7: Bericht des Budgetausschusses über
die Regierungsvorlage (55 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvor­anschlages für das Jahr 2020 (Bundesfinanzgesetz 2020 – BFG 2020) samt Anla­gen (183 d.B.) – UG 32

in der 32. Sitzung des Nationalrates am 26. Mai 2020

Seit 15. Mai 2020 ist nunmehr die Öffnung von Museen zulässig. Dies selbstverständlich nur unter den hinlänglich bekannten Einschränkungen und Maßnahmen. Insbesondere


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 221

ist das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes beim Besuch von Museen zwingend vorge­schrieben.

Ähnlich wird es sich bei der mit 29. Mai 2020 geplanten schrittweisen Öffnung von Theatern, Kulturveranstaltungen etc. verhalten, wo dem Vernehmen nach ebenfalls während den Vorstellungen und Aufführungen das Tragen von Masken in vielen Fällen verpflichtend sein wird, wie der Pressekonferenz von Bundesminister Anschober und Staatssekretärin Mayer vom 25. Mai 2020 entnommen werden konnte:

„Menschen, die in einem gemeinsamen Haushalt leben und vier erwachsene Menschen, die gemeinsam eine Veranstaltung besuchen, dürfen nebeneinandersitzen". Allerdings sei die Lockerung der Abstandsregel nicht ohne ein kleines "Opfer" möglich, so die am Mittwoch angelobte Kulturstaatssekretärin: "Wenn durch diese Regelungen der Abstand von einem Meter unterschritten wird, dann ist im Publikum der Mund-Nasen-Schutz zu tragen." Das sei selbstredend nicht der Ideal-zustand für das Kulturleben, aber: "Halb­wegs gut besuchte Veranstaltungen mit Maske sind besser als fast leere Säle mit weit auseinander sitzenden Gästen ohne Maske."

Nicht zuletzt im Interesse der Kunst- und Kulturschaffenden sowie im Sinne der Ermög­lichung eines qualitätsvollen Besuchs von Kunst- und Kultureinrichtungen stellen die unterfertigten Abgeordneten daher nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, den Maskenzwang im Kunst- und Kulturbereich umgehend zu beenden und auf Freiwilligkeit umzustellen.“

*****

 Entschließungsantrag

des Abgeordneten Ing. Mag. Reifenberger

und weiterer Abgeordneter

betreffend Insolvenzsicherung für auf Grundlage des Kunst-, Kultur- und Sportsiche­rungsgesetzes ausgegebene Gutscheine

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 7: Bericht des Budgetausschusses über
die Regierungsvorlage (55 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvor­anschlages für das Jahr 2020 (Bundesfinanzgesetz 2020 – BFG 2020) samt Anla­gen (183 d.B.) – UG 32

in der 32. Sitzung des Nationalrates am 26. Mai 2020

Mit der Beschlussfassung des Bundesgesetzes zur Sicherung des Kunst-, Kultur- und Sportlebens vor weiteren Auswirkungen der COVID-19-Pandemie (Kunst-, Kultur- und Sportsicherungsgesetz –KuKuSpoSiG) wurden Konsumenten verpflichtet, in einem be­stimmten betraglich festgelegten Rahmen Gutscheine für in Folge von COVID-19 abge­sagten Veranstaltungen im Kunst-, Kultur- und Sportbereich zu akzeptieren.

Mit einem Abgehen von der Freiwilligkeit des Akzeptierens von Gutscheinen wird einer­seits das Risiko auf den Konsumenten überwälzt, der im Falle einer Zahlungsunfähigkeit oder eines Konkurses des Veranstalters die Kosten zu tragen hat. Andererseits wäre gerade in diesen Zeiten, wo viele Menschen aufgrund von Kurzarbeit oder Arbeitslosig­keit über eingeschränkte finanzielle Mittel verfügen, seitens der Regierung sicherzustel­len, dass die Betroffenen die Möglichkeit erhalten, den vollen Betrag sofort rückerstattet zu bekommen.


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Kritik kommt in diesem Zusammenhang auch vom Verein für Konsumentenschutz, der klarstellt: „Es steht Verbrauchern natürlich frei, von der Geltendmachung ihrer Rechte Abstand zu nehmen und etwa Gutscheine oder eine Verlegung der Veranstaltung zu akzeptieren. Ein derartiges Entgegenkommen muss aber freiwillig bleiben. Denn auch viele Verbraucher sind in einer schwierigen wirtschaftlichen Situation. Die aktuellen Überlegungen sind daher entschieden abzulehnen.

Gegen die diskutierten Beschränkungen der Rückzahlungsverpflichtung einschließlich der Verpflichtung zur Annahme eines Gutscheins bestehen überdies auch massive ver­fassungsrechtliche Bedenken. Zudem ist eine hilfsweise Finanzierung von Veranstaltern zwar nachvollziehbar, aber nicht Aufgabe der Konsumenten, sondern der Banken oder des Staates. Es ist schließlich auch keineswegs gesichert, dass diese Maßnahmen den Kulturschaffenden selbst zu Gute kommen. Geschützt werden in erster Linie die Veran­stalter.“

„Wenn KonsumentInnen von Veranstaltern unter dem Druck der Corona-Krise schon Gutscheine akzeptieren sollen, muss zumindest klar sein, dass diese Gutscheine ihr Geld wert sind, also insolvenzgesichert sind“, kritisiert AK Konsumentenschützerin Ga­briele Zgubic das Tragen des Risikos der Werthaltigkeit der Gutscheine durch die Kon­sumenten. (OTS0165 24.Apr 2020)

Zum Schutz der Konsumentinnen und Konsumenten stellen die unterfertigten Abgeord­neten daher nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzu­leiten, die eine Insolvenzsicherung für alle auf Grundlage des Kunst-, Kultur- und Sport­sicherungsgesetzes ausgegebenen Gutscheine sicherstellt.“

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Beide Entschließungsanträge sind ausreichend unter­stützt, ordnungsgemäß eingebracht und stehen somit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Maria Großbauer. – Bitte, Frau Abgeordnete.


19.11.29

Abgeordnete Maria Großbauer (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! „Kunst und Kultur gehören zu uns Menschen, sie machen uns zum Menschen“, hat die neue Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer im Rahmen ihres Antrittsstatements gesagt. Ich möchte das teilen und diese Aussage zu 100 Prozent unterstützen und unterstrei­chen. Sie hat auch in ihrer letzten Funktion als Kabinettsdirektorin beim Bundespräsiden­ten hautnah miterlebt, wie hoch angesehen das Kulturland Österreich weltweit ist.

Wir haben schon gehört, das Budget ist erhöht worden, und selbstverständlich wissen wir, dass wir wesentlich mehr benötigen werden als das veranschlagte Kulturbudget, um das international berühmte, anerkannte, beliebte Kulturland Österreich weiterhin an der Spitze der Welt zu sehen, für die Kultur selbst, aber natürlich auch für unseren Tou­rismus.

Kollege Drozda und Pippi-Langstrumpf-Kollege Reifenberger, trotz Corona ist natürlich der Beschluss dieses Budgets ganz wesentlich, wie Sie wissen, damit die finanzielle Absicherung für viele Maßnahmen und Projekte der einzelnen Ressorts sowie die Handlungsfähigkeit der Ressorts, natürlich auch des Kulturressorts, abgesichert sind.


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Ja, diese Krise hat uns alle vor enorme Herausforderungen gestellt, auch im Bereich Kunst und Kultur. Was aber hat unsere Bundesregierung gemacht? – Sie hat Tag und Nacht dafür gearbeitet, Hilfe und Lösungen anzubieten, Modelle zu schaffen, um mög­lichst allen zu helfen. Ganz wesentlich ist: Es wird ständig verbessert, nachjustiert. Ja, es wird noch mehr Unterstützung brauchen, nämlich für die großen Institutionen, die Bundestheater, die Bundesmuseen.

Ich möchte vor allem die freischaffenden Künstlerinnen und Künstler hervorheben. Auch sie brauchen eine bessere Unterstützung. Ich bin aber überzeugt, dass diese Bundes­regierung auch für sie eine bessere Lösung finden wird, weil der Bundesregierung be­wusst ist, wie wichtig Kunst und Kultur für dieses Land sind.

Kultur hat einen gesellschaftlichen Wert, eine gesellschaftliche Bedeutung, die man nicht in Zahlen messen kann – nicht alles kann man in Zahlen messen –, sie ist eines unserer höchsten Güter. Was man natürlich sehr wohl in Zahlen messen kann, ist die Wert­schöpfung beziehungsweise sind sonstige Fakten im Tourismusbereich. Die sind be­eindruckend: Je nach Berechnung, je nachdem, welche Sparten man hinzuzählt, sind zwischen 140 000 und 180 000 Menschen im Bereich Kunst und Kultur beschäftigt, die Wertschöpfung beträgt 9 Milliarden Euro. Der Bereich ist eng mit dem Tourismus ver­woben, mehr als 70 Prozent der Wientouristen sagen, sie kommen wegen der Kultur nach Wien und nach Österreich.

Ich möchte noch zwei Bundesländer hervorheben, als erstes Salzburg: Die Salzburger Festspiele haben eine Wertschöpfung von über 215 Millionen Euro österreichweit, 183 Millionen Euro entfallen auf das Bundesland Salzburg. Es freut mich sehr, dass die Festspiele heuer stattfinden werden. Niederösterreich hat über 30 000 Beschäftigte im Bereich Kunst und Kultur, eine Wertschöpfung von 1,35 Milliarden Euro. Der Blick nach Europa macht deutlich, dass der Bereich Kunst und Kultur mehr Beschäftigte hat als die Autoindustrie.

Ich freue mich sehr, dass gestern die heißersehnten Neuerungen betreffend Öffnungen für Kunst und Kultur ab 29. Mai bekannt gegeben wurden. Es wird auch noch Empfeh­lungen für Proben für Profis und Amateure geben, das ist, wohlgemerkt, auch für den bevorstehenden Sommertourismus ganz wichtig. Die Kultur ist da essenziell, und deshalb habe ich abschließend folgende Bitte an Sie alle, auch an Sie, sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher: Wenn Sie Urlaub in Österreich machen, dann besuchen Sie bitte auch wieder so rasch wie möglich Theater, Konzerte oder Kabarettbühnen! – Vielen Dank! (Beifall bei ÖVP, Grünen und NEOS.)

19.14


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Josef Schellhorn. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.15.22

Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Dass die Grünen sich nicht mit wirtschaftlichem Schaden auskennen, ist mir mittlerweile klar. Die­sen Schaden gibt es, liebe Eva Blimlinger, denn einen verlorenen Theaterbesuch oder ein verlorenes Theaterpublikum kann man nicht nachkaufen. Das ist ein wirtschaftlicher Schaden genauso wie in den Museen.

Mit dem Budget gibt es folgendes Problem, Herr Vizekanzler – und das haben wir heute Vormittag auch schon anklingen lassen –: Bereits im Budget vor Covid, das Herr Blümel hier präsentiert hat, fehlte die Valorisierung, und alleine bis 2024 fehlen im Kulturbudget durch die Inflation 50 Millionen Euro.

Wir wollen jetzt nicht mit hineinrechnen, was der Ausfall durch Covid bedeutet, die Sper­ren und Hürden, die im Tourismusbereich eingeführt worden sind. Der Tourismus wird


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ja beispielsweise in der Stadt Wien voraussichtlich erst 2024 wieder so richtig in Schwung kommen, erst dann werden die Nächtigungszahlen den Wert von 2019 errei­chen. Das heißt, auch da fehlt noch mehr Geld. Es werden insgesamt weit mehr als 50 Millionen Euro sein, die dem Kulturbudget fehlen beziehungsweise die Sie in die Mu­seen, in die Theater zusätzlich hineinbringen müssen. Umso erstaunlicher ist es – und das habe ich mit Frau Lunacek damals noch besprochen –, dass die Staatssekretärin nicht mit mehr ausgestattet wird. Ich hoffe sehr, dass Staatssekretärin Mayer da etwas tun wird.

Frau Staatssekretärin Lunacek oder Sie, Herr Vizekanzler, haben vom Wifo eine Studie ein Satellitenkonto betreffend bekommen, die eigentlich veröffentlicht hätte werden sol­len. Das ist auch für die Opposition wichtig, und ich betrachte es als Ihre Pflicht im Sinne der Transparenz, dass Sie diese Daten auch der Opposition zur Verfügung stellen. Dass wir die Studie nicht haben dürfen beziehungsweise dass Sie sie noch unter Verschluss halten, halte ich für sehr problematisch. Es geht ja um die fehlende Datengrundlage, und die brauchen wir ja im Sinne der Transparenz, im Sinne einer gut gefüllten Transparenz­datenbank, wenn man eine evidenzbasierte Politik machen will. Nur so können wir von Doppelförderungen, Rücklagen oder sonstigen Dingen erfahren, die im Kulturbudget passieren. Deshalb möchte ich in der nächsten Kulturausschusssitzung einen Antrag einbringen, mit dem die Schaffung eines Satellitenkontos verlangt wird, weil das eben besonders wichtig ist.

Das Land muss Verantwortung nach außen haben. Wir bezeichnen uns ja zu Recht als Kulturnation. Eine Kulturnation erkennt man aber daran, wie viel Kunst im jeweiligen Land entsteht und nicht daran, wie viel Kunst man sich kaufen kann. Ich glaube, dieses Selbstbewusstsein muss auch vorherrschen, und ich glaube, gerade in der Situation, in der wir uns jetzt befinden, noch einmal den Vorstoß der Einführung einer eigenen Bun­deskulturstiftung hervorheben zu müssen, weil es ganz wichtig ist.

Jeder, der in den „Salzburger Nachrichten“ vom Wochenende das von Bernhard Flieher geführte Interview mit Philippe Bischof gelesen hat, weiß, was die Pro Helvetia macht. Ich möchte Herrn Bischof zitieren: „In diesem Zusammenhang fällt natürlich auf, dass Österreich keine staatlich finanzierte Organisation hat, die gezielt den internationalen Kulturaustausch zwischen Österreich und der Welt fördert, wie das ja viele Nachbarlän­der haben und in der Schweiz von Pro Helvetia [...] verantwortet wird.“

Ich glaube, genau das ist der Punkt. Es ist jetzt die Zeit, um die internationalen Künstler und die Künstler in Österreich zu vernetzen und ein dringend und bitter benötigtes Büro für Zeitgenössisches einzurichten. Es ist, glaube ich, auch ganz wichtig, dass wir dieses Büro mit Experten ausstatten, die proaktiv in der Welt Künstlerinnen und Künstler für Zeitgenössisches suchen und sie mit entsprechenden Künstlerinnen und Künstlern bei uns vernetzen.

Nur so ein professionelles Auftreten kann nämlich der wichtigen österreichischen Kultur­szene auch den Auftrieb geben. Das sollten wir dabei berücksichtigen. Dafür sollten wir Geld aufwenden, alles jetzt ein bisschen zu verändern und für die zeitgenössische Kunst ein entsprechendes Büro, eine entsprechende Vernetzung zur Verfügung zu stellen. Das wäre mein Wunsch und auch ein konstruktiver Beitrag zur Frage: Was können wir jetzt für diese Kulturnation tun? Das wäre der erste richtige Schritt. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

19.20


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Hermann Werat­schnig. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


19.20.33

Abgeordneter Hermann Weratschnig, MBA MSc (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Werte Abgeordnete! Keinen Bereich hat es so


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schwer getroffen wie den Kunst- und Kulturbereich. An dieser Stelle möchte ich auch all jene erwähnen, die hinter den Bühnen arbeiten, die vor und nach den Veranstaltungen tätig sind, die vorbereiten, die daran arbeiten, dass Kunst wirken kann, nicht zu verges­sen das Reinigungspersonal, Billeteure, Garderobe, Beleuchtung, Bühnenbau, all das, was es braucht, damit Kunst wirkt. Viele dieser im Kunst- und Kulturbereich Tätigen, ja, die haben ein Gefühl der Verzweiflung, der Ungewissheit und des Abwartens.

Wir wissen, es gibt kein Szenario, mit dem wir vergleichen können. Alle EU-Staaten, alle Staaten stehen vor der gleichen Herausforderung und haben auch die gleichen Sorgen. Es wird auch zukünftig in vielen Bereichen weiter schmerzen.

Was ist unsere Aufgabe? – Probleme rasch zu erkennen, beim Namen zu nennen und Maßnahmen zu treffen. Das ist das Arbeitspensum in den Kabinetten, in den Klubs, auf der Verwaltungsebene, bei uns Abgeordneten, bei allen Verantwortlichen im Kunst- und Kulturbereich.

An dieser Stelle danke ich Staatssekretärin Andrea Mayer dafür, dass diese Locke­rungen, die angekündigt wurden, mit einem detaillierten Plan dargestellt wurden und der Kunst- und Kulturszene Vertrauen schenken und dass vor allem auch, glaube ich, die Möglichkeit wahrgenommen wurde – und das ist, glaube ich, ganz wichtig –, die Kunst- und Kulturszene bei diesem Plan auch einzubinden. Nochmals: Danke. Das hat gewirkt. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Umso wichtiger ist ein Budget ohne coronabedingte Kürzungen, ein Budget, das die Spielräume aufmacht, das die täglichen Herausforderungen aufgreift und zuversichtlich auch die Aufgaben des Regierungsübereinkommens weiterbearbeitet.

Gerade drei Bereiche im Kunst- und Kulturbereich möchte ich hervorheben, die wichtig sein können und müssen und vor allem in Zukunft auch im Bereich des bevorstehenden Konjunkturprogrammes wesentlich sind, zum Beispiel das baukulturelle Erbe als Auf­gabe eines zukünftigen Konjunkturprogrammes. Daran arbeiten wir, werte Abgeordnete. Da geht es um Sanierung, da geht es um Denkmalpflege, da geht es um Räume in der Erinnerungskultur, da geht es um Räume für Kunst und mit Kunst. Das werden zu­künftige Aufgaben sein, bei denen wir tätig sein können.

Die soziale Absicherung der Künstlerinnen und Künstler, heute schon vielmals ange­sprochen, ist ein wichtiger Bereich, den wir angehen müssen. An dieser Stelle sei er­wähnt, dass der KünstlerInnen-Sozialversicherungsfonds, was die Abwicklung von An­trägen betrifft, vorbildhaft gearbeitet hat. Nur kurz, damit man ein Beispiel hat: Von 3 400 Anträgen wurden bereits 1 795 positiv bewilligt. Das ist transparent und auf der Website einschaubar. Ein Volumen von 1,7 Millionen Euro wurde bereits ausbezahlt.

Ich weiß, es geht nicht nur um den Sozialversicherungsfonds und um die Sozialversiche­rungsträger, es geht auch um die Absicherung der freien Szene in der Zukunft. Es geht um jene, die projektorientiert arbeiten, und es geht auch um eine Absicherung der Ins­titutionen, die im semiprofessionellen Bereich arbeiten, vor allem auch in den Bundes­ländern, wo auch Freiwillige mit professionellen Künstlern und Künstlerinnen zusam­menarbeiten. Da braucht es in Zukunft viel Engagement. Auch der Fonds mit 700 Millio­nen Euro für NPOs – 700 Millionen Euro werden für die Institutionen bereitgestellt – kann da helfen.

Bitte auch das Thema Pensionsansprüche von Künstlerinnen und Künstlern nicht ver­gessen!

Ein dritter Bereich bietet auch eine Chance für uns: eine Kunst- und Kulturstrategie mit allen Parlamentsfraktionen, mit allen Stakeholdern, vor allem auch mit den Bundeslän­dern, mit allen Institutionen gemeinsam zu starten und diese Chance für die Zukunft zu nutzen.


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Das Gebot der Stunde, glaube ich, ist da wichtig: dass man Freiheit in der Kreativität gemeinsam erarbeitet, damit wir an einen Punkt kommen, wo Kunst als menschliches Grundbedürfnis wahrgenommen wird und nicht nur zu einer Freizeitbeschäftigung, ei­nem Konsumgut, einem Produkt degradiert wird.

Werte Abgeordnete, bauen wir an einem Land der freien Kunst und Kultur, und versu­chen wir, da einen gemeinsamen Weg zu finden!

Ein letzter Satz noch zu Abgeordnetem Drozda: Die Kurzarbeit wurde immer für drei Monate angesetzt, mit einer Verlängerungsoption, und es ist nicht vorhersehbar, ob die­se Kurzarbeit nicht auch weiterhin verlängert werden muss. (Zwischenruf des Abg. Droz­da.) Auch das haben wir in der Vergangenheit gesehen: Erhöhungen von 400 Millionen Euro auf über 10 Milliarden Euro, auf 12 Milliarden Euro. Ich möchte das noch einmal kurz sagen: Das ist nicht absehbar. Da muss man jeden Tag sondieren und auch nach­bessern.

Zum Vergleich heute mit Deutschlands Nachtragsbudget vom 27. März: Ja werte Abge­ordnete, glauben Sie, dass diese in Deutschland am 27. März beschlossenen 112 Mil­liarden Euro heute, zwei Monate später, noch aktuell sind? (Zwischenruf des Abg. Drozda.) Die haben dasselbe Problem, dieselben Herausforderungen. Wir werden sie gemeinsam in Europa und Österreich bewältigen, und Deutschland wird vorne dabei sein.

Für die Künstlerinnen und Künstler gibt es jetzt die Sicherheit, im Sommer in einen Kunst- und Kultursommer zu starten. Unterstützen wir sie! – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

19.26


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Katharina Kucharo­wits. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


19.26.29

Abgeordnete Katharina Kucharowits (SPÖ): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Ge­schätzte Kollegen und Kolleginnen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ein Wort zu Kol­legen Reifenberger: Niemand hält sich eine Staatssekretärin! – Wie respektlos ist ei­gentlich diese Aussage gewesen? Ich bitte Sie wirklich, das zurückzunehmen und sich dafür zu entschuldigen! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Nun zum Kulturbudget: Österreich, oh, Österreich, was bist du eigentlich für eine Kul­turnation? Oder nicht? Geschätzte Damen und Herren, werfen wir einen Blick zurück auf die letzten Monate, und schauen wir, was wir erlebt haben und was uns diese Monate gezeigt haben: Seit Monaten hängen Künstlerinnen und Künstler, alle in der Kunst- und Kulturszene, in der Luft. Seit Monaten! Gespräche mit den Künstlerinnen und Künstlern wurden vonseiten der Republik wahnsinnig lange einfach verweigert.

Das ist enttäuschend, und das ist wahnsinnig beschämend für Österreich, das sich als Kulturnation bezeichnet, vor allem, weil der jetzige Finanzminister Blümel auch irgend­wann einmal etwas mit Kultur zu tun hatte. Man glaubt es kaum, aber er war Kultur­minister. Mit Verlaub: Er hat die Künstlerinnen und Künstler immer ignoriert. Er hat kei­nen Finger gerührt, und er ist auf nichts eingegangen. Es ist wahnsinnig beschämend, was da vonseiten des Finanzministers abgegangen ist. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Shetty.)

Also: eine Kulturnation? – Ich glaube, für diese Regierung: not!

Nun aber zu den Zahlen im Budget: 466 Millionen Euro sind für Kunst und Kultur im Jahr 2020 eingestellt, 466 Millionen Euro, in denen keine Maßnahmen abgebildet sind, die mit der Covid-19-Krise zu tun haben, die keine Visionen skizzieren und die keinen Plan beinhalten, um Künstlerinnen und Künstler wirklich vor Armut zu schützen.


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Geschätzte Kollegen und Kolleginnen von den Grünen, ich weiß, dass es Ihnen eigent­lich ein Anliegen ist, Fair Pay für Künstlerinnen und Künstler endlich zu etablieren. Ich stelle Ihnen aber die Frage: Wo finden wir diese Maßnahmen im Budget? Wo finden die Betroffenen echte Fair-Pay-Maßnahmen in Ihrem Budget? – Nirgends, ehrlich gesagt: nirgends!

Sie wissen alle aus der Studie „Zur sozialen Lage der Künstler und Künstlerinnen in Österreich“, einer Studie, die erneuert wurde und deren Update seit zwei Jahren auf dem Tisch liegt und mit der eigentlich auch nichts passiert, dass gerade Künstlerinnen und Künstler wahnsinnig häufig und viel intensiver von Armut betroffen sind als jede andere Branche.

Das sind meistens jene, die eben nicht vor dem Vorhang stehen und die auch nicht zu den Kulturpromis zählen. Das sind aber viele, die sehr viel für die Szene tun und sehr viel dazu beitragen, dass wir Kulturnation sind, und es sind oftmals Frauen – Frauen, die noch immer um ihr Standing in der Kunst- und Kulturbranche kämpfen. Ich frage Sie ehrlich, Herr Vizekanzler: Was genau tut Ihr Budget für Frauen? Sagen Sie mir jetzt bitte nicht: Frauenförderung im Film. Mit Verlaub, das wäre ein Schmücken mit fremden Fe­dern, weil das unter SPÖ-Ministern und -Ministerinnen passiert ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Lassen Sie mich aber nochmals zu dem Drama der Nichtunterstützung in der Covid-19-Krise zurückkommen – Drama deshalb, weil es um persönliche Existenzen geht! Die Soforthilfe, ob jetzt 500 Euro oder eine Verdoppelung auf 1 000 Euro, ist bis jetzt noch nicht ausgezahlt worden, es warten aber wahnsinnig viele darauf – und ehrlich gesagt ist auch das nur ein Tropfen auf den heißen Stein, davon kann ja niemand leben, sondern das ist eine Sofortmaßnahme, die es wirklich dringend braucht.

Von Ihrer Seite – vonseiten des Vizekanzlers, des Finanzministers – kommen immer nur Ankündigungen, und eine Ankündigung wurde jeweils durch die nächste Ankündigung vertagt. Wochenlang ist offen gesprochen nichts passiert, bis der Aufstand vonseiten der Künstlerinnen und Künstler dann wahnsinnig groß war. Staatssekretärin Lunacek hat Fehler gemacht, und sie hat die Konsequenzen gezogen, aber, mit Verlaub, der Finanz­minister hat keinen Finger gerührt, und auch Sie nicht, Herr Vizekanzler.

Wir wollen konkrete Maßnahmen. Es braucht dringend den notwendigen Rettungs­schirm, dringend eine Kulturmilliarde.

Deshalb darf ich auch folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen betreffend „langfris­tiges Investitionsprogramm von einer Milliarde Euro für die Kultur- und Kreativwirtschaft“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere der Finanzminister und der Bundesminister für Kunst, Kultur, Öffentlicher Dienst und Sport werden aufgefordert dem Nationalrat ein umfassendes und langfristiges Investitionsprogramm für KünstlerInnen, Kulturinstitu­tionen und Unternehmen der Kreativwirtschaft in der Höhe von einer Milliarde Euro für die nächsten drei Jahre vorzulegen, um die langfristige Existenz des Kulturlandes Ös­terreich und seiner Kreativen zu sichern.“

*****

Stimmen Sie endlich zu und retten wir gemeinsam die Kulturnation Österreich! – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

19.31


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 228

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Thomas Drozda, Katharina Kucharowits,

Genossinnen und Genossen

betreffend langfristiges Investitionsprogramm von einer Milliarde Euro für die Kultur- und Kreativwirtschaft

eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Budgetausschusses über die Re­gierungsvorlage (55 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoranschla­ges für das Jahr 2020 (Bundesfinanzgesetz 2020 – BFG 2020) samt Anlagen (183 d.B.) – UG 32 Kunst und Kultur (TOP 7)

Die letzten Wochen mit ihren starken Beschränkungen haben wieder einmal gezeigt, wie essenziell Kunst und Kultur ist. KünstlerInnen jedoch stehen vor den Scherben ihrer Existenz. Kulturinstitutionen sind aufgrund der langen Schließdauer und der unsicheren Perspektive von Insolvenz bedroht. Und es betrifft auch nicht nur die KünstlerInnen allein. Vom Ton bis zum Licht, von der Kamera bis zum Ticketbüro, von der Eventagentur bis zum Veranstalter und noch viele mehr wissen nicht, wie sie den Fortbestand ihrer Unternehmen sichern sollen. Die Kunst und die ganze Kreativwirtschaft ist in Gefahr und mit ihr das Kulturland Österreich.

Die bisher zugesagten Hilfen reichen bei weitem nicht und sind in vielen Fällen unge­eignet für die Lebens- und Arbeitsrealitäten von Kreativen. Kulturschaffende dürfen nicht zu Bittstellern degradiert werden. In anderen Ländern wie der Schweiz wurden umfas­sende Hilfsmaßnahmen beschlossen, in Frankreich Kultur zur Chefsache gemacht. In der oft in Sonntagsreden beschworenen „Kulturnation Österreich“ fehlen Initiative, Mut, Engagement und ein Bekenntnis zu unseren Kulturschaffenden. Es braucht einen um­fassenden Rettungsschirm für die Kultur und die Kreativwirtschaft – und zwar jetzt!

Kultur hat enorme wirtschaftliche Bedeutung für Österreich. Im Kreativbereich werden fast 4 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung Österreichs erarbeitet, das sind über 20 Mrd. Euro. Zehntausende Arbeitsplätze hängen davon ab. Was es braucht, ist ein umfassendes und langfristiges Investitionsprogramm in der Höhe einer Milliarde Euro für die nächsten drei Jahre, um der Branche eine Zukunft zu geben und Arbeitsplätze zu retten. Die Maßnahmen zum Shutdown waren schnell beschlossen, jetzt gilt es, Künst­lerInnen, Kulturinstitutionen und Unternehmen der Kreativwirtschaft mit Hilfe eines In­vestitionsprogrammes aus der Krise zu begleiten.

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere der Finanzminister und der Bundesminister für Kunst, Kultur, Öffentlicher Dienst und Sport werden aufgefordert dem Nationalrat ein umfassendes und langfristiges Investitionsprogramm für KünstlerInnen, Kulturinstitu­tionen und Unternehmen der Kreativwirtschaft in der Höhe von einer Milliarde Euro für die nächsten drei Jahre vorzulegen, um die langfristige Existenz des Kulturlandes Ös­terreich und seiner Kreativen zu sichern.“

*****



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 229

Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Abgeordneter Mag. Martin Engelberg. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.31.40

Abgeordneter Mag. Martin Engelberg (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vize­kanzler! Kolleginnen und Kollegen! Abseits der Tagespolitik ein Wort der Wertschätzung von mir; ich denke, es ist auch notwendig, dass wir als Volksvertreter so ein Statement abgeben.

Kunst und Kultur inspirieren. Kunst und Kultur lassen uns nachdenken. Kunst und Kultur bringen Farbe ins Leben. Kunst und Kultur helfen uns, uns weiterzuentwickeln. Kunst und Kultur verschaffen uns immer neue Freude und bereichern Freundschaften. Kunst und Kultur schaffen Verständigung, sorgen für Gesprächsstoff. Kultur ist Innovation und auch ein gewichtiger Wirtschaftsfaktor. Kunst und Kultur bieten Faszination und Be­geisterung. Kunst und Kultur schaffen Abwechslung im Leben, schaffen Neues. Kunst und Kultur sind auch ein Aushängeschild. Für die weltweite Bedeutung Österreichs sind Kunst und Kultur ein wesentlicher Faktor, wenn nicht sogar der wesentliche Faktor.

Mit diesem Budget wollen wir die Basis dafür schaffen, dass wir auch in den kommenden Jahrzehnten das internationale Niveau beibehalten und weiter heben, und die bestmög­lichen Rahmenbedingungen für die in der Kunst und Kultur Tätigen schaffen – von der freien Szene bis zu den großen Kulturinstitutionen. Wir wollen die soziale Absicherung der in Kunst und Kultur Tätigen weiterentwickeln, Fair Pay umsetzen, das Förderwesen verbessern und mehr Transparenz schaffen. Wir wollen unser Bestmögliches dazu bei­tragen, weil wir den Wert von Kunst und Kultur unendlich schätzen.

Vielen Dank an dieser Stelle allen Kunst- und Kulturschaffenden für die wundervolle Be­reicherung, die sie uns geben! – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

19.33


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Hermann Brückl. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.33.49

Abgeordneter Hermann Brückl, MA (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vize­kanzler! Hohes Haus! Die Auswirkungen der Coronakrise bringen auch eine völlig neue Bewertung des Budgets für Kunst und Kultur mit sich. Der Verdienstentgang der Theater, der Museen, der Künstler macht einfach höhere Förderungen für die Zukunft notwendig, und auch der aus der vollständigen Schließung der Bundestheater und der Bundes­museen resultierende Einnahmenentfall ist – laut Budgetdienst, das darf man auch da­zusagen – derzeit noch nicht abschätzbar.

Was die Last dieser ohnehin schon schwierigen finanziellen Situation im Kunst- und Kulturbereich betrifft, kommt noch eines erschwerend hinzu, und zwar das Fehlen eines klaren und strukturierten Führungsmanagements vonseiten der Politikverantwortlichen.

Mit dem Rücktritt der Staatssekretärin Ulrike Lunacek wurde nicht nur deren Versagen im Amt offenbar, sondern es ist das Versagen der gesamten schwarz-grünen Regierung offenkundig geworden. Im „Standard“ – ich darf das zitieren – war vor ein paar Tagen zu lesen: „Das Vertrauen der Kulturszene, das von Anfang an nicht gegeben war, ist nach ihren“ – also nach Lunaceks – „glücklosen, aber auch von Fehlern und Pannen gekenn­zeichneten Auftritten vollends erodiert.“

Weiter heißt es dann zur Regierung: „Die politischen Bande mit dem türkis-grünen Re­gierungsteam wogen schwerer, als sich für die Belange jener einzusetzen, für die Lu­nacek zuständig war.“


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 230

Und dann der Satz: „Lunaceks Vorgesetztem, Vizekanzler Werner Kogler, waren die Kunst- und Kulturagenden offensichtlich egal.“

Genauso wenig wie dieser Regierung die Interessen der Österreicherinnen und Öster­reicher egal sein dürfen, dürfen ihr die Interessen der Kunst- und Kulturschaffenden egal sein. Es gibt zwar den Härtefallfonds, und im Budgetausschuss vergangene Woche hat die damalige Staatssekretärin Lunacek gemeint, es seien bis zum 11. Mai 6 630 Anträge eingebracht worden, aber wie hoch die Summe der ausbezahlten Beträge war, konnte sie nicht sagen. Ihre Antwort darauf war lediglich: Da müssen Sie die Wirtschaftskammer fragen.

Auch darin zeigt sich einmal mehr, dass die Hilfe und die Unterstützung, die die Men­schen in unserem Land jetzt ganz dringend brauchen, im von der Regierung ge­schaffenen Bürokratiedschungel verschwinden und niemand mehr wirklich einen Über­blick über die wirtschaftlich triste Situation in unserem Land hat. Nur eines ist gewiss: In den vergangenen zwei Monaten kamen die Unterstützung und die Hilfe zu kurz.

Ich darf auf das Beispiel Bayern verweisen: In Bayern erhalten Kunst- und Kulturschaf­fende monatlich 1 000 Euro als Unterstützung. In der Schweiz hat man überhaupt einen Rettungsschirm über die Kulturszene gespannt. Dort hat man in einer ersten Tranche 280 Millionen Franken für den Kunst- und Kulturbereich zur Verfügung gestellt.

Was es jetzt braucht, ist Unterstützung. Es gilt, Hilfe zu leisten, es gilt auch, Vertrauen zu schaffen, und man muss Sicherheit geben. Dazu gehört auch, dass man für die Mit­arbeiter in den Kultureinrichtungen ordentliche Arbeitsbedingungen schafft. Es kann nicht sein, dass es im Jahr 2020 im Bereich der Bundesmuseen und der Nationalbiblio­thek noch immer Arbeitnehmer gibt, die keinen Kollektivvertrag haben.

In diesem Sinn darf ich folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Hermann Brückl, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „rasche Einigung auf einen Kollektivvertrag für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Bun­desmuseen und der Österreichischen Nationalbibliothek“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport wird aufgefordert, im Rahmen der Möglichkeiten auf die Direktor/in­nenkonferenz der Bundesmuseen und der Österreichischen Nationalbibliothek dahinge­hend einzuwirken, dass diese umgehend jene Schritte setzt, Maßnahmen einleitet sowie in entsprechende Verhandlungen mit den jeweiligen Arbeitnehmervertretern der Bun­desmuseen sowie der Nationalbibliothek eintritt, die zu einem raschen Abschluss eines Kollektivvertrags für die dort beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer führen.“

*****

Zum Abschluss noch ein Satz, weil von der Szene und von der städtischen Kultur die Rede war: Bitte vergessen wir nicht, dass Kunst und Kultur auch unsere Musiker in den Blasmusikkapellen umfassen, dass das auch die unbekannten Künstler, die Schrift­steller, die Kinderbuchautoren am Land genauso wie in der Stadt betrifft, dass das unse­re Trachtenvereine, unsere Heimathäuser und all jene Menschen betrifft, die tagtäglich für den Erhalt unserer Volkskultur eintreten! (Beifall bei der FPÖ.)

19.38

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 231

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Hermann Brückl, MA

und weiterer Abgeordneter

betreffend rasche Einigung auf einen Kollektivvertrag für Arbeitnehmerinnen und Ar­beitnehmer der Bundesmuseen und der Österreichischen Nationalbibliothek

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 7: Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (55 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvor­anschlages für das Jahr 2020 (Bundesfinanzgesetz 2020 – BFG 2020) samt Anla­gen (183 d.B.) – UG 32

in der 32. Sitzung des Nationalrates am 26. Mai 2020

Seit Jahren wird über den Umstand diskutiert, dass es für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Bundesmuseen und der Österreichischen Nationalbibliothek (mit Aus­nahme des KHM-Museumsverbandes) noch immer keinen Kollektivvertrag gibt.

Immer wieder wurde dieses Thema bei Sitzungen der Direktor/innenkonferenz der Bun­desmuseen und der Österreichischen Nationalbibliothek debattiert, und gab es auch be­reits Treffen zwischen den Vorsitzenden der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst und den Vorsitzenden der Direktorenkonferenz.

Ergebnisse in Richtung eines Kollektivvertrages für alle Bundesmuseen und die Öster­reichische Nationalbibliothek lassen jedoch weiterhin auf sich warten.

Unter anderem machten im Jahr 2018 die Betriebsräte der Albertina, des Belvedere, des MUMOK, des MAK, der Nationalbibliothek und des Technischen Museums in einem Offenen Brief auf den Umstand aufmerksam, dass man bereits seit 17 Jahren vergeblich auf die arbeitsrechtliche Verbesserung dränge und einen gemeinsamen Kollektivvertrag für die Bundesmuseen fordere:

„Die Betriebsratsvorsitzenden fordern den "umgehenden Beginn von Verhandlungen mit den Regierungsverantwortlichen" und eine "konstruktive Thematisierung" des bereits von den Mitarbeitervertretern erarbeiteten und vorgelegten Entwurfs für einen Kollektiv­vertrag.“ (Der Standard, Stefan Weiss, 27.4.2018)

Im Interesse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der österreichischen Bundesmuseen und der Nationalbibliothek stellen die unterfertigten Abgeordneten daher nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport wird aufgefordert, im Rahmen der Möglichkeiten auf die Direktor/innen­konferenz der Bundesmuseen und der Österreichischen Nationalbibliothek dahingehend einzuwirken, dass diese umgehend jene Schritte setzt, Maßnahmen einleitet sowie in entsprechende Verhandlungen mit den jeweiligen Arbeitnehmervertretern der Bundes­museen sowie der Nationalbibliothek eintritt, die zu einem raschen Abschluss eines Kol­lektivvertrags für die dort beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer führen.“

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Mag. Dr. Rudolf Taschner. – Bitte, Herr Abgeordneter.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 232

19.38.36

Abgeordneter Mag. Dr. Rudolf Taschner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Fraglos ist von Geld die Rede, wenn über Kunst und Kultur gesprochen wird. Nie­mand wusste das besser als einst die Medici, die Geldleute im Florenz der Renaissance waren – aber viel wichtiger war, dass sie genauso gut über Kunst und Kultur Bescheid wussten und genau jene entdeckten, die es zu fördern galt. Genau das ist ein Punkt, über den ich hier heute sprechen möchte.

Frau Kollegin Kucharowits hat davon gesprochen, dass es das Kunst- und Kulturland Österreich zu retten gelte. So pathetisch will ich es nicht sagen. Es gab aber in den 75 Jahren der Zweiten Republik in Österreich Zeiten, die wirklich goldene Momente der Kulturförderung waren. Ich denke etwa an Monsignore Otto Mauer, der in seinem Umfeld zum Beispiel – sie sei als eine unter vielen genannt – Ingeborg Bachmann gefördert hat. Ich denke zum Beispiel an Jörg Mauthe und an seinen wunderbaren Imitator Helmut Zilk, unter denen Peymann und vor allem Thomas Bernhard gefördert wurden. Bachmann und Bernhard, das waren Künstler weitab vom Zeitgeist. Darauf kommt es nämlich an, dass man dem Zeitgeist nicht nachhoppelt, sondern wirklich diejenigen erkennt, auf die es ankommt. Das wird dann die Rettung des Kulturlandes, wenn ich so sagen darf, das wird eigentlich in Wirklichkeit die Bedeutung der Kultur darstellen.

Kollege Engelberg hat festgestellt, warum wir uns an Kunst und Kultur erfreuen, aber es ist im Wesentlichen der Punkt, dass Kunst und Kultur natürlich für sich selber stehen, darum ist das niemals normal und es wird niemals eine frühere oder eine spätere Nor­malität geben, wie Frau Kollegin Blimlinger richtig gesagt hat.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hier in diesem Saale blicken wir auf diese Bilder. Das war damals auch eine Krise, eine kleine Krise. Die Hofburg hat gebrannt, und plötzlich hat ein Wirtschaftsminister, der tatsächlich weitab von jeglichem zeitgeis­tigem Nachhoppeln war, einem Josef Mikl gesagt: Du malst hier diese Bilder! Und diese Bilder erlösen uns von manch schwierigen Reden. Herr Kollege Matznetter und Frau Kollegin Belakowitsch werden sich das sicherlich zu Herzen nehmen. (Heiterkeit bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.) Wir blicken hier auf diese Bilder und können das ertragen. (Beifall bei der ÖVP.)

In diesem Sinne, meine sehr verehrten Damen und Herren, werden der Kulturminister und die Kulturstaatssekretärin nicht daran gemessen werden, ob sie jetzt dem Zeitgeist nachhoppeln, sondern sie werden daran gemessen werden, ob sie in einem Atemzug mit Zilk, mit Mauthe, mit Otto Mauer genannt werden. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Abg. Brandstätter. – Abg. Brandstätter: So ist es!)

19.41


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Ruth Becher. – Bitte, Frau Abgeordnete.


19.41.28

Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Herr Präsident! Die Herren Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, Kultur ist ein hohes Gut, Kultur regt uns zum Denken an. Sie gibt uns Identität, weckt Emotionen und ist ein wichtiger Gradmesser für Demokratie und für Freiheit. In Bezug auf einen Kulturbetrieb, wie er Österreich und der Kulturhauptstadt Wien gerecht wird, bedarf es natürlich auch hoher Transparenz und Finanzierung, die den Kulturbetrieb planbar und hinterfragbar machen. Das betrifft vor allem die Kulturschaffenden, die als Einzelkämpfer und Einzelkämpferinnen Kultur schaffen, ebenso wie große Opernhäuser und Schauspielhäuser.

Unter diesem Gesichtspunkt ist auch der Budgetentwurf zu betrachten und zu hinter­fragen. Dieser Entwurf erscheint nicht nur im Detail als nicht machbar, sondern er schei­tert auch im Ganzen. Es ist im Wesentlichen ein Fortschreiben alter Zahlen ohne den


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Versuch, auch nur irgendetwas zu prognostizieren. Wenn sich der Finanzminister schon nicht die Mühe macht – was seine Aufgabe wäre –, wie sollen denn dann die wirtschaft­lich Verantwortlichen in den Kulturbetrieben Planungssicherheit gewinnen? Außerdem stellt sich die Frage, ob dieses vorsätzliche Vorlegen falscher Zahlen überhaupt verfas­sungskonform ist; die SPÖ lässt das ja zurzeit prüfen.

Der zweite Teil dieses Entwurfes ist ein Schattenbudget, ein milliardenschwerer Topf, der für die Abfederung der Krise gedacht ist. Dieser ist sehr, sehr intransparent. Während die Regierung gestern den Fahrplan für den Kulturbetrieb bekannt gegeben hat, bleiben betreffend Bedeckung entgangener Einnahmen sehr große Fragezeichen. Die Bundes­theater, die an sich sehr gesunde Betriebe sind, hatten in der Saison 2018/19 über 1,35 Millionen BesucherInnen – es spricht, glaube ich, für sich, wie sie angenommen werden – und die Umsatzerlöse des gesamten Bundestheaterkonzerns betrugen in der Saison 2018/19 81,5 Millionen Euro. Jetzt wird sich da ein entsprechendes Loch auftun und es braucht nun ein Bekenntnis, diese Last auch zu tragen.

Was es heißt, sich zur Kultur zu bekennen, kann man an der Bundeshauptstadt, an der Kulturhauptstadt Wien, sehen, die 2019, als noch keine Coronakrise herrschte, das Kul­turbudget um über 10 Prozent erhöht hat und während der Krise durch Werkförderungen einen sehr solidarischen Umgang mit den Kulturschaffenden gepflegt hat und auch die Arbeitsstipendien für die KünstlerInnen abermals aufgestockt hat. Bis gestern hat die Bundesregierung dabei zugesehen, wie im Bereich von Kunst und Kultur viele Existen­zen gefährdet und zum Teil auch ruiniert wurden. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

19.44


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme hat sich nun Herr Vizekanzler Mag. Werner Kogler zu Wort gemeldet. – Bitte schön, Herr Vizekanzler.


19.45.07

Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler
Mag. Werner Kogler
: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich gehe davon aus, dass wir am Freitagvormittag anlässlich der Vorstellung der neuen Staatssekretärin hier im Haus gemeinsam Gelegenheit haben werden, noch einmal grundsätzlich über Kunst und Kultur zu debattieren; heute mehr zum Budget und zu den Zahlen.

Das kommende Zitat ist natürlich auch nicht von mir, aber in den letzten Tagen kommt es immer wieder vor, weil wir da gar so die riesigen Löcher und Lücken, die sich auftun, bedecken wollen, dass manchmal in Vergessenheit gerät – und ich denke, so hat es auch der Bundespräsident gesagt, der es wieder in Erinnerung gerufen hat –, dass Kunst und Kultur ein Wert an sich sind. – Wenn das so ist, dann soll das aber trotzdem nicht darüber hinwegtäuschen, dass die materielle Basis natürlich da sein muss. Das war ja fast eine sehr inspirierend philosophische Einlage des Abgeordneten Taschner; diese Quasiausstattung muss ja dann genau dazu führen, dass das Unkonventionelle, das nicht Einplanbare, das nicht zu dieser Zeit, wenn es dann kommt, Wohlgefällige mitali­mentiert und zur Verfügung gestellt werden muss. (Abg. Taschner nickt.)

Ich weiß nicht, ob man da unbedingt bis zu den Medici zurückgreifen muss, aber diese hatten natürlich den Vorteil, dass sie das auch schon anders als andere absolutistische Herrscher angegangen sind, denn sie haben sich ja sozusagen in der Entwicklung des Stadtstaates Florenz hervorgetan, und das erste Mal hat sich, glaube ich, in großem Stil auch das Verhältnis von Wirtschaft und Kultur und nicht nur von Machthaber und Kultur abgebildet, jedenfalls von Geld und Kultur. Sie waren ja auch maßgeblich daran beteiligt, das Geldsystem so zu entwickeln, wie es heute ist.

Ich will das jetzt aber nicht zum Anlass nehmen, selbst weiterzuphilosophieren, sondern nur so viel sagen, dass man es nicht nur bei den Zahlen belassen sollte. Jetzt aber, da es natürlich um diese – wie ich immer sage – Einschläge und Einschnitte geht, sind man­che Bereiche besonders hart betroffen, gerade im finanziellen Bereich.


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Ich gebe allen recht, die darauf hinweisen, dass man diese Budgetzahlen jetzt natürlich anständig nachdrehen muss, das ist ja überhaupt keine Frage. Abgeordneter Drozda hat darauf hingewiesen, dass das in mehreren Bereichen notwendig ist. Ich würde auch so weit gehen, denn in seinem Interview in der Sendung „Hohes Haus“ am Sonntag hat er fast noch mehr gesagt – Hohes Haus, das passt eh hierher –; ich würde ihm über weite Strecken recht geben. Die Frage ist nur, wie und wie schnell wir das schaffen. Das mah­nen Sie ja auch zu Recht ein. Ich erkenne hier eine ähnliche, phasenweise gleichlau­tende Analyse der Notwendigkeiten. Solch ein Zugang ist mir natürlich fünf Mal lieber als jener des Abgeordneten Reifenberger, da ja schon von Frau Kollegin Kucharowits darauf hingewiesen wurde, dass man eine Staatssekretärin jetzt nicht unbedingt so qualifizieren sollte, wie er es getan hat. – Aber sei’s drum.

Es hilft auch nicht, hier Pippi Langstrumpf ins Spiel zu bringen, denn ich weiß nicht, wo dieser Vergleich wieder hinführt. Sie haben ja dann gerade so getan, als ob diese ganze Epidemie wieder nur zum Anlass genommen worden wäre, um irgendwie blöd zu tun, und so etwas möchte ich schon zurückweisen, selbst von der Regierungsbank aus. Da hilft auch der Hinweis auf Pippi Langstrumpf nichts. Die hätte sich den Unsinn im Übrigen auch nicht gefallen lassen, sie hätte eine lustige Rache für Sie ersonnen. Wir kennen sie nicht genau.

Jetzt aber zu den Punkten, die hier genannt wurden, und dazu, wie ich das selber ein­ordnen würde. Kommen wir noch zum Budget vor Corona! Da gibt es immerhin – im­merhin! – eine Erhöhung um ziemlich genau 11 Millionen Euro, ich glaube, Kollegin Blim­linger ist ein bisschen darauf eingegangen.

Jetzt kann man sagen, das ist falsch, zu wenig oder auch das Fortschreiben des Be­stehenden – weiß ich nicht. Da ist ja auch schon länger, glaube ich, sozialdemokratische Handschrift drinnen gewesen. Da hätte der jetzt hier in Kritik stehende Finanzminister in seiner kurzen Zeit als Kulturminister gar nicht so viel anrichten können, wie Sie ihm hier vielleicht andichten wollen. Also da wird ja dann auch etwas mit sozialdemokratischer Handschrift fortgeschrieben, und es hat ja von sozialdemokratischer Seite auch ein paar Hinweise darauf gegeben – und, ich denke, zu Recht –, dass einiges Gutes in der Struk­tur des Kulturbudgets enthalten ist.

Ich nehme das also durchaus differenziert wahr. Ich hoffe, ich kann das zum Ausdruck bringen, und meine wirklich, dass da jetzt tatsächlich viel geschehen muss, nämlich draufgesattelt auf das Budget, das halt nun einmal noch nicht korrigiert wurde. Auch da kann man aber sehen, dass die Valorisierung da oder dort gar nicht so schlecht gelungen ist. Wenn Sie nachschauen, werden Sie sehen, dass bei der freien Szene letztlich ein Plus von 2 Millionen Euro drinnen ist. Das ist ein Schritt in Richtung einer anständigen Valorisierung, denn das geht deutlich darüber hinaus, und es wird ja hier auch noch an mehr gearbeitet.

Ja, dann ziehe ich das vor: Wenn wir die freie Szene betrachten, führt mich das dazu, auch zu den Freischaffenden zu kommen, weil in diesem Bereich oft auch individuell eine größere Anzahl an Schicksalen zu verorten ist. Ja, es wird notwendig sein, die frei­schaffenden Künstlerinnen und Künstler mit einem eigenen Unterstützungsfonds, am besten mit der Dotierung von Entschädigungen über jeweils sechs Monate, weil es eben so lange dauert – auch hier dieser Gedanke –, auszustatten, und das rasch. Ich glaube, wir denken da in eine gleiche Richtung, und ich bin auch zuversichtlich, dies jetzt bald zu verwirklichen beziehungsweise herausverhandelt zu haben. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

So schlecht war es aber an dieser Stelle jetzt nicht, und bei diesen 2 Millionen Euro würde sich auch der Fair-Pay-Gedanke abbilden – wir wollen ja antauchen, und das ma­chen wir ja auch immer noch.


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Ich darf außerdem auf die Entwicklung der geschlechterspezifischen Verteilung der För­derungen verweisen. Das ist jetzt nicht mein Verdienst, daran sind mehrere Parteien, denke ich, beteiligt. Vor circa 15 Jahren sah es bei den Förderungen so aus, sofern wir sie geschlechtsspezifisch erfassen können, und das können wir ja nach den Reformen nun viel besser, dass der Anteil der Frauen bei der Inanspruchnahme der Fördermittel bei 40 Prozent gelegen ist. Seit wenigen Jahren, jedenfalls schon seit 2018, liegt dieser Anteil bei deutlich über 50 Prozent. Das ist nicht so schlecht. Ich brauche mich mit diesen Federn gar nicht zu schmücken, wem auch immer die Ehre für diese Entwicklung ge­bührt, aber so schlecht ist alles also offensichtlich nicht. Das wollte ich damit sagen, und wir wollen ja in diese Richtung weiterarbeiten.

Ich bleibe gleich bei den Fragen, die zwischendurch gekommen sind. Ich habe mich natürlich gleich wegen der angesprochenen Wifo-Studie erkundigt. Tatsächlich liegt ein­mal ein Entwurf vor, und es ist ja offensichtlich nicht unüblich, dass dann nach einer Schlussredaktion eine endgültige Version vorliegt – und seien Sie gewiss, dass ich je­denfalls daran denke, dass wir diese Studie nicht nur Ihnen zur Verfügung stellen, das natürlich erst recht, sondern überhaupt veröffentlichen. Danke für den Hinweis. Das ist also im Werden und das wird auch nicht mehr allzu lange dauern, habe ich mich eben briefen lassen.

Jetzt aber zu den Zahlen, die hier nachgefragt wurden, die man natürlich noch weiter anständig betrachten muss. Ich kann Ihnen noch nicht sagen, wie hoch sie letztlich sind, ich kann Ihnen nur sagen, was es braucht, wenn wir es differenzieren.

Wir haben hier zunächst einmal – darüber hatten wir uns ja sowohl im Budgetausschuss als auch im Kulturausschuss schon unterhalten – die großen Kulturinstitutionen, die ja zum Teil zu uns selber zurück ressortieren, natürlich auch bei anderen Gebietskörper­schaften. Die Bundesländer werden im Zuge der Finanzausgleichsgespräche auch ir­gendwann bei uns stehen und sagen: Ja, hey, hallo, wir wollen auch unsere Institutionen, ob das jetzt in Salzburg ist oder in Graz, überall, gut über die Runden bringen und die Lücken decken! Die haben das auch nicht gleich so. Wir haben ja diese Debatten, und ich kann dann immer nur sagen, und jetzt kommt ein – sorry for that – finanzpolitisches Argument: Solange, und das wird noch länger so sein, sich die Republik um 0 Prozent Geld aufnehmen kann, sprich in Wahrheit Anleihen begeben kann, muss das möglich sein, dass everything it takes auch everything it takes bedeutet, für mehrere Bereiche.

Ich merke schon immer das Misstrauen, ob das so kommen wird. Vielleicht kommt es daher, dass nicht immer gleich über Nacht alles rausgeschüttelt wird, aber ja, das ist der Anspruch und der Ansatz. Das würde auch bedeuten, dass unsere Staatsverschuldung von 68, 70 Prozent halt wieder um 20 Prozent steigt. Wenn wir 0 Prozent dafür zahlen, dann werden wir jahrelang damit über die Runden kommen. Sonst müssten Sie mich ja fragen: Was ist denn mit dem los? Der glaubt, wir können unbeschränkt Geld drucken!, oder was auch immer. – Das tun wir ja gar nicht. Daher kommt das.

Solange das so ist und nicht überall sofort die Einschnitte auf alle Lebensbereiche, auch auf wirtschaftliche und soziale Bereiche niederprasseln – dafür bin ich natürlich nicht zu haben, das diskutieren wir ja eh immer separat –, wird das auch für den Kunst- und Kulturbereich zu gelten haben – und erst recht, wenn Österreich sich eben zu Recht als Kulturnation darstellt –, dass wir diesen Kurs halten. Da bin ich jetzt nicht nur bei einem Wert an sich, da bin ich auch dort, dass ich sage, dass das auch enorme wirtschaftliche Auswirkungen hat. Das muss man ja im Kreislauf sehen.

Tatsächlich ist es so, wie Abgeordneter Drozda gesagt hat, dass natürlich gerade in Wien große Institutionen durchaus auch vom gar nicht mehr immer so geliebten Tou­rismus abhängig sind. Ich kann es nur nicht genau vorausberechnen. Das habe ich nicht ganz verstanden, ob Sie da schon genauere Zahlen haben, aber wer jetzt weiß, wie sich der Tourismus 2023/2024 entwickeln wird, den beglückwünsche ich wiederum. Es wird


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aber einen Einbruch geben, und tatsächlich ist es ja so, wenn wir uns die Museenland­schaft anschauen, dass jene, die eine hohe Eigenwirtschaftlichkeit haben, genau aus dem Grund jetzt am stärksten getroffen sind. Auch darüber haben wir uns schon aus­getauscht.

Das heißt, es wird nach einer Überbrückungshilfe tatsächlich darauf ankommen, auch wegen der Planbarkeit, die weiteren Hilfen – die haben sich ja alle nichts zuschulden kommen lassen, ist ja klar – dann über die Einnahmenausfälle zu definieren und nicht nur über Kostenersätze. À la longue kann das nicht anders sein, denn keine dieser Ins­titutionen ist auf Gewinn ausgerichtet. Das hat eine Logik. Ich kann hier sozusagen nur den Gedanken äußern, wie wir uns da nähern und dem zustimmen können, und solange es so ist, dass wir alle Lebensbereiche mitnehmen wollen, werden Kunst und Kultur ge­nauso vorne mit dabei sein. Darüber werden wir uns wahrscheinlich noch öfter unter­halten.

Der zweite Bereich sind die privaten oder auch gemeinnützigen Träger. Wir haben schon öfter Gelegenheit gehabt, über diesen neu zu kreierenden Fonds zu reden, damit halte ich mich jetzt nicht auf. Ich habe schon angekündigt, dass es mit Sicherheit für die Frei­schaffenden, die individuell Betroffenen etwas geben wird.

Damit habe ich, glaube ich, einmal alles, was gerade akut ist, zumindest mit hereinge­nommen, und ich hoffe und erwarte, dass wir am Freitag noch eine entsprechende Kunst- und Kulturdebatte wiederaufnehmen können und uns vielleicht dann nicht nur über Zahlen unterhalten.

Die berühmte Frage, weil es vorher beim Sport ein Thema war, hatte ich nicht mit hinein­genommen, nämlich betreffend die Aufsperrpläne, wie das jetzt immer so heißt; diese kann ich natürlich auch noch beantworten.

Ich sehe auch da, wenn wir den internationalen Vergleich anschauen, dass Österreich mit dem, was gestern erst vorgestellt wurde und jetzt alle zwei Wochen noch einmal verfeinert wird, eben in Richtung weitere Öffnung und Lockerung, solange die gesund­heitspolitischen Zahlen sich so gut entwickeln – viel besser geht es dann eh nicht mehr; passt gut, dass der Kollege Außenminister da ist –, wirklich unter den Ersten ist, auf einem vorderen Platz liegt. Ich versuche, das dauernd abzugleichen, das ist ja nicht in jedem Land gleich – in der Bundesrepublik Deutschland ist ja das Ganze sehr stark auch Bundesländerangelegenheit –, aber ich finde fast keine Region und schon gar keinen Staat, der in all diesen Bereichen ähnlich rasch unterwegs ist wie wir.

Dass das gerade für große Häuser, Theaterbetriebe, Opernbetriebe von großem Belang ist, ist ja klar; ich habe mich ja auch mit Herrn Kušej getroffen. Das ist mir ja alles klar, deshalb ist das mit den Proben schon länger geklärt, sie können das jetzt schon machen, brauchen aber eine Sicherheit für die Monate September, Oktober, fortfolgende. Noch einmal: Bis vor Kurzem beziehungsweise bis heute ist es so, glaube ich, dass die in der Elbphilharmonie erst recht nicht wissen, wie es im Herbst ausschaut, und die in der Mailänder Scala auch nicht oder noch viel weniger, aus naheliegenden tragischen Grün­den.

Bei aller wechselseitigen Heftigkeit, die es ja geben soll, plädiere ich dafür, ein bisschen den Vergleich zu suchen, nicht weil er uns so viel sicherer macht – es ist überall unsi­cher –, aber weil das zumindest ein Licht darauf wirft und zeigt, dass das alles nicht ganz so einfach ist. Ich habe es mir als Oppositioneller, als Abgeordneter der Opposition immer einmal erlaubt, durchaus flott am Rednerpult zu stehen. Oft aber habe ich auch gesagt, es ist in Österreich vieles gut. Und diese differenzierte Debatte würde ich mir auch wünschen. Sie als Opposition sind aber natürlich eingeladen, Ihren Job besonders gut zu machen. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Brandstätter: Danke für die Ein­ladung!)

20.01



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 237

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Abgeordneter Johann Höfinger. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.01.12

Abgeordneter Johann Höfinger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Herr Bun­desminister! Geschätzte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe nur 2 Minuten Redezeit zur Verfügung, da kann man die Themen nur ganz am Rande streifen. Vielleicht ein Wort zur allgemeinen Diskussion, die heute schon über dieses Budget geführt wurde: Es wurde von einem Fakebudget gesprochen, von meiner Vorred­nerin Ruth Becher soeben von einem Schattenbudget und von vielem, vielem mehr. Liebe Freunde der Opposition, ihr wisst, dass dieses Budget in diesen Tagen unter schwierigsten Bedingungen geschnürt wurde (Zwischenruf bei der SPÖ) und unter Ein­bindung aller zur Verfügung stehenden Parameter, unter Einbindung aller Fachexperten. Es wird laufend nachberechnet, und deshalb ist es durchaus entbehrlich, wenn man sich hierher stellt und dann so etwas von sich gibt. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Ernst-Dziedzic. – Zwischenrufe der Abgeordneten Kassegger, Loacker und Vogl.)

Es wurde heute schon erwähnt, Österreich ist eine Kulturnation. Wir sind sehr stolz da­rauf. Der Österreicher trägt die Kunst- und Kulturszene mit Leidenschaft mit. Sie hat ja unheimlich viele Facetten: von den großen Häusern hier in Wien bis zu den Kleinbühnen im ganzen Land, getragen von vielen Laien, von vielen Profis, von vielen, die in den unterschiedlichsten Bereichen jeden Tag mit Herz, Hirn und Engagement dabei sind, um dieses kulturelle Leben zu erhalten, das uns in Wirklichkeit eine bunte Welt eröffnet. – Dafür meinen großen Dank, denn wir wissen, die Kunst- und Kulturszene ist auch wirt­schaftlich ein großer, wichtiger Faktor und ein großer Arbeitgeber für Menschen auf der Bühne, für Menschen unter Bühne, über der Bühne, vor der Bühne und hinter der Bühne. Diese Menschen wurden in den letzten Monaten mehr als gefordert, und daher denke ich, der Ansatz, den wir in diesem Budget verankert haben, ist gut. Wie der Vizekanzler ausgeführt hat, wird laufend an den Schrauben gedreht. Sie wissen, jeden Tag kommen neue Erkenntnisse dahin gehend, wie sich die Wirtschaft entwickeln wird, herein. Und ich denke, in dieser Symbiose sollten wir auch dieses Kulturbudget betrachten. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

20.03


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Abgeordneter Dr. Harald Troch. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


20.03.27

Abgeordneter Dr. Harald Troch (SPÖ): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Herr Bundes­minister! Nach elf Wochen coronabedingtem Lockdown, Shutdown sind wir jetzt am We­ge der Normalisierung. Heute höre ich hier ständig von Türkis und Grün, wie gut wir sind, wie gut wir es angeblich geschafft haben. Die Wahrheit ist, dass es fast 600 000 Arbeits­lose gibt, dass 1,1 Millionen Menschen in Kurzarbeit sind und Zehntausende KMUs und noch mehr Einpersonenunternehmen am Ende ihrer Kräfte stehen.

Meiner Meinung nach stecken Türkis und Grün den Kopf in den Sand, wenn es um diese vielen, vielen Menschen geht. Wir diskutieren ja jetzt Kultur und Kunst, einen Bereich, in dem es 300 000 Betroffene gibt. Viele davon sind nun im dritten Monat ohne Einkom­men. Künstler sind zu Bittstellern geworden, weil Sie das Epidemiegesetz aus der Mo­narchie – ein bewährtes Gesetz für Katastrophen – mit Ihrer schwarz-grünen Mehrheit ausgehebelt haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Der Bundeskanzler ignoriert die Kultur, der Finanzminister ignoriert die Kultur, der zu­ständige Vizekanzler ignoriert die Künstler, die Staatssekretärin ist zurückgetreten. – Das ist der personelle Zwischenstand. (Zwischenruf der Abg. Maurer.) Die Kulturschaf­fenden, die Künstlerinnen und Künstler, fragen sich, wie es weitergeht. Wann kann man


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überhaupt wieder planen? Aktionen, Einkommen, Investitionen? – Im Gegenteil: Viele sind ja inzwischen in einer Schuldenfalle gelandet. Viele haben Investitionen vor der Sai­son getätigt und es gibt keine Einnahmen.

Und ja, da regiert die Angst. Es regiert die Angst bei vielen, nicht nur bei Kulturschaf­fenden. Die Angst regiert, weil sie auch geschürt wurde. Der Bundeskanzler ist ja be­rühmt geworden für die Aussage, dass 100 000 sterben werden und dass jeder jeman­den kennen wird, der draufgezahlt hat. Damit wurde Angst gemacht.

Dass Lukas Resetarits da der Kragen platzt, dass er die guten Manieren ablegt, dafür habe ich Verständnis, dafür habe ich menschliches Verständnis. Resetarits sprach von Respektlosigkeit der Regierung, von Missachtung einer ganzen Branche, und er war zornig und wütend.

Diese Angstmacherei funktioniert aber jetzt nicht mehr, Herr Bundeskanzler. Wenn alle Leute merken, was da an Angstmacherei, an unnötiger Angstmacherei dahinter war, dann werden auch Ihre Umfragewerte, Herr Bundeskanzler, einen Lockdown erleben, und das ist gut so. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

20.06


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Irene Neumann-Hartberger. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


20.06.41

Abgeordnete Irene Neumann-Hartberger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir debattieren heute einen Bud­getvoranschlag, den es in dieser Form in Österreich noch nie gegeben hat. Trotz der vielen Kritik bin ich stolz, dies in einem Land wie Österreich tun zu dürfen, in einem Land, in dem die Gesundheit der Menschen an erster Stelle und über allem steht. Der Bundes­regierung und vor allem dem Finanzminister Untätigkeit vorzuwerfen ist eigentlich un­glaublich und definitiv nicht gerechtfertigt. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich bin froh, in einem Land zu leben, in dem ein derart großes, vielfältiges und umfang­reiches Hilfspaket aufgestellt und auch umgesetzt wurde. Das erledigt sich definitiv nicht von allein, sondern bedarf der Anstrengung vieler. Aufgrund der Ausnahmesituation im Zuge der Covid-19-Krise, für die es keine vergleichbaren Erfahrungen und Lösungsan­sätze in der Schublade gegeben hat, sind schrittweise Adaptierungen, Verbesserungen und Ausweitungen des Hilfs- und Maßnahmenpakets logisch und begrüßenswert. Dass ein kurz vor der Krise fertiggestellter Budgetentwurf mit all seiner Komplexität aufgrund der aktuellen Situation und der sich ständig ändernden budgetrelevanten Zahlen nicht täglich, auch nicht tagesaktuell, angepasst werden kann, ist für mich durchaus nachvoll­ziehbar und verständlich.

Die Veränderungen durch die Covid-19-Pandemie sind in unserem wirtschaftlichen, in unserem gesellschaftlichen und auch kulturellen Leben enorm. Vielen wird erst jetzt be­wusst, wie bereichernd und selbstverständlich eine funktionierende Veranstaltungskultur in unserer Gesellschaft ist. Dieser ganze Sektor mit all seiner Bandbreite an unterschied­lichen Veranstaltungsformaten in den Bereichen Kunst und Kultur, Sport, wissenschaftli­che Kongresse und Tagungen, Festivals und Events und, nicht zu vergessen, unser le­bendiges Vereinswesen stand still. All das muss in vollem Umfang wieder auf die Beine kommen, denn genau das trägt enorm zu einem lebens- und liebenswerten Österreich bei.

Das Gebot der Stunde ist es, die Covid-19-Wirkungen abzufedern und auch in diesem Bereich maximale Unterstützung zu leisten. Im Budget sind für den Kunst- und Kulturbe­reich keine Kürzungen, sondern eine Erleichterung von 2 Prozent, sprich 11 Millionen


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Euro, vorgesehen. Das ist richtig und wichtig und eine solide Basis, die es aus meiner Sicht auch zu schätzen gilt. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

20.09


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hans Stefan Hint­ner. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.09.35

Abgeordneter Hans Stefan Hintner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Vize­kanzler! Herr Außenminister! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Eines vorweg: Ange­sichts einer weltweiten Pandemie freut es mich, dass wir über so viele Themen sprechen könnten, nur nicht über Hunderttausende Coronainfizierte oder Tausende Tote in Öster­reich. Ich denke, da hat die Bundesregierung im Sinne der Gesundheit doch alles richtig gemacht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Somit kommen wir jetzt zum Thema Kultur. Wir wissen bedauerlicherweise, dass leider unzählige Veranstaltungen aus den verschiedensten Gründen, aus den verschiedensten Motiven abgesagt werden mussten. Am Beispiel meiner Heimatstadt Mödling darf ich berichten, dass wir einen super funktionierenden Theatersommer haben werden. Leider Gottes mussten wir von vier Produktionen bislang zwei absagen, aber zwei sind auf­grund der neuen Möglichkeiten absolut durchführbar, und das sind zum einen das Sta­tionenspiel Theater im Bunker von Professor Bruno Max und zum anderen im Teatro Norberto Bertassis „Tom Sawyer und Huckleberry Finn“. Und auch das Mödlinger Pup­pentheater wird ab 29. Mai den Betrieb wieder aufnehmen.

Der Deckungsgrad der Produktionen in der Stadt Mödling, auch des Theaters – und wir sind die einzige Stadt, die sich ein Stadttheater mit sieben Premieren leistet –, liegt zwi­schen 10 und 15 Prozent, was die Eintrittskarten anlangt, und das mit sieben Premieren im Jahr. Das heißt, dass die wirtschaftlichen Überlegungen, wie viele Eintrittskarten überhaupt verkauft werden, eher untergeordnet sind, obwohl wir erfreulicherweise auch Auslastungen zwischen 80 und 100 Prozent verzeichnen können. Worum es geht, ist das Spielen. Es geht darum, dass wir die Möglichkeiten ausreizen, alles zu tun, was möglich ist – ja, auch mit mehr finanziellem Aufwand, ja, auch mit mehr organisatori­schem Aufwand.

In dieser besonderen Zeit brauchen wir Macher und mutige Menschen, die Kunst und Kultur im Rahmen der Vorgaben ermöglichen. Unter Ausreizung der Möglichkeiten kann einiges durchgeführt werden. Helfen wir aktiv mit, die Chancen zu nutzen! Es geht nicht nur um die finanziellen Abgeltungen, sondern um das Lebenselixier von Kunst und Kul­tur, um den Auftritt, den Applaus, die Auseinandersetzung mit dem Publikum. Wenn es heißt, der Zeit ihre Kunst, dann muss es jetzt auch heißen, der Kunst ihre Freiheit – und Menschen, die das Mögliche auch ermöglichen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordne­ten der Grünen.)

20.12


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Die Beratungen zu diesem Themenbereich sind somit beendet.

20.12.43UG 12: Äußeres


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen jetzt zur Untergliederung 12: Äußeres.

Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Petra Bayr. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


20.12.48

Abgeordnete Petra Bayr, MA MLS (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Covid-19 werden wir global in den Griff kriegen oder wir werden es nicht in den


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 240

Griff kriegen. – Dieser Satz ist nicht von mir, aber ich glaube, das sehen sehr viele so. Wir haben relativ erschreckende Zahlen aus dem sogenannten globalen Süden zu ver­zeichnen, wobei sich Afrika auch aufgrund der Demografie und der Bevölkerungsstruktur von relativ vielen jungen Leuten recht gut hält, Gott sei Dank, aber in Lateinamerika und auch in Südostasien gibt es wirklich Probleme mit dem Virus.

Die Gesundheitssysteme in sehr vielen Ländern stehen kurz vor dem Kollaps. Viele Schutzmaßnahmen wie Homeoffice, Homeschooling, das Halten von räumlicher Dis­tanz, Händewaschen, die bei uns einfach sind, sind in Ländern, wo es einfach keinen Platz gibt, weil alle dicht auf dicht wohnen, nicht umsetzbar. Wenn es nicht einmal Wasser zum Trinken gibt, dann kann man sich auch nicht die Hände waschen. Also dort gibt es ganz andere Notwendigkeiten, ganz andere Bedürfnisse, und ich halte es für absolut angebracht und wichtig, dass wir als Österreich dort speziell etwas tun, und möchte deswegen auch folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Öster­reichs internationale COVID-19 Hilfe“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für europäische und interna­tionale Angelegenheiten,wird aufgefordert, Österreichs internationale humanitäre Hilfe als Reaktion auf die COVID-19-Pandemie ehest möglich zu erhöhen und dafür u.a. einen mit 100 Mio. Euro dotierten Soforthilfefonds einzurichten, sowie die Schwerpunktländer der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit durch das Stärken der lokalen Ge­sundheitssysteme beim Bewältigen der Krise zu unterstützen.“

*****

Stärken der lokalen Gesundheitssysteme heißt jetzt nicht einmalige Medikamentenspen­den oder sonst irgendetwas, sondern heißt wirklich Investitionen in die Infrastruktur, in die Gesundheitsinfrastruktur, was sehr wichtig ist.

Wir wissen aus den Budgetberatungen von vorletzter Woche, dass im Kontext mit Covid seitens Österreich schon 9,9 Millionen Euro ausgegeben worden sind, aber wenn man sich anschaut, dass fast die Hälfte davon, nämlich 4,1 Millionen Euro, das Geld ist, das Kanzler Kurz Anfang März zugesagt hat, um die Spenden für Nachbar in Not für die humanitäre Krise in Syrien zu verdoppeln – da war von Corona noch keine Rede –, dann ist das schon ein bisschen eine Chuzpe, ehrlich gesagt, dieses Geld zweimal zu be­mascherln, einmal als Verdoppelung der Spenden für Nachbar in Not und einmal als Coronahilfe auszugeben. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist mehr als an der Zeit. Es gibt ja moderate Steigerungen sowohl für die Austrian Development Agency als auch für den Auslandskatastrophenfonds für die humanitäre Hilfe, das Problem strukturell ist jedoch nach wie vor: Diese Mittel sind Ermessensaus­gaben, und sobald irgendwo im Außenministerium der Hut brennt, hat der Minister die Möglichkeit, genau diese Gelder, diese Ermessensausgabenmittel, zu nehmen und an­dere Löcher damit zu stopfen. Auch wenn es schon sein kann, dass das heuer hoffentlich nicht passieren wird, habe ich große Angst, dass das in den nächsten Budgets passieren wird. Ich habe große Angst, dass dieses Budget Makulatur ist und dann dieses Problem mit den Ermessensausgaben noch viel schlimmer werden wird, als es sonst immer war.

Mein dringender Appell seit vielen Jahren: Man muss endlich schauen, dass man auch die bilateralen und multilateralen Gelder für Entwicklungszusammenarbeit gesetzlich ab­sichert, so wie das zum Beispiel bei den internationalen Finanzinstitutionen durchaus der Fall ist; dort geht es nicht so leicht, die Gelder einfach anderswohin umzuschichten.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 241

Das wäre durchaus auch in Ihrem Sinne, wenn Ihnen Entwicklungszusammenarbeit wichtig ist. Vielleicht können Sie sich ja einmal einen Ruck geben, dass man da einen Qualitätssprung macht. (Beifall bei der SPÖ.)

20.16

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Petra Bayr, MA MLS,

Genossinnen und Genossen

betreffend Österreichs internationale COVID-19 Hilfe

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 7 Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (55 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvor­anschlages für das Jahr 2020 (Bundesfinanzgesetz 2020 – BFG 2020) samt Anla­gen (183 d.B.) in der 32. Sitzung des Nationalrates zur Untergliederung 12

Die Corona-Pandemie hat die ganze Welt erfasst: 2,2 Millionen Menschen wurden welt­weit infiziert und 160.000 Menschen sind bereits gestorben. In Asien und Lateinamerika sind die großen Schwellenländer wie Indien und Brasilien besonders betroffen. In Bang­ladesch, Peru und Usbekistan steigen die Fälle schnell an. Auch in Afrika breitet sich das Virus mittlerweile rasant aus.

Die österreichische Bundesregierung hat laut eigenen Angaben für den internationalen Kampf gegen Covid-19 9,9 Mio. Euro zur Verfügung gestellt. Von den 9,9 Mio. Euro sind allein über 4 Mio. Euro als Verdoppelung der Nachbar-in-Not-Spenden für Syrien aus­gewiesen worden, welche bereits am 8. März vom Bundeskanzler Sebastian Kurz im Rahmen der Pressestunde angekündigt wurden. Angesichts der großen Not in der Welt generell und speziell in Zeiten der Corona-Pandemie, leistet Österreich zu wenig hu­manitäre Hilfe. Deutschland hat mit dem Argument „Corona besiegen wir nur weltweit oder gar nicht“ ein Soforthilfepaket von einer Milliarde Euro durch Umstrukturierung im Haushalt des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung angekündigt.

Die Vereinten Nationen gaben vor der Pandemie an, dass 168 Millionen Menschen im Jahr 2020 auf humanitäre Hilfe angewiesen sein werden. Dafür würden 28,8 Milliarden US-Dollar benötigt werden (vgl. https:/lunric.org/de/041219-gho/ aufgerufen am 15.01.2020). Der Bedarf an humanitärer Hilfe wird aufgrund der Corona-Pandemie steigen. Die Ver­einten Nationen rechnen allein mit Einkommensverlusten von 220 Milliarden US-Dollar für Entwicklungs- und Schwellenländer.

Im internationalen Vergleich gehört Österreich zu den Schlusslichtern: Pro Kopf ge­rechnet gab Österreich im Jahr 2018 nur 2,6 Euro für humanitärere Hilfe aus. Der Durchschnitt aller OECD DAC Länder liegt bei über 15 Euro pro Kopf. Mit Österreich vergleichbare Länder wie Dänemark (52,4 Euro pro Kopf), Schweden (42,4 Euro pro Kopf), die Schweiz (34,3 Euro pro Kopf) und auch die Niederlande (14,2 Euro pro Kopf) wenden ein Vielfaches für humanitäre Hilfe auf.

In den meisten Entwicklungs- und Schwellenländern gibt es für die Menschen kein Homeoffice, keine Grundversorgung, kein leistbares Gesundheitssystem. Maßnahmen wie Social Distancing und vermehrtes Händewaschen sind in den meisten Ländern für die Mehrheit der Bevölkerung aufgrund von fehlendem Platz und nötiger Infrastruktur nicht möglich.


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Es zeigt sich bereits, dass Ausgangsbeschränkungen zu Einkommensverlusten und Hunger führen. Es ist davon auszugehen, dass chronisch schwache Gesundheitssys­teme auf eine hohe Zahl an Erkrankten nicht entsprechend reagieren können. Das Ein­brechen der europäischen Nachfrage, etwa im Textilbereich, wird zu Arbeitslosigkeit in den produzierenden Ländern führen. Viele Entwicklungsländer drohen in der Corona-Krise zahlungs- und so handlungsunfähig zu werden. Die Corona-Krise trifft die Ärmsten mit voller Wucht.

Auch österreichische Hilfsorganisationen warnen vor den sozialen und wirtschaftlichen Folgen des Lockdowns für afrikanische Staaten, etwa die Caritas Österreich, die eine humanitäre Katastrophe befürchtet, u.a. durch sie steigenden (Lebensmittel-)Preise während einer Pandemie.

Österreich hat sich zur Entwicklungszusammenarbeit im Rahmen seiner internationalen Entwicklungspolitik und zur humanitären Hilfe verpflichtet. Die Bekämpfung der Armut in den Entwicklungsländern durch Förderung der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung steht hierbei im Vordergrund. Die bereits erzielten Verbesserungen und Entwicklungs­fortschritte durch österreichische Investitionen, insbesondere in den Partnerländern der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit, dürfen durch die Pandemie nicht ge­fährdet werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für europäische und interna­tionale Angelegenheiten, wird aufgefordert, Österreichs internationale humanitäre Hilfe als Reaktion auf die COVID-19-Pandemie ehest möglich zu erhöhen und dafür u.a. einen mit 100 Mio. Euro dotierten Soforthilfefonds einzurichten, sowie die Schwerpunktländer der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit durch das Stärken der lokalen Ge­sundheitssysteme beim Bewältigen der Krise zu unterstützen“.

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Reinhold Lo­patka.

Ich darf noch ergänzen, dass der Entschließungsantrag ausreichend unterstützt, ord­nungsgemäß eingebracht ist und mit in Verhandlung steht.

Bitte, Herr Abgeordneter Lopatka.


20.16.59

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Herr Präsident! Herr Außenminister! Mei­ne sehr geehrten Damen und Herren! Zur späten Stunde zur Außenpolitik: Das Außen­ministerium hat vier große Aufgaben zu erfüllen und hat für diese vier großen Aufgaben eigentlich ein sehr kleines Budget.

Die erste und wichtigste Aufgabe: die Interessen Österreichs in Europa und in der Welt bestmöglich zu vertreten.

Zweite große Aufgabe: Wien und somit auch Österreich als Amtssitz zu stärken. Wir hatten heute ein Gespräch mit der obersten Beamtin der UNO hier in Wien, General­direktorin Ghada Fathi Waly. Die UNO fühlt sich hier sehr wohl, aber wir müssen auch etwas dafür tun, dass Wien ein wichtiger Standort bleibt.


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Die dritte Aufgabe – ein Punkt, der jetzt sehr in den Blickpunkt gerückt ist –: Österrei­cherinnen und Österreichern zu helfen, wo immer sie auch in dieser Welt gestrandet sein mögen.

Und ein vierter Punkt – von meiner Vorrednerin angesprochen – ist, dass Österreich ei­nen glaubwürdigen Beitrag leistet, wenn es um Bekämpfung von Armut, wenn es um Beiträge, um Frieden und Sicherheit auf diesem Planeten zu stärken, geht.

500 Millionen Euro stehen dafür zur Verfügung, das sind 0,6 Prozent des Gesamtbud­gets; wirklich nicht viel. Daher muss ich sagen, ich habe die FPÖ im Budgetausschuss absolut nicht verstanden, als man da Kürzungen gefordert hat. (Abg. Kassegger: Ich werde es erklären!) Jeder Cent im Außenministerium ist gut angelegt, meine Damen und Herren, und ich sage auch, das ist kein üppiges Budget, das da zur Verfügung steht. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich freue mich, dass das Außenministerium in der Bewältigung dieser Coronakrise sol­che Leistungen erbringen konnte. Zwölf Millionen Zugriffe hat es gegeben, das ist schon eine gigantische Zahl. Die konsularische Betreuung hat funktioniert. Bis zu 50 000 An­rufe pro Tag; das muss man alles einmal abarbeiten. Es sind dann 39 Repatriierungs­flüge erfolgt, 7 500 Personen sind zurückgebracht worden – nicht nur Österreicher, 1 500 davon waren auch EU-Bürger.

Ein zweiter Bereich, den ich ansprechen möchte, der heute schon von der Vorsitzenden der Sozialdemokratie angesprochen worden ist, ist unser Verhältnis zur Europäischen Union. Die Pandemie hat schon gezeigt, meine Damen und Herren, dass nach wie vor die Mitgliedstaaten die entscheidenden Player sind, wenn es darum geht, rasch zu Lö­sungen zu kommen, ob das notwendige Ausgangsbeschränkungen, Grenzkontrollen, rasche Maßnahmen im medizinischen Bereich oder Schutzpflichten waren, die man in solch einer Krisensituation rasch wahrnehmen muss. Das hätte auf europäischer Ebene nicht bewältigt werden können, und das haben die Nationalstaaten sehr, sehr gut ge­macht.

Wenn man das hier sagt, dann ist man nicht gegen die europäische Integration, über­haupt nicht, und das, was wir hier machen, ist keine „nationale Selbstverzwergung“, wie das heute der letzte SPÖ-Bundeskanzler genannt hat. Nein, meine Damen und Herren, das ist keine „nationale Selbstverzwergung“, sondern das ist eine konkrete Hilfe für die Menschen direkt vor Ort, von Bregenz bis Eisenstadt.

Ja, das ist regional zu lösen, das ist von den Nationalstaaten zu lösen – und trotzdem kann man ein guter Europäer sein, das möchte ich schon sehr deutlich sagen. Das ist kein Widerspruch, sondern das ist, glaube ich, das ganz Wesentliche, was wir hier sehen müssen.

Ein zweiter Punkt: In der Finanzkrise hatten wir schon die Diskussion, wie wir mit dem Steuergeld umgehen. Ja, wir brauchen – und davon lebt die Europäische Union – die Solidarität, das darf aber keine Einbahnstraße sein, nämlich von den Gebern hin zu je­nen, die unsere Hilfe brauchen. Und wenn wir hier helfen, dann sollte in erster Linie schon im Blickpunkt stehen, dass die Eigenverantwortung bei den jeweiligen Staaten bleibt.

Frau Vorsitzende Rendi-Wagner, ich glaube, für die italienische Wirtschaft – Sie haben das heute angesprochen – ist in erster Linie schon die italienische Regierung zuständig und nicht die österreichische, um das ganz direkt zu sagen. Die müssen schauen, und das ist eine sehr labile Regierung, dass sie ihre Hausaufgaben erfüllen, dann verdienen sie unsere Hilfe, und es darf nicht immer sofort der Ruf nach Geld von irgendwoher kommen. Den Geldautomaten, der irgendwo von oben befüllt wird, haben wir noch nicht gefunden, und wir sind auch Anwalt unserer Steuerzahler, das muss ich gerade hier bei der Budgetdebatte sagen. (Beifall bei der ÖVP.)


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Daher: Hilfe ja, aber begrenzt und wenn möglich in einer Form, in der man von dem Geld, das man gibt, wenn es möglich ist, auch wieder etwas sieht.

Die Zukunft der Europäischen Union wird in einem guten Zusammenspiel der Mitglied­staaten mit der Kommission, aber auch mit der Zivilgesellschaft liegen. Es geht darum, niemanden gegen einen anderen auszuspielen.

Was wir aber nach der Krise brauchen, das sind wieder starke Nationalstaaten, die diese Europäische Union im Gesamten wieder zur alten Stärke zurückführen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

20.22


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr MMMag. Dr. Axel Kassegger. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.22.45

Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ja, mein Vorred­ner, Kollege Lopatka, hat ja viele schöne Worte gebraucht, auch von den Nationalstaa­ten, und gesagt, dass die Solidarität innerhalb der Europäischen Union keine Einbahn­straße sein darf. – Das kann ich durchaus unterschreiben.

Solidarität ist etwas Reziprokes, und es ist meines Erachtens auch eines der großen Probleme der Europäischen Union, dass diese Solidarität von vielen Menschen eben als aufgezwungene Solidarität und als Einbahnstraße empfunden wird.

Kollege Lopatka, wenn Sie sich gleichzeitig auch sozusagen als Anwalt des österreichi­schen Steuerzahlers sehen, dann bin ich sehr, sehr gespannt darauf, wie Ihre Partei und wie der Herr Bundeskanzler auf den Vorschlag von Frau Merkel und Herrn Macron reagieren werden, nämlich die Europäische Kommission zu ermächtigen, 500 Milliarden Euro auf den Finanzmärkten aufzunehmen und dann über die Vergabe der Mittel zu verfügen, um zu helfen.

Wir kennen die Mitgliedsländer, um die es da geht, da ist insbesondere von Italien, Spa­nien, Griechenland und so weiter die Rede, und dann gibt es die sparsamen vier. Die Sparsamkeit dieser vier zeigt sich nicht darin, dass sie diese Kreditaufnahme durch die Europäische Kommission in Höhe von 500 Milliarden, also 500 000 Millionen – das ist das Tausendfache des Budgets, das das BMEIA hat –, hinterfragen, sondern darin, dass sie in einem Detail sagen: Wir wollen aber nicht, dass das dann verlorene Zuschüsse sind, sondern das sollen nur Kredite sein! Also das ist jetzt nichts besonders glaub­würdig.

Der Standpunkt der Freiheitlichen Partei dazu ist ganz eindeutig: Wir wollen nicht haben, dass die Europäische Kommission jetzt sozusagen über die Hintertür der Coronakrise Finanzmittel und damit Schulden aufnimmt, für die wir dann alle haften müssen, in un­glaublich großem Ausmaß – wie gesagt, das Tausendfache des Budgets des BMEIA. Das wollen wir nicht, und wir werden die Bundesregierung sehr, sehr genau beobachten und schauen, wie sie auf diesen Vorschlag von Macron und Merkel reagiert.

Kollege Lopatka, leider haben Sie im Ausschuss nicht ganz gut aufgepasst, denn wir haben das differenziert betrachtet. Sie haben schon gesagt, das BMEIA hat ein Budget von 500 Millionen Euro, und es muss in Zeiten der Coronakrise doch klar sein, dass wir da jetzt eine neue Lage haben.

Wir Freiheitlichen sind nicht der Meinung, dass wir jetzt alles machen, „koste es, was es wolle“, wir Freiheitlichen sind nicht der Meinung, dass jetzt das Geld abgeschafft ist, sondern wir Freiheitlichen sind der Meinung, dass es in bestimmten Bereichen im Sinne der Österreicher in Not, der arbeitslos Werdenden, der Unternehmer, insbesondere der


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Kleinunternehmer, unsere Verpflichtung ist, auch aus Anlass dieses Budgets Bereiche zu suchen, in denen man in diesem Krisenjahr und vielleicht auch noch nächstes Jahr den einen oder anderen Euro doch nicht ausgibt. Das ist das Thema, wenn wir vom BMEIA sprechen.

Ich meine damit nicht die Zentralstelle, also Wien, und Wien als Standort für interna­tionale Organisationen. Ich meine damit explizit auch nicht die Vertretungen Österreichs im Ausland, die Botschaften und Botschafter Österreichs im Ausland. Ich meine damit aber sehr wohl die ADA und ich meine damit sehr wohl die Beiträge, die wir jetzt schon seit Jahren mehr oder weniger fortschreibend an internationale Organisationen ein­zahlen.

Es muss legitim sein, sich das genauer anzuschauen und zu sagen, dieses Jahr, nächs­tes Jahr werden wir da nicht Steigerungen von 20 Prozent haben – das ist bei der ADA der Fall –, sondern den Gürtel beim Ausgeben der Gelder enger schnallen, denn wir brauchen jetzt wirklich jeden Euro im eigenen Land, aber wie gesagt, das Geld ist of­fensichtlich ja abgeschafft, „koste es, was es wolle“.

Das ist der pekuniäre Hintergrund, und zum inhaltlichen Hintergrund – Kollegin Bayr hat es ja auch schon gesagt –: Mir fehlt da das im Regierungsprogramm postulierte Prinzip der gezielten Hilfe bei der Entwicklungszusammenarbeit; ich sehe das nicht wirklich. Ich sehe punktuelle Hilfe, ein Land da, ein Land dort, ein bisserl etwas da, ein bisserl etwas dort, dann werden Löcher gestopft, wie schon gesagt worden ist, es ist ein Fleckerl­teppich.

Man sollte sich durchaus auch einmal die Mühe machen und eine konzentrierte, zielge­richtete Entwicklungshilfe erarbeiten, die wir dem Grunde nach absolut nicht ablehnen, aber es muss erlaubt sein, qualitativ zu hinterfragen, und es muss erlaubt sein, auch quantitativ zu hinterfragen, insbesondere in solchen Krisenzeiten. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

20.28


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Frau Kollegin Dr. Ewa Ernst-Dziedzic. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


20.28.18

Abgeordnete Dr. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kollegen und Kolleginnen! Wir haben ja heute schon – am ersten Tag – eingehend über die Auswirkungen der aktuellen Krise auf das Budget debattiert, samt ihrer innenpoliti­schen Effekte, und ich freue mich sehr, dass wir jetzt auch zu den grenzüberschreitenden Fragen kommen, denn wir wissen – das hat uns diese Krise vor Augen geführt –, dass wir nur gemeinsam durch europäische wie internationale Zusammenarbeit Antworten auf die Krisen – nicht nur auf Pandemien, sondern auch auf die Klimakrise, die Armut, die Migrationspolitik – finden können. Damit wir gestärkt aus dieser Krise hervorgehen, ist, auch wenn Sie hier eine andere Meinung vertreten, nicht weniger von dieser Solidarität, von dieser Kooperation und von dieser Unterstützung Österreichs an andere Länder, an beispielsweise auch wichtige internationale Organisationen erforderlich, sondern mehr.

Kollege Lopatka hat schon angesprochen, dass Österreich ja ein wichtiges Amtssitzland ist und in Wien nicht nur angeboten wird, Konferenzräume zur Verfügung zu stellen, sondern Österreich auch immer sein internationales Know-how zur Verfügung stellt.

Wir wissen, dass nicht nur die UNO, die OSZE und die EU-Grundrechteagentur in Ös­terreich einen Sitz haben, sondern dass Österreich aufgrund seiner Lage in Europa im­mer schon ein Vermittler zwischen Ost und West war, zwischen historischer Verantwor­tung und Verantwortung für eine nachhaltige Zukunft.


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Die Leistungen des Außenministeriums waren heute auch kurz Thema, nämlich in Bezug auf eben dieses grenzüberschreitende Teamwork, bei dem es darum ging, aus 29 Staa­ten, glaube ich, aus fünf Kontinenten an die 8 000 Personen nach Österreich zurück­zuholen. Wir wissen, dass das ohne globales Zusammenspiel nicht möglich gewesen wäre.

Diese zentrale Rolle in einer aktiven Außen-, aber auch Friedenspolitik muss sich selbst­verständlich im Budget widerspiegeln. Um Österreich wieder eine starke Stimme in der Welt zu verschaffen, gilt es natürlich auch, einen effektiven Multilateralismus zu stärken und nicht weiter zu schwächen. Dazu gehört aus unserer Sicht die Ausarbeitung einer mehrjährigen Menschenrechtsstrategie genauso wie die Stärkung der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit nicht nur in Österreich, nicht nur in Europa, sondern gerade in jenen Staaten, in denen diese unter die Räder kommen.

Ich freue mich deshalb sehr, dass diese für die Grünen sehr wichtigen Vorstellungen einer dem globalen Miteinander verpflichteten Außenpolitik im aktuellen Budget mit einer substanziellen Erhöhung des Budgets beispielsweise für den Auslandskatastrophen­fonds oder die Entwicklungshilfe ihren Niederschlag gefunden haben. Es ist auch der ADA gelungen, langjährige Forderungen in konkrete Zahlen umzumünzen. (Beifall bei den Grünen.)

Unser Ziel ist es auch, Österreichs historische Rolle als internationale Vermittlerin zu beleben, weshalb wir im Budget verankert haben, dass sich Österreich weltweit für die zivile Konfliktlösung und -prävention einsetzen wird. Dabei spielt beispielsweise der Zi­vile Friedensdienst eine wesentliche Rolle, genauso wie die Erarbeitung einer umfas­senden Strategie für legale, sichere und geordnete Migration.

Österreich wird sich darüber hinaus für eine nachhaltige internationale Partnerschaft einsetzen, wenn es darum geht, für die Betroffenen vor Ort Lebensperspektiven in einem Umfeld von sozialer und politischer Stabilität zu schaffen. Ja, das ist nicht einfach, aber auch das ist unsere Verantwortung, und wir sind dafür, die Mittel zu erhöhen, anstatt sie zu kürzen. Die FPÖ sollte nämlich wissen, welche Folgeeffekte es hat, wenn wir das nicht tun. Sie freuen sich dann vielleicht, weil Sie das für Ihre Politik instrumentalisieren können, den Betroffenen selber bringt das aber gar nichts. (Beifall bei den Grünen.)

An all dem arbeiten wir weiter, und dafür braucht es nicht nur ein Bekenntnis, sondern natürlich auch Budget. Bei all dem Lob für die erwähnten Bemühungen auf internatio­naler Bühne muss ich schon auch feststellen, dass das Budget im Bereich Äußeres im internationalen Vergleich doch recht gering dotiert ist. In den letzten Jahren wurde in diesem Bereich bedauerlicherweise immer wieder der Sparstift angesetzt, und aus die­ser Sparsackgasse – und ich bin froh, wenn Sie nicken, Kollege Lopatka – müssen wir wieder heraus. Der Bereich Äußeres braucht Budget, braucht Absicherung, um diese wichtige internationale Arbeit machen zu können.

Wir wissen nämlich, dass ein Sparkurs in diesem Bereich dazu führt, dass gerade bei den internationalen Organisationen, die in auch für Österreich ganz wichtigen Bereichen wie Flüchtlingshilfe, Frauenrechte, Menschenrechte und Umweltschutz arbeiten, die Fol­gewirkungen bei Versäumnissen ganz direkt auf alle anderen Staaten zurückfallen.

In diesem Sinne: Internationale Kooperation ist unumgänglich, das ist klar. Budgetäre Absicherung der internationalen Arbeit ist aus meiner Sicht ein Wegweiser auf dem Weg zu gemeinsamen Lösungen der größten Krisen unserer Zeit, von denen wir ja mit einigen aktuell konfrontiert sind. Wir werden uns alle – vielleicht mit Ausnahme der Freiheitlichen Partei – einig sein: Das ist etwas, wofür man sich parteiübergreifend einsetzen müsste. Österreich muss nämlich auf internationale Kooperation statt nationale Isolation setzen und das zur stärksten Devise machen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 247

Dieser Einsatz dafür lohnt sich nicht nur und stärkt nicht nur die Interessen Österreichs, sondern unsere Lösungen haben dann mehr Weitblick. Genau diesen Weitblick ver­misse ich sehr oft, wenn es um außenpolitische Debatten geht. Deshalb ist es so wichtig, dass wir im Budget genau diese internationale Unterstützung genauso wie die Aussicht darauf, dass es in diesem Bereich wichtige Projekte geben wird, verankern. – In diesem Sinne vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.35


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Dr. Helmut Brandstätter. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.35.39

Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Wenn man die internationalen Medien verfolgt und mit Diplomaten im In- und Ausland spricht, dann ist klar, dass sich nach dieser Pandemie die Welt neu ordnen wird. Ich weiß, dass das auch sehr viele österreichische Diplomatin­nen und Diplomaten verfolgen. Wir haben hervorragende Leute im Außenministerium, das möchte ich an dieser Stelle auch einmal sagen. Ich habe mich als Journalist von den Außenstellen immer sehr gut betreut gefühlt; so wie auch bei meiner letzten Reise nach Tirana, die ich noch vor dem Lockdown machen durfte – ich bin dem dortigen Botschafter Steiner sehr dankbar für die Hilfe –, merkt man, dass das Leute sind, die international schon etwas draufhaben. Dafür vielen Dank.

Sehen wir uns jetzt einmal an, was sich nach dieser Pandemie tun wird: Was aus Ame­rika wird, wissen wir nicht, weil wir nicht wissen, wie die Wahlen dort ausgehen werden. Was Russland betrifft, sehen wir im Moment eine Schwäche des Präsidenten, natürlich leidet er unter fallenden Energiepreisen, und ein unsicheres Russland ist immer ganz schwierig für uns. Wenn wir uns China anschauen, erkennen wir das umgekehrte Bild, nämlich einen Staat, der stärker und mächtiger wird und vor allem einen Plan hat. Was immer wir aus China erfahren, zeigt, dass das eine mächtige kommunistische Partei ist, die einen sehr guten Plan hat, 2045 wieder die Weltmacht Nummer eins zu sein.

Jetzt schauen wir sehr, sehr besorgt nach Hongkong. Wenn ich mir ansehe, was sich dort tut, fallen mir zwei Sachen auf. Erstens will ich nicht, dass das, was die Chinesen gerade in Hongkong machen, Einfluss auf Europa haben wird.

Zweitens: Unsere britischen Freunde sind ja mit dem Bemerken aus der EU ausgetreten, dass sie nicht nur ihre Souveränität zurückbekommen, sondern weltweit wieder geachtet werden. Es gibt einen Vertrag zwischen Großbritannien und China, was Hongkong be­trifft, der bis 2047 geht, und wir wissen, dass sich die Chinesen gerade nicht daran hal­ten. Wir sehen, dass die Bedeutung der Briten außerhalb der EU deutlich geschwunden ist.

Das führt mich zur Europäischen Union. Es gibt ja Menschen, die sich hier darüber lustig machen, wenn man aus Büchern zitiert, aber ich lese eben gerne und habe in diesen Tagen wieder ein Buch von Hugo Portisch nachgelesen, das dieser im Jahr 2011 ge­schrieben hat (das Buch „Was jetzt“ von Hugo Portisch in die Höhe haltend). Warum im Jahr 2011? – Nach der großen Finanzkrise war ja schon die Frage: Überlebt die EU, überlebt der Euro?

Wenn man sich durchliest, was Portisch ganz am Anfang schreibt, erkennt man, dass das damals von ihm eine Kritik an der FPÖ oder an anderen war, die Europa nicht so ernst nehmen. Er schreibt: „Populisten und Demagogen haben die EU für viele Men­schen zu einem verhassten Feindbild werden lassen. Alles Böse kommt aus Brüssel.“ Er schreibt über „die bürokratischen Schmarotzer“, et cetera, und auch, dass wir immer zur Kasse gebeten werden, „um Staaten zu retten, die sich mit Mogeleien in die EU“ hineingeschwindelt hätten.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 248

Das Schlimme ist, dass das manchmal, wenn ich jetzt ÖVP-Politikern zuhöre, genauso klingt. Das klingt so: Wir wollen diese Schuldenunion nicht (Abg. Kassegger: Die wollen wir auch nicht!), wir sind die frugalen vier, in Wirklichkeit die geizigen vier, die für die EU kein Geld mehr hergeben wollen.

Da, meine Damen und Herren, muss ich schon sagen: Die Italiener sind so wie wir Net­tozahler. Die Italiener hat diese Krise leider viel stärker getroffen. Italien – Kollege Kopf weiß das – ist für uns ein besonders wichtiger Exportpartner. Jetzt so zu tun, als würden wir alleine durch die Krise kommen und die EU nicht brauchen, ist wirklich nicht nur fahrlässig, sondern negativ und schadet unserem Standort. Deswegen würde ich darum bitten, dass wir in den Diskussionen, die wir in den nächsten Tagen, Wochen und Mo­naten führen werden – auch über die Frage, wie sich die EU weiterentwickeln wird ‑, sehen, dass wir davon profitieren würden, wenn es eine stärkere EU gäbe. Wir hätten davon profitiert, wenn unsere zuständigen Beamtinnen und Beamten rechtzeitig darauf aufmerksam gemacht hätten, dass in der EU vorgesorgt wird, auch für medizinisches Material. Das hätten wir alles gemeinsam machen können.

Ich bin davon überzeugt, dass wir auch durch diese Krise nur gemeinsam kommen, und ich bitte, doch wirklich jede Polemik gegen die EU zurückzulassen, denn eine Polemik gegen die EU ist eine Polemik gegen uns selbst, und so etwas tun wir doch nicht. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. Hammerschmid.  Abg. Martin Graf: Aber auch die Polemik für die EU kann man ein wenig zurücklassen!)

20.40


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Bundesminister Mag. Alexander Schallenberg zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.


20.40.22

Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres Mag. Alexander Schallen­berg, LL.M.: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abge­ordnete! Erlauben Sie mir ein paar allgemeine Bemerkungen zum Budget des Außenmi­nisteriums und zur jetzigen Situation, mit der wir alle hier konfrontiert sind – der Corona­pandemie. Gleich eines ganz klar vorweg, um klarzumachen und klarzustellen: Das vor­liegende Budget ist keinesfalls ein Fakebudget, dieses Budget bietet für das Außen­ministerium eine sehr stabile und verlässliche Grundlage für unsere Arbeit in den nächs­ten Monaten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Mit dem vorliegenden Budget können wir für 2020 sicherstellen, dass das Vertretungs­netz und die Zentrale ihre Aufgaben im Dienste der Bürgerinnen und Bürger sowie der Wirtschaft im Ausland – sehr wichtiges Thema – wahrnehmen können; dass wir auch unseren internationalen Verpflichtungen, das wird oft vergessen, nämlich zum Beispiel in Beiträgen für internationale Organisationen nachkommen können; und – und das er­freut mich besonders – dass die Entwicklungszusammenarbeit der Austrian Develop­ment Agency nicht nur marginal, sondern wesentlich gestärkt wird, indem die diesbe­züglichen Mittel gegenüber dem Vorjahr um fast 12 Millionen Euro aufgestockt werden und – das ist gerade in dieser Phase jetzt wichtig – auch die internationale humanitäre Hilfe ausgebaut wird, indem der Auslandskatastrophenfonds heuer um 10 Millionen Euro auf 25 Millionen Euro aufgestockt wird.

Ich muss auch dazusagen, dass ich immer sehr dagegen bin, dass man Hilfe gegen­einander ausspielt. Wir bemascheln Hilfe nicht doppelt oder dreifach, Hilfe ist Hilfe. Wenn wir jetzt irgendein Wasserprojekt haben, zum Beispiel in Idlib, dann kann man das ge­nauso als Coronahilfe, als Perspektivenhilfe oder sogar als Beitrag, damit die Menschen vor Ort eine Perspektive (Zwischenruf bei der SPÖ) haben und sich nicht auf Migra­tionswege begeben, ansehen. Also das ist keine Doppelbemaschelung, sondern einfach eine realistische Betrachtung der Arbeit, die wir tun.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren, in Wirklichkeit gab es für das Außenminis­terium nie einen Lockdown, in Wahrheit sind wir seit Anfang des Jahres konstant im Krisenbewältigungsmodus: zuerst zum Jahreswechsel durch einen massiven Angriff auf die Cyberinfrastruktur des Außenministeriums, den wir dank schnellen Handelns und Erkennens durch große Anstrengungen abwehren konnten. Mit dem vorliegenden Bud­get kann nicht nur gewährleistet werden, dass wir die Mehrkosten für die Bewältigung dieser Cyberattacke von rund 2 Millionen Euro aus eigenen Mitteln stemmen können, sondern – was noch viel wichtiger ist – dass wir die gleiche Summe, nämlich wiederum 2 Millionen Euro, zur Verfügung haben, um sie in die künftige Stärkung unserer IT-Si­cherheitsarchitektur investieren zu können.

Jetzt stehen wir, so wie die gesamte Weltgemeinschaft, durch die Coronapandemie mit­ten in der Bewältigung einer zweiten globalen Krise. Natürlich dominiert diese Pandemie derzeit unser Handeln und sie hat natürlich auch einen maßgeblichen Einfluss auf un­sere budgetäre Situation. Aus dem COVID-19-Krisenbewältigungsfonds wurden meinem Ministerium außerordentliche Mittel von bis zu 26,3 Millionen Euro zur Verfügung ge­stellt. Diese Mittel setzen wir ganz gezielt zur Abdeckung der durch die Krise entstande­nen zusätzlichen Mehrkosten ein.

Das betrifft natürlich – und das wurde auch schon erwähnt – die weltumfassende, bis­lang größte in der Geschichte des Ministeriums durchgeführte Rückholaktion aller Rei­senden aus Österreich, die zu Beginn der Krise in eigentlich allen Ländern dieser Welt mehr oder weniger verstreut festsaßen und gestrandet waren. Es wurde auch bereits erwähnt: 39 Repatriierungsflüge aus 29 Ländern auf fünf Kontinenten; über 7 500 Men­schen wurden mitgenommen; und – das ist mir auch wichtig – wir haben bei dieser Hilfs­aktion und Rückholaktion auch immer solidarisch gearbeitet. Wir haben über 1 500 Men­schen aus anderen Staaten mitgenommen – nicht nur EU-Bürger, auch EWR-Bürger, Bürger aus den Westbalkanstaaten, also das war eigentlich fast, wenn man so will, eine europäische Rückholaktion, die wir da durchgeführt haben. Ich muss auch betonen, dass das eine logistische Meisterleistung war, an der das gesamte Ministerium, die Vertre­tungsbehörden und die Zentrale, mitgewirkt haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Grünen.)

Erlauben Sie mir daher, hier im Hohen Haus in diesem Zusammenhang vielleicht auch noch eine ganz grundsätzliche Lehre aus dieser Krise festzuhalten: Die Coronapande­mie hat für mich jetzt neuerlich mehr als deutlich gemacht, dass ein Land wie Österreich einfach nicht auf ein starkes, eigenes Vertretungsnetzwerk im Ausland verzichten kann (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von FPÖ, Grünen und NEOS), denn wenn es wie in dieser Krise hart auf hart kommt, dann sind unsere Botschaften und Konsulate im Ausland nicht Luxus, sondern in Wirklichkeit die Lebensversicherung für Bürgerinnen und Bürger, die vielleicht in Not geraten sind. Das ist etwas, was wir uns, glaube ich, gerade als mittelgroßer Staat, wie wir uns selber bezeichnen, als Exportnation, die 6 von 10 Euro am Export verdient, immer wieder vor Augen führen müssen, nämlich dass wir dafür Sorge tragen müssen – das können wir mit diesem Budget –, dass wir ein Ver­tretungsnetz haben, auf das wir zurückgreifen können. Es erst dann aufzubauen, wenn man in der Krise ist, ist eigentlich meistens zu spät.

Es waren letzten Endes nämlich unsere Botschaften in Lima, Kuala Lumpur, Canberra und Peking, die diese Rückholaktion organisiert haben, die dafür gesorgt haben, dass die Bürger überhaupt ihre Hotels und Quartiere verlassen und zum Flughafen kommen konnten, obwohl vielleicht lokal strengster Lockdown herrschte, die am Höhepunkt der Krise dafür gesorgt haben, dass es Landegenehmigungen und Exportgenehmigungen gab, als es darum ging, dringend benötigtes medizinisches Material nach Österreich zu bringen.

Auch in der jetzigen Phase der schrittweisen Lockerungen, des Hochfahrens unserer Wirtschaft, des schrittweise Wiederherstellens unserer Reisefreiheit – ein sehr wichtiges


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Thema – haben die Botschaften und Konsulate eine sehr wesentliche Rolle. Sie sind die Augen und Ohren der Republik, die beobachten, was andere Staaten machen, was woanders vielleicht erfolgreich ist, was wir für uns auch übernehmen könnten, und sie sind die Stellen, die sicherstellen, dass dieses Hochfahren gerade auch innerhalb der Europäischen Union koordiniert vonstattengeht. Das ist etwas sehr Wichtiges. Ich möch­te daher diese Gelegenheit hier im Hohen Haus auch ausdrücklich dafür nützen, um allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern meines Ministeriums meinen allerherzlichsten persönlichen Dank für die großartige Arbeit in den letzten Monaten auszusprechen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ, FPÖ, Grünen und NEOS.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich glaube – und der Herr Vizekanzler hat das vorhin auch schon gesagt –, dass wir eigentlich stolz sein können, stolz darauf, wie wir bis jetzt gemeinsam diese Krisensituation bewältigt haben. Das merke ich während mei­ner täglichen Telefonate und Videokonferenzen mit Amtskollegen aus der ganzen Welt, aber auch zum Beispiel während meiner sehr häufigen Gespräche mit den Generaldirek­toren der internationalen Organisationen hier in Wien. Viele von ihnen haben mir immer wieder erklärt, wie glücklich sie eigentlich sind, dass sie mit ihren Familien diese Kri­senphase in Österreich verbringen konnten und nicht woanders waren.

Die professionelle Krisenbewältigung, die wir in den letzten zwei Monaten an den Tag gelegt haben, hat – und davon bin ich überzeugt – unsere internationale Position in der Welt merklich aufgewertet und sie hat im Grunde genommen auch unseren Marktwert als international verlässlicher Standort für die Organisationen hier in Wien gestärkt.

Wir wissen aber alle, dass die Coronakrise noch nicht vorbei ist und dass wir ihre Aus­wirkungen noch lange spüren werden. Gerade auch die Bewältigung der internationalen Aspekte der Krise werden uns noch sehr intensiv beschäftigen, gemeinsam mit unseren Nachbarn – ein wesentlicher Punkt, der jetzt vielleicht in der Außenpolitik stärker nach vorne getreten ist, ist die aktive Nachbarschaftspolitik, die jetzt zentral ist, um das Wie­derhochfahren zu gestalten –, aber auch mit unseren europäischen Partnern und darü­ber hinaus auch im Rahmen der multilateralen Zusammenarbeit oder im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit sowie der humanitären Nothilfe.

Ich glaube, das Thema, wie wir damit umgehen und wie die Außenpolitik und Europa­politik postcorona ausschaut, wäre ein guter Gegenstand einer eigenen Debatte, und darüber machen wir uns im Außenministerium schon sehr aktiv Gedanken. Ich bin aber zuversichtlich – und es wurde vorher auch schon angesprochen –, dass uns auch diese Kraftanstrengung gemeinsam gelingen wird. – Danke sehr. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

20.49


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Martin En­gelberg. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


20.49.11

Abgeordneter Mag. Martin Engelberg (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bun­desminister! Die gute Arbeit gerade im Außenministerium bildet sich eben nicht nur in Geld ab, sondern in der tatsächlichen Arbeit. Ich glaube, wir haben mit dem Bundes­kanzler und mit dem Herrn Bundesminister tatsächlich zwei Personen an der Spitze der österreichischen Außenpolitik, die den Weg einer aktiven Europa- und Außenpolitik weitergehen. Wir können ihnen dafür sehr dankbar sein und auch sehr froh darüber sein, dass wir sie da an unserer Spitze haben. – Vielen Dank. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Ich glaube, wir sollten auch Folgendes einmal gesagt haben: Die EU steht für gemein­same Werte, Freiheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Gleichberechtigung, Menschen-


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rechte, aber auch für Wohlstand und wirtschaftlichen, sozialen, territorialen Zusammen­halt. Es soll kein Zweifel daran bestehen, dass wir diese Errungenschaften und unser einzigartiges europäisches Lebensmodell auch für die Zukunft bewahren und weiterent­wickeln wollen.

Ich finde, dass das trotzdem immer wieder gesagt werden soll, und mein Appell gilt zum Beispiel auch dem Kollegen Helmut Brandstätter: Gestehen wir einander bitte zu, dass wir alle diesen Werten verpflichtet sind! Gestehen wir dem Außenminister, dem Bundes­kanzler zu, im besten Wissen und Gewissen diesen Werten entsprechend zu handeln! Wir stärken damit unsere gemeinsame Position! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der Grünen.)

In der Positionierung ist es mir auch immer ein ganz besonderes Anliegen und ich bin überzeugt davon, dass der Bundeskanzler und der Außenminister meine Ansicht teilen, dass wir nicht in der Mitte stehen, wie das oft betont oder hervorgehoben wird – nein, ich bin der Meinung, wir sind eingebettet inmitten der westlichen Gemeinschaft, inmitten der westlichen Welt, in der westlichen Wertegemeinschaft. Das bedeutet natürlich schon auch, dass wir geordnete Beziehungen zu Mächten wie Russland und China haben, aber es ist zum Beispiel ein wesentliches Element, dass wir uns zum Ausbau der strategi­schen Partnerschaft zu den Vereinigten Staaten bekennen. Wir sollten solche Bekennt­nisse und solche Strategien unabhängig davon machen, wer gerade der Präsident der Vereinigten Staaten ist und ob im Herbst Wahlen sind oder nicht. (Beifall bei Abgeord­neten der ÖVP. – Ruf bei den NEOS: Wer das auch will!)

Ein ganz wichtiges Anliegen, das auch in der Regierungserklärung enthalten ist, ist ein ganz klares Bekenntnis zur Fortsetzung des weltweiten Einsatzes Österreichs im Kampf gegen Antisemitismus und Antizionismus, auch auf europäischer Ebene. Ich hebe das heute hier hervor, weil das iranische Regime gerade in diesen Tagen wieder auf eine unfassbare Art und Weise menschenverachtend und antisemitisch gegen den Staat Israel gehetzt hat. Ich bin der Meinung, dass das, wenn wir das, was wir im Regie­rungsprogramm schreiben, ernst nehmen, ein Anlass ist, dass wir es nicht mehr nur bei Protestnoten bewenden lassen, die – das muss man zugestehen – sowohl der Bundes­kanzler als auch der Außenminister verfasst haben. Ich glaube, es ist der Zeitpunkt ge­kommen, zu dem wir uns auch auf europäischer Ebene dafür einsetzen müssen, dass wir jetzt effektive Maßnahmen bezüglich des Verhaltens des iranischen Regimes gegen­über dem Staat Israel folgen lassen müssen.

Mein Appell ist, dass wir realisieren, dass es notwendig ist, ganz klare Schritte zu setzen und nicht wieder in ein paar Monaten Besuche und Begegnungen mit Vertretern des iranischen Regimes zuzulassen, wo dann wieder von den traditionell guten Beziehungen zwischen Österreich und dem Iran die Rede ist. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP, Grünen und NEOS.)

Auch wenn es schon mehrfach gesagt wurde, ist es mir trotzdem ein Anliegen, noch einmal den Beamten des Außenministeriums für die tolle Arbeit zu danken, die sie ge­leistet haben. Aus ganz unmittelbarer Wahrnehmung durch einige Fälle in meinem Freundes- und Bekanntenkreis habe ich miterlebt, wie effizient, mit welch großartigem Einsatz die Beamten die Heimführung österreichischer Staatsbürger organisiert haben. Nochmals ein Kompliment an den Minister und an die ganze Beamtenschaft dafür!

Ein wichtiger Punkt, den wir auch noch berücksichtigen müssen, und eine große He­rausforderung, vor der die Beamtenschaft des Außenministeriums steht, ist, dass wir – wie Sie vielleicht noch in Erinnerung haben – ein neues Staatsbürgerschaftsgesetz be­schlossen haben, das Nachkommen von Schoahüberlebenden die österreichische Staatsbürgerschaft gewährt. Dieses Ansuchen wird ab September 2020 möglich sein. Das wird eine große Herausforderung, ganz besonders für Botschaften wie zum Beispiel in Israel, den Vereinigten Staaten, Großbritannien, aber auch Südamerika, sein. Wir


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müssen dem Außenministerium und der Beamtenschaft in dieser Hinsicht wirklich be­wusst die volle Unterstützung geben, damit wir nicht möglicherweise Menschen durch überlange Wartezeiten und überlange bürokratische Prozesse enttäuschen und damit eine sehr großzügige und vielbeachtete Geste, die wir gesetzt haben und setzen, zunich­temachen.

Last, but not least möchte ich noch ein Wort zum Budget verlieren, weil ich Sprecher für Entwicklungszusammenarbeit bin, und so ganz schlechtmachen lassen möchte ich das bitte nicht! Ich glaube nicht, dass es in Zeiten der Beteiligung der Sozialdemokratie in einer Regierung auch zu solch einer Erhöhung des Budgets für Entwicklungszusam­menarbeit gekommen ist. Es ist keine Kleinigkeit, es sind immerhin 10 Prozent der Mittel (Ruf bei der SPÖ: Es waren schon einmal 17!) und die Erhöhung des Auslandskatastro­phenfonds um zwei Drittel – ich sage es noch einmal: Er ist um 66 Prozent erhöht wor­den! –, all das sind keine Kleinigkeiten!

Ich denke, das sollte man schon auch respektieren und anerkennen. Ich freue mich auch, dass wir diesbezüglich einen Schritt setzen konnten und das auch so fortsetzen. – Danke vielmals. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Ernst-Dziedzic.)

20.55


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Dr. Harald Troch. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


20.55.46

Abgeordneter Dr. Harald Troch (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir diskutieren ja heute hier im Hohen Haus den Haushalt der Außenpolitik. Ich möchte mich zuerst für die Rückholaktion von Österreicherinnen und Österreichern zu Beginn und während der Coronakrise bedanken. Ich glaube, das hat sehr, sehr gut funktioniert. 39 Flüge aus 29 Ländern – das war gar nicht so ohne. Großer Dank an die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Außenamtes dafür, wie gut das funktioniert hat. Es hat einen Selbstbehalt der Österreicher gegeben, ich glaube, das war den Umständen entspre­chend auch angebracht. Die Kofinanzierung – zum Teil durch die Europäische Union oder bilateral – hat sehr, sehr gut funktioniert. In diesem humanitären Bereich hat sich die EU von einer guten Seite gezeigt, wovon auch Österreich profitiert hat.

Zwei Leitlinien haben natürlich die österreichische Außenpolitik – ich würde einmal sa­gen, seit den 1950er-, 1960er-Jahren – sehr stark geprägt: die Bemühungen, Friedens­initiativen zu setzen und zu unterstützen, und Menschenrechtsfragen – früher gegenüber Osteuropa und dann generell – natürlich immer zu unterstützen, was auch im Regie­rungsprogramm entsprechend verankert ist. Ich begrüße das.

Wenig zufrieden bin ich allerdings mit einer Ungleichbehandlung von Ländern, in denen es um Menschenrechtsfragen geht. Da komme ich gleich einmal zu Saudi-Arabien; eine ganz unangenehme Geschichte. Meiner Meinung nach steckt die ÖVP beim Thema Sau­di-Arabien ihren Kopf in den Sand. Auch wenn dort bei den Hinrichtungen am heiligen Freitag die Köpfe in den Sand rollen (Abg. Matznetter: Nicht jeden Freitag! – Abg. Brandstätter: Und keine Kinder mehr! Ein Fortschritt!), werden die Köpfe in den Sand gesteckt. Das ist nicht zu begrüßen, da kann man meines Erachtens nicht wegschauen! (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Kritische Journalisten werden entführt, zerstückelt, kritisches Eintreten für Menschen­rechte wird mit Auspeitschen bestraft. Heute haben die Mitglieder des Außenpolitischen Ausschusses eine Aussendung der Botschaft von Saudi-Arabien erhalten: Die Todes­strafe wird abgeschafft. – Allerdings muss man das Kleingedruckte lesen: Die Todes­strafe wird für Minderjährige abgeschafft. – Na bravo! Was sagt das Außenamt dazu? Was sagt der Außenminister, was sagt der ehemalige Außenminister Kurz dazu? Sind


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wir auf diesem Auge blind oder sagen wir etwas dazu? Es ist nicht zum Feiern, dass die Todesstrafe für Minderjährige abgeschafft wird, also das feiere ich überhaupt nicht!

Es hat einen Entschließungsantrag der Abgeordneten Pilz, Drozda und Hofer zur Schlie­ßung des König-Abdullah-Zentrums gegeben. Was ist diesbezüglich weitergegangen? – Ich glaube, da ist nichts weitergegangen, und das ist eigentlich traurig.

Ich bin sehr dafür, dass wir ausländische Organisationen unterstützen, sich in Wien an­zusiedeln, aber da muss man schon ein bisschen auf das Thema Qualität und Men­schenrechte achten. Meiner Meinung nach sind die Bemühungen, entsprechende Orga­nisationen nach Wien beziehungsweise nach Österreich zu bringen, im Budget unterdo­tiert.

Die andere Geschichte sind die Friedensmissionen. Ich hätte in dieser Hinsicht das An­liegen, dass wir unterstützen, dass unsere Soldaten und Soldatinnen, die auf Friedens­missionen sind, entsprechend ausgerüstet werden. Da geht es um die Nachrüstung des Pandur und einen Betrieb, der in meinem Heimatbezirk Simmering ist. Ich bitte Sie, Herr Außenminister, um Unterstützung und hoffe, dass das Bundesheer die Möglichkeiten findet, die Pandur als Truppentransporter einzusetzen, sodass unsere Soldaten und Sol­datinnen, die nicht immer einen leichten und nicht immer einen ungefährlichen Dienst leisten, entsprechend unterstützt werden.

Bei der Finanzierung des Bundesheeres schaut es ja nicht sehr, sehr gut aus, aber da sehe ich einen Konnex, der beide Ministerien betrifft.

Was darüber hinaus unterdotiert ist, ist natürlich die Kulturarbeit des Außenministeriums. Auch da herrscht ganz klar Handlungsbedarf. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

21.00


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Michel Rei­mon. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


21.00.15

Abgeordneter Michel Reimon, MBA (Grüne): Herr Präsident! Herr Außenminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher und Zuseherinnen, sollte es um diese Zeit noch solche geben! Man muss wirklich damit beginnen, dem Außenministerium und dem Außenminister dafür zu danken, wie die letzten Wochen mit der Rückholung von Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern während der Coronakrise gelaufen sind. Das war, soweit man das mitbekommen hat, wirklich Dauerarbeit rund um die Uhr und ist großartig gelaufen. Dass es kein Problem gab und nicht darüber geredet wurde, ist ja schon ein Riesenerfolg – vielleicht etwas zu unbedankt.

Wir müssen jetzt auch in der Außenpolitik in die Zukunft schauen; die Belastungen, die auf uns zukommen, sind enorm. Ich war im Februar einige Tage in Nordsyrien und habe mir dort die Flüchtlingslager in den kurdischen Gebieten angeschaut. Die wussten schon im Februar, was auf sie zukommen kann. Dort war schon das Bewusstsein dafür da, dass in China eine Seuche ausgebrochen ist, und ich wurde dort schon intensiver da­nach gefragt, als in Europa dieses Thema diskutiert wurde. Wenn in den Lagern dort die Krankheit ausbricht, dann haben wir ein massives Problem. In der Türkei sind drei Millionen Menschen in Lagern, in Syrien Hunderttausende, im Irak detto.

Auch im humanitären Bereich wird sich das weiter auswirken. Jetzt gerade gibt es eine Heuschreckenplage in Ostafrika, und dadurch, dass es keinen Flugverkehr mehr gibt, gibt es keine Mittel zur Bekämpfung dieser Heuschreckenplage, die nach Ostafrika ge­langt. Während der Flugverkehr stillgelegt ist, toben die Heuschrecken in der gesamten Region von Somalia bis Kenia, fressen dort die Ernte weg und lösen die Hungersnot aus, die in einigen Monaten dann dort in voller Härte vorherrschen wird. – Da müssen wir agieren, da müssen wir hineingehen, denn dieses Problem kommt zu uns. Wir können nicht wegschauen, wir müssen da investieren.


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Ich bin sehr froh darüber, dass wir es in diesem Bereich im Budget und auch im Regie­rungsprogramm geschafft haben, dass wir die Budgets ausweiten und in den nächsten Jahren weiter ausweiten werden; das ist uns Grünen ein Kernanliegen. Wir haben es geschafft, das Entwicklungszusammenarbeitsbudget in diesem Jahr um 10 Millionen Eu­ro zu erhöhen, und es muss in den nächsten Jahren noch mehr werden. Wir haben die Katastrophenhilfe von 15 Millionen auf 25 Millionen Euro sogar sehr deutlich erhöht – prozentuell wirklich dramatisch, wenn das nicht ein solch negatives Wort wäre, also positiv dramatisch. Das ist notwendig und kann nicht zurückgesetzt werden.

Corona sollte uns mehr als irgendetwas anderes zeigen, dass Krisen nicht mehr lokal, nicht mehr national begrenzt sind. Wir werden uns auch auf europäischer Ebene dafür einsetzen müssen, dass es da ein großes Hilfsprogramm gibt und dass wir auch unseren Nachbarinnen und Nachbarn in der ganzen Welt helfen. Das Außenministerium wird da auf europäischer Ebene hoffentlich federführend dabei sein. Ich verlasse mich darauf; wir werden diesbezüglich zusammenarbeiten und das unterstützen.

In den nächsten Jahren – beginnend mit dem Budget für dieses Jahr, auch wenn die Zahlen noch sehr unklar sind – muss das ein Schwerpunkt dieser Regierung sein. Das sagen wir als Grüne sehr selbstbewusst. Wir wollen, dass dieses türkis geführte Ministe­rium in diesem Bereich finanziell gut ausgestattet wird, und werden darauf drängen. (Präsident Sobotka übernimmt den Vorsitz.)

Wir wissen, dass diese Koalition in der Migrationspolitik ein Problem hat; wir wissen, dass wir da völlig unterschiedliche Standpunkte haben. Da gibt es sehr viel gegenseitige Blockade und da wird sehr viel gekämpft werden, aber wenn es so ist und Hilfe vor Ort gepredigt wird, dann wird es in den nächsten Jahren auch Hilfe vor Ort spielen müssen.

Wir werden hier nicht nachgeben, da wird etwas geschehen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

21.03


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Brandstötter. Entschuldigung, ich brauche die Brille. – Bitte. (Abg. Brandstötter – auf dem Weg zum Rednerpult –: Ich bin die mit „ö“!)


21.04.08

Abgeordnete Henrike Brandstötter (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Kollegin­nen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister! Ich reise ja ganz gerne als Backpackerin durch Subsahara-Afrika, das heißt, das eine oder andere Partnerland Österreichs in Afrika ist mir durchaus sehr geläufig. Das Budget sieht heuer ja auch eine substanzielle Erhöhung der Mittel der Entwicklungszusammenarbeit vor – wir begrüßen das, ich be­grüße das. Es war auch schon höchst an der Zeit!

Gründe dafür, warum das wichtig ist, wurden heute auch schon genannt, beispielsweise weil Corona vor allem die ärmsten Länder am härtesten trifft und die Gesundheits­systeme vor Ort nicht für diese Pandemie aufgestellt sind, vor allem aber haben diese Länder keinen finanziellen Spielraum, um die wirtschaftlichen Folgen für die Bevölkerung abzufedern. Das hat dramatische Auswirkungen auf Armut, auf soziale Kohäsion und schafft letztendlich auch Druck, auszuwandern, also für Migration – das große Thema von ÖVP und FPÖ.

Wegen Corona wird es Verwerfungen in der Weltwirtschaft geben, eine gewisse Ver­langsamung der Globalisierung, eine Regionalisierung und leider auch den populisti­schen Nationalismus, den man in diesen Krisen immer wieder sieht.

Ich möchte jetzt Ihre Aufmerksamkeit auf folgenden Punkt lenken: Wir sprechen heute davon, Produktionen wieder zurück nach Österreich oder nach Europa zu holen. Da geht es vorerst nur um strategische Güter, aber wir werden wahrscheinlich sehr bald auch


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Güter des täglichen Bedarfs in der industrialisierten Welt produzieren – ich denke dabei an Produkte aus dem 3D-Drucker in Verbindung mit künstlicher Intelligenz. Das sind aber jene Güter, die wir heute aus Entwicklungsländern in einer Art globaler Arbeitstei­lung importieren.

Wenn wir im reichen Westen nun das Wirtschaftsmodell der globalen Lieferketten infrage stellen, dann ist das eine Katastrophe für jene Länder, die jetzt – verspätet – industria­lisieren. Wir ziehen ihnen damit auch den Boden unter den Füßen weg, denn der tra­ditionelle Entwicklungspfad von ärmeren Ländern beginnt ja damit, dass die Menschen vom Land in die Stadt – zu Fabriken – ziehen, die für uns, ja, Billigware produzieren. Das sind zuerst Textilien und später auch andere arbeitsintensive Produkte, die dann immer aufwendiger werden, und das führt zu einer Entwicklung einer gut ausgebildeten Mittel­schicht. Wir kennen das vom ostasiatischen Wirtschaftswunder, das exakt darauf auf­baut.

Diese Länder sind bereits heute Käufer von österreichischen Exporten. Wirtschaftsent­wicklung ist ja keine Einbahnstraße, sondern es ist auch für uns sehr wichtig, neue Ex­portmärkte zu schaffen.

Jetzt gibt es gerade auch in Afrika eine Bewegung, dieses ostasiatische Modell aus­zuprobieren. Ein gutes Beispiel ist unser Partnerland Äthiopien, ein EZA-Schwerpunkt­land von Österreich. In Äthiopien baut man Industrieparks, um Menschen, die auf dem Land einfach nicht genug Arbeit und Möglichkeiten vorfinden, dann Arbeit im Manufac­turing zu verschaffen. Dieser Prozess gerät aber ins Wanken, wenn wir globale Liefer­ketten kappen und „Österreich first!“ rufen.

Was müssen wir also tun? – Wir müssen jetzt beginnen, darüber nachzudenken, wie wir uns und vor allem auch unsere Partnerländer auf eine neue Realität in der Weltwirtschaft einstellen können, also weg von der klassischen Entwicklungshilfe und hin zu einem Fokus auf Leapfrogging, also dem Überspringen von traditionellen Entwicklungsschritten hin zu neuen Technologien und neuen Prozessen, die die Welt im 21. Jahrhundert viel stärker prägen werden als jede Fabrik. – Eine Periode krisenbedingter Reformen ist aber auch die beste Zeit für eine solch weitreichende neue Ausrichtung.

Ja – noch einmal –, wir begrüßen die Aufstockung des Budgets, aber dieses Mehr muss jetzt auch sehr schnell mit besser und smarter zusammengehen. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

21.07


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mel­chior. – Bitte.


21.08.06

Abgeordneter Alexander Melchior (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Außenminister! Ich bin sehr froh und dankbar, dass ich mich zu diesem Tagesordnungspunkt zu Wort melden darf. Ich durfte einige Zeit im Außenministerium arbeiten und habe dort erleben dürfen, mit wie viel Enga­gement, Herzblut und großartigem Know-how die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort aktiv sind. Deswegen freut es mich ganz besonders, dass heute alle Fraktionen dem Außenministerium und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ihren Dank ausgespro­chen haben. Das ist mehr als verdient. (Allgemeiner Beifall.)

Das Außenministerium hat ein breites Netzwerk: Über 100 Vertretungsbehörden, 340 Ho­norarkonsulate, auf der ganzen Welt verteilt, garantieren, dass eben dieses breite Netz­werk da ist, wenn man es braucht. Wir haben gerade eben in der Coronakrise erleben dürfen, wie wichtig beides ist: herausragende Mitarbeiter und ein breites Vertretungs­netz. Das hat einmal mehr gezeigt – die (auf die rot blinkende Lampe am Rednerpult


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 256

weisend) leuchtet jetzt schon? –, wie wichtig es ist und wie großartig das Außenminis­terium als Krisenmanager unterwegs war. – Vielen Dank dafür!

Es wurde heute schon angesprochen: 7 500 Menschen sind während der Krise zurück­geholt worden. Es ist unkompliziert abgelaufen – der Kollege von der SPÖ hat gesagt, es hat keine negativen Meldungen dazu gegeben, das ist besonders erfreulich, aber es hat sehr, sehr viele positive Meldungen gegeben. Es gibt sehr viele positive Geschichten darüber, und diese Kraft und diese Emotion muss auch das Außenministerium mitneh­men, um die Bewältigung aller anderen Aufgaben zu meistern.

Das Außenministerium hat aber darüber hinaus noch eine andere wichtige Kompetenz, das wurde schon angesprochen, nämlich das Thema der Entwicklungszusammenarbeit. Das ist ein ganz wichtiges Element, und besonders erfreulich ist, dass da die Mittel auf­gestockt werden. Besonders erfreulich ist auch, dass die Mittel für den Auslandskata­strophenfonds aufgestockt worden sind. Für mich unverständlich ist, wie man davon sprechen kann, dass das nur marginal wäre. Ich finde, eine Aufstockung wie diese ist großartig (Ruf bei der SPÖ: Lesen Sie mal Ihr Wahlprogramm!), die Hilfe kommt dort an, wo sie ankommen soll. – Vielen Dank auch dafür! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der Grünen.)

Ich möchte mich zum Schluss noch ganz besonders bei dir, lieber Herr Außenminister, bedanken, ich kriege ja mit, wie aktiv du unterwegs bist. Wir haben auch in dieser Krise gesehen, dass man mit anderen Ländern in Kontakt sein muss, dass die Krise nicht eine allein nationalstaatliche Sache ist, sondern dass man da starke Partner braucht. Du ga­rantierst, dass wir mit diesen Partnern in gutem Kontakt, im Austausch sind und so best­möglich durch die Krise kommen. – Vielen Dank dafür! (Beifall bei der ÖVP und bei Ab­geordneten der Grünen.)

21.11


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Holz­leitner. – Bitte. (Abg. Matznetter – in Richtung der sich zum Rednerpult begebenden Abg. Holzleitner –: Kein Entschließungsantrag? – Abg. Holzleitner: Nein, diesmal kein Entschließungsantrag!)


21.11.24

Abgeordnete Eva Maria Holzleitner, BSc (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Bundesminister! Wir haben schon gehört, die Corona­pandemie hat uns eines gezeigt: Wir sitzen alle im selben Boot, kein Land ist von diesem unerbittlichen Virus verschont geblieben. Mich hat daher ehrlich gesagt vorhin die Frage, mit welchem Land man nicht tauschen wolle, besonders bedrückt. Ich meine, dass wir gemeinsam Schritte zur Eindämmung des Virus setzen müssen. Das sollte eigentlich im Vordergrund stehen, und kein Wettstreit, wer besser oder schlechter ist, denn wie ge­sagt, wir sitzen alle im selben Boot. (Beifall bei der SPÖ.)

Was aber sehr wohl Auswirkungen in der Bekämpfung von Covid-19 hat, sind die Vo­raussetzungen, die in den unterschiedlichen Ländern gegeben sind, und deshalb ist es eben umso wichtiger, an einem Strang zu ziehen. Was uns dazu eine gute Richtschnur bieten würde, ist die Agenda 2030 mit den Sustainable Development Goals. Das ist eine perfekte Vorlage, wie wir gemeinsam an einer positiven Zukunft arbeiten können, und gerade jetzt wäre die Wichtigkeit gegeben, diese voranzutreiben und noch weiter umzu­setzen.

Was sind die SDGs eigentlich? Es handelt sich um 17 Ziele der UN-Mitgliedstaaten, bei denen es besonders um den Kampf gegen Armut, Ungleichheit und Klimawandel geht. Sie gelten überall und für alle Staaten, und auch wir als Österreich sind für die Umset­zung verantwortlich. Ein zentrales Prinzip lautet: „Leave no one behind“.


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Die Sustainable Development Goals dürfen – Corona hat es uns eben noch einmal ge­zeigt – kein stiefmütterliches Beiwagerl mehr sein, sie müssen stärker in das Zentrum des Handelns gerückt werden! Wir brauchen daher einen ressortübergreifenden Plan, eine interministerielle Arbeitsgruppe, den Rechnungshofempfehlungen entsprechend, die handlungsfähig ist. Sie soll sich damit befassen, wie Österreich die SDGs umsetzt, wie die Zivilgesellschaft stärker einbezogen werden kann, wie die NGOs stärker mitein­bezogen werden können und wie sie in der Öffentlichkeit noch bekannter gemacht wer­den können.

Egal, um welches Ziel es geht – keine Armut, kein Hunger, Gesundheit, Wohlergehen ‑, alle sind wichtig und relevant. Für das Außenministerium ist besonders Ziel 17 relevant: Partnerschaften zur Erreichung der Ziele. Wir als Österreich tragen da Verantwortung – Verantwortung, über den Tellerrand hinauszublicken, Verantwortung, die Hand zu rei­chen, nicht nur in Krisenzeiten, und sich eben nicht mit anderen Ländern zu messen, sondern partnerschaftlich zu agieren. Wir müssen das große, globale Ganze sehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Besonders die Außenpolitik stellt da eine Visitenkarte nach außen dar. Herr Bundes­minister Schallenberg, Sie haben es im Budgetausschuss auch schon angesprochen: Die Verhandlungen für das Budget 2021 werden schwierig. Wir erwarten uns, dass Sie auf jeden Fall kämpfen, dass das Budget ausreichend, wenn nicht sogar höher sein wird. Das Gute bei den SDGs ist ja, dass man sich schon zu diesen bekannt hat, und vielleicht ist das eine gute Grundlage, um noch den einen oder anderen Euro herauszuschlagen.

Wir als SPÖ wollen auf jeden Fall eine Außenpolitik, die eine starke, zuverlässige, welt­offene Partnerin ist und auch als solche agiert, die Verantwortung wahrnimmt und vor allem eine mutige Kämpferin für Äußeres und die internationale Solidarität ist. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

21.15


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist nun Abgeordneter Mar­chetti. – Bitte.


21.15.13

Abgeordneter Nico Marchetti (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hochgeschätzter Außenminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein ehemaliger Vizekanzler hat einmal in einem Brief geschrieben: „the world in Vorarlberg is too small“, und hat damit vielleicht nicht besonders redegewandt, aber ganz charmant auf den Punkt gebracht, dass es in Österreich doch auch eine Sehnsucht gibt, über die Landesgrenzen hinauszublicken.

Ich denke, das Außenministerium und auch die 101 Auslandsvertretungen haben gerade jetzt bewiesen – das ist schon mehrfach betont worden –, wie hocheffektiv sie mit einem nicht so üppigen Budget ihren Job erfüllen. In diesem Sinne auch ein großes Danke von meiner Seite, das ist wirklich ganz, ganz großes Kino, das ihr da geliefert habt. (Beifall bei der ÖVP.)

Zum Budget: Es ist das Geld für die Entwicklungshilfe auf knapp 104 Millionen Euro erhöht worden, das ist ja heute schon mehrfach gesagt worden. Ich möchte aber sagen, dass sich Entwicklungshilfe nicht nur im Entwicklungshilfetopf im Außenministerium findet, es gibt zum Beispiel auch ein Programm für Entwicklungsforschung im Bildungs­ministerium, das, meine ich, sehr gut auf dieses Konto einzahlt.

Generell sage ich als junger Mensch: Wir müssen uns perspektivisch damit auseinander­setzen, in welchen Ländern wir mehr tun müssen, wo sich auch die Zukunft abspielt. Damit komme ich auch schon wie Kollegin Brandstötter zu Afrika.

Internationale Ratingagenturen stufen bezüglich Länderrisiko, aber auch betreffend das politische Risiko viele Länder in Afrika wesentlich besser ein als zum Beispiel China. Ich


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glaube aber, es herrscht die Denkweise vor, dass Afrika nicht dieses Potenzial hat. Wir müssen unsere Bande mit Afrika stärken: im wissenschaftlichen Bereich, im wirtschaftli­chen Bereich und auch im kulturellen Bereich. Das muss auch ein Schwerpunkt der ös­terreichischen Außenpolitik sein. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Die Budgetdebatte ist immer davon geprägt, dass man Wünsche an die Bundesre­gierung äußert, ich würde aber heute gerne uns selber noch eine Aufgabe im Bereich Außenpolitik mitgeben. Es gibt hier im Parlament die Bilateralen Parlamentarischen Gruppen beziehungsweise Freundschaftsgruppen und die sind auch ein sehr gutes Tool, um internationale Netzwerke für Österreich aufzubauen sowie diese auch für verschie­denste politische Projekte zu nutzen.

Ich möchte jetzt niemandem persönlich zu nahe treten, aber ich denke, im Durchschnitt haben diese Freundschaftsgruppen noch extrem viel Potenzial, das nicht ausgeschöpft wird. Es wäre super, wenn neben den Aktivitäten, die das Außenministerium setzt, auch wir selber in diesem Bereich mehr unternehmen, diese Freundschaftsgruppen beleben und gemeinsam daran arbeiten, dass wir international ein gutes Bild von Österreich ab­geben. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

21.18


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Mir liegen dazu keine Wortmeldungen mehr vor. Die Beratungen zu diesem Themenbereich sind damit abgeschlossen.

Ich bedanke mich bei Herrn Außenminister Schallenberg für seine Anwesenheit.

21.18.13UG 13: Justiz


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen zur Verhandlung der Untergliede­rung 13: Justiz.

Ich begrüße Justizministerin Frau Dr. Zadić.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Yildirim. – Bitte.


21.18.29

Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Zu Beginn möchte ich Ihnen, Frau Ministerin Zadić, mitteilen, dass ich persönlich Ihre Entscheidung begrüße, die Sektion Strafrecht wieder in die Sektionen für Straflegistik und Einzelstrafsachen – dazu gehören auch Weisungen – zu trennen. Damit wird eine langjährige Forderung der SPÖ umgesetzt, das rückgängig zu machen, was unter ÖVP‑Ministerin Bandion-Ortner entstanden ist und wir immer kritisiert haben.

Der nächste Schritt im Reformprozess wäre ein weisungsunabhängiger Bundesstaats­anwalt beziehungsweise eine Bundesstaatsanwältin, damit die Justiz unbeeinflusst und von der Politik entkoppelt arbeiten kann. Einen entsprechenden Antrag haben wir bereits eingebracht. Wir freuen uns auf die Debatte.

Eine starke, unabhängige Justiz von höchster Qualität zu bewahren und nachhaltig ab­zusichern, sollte unser aller Ziel sein. Das klingt einfach und scheint selbstverständlich, ist es aber nicht. Der Sparkurs im Bereich der Justiz hat schon längst – und ganz unab­hängig von Corona – ein besorgniserregendes Ausmaß angenommen. Zum Beispiel: Durch mangelnde personelle und finanzielle Ressourcen mussten manche Gerichte sogar ihre Tätigkeit einschränken und konnten nur mehr im Notbetrieb ihren wichtigsten Aufgaben nachkommen.

Dazu kommt ein Bundeskanzler, der die Unabhängigkeit und die Arbeit der Justiz in Hintergrundgesprächen mit Journalistinnen und Journalisten, und dann auch öffentlich, infrage stellt. Das schadet der Justiz im Ansehen insgesamt.


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Es ist immer das gleiche Schema: finanzielles Aushungern von funktionierenden Struk­turen, verbunden mit einem Steuern von substanzlosen Behauptungen. Und was dann? – Dann werden strukturelle Änderungen angedacht, zum Beispiel die Schließung von Gerichtsstandorten, und man lässt sich als Retter in der Not feiern.

Ich betone, dass auch ich begrüße und schätze, dass Sie in dieser schwierigen Phase für die Justiz 70 Millionen Euro mehr für 2020 herausverhandeln konnten – dazu darf man Ihnen auch gratulieren (Beifall bei SPÖ und Grünen) –, ich bin aber überzeugt da­von, dass – wie es in einem gemeinsamen Antrag von uns und anderen Oppositionspar­teien aus der vorhergehenden Legislaturperiode, aus dem Jahr 2019, heißt – die Justiz ein jährliches Budget von 250 Millionen Euro benötigt und es notwendig ist, einerseits dieses sicherzustellen und andererseits zu gewährleisten, dass Reformen umgesetzt werden können.

Ich möchte nicht hintanhalten zu sagen, dass uns natürlich irritiert, dass im Bundesfi­nanzrahmengesetz die Beträge bis zum Jahr 2023 bereits festgeschrieben sind, wobei eigentlich jährlich 5 Millionen Euro im Justizbudget dazukommen werden. Das reicht bei Weitem nicht einmal aus, um die Inflation abzugelten. Es liegt also einiges vor uns.

Ich erwähne hier nur ganz kurz, dass natürlich im Bereich des Maßnahmenvollzugs eine immense Kostensteigerung zu erwarten ist. Wir wissen, dass sich die Zahl der Insassen in den vergangenen 20 Jahren verdreifacht hat und dass es auch zu einer Überbelegung der Einrichtungen gekommen ist. Es steht uns also einiges bevor.

Ich freue mich insgesamt, dass es einen positiven Kurs genommen hat und bin zuver­sichtlich, dass wir hier gemeinsam einige wichtige Reformen werden umsetzen kön­nen. – Ich danke. (Beifall bei der SPÖ.)

21.22


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Prammer. – Bitte.


21.22.30

Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Als es im Re­gierungsprogramm stand, war ich froh. Als ein klares Bekenntnis dazu vom Herrn Bundeskanzler kam, war ich erleichtert. Als es tatsächlich im Budget stand, war ich beruhigt. Wenn es am Donnerstag beschlossen sein wird, werde ich glücklich sein. – Dieses Budget wird eine derart große Erhöhung der Mittel für die Justiz bringen, dass wir dadurch nicht nur ihren schleichenden Tod verhindern, sondern die Patientin auch vom Tropf der Kostendeckung aus den Rücklagen nehmen können.

Ein Gesamtbudget von 1,73 Milliarden Euro, 255 Planstellen mehr, 40 Planstellen vor dem Abbau bewahrt – das kann sich wirklich sehen lassen. Gerade für den Bereich der Strafjustiz wird es eine deutliche Stärkung geben: 30 zusätzliche Planstellen für Staats­anwältInnen, 100 zusätzliche Planstellen für KanzleimitarbeiterInnen bei den Staatsan­waltschaften und Gerichten, 96 zusätzliche Planstellen in allen Gehaltsstufen für die Jus­tizwache, fast 2 Millionen Euro Aufstockung für die Bewährungshilfe. Das bedeutet Ver­besserungen bei der effizienten und konsequenten Verfolgung von Straftaten, eine Ent­lastung für die MitarbeiterInnen in den Justizanstalten und eine bestmögliche Resoziali­sierung der Verurteilten im Sinne einer gelingenden Wiedereingliederung in die Gesell­schaft. (Beifall bei den Grünen.)

Ein weiterer Punkt, der mich sehr freut, ist die Absicherung der Kinderbeistände. Die Kinderbeistände gewährleisten, dass die Rechte der Kinder, insbesondere in Obsorge­angelegenheiten, gewahrt bleiben, dass sie nicht bloß Gegenstand der Interessen der


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Eltern sind, sondern dass ihre eigenen Interessen gleichwertig in die Entscheidung ein­fließen können. Diese wichtige Institution wird mit dem vorliegenden Vorschlag mit aus­reichenden Mitteln ausgestattet, um die wichtige Aufgabe überall dort wahrzunehmen, wo sie angefragt wird.

Nicht zuletzt die Abstandsmaßnahmen haben gezeigt, wie wichtig es ist, die Digitalisie­rung im Bereich der Justiz voranzutreiben. Die Notwendigkeit, in möglichst vielen Be­reichen auf Homeoffice umzustellen, lieferte den Beweis dafür, dass die MitarbeiterInnen schon viel weiter sind, als die technische Ausstattung es zulässt. An dieser Stelle noch einmal ein ausdrücklicher Dank an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Justiz und in der Justizwache. Sie haben - - (Beifall bei den Grünen.) – Ja, da kann man gern klat­schen. – Sie haben unter den schwierigen Umständen diese wichtige Säule des Staates aufrechterhalten. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Durch die massive Aufstockung der Mittel wird es nun möglich sein, dass man auch in die Digitalisierung Investitionen tätigen kann.

Der 26. Mai 2020: ein Tag, an dem ein wirklich großartiges Justizbudget präsentiert wur­de, und ganz allgemein ein richtig, richtig guter Tag für die Justiz. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

21.25


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Stefan. – Bitte.


21.26.05

Abgeordneter Mag. Harald Stefan (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Gerade wenn man über Justizthemen spricht, gäbe es im Zusam­menhang mit der Covid-Krise viel zu diskutieren, denn Ausnahmezustände sind be­kanntlich schlechte Zeiten für die Freiheit und für die Qualität der Rechtsetzung. Das hat sich in den letzten Monaten auch gezeigt, aber dafür habe ich leider keine Zeit und daher beschränke ich mich aufs Budget.

Wir haben dieses Kuriosum, dass wir ein Budget diskutieren, das in Wahrheit schon vor seinem Beschluss Makulatur ist. Betrachtet man jetzt, was hier vorgelegt und gerade hymnisch gelobt wurde, so kann man sagen: Ja, es stimmt, es ist in diesem Budget tatsächlich eine Erhöhung der Mittel für die Justiz vorgesehen, denn es ist seit Jahren bekannt, dass die Justiz in vielen Bereichen unterdotiert ist, personell und auch von der technischen Ausstattung her.

Wir haben letzten Sommer eine Diskussion darüber gehabt, dass es einen stillen Tod der Justiz gibt. Das heißt, es gab einen großen Nachholbedarf, und ja, es gibt jetzt über 70 Millionen Euro mehr für die Justiz. Das muss man aber gleich in Relation setzen, denn in den nächsten Jahren relativiert sich das bereits, weil es keine weiteren Er­höhungen außer 0,3 Prozent pro Jahr geben wird, die aber durch die Inflation – ich fürch­te ja, dass die Inflation noch ganz vehement anspringen wird – in Wahrheit bereits wieder aufgefressen werden; das muss man sagen. Das heißt also, das löst sich in Wahrheit auf, es wird in Wirklichkeit in den nächsten Jahren bereits wieder zu einer Reduktion im Justizbudget kommen. Also so hymnisch würde ich das jetzt nicht loben, denn, wie ge­sagt, im Wesentlicher ist es ein Einmaleffekt.

Abgesehen davon glaube ich diese Zahlen, die uns da vorgelegt werden, nicht. Ich freue mich ja über den Optimismus, den das Justizministerium verstreut, aber ich bin über­zeugt, dass es in den nächsten Monaten eine Flut an Verfahren geben wird. Wir haben erstens einmal natürlich einen Nachholbedarf, weil ja die Justiz doch relativ oder zumin­dest in weiten Bereichen stillgestanden ist, und wir haben eine ganze Reihe von man­gelhaften, schlampigen, widersprüchlichen, gesetzwidrigen Erlässen und Verordnungen


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gehabt, die natürlich Verfahren nach sich ziehen werden. Wir haben die Aushebelung des Epidemiegesetzes, was garantiert zu vielen Verfahren führen wird, wir haben das Mietrecht, wir haben Insolvenzen, die leider in ganz großer Zahl kommen werden; das heißt, die Justiz wird unglaublich belastet werden.

Auf der anderen Seite, glaube ich, werden die Einnahmen doch sinken, auch wenn man das jetzt nicht glaubt, aber es ist einfach weniger. Auch im Grundbuch wird sich weniger abspielen – dort, wo die meisten Einnahmen herkommen. Ich teile diesen Optimismus durchaus nicht und fürchte, dass auch in diesem Bereich das Budget einfach nicht halten wird.

Es bleibt mir nur zu sagen: Nicht den Kopf in den Sand stecken, nicht zu optimistisch sein, sondern lieber – und das ist mein Appell – Vorsorge treffen für das, was jetzt auf uns zukommt, weil eine funktionierende Justiz nun einmal ein wesentlicher Bestandteil eines demokratischen Rechtsstaates ist! (Beifall bei der FPÖ.)

21.29


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Steinacker. – Bitte.


21.29.29

Abgeordnete Mag. Michaela Steinacker (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Geschätzte Mitbürgerinnen und Mitbürger! Die Corona­krise beschert uns die Notwendigkeit, ein Budget zu machen, das definitiv außergewöhn­lich ist. Es ist außergewöhnlich in der Hinsicht, dass wir mit diesem Budget die Schwer­punkte unseres Regierungsprogramms – und die sind ganz wichtig, darauf werde ich gleich eingehen – definitiv umsetzen können.

Andererseits müssen und werden wir mit dieser Überschreitungsermächtigung bezüglich der Covid-19-Maßnahmen arbeiten, denn wir in der Justiz wissen ja alle nicht, wie lange diese Krise dauern wird. Die Maßnahmen, die wir im Bereich der Haftanstalten, die Maßnahmen, die wir zum Ausbau der verschiedenen Möglichkeiten, Videokonferenzen und Ähnliches zu machen, gesetzt haben, all das hat Geld gekostet, all dies soll ja letzt­endlich aus diesem Topf bedient werden.

Nun zum Justizbudget. – Wie ich sage und meine: klein, aber fein. Nur rund 2 Prozent des Gesamtbudgets gehören der Justiz, aber ich sage – und darüber bin ich ganz froh ‑, meine wirkliche, wichtige Botschaft ist – und das ist meiner Meinung nach ein Sinnbild ‑: Die Waagschalen von Justitia sind wieder ins Gleichgewicht gekommen. Wir hatten eine Unterdotierung, eine Schieflage. Wir haben jetzt mit den neuen möglichen Personalaus­stattungen die Chance, diesen Ausgleich zu schaffen.

Das Plus bedeutet mehr als 72 Millionen Euro – ein Plus an Geld, das wir für die ver­schiedenen Maßnahmen dringend brauchen, ein Plus, um das ich in den letzten Jahren auch persönlich gekämpft habe, auch wenn ich nicht immer am lautesten geschrien habe.

Wir haben Auszahlungen in der Justiz von 1,73 Milliarden Euro, und diese Gelder, die verbraucht werden, werden ganz bestimmt für Wirkungsziele gebraucht, denn wir haben uns mit dem Regierungsprogramm zum Ziel gesetzt, die Wirkungsziele, die wir in der Justiz haben, umzusetzen. Welche Ziele sind das? Warum ist das so wichtig?

Wirkungsziel 1 ist, die Rechtssicherheit und den Rechtsfrieden in Österreich sicherzu­stellen. Jeder, der hier in Österreich lebt, muss sicher sein, dass seine Rechte nachhaltig umgesetzt werden können. Gleichberechtigter Zugang zur Justiz: Nicht der Reiche, nicht der Arme, alle müssen den gleichen Zugang haben. Es darf keine Unterschiede geben.

Für uns sind objektive, faire, unabhängige und auch rasche Entscheidungen von Ver­fahren ganz wichtig, damit die Menschen zu ihrem Recht kommen oder Straftäter auch schnell verurteilt werden können. Die angemessene Dauer ist da der wichtige Punkt.


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Als letzten Punkt möchte ich als Wirkungsziel den modernen, effektiven und humanen Strafvollzug nennen. Es geht immer um Menschen, die als Ultima Ratio weggesperrt werden müssen, weil sie Fehler begangen haben und zu strafen waren. Wir werden diese verschiedenen Zielsetzungen natürlich schwerpunktmäßig umsetzen und die Mi­nisterin auch dabei begleiten.

Einer der wichtigsten Punkte – die Vorredner haben es ja schon gesagt – ist natürlich die personelle Ausstattung, die auch entsprechend vorgenommen wird. Nur ganz kurz: 40 zusätzliche Staatsanwälte – ganz wichtig! –, zehn zusätzliche Richterposten und vor allem gibt es endlich auch für die dritte Sicherheitssäule der Justiz, nämlich die Jus­tizwache, mehr Geld, damit die Justizwachebeamtinnen und -beamten bei ihren schwie­rigen Aufgaben entsprechend gut begleitet werden können: 30 zusätzliche Planstellen für die Exekutive und 50 für das Supportpersonal, damit in unseren Haftanstalten auch alles gut gehen kann.

Meiner Meinung nach ist dieses Justizbudget ein Zukunftsbudget – ein Zukunftsbudget deswegen, weil wir auch in den verschiedenen Budgetpositionen ganz klar erkennen können: Die Digitalisierung ist uns ganz, ganz wichtig. Wir haben in den letzten Tagen, Wochen und Monaten gesehen, was für ein großer Schub nach vorne da notwendig war. Wir werden hohe Ziele, die wir uns laut Regierungsprogramm gesteckt haben, umsetzen: einen zentralen, leichten Zugang zur Justiz als One-Stop-Shop im Rahmen des Bür­gerservices am Anfang, dann die flächendeckende Umsetzung des Elektronischen Ak­tes, der jetzt folgen wird, und wir werden auch anfangen, über den Einsatz von künstli­cher Intelligenz nachzudenken, um mit doch großen Datenmengen, insbesondere beim Durchforsten, entsprechend schnell umgehen zu können.

Besonders wichtig scheint mir die Schnittstelle zwischen Justiz und Wirtschaft zu sein: auch da digital noch besser zu werden, damit entsprechende Eingaben beim Firmen­buch oder Grundbuch dann auch schnell behandelt werden können.

Zum Schluss möchte ich sagen: Ich glaube, wir alle, die im Bereich der Justiz tätig sind, können aufatmen. Mit diesem Budget stellen wir die Rahmenbedingungen so auf, dass die Bereiche der Strafverfolgung, der Rechtsprechung und des Strafvollzugs im Sinne unserer Justitia gewissenhaft und bestens bearbeitet werden können. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

21.34


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Margreiter. – Bitte.


21.34.44

Abgeordneter Dr. Johannes Margreiter (NEOS): Herr Präsident! Hohes Haus! Die Justiz: Ich würde meinen, die Justiz kommt von ihrer Bedeutung her irgendwie zu kurz. Immerhin ist die Justiz eine der drei Säulen unseres demokratischen Rechtsstaates: Neben der Legislative und der Exekutive gibt es, damit der Rechtsstaat funktionieren kann, als ganz wichtige Institution die Justiz.

Budgetmäßig kommt das aber nicht so ganz zum Ausdruck – Kollegin Steinacker hat es schon ausgeführt –, rein zahlenmäßig betrachtet sind es nur 2 Prozent des Gesamtbud­gets und es ist eine von 58 Untergliederungen. Meines Erachtens sollte man die Un­tergliederung Justiz doch eigentlich viel früher behandeln und nicht erst um halb zehn Uhr in der Nacht, noch dazu, da ja heute doch ein erfreulicher Tag für die Justiz ist, aber das ist halt der Budgetsystematik geschuldet.

Frau Bundesminister, ich möchte mich wirklich sehr herzlich dafür bedanken, dass Sie heute eine Maßnahme gesetzt haben, die der Justizkultur in Österreich extrem guttut. Sie haben praktisch eine Maßnahme rückgängig gemacht, die vor zehn Jahren von einer


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Ihrer Amtsvorgängerinnen gesetzt worden ist, als damals eine große Strafrechtssektion im Justizministerium geschaffen worden ist, in der alle strafrechtlichen Agenden zusam­mengefasst wurden. Sie haben heute den Schritt getan, dass Sie diese Strafrechts­sektion, diese große Sektion wieder in eine Einzelfallsektion oder Weisungssektion auf der einen Seite und in eine Legislativsektion auf der anderen Seite auftrennen.

Das ist ein ganz wichtiger Schritt für die Justizkultur, auch wenn ich das Gefühl habe, Sie werden sich damit nicht nur Freunde gemacht haben. Ich denke, es wird also in den kommenden Wochen doch innenpolitisch sehr interessante Diskussionen geben, die sich an dieser Frage aufhängen werden, weil in den letzten Jahren ja doch irgendwo eine Tendenz erkennbar war, dass die ÖVP mit der Justiz gewisse Probleme hat.

Es wurde das Budget einerseits von ÖVP-Finanzministern, aber auch von Justizminis­tern so gestaltet, dass nicht einmal mehr der laufende Justizbetrieb gedeckt werden konnte. Dann gab es diese merkwürdigen Ansagen des Bundeskanzlers – ich blende zurück in den Februar 2020 –, wobei es darum gegangen ist, plötzlich irgendwelche par­teipolitisch gefärbten Netzwerke bei der Staatsanwaltschaft zu vermuten. Das war eine interessante Aussage, weil ja der Bundeskanzler bis dahin nicht dadurch aufgefallen ist, dass ihn die Justiz besonders interessiert.

Heute können wir uns, wenn auch die Zahlen mit Vorsicht zu genießen sind, darüber freuen, dass im Sinne dessen, was Ihr Amtsvorgänger, Vizekanzler Jabloner, ausgeführt hat, der Stillstand, der stille Tod der Justiz jetzt doch dadurch aufgefangen wird, dass das Justizbudget um 4 Prozent erhöht wird, was durchaus erfreulich ist.

Zusätzlich aber muss diese Maßnahme, wie Kollegin Yildirim richtigerweise ausgeführt hat, natürlich noch durch einen unabhängigen Bundesanwalt ergänzt werden, damit man wirklich im Bereich der Strafjustiz diese völlige Unvoreingenommenheit der Justiz hat, die es braucht, um ohne Ansehen der einzelnen Person strafrechtlich fair ermitteln zu können.

All diese Punkte sind sehr erfreulich, und ich wünsche Ihnen, dass es gelingen möge, jetzt doch auch Justizpolitik im engeren Sinn zu machen. Es warten viele, viele Vorhaben justizpolitischer Natur. Justizpolitik mit Vision haben wir in Österreich schon lange nicht mehr erlebt. Noch dazu hätte das den Vorteil, dass es gar nicht viel Geld kostet. Ich erinnere an Reformvorhaben des Schadenersatzrechtes im Bereich des Familienrech­tes. Im Bereich des Maßnahmenvollzugs gibt es viel zu tun. Wir NEOS sind Partner, wir sind gerne bereit, das zu unterstützen.

Heute ist jedenfalls ein Tag, über den ich mich im Sinne der österreichischen Justiz sehr freue und wofür ich mich noch einmal sehr herzlich bedanken möchte. – Danke schön. (Beifall bei NEOS und Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

21.39


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesministerin Za­dić. – Bitte.


21.39.35

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Geschätzte Damen und Herren! Als ich das Amt der Justizministerin im Jänner übernommen habe, wurde überall über das mangelnde Justizbudget geklagt, sogar vom „stillen Tod“ der Justiz war auch justizintern immer wieder die Rede. Im Jahr 2019 konnte mit den budgetären Mitteln nicht das Auslangen gefunden werden. Zur Aufrechterhaltung des laufenden Betriebes mussten 2019 sogar Rücklagen in der Höhe von 33,8 Millionen Euro entnommen werden, da sprechen wir noch gar nicht von not­wendigen Reformen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 264

Wäre es weiter zu einer solchen Unterbudgetierung gekommen, hätten die Rücklagen bereits im Finanzjahr 2020/21 nicht mehr ausgereicht, um den Budgetbedarf des Res­sorts gänzlich zu decken. Sie wissen, im Regierungsprogramm haben wir uns daher das Ziel einer ausreichend ausgestatteten Justiz gesetzt. Ich freue mich, Ihnen heute sagen zu können, dass wir ein Justizbudget präsentieren können, das mit Sicherheit den stillen Tod der Justiz abwendet und wir noch dazu einige wichtige Reformvorhaben auf den Weg bringen können.

Sie haben es auch in Ihren Reden schon mehrfach erwähnt: Für das Finanzjahr 2020 haben wir 1,73 Milliarden Euro zur Verfügung. Wenn wir es mit dem Bundesfinanzrah­mengesetz 2019 vergleichen, dann sind das 165 Millionen Euro mehr, im Vergleich zum Erfolg des Jahres 2019 sind es 72 Millionen Euro mehr. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Mit diesen Budgetmitteln können wir, wie bereits gesagt, nicht nur die Kosten des lau­fenden Betriebes decken, wir können auch die notwendigen Personalaufstockungen vor­nehmen, die auch die unabhängige Gerichtsbarkeit und die Stärkung der Rechtsstaat­lichkeit auszeichnen sollen. Aus den uns zur Verfügung gestellten Budgetmitteln werden wir auch die notwendigen und wichtigen IT-Projekte – wie insbesondere auch die Digita­lisierung der Justiz vorantreiben, denn wir haben jetzt in der Coronazeit gesehen, wie wichtig ein volldigitalisierter Akt ist, wie wichtig es ist, dass wir so bald wie möglich den volldigitalisierten Akt auf das gesamte Bundesgebiet ausweiten.

Ich möchte heute auch noch einmal drei Bereiche hervorheben, die mir persönlich ganz besonders wichtig sind und die mit diesem Budget möglich gemacht werden. Zum einen ist das die Erhöhung der Zahl der Planstellen bei der Staatsanwaltschaft: Wir haben uns im Regierungsprogramm auf die Stärkung der Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft geeinigt und wir haben uns auch darauf geeinigt, dass wir insbesondere neue Gefahren stärker bekämpfen wollen – sei es die Terrorismusbekämpfung, aber auch die Bekämp­fung von Cybercrime und Hass im Netz. Dafür braucht es auch die notwendigen Planstel­len bei der Staatsanwaltschaft. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Mahrer.) Ja, auch in diesem Bereich haben wir uns zum Ziel gesetzt, dass wir Verfahren, insbesondere Großverfahren effizienter und rascher zu einem Ende führen wollen.

Seit meinem Amtsantritt durfte ich bereits einige Justizanstalten vor Ort besuchen und konnte mir daher auch einen Überblick darüber verschaffen, was benötigt wird und was notwendig ist. Daher war es mir auch in den Budgetverhandlungen ein großes Anliegen, auch in diesem Bereich für eine spürbare Entlastung zu sorgen. Es ist uns gelungen, die im Bundesfinanzrahmen ursprünglich vorgesehenen Einsparungspfade und Planstellen­rückführungen abzuwenden und zur Entlastung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu­sätzlich neue Planstellen zu gewinnen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Auch die Bewährungshilfe und die psychosoziale sowie juristische Prozessbegleitung sind mir ein großes Anliegen. Wir haben uns auch dafür eingesetzt, dass es dafür mehr Budgetmittel gibt. Die Bewährungshilfe, vor allem der Verein Neustart leistet einen ent­scheidenden Beitrag dazu, dass unsere Gesellschaft ein Stück sicherer wird und ehe­malige Insassinnen und Insassen den Weg in ein neues Leben und in die Legalität zu­rückfinden. Dafür gibt es auch zusätzliche Budgetmittel, insgesamt 1,9 Millionen Euro. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Aber auch Opfer von Sexual- und Gewaltstraftaten dürfen nicht alleine gelassen werden. Auch jene Organisationen, die sich um diese Opfer im Wege einer psychosozialen oder einer juristischen Prozessbegleitung kümmern, sollen besser ausgestattet werden. Auch für sie gibt es eine Erhöhung der Budgetmittel.

Nicht zuletzt möchte ich auch die von mir erwähnte Digitalisierung nochmals unterstrei­chen: Wir haben gerade jetzt in Coronazeiten gesehen, wie wichtig eine digitale Justiz


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 265

ist. Auch diese Projekte werden wir nun vorantreiben können. Ich kann Ihnen ehrlich sagen, ich freue mich auch darauf, dass wir die Justiz 3.0 endlich weiter ausbauen kön­nen und wirklich auf ganz Österreich ausrollen werden. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Kurz zusammengefasst: Das Justizbudget kann sich wirklich sehen lassen, es ist ein großer Erfolg gelungen. Ich konnte Ihnen heute vielleicht nur einen kleinen Ausschnitt von all dem präsentieren, was wir mit diesem Budget vorhaben, aber ich freue mich auf die nächsten Monate, in denen ich mit diesem Budget arbeiten darf, in denen ich auch mit Ihnen gemeinsam die einzelnen Projekte vorantreiben kann. Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

21.46


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Fischer. – Bitte.


21.47.01

Abgeordnete Mag. Ulrike Fischer (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Jetzt fällt mir fast nur mehr der Spruch ein: Es wurde schon alles gesagt, nur nicht von jedem – das Justizthema wurde flächendeckend beleuchtet.

Was man vielleicht noch ergänzen kann und was ich für sehr wichtig halte, ist der de­mokratiepolitische Aspekt der Justiz. Nur wenn wir für eine unabhängige Justiz sorgen, die ausreichend mit Mitteln ausgestattet ist, sorgen wir dafür, dass Menschenrechte ein­gehalten werden, dass Institutionen kontrolliert werden, dass es einen Ausgleich zwi­schen Justiz und Polizei gibt.

Wichtig ist, dass wie es im Regierungsprogramm festgeschrieben wurde – die Justiz mehr Geld braucht, damit es eben nicht zu ihrem stillen Tod kommt. Das wurde hier jetzt umgesetzt. Mit 72 Millionen Euro für die Justiz kann man Staatsanwälte, Justizwache­beamte, Juristen anstellen und damit dafür sorgen, dass viele notwendige Maßnahmen umgesetzt werden. (Beifall bei den Grünen.)

Ich möchte mich in meiner Rede an die Frau Justizministerin wenden und möchte mich bei ihr ganz herzlich dafür bedanken, dass sie unser Justizbudget so gut verhandelt hat und dass sie Politik auf Augenhöhe betreibt, sodass wir, glaube ich, heute hier Konsens darüber haben, dass im Bereich der Justiz ein gutes Budget erreicht wurde. Das ist ein großartiger Erfolg für unsere Demokratie und für unseren Rechtsstaat. Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

21.49


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Drobits. – Bitte.


21.49.18

Abgeordneter Mag. Christian Drobits (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Ich möchte mit einem herzlichen Dankeschön an all jene, die im Justizbe­reich beschäftigt sind, an alle, die im Gerichtsbereich, im Supportbereich, im Staatsan­waltsbereich, aber auch im Justizwachebereich tätig sind, beginnen: ein herzliches Dan­keschön! (Allgemeiner Beifall.)

Ich möchte aber auch Ihnen, Frau Bundesministerin, gemeinsam mit Ihrem Vorgänger Dr. Jabloner, der ja die Vorbereitungen getroffen hat, herzlich danken, dass Sie dieses Budget verhandelt haben, damit eine ausgewogene, ausreichende Ausstattung vorhan­den ist. Ich weiß, es kann im Endeffekt dazu führen, dass wie in den letzten Jahren eine Budgetüberschreitung Thema sein könnte. Ich hoffe, dass es nun zielgenau passt und das nicht mehr der Fall ist. Deshalb geht es auch darum, dass mit diesen 72,4 Millionen Euro die Aufrechterhaltung des Betriebes zukünftig gewährleistet werden kann.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 266

Mir geht es vor allem darum, dass der Bereich des Datenschutzes wesentlich davon betroffen ist, und Sie haben die Datenschutzbehörde mit zusätzlich fünf Personen an Personal ausgestattet. Ich weiß – wir haben beide darüber gesprochen –, dass das wahrscheinlich noch immer zu wenig sein wird, weil gerade die Datenschutzverfahren zukünftig stärker werden. Es muss aber immer das Gebot herrschen: Datenschutz und Freiwilligkeit. Das ist der Punkt, das braucht und will die Bevölkerung.

Heute hat auch eine jener Personen, die eigentlich nicht so sehr für den Datenschutz waren, eine Meldung getätigt, und zwar Frau Mei-Pochtler, die Leiterin von Think Austria, die auf einmal sagte: Der Datenschutz ist nicht verhandelbar. Das zeigt, dass wir genau in diesem Bereich, jenem des Datenschutzes, zukünftig Anstrengungen tätigen müssen. Deshalb müssen wir diesbezüglich auch Vorkehrungen treffen.

Sie haben richtigerweise gesagt, dass die Digitalisierung in den nächsten Jahren be­deutend sein wird. 3.0 ist ein Bereich, der in den Jahren 2022 und 2023 kommen wird. Wir haben auch Herausforderungen wie die Cyberkriminalität, die nominell um 45 Pro­zent gestiegen ist, und auch die Hassdelikte nehmen zu.

In diesem Sinne möchte ich die Hand reichen, Frau Bundesministerin, und erwähnen, dass wir natürlich zur Verfügung stehen, um die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit und faire und objektive Verfahren zu gewährleisten. Wir würden aber auch um Unterstützung im Bereich des Datenschutzes bitten, damit diesem Thema Rechnung getragen werden kann. – Danke nochmals für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

21.52


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Singer. – Bitte.


21.52.14

Abgeordneter Johann Singer (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben schon mehrfach gehört, dass das Budget für die Justiz auf 1 730 Millionen Euro angestiegen ist. Damit, so schreibt der Budgetdienst des Parlaments, ist der Budgetbedarf laut dem Wahrnehmungsbericht von Bundesminister außer Dienst Clemens Jabloner nahezu erreicht. Entscheidend ist, dass zusätzlich 295 Planstellen geschaffen werden. Damit kann der von der Bundesregierung erklärte budgetpolitische Schwerpunkt zur Sicherstellung der unabhängigen Gerichtsbarkeit und der Stärkung der Rechtsicherheit erreicht werden.

Wichtig ist, dass dieses Budget jetzt beschlossen wird und nicht später. Nur so wird die Personalaufstockung rasch umsetzbar.

Sehr geehrte Damen und Herren, als Bautensprecher der ÖVP darf ich die Diskussion über den Justizbereich nutzen, um über wohnrechtliche Themen zu reden, die ja teil­weise in das Aufgabengebiet der Justiz fallen. Im 2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz hat der Nationalrat für Menschen, die aufgrund der Coronakrise in Zahlungsschwierigkeiten geraten sind, ein Schutzpaket gegen den drohenden Wohnungsverlust geschaffen. Es sind dies Stundungsmöglichkeiten, die Verschiebung des Auslaufens von befristeten Mietverhältnissen oder das Aussetzen der Delogierung, also wichtige Maßnahmen für betroffene Menschen. Nach meinen Recherchen musste dieses Schutzpaket aktuell nur in eingeschränktem Maß in Anspruch genommen werden. Für mich ist dies ein Zeichen dafür, dass andere Unterstützungsmaßnahmen wie zum Beispiel die Kurzarbeitsrege­lung gegriffen haben.

Ich bin froh, dass nun bald wieder der parlamentarische Alltag einkehren wird. Warum? – Weil wir uns im Regierungsprogramm viele Maßnahmen zum Thema Wohnen vorge­nommen haben, die wir auch umsetzen wollen. Die Justiz betreffen Punkte wie die


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 267

Schaffung eines transparenten, nachvollziehbaren Mietrechtes, transparente Preisbil­dung, Forcierung von Instandhaltung und Sanierung von Wohnungen oder die Verstär­kung der Ökologisierung im Mietrecht, und das alles mit dem Ziel, Mieten günstiger zu gestalten und auch die Eigentumsbildung zu erleichtern. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

21.55


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Lausch. – Bitte.


21.55.10

Abgeordneter Christian Lausch (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesmi­nister! Ja, ich bewundere den Optimismus von Kollegin Prammer und der Frau Bundes­ministerin. Ich will wieder in Erinnerung rufen: Das Budget ist ohne die Coronakrise gemacht. Ich hoffe nur, dass Sie sich diese paar Planstellen leisten können – ich glaube nicht, dass das ausreicht –: 40 Planstellen für Staatsanwälte – Sie müssen sich diese mit dem Budget einmal leisten können, wenn man die Coronakrise hineinrechnet –, zehn Planstellen für Richter für ganz Österreich – na ja –, und im Strafvollzug ist es noch är­ger: 16 Planstellen für Akademiker, 50 für Verwaltungsbedienstete und – jetzt kommt der Hammer – für die vielgepriesene Justizwache 30 Planstellen österreichweit, bei 28 Jus­tizanstalten. Ich bin schon auf die Aufteilung, wo diese 30 Planstellen hinkommen, durch Ihr Haus gespannt. Bei 28 Justizanstalten ist das eine Planstelle pro Justizanstalt.

In diesem Sinne bleibt mir nur eines übrig: für die Justizwache einzutreten. Es sollen nicht leere Worthülsen verblasen werden, und es soll nicht immer gesagt werden: Die Justizwache ist uns so wichtig!, und dann werden diesem Berufsstand 30 Planstellen gegeben. – Das ist eine Verhöhnung.

Darum bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Lausch, Mag. Stefan, Kolleginnen und Kollegen betreffend „bessere budgetäre und personelle Ausstattung der Justizwache“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Justiz wird aufgefordert, dem Nationalrat ein Maßnahmenpa­ket für die Justizwache vorzulegen, das folgende Kernpunkte enthält:

- Mehr Planstellen: Die Sicherheit in den Justizanstalten muss durch Personalaufsto­ckung der Bediensteten der Justizwache erhalten bleiben.

- Bessere budgetäre Ausstattung: Das Budget hat so ausgerichtet zu sein, dass ein Mehr an Planstellen und Ausrüstung für die Justizwache nicht zu Einsparungen in anderen Bereichen in der Justiz führt.

- Schutz der Privatsphäre: Es ist ein medienrechtlicher Schutz der Privatsphäre der Bediensteten einzuführen. Wird bei Eingriffen in die Privatsphäre von Bediensteten, insbesondere bei Justizwachebeamten, durch Veröffentlichungen verletzt, kann der Dienstgeber im Wege der Finanzprokuratur die Ansprüche der Betroffenen geltend ma­chen.

- Anerkennung der Justizwache: Die Bediensteten der Justizwache dürfen nicht durch Zivilpersonen ersetzt werden, sondern müssen vielmehr im Sinne der Vollzugszwecke gestärkt werden. Der Beruf des Justizwachebeamten ist kein Betreuungsberuf, die Be­amten sind keine Sozialarbeiter, sie erbringen Sicherheitsleistungen.“ – Darum wäre auch die Bezeichnung Justizpolizei überlegenswert.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 268

„- Haft in der Heimat: Das Konzept ,Haft in der Heimat‘ ist durch bilaterale Übereinkom­men und konsequente Anwendung der bestehenden multilateralen Übereinkommen zu forcieren.“

*****

Ich danke für die Aufmerksamkeit und sage noch als Schlusswort, dass diese 30 Plan­stellen bei der Justizwache ganz schlecht ankommen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

21.58

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Lausch, Mag. Stefan

und weiterer Abgeordneter

betreffend bessere budgetäre und personelle Ausstattung der Justizwache

eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (55 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoran­schlages für das Jahr 2020 (Bundesfinanzgesetz 2020 – BFG 2020) samt Anla­gen (183 d.B.) zu UG-13 (TOP 7)

Die Justiz und im Speziellen die Justizwache waren und sind seit Jahren Stiefkinder der Finanzminister. Dieses Faktum unterstreicht ein Artikel, vom 16. Dezember 2019, der Online-Zeitung „addendum“, welcher die Altersstruktur veranschaulicht:

„Justizwachebeamte nach Altersgruppen

Alter in Jahren / Menge

bis 20: 2

20 bis 24 /102; 25 bis 29 / 267; 30 bis 34 / 299; 35 bis 39 / 522; 40 bis 4 / 506;

45 bis 49 / 542; 50 bis 54 / 493; 55 bis 60 / 384; 60 bis 64 / 125

Die Deckung des aktuellen Personalbedarfs hält das Ressort „aufgrund der Schwierig­keiten bei der Rekrutierung trotz gestarteter Initiativen“ für „eher unwahrscheinlich“. Von 3.422 Planstellen bei der Justizwache waren 2019 immerhin 6,2 Prozent unbesetzt. Der Personalmangel birgt „hohe Sicherheitsrisiken“, so das Ministerium. (...)

(...) Personeller Mehrbedarf

gesamter Bedarf an zusätzlichen Planstellen oder Vollbeschäftigtenäquivalenten laut Wahrnehmungsbericht

Justizwache 250 (...)“

Der Personalmangel bei der Justizwache bedeutet eine Belastung eines jeden Bediens­teten, welche oft durch Eingriffe in die Privatsphäre von einigen Medien verstärkt wird. Hier ist der öffentlich Bedienstete samt seiner Familie gänzlich auf sich alleine gestellt. Hier hätte der Staat jedoch gegenüber seinen Bediensteten die Pflicht, diesen rechtlich beizustehen.

Nicht nur der rechtliche Schutz, auch die budgetäre Ausstattung zur Aufrechterhaltung der Sicherheit in den Haftanstalten muss dem Staat ein Leistungssoll sei


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 269

n.

Im diesjährigen Bundesvoranschlag, der mit seinen Zahlen wegen der COVID-19-Maß­nahmen der Realität höchstwahrscheinlich nicht einmal nahekommt, werden Gelder lo­ckergemacht, um zusätzlich 30 neue Planstellen für Exekutivbedienstete der Justizanstal­ten einzurichten. Das bedeutet, dass es für jede der 28 Justizanstalten 1,07142857 Jus­tizwachebeamte mehr geben wird. Im Ergebnis wird der Personalstand der Justizwache nicht einmal so aufgefüllt werden, dass die Lücke durch Ruhestandsabgänge geschlos­sen werden kann.

Um die Justizwache tatsächlich zu entlasten, muss neben einer personellen Aufstockung und einer besseren budgetären Ausstattung auch das freiheitliche Modell „Haft in der Heimat“ verstärkt vorangetrieben werden, denn der Anteil der in Österreich verurteilten Ausländer an der Gesamtzahl der Verurteilten nimmt seit Jahren stetig zu. Innerhalb von nicht einmal zwanzig Jahren hat er sich nahezu verdoppelt: Verfügte um die Jahrtau­sendwende noch jeder vierte Verurteilte über keine österreichische Staatsbürgerschaft, so ist heute schon jeder zweite Verurteilte ein Ausländer.

Der aus dieser dramatischen Entwicklung resultierende hohe Ausländeranteil bei den Inhaftierten stellt für den österreichischen Strafvollzug eine der größten Herausforderun­gen dar. Insbesondere die Kosten für die Unterbringung sind enorm.

Zur Entlastung unserer Justizanstalten müssen daher Maßnahmen – vor allem solche, welche zur Haftverbüßung der Straftäter in deren Heimatstaat führen – getroffen werden. Die Vollziehung der Haft in der Heimat ist zudem im Hinblick auf eine erfolgreiche Re­sozialisierung stets besser, weshalb stets eine möglichst rasche Überstellung des Straf­täters in den jeweiligen Herkunftsstaat anzustreben ist.

Daher stellen die unterfertigten Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Justiz wird aufgefordert, dem Nationalrat ein Maßnahmenpa­ket für die Justizwache vorzulegen, das folgende Kernpunkte enthält:

•             Mehr Planstellen: Die Sicherheit in den Justizanstalten muss durch Personalauf­stockung der Bediensteten der Justizwache erhalten bleiben.

•             Bessere budgetäre Ausstattung: Das Budget hat so ausgerichtet zu sein, dass ein Mehr an Planstellen und Ausrüstung für die Justizwache nicht zu Einspa­rungen in anderen Bereichen in der Justiz führt.

•             Schutz der Privatsphäre: Es ist ein medienrechtlicher Schutz der Privatsphäre der Bediensteten einzuführen. Wird bei Eingriffen in die Privatsphäre von Be­diensteten, insbesondere bei Justizwachebeamten, durch Veröffentlichungen verletzt, kann der Dienstgeber im Wege der Finanzprokuratur die Ansprüche der Betroffenen geltend machen.

•             Anerkennung der Justizwache: Die Bediensteten der Justizwache dürfen nicht durch Zivilpersonen ersetzt werden, sondern müssen vielmehr im Sinne der Voll­zugszwecke gestärkt werden. Der Beruf des Justizwachebeamten ist kein Be­treuungsberuf, die Beamten sind keine Sozialarbeiter, sie erbringen Sicherheits­leistungen.

•             Haft in der Heimat: Das Konzept „Haft in der Heimat“ ist durch bilaterale Überein­kommen und konsequente Anwendung der bestehenden multilateralen Überein­kommen zu forcieren.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, aus­reichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Kugler. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 270

21.58.23

Abgeordnete Dr. Gudrun Kugler (ÖVP): Herr Präsident! Frau Ministerin! Liebe Kol­leginnen und Kollegen! Wenn man sich die Wirkungsziele im Bereich Justiz im Budget ansieht, dann kommt man sehr schnell auf das Konzept Menschenrechte. Das sind teilweise gleichlautende Wirkungsziele: Rechtsicherheit, gleicher Zugang, aber auch, dass wir mehr Geld für Personal im Bereich Freiheitsentzug ausgeben. All das entspringt natürlich auch direkt den Menschenrechten. Genauso ist es auch in den anderen Un­tergliederungen. Die Menschenrechte stehen hinter den Wirkungszielen in unserem Budget.

Da schon vieles gesagt wurde, wie etwa von Frau Kollegin Fischer, möchte ich heute ein paar Gedanken über Menschenrechte einbringen, weil ich glaube, dass Menschenrechte zweifach in einer Krise stehen: Einerseits gibt es viele Menschen, die sagen, durch die Coronamaßnahmen sind ihre Menschenrechte verletzt. Darauf, so glaube ich, müssen wir unbedingt antworten, denn es stimmt, dass die Coronamaßnahmen in Menschen­rechte eingreifen; die Liste brauche ich Ihnen hier nicht aufzuzählen. Ist aber jeder Ein­griff eine Verletzung? – Natürlich nicht. Vor ungefähr einer Woche hat die frühere Kanz­lerin Bierlein das auch sehr gut in der „ZIB 2“ erklärt: Ein Eingriff ist dann keine Verlet­zung, wenn öffentliches Interesse an der Zielerreichung besteht, wenn sich das Mittel eignet, das Mittel erforderlich ist und eine Verhältnismäßigkeit zwischen Ziel und Eingriff besteht. Man nennt das Grundrechtsprüfung.

Im Ausschuss haben wir dieses Thema auch schon diskutiert, und die NEOS haben diese Unterscheidung zwischen Eingriff und Verletzung als eine rein semantische be­zeichnet. Das finde ich schade. Herr Dr. Margreiter, Sie werden sicher eine Jusstudentin finden, die Ihnen ein Skriptum borgt: Die Grundrechtsprüfung ist aus unserem Grund­rechtsverständnis nicht wegzudenken; die Letztentscheidung liegt natürlich bei den Höchstgerichten.

Die Menschenrechte stehen aber auch noch auf einer anderen Ebene auf dem Prüf­stand, nämlich dann, wenn man immer wieder – und das klingt vielleicht für einige scho­ckierend – so etwas hört, wie: Lass mich mit Menschenrechten in Ruhe! Ich habe mit einem ansonsten sehr redlichen Politiker aus dem Kaukasus geredet, der mir gesagt hat: Ich will mit Menschenrechtsaktivisten nichts zu tun haben.

Was läuft denn da schief? – 1948 war die Welt nach den Verbrechen des Zweiten Welt­kriegs in einem Schockzustand. Man hat die Menschenrechte gemeinsam als Vorbe­dingung des Friedens formuliert. Die Anerkennung der Menschenrechte bedeutete da­mals – und so ist es noch heute, und jetzt sage ich einen schwierigen philosophischen Satz – die Unterordnung des Staates unter die menschliche Person. Wir sehen aber, dass die Menschenrechte in der Zwischenzeit zum Teil zu einem Mittel in einem Kultur­kampf geworden sind.

Was heißt das? – Ich sage Ihnen Beispiele: Kürzlich hat ein überregionales Gericht ein Recht auf illegale Hausbesetzung festgestellt. Es gibt Stimmen, die sagen, es gibt ein Menschenrecht auf ein Kind und deswegen muss mir eine Leihmutter zur Verfügung stehen. Es gibt Stimmen, die sagen, es gibt ein Menschenrecht auf Euthanasie. Man kann noch viele solche Beispiele finden. Ausschlaggebend bei diesem Missverständnis der Menschenrechte ist immer, dass es allein um den subjektiven Willen geht: weil ich es will. Ein Straßburger Jurist hat gesagt: so wie die Freiheit eines Waisenkindes.

Die ursprüngliche Idee der Menschenrechte – und ich muss mich entschuldigen, das klingt philosophisch – war eine personalistische: das Phänomen Mensch im Zentrum, das Leib-Geist-Seele-Phänomen. Die Idee war, dass so, wie man über Ökologie im ge­nerellen Sinne sprechen kann, auch für den Menschen Existenzbedingungen gelten, die wir nicht frei erfinden können.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 271

Descartes hat gesagt – ich zitiere –: Für die gesamte Natur gelten vergleichbare Ge­setzmäßigkeiten. Der Mensch ist Teil der Natur. – Zitatende. Dass der Mensch Rechte hat, gehört zu seiner Natur, und wenn wir die Menschenrechte hochhalten wollen, wenn wir sie verteidigen und wenn wir sie langfristig absichern wollen, dann müssen wir sie im Wesen des Menschen, im Menschen selbst verankern, und wir dürfen sie nicht als ideo­logischen Spielball verwenden.

Dass die Menschenrechte in den Wirkungszielen des Budgets den unterschiedlichsten Untergruppen zugrunde liegen, zeigt, dass es uns nicht um Ideologie geht, sondern um einen Dienst am Menschen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Bernhard: Das war eine gute Rede! Oder? – Abg. Brandstätter: Ja!)

22.03


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Krisper. – Bitte.


22.03.16

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Ich beginne meine Rede mit einer Geschichte aus dem Leben eines jungen Staatsanwalts.

„Eines Nachmittags trat jemand, dessen Anblick mich aufspringen und verneigen ließ, in mein Arbeitszimmer.“ Er „war es – bei dem ich Strafrecht inskribiert, teilweise sogar ge­hört hatte – [...]“

Er bekleidete höchste Regierungsämter. Er fragte:

„,Darf ich mich an Sie wenden?‘

An mich wenden! Dürfen! Ich bejahte dienstfertig und lud den alten Herrn zum Sitzen ein, doch er zog es vor zu stehen.“ Er sagte, „sein Anliegen sei kurz. Die Staatsanwalt­schaft [...] behandle den Fall eines gewissen jungen Mannes, dessen Namen er nannte: der junge Mann sei ein Verwandter. [...]

Ich fürchtete, was er jetzt sagen würde. Denn er war es gewesen, der uns Studenten die Unabhängigkeit der Justiz gelehrt und streng gefordert hatte, sie zu wahren, um jeden Preis: Keine Interventionen, keine Beeinflussungen. ,Das Einzige, was bei einem [...] zu intervenieren hat‘, pflegte er zu sagen, ,ist das gesatzte Recht.‘ Würde er im Arbeits­zimmer seines Schülers seine Lehre verleugnen?

Den Akt in der Hand, fürchtete ich es. Er fragte: ,Wird die Anklage erhoben werden?‘ Als ich bejahte“, fragte er: „,Hat das die Voruntersuchung unangreifbar ergeben?‘ Auf mein abermaliges Ja zögerte er, sagte dann: ,Ich danke für Ihre Auskunft.‘ Die Worte fielen ihm schwer, er fügte nichts hinzu, reichte mir die Hand und empfahl sich.“

Diese Geschichte aus der Autobiografie des großen Ernst Lothar ist gut 100 Jahre alt, hat aber nichts an Aktualität eingebüßt. Es geht damals wie heute um die redlichen Men­schen in der Strafjustiz, die einfach dem Gesetz folgen und daher unabhängig, unpar­teiisch und frei von Interventionen arbeiten wollen. Das sollen sie auch, und das sage nicht ich, das sagt § 3 der Strafprozeßordnung.

In der Geschichte von Ernst Lothar erwartete der junge Staatsanwalt eine Intervention. Sie blieb aus, weil der Besucher zu seinen Werten stand, auch wenn ihm das Ergebnis nicht passte. Leider ist es heute noch immer nötig, zu beeinflusster und beeinflussbarer Strafjustiz ein deutliches Nein zu sagen.

Heute wollte ich über eine Person sprechen, unter der sich ein System entwickelte, in dem bestimmte Strafverfahren torpediert oder daschlogen werden, während andere Ver­fahren, wenn es für jemand Wichtigen opportun ist, turbogeboostet werden, in dem


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 272

Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sich unsachlich unter Druck gesetzt fühlen und in sinnlosen Berichtspflichten erstickt werden, ihnen mit Maßgaben zu verstehen gegeben wird, welchen Verfahrensausgang man sich wünscht und was passiert, wenn den Erwar­tungen nicht entsprochen wird, nämlich Marginalisierung, Karriereende. – Das ist das System unter Pilnacek.

Frau Ministerin, Sie haben heute entschieden, Christian Pilnacek als Sektionschef nicht zu verlängern. Das ist ein wichtiger, erster Schritt in Richtung Rechtsstaatlichkeit in der Strafjustiz. Christian Pilnacek war aber nur der letztendlich sehr unverfrorene Kopf eines lang etablierten Systems von Vertrauten.

Daher stelle ich folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Das ein­zige, was bei einem zu intervenieren hat, ist das gesatzte Recht“

Der Nationalrat wolle beschließen:

 „Die Justizministerin wird aufgefordert,

1. die Stelle des Sektionschefs/der Sektionschefin der überaus sensiblen mit Einzelstraf­sachen befassten Sektion neu auszuschreiben und diese Funktion einer geeigneten Per­son zu überantworten, die es vermag, diese Position mit dem notwendigen Amtsver­ständnis der Unparteilichkeit im Sinne der Rechtsstaatlichkeit korrekt auszuüben.

2. das System der berichtspflichtigen Verfahren zu evaluieren und dem Nationalrat einen Gesetzesentwurf für eine umfassende Reform zuzuleiten, mit dem die Unabhängigkeit der staatsanwaltschaftlichen Behörden nachhaltig gestärkt und vor unsachlicher Ein­flussnahme geschützt wird.“

*****

Ich ersuche Sie dringlich: Setzen Sie diese weiteren, wichtigen Schritte für eine un­abhängige Strafjustiz! (Abg. Gerstl: Das ist unredlich!) – Danke sehr. (Beifall bei den NEOS.)

22.07

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kol­legen

betreffend "Das einzige, was bei einem zu intervenieren hat, ist das gesatzte Recht"

eingebracht im Zuge der Debatte in der 32. Sitzung des Nationalrats über den Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (55 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2020 (Bundesfinanzgesetz 2020 – BFG 2020) samt Anlagen – TOP 7 UG 13

Das Budget eines Ministeriums kann durch Ineffizienzen belastet werden. Eine mögliche unnötige Belastung des ohnehin angespannten finanziellen Situation in der Justiz ergibt sich aus der Berichtspflicht in Strafverfahren gemäß § 8 Abs 1 des Staatsanwaltschafts­gesetz (StAG). Das durch diese gesetzliche Bestimmung geschaffene System kann da­durch auch zur systematischen Verlangsamung mit entsprechenden anderen negativen


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 273

Auswirkungen führen. Weiters ist mit den personellen Ressourcen der Justiz unter der Prämisse der Sparsamkeit und Effizienz umzugehen. Da passt es eben nicht ins Bild, dass Staatsanwält_innen, die in brisanten Fällen ermitteln, durch höchste Beamt_innen mit sinnlosen Berichtspflichten sowie durch andere fragwürdige Maßnahmen in ihrer Ar­beit behindert werden.

- Ohne Ansehung der Person -

Justitia ist die Göttin der Gerechtigkeit.

In der Ikonographie hält sie zumeist in der linken Hand eine Waage, in der rechten das Richtschwert. Seit Ende des 15. Jahrhunderts wird Justitia blind bzw. einäugig, später noch deutlicher mit einer Augenbinde dargestellt.

Die drei Attribute Augenbinde, Waage und Richtschwert sollen somit verdeutlichen, dass das Recht ohne Ansehen der Person (Augenbinde), nach sorgfältiger Abwägung der Sachlage (Waage) gesprochen und schließlich mit der nötigen Härte (Richtschwert) durchgesetzt wird.

Es ist wohl kein Zufall, dass eine in Marmor geschaffenen Statue der Justitia in sitzender Stellung die Aula des Obersten Gerichtshofes der Republik Österreich ziert.

"Nur wenn sich die Bürger darauf verlassen können, dass die Gerichte sachkundig, un­abhängig und ohne Ansehung der Person handeln, akzeptieren sie auch deren Entschei­dungen, die nicht immer nach dem Willen der Betroffenen sein können. (...)

Eine gute und verlässlich funktionierende Justiz ist so etwas wie die Visitenkarte eines Rechtsstaats. Die Justizbehörden und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sorgen für die Wahrung von Rechtssicherheit und Rechtsfrieden in Österreich. Durch die hohe Qua­lität ihrer Arbeit verdient sich die Justiz das große Vertrauen, das die Bevölkerung in sie setzt. Dieses Vertrauen ist ein unverzichtbares Fundament für Freiheit, Sicherheit und Recht."

(Quelle: Alles was Recht ist. Justiz und Recht besser verstehen (2013) Bundesministe­rium für Justiz)

In Österreich - wie überall sonst - wird Recht freilich nicht von einer allegorischen Figur gesprochen sondern von Menschen. Ist bereits der Mensch für sich ein komplexes We­sen, so trifft das umso mehr auf einen elaborierten Justizapparat zu, der, bestehend aus einer Tausendschaft von gewissenhaften Beamt_innen, Richter_innen, Staatsanwält_in­nen, Rechtspfleger_innen, Kanzleimitarbeiter_innen und vielen anderen, ein hochkom­plexes Gefüge und zugleich wesentliches Fundament der Republik ist.

Der deutsche Richtereid lautet: "Ich schwöre, das Richteramt getreu dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und getreu dem Gesetz auszuüben, nach bestem Wissen und Gewissen ohne Ansehen der Person zu urteilen und nur der Wahrheit und Gerechtigkeit zu dienen, so wahr mir Gott helfe."

Dem gegenüber fällt der österreichische Richtereid etwas profaner aus: "Ich schwöre, dass ich die in der Republik Österreich geltende Rechtsordnung unverbrüchlich beach­ten und meine ganze Kraft in den Dienst der Republik stellen werde."

Gemäß § 57 des Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz sind Richter und Staats­anwälte der Republik Österreich zur Treue verpflichtet und haben die in der Republik Österreich geltende Rechtsordnung unverbrüchlich zu beachten. Sie haben sich mit voller Kraft und allem Eifer dem Dienst zu widmen, sich fortzubilden, die Pflichten ihres Amtes gewissenhaft, unparteiisch und uneigennützig zu erfüllen und die ihnen über­tragenen Amtsgeschäfte so rasch wie möglich zu erledigen.

Der Inhalt dieser Bestimmung ist klar: es geht es um eine funktionierende – unabhängig agierende – Justiz, die alle gleich behandelt.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 274

Das Vertrauen der österreichischen Bevölkerung in die Unabhängigkeit der Justiz ist genauso groß wie fragil. Die professionelle Arbeit der Justiz ist als Bollwerk der Ge­rechtigkeit auf Sand gebaut, dessen Fundament - das verfassungsgesetzlich garantierte Gleichheitsgebot - von einem System untergraben wird, das parteiische Einflussnahme auf Verfahren ermöglicht. Wenn ein derartiges System in weiterer Folge von Persönlich­keiten ausgefüllt wird, die nicht davor zurückscheuen, diese Einflussnahme vorzuneh­men, ist die ohnehin schon vorhandene Zweiklassen-Justiz als Begleiterscheinung eines erodierenden Rechtsstaats unvermeidbar.

In der Zusammenschau ergibt sich bedauerlicherweise das Bild, dass in bestimmten Be­reichen der Strafjustiz manche der agierenden Personen weder unabhängig noch un­parteiisch im Sinne der oben genannten Grundwerte agieren.

I. Die Staatsanwaltschaften im System der berichtspflichtigen Fälle

Gemäß Artikel 90a des Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) sind Staatsanwält_innen Organe der ordentlichen Gerichtsbarkeit. In Verfahren wegen mit gerichtlicher Strafe bedrohter Handlungen nehmen sie Ermittlungs- und Anklagefunktionen wahr. Durch das Bundesgesetz werden die näheren Regelungen über ihre Bindung an die Weisungen der ihnen vorgesetzten Organe getroffen.

Die Staatsanwält_innen haben gemäß § 3 der Strafprozessordnung (StPO) ihr Amt unparteilich und unvoreingenommen auszuüben und jeden Anschein der Befangenheit zu vermeiden. Sie haben die zur Belastung und die zur Verteidigung des Beschuldigten dienenden Umstände mit der gleichen Sorgfalt zu ermitteln.

§ 8 Abs 1 des Staatsanwaltschaftsgesetz (StAG) legt bestimmte Berichtspflichten für die Staatsanwaltschaft fest. Dies bedeutet, dass in den dort genannten Fällen die Sachbe­arbeiter_innen ihre Causen nicht selbst erledigen können, sondern von sich aus den Oberbehörden zu ihren jeweiligen Vorhaben (Festnahmen, Einvernahmen, Anklage, Einstellung,...) berichten müssen. Die Oberbehörden (Oberstaatsanwaltschaft (OStA) sowie die Weisungsabteilung im BMJ) können dann den Vorhabensbericht "zur Kenntnis nehmen", was einer Genehmigung des Vorhabens entspricht, oder aber mittels Weisung eine andere Vorgangsweise anordnen. Dieses System der Berichtspflichten öffnet Straf­verfahren für klandestine Beeinflussung von "oben" und verlängert die Ermittlungsver­fahren in besorgniserregendem Ausmaße.

Zu Weisungen im formellen Sinn kommt es nämlich selten, zumal diese auch gem. § 29a Abs 3 StAG dem Nationalrat zu berichten sind. Viel häufiger sind sogenannte "Dienstbe­sprechungen", in welchen dann den jeweiligen Sachbearbeiter_innen die "Rechtsan­sicht" der Oberbehörde mitgeteilt wird. Dass diese informellen Gesprächsrunden in der Praxis quasi Weisungscharakter entfalten und sich damit mit dem rechtsstaatlichen Prinzip der Bundesverfassung nur schwer vertragen, ist hinlänglich bekannt. Neben solchen Dienstbesprechungen gibt es aber auch andere Mittel und Wege, die jeweiligen Sachbearbeiter_innen auf Linie zu bringen. So werden Anordnungen mit Weisungs­charakter (um Weisungen im formellen Sinn handelt es sich dabei freilich nicht) durch Anforderung von Ergänzungsberichten in Verbindung mit Anmerkungen, wie eine Sache bevorzugt zu erledigen sei, versehen, um damit aufzuzeigen, welches Verhalten seitens der Fachaufsicht gewünscht ist.

Die Berichtspflicht kann aber auch zur systematischen Verlangsamung oder auch Len­kung eines Ermittlungsverfahrens führen. So zum Beispiel, wenn über nahezu jeden noch so kleinen Ermittlungsschritt ein Bericht angefordert wird oder bereits im Vorhinein festgelegt wird, welche Ermittlungsschritte zu berichten sind. So beläuft sich laut An­fragebeantwortung 771/AB der Justizministerin Alma Zadic mitgeteilt im Extremfall die Anzahl der fachaufsichtlichen Prüfer_innen in berichtspflichtigen Verfahren auf bis zu acht (!) Personen (exklusive Befassung des Weisungsrates), welche in einem jeweils


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 275

eigenen Schritt Berichte zu prüfen haben bzw. können. Die damit verbundene enorme Dauer eines solchen Prozesses liegt auf der Hand. Gerade in komplizierteren Causen scheint zudem eine eingehende Prüfung durch derart viele Personen schon aus zeitli­chen Gründen quasi ausgeschlossen, was auch die Sinnhaftigkeit derartiger Berichts­pflichten in rechtlich unproblematischen Fällen gänzlich in Frage stellt. So ist zum Bei­spiel unerklärlich, wie leitende Beamt_innen im BMJ, wie etwa eine Sektionschefin oder ein Leiter einer OStA, die Zeit finden sollen, sich mit der Beweiswürdigung oder auch einzelnen detaillierten Rechtsfragen ausgiebig auseinanderzusetzen. Dies gilt umso mehr in Großverfahren, die oft weit über tausend Seiten Aktenstudium erfordern, um sich ein genaues Bild über die Lage verschaffen zu können.

Diese auch zeitliche Komponente der fachaufsichtlichen Prüfung stellt gerade im Zu­sammenhang mit dem Beschleunigungsgebot gem. § 9 StPO ein Problem dar, zumal dieses als einfachgesetzliche Anordnung grundrechtlicher Vorgaben ein unbedingtes Muss des Strafprozesses darstellt.

Dieses, höchst fragwürdige System der Berichtspflichten in Verbindung mit den fachauf­sichtlichen Prüfung schadet einerseits durch seine Missbrauchsanfälligkeit dem Anse­hen in die Unabhängigkeit der Strafrechtspflege. Andererseits belastet es die Effizienz und damit das Budget unserer Strafjustiz unverhältnismäßig.

In Verfahren, die keiner Berichtspflicht unterliegen, sieht das Bild hingegen wesentlich anders aus. Hier wird bei Staatsanwält_innen mit mehr als fünf Dienstjahren im Falle der Anklage grundsätzlich gar keine weitere Prüfung durchgeführt. Wenn doch – einer in­ternen Usance folgend – eine Prüfung stattfindet, so wird diese von der Gruppenleitung durchgeführt. Es wird eine Anklage in weniger clamorosen Fällen also maximal von einer weiteren Person geprüft. Inwiefern jedoch bei clamorosen, rechtlich aber im Grunde un­problematischen Fällen derartige Berichtspflichten der „Qualitätssicherung“ dienen sol­len, ist nicht klar. An dieser Stelle bringt das aktuelle System der fachaufsichtlichen Prü­fung die Gefahr einer Zweiklassenjustiz mit sich, in welcher prominenten Persönlichkei­ten noch eine „politische Ehrenrunde“ vergönnt wird, während der gemeine Bürger bzw. die gemeine Bürgerin schon längst auf der Anklagebank sitzt.

Faktisch erfüllen die Berichtspflichten weitestgehend den Zweck, die Spitze des Minis­teriums sowie der jeweiligen OStA von Ermittlungshandlungen gegen prominente Per­sönlichkeiten zu informieren. Dass die höchsten Kreise der Strafverfolgungsbehörden in den vielen Fällen auch Kontakte in die höchsten Kreise der Politik pflegen, ist hinlänglich bekannt. Die systemimmanente Abhängigkeit der einen von den anderen öffnet folglich Tür und Tor für unsachgemäße Einflussnahmen auf staatsanwaltschaftliche Ermittlun­gen, welche letztlich der Absicherung der eigenen Position dienlich sein sollen. Eine Hand wäscht bekanntlich die andere.

Auf welche Weise unsachgemäße Einflussnahmen auftreten können, sei hier beispiel­haft aufgezählt:

•             „Versteckte Weisungen durch Anforderung von Ergänzungsberichten“ in Form von Verlangen nach ergänzender Berichterstattung. Dabei werden Vorhabensbe­richte, in welchen über beabsichtigte Maßnahmen berichtet wird, zurückgestellt und mit Anmerkungen versehen wie „angemerkt wird [...]“. Dabei wird eine „Rechtsansicht“ oder eine sonstige Meinung artikuliert, wobei in der Folge „unter Berücksichtigung der Meinung der Fachaufsicht“ erneut zu berichten ist. Ein derartiges Prozedere kann so lange wiederholt werden, bis die ermittelnden Sachbearbeiter_innen begreifen, wo die Reise hingehen soll.

•             „Mündliche Aufforderungen“, vor allem in Dienstbesprechungen, Telefonaten etc.

•             „Maßgaben“, womit Weisungen versteckt werden sollen und Ermittlungsverfah­ren in die Länge gezogen werden. So werden z.B. Vorhabensberichte mit der


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Maßgabe genehmigt, dass noch die eine oder andere Person einzuvernehmen wäre. Auf diese Weise lässt sich auch eine sogenannte "politische Ehrenrunde" einhängen.

•             „Die Zügel im Ermittlungsverfahren anziehen“, was bedeutet, Vorhabensberichte über jeden Verfahrensschritt zu verlangen. Dies bringt einen erheblichen Arbeits­aufwand für die ermittelnden Sachbearbeiter_innen mit sich. Wenn man ohnehin schon in Arbeit erstickt, ist man aufgrund dieser Zermürbungstaktik früher oder später geneigt sich nicht mehr mit „denen da oben“ anzulegen.

•             „Zu Tode berichten lassen“, wie z.B. durch die Anforderung von Informations­berichten zu jedem Zeitungsartikel oder ähnlich marginalen Ereignissen. Auch dadurch wird die Arbeit der fallführenden StA erheblich behindert.

•             „Informelle Anweisungen und Auskünfte“, so wird z.B. in Telefonate, persönlich oder via E-Mail mit Formulierungen wie „meiner Ansicht nach“ eine Richtung vor­gegeben, ohne danach gefragt zu werden.

•             „Liegenlassen“ von Vorhabensberichten, die nicht genehmigt werden sollen, aber auch nicht mit schriftlicher Weisung beantwortet werden können, was zu einer enormen Verzögerung von Verfahren führt und intern ein nahezu eindeutiges Zei­chen ist. Zudem eröffnet ein langes Ermittlungsverfahren die Möglichkeit einen Einstellungsantrag zu stellen und eine lange Verfahrensdauer ist ein nicht unwe­sentlicher Milderungsgrund, was sich im Falle einer Anklage und Verurteilung wiederum auf die Strafbemessung auswirkt.

Oberbehörden und Weisungsspitze im BMJ haben in den letzten Jahren dieses System staatsanwaltschaftlicher Berichtspflichten genutzt, indem sie auch in rechtlich unproble­matischen Fällen der ermittelnden Behörde vorgaben, wie sie sich die Erledigung ein­zelner Fälle vorstellten. Naturgemäß wird die Weisungsspitze im BMJ lediglich mit jenen Fällen konfrontiert, die auch der Berichtspflicht unterliegen, folglich in den allermeisten Fällen sogenannte "clamorose Fälle" sind. Diesem System ist einerseits durch geänderte rechtliche Rahmenbedinungen zu entgegnen, weshalb bereits einen entsprechenden Initiativantrag zur Änderung der staatsanwaltschaftlichen Berichtspflichten eingebracht wurde (IA 530/A XXVII GP.).

Neben dieser legistischen Änderung braucht es auch personelle Änderungen, zumal rein rechtliche Schranken für einen nachhaltigen Richtungswechsel unzureichend sind. Das im BMJ vorherrschende Netzwerk mit Christian Pilnacek an der Spitze wusste das System bewusst auszunutzen, weshalb - neben den rechtlichen Rahmenbedingungen - auch eine personelle Veränderung an der Spitze der Strafrechtssektion unumgänglich war. Nach dem Unterlassen der Wiederbestellung von Christian Pilnacek als Sektions­chef bleibt das System bestehen- und auch die Sorge, wer ihm nachfolgt.

II. Beispiel CHRISTIAN PILNACEK

Christian Pilnacek arbeitete selbst nie als Staatsanwalt, wurde aber trotzdem im Sep­tember 2010 unter Justizministerin Bandion-Ortner Leiter der "IV Strafrecht" im Justiz­ministerium. Er steht seither an der beamtlichen Spitze der staatsanwaltlichen Wei­sungshierarchie. Durch seine Hände gingen aufgrund der staatsanwaltschaftlichen Be­richtspflichten alle clamorosen Strafverfahren der Republik. Er hat die Dienst- und Fach­aufsicht über Strafverfahren inne, ist daher für die nun in der Folge beispielhaft ausge­führten Missstände per se schon verantwortlich gewesen. Aber es wird auch deutlich, dass Pilnacek und manch andere Person seines Vertrauens in der Weisungshierarchie bei diesen Missständen eine besonders aktive Rolle spielten, wenn es darum ging par­teilich Einfluss auf bestimmte Verfahren zu nehmen.

A. Verfahren mit unsachlichem Verhalten bzw. Ergebnis:


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1. Causa Eurofighter

Gegenstand des medial sowie politisch unter Beobachtung stehenden Verfahrens ist der politisch brisante Verdacht, es seien höchste Amtsträger der Regierung in Zusammen­hang mit dem Ankauf der Eurofighter bestochen worden.

Damals wurde das Ermittlungsverfahren dem Sachbearbeiter R. entrissen. Grund für die Übertragung war eine erteilte Weisung von Christian Pilnacek, relevante Aktenbestand­teile zurückzustellen. Dies hielt der bisherige Sachbearbeiter für ungerechtfertigt und missbräuchlich, weshalb er dies auch nicht vollziehen wollte. Im Rahmen einer Zeu­genvernehmung sprach er mit Peter Pilz über die Weisung, um dieser Sache mittels parlamentarischer Anfrage nachzugehen. Der Sachbearbeiter wurde daraufhin wegen straf- und disziplinarrechtlicher Vorwürfe abgezogen. Die bisher seit 2017 am Team Eurofighter teilnehmende Sachbearbeiterin StA F. bewarb sich in dieser Zeit zur WKStA, sodass sie mit ihrer Ernennung sämtliche Verfahren zur WKStA mitnahm. Ob ein Straf­verfahren dieser Größenordnung bei einer jungen und mäßig erfahrenen Staatsanwältin gut aufgehoben ist, bleibt fraglich.

Medial wurde dies seitens des BMJ anders kommentiert; so sagte OStA Klackl (Wien) dazu:

"Mit dieser Maßnahme kann eine kontinuierliche und effiziente Fallbearbeitung durch diese Staatsanwältin in der gerade auf die Führung von Wirtschaftsgroßverfahren aus­gerichteten Struktur der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft nachhaltig si­chergestellt werden" (https://diepresse.com/home/innenpolitik/5572024/Korruptionser­mittler-uebernehmen-EurofighterFall).

Weiters war zu lesen: "Die Causa und die damit bisher ebenfalls befasste Staatsanwältin – Staatsanwalt R. war Gruppenleiter – ist mittlerweile zur Korruptionsstaatsanwaltschaft gewechselt, was mehr Ressourcen und weniger Verzögerungen garantieren soll, wie Oberstaatsanwalt Michael Klackl am Donnerstag erklärte" (https://www.derstan­dard.at/story/2000098006886/causa-eurofighter-aufregung-um-staatsanwalt-wechsel-und-weisung).

Tatsächlich war die mediale Darstellung seitens der OStA grob unrichtig, wie auch das medial und über den Eurofighter-Untersuchungsausschuss kommunizierte Ergebnis der Ermittlungen verdeutlicht. Massive Verzögerungen waren daher jedenfalls vorhersehbar (weil unumgänglich), zumal niemand das Stammverfahren vollinhaltlich bzw. ausrei­chend kannte und alleine das Einarbeiten in einen derart komplexen Fall mehrere Mo­nate Aktenstudium erfordert. Weiters sind grobe Unzulänglichkeiten in der Verfahrens­führung zu Tage getreten, was ebenfalls – gerade in einem Verfahren solcher Tragweite – wesentlich auf ein grobes Versagen der Fachaufsicht schließen lässt. Nach Druck auf Ermittler, das Verfahren einem Ende zuzuführen, endete alles in der bekannten „da­schlogts es“-Dienstbesprechung.

Anstatt mit einer vollumfänglichen Aufarbeitung der Geschehnisse reagierte Christian Pilnacek lediglich mit der Vertuschung der eigenen Verfehlungen und weiterem Druck auf die WKStA, sowie Diffamierungen der ermittelnden Staatsanwält_innen (dazu um­fassend: https://www.addendum.org/justiz/eurofighter-verfahren/ sowie https://www.ad­dendum.org/justiz/pilnacek-moser/).

2. Weg der Ermittlungen gegen Pilnacek ins organisierte Nichts

Christian Pilnacek übermittelte per E-Mail eine Weisung im Eurofighter-Verfahren aus einem Verschlussakt an einen ORF-Redakteur, der zum Zeitpunkt dieser E-Mail keinerlei Kenntnis über den Inhalt der Weisung hatte. Nüchtern betrachtet erfüllt diese Handlung den Tatbestand des § 310 StGB - Verletzung des Amtsgeheimnisses.


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In diesem Fall ist jedoch Christian Pilnacek selbst der vermeintliche Täter. Obwohl die Tathandlung samt Beweisen in einer ausführlichen Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft übermittelt wurden, erblickte die StA Eisenstadt in diesem Verhalten keinen Anfangsverdacht und setzte durch ihre Erledigung nach § 35c StAG nicht einmal ein Ermittlungsverfahren in Gang.

Siehe auch dazu diese parlamentarische Anfrage: https://www.parlament.gv.at/PAKT/
VHG/XXVI/J/J_03657/index.shtml (Verletzung des Amtsgeheimnisses durch Generalse­kretär Pilnacek).

3. Weg der Ermittlungen gegen unliebsame Staatsanwält_innen in die Unverhältnismä­ßigkeit

Dass jedoch generell justizinterne Personen mit einer laschen Strafverfolgung zu rechnen haben, kann bei Betrachtung eines anderen Strafverfahrens - und einer von Pilnacek verschiedenen Person - nicht gesagt werden. So wurde gegen den schon oben genannten Staatsanwalt R. wegen des Verdachts auf Amtsmissbrauch und Verletzung des Amtsgeheimnisses, wegen der Preisgabe der Existenz der oben genannten Wei­sung im Eurofighter Verfahren, ermittelt. Dabei kam es zu einem unsachgemäßen und - was mittlerweile auch vom OLG Wien so bestätigt wurde - rechtswidrigen Einsatz massiv grundrechtsinvasiver Ermittlungsmethoden. Und das, obwohl für die Aufklärung des Tatverdachts dafür keinerlei Notwendigkeit bestand. So konstatierte das OLG in seinem Beschluss wörtlich: "Da R. die Offenbarung der Weisung [...] zugestanden hat, bleibt auch unerfindlich, was aus der Kenntnis eines Telefonkontakts zwischen ihm und N.N. danach für die Förderung der Aufklärung der Straftat zu gewinnen sein soll." Sowie an anderer Stelle: "Da über eine nicht existente Weisung schwerlich gesprochen werden kann, bleibt im Dunkeln und ist es unbegründbar, weshalb die angeordnete und be­kämpfte bewilligte Maßnahme [...] zur Förderung der Aufklärung der am 20. Dezember 2018 begangenen Tat notwendig sein soll. "

4. Causa Stadterweiterungsfonds: eine völlig unverständliche "Ehrenrunde" für ÖVP-nahe beschuldigte Sektionschefs des BMI

Der Wiener Stadterweiterungsfonds geht auf Kaiser Franz Josef zurück und diente zur Finanzierung der Bauten an der Wiener Ringstraße. Zuletzt war der Fonds beim Innen­ministerium angesiedelt. Eine Prüfung des Rechnungshofs 2013/14 förderte einige Vor­würfe zu Tage, welche auch von der WKStA untersucht wurden. Der Rechnungshof kritisierte, dass der Wiener Stadterweiterungsfonds in den Jahren 2005 bis 2008 drei Liegenschaften zu auffällig niedrigen Preisen verkaufte, angeblich auch die Liegenschaft am Heumarkt in Wien. So soll die Liegenschaft am Heumarkt um 4,2 Millionen Euro verkauft worden sein, obwohl ein weiteres Angebot in Höhe von neun Millionen Euro vorgelegen habe. Laut Rechnungshof hätte die Vergabe eigentlich gestoppt werden sollen. Der Fondschef und die Spitzenbeamten, die im Kuratorium saßen, sollen Spen­den in der Höhe von rund einer Million Euro verteilt haben – entgegen des Fondszwecks; Die Beamten sind nun wegen Untreue angeklagt. Gegen einen Beamten wurde auch wegen des Verdachts auf Amtsmissbrauch ermittelt (siehe dazu auch die Berichte im Standard: https://www.derstandard.at/story/2000114785782/fruehere-und-aktive-spit­zenbeamte-des-innenministeriums-angeklagt; im Kurier: https://kurier.at/chronik/oester­reich/stadterweiterungsfonds-vier-anklagen-in-der-pipeline-zwei-aktive-sind-sektionschef-im-bmi-betroffen/400523815 sowie den Bericht des Rechnungshofs: https://www.rech­nungshof.gv.at/rh/home/home/Wiener_Stadterweiterungsfonds.pdf).

Zwei der nun angeklagten Beamten sind Sektionschefs im Innenministerium mit Nähe zur ÖVP und auch mit Christian Pilnacek bekannt.

Es kam zu unfassbaren Vorgängen innerhalb der Justiz. So vergingen im Rahmen der fachaufsichtlichen Überprüfung 22 Monate, bis die von der WKStA intendierte Anklage


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endlich genehmigt wurde. Dies jedoch erst, nachdem Christian Pilnacek im Rahmen der Bearbeitung des Vorhabensberichts der WKStA (Anklagen und Teileinstellungen) "er­gänzende Vernehmungen" von Beschuldigten beauftragt hatte. Diese sind in den Augen zahlreicher Personen aus der Justiz "unnotwendig" gewesen und hätten dazu gedient, Zeit zu gewinnen. Der ungeheure Frust, der sich aufgrund derartiger Vorgangsweisen im BMJ einstellte, führte erst vor kurzem zu einer detaillierten und substantiierten An­zeige gegen Christian Pilnacek wegen Verdachts auf Amtsmissbrauch durch anonym bleibende Personen aus der Justiz (https://www.derstandard.at/story/2000117052671/neuer-aerger-fuer-strafsektionschef-pilnacek).

Siehe auch die dazu gestellten parlamentarischen Anfragen: https://www.parla­ment.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/J/J_01906/index.shtml (Causa Stadterweiterungsfonds und "System Pilnacek"); https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/J/J_04087/index.shtml (System Pilnacek – das Liegenlassen von Akten in der Causa Stadterweiterungsfonds; https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/J/J_04019/index.shtml (Prüfung vorläufiger Suspendierungen in Causa "Stadterweiterungsfonds").

Auch hier tritt in anders gelagerten Strafverfahren ein verschiedenes Bild zu Tage. So kam es in einem Strafverfahren gegen die Novomatic, Franz Wohlfahrt, Peter Wes­tenthaler und Peter Barthold zur merkwürdigen Situation, dass mehrmalige Beweisan­träge eines Verdächtigen schlichtweg ignoriert wurden. Selbst nach der Antwort des Justizministers, Josef Moser, auf eine parlamentarische Anfrage, dass die Strafverfol­gungsbehörde diesen Beweisanträgen nachkommen wird, kam es jedoch bis zum Zeitpunkt dieser Antragstellung zu keiner erneuten Einvernahme (siehe auch die dazu gestellten parlamentarischen Anfragen: https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/J/
J_02902/index.shtml (Einstellung des Ermittlungsverfahrens der WKStA gegen die No­vomatic, Franz Wohlfahrt, Peter Westenthaler und Peter Barthold); https://www.parla­ment.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/J/J_04046/index.shtml (Folgeanfrage zur Einstellung des Ermittlungsverfahrens der WKStA gegen die Novomatic, Franz Wohlfahrt, Peter Westen­thaler und Peter Barthold)).

5. Causa umsorgter Weinzierl

Die ermittelnden Staatsanwälte der StA Wien wollten Peter Weinzierl, Ex-Manager der Meinl Bank, in Untersuchungshaft nehmen. Es ging um den Vorwurf des Betrugs in Mil­liardenhöhe.

Die Weisungsspitze (Pilnacek) war gegen die Verhängung der Untersuchungshaft und trug der StA Wien auf, von einem solchen Vorhaben abzusehen. Zuerst wurde von Pil­nacek versucht, diese im Rahmen einer Dienstbesprechung informell davon zu überzeu­gen, dass eine Festnahme nicht zulässig sei. Da sich die StA Wien widersetzte, wurde schließlich eine Weisung gegeben. Mag ein restriktiver Umgang mit Zwangsmaßnahmen seitens der Strafverfolgungsbehörden als Handlungsmaxime grundsätzlich wünschens­wert sein, so wirkt diese Sonderbehandlung im Vergleich zu anderen Fällen, wie zum Beispiel dem "Tierschützerprozess", nicht gerade unauffällig (http://thuernlhof.at/die-spur-des-geldes.aspx).

Ebenso kam es im Zusammenhang mit Weinzierl zu einem anderen Kuriosum. So be­schimpfte Weinzierl einen ermittelnden Staatsanwalt sowie eine Richterin mehrfach auch medienöffentlich, weshalb gegen ihn wegen der Verwirklichung des Delikts der üb­len Nachrede gemäß § 111 StGB ermittelt wurde. Auch hier wurde ein anklage­reifes Faktum zuerst über Jahre liegen gelassen, um es später dann einzustellen (https://www.noen.at/in-ausland/in-justizministerium-meinl-akt-soll-vier-jahre-liegen-geblieben-sein-eisenstadt-oesterreich-kriminalitaet-und-justiz-politik-politische-bewe­gungen-oesterreich-151913506).


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Siehe auch die dazu gestellte parlamentarische Anfrage: https://www.parlament.gv.at/
PAKT/
VHG/XXVI/J/J_04084/index.shtml (System Pilnacek – das Liegenlassen von Ak­ten in der Causa Weinzierl).

6. Ein langes Verfahren ohne Ermittlungen gegen die WKStA selbst

Aufgrund mehrerer Anzeigen wurden von der Staatsanwaltschaft Korneuburg Ermitt­lungen gegen die Leiterin der WKStA Mag. Ilse-Maria Vrabl-Sanda und drei weitere Oberstaatsanwält_innen wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs im Zusammen­hang mit der Verfahrensführung der WKStA in der Causa BVT geführt.

Der mittlerweile offen ausgefochtene Disput zwischen Christian Pilnacek und der WKStA ist hinlänglich bekannt und bedarf an dieser Stelle keiner gesonderten Ausführung.

Während das Vorgehen der Staatsanwältin Schmudermayer in der BVT-Causa höchst kritisch zu sehen ist, ist hier ein Strafverfahren von der StA Korneuburg in besorgniser­regend schwammiger Art mit "Amtsmissbrauch im Zusammenhang mit dem Strafverfah­ren BVT" begründet worden, eine auf konkrete Umstände bezugnehmende Einleitungs­verständigung erfolgte trotz der eindeutigen Norm des § 50 StPO nicht, und die StA Korneuburg führte auch keine wirklichen Ermittlungen (lud keine/n einzige/n ZeugIn oder Beschuldigten). Erst nach der x-ten parlamentarischen Anfrage wurde bekannt gegeben, dass das Verfahren eingestellt wurde.

Christian Pilnacek, der nach § 29a StAG verpflichtet ist, die Berichte der Oberstaatsan­waltschaften zu prüfen und gegebenenfalls die erforderlichen Weisungen zu erteilen, unterließ es Monate lang, seiner kommunizierten Einschätzung, dass ein Strafverfahren ohne Anfangsverdacht eingeleitet wurde, Nachdruck zu verleihen und die entsprechen­den Weisungen zu erteilen. Das Resultat war, dass über lange Zeit hinweg gegen Mitar­beiter_innen in der WKStA bis hinauf zu Leiterin Vrabl-Sanda ermittelt wurde, obwohl seit langem klar war, dass dieses Ermittlungsverfahren im Sand verlaufen würde. Damit hing über der Behörde und insb. über den betroffenen Personen das ständige Damokles­schwert eines Strafverfahrens.

Siehe auch die dazu gestellte parlamentarische Anfrage: https://www.parlament.gv.at/
PAKT/VHG/XXVII/J/J_00833/index.shtml (Überlange Dauer des Ermittlungsverfahrens gegen die Leiterin der WKStA und drei OberstaatsanwältInnen iZm des Causa BVT).

7. "Seelsorge" in Causa Casinos hinter verschlossenen Türen des BMJ

In der Causa Casinos stehen im Fokus der Ermittlungen der WKStA neben ehemaligen hochrangigen Funktionsträgern der FPÖ auch aktive und ehemalige Spitzenpolitiker aus den Reihen der ÖVP. Die Causa „Postenbesetzung CASAG" ist nach vorliegenden In­formationen als Verschlusssache geführt, sodass strengste Vertraulichkeits- und Doku­mentationspflichten einzuhalten sind.

Während Christian Pilnacek der traditionellen Einladung von Raiffeisen zum Sauschä­delessen gefolgt sein soll - dies obwohl zu diesem Zeitpunkt bereits ein Verfahren gegen mehrere hochrangige Raiffaisen-Manager anhängig war- hat er am 28.01.2020 die zwei hochrangigen Raiffaisenmanager und Aufsichtsräte der CASAG, Dr. Rothensteiner und DI Pröll, zu einer Unterredung in seinem Büro empfangen, wobei mangels Teilnahme weiterer Mitarbeiter_innen des BMJ oder Einbindung der fallführenden Staatsanwalt­schaft unklar ist, was konkret besprochen wurde.

Als Gegenstand der Besprechung wurde auf unsere parlamentarische Anfrage hin sei­tens der Justizministerin "im Wesentlichen die Gefühlslage als Beschuldigter in einem Ermittlungsverfahren, die Auswertungsdauer elektronischer Geräte und die Durchfüh­rung und Dokumentation der Hausdurchsuchungen" genannt. Die angebliche Erörterung von Beschwerden über die bei den Beschuldigten durchgeführten Hausdurchsuchungen verwundert besonders, zumal die Beschuldigten von der Beschreitung des offiziellen


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Rechtsweges - ihnen wäre es frei gestanden, Beschwerde an das Oberlandesgericht zu erheben - abgesehen haben. Was daher in dieser Unterredung erörtert worden sein soll, was aber nicht Inhalt einer offiziellen Beschwerde sein konnte, ist unklar. Die Justizmi­nisterin war über das Treffen nicht informiert (https://kurier.at/politik/inland/casinos-cau­sa-zadic-ruegt-generalsekretaer-pilnacek/400744794).

Siehe auch die dazu gestellte parlamentarische Anfrage: https://www.parlament.gv.at/
PAKT/VHG/XXVII/J/J_00714/index.shtml (Nichtdokumentierte Treffen mit Verfahrens­beteiligten in der Casag Affäre durch Sektionschef Pilnacek).

8. Nächtliche E-Mails und Kampagnisieren gegen die eigene Behörde

Jüngst veröffentlichte das Nachrichtenmagazin „profil“ (Quelle: https://www.profil.at/wirt­schaft/affaere-pilnacek-naechtliche-emails-11478936) einen nächtlichen E-Mail-Verkehr zwischen Sektionschef Pilnacek und dem Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien, Jo­hann Fuchs, über ein ZiB2-Interview (vom 6. Juni 2019) mit der Leiterin der WKStA Vrabl-Sanda im Kontext der so genannten Eurofighter-Dienstbesprechungsaffäre. Der Sektionschef schrieb in dieser Korrespondenz: „Ich denke, man muss jetzt aktive und breite Öffentlichkeitsarbeit betreiben und insgesamt die Leistungen der WKStA hinterfra­gen.“ Die Zeilen müssen als Auftakt zu einer intendierten Negativkampagne gegen die eigene Behörde verstanden werden.

Die E-Mails zeigen ein Bild von Realitätsverlust und Allmachtsfantasien, die davon zeu­gen, dass Christian Pilnacek offenbar jegliches Gespür, das seine Funktion erfordern würde, verloren hat.

Die Tatsache, dass Pilnacek diese für ihn belastenden Mails gelöscht hat, obwohl er wissen musste, dass parlamentarische Untersuchungsausschüsse folgen könnten, fügt sich nahtlos ein in das Faktum des völligen Nichtvorhandenseins von Mailkorresponden­zen zu anderen vom Ibiza-Untersuchungsausschuss behandelten Verfahren. Wie weit hier Einfluss auf Aktenlieferungen genommen wurde, lässt sich noch nicht abschließend beurteilen - das beinahe völlige Fehlen von Schriftverkehr zwischen Pilnacek und ande­ren Personen innerhalb oder außerhalb der Justiz in dieser Angelegenheit scheint je­denfalls auch auf Grund der hier geschilderten sonstigen Vorgehensweise samt man­nigfaltiger Interventionen geradezu lebensfremd.

Als bedenklich wird in dieser Hinsicht auch die Tatsache empfunden, dass die Angriffe auf die WKStA seitens Pilnacek und Bundeskanzler Kurz nahezu im Duett erfolgten.

9. Sonstige Auffälligkeiten, welchen durch parlamentarische Anfragen nachgegangen wurde (Auswahl)

https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/J/J_00710/index.shtml (Überlange Dau­er der Prüfung durch die Fachaufsicht)

https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/J/J_00721/index.shtml (Ergänzungsfrage Überlange Dauer der Prüfung durch die Fachaufsicht)

https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/J/J_01867/index.shtml (Folgeanfrage zur überlangen Dauer der fachaufsichtlichen Prüfung)

https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/J/J_01272/index.shtml (Ermittlungen in der Causa Vorstandsbesetzung in der CASAG – Verfahrensstand)

https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/J/J_04092/index.shtml (System Pilnacek – das Abdrehen des Verfahrens Chalet N in Lech am Arlberg)

https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/J/J_01335/index.shtml (Folgeanfrage zur Anfrage 4092/J vom 7.8.2019 (XXVI. GP) "System Pilnacek – das Abdrehen des Ver­fahrens Chalet N in Lech am Arlberg")


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https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/J/J_01546/index.shtml (Folgeanfrage Ibi­za-Ermittlungen und die Causa Schellenbacher)

https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/J/J_01500/index.shtml (Absehen von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens in Zusammenhang mit leitenden Beamten des BM.I)

https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/J/J_01338/index.shtml (Ermittlungen we­gen mutmaßlichen Falschaussagen Michael Kloibmüllers vor dem BVT-Untersuchungs­ausschuss)

https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/J/J_03596/index.shtml (Vorwurf der Anstiftung zum Amtsmissbrauch durch Generalsekretär Pilnacek)

https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/J/J_04093/index.shtml (System PILNA­CEK – falsche Anfragebeantwortung zugunsten des vormaligen Generalsekretärs PIL­NACEK?)

III. Conclusio

Die Dienst- und Fachaufsicht im BMJ unter Leitung von Sektionschef Christian Pilnacek hat systembedingt unsachlichen Einfluss auf Strafverfahren. Seien diese aus politischen oder medialen Gründen, so sind sie jedenfalls als sachfremd zu bewerten und in einem Rechtsstaat absolut untragbar.

Pilnacek und seine Vertrauten sind ein wesentlicher Faktor für die vorherrschende Zweiklassen-Strafjustiz in bestimmten Verfahren. Einerseits sorgten sie dafür, dass erst gar nicht ermittelt wird (Verfahren werden nach § 35c StAG erledigt, was bedeutet, dass mangels „Anfangsverdachts“ kein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird) oder durch so­genannte Empfehlungen, inoffizielle Weisungen oder auch durch psychischen Druck auf die ermittelnden Staatsanwält_innen dafür, dass die Verfahren eingestellt werden oder extrem lange dauern.

De facto ist Christian Pilnacek auch in alle wesentlichen Personalentscheidungen im Justizbereich involviert. Das wissen auch die Staatsanwält_innen. Will man in der Justiz Karriere machen, sollte man Pilnacek nicht negativ aufgefallen sein. Gegen seinen Wil­len konnte in den letzten zehn Jahren kaum jemand in der staatsanwaltschaftlichen Hie­rarchie aufsteigen. Fällt man negativ auf- wie zum Beispiel Eurofighter-StA Michael R., der eben nicht das getan hat, was Pilnacek wollte-, bekommt man heftigen Gegenwind. Neben persönlichen Diskreditierungen und Zwangsversetzungen reicht die Palette bis zu strafrechtlichen Ermittlungen mitsamt Durchführung von Zwangsmaßnahmen. Die ge­gen StA R. durchgeführten Rufdatenrückerfassungen, Standortabfragen etc. wurden vor kurzem vom Oberlandesgericht Wien für rechtswidrig erklärt.

Nicht alle Organisationseinheiten sind auf Linie des Sektionschefs. Eine davon ist die WKStA, bei der naturgemäß besonders brisante Verfahren bearbeitet werden und die ihn offenbar besonders interessieren. Eine subtile Einwirkung auf den Gang eines Straf­verfahrens, wie es sonst immer wieder vorkommt, ist dort nicht oder kaum möglich. Eine offizielle Weisung, die vom Weisungsrat geprüft wird und dem Parlament zu berichten ist, wird naturgemäß so weit als möglich vermieden. Von daher resultiert der mittlerweile öffentlich ausgebrochene Kampf zwischen Pilnacek und der WKStA, in welchem dieser versucht, die WKStA wo es geht anzugreifen und medial in Verruf zu bringen. Solche Angriffe gab es im Rahmen des Eurofighter-Verfahrens und auch vor kurzem im Zuge der CASAG-Causa. Dort griff Pilnacek die WKStA an, stellte sich vor die SOKO "Ibiza" im Innenministerium (eigentlich SOKO "Tape") und traf sich währenddessen mit füh­renden Personen aus den Reihen der ÖVP, welche zugleich als Beschuldigte in diesem Verfahren geführt werden.

Einzelne Personen versuchen sich immer wieder gegen das bestehende System zu wehren, doch bleibt es aufgrund der Umstände meist bei Anzeigen, welche nach § 35c


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StAG erledigt werden. Wird Pilnacek angezeigt, lässt sich in der Vorgangsweise der Strafverfolgungsbehörden ein Muster erkennen. Nach grundsätzlicher Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft Wien erklärt diese sich für unzuständig, womit die Generalprokuratur am Zug ist. Diese weist die Anzeige an die StA Linz weiter, welche daraufhin die Anzeige gemäß § 35c StAG erledigt. Selbst fundierte Anzeigen, werden somit rasch "erledigt" oder - nach dem von Christian Pilnacek präferierten Terminus "daschlogn".

Die Vorkommnisse rund um die Person des Sektionschefs Christian Pilnacek zeichnen ein verheerendes Bild. In Österreich hat sich bei Strafverfahren über die letzten Jahre hinweg ein System der Zweiklassenjustiz verfestigt, welches zwischen dem gemeinen Volk und einigen wenigen - auch strafrechtlich - privilegierten Personen unterscheidet. Mag der menschlichen Natur auch eine gewisse Prädisposition für die Einrichtung eines solchen Systems des "Beschützens der eigenen Sippe" innewohnen, so steht dem das Recht als Manifest gesellschaftlicher Weiterentwicklung und Abkehr vom Primitiven entgegen. Folglich orientieren sich die höchsten Rechtsgrundsätze der Republik - völker- und europarechtlich auch darüber hinaus - an der Maxime der Gleichheit aller vor dem Gesetz. So legt Art 7 B-VG eindeutig fest: Alle Staatsbürger sind vor dem Gesetz gleich. Ein System, welches einige Wenige der Strafverfolgung entzieht oder diese gegenüber anderen Personen ungebührlich bevorteilt, verträgt sich mit keiner demokratischen Rechtsordnung.

Demokratische Gesellschaften basieren auf einer Art synallagmatischen Verhältnis zwischen Bürger_innen und Staat. Die Bürger_innen verzichten auf die ihnen von Natur aus zukommende Möglichkeit, Gewalt zu üben und übertragen das Recht zur Gewalt­ausübung exklusiv dem Staat, welcher das Gewaltmonopol innehält und in modernen demokratischen Gesellschaften durch die Exekutivgewalt ihren Ausdruck findet. Im Ge­genzug für diese Übertragung garantiert der Staat, sich dem Willen des Volkes zu unterwerfen und lediglich nach jenen Maßgaben zu handeln, die ihm das Volk in Form von Gesetzen vorgibt. Die Basis jenes Tauschgeschäfts ist das Vertrauen des Volks. Erodiert dieses Vertrauen, erodiert auch der Gesellschaftsvertrag und mit ihm das Ge­waltmonopol des Staates.

Durch die Ereignisse rund um Christian Pilnacek und seine enges Umfeld von Vertrauten wurde das grundsätzlich hohe Ansehen der Strafjustiz in der Öffentlichkeit erschüttert und das interne Gefüge der Strafverfolgungsbehörden massiv belastet.

Nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung kann in keinem Rechtsbereich geduldet werden. Im Bereich der Strafjustiz richtet eine solche im staatlichen Gefüge jedoch den größten Schaden an.

Christian Pilnacek ist als Spitze eines Systems der Ungleichbehandlung sowohl aus rechtlichen als auch aus staatspolitischen Gründen untragbar geworden. Amtierende Justizminister_innen müssen sich auf die absolute Loyalität ihrer Beamt_innen verlassen können, welche ausschließlich den Gesetzen und den gesetzmäßigen Behörden - folglich der Republik - zu gelten hat. Gerade im Kernbereich staatlichen Handelns darf diese Maxime nicht zu einer leeren Floskel verkommen, manifestiert sich doch darin die Grundfeste einer jeden demokratischen Ordnung.

Es ist ein wichtiger erster Schritt, dass die Justizministerin Christian Pilnacek nicht als Sektionschef wiederbestellen will. Damit ist aber nur der Kopf eines Systems entfernt, dass gut etabliert ist und der Unabhängigkeit der Justiz entgegenarbeitet.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Justizministerin wird aufgefordert,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 284

1.          die Stelle des Sektionschefs/der Sektionschefin der überaus sensiblen mit Ein­zelstrafsachen befassten Sektion neu auszuschreiben und diese Funktion einer geeigneten Person zu überantworten, die es vermag, diese Position mit dem not­wendigen Amtsverständnis der Unparteilichkeit im Sinne der Rechtsstaatlichkeit korrekt auszuüben.

2.          das System der berichtspflichtigen Verfahren zu evaluieren und dem Nationalrat einen Gesetzesentwurf für eine umfassende Reform zuzuleiten, mit dem die Un­abhängigkeit der staatsanwaltschaftlichen Behörden nachhaltig gestärkt und vor unsachlicher Einflussnahme geschützt wird."

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Fürlinger. – Bitte.


22.07.23

Abgeordneter Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP): Hohes Präsidium! Sehr geehrte Frau Bun­desminister! Es freut mich, dass ich mich als Praktiker kurz zu Wort melden darf und nicht mit irgendwelchen erfundenen Geschichten heraustreten muss, nicht hier heraus­gehe wie Sie, Frau Kollegin Krisper, und irgendein Szenario einer Justiz in einer Diktatur male. Das, was Sie hier getan haben, ist in jeder Hinsicht unredlich und hat mit der öster­reichischen Justiz, so wie Sie sie geschildert haben, nichts zu tun. (Beifall bei der ÖVP.) Von der Praxis der Justiz haben Sie wenig Ahnung. Eine verantwortungslose Skandali­sierung in diesem Haus lehnen wir zutiefst ab. (Beifall und Bravoruf bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ja, wir haben Schulter an Schulter dafür gekämpft, dass es mehr Mittel für die Justiz gibt. Das ist auch richtig. Wir haben – wieder aus der Praxis, meine Damen und Herren – klare Hinweise bekommen, dass es zu wenig Personal im nichtjuristischen Bereich gibt. Darunter haben Staatsanwaltschaften, aber auch Ge­richtsabteilungen gelitten. Das beheben wir jetzt, es gibt jetzt also nicht nur zu viele Häuptlinge und zu wenige Indianer, wie es ein Gewerkschafter in der Justiz gesagt hat, wir geben jetzt den notwendigen Support.

Das zweite wichtige Thema, meine Damen und Herren, ist, dass wir mit diesem Geld eine sinnvolle, ordentliche Digitalisierung hinkriegen. Wir haben einige gute Ansatz­punkte. Die Justiz funktioniert jetzt, zu Coronazeiten, soweit möglich im digitalen Bereich. Dazu müssen wir aber sagen: Das müssen wir mit Bedacht und mit Konzept machen, und wir müssen den einzelnen Gerichten auch entsprechenden EDV-Support, nicht nur in Form von minderdotierten Einzelpersonen, zur Verfügung stellen.

Dann, glaube ich, werden wir a) schnellere Verfahren von hoffentlich auch unbeein­flussten Staatsanwaltschaften bekommen – ich hoffe, dass die Verfahren endlich Tempo bekommen –, und b) hoffe ich, dass die Rechte der Beschuldigten, Frau Kollegin Krisper, gewahrt werden, indem nicht irgendwelche Daten oder Sonstiges veröffentlicht werden, bevor es der Beschuldigte weiß.

Das sind die entscheidenden praktischen Themen, denen wir uns stellen müssen, und sonst nichts. – Ich danke herzlich. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Fischer.)

22.09


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Bayr. – Bitte.


22.09.49

Abgeordnete Petra Bayr, MA MLS (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Letztes Wochenende hat es am Samstag am Viktor-Adler-Markt bei mir zu Hause in Favoriten


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 285

einen Vorfall gegeben, bei dem eine Organisation, die für ihre antisemitische Propagan­da bekannt ist, eine Szene nachgestellt hat, in der zwei vermeintliche Soldaten in Fake­uniformen der israelischen Armee einen vermeintlichen Palästinenser am Viktor-Adler-Markt hingerichtet haben. Sie haben mit Schaubildern unterstrichen, wie ihrer Meinung nach die Situation im Nahen Osten ist. Es wird eine Anzeige wegen Verhetzung gemacht werden.

Wir wissen, dass es, ganz egal, wie Verhetzung oder Hass performt wird – in dem Fall ist es wirklich eine Performance gewesen –, letztendlich vollkommen egal ist, ob es um antisemitische Inhalte, um rassistische, ausländerfeindliche, frauenfeindliche oder um Inhalte geht, bei denen behinderte Menschen verächtlich gemacht werden. Egal, ob sie online oder am Viktor-Adler-Markt stattfinden, sie sind ganz generell verachtenswert und gehören verfolgt. Für dieses Verfolgen braucht es Ressourcen, braucht es Know-how und braucht es letztendlich Manpower, Womanpower.

Ich weiß, dass es auch der Frau Bundesministerin ein großes Anliegen ist, genau in diesem Bereich der Hassdelikte den Staatsanwaltschaften mehr Personal zur Verfügung zu stellen, damit es einfacher geht. Verhetzung ist zum Beispiel ein Offizialdelikt, da müssen die Strafverfolgungsbehörden von sich aus tätig werden, was nicht immer ge­lingt, weil dort eben so wenig Personal ist.

Jetzt bin ich einerseits sehr froh, dass es dieses Mehr an Personal geben wird. Ich halte das für genauso wichtig wie Sie. Andererseits denke ich mir, dass wir abschätzen kön­nen, was denn die budgetären Folgen dieser Sozial- und Wirtschaftskrise aufgrund der Pandemie für Österreich und für das österreichische Budget bedeuten, vielleicht auch schon heuer, aber jedenfalls für die nächsten Jahre, wenn nicht Jahrzehnte. Uns allen wird klar sein, dass wir mit einem unpackbaren Defizitrucksack in die nächsten zehn Jahre schreiten werden.

Ich denke, es wird an uns liegen, zu schauen, dass das, was dann passiert, nicht nur nicht auf Kosten dieser zusätzlichen Staatsanwaltschaftsposten geht, sondern dass das auch nicht am Ende des Tages eine riesengroße Umverteilung von unten nach oben gewesen sein wird, dass das nicht ein Türaufmachen, ein Dammbruch für noch mehr neoliberalen Wirtschaftswahnsinn sein wird. Ich denke, wir werden auch noch einige Kräfte hier in diesem Haus bündeln müssen, um das, was dann möglicherweise noch folgt, im Sinne der Menschen wirklich zu verhindern. (Beifall bei der SPÖ.)

22.12


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Jachs. – Bitte.


22.13.01

Abgeordnete Mag. Johanna Jachs (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir verhandeln seit mittlerweile mehr als 13 Stunden das Budget, und darum erlauben Sie mir eine generelle Anmerkung. Liebe Opposition, es wird ein biss­chen mühsam, Ihre permanenten Wiederholungen anhören zu müssen, die Sie in Dau­erschleife laufen haben, denn dadurch gehen die wirklich positiven Aspekte dieses Bud­gets unter. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Ich habe eine unbenutzte Mund-Nasen-Schutz­maske mit, und ich empfehle, sie eventuell während der Sitzung aufzusetzen, dann wür­den wir die Zwischenrufe vielleicht ein bisschen gedämpfter hören. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.)

Kommen wir zu den positiven Aspekten dieses Budgets im Justizbereich. Die Justiz bekommt mehr Geld. (Abg. Yildirim: Zwischenrufe sind ein parlamentarisches Instru­ment! ... Demokratie!) Das ist ein guter Tag für die Justiz, denn wir bekommen zusätzli­che Planstellen – 255 an der Zahl – für Gerichte, für die Staatsanwaltschaften, im Sup­port, und es bleibt auch noch mehr Geld für Projekte, die wirklich wichtig sind und endlich


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 286

umgesetzt gehören, wie zum Beispiel die Digitalisierung und der elektronische Akt; mei­ne Vorrednerinnen und Vorredner haben es ja schon erwähnt.

Wenn man die Justiz braucht, ist es gut, wenn sie schnell und unabhängig hilft, wenn es einen niederschwelligen Zugang zum Recht gibt, und das wird durch dieses Budget garantiert. Dafür danke ich Ihnen, Frau Bundesministerin. Ich danke der Bundesregie­rung für das gute, positive Budget für den Justizbereich. Somit ist sichergestellt, dass die Justiz auch künftig ihre Aufgaben erfüllen kann. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Grünen.)

22.14


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Becher. – Bitte.


22.15.00

Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich mit einem kleinen Teil des Justizbudgets beschäftigen, bei dem ich denke, dass sich die Betrachtung lohnt. Das sind die Gerichtsgebühren, die zu bezahlen sind, wenn man das Gericht anruft. Hier sind die Einnahmen im Budget mit 1,3 Milliarden Euro vorgesehen. Das ist eine Kostende­ckung weit über 100 Prozent. Unsere Rechtsordnung sagt, dass Gebühren Kostende­ckungsbeiträge für Aufwendungen sind, und wenn wichtige Aufgaben im Justizbereich zu erledigen sind, so sind diese über Steuern und nicht über Gebühren zu bezahlen und bereitzustellen. Das vorliegende Budget wird streng genommen nicht aus Gerichtsge­bühren finanziert, sondern aus Gerichtssteuern.

Überlegen Sie, wie viele Verfahren, die anhängig sind, es alleine im Mietrecht gibt, und bei einer größeren Wohnung muss man oft schon mit über 700 Euro an Gebühren rech­nen. Jetzt kennen wir sehr viele Probleme im Mietrecht. Das ist die Bestreitung von ille­galen hohen Mieten, mit den Befristungen wird Schindluder getrieben, der Kündigungs­schutz ist aufgeweicht. Im Grunde ist das Mietrecht also nicht mehr zeitgemäß, es gehört dringend modernisiert. Es ist rechtsunsicher, und die SPÖ hat ja das Universalmietrecht als Vorschlag vorgelegt, bei dem die Menschen keinen Rechtsanwalt brauchen, um die Miethöhe auszurechnen. (Beifall bei der SPÖ.)

Jetzt sind seitens der ÖVP – Kollege Singer hat es ja heute auch angesprochen – Ein­zelmaßnahmen genannt worden, die in der Regierungserklärung stehen. Diese sind auch zuvor schon in einigen Regierungserklärungen gestanden. Es ist immer auf die lange Bank geschoben worden, ein gesamtes Wohnrecht ist nie umgesetzt worden. Es wundert mich auch nicht, dass das nicht umgesetzt worden ist, denn jeder Tag, an dem nichts geschieht, ist ein guter Tag für die Vermieter, für die Immobilienlobby – um nicht zu sagen: Bei denen klingelt die Kassa!

Zum Justizbudget möchte ich mit einem nochmaligen Blick auf die Gerichtsgebühren sagen, in Österreich gilt: Unter Türkis-Grün ist gutes Recht teuer, schlechtes Recht ebenso. (Beifall bei der SPÖ.)

22.17


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Stocker. – Bitte.


22.17.58

Abgeordneter Dr. Christian Stocker (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen des Hohen Hauses! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Befund des ehemaligen Justizministers der Über­gangsregierung, dass die Justiz einen „stillen Tod“ sterben würde, ist schon mehrfach angesprochen worden. Was diesem Befund zugrunde liegt, wurde in diesem Budget be­rücksichtigt und eine entsprechende Erhöhung der Mittel vorgenommen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 287

Aber es ist nicht nur das Budget, das sich im Justizbereich sehen lassen kann, meine sehr geehrten Damen und Herren, es kann sich auch die österreichische Justiz sehen lassen.

Ich habe mir am Beispiel der Verfahrensdauer angesehen, wie die Verhältnisse in Öster­reich sind. Wir haben in den streitigen Zivilverfahren bei den Bezirksgerichten eine Dauer von durchschnittlich sechs Monaten, bei den Landesgerichten von rund 13 Monaten. Nur 2,3 Prozent aller streitigen Verfahren im Zivilbereich dauern länger als drei Jahre.

Im Strafrecht ist es überhaupt so, dass das Ermittlungsverfahren und das Hauptver­fahren bei den Bezirksgerichten durchschnittlich nur 0,6 Monate dauern, bei den Lan­desgerichten 1,1 Monate. Das heißt, die Verfahren sind durchaus schnell, und dieser Befund und diese Zahlen, die ich Ihnen hier nenne, stammen aus der Zeit vor dieser Erhebung und Expertise des Justizministers der Übergangsregierung.

Ein kleiner Exkurs zum Verfassungsgerichtshof zeigt uns, dass auch da die Verfahren erstmals kürzer als vier Monate sind, für ein Eilverfahren also keine Notwendigkeit be­steht, weil die Verfahrensdauer das nicht hergibt.

Und auch die Digitalisierung in der Justiz ist etwas, was durchaus Anlass zur Freude gibt. Wir haben ein elektronisches Grundbuch, Firmenbuch, die Ediktsdatei und auch die elektronische Akteneinsicht, die nun auf die Strafverfahren ausgedehnt wurde.

Die Qualität und die Akzeptanz der Entscheidungen ist sehr hoch. Es wird nur jede fünfte Entscheidung unserer Gerichte mit einem Rechtsmittel bekämpft. Sie sehen also, die Justiz funktioniert, und sie wird durch diesen Budgetansatz auch in Zukunft funktionieren und die Mittel erhalten, die sie fürs Funktionieren benötigt.

Eines, sehr geehrte Frau Kollegin Yildirim, möchte ich an dieser Stelle aber schon noch anfügen: Es ist kein Anschlag auf die Justiz, wie Sie hier gemeint haben, was der Kanzler in einem Hintergrundgespräch erzählt hat. Ein Anschlag auf die unabhängige Justiz, sehr geehrte Frau Kollegin, war das Gespräch in der Kanzlei des Anwalts, der Ihnen zuzu­rechnen ist (Abg. Yildirim: Wann?), und vor allem die Intention der Gespräche, die dort geführt worden sind. Das war ein Anschlag auf die unabhängige Justiz! (Beifall bei der ÖVP.)

22.21


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Das ist vorhin untergegangen: Der Entschlie­ßungsantrag von Frau Abgeordneter Krisper ist ordnungsgemäß eingebracht, ausrei­chend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schrangl. – Bitte.


22.21.44

Abgeordneter Mag. Philipp Schrangl (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Innenminister! Meine lieben, sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte noch zu einem anderen Thema sprechen – wir haben leider nicht mehr so viel Zeit, aber ich glaube, es ist ein Thema, das angesprochen werden muss –, nämlich zum Kosten­ersatz bei Freispruch. Jetzt ist die Frau Minister gerade nicht da, aber ich habe die Hoff­nung, dass eine ehemals praktizierende Anwältin sich diesem Thema als Ministerin an­nähert.

Wenn man heute in einem Strafverfahren freigesprochen wird, in das man schuldlos geraten ist, dann gibt es schon noch eine andere Form der Bestrafung, und das ist die Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz. Im Gegensatz zu vergleichbaren Rechtsord­nungen in ganz Europa, von Deutschland und der Schweiz zum Beispiel, gibt es in Ös­terreich die sogenannte Obergrenze bei der Vergütung, beim Kostenersatz bei Frei­spruch, und die liegt bei 5 000 Euro. Wer sich schon einmal einen Rechtsanwalt ge­nommen hat, weiß, dass das wahrscheinlich nicht sehr viel Geld ist. Auch im nicht so


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 288

weit entfernten Tschechien, das nur die Hälfte des österreichischen Bruttoinlandspro­dukts aufweist, gibt es diese Höchstgrenze nicht. Ich mache es daher nicht heute, werde aber vielleicht in Zukunft einen Antrag zur Abschaffung des § 393 Abs. 1 und § 393a Abs. 1 StPO einbringen.

Die Frau Ministerin hat noch einen anderen Punkt angesprochen, und zwar den volldi­gitalisierten Akt. Da ich als Praktiker immer damit arbeiten muss, hat sie da eindeutig unsere Unterstützung. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

22.23


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen dazu mehr vor.

Die Beratungen zum Themenbereich UG 13: Justiz sind somit beendet.

22.24.00UG 11: Inneres

UG 18: Fremdenwesen


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Schließlich gelangen wir heute zum Schluss zur UG 11, Inneres, sowie zur UG 18, Fremdenwesen. Hierüber finden die Debatten unter einem statt.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Einwallner. – Bitte.


22.24.14

Abgeordneter Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Innenminister! Na ja, wie gehen wir das jetzt an, Herr Innenminister? Eine Budgetdebatte über ein Budget, bei dem Sie selbst im Budgetausschuss damit eingeleitet haben, dass Sie wissen, dass die Zahlen nicht stimmen werden. Das Zweite ist, dass es eigentlich eine Fortschreibung, eine Weiterschreibung der Zahlen Ihres Vorgängers ist. Sollen wir jetzt tatsächlich eine Budgetdebatte über ein Budget führen, zu dem der Minister im Budgetausschuss schon damit einleitet, dass das eigentlich nicht seine Zahlen sind, und zum Zweiten anführt, dass er schon weiß, dass sie sowieso nicht stimmen werden?

Herr Innenminister, das ist das Problem, das wir mit diesem Budget der falschen Zahlen haben. Wenn ich jetzt ganz gemein wäre, könnte ich sagen: Na ja, mit falschen Zahlen haben Sie als ÖVP-Generalsekretär Erfahrungen! Da haben Sie ganze Buchhaltungen mit falschen Zahlen gehabt, also können Sie offenbar auch mit einem Budget mit fal­schen Zahlen umgehen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Schmidhofer: Das stimmt ja nicht!)

Wenn wir uns aber dieses Budget der falschen Zahlen – oder sagen wir es so, wie es der Finanzminister sagt: dieses Budget fürs Altpapier – anschauen, dann kann man schon positiv anmerken, dass im Innenressort eine Steigerung des Budgets gegeben ist. Ja, das wäre positiv, wenn es denn dann so kommen würde. Die große Frage ist aber eben, ob sich diese Zahlen irgendwann bestätigen, denn wir brauchen schon mehr Bud­get im Innenressort. Es gibt große Herausforderungen, zum Beispiel die Bekämpfung der Cyberkriminalität. Da braucht es mehr Personal, da braucht man besser ausgebil­detes Personal. Das würden sich auch die Polizistinnen und Polizisten, die tagtäglich eine ausgezeichnete Arbeit machen, verdienen. Beste Ausrüstung, beste Infrastruktur und ausreichend Personal: Das würden sich die Polizistinnen und Polizisten verdienen! (Beifall bei der SPÖ.)

Was die Exekutivbeamten aber leid sind, Herr Innenminister, sind die schönen Ankün­digungen, und es war in den letzten Jahren immer und immer wieder so, dass man ge­rade im Sicherheitsbereich angekündigt und dann nur sehr, sehr spärlich umgesetzt hat. Ich befürchte – und das ist meine große Sorge –, dass es bei diesem Budget wieder so sein wird, dass wir jetzt zwar die Ankündigungen haben, aber am Ende des Tages von


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diesen schönen Ankündigungen, den schönen Budgetzahlen im Altpapierbudget relativ wenig übrig bleiben wird.

Herr Minister, wir werden Sie dann an der Umsetzung messen. Wissen Sie, was sich dieses Ressort verdient hätte? – Dieses Ressort hätte sich einen Minister verdient. Jetzt haben wir leider wieder einen Parteigeneralsekretär im Innenressort. (Beifall bei der SPÖ.)

Das ist noch stärker spürbar als beim Vorgänger von der FPÖ, meine Damen und Her­ren. Herr Innenminister, kommen Sie raus aus der Generalsekretärrolle! Kommen Sie endlich raus aus der Generalsekretärrolle und rein in die Innenministerrolle! Sie agieren mit Unwahrheiten und Halbwahrheiten, wenn es um Wien geht. Da verunsichern Sie die Bevölkerung. Hören Sie auf, Wahlkampf zu machen, hören Sie auf, Parteipolitik in Ihrem Ressort zu machen, sondern machen Sie das, was Sie tun sollten! (Abg. Schmidhofer: Wahrheit tut weh! – Zwischenruf des Abg. Gerstl, der eine Grafik mit einem Kreisdia­gramm in die Höhe hält.) Aktualisieren Sie die Zahlen für Ihr Ressort, damit wir ein Bud­get haben, über das wir ordentlich und anständig diskutieren können, denn das braucht die Sicherheitspolitik! Sicherheitspolitik braucht Zuverlässigkeit, und dieses Budget spie­gelt das nicht wider. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

22.28


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Mahrer. – Bitte.


22.28.33

Abgeordneter Karl Mahrer, BA (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesmi­nister! Werte Kolleginnen und Kollegen im Hohen Haus! Werte Zuseherinnen und Zu­seher! Mein sehr geschätzter Kollege aus Vorarlberg, Kollege Einwallner! Um mit Ihren Worten zu sprechen: Innehalten, Herr Einwallner! Spüren Sie, dass Sie falsch liegen (Zwischenrufe bei der SPÖ), wenn Sie mit den gleichen Parametern, mit denen wir zuvor über das Justizbudget gesprochen haben, jetzt versuchen, unserem Innenminister zu unterstellen, dass er mit Zahlen arbeitet, die nicht stimmen! Herr Einwallner, da liegen Sie wirklich falsch. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wir sprechen heute über 3 Milliarden Euro Sicherheitsbudget. Wir sprechen über das höchste Sicherheitsbudget der Zweiten Republik und über ein Sicherheitsbudget, das in einer Zeit kommt (Zwischenruf des Abg. Einwallner), in der das hohe Niveau der Si­cherheit in Österreich noch weiter verbessert werden kann, weil wir mit diesem Budget den Menschen das geben, was sie sich wünschen, wenn sie an innere Sicherheit denken.

Was wünschen sich die Menschen, wenn sie an Sicherheit denken? – Ich komme viel mit Leuten zusammen und die Wünsche sind immer die gleichen. Mit diesem Budget schaffen wir Voraussetzungen dafür. Wir schaffen mehr Polizei auf der Straße – das ist etwas, das sich die Menschen wünschen. Wir schaffen mehr qualitative Arbeit in der Ermittlung der Kriminalpolizei. Wir schaffen mehr Prävention gerade im Bereich der Cyberkriminalität. Wir schaffen noch mehr und intensivere Bekämpfung von international organisierter Kriminalität, Extremismus und Terrorismus. (Abg. Vogl: So erfolgreich ...!)

Meine Damen und Herren – da spreche ich gerade die Kolleginnen der SPÖ sehr stark an –, wir schaffen auch mehr Schutz vor Gewalt. Ich weiß – und Sie wissen es auch, wenn Sie die letzten Wochen beobachtet haben –, dem Innenminister ist ganz beson­ders der Schutz vor Gewalt wichtig, und da ganz besonders der Schutz vor Gewalt gegen Frauen. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Fischer.)

Mit diesem Budget, meine Damen und Herren, schaffen wir die Grundlage für 4 300 neue Polizistinnen und Polizisten, davon 2 300 zusätzliche Planstellen und 2 000 Ausbil­dungsplätze. Sie können argumentieren, wie Sie wollen, aber das sind die Zahlen – die stehen und die stimmen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 290

Sie wissen aber noch etwas: Ich spreche nicht immer nur über Zahlen, Daten und Fakten. Sie wissen ganz genau, weil Sie mich schon kennen, dass ich beim Thema Si­cherheit sehr oft auch über die Menschen und ihre Gefühle spreche. Es geht nicht nur um die objektive Kriminalitätslage. Es geht auch darum, wie sich die Menschen fühlen. Es geht um ihr Sicherheitsgefühl und da ganz besonders um das Sicherheitsgefühl jener Menschen, die unsere Republik aufgebaut haben, der älteren Menschen, der Seniorin­nen und Senioren. Da gibt es, wie Sie wissen, die Initiative Gemeinsam sicher, die von Johanna Mikl-Leitner und Wolfgang Sobotka, heute Nationalratspräsident, entwickelt worden ist und die Karl Nehammer entsprechend weiterentwickeln wird (Abg. Leicht­fried: Sie haben Strasser vergessen!), eine Initiative, die eine Erfolgsgeschichte ist. Wa­rum? – Weil sie die Zusammenarbeit der Polizei mit der Zivilgesellschaft, mit den Städ­ten, mit den Gemeinden entsprechend weiterentwickelt. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Fischer.)

Ganz wichtig, meine Damen und Herren, ist auch der Bereich Asyl und Migration. Sie wissen ganz genau, wir haben eine klare Strategie: die Unterscheidung zwischen Asyl und Arbeitsmigration. Allen Menschen, die flüchten, die verfolgt werden, wollen und müs­sen wir Asyl gewähren. All jenen aber, die ihre Lebensbedingungen verbessern wollen und nach Europa beziehungsweise Österreich kommen, müssen wir klar sagen: kontrol­lierte Zuwanderung, wenn das auch im Interesse Österreichs liegt. Auch da schaffen wir mit diesem Budget entsprechende Voraussetzungen.

Meine Damen und Herren, zum Abschluss noch einmal, um die Rundung zum Kollegen Einwallner noch zu schaffen: Jeder von uns weiß, dass sich die budgetrelevanten Kri­terien in den letzten Wochen ständig verändert haben. Sie werden sich weiter verändern. Die Prognosen der Wirtschaftsforscher sind äußerst fragil. (Abg. Vogl: Und volatil!) Aber nur – und das ist jetzt wesentlich – mit dem Beschluss des vorliegenden Budgets ist es möglich, die Handlungssicherheit der einzelnen Ressorts sicherzustellen, denn auch und gerade in herausfordernden Zeiten garantiert dieses Budget das, was den Menschen wirklich wichtig ist: mehr Mittel für die Justiz – Sie alle haben es begrüßt ‑, mehr Mittel für das Bundesheer, mehr Mittel für die Polizei. Damit schaffen wir mehr Sicherheit für Österreich. Das wünschen sich die Menschen in diesem Land und im Übrigen auch die Polizistinnen und Polizisten. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Fischer.)

22.33


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ames­bauer. – Bitte.


22.34.04

Abgeordneter Mag. Hannes Amesbauer, BA (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! In Zeiten der Coronakrise könnte man den Eindruck bekommen, das Asyl- und Zuwanderungsthema habe sich in Luft auf­gelöst. Das ist natürlich nicht der Fall. Aus Ihrem Haus, Herr Bundesminister, wissen wir, dass sich aktuell entlang der Balkanroute etwa 110 000 illegale Migranten bewegen und aufhalten (Zwischenrufe bei SPÖ und Grünen), obwohl die Balkanroute ja angeblich von Sebastian Kurz im Alleingang geschlossen wurde.

Meine Damen und Herren! Der Entwurf betreffend den Bundesvoranschlag 2020 sieht für die UG 18, Fremdenwesen, im Finanzierungshaushalt Auszahlungen in der Höhe von insgesamt 378,8 Millionen Euro vor. Die Unterbringung und Versorgung von Asylwer­bern kosteten den Bund im Vorjahr im Durchschnitt rund 21,60 Euro pro Tag. Darin nicht enthalten sind Verfahrenskosten sowie sonstige Subventionen.

Meine Damen und Herren! Die Coronakrise verlangt den österreichischen Bürgern sehr viel ab. Wir brauchen das Geld im eigenen Land! Daher fordern wir eine temporäre Aus­setzung des Asylrechts. (Zwischenruf der Abg. Yılmaz.)

Ich bringe daher folgenden Antrag ein:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 291

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Aussetzen des Asylrechts“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert schnellst möglich dem Nationalrat einen Geset­zesentwurf vorzulegen, der die Schaffung einer rechtlichen Grundlage zum Aussetzen des Asylrechts bis zum Ende der Corona-Krise beinhaltet.“

*****

Ich bitte Sie, diesem Antrag im Sinne der Politik für Österreich zuzustimmen! (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Lausch: Bravo!)

22.35

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Amesbauer, Dr. Belakowitsch, Ries, Mag. Schrangl und weiterer Abgeordneter

betreffend Aussetzen des Asylrechts

eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 7, Bericht des Bud­getausschusses über die Regierungsvorlage (55d.B.): Bundesgesetz über die Be­willigung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2020 (Bundesfinanzgesetz 2020 – BFG 2020) samt Anlagen (183d.B.), Untergliederung 18 – Fremdenwesen , in der 32. Sit­zung des Nationalrates, XXVII. GP, am 26. Mai 2020

Der Entwurf zum Bundesvoranschlag 2020 sieht für die UG 18-Fremdenwesen im Finan­zierungshaushalt Auszahlungen in der Höhe von insgesamt 378,8 Mio. EUR vor. Un­terbringung und Versorgung für Asylwerber kosteten für den Bund im Durchschnitt 2019 rund 21,60 Euro am Tag. Darin nicht enthalten sind die Verfahrenskosten sowie sonstige Subventionen. Die Anzahl der durch Missbrauchscontrolling identifizierten Leistungs­missbrauchsfälle in der Grundversorgung und diversen Behörden soll laut Bundesfi­nanzgesetz und Anhang 2020 unter 22.000 liegen, wobei 2018 es 22.813 Leistungsmiss­brauchsfälle gab.

Die Anzahl der Grundversorgten nach Bundesland stellte sich zum 13.05.2020 wie folgt dar: Burgenland 741, Kärnten 1.416, Niederösterreich 4.065, Oberösterreich 4.239, Salzburg 1.395, Steiermark 3.003, Tirol 1.866, Wien 11.083 und Vorarlberg 1.013. Somit gesamt 28.821 Grundversorgte.

Während die Österreicher wegen der Coronavirus-bezogenen Maßnahmen der türkis-grünen Bundesregierung mit massiven Einschränkungen im Alltag konfrontiert sind, lässt Innenminister Nehammer stillgelegte Asylheime in der Steiermark wieder öffnen, um dort laut Medienberichten 200 Asylwerber unterzubringen.

Österreich braucht in den kommenden Monaten alle Ressourcen für unsere eigene Be­völkerung. Alles andere ist ein Schlag ins Gesicht der Österreicher, denen durch die rigiden Maßnahmen gegen das Coronavirus ohnehin gerade sehr viel abverlangt wird. Manche sind erkrankt, viele können ihre Eltern und Großeltern nicht sehen. Sie müssen die Versorgung unter schwierigsten Bedingungen aufrechterhalten. Andere wurden aus ihrem Job gekündigt bzw. haben ihren Betrieb aufgeben müssen und somit ihre Exis­tenzgrundlage verloren.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 292

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert schnellst möglich dem Nationalrat einen Geset­zesentwurf vorzulegen, der die Schaffung einer rechtlichen Grundlage zum Aussetzen des Asylrechts bis zum Ende der Corona-Krise beinhaltet.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ausreichend unterstützt, ordnungs­gemäß eingebracht und steht in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Bürstmayr. – Bitte, Herr Abgeordneter.


22.35.50

Abgeordneter Mag. Georg Bürstmayr (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Lassen Sie mich hier gleich anschließen! Fremdenwesen: Das klingt so nach: die, die nicht zu uns gehören, die Fremden eben. Ein Fremder ist aber nach ös­terreichischem Recht einfach ein Mensch, der die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt, aus welchem Grund auch immer. Ob man seit Jahrzehnten in Österreich lebt oder erst seit gestern, das Gesetz macht da keinen Unterschied, kein Pass heißt: fremd. Das sind aktuell anderthalb Millionen Menschen in Österreich, jeder Sechste. Die meisten von ihnen haben eines gemeinsam: Sie sind hier in Österreich daheim. (Abg. Yılmaz: Geboren!) Die meisten von ihnen sind genau deshalb auch Mitte März in Öster­reich geblieben.

Wir, die wir einen österreichischen Pass haben, haben gemeinsam mit ihnen diese so besondere, so verrückte, noch nie da gewesene Zeit durchgemacht. Wir haben auf ge­meinsame Gebete verzichtet, in Synagogen, Kirchen und Moscheen, wir haben kurzge­arbeitet oder unsere Jobs verloren, auf Gasthausbesuche und Annehmlichkeiten ver­zichtet und die Regeln befolgt – gemeinsam!

Manchen in diesem Haus passt das nicht. Jene, die unsere Gesellschaft spalten wollen, wollen darauf beharren, dass es zwei Klassen von Menschen gibt, je nach Reisepass. Ein Virus fragt dich aber nicht nach deinem Pass, und in einer Krise kommt es nicht darauf an, woher du kommst, sondern darauf, was du bereit bist, beizutragen.

Es ist in diesem Haus in den letzten Nationalratsdebatten schon einigen gedankt worden, bislang hat niemand eine der größten Gruppen in Österreich überhaupt erwähnt, nämlich die Menschen ohne österreichischen Pass: anderthalb Millionen Menschen, jeden Sechsten.

Deshalb möchte ich mich jetzt einmal bei ihnen bedanken, und zwar dafür, dass sie als Fremde Teil unseres Österreichs sind, dafür, dass sie mitgeholfen haben, dass sie mit geduldig waren, dass sie mit dazu beigetragen haben, das Schlimmste zu verhindern, und dafür, dass wir jetzt gemeinsam darangehen werden, die Schäden der letzten Wo­chen zu beseitigen, aufzuräumen, wieder aufzusperren, weiterzumachen – weil das Ös­terreich ist, weil das Europa ist! Wir schaffen das gemeinsam! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)

In diesem Sinne stellvertretend für die über hundert Sprachen, die in Österreich vertreten sind: Dank u wel! Hvala! Spasibo! Merci beaucoup! Tusen tack! Efcharistó polí! Danke! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Lausch.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 293

22.38


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Krisper. – Bitte.


22.38.58

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Vertrauen ist ein hohes Gut, und was mangelndes Vertrauen mit einer Institution machen kann, sehen wir beim BVT im Moment leider sehr genau. Die Hausdurchsuchung im BVT im Jahr 2018, die verheerende Veröffentlichung des Visitierungsberichts des Berner Clubs und die darauf folgende öffentliche Debatte schadeten dem Vertrauen ins BVT hierzulande sehr, und auch das Vertrauen der in­ternationalen Partner litt zwischendurch.

Die Reform geht nun vonstatten, doch gerade um Vertrauen zu gewinnen, muss sich auch Kontrolle einfinden. Eine Blackbox hat selten die besten Vertrauenswerte. Daher sage ich als Abgeordnete: Vertrauen ist gut, aber Kontrolle ist besser. Die parlamenta­rische Kontrolle gehört gestärkt, auch was das Budget des BVT betrifft. Da gibt es im Moment null Kontrolle, und es ist für mich ein völlig absurder Zustand, dass wir als Par­lament nicht wissen, wie es um das Budget des BVT bestellt ist.

Wir müssen ja auch, um seriös in die Reform eingebunden zu werden, aber auch darüber hinaus, wissen, wie es um die finanzielle und personelle Ausstattung des Bundesamtes bestellt ist. Bisher wissen wir das nicht. Das Budget geht zur Gänze in dem Posten Ge­neraldirektion für die öffentliche Sicherheit auf und wird als Staatsgeheimnis behandelt, über das nicht einmal die Abgeordneten im Unterausschuss des Innenausschusses, im Geheimdienstausschuss, Bescheid wissen dürfen. So geht das unserer Meinung nach nicht.

Sie, Herr Innenminister, wollten uns ja im Innen- und dann auch im Budgetausschuss glauben lassen, das sei internationaler Standard, weil Geheimdienste sonst angreifbarer wären. Ich sagte Ihnen damals schon, dass das nicht stimmt, weil Ex-Innenminister Kickl uns ja wegen der Reform schließlich schon nach Frankreich geschickt hat, wo wir in Paris genau das Komitee besucht haben, das sich mit der finanziellen Gebarung des französischen Geheimdienstes auseinandersetzt. Auch in der Schweiz gibt es eine sehr ausgeprägte parlamentarische Kontrolle des Budgets des Schweizer Geheimdienstes. Das brauchen wir eben in Österreich auch, besonders dann, wenn der Staats- und Ver­fassungsschutz jetzt mehr Kompetenzen bekommen möchte.

Keine Frage, ich bin sicher mit Ihnen konform, wenn man sagt, dass es Informationen im Staat gibt, die nicht für die Öffentlichkeit geeignet sind, aber das Parlament sollte dennoch über das Budget informiert werden, wenn auch teilweise nur im Geheimdienst­ausschuss. Ich bin sicher nicht die einzige Steuerzahlerin, die wissen will, was mit ihrem Geld geschieht und welche Gelder ins BVT fließen.

Kontrolle schafft eben Vertrauen. In diesem Sinne hoffe ich auf eine ehrliche Debatte im Innenausschuss über die Überlegungen, wie man auch das Parlament ins Budget des BVT Einblick nehmen lassen kann. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

22.41


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Innenmi­nister. – Bitte.


22.41.56

Bundesminister für Inneres Karl Nehammer, MSc: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Die Redebeiträge haben es gezeigt: Die Aufgaben des Innenministeriums, die Aufgaben der Polizistinnen und Polizisten, auch die Aufgaben der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Sicherheitsverwaltung sind viel­fältig. Ihnen allen gilt von dieser Stelle aus ein großes Danke.

Wir sind auf der einen Seite dank des starken Einsatzes der Mitarbeiterinnen und Mitar­beiter der Polizei und des Innenministeriums, aber auf der anderen Seite auch aufgrund


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der guten und engen Kooperation mit der Bevölkerung das viertsicherste Land der Welt. Die Polizei ist der Partner der Österreicherinnen und Österreicher, der Menschen, die in Österreich leben. Die Aktion Gemeinsam sicher wurde schon angesprochen: Sie soll das besonders unterstreichen und vor allem die gesamte Breite an Sicherheitsleistungen für die Menschen in unserem Land zeigen. Daher wird sie auch fortgeführt und wird ein wichtiger Bestandteil unserer weiteren Planungen im Innenministerium sein, weil Ge­meinsam sicher ausdrückt, warum Polizistinnen und Polizisten genauso wie die Mitarbei­terinnen und Mitarbeiter der Sicherheitsverwaltung gerne ihren Dienst versehen: weil es einfach schön ist, für die Sicherheit der Österreicherinnen und Österreicher da zu sein. (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten der Grünen sowie der Abg. Yılmaz.)

Das Coronavirus hat die Polizei und auch das Innenministerium vor große Herausforde­rungen gestellt. Es gab und gibt noch immer den Einsatzstab des staatlichen Krisen- und Katastrophenmanagements. Alle Maßnahmen zur Bekämpfung der Coronaviruskrise werden darin koordiniert, 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Gleichzeitig war es für die Polizistinnen und Polizisten auch im Einsatz auf der Straße eine völlig neue Wirklichkeit. Das durch die Ausgangsbeschränkungen veränderte Straßenbild haben wir noch alle in Erinnerung.

Zudem gibt es auch eine sich total verändernde Kriminalität. Wir haben jetzt schon länger mit der Herausforderung zu kämpfen, dass Kriminalität viel stärker in das Internet ab­wandert, in Zeiten einer Krise aber natürlich noch viel mehr. Es gibt dramatische An­stiege, und daher bereiten wir uns auch in Bezug auf die polizeiliche Arbeit intensiv darauf vor, die Kriminalität durch eine Aufstockung des Personals im Bundeskriminalamt zu bekämpfen. Auch beim Neubau – das wurde heute auch schon angesprochen – des neuen Verfassungsschutzes werden die Themen Internetkriminalität und Cyberterroris­mus eine ganz wesentliche Rolle spielen, um Strukturen zu bauen, die die Republik, die Österreicherinnen und Österreicher und Menschen, die in Österreich leben, entspre­chend schützen.

Darüber hinaus gibt es auch ständig neue Bedrohungslagen bei der inneren Sicherheit unseres Landes. Denken Sie daran, dass das Thema Extremismus vonseiten des In­nenministeriums, vonseiten des Verfassungsschutzes sehr ernst zu nehmen ist, dass wir uns alle neuen Formen der Bedrohung nicht nur anschauen müssen, sondern auch dagegen vorgehen müssen! Denken Sie an das erst unlängst erfolgte Einschreiten gegen Staatsfeinde, eine äußerst gefährliche Gruppe für die Demokratie, für die Sicher­heit der Menschen in unserem Land! Ohne einen effizienten und starken Verfassungs­schutz würde der Kampf gegen sie viel schwerer fallen. Das heißt, die Reform ist auf einem guten Weg, sie ist mit den notwendigen finanziellen Ressourcen ausgestattet.

Frau Abgeordnete (in Richtung Abg. Krisper), ja, Sie haben recht: Es gibt tatsächlich immer einen Balanceakt zwischen einerseits dem Informationsbedürfnis der Öffentlich­keit, wenn es um einen Nachrichtendienst geht, der gemeinsam mit der zukünftigen Staatspolizei in einem Organisationsverbund wirken soll, und andererseits den Notwen­digkeiten der Geheimhaltung zu stemmen. Sie wissen aber auch aus dem Innenaus­schuss, dass ich Ihnen zugesichert habe, im Ständigen Unterausschuss, der der Ge­heimhaltung unterliegt, selbstverständlich den Repräsentanten der Demokratie, sprich den Abgeordneten dieses Hauses vollen Zugang zur Information, wie die finanzielle Si­tuation, wie das Budget des BVT ausschaut, zu gewähren. Es ist eben wichtig, da immer wieder zu differenzieren: Was kann ich tatsächlich öffentlich machen, was nicht?

Gleichzeitig hat sich die Bundesregierung in dieser Legislaturperiode vorgenommen, 4 300 zusätzliche Polizistinnen und Polizisten für mehr Sicherheit im wahrsten Sinne des Wortes auf die Straße zu bringen. Wie gelingt das? – Durch 2 000 zusätzliche Planstel­len in der Ausbildung und zusätzliche 2 300 Planstellen für die Polizeiinspektionen.


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Es wurde heute auch schon von den Vorrednern angesprochen, wie wesentlich das subjektive Sicherheitsgefühl ist. Genau das vermitteln Polizistinnen und Polizisten in ihrem Streifendienst und noch viel mehr, wenn sie zu Fuß unterwegs sind und die Menschen sehen, dass da jemand ist, den sie sofort in Anspruch nehmen können, wenn sie sich bedroht fühlen. Genau deshalb lauft die Initiative auf Hochtouren. Auch dafür ist das Budget vorgesehen.

Es wurde auch angesprochen – und ja, ich stehe überhaupt nicht an, das zu sagen –: Das Budget hat wesentlich mein Amtsvorgänger Wolfgang Peschorn erarbeitet. Ich spreche ein großes Danke für seinen Einsatz als Innenminister in einer besonders schwierigen Zeit aus. Er ist nach wie vor auch ein wichtiger Begleiter des Innenministe­riums, jetzt als Leiter der Finanzprokuratur, als Anwalt der Republik, den wir auch ständig in unsere Arbeit miteinbinden, wenn es darum geht, rechtliche Fragen abzuklären.

Den Terrorismus zu bekämpfen, Extremismus rechtzeitig zu erkennen, aber auch – ge­nauso wichtig für uns als Gesellschaft – gegen den Antisemitismus in unserem Land vorzugehen, all das wird die Kernkompetenz und Aufgabe des neuen Verfassungsschut­zes werden. Er soll auch genug Ressourcen zur Verfügung bekommen, um tatsächlich arbeiten zu können.

Die nächste große Herausforderung – sie wurde heute auch angesprochen – ist die Mi­grationskrise. Ich habe intensive Gespräche mit dem bosnischen Innenminister, mit dem kroatischen Innenminister geführt, mit den Innenministern aller betroffenen Länder, vor allem auch jetzt Griechenlands, mit dem Vizepräsidenten der EU-Kommission, mit dem serbischen Innenminister, um ein klares Lagebild zu bekommen und mich eng mit ihnen abzustimmen.

Österreich redet aber nicht nur, sondern handelt auch. Genauso, wie wir Griechenland aktiv mit 181 Wohn- und Sanitärcontainern für die Unterbringung von Flüchtlingen unter­stützt haben, unterstützen wir Griechenland mit Polizistinnen und Polizisten vor Ort, auch mit Geld vor Ort, mit 1 Million Euro Soforthilfe, um zu zeigen, dass uns der Außengrenz­schutz nicht nur in Worten wichtig ist, sondern vor allem auch in Taten.

Genauso gehen wir auch mit den Staaten des Westbalkans vor: enge Abstimmung, enge Koordination und Hilfe dort, wo gewünscht – ich sage das ganz bewusst. Das ist immer ein enger Abstimmungsprozess mit unseren Nachbarstaaten, und der funktioniert gut. Wir senden jetzt wieder Polizistinnen und Polizisten mit einem Fahrzeug an die serbische Grenze, das mit einer Thermalkamera und mit weiteren technischen Ausrüstungen aus­gestattet ist, um irreguläre Migration effizient zu bekämpfen, weil wir von der Theorie der drei Sicherheitsnetze ausgehen.

Das erste große Sicherheitsnetz ist die europäische Außengrenze. Daher braucht es alles an Unterstützung, was möglich ist, um schon dort für Sicherheit zu sorgen. Wenn dieses Sicherheitsnetz überwunden ist, dann gibt es das zweite Sicherheitsnetz, und das sind die Grenzen der Länder des Weltbalkans, dort, wo die Migrationsrouten verlaufen. Genau da sind die Kooperation mit den Sicherheitsbehörden, die Ausbildung vor Ort, aber auch österreichische Polizistinnen und Polizisten vor Ort so wichtig, um rasch und effizient gegen die organisierte Kriminalität, gegen die Schlepperei, aber auch gegen die irreguläre Migration zu kämpfen.

Der Grund dafür, warum ich das jetzt in einem Atemzug aufgeführt habe, ist, weil das alles leider sehr eng miteinander verknüpft und verwoben ist. Wir haben jetzt, in Zeiten des Coronavirus, auch gesehen: Die organisierte Kriminalität – und da vor allem die Schlepper – ist in der Lage, ihr zynisches Geschäftsmodell sehr rasch zu ändern. Auf einmal, wenn sie nicht mehr Menschen schleppen, schmuggeln sie Waffen oder auch Drogen.


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Drogen, ein weiteres Stichwort: Auch beim Drogenhandel ist die Frage der Bekämpfung der organisierten Kriminalität nach wie vor eine große Herausforderung, und auch da gibt es eine Veränderung, denn auch dieser verlagert sich zunehmend – natürlich auch durch die Coronaviruskrise befeuert – ins Internet. Das heißt, auch in diesem Bereich muss das Bundeskriminalamt mit mehr Personalressourcen und technischen Ressour­cen ausgestattet werden, um gegen diese Form der Kriminalität zu kämpfen – und das tun wir auch.

Das heißt, wir haben ein starkes Budget. Wir haben viele Aufgaben vor uns. Was mich zuversichtlich macht, dass die Beurteilung meiner Arbeit als Innenminister, von der Sie gesprochen haben, nächstes Jahr eine positive sein wird, ist das Faktum, dass wir he­rausragende Polizistinnen und Polizisten im Einsatz und ebensolche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Sicherheitsverwaltung haben. Ich freue mich auf die Arbeit mit ihnen. Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

22.50


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Gerstl. – Bitte.


22.50.51

Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! (Der Redner trägt ein Gesichtsvisier. Abg. Yılmaz: Am Pult reden wir ohne Maske! Der Redner nimmt das Gesichtsvisier ab.)  Vielen Dank für die Erinnerung, es war keine Absicht, dass ich die Maske oben gelassen habe. (Abg. Yılmaz: Ich schau auf so was! Heiterkeit bei der SPÖ.)

Was braucht man, wenn man durch eine Krise geht, als Erstes? – Ein funktionierendes Krisen- und Katastrophenmanagementsystem! Daher darf ich Ihnen, Herr Bundesminis­ter, im Namen aller Österreicherinnen und Österreicher ganz besonders danken: ein Danke an das Krisen- und Katastrophenmanagement des Innenministeriums, das diese Aufgabe übernommen hat (Beifall bei der ÖVP Heiterkeit und Zwischenrufe bei den NEOS) ein Krisen- und Katastrophenmanagement, das am 25. Februar bereits die Ar­beit aufgenommen hat, ganz intensiv mit einem 24/7‑Kurs, und das es ermöglicht hat, dass die Gesundheitsbehörden sich eingliedern und danach auch ein eigenes System für die Gesundheit aufbauen können (Abg. Loacker: Wo haben sich die eingegliedert?), denn in der Zusammenarbeit sind wir stark und in der Zusammenarbeit bekämpfen wir das Virus. Daher, meine Damen und Herren, ist es so wichtig, dass man dann, wenn es schwierig ist, zusammenhält und dass man ein solches Virus auch entsprechend be­kämpft.

Was in solchen Zeiten auch wichtig ist, Herr Kollege Einwallner, ist, dass man objektive Daten wirklich nennen darf, und daher ist es ganz wichtig, dass man die objektiven Daten nennt. Meine Damen und Herren, wenn Herr Landeshauptmann Kaiser darauf hinweist, dass in Kärnten seit 1. Mai nur eine Person neu infiziert ist und dort derzeit überhaupt nur eine Person infiziert ist (eine Grafik mit dem Titel „Kärnten, Zuwachs = 1“ in die Höhe haltend, auf der die Zahl der Infektionen durch eine flache Kurve dargestellt ist), dann ist es für ihn ganz verständlich, dass er sagt, er möchte sich von Wien unterscheiden (eine Grafik mit dem Titel „Wien, Zuwachs + 604 Fälle = + 23,86%“ in die Höhe haltend, auf der die Zahl der Infektionen durch eine steile Kurve dargestellt ist), weil es in Wien seit 1. Mai plus 604 Fälle gibt, sprich eine Steigerung von bald 24 Prozent. (Zwischenrufe bei der SPÖ. Abg. Loacker: Da funktioniert ... vom Innenministerium nicht in Wien!)

Es ist daher ganz, ganz wichtig, dass man, wenn es objektive Daten gibt, so wie Landes­hauptmann Kaiser sagt, die Dinge unterschiedlich behandelt, meine Damen und Her­ren – unterschiedliche Ausgangssituationen, andere Antworten! (Beifall bei der ÖVP. 


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 297

Abg. Loacker: Eine Beleidigung der Intelligenz der Zuhörer ist das! Zwischenruf des Abg. Vogl.)

Ich brauche Ihnen daher gar nicht mehr zu sagen (ein Schriftstück in die Höhe haltend, auf dem Bezirke und die entsprechenden Fallzahlen aufgelistet sind) – ich habe mir das gestern aus dem EMS ausdrucken lassen –: Die elf stärksten Bezirke von ganz Öster­reich hinsichtlich der Fallentwicklungen sind alles Bezirke von Wien. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Na klar, es ist die Aufgabe von jedem, der Verantwortung in dieser Stadt trägt, und von jedem, der Verantwortung auf Bundesebene trägt, dass er sich dieser Fälle annimmt, denn: Worum geht es? Wir wollen alle keine zweite Welle. Die heißt es zu vermeiden, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP. Abg. Loacker: Ist es in den ÖVP-Bezirken besser als in den roten Bezirken?)

Daher darf ich mit Henry Ford enden. Er hat gesagt: „Zusammenkunft ist ein Anfang.“ – So wie hier. – „Zusammenhalt ist ein Fortschritt. Zusammenarbeit ist der Erfolg.“ – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

22.53


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Schatz. – Bitte.


22.53.58

Abgeordnete Sabine Schatz (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Minister! Erlauben Sie mir, dass ich, bevor ich zu meinem Redebeitrag komme, noch auf einige meiner Vorredner eingehe! Herr Kollege Gerstl, zu Ihrem Wienbashing brauche ich, glaube ich, nichts mehr zu sagen (Ruf bei der ÖVP: Faktenbasiert!), ich möchte aber noch auf die Ausführungen von Kollegen Mahrer reagieren. Sie haben das subjektive Sicherheitsge­fühl der Bevölkerung angesprochen. Sehr geehrter Herr Kollege Mahrer, mit einer Re­gierung, die bewusst mit Politik Angst schafft und Angst schürt, werden Sie kein Si­cherheitsgefühl zustande bekommen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS. Rufe bei der ÖVP: Geh bitte! Meine Güte!)

Weil Sie das Thema Gewaltschutz angesprochen haben – der ist uns, glaube ich, allen sehr wichtig –, darf ich Sie noch daran erinnern, dass es die schwarz-blaue Regierung mit Innenminister Kickl gewesen ist, die die Marac-Fallkonferenzen, ein wirklich wichti­ges Instrument zur Bekämpfung von Gewalt an Frauen, abgeschafft hat. Ich ersuche wirklich darum, Herr Innenminister, dass es qualitativ gleichwertige Fallkonferenzen rela­tiv bald wieder geben wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Zum Kollegen Amesbauer: Herr Kollege Amesbauer, Asyl ist ein Menschenrecht, unab­hängig davon, ob es eine Coronakrise gibt oder nicht. Daran werden wir nicht rütteln. (Beifall bei der SPÖ. Abg. Amesbauer: Aber trotzdem gibt es illegale Migranten, oder? Aber illegale Migranten gibt es trotzdem!)

Sehr geehrte Damen und Herren, wir feiern heuer 75 Jahre Befreiung vom Nationalso­zialismus am 8. Mai 1945. Nach 1945 hat sich in Österreich relativ rasch ein falscher Opfermythos verfestigt. Dieser hat auch verhindert, dass es in Österreich eine umfas­sende Aufarbeitung der NS‑Zeit gegeben hat. Das Böse wurde konzentriert auf den Ort Mauthausen gesehen, dabei hat das Konzentrationslager Mauthausen selbst 49 Außen­lager gehabt, abgesehen von vielen anderen Terrorstätten der NS‑Zeit auf dem Gebiet von Österreich. Nur wenig ist davon heute noch sichtbar, und wo es Gedenkstätten gibt, ist das vor allem örtlichen Gedenkinitiativen zu verdanken.

Gusen ist das größte Außenlager von Mauthausen und ein Sinnbild dafür, wie Österreich mit der Geschichte, mit Gedenkpolitik umgegangen ist: Auf der Fläche des ehemaligen Konzentrationslagers Gusen befindet sich heute eine Wohnsiedlung. Das kleine Me­morial, die kleine Gedenkstätte ist ehemaligen Häftlingen zu verdanken, die das Krema­torium in Gusen gekauft haben und es später der Republik Österreich als Gedenkstätte


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 298

vermacht und übergeben haben, weil sie eben gegen das Vergessen vorgehen wollten und das auch getan haben.

Die Regierung hat am 8. Mai angekündigt, in Verkaufsverhandlungen mit den Eigentü­mern der noch vorhandenen Liegenschaften zu gehen. Ich begrüße das und sage das auch ganz deutlich, fordere aber auch ein, dass es eine entsprechende Einbindung der Bevölkerung, der Überlebendenorganisationen bei der Errichtung der Gedenkstätte gibt. Es gibt in diesem Budget noch keine Mittel für die Errichtung der Gedenkstätte, aber, Herr Minister, Sie werden sich darauf verlassen können, dass wir das entsprechend ein­fordern werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Eines ist mir da auch noch wichtig, zu betonen, Herr Minister: Sie wissen, zum Lager­komplex Gusen gehört auch der Stollenbau Bergkristall in Sankt Georgen an der Gusen. Dass dieser auch angekauft wird, ist in der Machbarkeitsstudie nicht vorgesehen, er ist aber notwendig für die Errichtung einer Gedenkstätte und für einen Lernort Gusen.

Lernort ist für mich auch ein Stichwort: Wir sind erst kürzlich mit einer Studie konfrontiert worden, gemäß derer Schülerinnen und Schüler der 9. Schulstufe große Wissenslücken aufzeigen, was die NS‑Zeit betrifft. 20 Prozent der SchülerInnen wissen nicht, was Anti­semitismus ist, oder wissen nicht, welche Gruppen neben Juden und Jüdinnen noch von den Nationalsozialisten verfolgt worden sind. Das ist ein klarer Handlungsauftrag an uns alle. Demokratie und Bewusstseinsbildung ist die Verantwortung, die wir aufgrund unse­rer Geschichte tragen, und diese Verantwortung verpflichtet uns auch, aufzuzeigen – das wissen wir aus einer Anfragebeantwortung von Ihnen –, dass es zwischen 2013 und Anfang 2020 über 100 Schändungen von NS‑Gedenkstätten in Österreich gegeben hat, und sie verpflichtet uns, endlich Maßnahmen gegen diesen Höchststand an rechtsextre­men Straftaten zu ergreifen, die wir seit 2015 erleben.

Wir müssen da endlich aktiv werden. Das ist die Verantwortung, die wir tragen, auch gegenüber den Opfern des Nationalsozialismus. Sie fordert uns auf, dass wir uns endlich damit beschäftigen. Deswegen brauchen wir endlich die Wiedereinführung des Rechts­extremismusberichtes, wir brauchen – das wurde auch schon angesprochen – mehr Personal im BVT, vor allem in der Extremismusabteilung, wir brauchen einen Aktions­plan gegen Rechtsextremismus, und wir brauchen für all diese Maßnahmen das notwen­dige Budget. Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

22.59


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Lopatka. – Bitte.


22.59.10

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Herr Präsident! Herr Innenminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich finde es sehr erfreulich, dass Frau Abgeordnete Schatz anerkannt hat, was Innenminister Karl Nehammer an Gedenkarbeit leistet, was den Ankauf in Gusen betrifft. Das ist tatsächlich ein wichtiger und notwendiger Schritt. Ich darf auch erwähnen, dass der hinter mir sitzende Nationalratspräsident Sobotka in diesem Bereich ebenfalls viel tut. Ich glaube, man kann dieser Bundesregierung keinen Vorwurf machen, dass da zu wenig geschieht, daher: Danke, dass Sie das auch aner­kannt haben. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen.)

Neben dem, was Sie angesprochen haben, ist ja das Entscheidende die Sicherheit der Menschen hier im Land, und es ist gut, dass Innenminister Nehammer zu Recht auf die hohe Sicherheit in Österreich verweisen konnte.

Die Coronakrise verstellt uns in vielen Bereichen den Blick auf Entwicklungen, die uns davor sehr beschäftigt haben. Einzelne Themen haben in der Politik immer Konjunktur: Einmal ist es die Flüchtlingswelle, davor war es der Terror, wenn wir uns erinnern. Ich möchte heute auf den Aspekt hinweisen, dass jetzt, da es viel Verunsicherung in der


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Bevölkerung gibt, im Hintergrund Terrororganisationen, von denen wir vielleicht geglaubt hatten, dass sie schon ein Ende gefunden haben – ich denke an das Kalifat des IS –, in Wirklichkeit dieses Coronavirus auch für ihre furchtbaren Vorhaben nützen wollen. In einem Artikel in der jüngsten Ausgabe von „Al Naba“ – so heißt die Zeitung des IS – wird das Coronavirus natürlich als Strafe Gottes hingestellt: einerseits für das kommunis­tische China, andererseits – wie wir, die westliche Welt, bezeichnet werden – für die so­genannten Kreuzritternationen.

Geheimdienste sagen uns, dass die Terrorgefahr diesbezüglich wächst, vor allem auch im Umgang mit Bioterrormitteln. Was geht in solchen Gehirnen vor? – Wenn man mit dem Coronavirus, das ja bei unter 1 Prozent liegt, was die Letalität der Infizierten betrifft, Bioterror verüben möchte und biotechnologische Schritte setzt, um zum Beispiel eine Letalität des Ebolavirus zu erreichen, könnte man Furchtbares anrichten. Einer der Ers­ten, der vom IS ermordet worden ist, war seinerzeit in Rakka ein Dekan an der dortigen Universität, der sich mit biotechnischem Terror beschäftigt hat. Er hat sich geweigert, für den IS zu arbeiten, und ist sofort hingerichtet worden.

Warum sage ich das? – Wir sollten uns neben dem, was uns beschäftigt, auch damit beschäftigen, dass es andere Gefahren gibt. Gestern hat der zuständige Ausschuss des Europarates zur Terrorbekämpfung genau davor gewarnt. Seien wir ehrlich: Die west­liche Welt war völlig überrascht, als uns dieses Covid-19-Virus getroffen hat. Was ich sagen möchte: Wir sollten Bioterrorismus ernst nehmen und im Auge behalten und vor­bereitet sein, damit wir nicht noch einmal eine Überraschung erleben. Das wäre dann vielleicht eine noch viel negativere. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

23.02


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ries. – Bitte.


23.03.02

Abgeordneter Christian Ries (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Bun­desminister! Die Polizei wurde heute schon viel gelobt. Diesem Lob schließen wir uns natürlich an, es muss aber auch gesagt werden, dass die Polizei teilweise in Inspek­tionen ihren Dienst verrichten muss, vor allem in Wien, die nicht mehr zeitgemäß sind. Das haben wir im Ausschuss besprochen, diesbezüglich sind Sie auch unserer Meinung, und das gehört verbessert.

Die Polizeibeamten haben außerdem ein Entlohnungsschema, das in hohem Ausmaß von Zulagen abhängig ist – auf Deutsch gesagt: Man darf alles, nur nicht krank werden.

Daher bringen wir folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „finanzielle Besserstellung der Exekutive“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert dem Nationalrat einen Gesetzesentwurf vorzule­gen, der die finanzielle Besserstellung der Exekutive vorsieht indem eine Anhebung des Grundbezuges durch Einrechnung aller pensionsbegründenden Zulagen und Nebenge­bühren in das Grundgehalt durchgeführt wird.“

*****

(Beifall bei der FPÖ.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 300

Werte Damen und Herren, stimmen Sie zu! Klatschen allein verbessert die finanzielle Absicherung unserer Polizeibeamten nicht! (Heiterkeit bei der ÖVP.) Handeln wir jetzt, wenn wir soziale Sicherheit gewährleisten wollen! (Beifall bei der FPÖ.)

23.04

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Amesbauer, Dr. Belakowitsch, Ries, Mag. Schrangl und weiterer Abgeordneter

betreffend finanzielle Besserstellung der Exekutive

eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 7, Bericht des Budget­ausschusses über die Regierungsvorlage (55d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2020 (Bundesfinanz-gesetz 2020 – BFG 2020) samt Anlagen (183d.B.), Untergliederung 11 – Inneres, in der 32. Sitzung des National­rates, XXVII. GP, am 26. Mai 2020

Unsere Polizistinnen und Polizisten leisten einen wichtigen und unverzichtbaren Beitrag zum Erhalt der Sicherheit für die Bevölkerung. Auch eine hohe Arbeits- und Stunden­belastung ist aufgrund personalpolitischer Fehler in der Vergangenheit leider schmerzli­che Realität und belastet die Gesundheit und das soziale Umfeld der Beamten. Das Ge­halt eines Exekutivbeamten ist im Wesentlichen durch ein Grundgehalt und zahlreiche Zulagen definiert. Laut Standard vom 29.7.2019 erhalten Polizeischüler ein Gehalt von 23.660 Euro. Im zweiten Ausbildungsjahr können schon Gehälter von 28.000 Euro inklusive Zulagen erreicht werden. Das Einstiegsgehalt eines Inspektors liegt bei rund 29.400 Euro. Zusätzlich werden Zulagen für Gefahr, Sonn- und Feiertagsarbeit sowie Nachtdienste bezahlt. Nach 6 Jahren Dienstzeit ist der Aufstieg zum Revierinspektor möglich, wodurch sich das Gehalt auf mindestens 32.200 Euro erhöht. Im Schnitt liegt das Gehalt eines Streifenpolizisten mit mehrjähriger Erfahrung bei rund 40.000 Euro brutto pro Jahr, mit Zulagen kann es bis 65.000 Euro steigen. Nach insgesamt 21 Dienst­jahren können Polizisten zum Gruppeninspektor mit einem Mindestgehalt von 43.400 Euro plus Zulagen befördert werden. Die Zulagen und Nebengebühren fallen aber zum Bei­spiel im Zuge von Krankheiten weg und dadurch wird das Gehalt gekürzt.

Die Exekutive arbeitet täglich unter Einsatz ihrer Gesundheit für uns. Dies soll durch die Anhebung des Grundbezuges durch Einrechnung aller pensionsbegründenden Zulagen und Nebengebühren in das Grundgehalt gewürdigt werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert dem Nationalrat einen Gesetzesentwurf vorzu­legen, der die finanzielle Besserstellung der Exekutive vorsieht indem eine Anhebung des Grundbezuges durch Einrechnung aller pensionsbegründenden Zulagen und Ne­bengebühren in das Grundgehalt durchgeführt wird.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Himmelbauer. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 301

23.04.26

Abgeordnete Eva-Maria Himmelbauer, BSc (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Doch noch sehr erheiternd zu so später Stunde!

Kommen wir wieder zur Untergliederung zurück: Die Krise hatte natürlich auch ihre Auswirkungen auf die Kriminalität in Österreich. Wir haben in den letzten Wochen – nachvollziehbarerweise durch Ausgangsbeschränkungen, geschlossene Grenzen, aber auch entsprechende Polizeipräsenz – wesentlich weniger Einbrüche und Diebstähle ver­zeichnen können. Gleichzeitig ist jedoch die Internetkriminalität im engeren und im wei­teren Sinne gestiegen. Gefälschte Bankmails, die mit der Angst der Menschen spielen, um Kontodaten zu stehlen; unseriöse Warenangebote wie beispielsweise beim Mund-Nasen-Schutz, die nach Zahlung nie ankommen; Schadsoftware bei Unternehmen, die zur Zahlung hoher Summen aufgefordert werden, da andernfalls alle Daten weg sind – ein breites Sammelsurium an Internetkriminalität. Da sind noch nicht der Anstieg an digi­talem Drogenhandel, die Verbreitung von Kinderpornografie in einschlägigen Foren oder der gezielte Angriff auf IT-Systeme, wie wir ihn auch dieses Jahr im Außenministerium erlebt haben, miteinbezogen.

Durch die zunehmende Digitalisierung unseres Lebens sind auch die Aufklärung und die Bekämpfung der Internetkriminalität zentraler Bestandteil der Polizeiarbeit geworden. Ganz klar ist, dass wir daher auch in die Ausbildung von IT-Spezialistinnen und –Spe­zialisten und auch in eine moderne Infrastruktur investieren. Wir müssen auch da auf der Höhe der Zeit sein. Wir müssen die Zusammenarbeit zwischen der öffentlichen Hand und beispielsweise den Unternehmen, die dadurch betroffen sind, fördern. Wir müssen vor allem auch hinsichtlich dieser schnelllebigen, adaptiven Kriminalitätsform immer wie­der den Informationsaustausch fördern. Nicht zu vergessen – das ist heute schon vom Minister angesprochen worden –: Wir müssen in die Präventionsarbeit investieren, um der Bevölkerung auch ein Rüstzeug mitzugeben, damit sie einen sicheren Umgang mit dem Internet haben kann.

Das alles findet sich auch im Budget wieder: mehr Geld im Bereich der Sicherheit, nicht nur in diesem Jahr, sondern auch kontinuierlich in den kommenden Jahren, und mehr Polizistinnen und Polizisten auf der Straße, aber auch solche mit Spezialisierung wie beispielsweise im Bereich der Cybercops.

Danke schön, Herr Minister, für die Investitionen in die Sicherheit und auch ein Danke­schön an die Polizistinnen und Polizisten, die im Einsatz sind. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

23.07


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter See­mayer. – Bitte.


23.07.11

Abgeordneter Michael Seemayer (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Dem Dank meiner Vorrednerin an unsere Polizistinnen und Polizisten kann ich mich nur anschließen; es ist heute auch schon ein paar Mal gedankt worden. Sie haben Hervorragendes geleistet und müssen wahrschein­lich auch noch einiges leisten, allerdings haben sie manchmal ziemlich schwierige Rah­menbedingungen vorgefunden. Es war doch nicht immer klar, was zu vollziehen ist: Ist eine Verordnung des Ministeriums oder eine Ankündigung in einer Pressekonferenz zu vollziehen? Man hat ja im Nachhinein immer wieder festgestellt, dass sich das nicht ganz gedeckt hat und dass manches, das angekündigt worden ist, gar nicht gegolten hat. Es war auch für die Polizistinnen und Polizisten ein wenig schwierig, das umzusetzen. (Bei­fall bei der SPÖ.)


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Da ist es ganz gut, dass unsere Polizistinnen und Polizisten mit Hausverstand, Augen­maß und Fingerspitzengefühl vorgegangen sind und, ich sage, im Großen und Ganzen nicht überschießend gehandelt haben.

Auf eine Kleinigkeit möchte ich noch hinweisen – vielleicht sind kleine Zahlen ohnehin leichter in den Griff zu kriegen als große Zahlen –: Durch die Maßnahmen, die gesetzt worden sind, ist es natürlich notwendig gewesen, die Einsatzbereitschaft der Polizistin­nen und Polizisten zu erhöhen. Das ist einerseits durch Überstunden passiert, anderer­seits aber auch durch Urlaubssperren. Aufgrund der Urlaubssperren mussten Urlaube abgebrochen oder storniert werden – Sie (in Richtung Bundesminister Nehammer) ha­ben das ja selbst im Ausschuss berichtet. Das hat dazu geführt, dass der Dienstgeber die Kosten dafür tragen muss. Das ist natürlich auch bei der Polizei so.

Bis dahin ist noch alles klar, allerdings hat sich das Ministerium dafür entschieden, das über die Lohn- und Gehaltsverrechnung zu machen, was dazu führt, dass die Kosten, die da für die Stornierung refundiert werden, vorerst steuerpflichtig werden. Ich glaube, es war einer Ihrer Mitarbeiter, der dann gesagt hat, das könne man sich ja wieder über die Arbeitnehmerveranlagung am Ende des Jahres retour holen. Das stimmt natürlich, hat aber einen gravierenden Nachteil: Das wird auf die Werbungskostenpauschaule an­gerechnet. Wenn ein Betroffener keine zusätzlichen Werbungskosten abschreibt, dann zahlt er sich praktisch die 132 Euro selbst. Wenn er dann noch dazu damit rechnen muss, dass es bis zu einem Jahr oder über ein Jahr dauert, bis er seine Kosten endgültig ersetzt kriegt, Kolleginnen und Kollegen, dann muss ich sagen, das haben sich unsere Polizistinnen und Polizisten nicht verdient.

Herr Minister, ich fordere Sie auf: Sorgen Sie für eine zeitnahe Auszahlung! Das ist jetzt keine große Budgetposition, das kann man, glaube ich, ganz einfach regeln. Sorgen Sie da für eine ordentliche und schnelle Auszahlung! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

23.10


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Jachs. – Bitte.


23.10.15

Abgeordnete Mag. Johanna Jachs (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Zu den wichtigsten Grundbedürfnissen der Österreicherinnen und Österreicher gehört die Sicherheit, das haben wir ja schon gehört. Die Zahl der Kriminalfälle ist im Dreijah­resschnitt sogar rückläufig gewesen. Das subjektive Sicherheitsempfinden der Öster­reicherinnen und Österreicher ist aber leider teilweise ein anderes, nicht zuletzt aufgrund der Verunsicherungen, die durch die Opposition immer wieder erfolgen.

Die Herausforderungen der Polizei haben sich in den letzten Jahren definitiv gewandelt. Nicht nur das Offlineverbrechen, sondern auch die Cyberkriminalität ist ein sehr, sehr wichtiges Schlagwort geworden, auch die Bekämpfung des Extremismus, sei es jetzt von linker, rechter oder religiös motivierter Seite. Darum freut es mich wirklich sehr, dass das Sicherheitsbudget einen Aufschwung erfährt, dass mehr Personal auf die Straße kommt, denn das zeugt nur davon, dass wir im Sicherheitsbereich einen Weg mit Haus­verstand gehen, der sich wirklich strikt durchzieht.

Also danke, Herr Innenminister, für diesen strikten, konsequenten Weg mit Hausver­stand. Die Österreicherinnen und Österreicher werden sich sicher freuen, mehr Exekutiv­beamtinnen und -beamte auf den Straßen zu sehen, womit auch das subjektive Sicher­heitsempfinden gehoben wird. (Beifall bei der ÖVP.)

Abschließend, liebe Kolleginnen und Kollegen, habe ich noch eine Bitte an Sie. Die Si­cherheit der Menschen, die in unserem Land leben, ist ein zu hohes Gut, um hier poli­tisches Kleingeld zu schlagen, darum: Arbeiten wir bitte weiterhin gemeinsam für die


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Sicherheit der Österreicherinnen und Österreicher und für unsere Polizistinnen und Poli­zisten, die hier im Dienst sind! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

23.12


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Yılmaz. – Bitte. (Abg. Loacker: Nurten, jetzt musst du das rausreißen, was die vergeigt haben!)


23.12.13

Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminis­ter! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ja, es war wirklich schwer, bei den Budgetdiskus­sionen über das Budget zu reden. Es hätte auch in jeder Zeile – und das ist kein Vor­wurf – ein Fragezeichen stehen können und unten dann 20 Fragezeichen. So genau kann man es nicht wissen, aber gut.

Eine Zahl haben Sie uns aber genannt, und die ist hieb- und stichfest, das ist relativ schnell gegangen – das geht jetzt an Kollegen Amesbauer, der uns vorgerechnet hat, dass ein Asylwerber den Steuerzahler pro Tag etwa 21,40 Euro kostet, sollen es 22 Euro sein; ich würde Sie bitten, dass Sie ausrechnen, was uns die Pferderln seit einem Jahr kosten –: 2,5 Millionen Euro! (Beifall bei SPÖ, NEOS und Grünen. – Zwischenruf des Abg. Amesbauer.)

Sie müssen sich das vorstellen, es sind neun – wir haben zwei zurückgegeben –, und da hat uns der Herr Minister sofort die Zahl geliefert: Die haben bis jetzt 2,5 Millionen Euro gekostet! Zwei, die als Geschenk aus Ungarn kamen, konnten wir zurückgeben, und jetzt sitzen wir auf neun Pferden! (Abg. Amesbauer: Bitte geh die ÖVP an, das ist ihr Budget!) Und das ist noch nicht das Ende der Fahnenstange, denn die neun Pferde haben wir noch und die werden weiterhin noch etwas kosten; da bin ich schon neugierig. (Abg. Amesbauer: Das war ein exzellentes Projekt!) Also die SteuerzahlerInnen zahlen noch immer für den Traum des Herrn Innenminister Kickl. (Abg. Amesbauer: Jetzt bitte zu den Schwarzen sprechen!)

Ja, zum Kollegen Gerstl: Wienbashing. (Abg. Gerstl: Wo war da ein Wienbashing?) Das ist auch so ein Virus mittlerweile, glaube ich. Begonnen hat damit der Herr Bundes­kanzler, und mich wundert es, dass Sie jetzt auch damit begonnen haben, Herr Innen­minister. Wenn ich mit Ihnen im Ausschuss diskutiere, bei Budgetverhandlungen, sind Sie ein anderer Mensch. Dann schaue ich mir Ihre Pressekonferenzen an und höre, Sie sprechen von Glutnestern, die Sie löschen wollen, Sie sprechen von der Polizei als neuer Flex, die die Infektionsketten trennt. Das sind nicht Sie – oder doch? (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Wieso lassen Sie sich mit solchen Ausdrücken von irgendwelchen Beratern instrumenta­lisieren? Ich habe aber einen Verdacht. Irgendjemand hat gesagt: Der Blümel derhebt das allein in Wien nicht, jetzt musst du ausrücken, sei so gut und sag: Wien hat ein Problem! (Heiterkeit und Beifall bei SPÖ und NEOS.)

Und was macht der Gerstl? – Der kommt heraus mit einem Plakat: Und der Kaiser hat gesagt! (Heiterkeit bei SPÖ und NEOS.) – Kein Mensch hat gesehen, was Kaiser gesagt hat, das Plakat war ja überhaupt unmöglich – aber gut. (Heiterkeit und Beifall bei SPÖ und NEOS.)

Herr Kollege Mahrer, ich bin seit sieben Jahren im Parlament. Das ist nicht wirklich lang, aber glauben Sie mir, jedes Jahr höre ich von jedem Sicherheitssprecher der ÖVP, von den Koalitionspartnern, von den zuständigen Innenministern: Wir werden 1 500 Polizis­ten mehr haben! 2 000! Wer bietet mehr? Jetzt haben wir schon 4 000 Planstellen mehr – und wir haben sie noch immer nicht! Wir haben nicht einmal noch die ersten 1 500! (Beifall bei SPÖ und NEOS.)


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Herr Kollege Bürstmayr, Sie dürften meine Rede nicht gehört haben, weil Sie der Mei­nung waren, es hat sich überhaupt niemand bei den eineinhalb Millionen Fremden, Mi­granten, die in unserem Land leben, bedankt. Das habe ich sehr wohl! Ich habe Respekt für diese verlangt und gesagt, dass diese Menschen, die in unserem Land leben, auch unser System erhalten und systemrelevant sind. Sie haben in Ihrer Rede kein Wort über das Innenministerium oder über das Budget verloren, oder habe ich das überhört?

Herr Innenminister, die Bemühungen und Hilfeleistungen unserer Polizei in Griechen­land unterstütze ich voll. Das muss sein. Das hätte aber auch sein müssen, Herr Innen­minister, als der Premierminister Tsipras geheißen hat. Das war nämlich ein sozialisti­scher Premierminister. Der hatte damals keine Hilfe, weder vom damaligen Außenminis­ter Kurz noch vom Innenminister der ÖVP. Den hat man im Stich gelassen! Und die Zustände, die jetzt auf den Inseln herrschen, hat es auch vor drei, vier Jahren gegeben. Da war aber der Premierminister sozialistisch. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Jetzt ist ein Parteifreund von Ihnen Premierminister – und wir rücken aus! Ich bin aber wirklich froh, dass wir das mit unseren Polizisten tun.

Sie haben auch schöne Geschichten von Cobra-Beamten erzählt, die an der Grenze gesagt haben – das war wirklich berührend, hat mich auch berührt, falls das jemand nicht gehört hat; die meisten haben es natürlich nicht gehört - - (Abg. Michael Hammer: Wie war die Gschicht wirklich?) Dass der türkische Grenzbeamte zu unseren Cobra-Beamten gesagt hat - - (Abg. Michael Hammer: Wie war die Gschicht jetzt?) Die Geschichte war die: Was machen Sie hier, das ist ja nicht Ihr Land? – Ich kenne die Geschichte! (Abg. Michael Hammer: Na, wie war die Gschicht?) Und unser Cobra-Beamter hat gesagt: Hier ist auch Österreich! – Das war sehr berührend, und das ist auch gut so. Ob dort auch Österreich ist, sollte aber nicht daran liegen, wer Premier in diesem Land ist. Ich rechne auch mit Ihrer Unterstützung, wenn es ein sozialistischer Premierminister ist. (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

23.19


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich danke für den Redebeitrag; der kann auch zu später Stunde noch humorvoll sein.

Als Letzter am heutigen Tag zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Stocker – vielleicht auch noch eine humorvolle Einlage zum Schluss, damit Sie mit gutem Gefühl schlafen ge­hen. – Bitte. (Allgemeine Heiterkeit.)


23.19.26

Abgeordneter Dr. Christian Stocker (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen im Hohen Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist jetzt viel über das Sicherheitsbedürfnis der Bevöl­kerung und auch über die Unwägbarkeiten der Budgeterstellung gesprochen worden. Ich glaube, wir alle sind uns einig, dass sich diese Unwägbarkeiten niemand gewünscht hat, insbesondere auch nicht der Innenminister, und man muss halt mit dem arbeiten, was vorhanden ist.

Eines ist schon bemerkenswert und auch festzuhalten: Trotz aller budgetären Unwäg­barkeiten wird bei der Personaloffensive ganz klar nicht gespart und die Anzahl der Planstellen wird erhöht. Auch wenn es meine Vorrednerin nicht glaubt: Für 2020 ist eine Erhöhung um 1 191 Planstellen vorgesehen und bis 2023 kommen zusätzliche 1 136 Planstellen. Das bedeutet, dass die Präsenz der Polizei erhöht wird, und das wirkt sich natürlich unmittelbar auf das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung aus. (Abg. Loa­cker: ... Gefühlspolitik! So viel Gefühl!)

Wenn wir uns die Statistik ansehen, sehen wir, dass das Wirkungsziel Sicherheit über­erfüllt ist, Herr Kollege Loacker. Wir haben einen sehr hohen Zielwert von 90 Prozent der Bevölkerung angenommen, die angeben, sich „sehr sicher“ und „eher sicher“ zu


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fühlen. Dabei erreichen wir 93 Prozent und haben als Zielwert für die nächste Zeit 95 Prozent vorgesehen.

Zum Abschluss, meine Damen und Herren, sei eines noch bemerkt: Für mich ist es er­staunlich, dass der Wiener Wahlkampf, der von Ihnen, sehr geehrter Herr Kollege Ein­wallner, in dieses Haus getragen wurde, beklagt wird und als Wienbashing bezeichnet wird (Zwischenruf des Abg. Kollross) und dass Sie sich Sorgen über unseren In­nenminister und vor allem um die Funktionen, die er vor seiner Ministertätigkeit wahrge­nommen hat, machen.

Die Älteren in Ihrer Fraktion werden sich an Innenminister Blecha erinnern. Fragen Sie einmal, was der vorher war! Manche werden sich auch noch erinnern, dass Ihre Partei einst so stolz war, einen Zentralsekretär gehabt zu haben. Es ist halt auch so, dass sich der Bundeskanzler den Innenminister aussucht und nicht die Opposition, und er hat sich einen hervorragenden Innenminister ausgesucht. (Beifall bei der ÖVP.)

23.21


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Es liegt mir dazu keine Wortmeldung mehr vor. Die Beratungen zu diesem Themenbereich sind somit beendet.

Ich danke dem Innenminister für seine Anwesenheit und seine Ausführungen.

Ich unterbreche die Sitzung bis morgen, Mittwoch, um 9 Uhr. Die Verhandlungen werden mit den Untergliederungen 34, 41 und 43 fortgesetzt.

Die Sitzung ist unterbrochen.

23.22.13*****

(Die Sitzung wird am Dienstag, dem 26. Mai 2020, um 23.22 Uhr unterbrochen und am Mittwoch, dem 27. Mai 2020, um 9.05 Uhr wieder aufgenommen.)

*****


 


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 306

09.05.10Fortsetzung der Sitzung: 9.05 Uhr

09.05.11


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Meine sehr geehrten Damen und Herren Abge­ordnete! Ich darf Sie und die Medienvertreter sowie unsere Zuseherinnen und Zuseher zu Hause vor den Fernsehgeräten herzlich willkommen heißen! Ich nehme die 32. Sit­zung des Nationalrates, die ich gestern Abend unterbrochen habe, wieder auf.

Für den heutigen Sitzungstag als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Kira Grün­berg und Josef Muchitsch.

*****

Ich gebe bekannt, dass ORF 2 die Sitzung bis 13 Uhr live überträgt. ORF III wird die Sitzung bis 19.15 Uhr übertragen, anschließend wird sie in der TVthek kommentiert übertragen.

Redezeitbeschränkung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die Tagesblockredezeit für den heutigen Tag von 9 „Wiener Stunden“ sowie auch die Gliederung der heutigen Beratungen sind Ihnen bekannt.

Wir setzen die Budgetberatungen fort.

09.06.03UG 34: Innovation und Technologie (Forschung)

UG 41: Mobilität

UG 43: Klima, Umwelt und Energie


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir beginnen mit den Untergliederungen 34, Innovation und Technologie, 41, Mobilität, sowie 43, Klima, Umwelt und Energie. Hier­über findet eine gemeinsame Debatte statt.

Ich begrüße herzlich die Frau Bundesministerin und den Herrn Staatssekretär!

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Stöger, dem ich das Wort erteile. – Bitte.


9.06.25

Abgeordneter Alois Stöger, diplômé (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bun­desministerin! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehr­ten Damen und Herren hier im Saal und zu Hause! Wenn wir über Mobilität reden, dann teile ich grundsätzlich die Zielsetzungen, die in diesem Budgetkapitel beschrieben wor­den sind. Es geht darum, den Verkehr umweltfreundlicher zu machen, das heißt, Inves­titionen in den öffentlichen Verkehr massiv zu stärken. Es geht darum, den Güterverkehr von der Straße auf die Schiene zu bringen; selbiges gilt auch für den Personenverkehr, insbesondere ist das aber im Bereich des Güterverkehrs wichtig. Dahin gehend haben wir uns von den Grünen einiges erwartet, wir haben uns einiges bei den Ansagen der Regierung und daher von diesem Budget erwartet, denn man muss beginnen, das, was man sagt, auch im Budget abzubilden. Genau da fehlt mir ein bisschen die Ambition.

Ich frage ganz konkret: Welcher Ausbau der Schiene ist in diesem Budget abgebildet? Was ist in diesem Plan beinhaltet, was nicht schon im Programm von Bundesminister Leichtfried enthalten war?

Ich stelle gleich die nächste Frage: Wie können wir für unseren Dienstleistungsanbieter, die Österreichischen Bundesbahnen – ich bedanke mich bei allen Mitarbeiterinnen und


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 307

Mitarbeitern, die auch jetzt während der Krise für uns den Verkehr aufrechterhalten ha­ben –, sicherstellen, dass durch ein Vorbelastungsgesetz ein Rahmenplan von 2020 bis 2025 erarbeitet und auch finanziell abgesichert wird? Wann kommt dieses Gesetz?

Kommen wir zu einem weiteren Punkt: Wir sind von der Covid-Krise betroffen, und ge­rade bei diesem Kapitel besteht die Möglichkeit, etwas für die Konjunktur zu tun. Meine Frage ist: Wo sehe ich das? Unter welcher Budgetposition ist etwas für mehr Busse beinhaltet? Wie können wir den Takt im Busverkehr verdichten? Die Ansage war: Jeder Ort soll pro Stunde einmal erreicht werden. Wie ist das in diesem Budget abgebildet? (Beifall bei der SPÖ.) Wann kommt eine höhere Frequenz? Wann kommt ein Ausbau gerade in diesem Bereich? Nett formuliert: Wo ist die Nahverkehrsmilliarde?

Ich hätte noch eine Frage: Wie geht man mit der Vollelektrifizierung der Eisenbahn um? Dafür sehe ich im Budget zu wenig.

Noch eine aus meiner Sicht wichtige Frage: Wo haben Sie die Sicherung der Arbeits­plätze in der österreichischen Luftfahrt abgebildet? Wo sieht man das in diesem Budget?

Vielleicht abschließend noch eine Bitte und Frage zur Mobilität: An der Mobilität erken­nen die Menschen ihre Freiheit, und ich frage Sie: Was werden Sie tun, damit Menschen im heurigen Sommer grenzüberschreitend Urlaub machen können und so ihre Mobilität und auch ihre Urlaubsmobilität leben können? (Beifall bei der SPÖ.)

9.10


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Lukas Ham­mer. – Bitte.


9.10.41

Abgeordneter Lukas Hammer (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Frau Mi­nisterin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Guten Mor­gen! Da ich gestern schon über das Klimabudget geredet habe, möchte ich mich heute auf die Budgetmittel für den Radverkehr konzentrieren, hinsichtlich derer es ja sowohl im Umweltbudget als auch im Verkehrsbudget wirklich einen Quantensprung, eine Ver­zehnfachung der Mittel gibt.

Etwa die Hälfte aller Autofahrten in Österreich, ob zum Einkaufen, ob man die Kinder in den Kindergarten oder in die Schule führt oder ob man in die Arbeit fährt, sind so kurz, dass sie auch mit dem Rad zurückgelegt werden könnten. Der VCÖ hat vorgerechnet, dass fast die Hälfte aller Autofahrten kürzer als 5 Kilometer sind, und wir müssen uns jetzt die Frage stellen, warum die Leute lieber ins Auto steigen als das Rad zu nehmen. (Zwischenruf des Abg. Deimek.) Die Antwort in vielen Fällen ist: weil die Leute Angst haben, weil es keine sicheren Radwege gibt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordne­ten der ÖVP.)

Wenn wir also wollen, dass nicht nur die Mutigen mit dem Rad fahren, sondern auch Familien und Kinder, und das auf ihren alltäglichen Wegen, dann müssen wir nicht nur radfahrfreundliche Gesetze machen, sondern wir müssen auch in sichere Radwege in­vestieren. Im Regierungsprogramm haben wir uns vorgenommen, den Radverkehrsan­teil zu verdoppeln. Wir wollen, dass in den nächsten Jahren mehr als doppelt so viele Menschen das Rad nehmen, auf ihren alltäglichen Wegen und nicht einfach nur zum Heurigen oder entlang der Donau – das ist auch schön, aber es geht wirklich um die täglichen Wege. Das fällt nicht vom Himmel.

Ich habe einige Zeit in Brüssel gelebt und bin vor zehn Jahren nach Wien zurückge­kommen. Damals sind wirklich nur wenige mit dem Rad gefahren. Jetzt hat sich der Radverkehrsanteil in Brüssel verdoppelt, und das nicht, weil die Leute draufgekommen sind, dass es doch so nett ist, mit dem Rad zu fahren, sondern weil für Radfahrende Platz geschaffen und in Radwege investiert wurde. (Beifall bei den Grünen und bei Ab­geordneten der ÖVP.)


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Die Vorteile des Radverkehrs sind bekannt. Gerade jetzt hat der Radverkehr einfach einen mehrfachen Nutzen, auch für das Gesundheitssystem. Radfahren an sich ist ge­sund. Es bringt weniger schwere Unfälle, weil einfach auch weniger Autos unterwegs sind. Auch jetzt in der Coronakrise haben wir gesehen, dass viele Menschen auf das Rad umgestiegen sind, viele Menschen haben sich neue Räder gekauft. Das Radfahren ist auch dazu geeignet, zum Beispiel die Öffis in den Städten an den Tagesrandzeiten zu entlasten und volle Busse oder U-Bahnen zu vermeiden. Das Radfahren – ich brauche es hier nicht zu erwähnen – hat natürlich auch einen enormen Nutzen für den Klimaschutz.

Wir brauchen also mehr Radwege, mehr sichere Radwege. Welche Zutaten braucht es dafür? – Es braucht zuerst einmal eine Finanzierung – über diese reden wir heute –, und es braucht den politischen Willen. Bei der Finanzierung hat sich der Bund, würde ich jetzt einmal sagen, in den letzten Jahren, egal ob das blaue oder rote Verkehrsminister waren, vornehm zurückgehalten, um das mal höflich auszudrücken. Das ändert sich jetzt, und es ändert sich massiv. Dieses Budget sieht vor, dass die Förderung für aktive Mobilität, also Radfahren und Zufußgehen, verzehnfacht wird. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Beim politischen Willen für den Bau von Radwegen und Radinfrastruktur hoffe ich bei manchen noch auf Einsicht. In Wien oder auch in anderen Städten Österreichs ist es so: Jedes Mal, wenn ein Radweg errichtet wird, wird irgendwie der automobile Notstand ausgerufen und der Weltuntergang mit kilometerlangen Staus herbeigeredet, die dann eh nicht stattfinden, und man hat irgendwie immer das Gefühl, man will eine Giftmüll­deponie in der Stadt errichten und nicht nur ein paar Meter Radweg.

In anderen Städten sehen wir, dass sozusagen der generelle Diskurs da schon we­sentlich weiter ist, auch unter sozialdemokratischen Bürgermeistern. Das würde ich mir in Wien auch manchmal wünschen. Paris zum Beispiel hat während der Coronazeit 650 Kilometer neue Radwege gebaut. Brüssel, Paris, Bogotá, New York: Überall entste­hen neue Radwege und wir sehen es. Die ÖkonomInnen unter Ihnen kennen das: Das Angebot schafft bei Radwegen die Nachfrage.

Ich würde mir wünschen, dass wir in Österreich den Radverkehr sozusagen auf eine neue Ebene heben, auch die Bedeutung des Rads als Verkehrsmittel und nicht nur als Freizeit- oder Sportmittel wirklich wahrnehmen und den öffentlichen Raum zugunsten von Radfahrenden und Zufußgehenden neu verteilen. Ich hoffe, dass wir in Zukunft alle gemeinsam im Bund, aber auch in den Ländern und in den Städten, am Land, in den Gemeinden daran arbeiten können. Die notwendigen Budgetmittel dafür haben wir jetzt jedenfalls. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

9.16


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Deimek. – Bitte.


9.16.20

Abgeordneter Dipl.-Ing. Gerhard Deimek (FPÖ): Schönen guten Morgen, Herr Prä­sident! Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir noch einen Satz zu meinem Vorredner: Lieber Kollege Hammer, ich bezweifle, dass die Pendler, die aus dem Burgenland nach Wien, aus dem Waldviertel nach Wien, aus dem Mühlviertel nach Linz und aus dem Salzkammergut nach Wels pendeln, sich jetzt freuen, wenn statt der Nahverkehrsmilliarde, mit der die Schiene hätte ausgebaut werden sollen, jetzt die Radwege, aber nur um 300 Millionen Euro, nicht mehr um die Milliarde, sondern um 300 Millionen Euro ausgebaut werden. Ich glaube nicht, dass Pendler mit dem Fahrrad 50 Kilometer pro Strecke zurücklegen werden, nur weil sich die Grünen das so vorstellen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 309

Ich möchte mich in meinem heutigen Redebeitrag der Forschungsförderung widmen und beginne mit einem Zitat: Ein Forschungsförderungsgesetz bringt Verlässlichkeit und stärkt Vertrauen – Zitatende –; Johannes Hahn, 2009. – Seither dürfte einiges von die­sem Wissen des Herrn Hahn verloren gegangen sein. In den letzten Jahren gab es das Ziel einer F&E-Quote von 3,76 Prozent des BIPs, davon ein Drittel durch die öffentliche Hand finanziert. Wir waren in den letzten Jahren sehr gut in diese Richtung unterwegs. Es gab von 2005 bis 2019 eine Verdoppelung der F&E‑Ausgaben, und die Quote wurde von 2,3 Prozent auf etwas über 3 Prozent, auf 3,19 Prozent, erhöht.

So, und jetzt ereignete sich die Coronakrise mit all diesen Zeichen, die uns bewusst machen sollen, was für Österreich wichtig ist. Der Tourismus ist am Boden gelegen, weil wir es verboten haben. Die Industrie hat gearbeitet, und sie kann nur dort arbeiten und gut produzieren, wo sie neue Produkte, gute neue Produkte, die besser sind als die der Mitbewerber, auf den Markt bringen kann. Dazu braucht sie Forschung und Entwick­lung – eine Produktentwicklung, die diesen Namen auch verdient –, und die kostet na­türlich Geld. Dabei soll der Staat die Wirtschaft und die Industrie unterstützen. Wenn man das aber immer wieder nur in Sonntagsreden betont, wenn man nur in Sonntags­reden sagt, wie wichtig die Industrie ist, wenn man die Vertreter der Industrie auch hier ins Parlament hereinholt, aber die Politik dann eine ganz andere ist, wenn man die öf­fentlichen Gelder zurückschraubt, dann muss man sich wundern: Was ist eigentlich los in dieser Republik?!

Konkret war unter Minister Hofer ein Forschungsförderungsgesetz mit einem konkreten Pfad ausverhandelt. In der Übergangszeit mit Minister Reichhardt waren alle Parteien dafür. Lustigerweise hat die Vertreterin der ÖVP, Kollegin Niss-Mitterbauer, all das wider ihr besseres Wissen abgedreht, aber einfach nur aus einem parteitaktischen Grund, da unser lieber Herr Bundeskanzler nicht den Segen verkünden konnte – und das ist das Schändliche, liebe ÖVP! (Beifall bei der FPÖ.) Ihr wisst genau, was die Wirtschaft, was die Industrie braucht, und ihr handelt immer genau dann dagegen, wenn ihr nicht selber die Perlen und die Lorbeeren einfahren könnt. Das ist schändlich, das ist mies und das ist für die Industrie absolut nicht zu vertreten.

Ich fordere Sie daher noch einmal auf und bringe dazu auch einen Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen betreffend „For­schungsfinanzierungsgesetz mit Wachstumspfad jetzt!“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie werden aufgefordert, dem Nationalrat bis 17. Juni 2020 eine Regierungsvorlage betreffend ein Forschungsfinanzierungsgesetz mit einer langfristigen, wachstumsorientierten Finanzierung von Forschung, Technologie und Innovation zuzuleiten.“

*****

Sie können einmal zeigen, dass Sie auch nach Ihrem Gewissen und nach Ihrem Wissen und nicht aus Parteitaktik handeln. (Beifall bei der FPÖ.)

9.20

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 310

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Dipl.-Ing. Gerhard Deimek

und weiterer Abgeordneter

betreffend Forschungsfinanzierungsgesetz mit Wachstumspfad jetzt!

eingebracht in der 32. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 27. Mai 2020 im Zuge der Debatte zu TOP 6, Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (56 und Zu 56 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzrahmengesetz 2020 bis 2023 erlassen wird – BFRG 2020-2023 (182 d.B.) – UG 34

„Forschungsfinanzierungsgesetz bringt Verlässlichkeit und stärkt Vertrauen - Menschen haben Vertrauen in F&E als Wege aus der Krise“, erkannt bereits 2009 der damalige Forschungsminister Johannes Hahn. Seit über zehn Jahren scheiterte jedoch so ein Gesetz stets an den ÖVP-Finanzministern. So blockierte auch 2019 die ÖVP ein fertiges, unter Federführung des damals zuständingen Ministers Norbert Hofer ausverhandeltes, Gesetz. In den Erläuterungen war zu lesen:

Investitionen in Forschung, Technologie und Innovation sind wesentliche Faktoren für die Sicherung des Wohlstandes und die wirtschaftliche Entwicklung Österreichs. Es ist das Ziel der Bundesregierung eine F&E Quote von 3,76 Prozent des Bruttoinlandspro­dukts zu erreichen, wovon 33 Prozent (womöglich 30 Prozent) durch die öffentliche Hand (Bund, Länder und Gemeinden) finanziert werden soll. Im Jahr 2019 wurden von den österreichischen F&E-Ausgaben rd. 35 Prozent öffentlich finanziert, wobei insgesamt 29,78 Prozent auf den Bund entfielen. Im Zeitverlauf betrachtet befindet sich Österreich auf einem guten Weg. Von 2005 bis 2019 haben sich die Forschungsausgaben mehr als verdoppelt, die F&E-Quote konnte von 2,37 Prozent auf 3,19 Prozent gesteigert werden. In der EU 28 hat Österreich im Hinblick auf die Höhe der Forschungsausgaben in Rela­tion zum Bruttoinlandsprodukt hinter Schweden die zweithöchste F&E-Quote, weltweit die siebthöchste (Um in die Gruppe der europäischen und weltweiten Spitzenreiter, insbesondere auch in Bezug auf die Ergebnisse und Wirkungen von FTI (Outcome und Impact), vorzustoßen, bedarf es neben der Bereitstellung ausreichender Mittel auch ei­ner Erhöhung der Effizienz und Treffsicherheit dieses Mitteleinsatzes. Das Regierungs­programm 2017-2022 sah daher eine Gesamtforschungsstrategie mit einem Pakt für Forschung, Technologie und Innovation (FTI-Pakt) sowie die Optimierung der Gover­nance-Struktur vor, mit einem Forschungsfinanzierungsgesetz und der Erhöhung der Forschungsausgaben des Bundes als Kernelement. Mit dem Vortrag an den Minister­rat 25/63 wurde die Ausarbeitung eines Entwurfs für ein Forschungsfinanzierungsgesetz (FoFinaG) eingeleitet.

Im aktuellen Regierungsprogramm fand das Gesetzesvorhaben wieder Aufnahme:

Beschluss des Forschungsfinanzierungsgesetzes: Aufbauend auf die FTI-Strategie soll ein Wachstumspfad beschlossen werden, der Forschungsförderung und der außeruni­versitären Forschung mehrjährige Finanzierungs- und Planungssicherheit gibt. Gleich­zeitig werden die Steuerung und das Finanzierungssystem der Einrichtungen vereinheit­licht und vereinfacht.

Eine budgetäre Bedeckung gibt es aber weder im Budget 2020 noch im Bundesfinanz­rahmen 2020-23.

Daher stellen die unterzeichnenden Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 311

„Die Bundesregierung und insbesondere die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie werden aufgefordert, dem Nationalrat bis 17. Juni 2020 eine Regierungsvorlage betreffend ein Forschungsfinanzierungsgesetz mit einer langfristigen, wachstumsorientierten Finanzierung von Forschung, Technologie und Innovation zuzuleiten.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Ottenschläger. – Bitte.


9.20.54

Abgeordneter Andreas Ottenschläger (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bun­desministerin! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Da­men und Herren! Ja, wir diskutieren jetzt unter anderem das Kapitel Mobilität, und das ist natürlich ein sehr wesentliches Kapitel.

Im Prinzip sind die meisten Zielsetzungen des Regierungsprogrammes schon in diesem Budget abgebildet, und aus meiner Sicht gibt es im Moment einmal drei wesentliche Ziele. Das erste ist: Wir sichern die Mobilität für alle Menschen in unserem Land und versuchen, Schritt für Schritt das Angebot weiter zu attraktivieren.

Das zweite Ziel ist ganz wesentlich in der aktuellen Situation: Durch diese Investitionen liefern wir Konjunktur- und Beschäftigungsimpulse für die heimischen Unternehmen.

Drittens: Wir setzen wichtige Maßnahmen in Richtung Ökologisierung des Verkehrs in Österreich. Das zeigt ja, dass sich auch die These, Ökonomie und Ökologie im Einklang weiterzuentwickeln, da wiederfindet. Denke ich zum Beispiel an die Investitionen in den Bahn- und Bahninfrastrukturausbau, so hat das eben auch unmittelbare, positive Auswir­kungen auf die heimischen Betriebe.

Es gibt auch ein Paket, das die Frau Bundesministerin verhandelt hat, bei dem jetzt einige Projekte vorgezogen werden, die eben in dieser Situation dazu dienen sollen, vor allem Klein- und Mittelbetriebe in Österreich zu stärken und damit Arbeitsplätze entspre­chend zu sichern.

Ich habe es schon erwähnt, großes Augenmerk legen wir natürlich auf den weiteren Ausbau des öffentlichen Verkehrs in der Stadt und auf dem Land. Wir wollen da keine Zweiklassengesellschaft, sondern wirklich alles, was möglich ist, attraktivieren. Dazu gibt es sehr gute Programme, die sich auch in diesem Budget aus den Ziffern und Zahlen herauslesen lassen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Darüber hinaus ist es uns natürlich nach wie vor ein Anliegen, einen Beitrag dazu zu leisten, mehr Gütertransport von der Straße auf die Schiene zu bringen. Österreich ist da nach wie vor durchaus ein Vorreiterland, auch dank der Maßnahmen einiger Ihrer Vorgänger, aber natürlich werden wir versuchen, in den kommenden Jahren diese Verla­gerung weiter zu forcieren. Das ist nicht immer ganz einfach, die Schiene ist nicht so flexibel wie die Straße, aber durch gezielte Maßnahmen, die sich auch im Budget wie­derfinden, durch Unterstützungen des Bundes und der Länder wird es uns gelingen, auch da den richtigen Kurs fortzusetzen.

Allein in die Schieneninfrastruktur wird jährlich ein Betrag von über 2,4 Milliarden Euro investiert – auch in den kommenden Jahren. Österreich ist auch da ein Vorreiterland in der Europäischen Union. Gerade auf der Weststrecke Wien–Linz–Salzburg – um das vielleicht ein bisschen symbolisch darzustellen – zeigt ein attraktives Angebot auf der Schiene mit der Bahn, dass die Nutzer dieses dann durchaus annehmen und zum Bei­spiel vom Auto dementsprechend auf die Bahn umsteigen. Das wollen wir zum Beispiel


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auch auf der Südstrecke weiter ausbauen, sodass auch dort gewährleistet ist, dass die­ser Umstieg nutzerfreundlich funktionieren kann.

Frau Bundesministerin, Herr Staatssekretär, zusammenfassend bedanke ich mich auch bei Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für diese Verhandlungen, für ein, glaube ich, auch in diesem Bereich sehr ausgewogenes Budget. Ich möchte jetzt die Zeit auch noch kurz nutzen, um mich bei allen Mitarbeitern im gesamten Verkehrssektor zu bedanken, die gerade in den letzten Monaten wirklich einen großen Beitrag dazu geleistet haben, dass unsere Versorgungssicherheit so ist, wie wir sie in den letzten Monaten erleben durften. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

9.25


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Bernhard. – Bitte.


9.25.48

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Herr Präsident! Guten Morgen, Frau Minis­terin! Guten Morgen, Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ge­schätzte Zuseherinnen und Zuseher! Ich möchte mich zum Umweltbudget, zur UG 43 zu Wort melden und mit einem Gedankenexperiment beginnen, damit Sie verstehen, aus welcher Perspektive ich auf das Umweltbudget ein Stück weit schaue.

Stellen Sie sich vor, wir würden über die Finanzierung unserer Schulen sprechen und akzeptieren, dass jedes zweite Kind einen Platz in der Schule bekommt, oder stellen Sie sich vor, wir würden über die Gesundheitspolitik sprechen und jeder dritte Patient be­kommt ein Bett im Krankenhaus, wenn er es braucht! So betrachten wir im Moment die Umweltpolitik. Wir akzeptieren, dass unser politisches Handeln – und ich rede wirklich vom politischen Handeln – das Artensterben unterstützt, den Klimawandel nicht ausrei­chend bekämpft, und wir sagen: Das vorgelegte Budget macht es weniger schlimm als das letzte Budget und auch weniger schlimm als das vorletzte Budget.

In anderen Bereichen würden wir das gesellschaftlich nicht akzeptieren. Ich glaube auch, dass die Menschen in unserem Land das nicht akzeptieren wollen. Darf man den ent­sprechenden Umfragen Glauben schenken, dann gibt es in Österreich eine breite Mehr­heit dafür, dass wir den Wert unserer Natur, den Wert unserer Umwelt entsprechend achten und auch finanzieren und gegen den Klimawandel massiv und entschieden auf­treten.

Dieses Budget unterstützt aber nicht die Mehrheitsmeinung, sondern dieses Budget versucht, nur ein bisschen besser zu sein als das letzte Budget. Genau da vergibt man im doppelten Sinn eine Chance: Teilt die aus ÖVP und Grünen bestehende Regierung nicht diese Perspektive, dass der Ansatz der Politik sein muss, dass man nicht schä­digend wirkt, dass man unsere Natur, unsere Artenvielfalt entsprechend erhält oder auch wieder ausbaut und dem Klimawandel entschieden entgegentritt, dann gibt es noch eine zweite Chance, die damit vergeben wird, nämlich aus der bestehenden Wirtschafts- und Arbeitsmarktkrise einen Nutzen für die Menschen zu bringen.

Man muss sich einfach auch ganz konkrete Gedanken machen: Es wird die Wirtschafts­krise eine veränderte Landschaft hinterlassen, nämlich genau dort, wo vorher schon Wandel stattgefunden hat, dort, wo wir in unserem Energiesystem im Umbruch waren, dort, wo wir in unserem Verständnis von Mobilität im Umbruch waren, dort, wo wir im Umbruch betreffend die Frage von Kreislaufwirtschaft und vielen anderen Dingen waren. Es gibt keine vollständigen Zahlen, aber wenn wir uns dann Gedanken darüber machen, wie denn unsere Zukunft ausschaut und wie wir vielleicht beschleunigt in diese Zukunft kommen können, dann gibt es Themen auf dem Weg dorthin, die wir wirklich auch in Angriff nehmen können, beispielsweise ein vorgezogener Ausbau der Fotovoltaik. Da


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gibt es ganz konkrete Studien aus Deutschland, die von der WU auch für Österreich umgerechnet worden sind und die besagen, dass wir, wenn wir alleine im Fotovoltaik­bereich unsere Ziele früher erreichen, regional 200 000 neue Jobs schaffen.

Wir reden derzeit von einer Arbeitsmarktkrise bei 1,3 Millionen Menschen in Kurzarbeit und 530 000 Menschen in Arbeitslosigkeit, und wir vergeben mit diesem Budget die Chance, 200 000 neue Jobs zu schaffen; zumindest ist das der aktuelle Blick.

Geht man weiter und sagt, die Regierung hat beschlossen, sie möchte bis 2040 klima­neutral sein – das haben wir als NEOS unterstützt –, dann bedeutet das, dass man einen Pfad braucht, um alle Gebäude bis zum Jahr 2040, soweit es mit Denkmalschutz und allem Drumherum möglich ist, auch wirklich klimafit und klimaneutral zu machen. Das bedeutet, wir müssen die Rate bei thermischer Sanierung bedeutend erhöhen. Das finde ich in diesem Ausmaß aber nicht im Budget. Würde man das machen, würde das wieder Zigtausend Jobs im regionalen Bereich ermöglichen.

Ein dritter Bereich, der – und das muss man anerkennen – vonseiten der Regierung er­weitert worden ist, ist jener der Erneuerung von Heizungsanlagen, allen voran von Ölhei­zungen, aber nicht nur diese. Auch da werden viele regionale Jobs geschaffen. Warum ist dieser Bereich so besonders wichtig? – Weil er nicht ausschließlich über staatliche Zuwendungen funktioniert, sondern weil man mit jeder politischen Maßnahme, die wir treffen, einen Hebel hat, um private Investitionen zu ermöglichen. Das heißt, ein kleiner Einsatz von Steuermitteln erhöht tatsächlich den Bereich, den wir auf unserer Ebene haben.

Wenn wir jetzt aber wieder in den Umweltbereich zurückgehen und betreffend Mobilität und Kreislaufwirtschaft auch breiter denken, dann kommen wir sofort zu einem zweiten Thema: Schaffen wir diese Jobs der Zukunft! Hätten wir also nicht so ein Budget, das akzeptiert, dass wir weiter unsere Umwelt, unsere Natur schädigen, dann gäbe es nicht jene Menschen – die wir eigentlich brauchen –, die diese Jobs annehmen müssten. Es bräuchte demnach – und das wäre aus meiner Sicht auch eine Chance in der jetzigen Krise – eine Qualifizierungsoffensive. Es gibt viele arbeitslose Menschen – und ich ken­ne auch ganz persönlich Menschen, die derzeit durch die Krise von Arbeitslosigkeit be­troffen sind –, die eine Qualifizierungsoffensive dankbar annehmen würden, die jetzt bei­spielsweise Nachrichtentechniker sind und zu einem Installateur für Fotovoltaikanlagen ausgebildet werden könnten. Da gibt es ein tolles Zukunftsfeld, und genau da könnte man jetzt in der Krise entsprechend entgegenwirken.

Aus der Perspektive des Umweltschutzes braucht es Investitionen in die Zukunft, und die fehlen in diesem Budget. Ich erwarte mir, dass im nächsten Budget in Bezug darauf etwas anderes vorgelegt wird. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

9.31


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesministerin Ge­wessler. – Bitte.


9.32.01

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Abgeord­nete! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Die letzten Monate waren und sind nach wie vor eine herausfordernde Zeit. Sie haben von uns allen viel gefordert, und sie haben gerade auch von Ihnen im Hohen Haus sehr viel gefordert. Sie haben uns aber auch vor Augen geführt, was Krise bedeutet, wie sich Krise anfühlt. Die Coronakrise bekommen wir mit Durchhaltevermögen, mit Konsequenz, mit der Wissenschaft und hoffentlich auch bald mit einer Impfung in den Griff. Die Klimakrise, meine sehr verehrten Damen und Herren, steht uns erst bevor, und wenn die Klimakrise einmal da ist, dann wird der Krisenzustand zum Dauerzustand. Gegen die Klimakrise gibt es auch keine Impfung.


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Daher ist es umso wichtiger, dass wir jetzt rasch die Weichen Richtung Klimaschutz stellen. Dieses Regierungsprogramm hat ein sehr ambitioniertes Ziel vorgegeben: Kli­maneutralität bis 2040. Es ist ein Ziel, an dem wir vor der Coronakrise, während der Coronakrise und – ja – auch am Weg aus der Coronakrise mit hoher Intensität arbeiten – darauf komme ich noch zurück –, denn mit dem Klimaschutzbudget 2020, dem Budget, das jetzt vorliegt, machen wir einen ersten Schritt, stellen wir erste wichtige Weichen. Was bedeutet dieses Budget? – Mehr Geld in die erneuerbaren Energien, mehr Geld für die aktive Mobilität, mehr Geld für den öffentlichen Verkehr, mehr Geld für klimafreund­liche Heizungen. Ja, mit diesem Budget investieren wir in unsere Zukunft. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Ich möchte all jenen recht geben, die in ihren Redebeiträgen betont haben, wie wichtig es ist, dass man genau jetzt in den Klimaschutz investiert. Ich bin überzeugt davon, Klimaschutz ist das beste Konjunkturprogramm und gerade auch deswegen eine tra­genden Säule der Pakete, die wir jetzt entwickeln.

Warum? – Klimaschutz bedeutet lokale Wertschöpfung. Klimaschutz schafft Arbeitsplät­ze, schafft Arbeitsplätze in der Region und schafft zukunftsfähige Arbeitsplätze. Viele Menschen in Österreich haben derzeit Sorgen, sind in Kurzarbeit, sind arbeitslos, haben aus anderen Gründen Einbußen bei ihrem persönlichen Einkommen erleben müssen. Es ist Aufgabe der Politik, dass wir diesen Menschen Sicherheit geben – und auch das erreichen wir mit Klimaschutz, denn da ist die doppelte Dividende. Wenn wir die Bahn­infrastruktur ausbauen, gehen 80 Prozent der Investitionen in österreichische Klein- und Mittelbetriebe. Die Fotovoltaikanlage montiert ein Elektriker aus der Region. Die Heizung tauscht die Installateurin aus dem Ort. Das sind zukunftsfähige Jobs, das ist ganz genau das, was wir brauchen, nämlich die doppelte Dividende aus einer stabilen Wirtschaft mit sicheren Arbeitsplätzen und einer guten Zukunft. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie der Abg. Oberrauner.)

Dafür werden wir weiter Geld in die Hand nehmen. Dafür werden wir auch weiter an Konjunkturpaketen arbeiten. Ich möchte mich an dieser Stelle auch ganz herzlich bei den Umwelt- und KlimasprecherInnen bedanken, die gestern einer Einladung gefolgt sind, um auch Ideen und Vorschläge für diese zukünftigen, noch zu erarbeitenden und weiterzuentwickelnden Konjunkturpakte einzubringen.

Ich möchte trotzdem auf das aktuelle Budget zurückkommen und kurz noch einmal ein paar der tragenden Säulen und der Schwerpunkte dieses Budgets hervorstreichen.

Die Mobilität, UG 41: 2,4 Milliarden Euro gehen in die Schieneninfrastruktur der Zukunft, damit wir alle noch besser, noch klimafreundlicher mobil sein können. Das ist meines Wissens der höchste Betrag an Infrastrukturinvestitionen, der sich in einem österreichi­schen Budget gefunden hat.

Weitere 847 Millionen Euro – 91 Millionen mehr als im letzten Jahr – fließen in das Vor­haben, das Angebot im öffentlichen Verkehr zu stärken, damit in Zukunft mehr Züge fahren, und zwar nicht nur sozusagen in den Ballungsräumen, sondern in ganz Öster­reich. Wir investieren in die Privatbahnen und in die Stadtregionalbahnen. Ich darf Sie beruhigen, da steigt das Budget deutlich an. Es gab 2019 im Budget 33 Millionen Euro für die Privatbahnen. Das steigt jetzt perspektivisch auf 36 beziehungsweise 70 Millionen Euro im Jahr 2021; und wir wollen jetzt mit einem Konjunkturpaket da noch einmal eine deutliche Steigerung in den nächsten Jahren hinkriegen. Das ist genau diese Schwer­punktsetzung, die wir brauchen und die sich in diesem Budget und perspektivisch auch in den Konjunkturpaketen abbildet. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Wir verstärken mit dem Budget aber nicht nur den öffentlichen Verkehr, wir verstärken auch die Anstrengungen im Bereich E-Mobilität, bei den E-Autos, bei der Ladeinfrastruk­tur, genauso bei Lastenrädern mit E-Antrieb. Auch mich erfreut, dass wir erstmals explizit


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die aktive Mobilität in diesem Budget abbilden. Es ist erwähnt worden: Es ist nicht nur eine klimafreundliche Fortbewegungsart, es ist auch eine gesundheitsfördernde Fortbe­wegungsart – nicht nur in Coronazeiten, aber gerade auch in Coronazeiten, in denen die aktive Mobilität auch dazu beiträgt, die öffentlichen Verkehrsmittel zu entlasten.

Nicht nur in der Stadt, sondern auch am Land ist Radfahren eine Fortbewegungsart der Zukunft. Alle Bundesländer haben sich ambitionierte Verlagerungsziele von der Indivi­dualmobilität auf die aktive Mobilität gesetzt, es geht also um deutliche Anteilssteige­rungen. Wir legen mit diesem Budget den Grundstock, dass wir auch wieder in Richtung Radweginfrastrukturausbau gehen können – im Übrigen eine der kostengünstigsten, effizientesten und betreffend Schaffen von Arbeitsplätzen intensivsten Maßnahmen, die gerade jetzt in diesem Konjunkturprogramm wichtig sind.

Vieles ist auch schon gesagt worden: Der Schienengüterverkehr ist ein weiterer wichtiger Schwerpunkt in diesem Bereich. Auch da steigen die Mittel deutlich. Die Anschlussbahn­förderung bleibt; die Verlagerung auf die Schiene ist gerade auch im Güterverkehr ein wichtiges politisches Ziel.

Was mich natürlich auch freut: Auch die Mittel für den U-Bahn-Ausbau in Wien sind in diesem Budget weiter gesichert.

All das sind wichtige Schritte für das Mobilitätssystem der Zukunft. Bequem, leistbar, klimafreundlich – daran werden wir natürlich weiterarbeiten. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich möchte ganz kurz auf die UG 43 eingehen: Klima, Umwelt, Energie. Das Budget der UG 43 – das wird Ihnen nicht entgangen sein – steigt stark. Wir haben jetzt im Jahr 2020 eine deutliche Steigerung von über 200 Millionen Euro – auch perspektivisch. Der Bun­desfinanzrahmen im Klimaschutz wird erstmals seit Jahren wieder ausgeweitet. Das ist gut und wichtig so. Da finden sich nämlich ganz wichtige Schwerpunkte.

142,7 Millionen Euro sind für das Projekt Raus aus Öl und die thermische Sanierung veranschlagt, damit auch unsere Gebäude fit für den Kampf gegen den Klimawandel werden. Es wurde erwähnt: Das ist einer der ganz zentralen Faktoren im Klimaschutz. Diese Budgetierung ist mehr als eine Verdoppelung im Vergleich zum letzten Jahr. Die Umweltförderung im Inland steigt von 70 auf 90 Millionen Euro. Das sind Projekte, die viele weitere Investitionen auslösen. Die Projekte haben im Jahr 2019 rund 5 400 Ar­beitsplätze in Österreich geschaffen und gesichert.

Wir stocken die Mittel des Klimafonds auf – der Klimafonds ist eine zentrale Säule, eine zentrale Institution zur Umsetzung von Klimapolitik –, das ermöglicht einerseits einen stärkeren Fokus auf die Fotovoltaikförderung – auch das wurde schon angesprochen –, andererseits im Bereich der Forschungsvorhaben auch eine noch stärkere Anbindung an die Ziele, Vorhaben und Notwendigkeiten, die sich aus dem Regierungsprogramm ergeben.

Ich möchte natürlich auch noch ganz kurz auf die UG 34 eingehen – die Budgets von Innovation, Technologie und großer Teile der angewandten Forschung in Österreich lie­gen in meinem Ministerium –: Ich glaube, gerade während der Coronakrise haben wir gesehen, wie wichtig eine wissenschaftliche Basis für unsere Entscheidungsfindung ist. Was sie zur politischen Entscheidungsfindung beitragen kann, das werden wir auch im Kampf gegen die Klimakrise im Innovationsbereich, in der Expertise, in der Weiterent­wicklung brauchen, genau deshalb gibt es auch da zusätzliche Mittel. Der Bundesfinanz­rahmen, also die Auszahlungsobergrenzen bleiben über die Jahre stabil, aber wir setzen Schwerpunkte mit zusätzlichen Mitteln, insbesondere in zwei Ipcei-Projekten, nämlich Batterien und Mikroelektronik – beides Beiträge zur Energieeffizienz und zum Umbau unseres Energiesystems.


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Ich möchte zum Schluss kommen. Meine Damen und Herren, die Klimakrise ist die große Frage unserer Zeit. Die Klimakatastrophe steht bevor, wir spüren die Auswirkun­gen immer deutlicher. Wir haben gerade gestern den Klimastatusbericht veröffentlicht, erstmals auch mit Auswertungen für alle neun Bundesländer. Ich lade Sie wirklich ein, sich diese aufrüttelnden und auch bewegenden Daten einmal anzuschauen!

Wir sind in einem trockenen Frühling. Die Niederschlagsmengen liegen weit unter dem langjährigen Schnitt; gerade die Landwirtschaft spürt das sehr intensiv. Wir erleben immer mehr Starkwetterereignisse, Dürre, Starkregen und andere Extremwetterereig­nisse. Der Wasserpegel am Neusiedler See ist auf einem Rekordtiefstand. Wenn es so weitergeht, werden wir im Juli im Neusiedler See weder schwimmen noch mit irgend­welchen Segelbooten oder sonst etwas darauf unterwegs sein können.

Das heißt, ja, der Klimaschutz ist eine große Herausforderung, ist ein großer Auftrag. Mit diesem Budget machen wir den ersten Schritt, schaffen wir eine Trendwende. Ja, es braucht mehr – dafür werde ich auch all meine Energien und all meine Kraft in den nächsten Jahren einsetzen, denn wir haben noch viel vor. Dieses Budget stellt aber die richtigen Weichen: Wir gehen auf dem richtigen Weg, nämlich mit mehr Investitionen in den Klimaschutz, in eine gute Zukunft in Österreich. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie der Abg. Oberrauner.)

9.42


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Rössler. – Bitte.


9.43.08

Abgeordnete Dr. Astrid Rössler (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen und Zusehe­rinnen und Zuseher vor den Bildschirmen! Was sind die wichtigsten Ziele des Umwelt­budgets? – Vielleicht ist die Vorstellung immer, dass nur viel Geld viele gute Maßnahmen bewirkt. Beim Umweltbudget, so behaupte ich, ist es gemischt. Es ist nicht nur das Geld, es ist vor allem die Ambition und es sind die Rahmenbedingungen, die wir schaffen müssen, um den Umweltinteressen wieder etwas mehr Kraft zu verleihen. Da funktionie­ren die Wirkungsziele, wie sie im Umweltbudget formuliert sind, am besten, um den Blick zu schärfen, was denn die dringendsten Maßnahmen sind.

Innovative Umwelt- und Energietechnologien sind genannt worden. Da geht es unter anderem um die Förderung von guten Umweltstandards in der Produktion, diese aber auch in Verbindung mit den sozialen Standards. Das heißt aber auch möglichst nahe Produktion, Regionalität, das heißt geringe Transportdistanzen, womit auch ein Beitrag zum Klimaschutz geleistet wird. Produktion, Ressourcenverbrauch, Arbeitsbedingungen und Transport sind also einige wichtige Aspekte.

Zweiter Punkt: Wo sind denn die größten Hebel bei der Reduktion der Treibhausgas­emissionen? – Abgesehen von innovativen Technologien, abgesehen vom Umstieg auf erneuerbare Energien ist es natürlich die Effizienzsteigerung. Wir reden immer vom Aus­bau der Energieproduktion, wir müssen aber auch realisieren, dass eine Halbierung des Gesamtenergieverbrauchs bis 2040 das Ziel ist. Wir werden nicht alles schaffen, wenn wir immer nur in Ausbauszenarien denken, vor allem auch nicht ausschließlich mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien; wir müssen wesentlich effizienter werden.

Die wichtigsten Hebel im privaten Bereich sind die Mobilität, das Wohnen, aber auch die Ernährung. Das sind keine Dinge, die man kauft oder in die man investiert, da geht es natürlich um Rahmenbedingungen, um zu schauen, was es für den Umstieg auf erneu­erbare Energie und auf klimafreundliche Mobilität braucht. Es geht darum, das Angebot zu schaffen.


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Da sind die Gemeinden unsere wichtigsten Partner. Die Gemeinden legen fest, wo Flächen gewidmet werden, wo die nächste Haltestelle des öffentlichen Verkehrs ist; der Zusammenhang zwischen Raumordnung, Mobilität, Klimaschutz und Energieverbrauch ist also extrem wichtig. Das heißt, wir brauchen alle im Boot! Wir brauchen die Gemein­den und die Länder wesentlich stärker als bisher, wir brauchen Kooperation. Im Umwelt­schutz brauchen wir zuerst Kooperation, um dann die richtigen Mittel an den richtigen Stellen einzusetzen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Dritter Hebel: Biodiversität. Das betrifft wieder das Thema Flächenverbrauch, da sind die Indikatoren viel zu hoch. Flächenverbrauch reduziert unsere landwirtschaftlichen Flä­chen, reduziert den Erholungswert der Landschaft, vor allem reduziert er aber auch die Artenvielfalt ganz dramatisch, auch hier in Österreich.

Was ist der wichtigste Hebel? – Die privaten Flächen, aber natürlich auch die öffentlichen Flächen, und schließlich müssen wir auch die Landwirtschaft ins Boot holen und eine Agrarpolitik machen, die extensive Bewirtschaftung und Artenschutz auf den landwirt­schaftlichen Flächen ermöglicht. Das muss man fördern, das alles kann man nicht nur durch legistische Maßnahmen bewirken, es muss auch die Landwirtschaft sozusagen als Partner im Boot sein.

Vierter wichtigster Hebel: nachhaltige Nutzung von Ressourcen – da geht es um das Thema Beschaffung. Nachhaltige Beschaffung ist ein Riesenhebel in der öffentlichen Beschaffung, auf allen Ebenen des Verwaltungshandelns. Diesbezüglich ist der Aktions­plan für nachhaltige Beschaffung bereits in Ausarbeitung. Der zweite wichtige Aspekt dabei ist das Thema Kreislaufwirtschaft: längere Nutzungsdauer von Konsumgütern, Re­paraturfähigkeit, ein Kreislaufwirtschaftspaket, das auch in der kommenden Novelle des Abfallwirtschaftsgesetzes vorgesehen ist, und das Thema Lebensmittelabfälle.

Wir übersehen – auch das kann man nicht kaufen, dazu braucht man Rahmenbedingun­gen, und man braucht auch eine Bewusstseinsänderung und eine Bewusstseinsschär­fung –, die Menge der Lebensmittelabfälle entlang der gesamten Produktionskette ist unglaublich hoch. Da gibt es ein Riesenpotenzial, diese zu reduzieren – nicht nur bei der Produktion, nicht nur beim Handel, sondern auch ganz stark in den Haushalten. Wir haben gigantische Mengen an Lebensmittelabfällen, an Abfällen von genießbaren Le­bensmitteln im Hausmüll – leider!

Es braucht daher nicht nur das Budget, es braucht vor allem eine engagierte Umwelt­politik und an deren Spitze eine engagierte Umweltministerin mit einem Superministe­rium. Ich wünsche Ihnen, dir, liebe Frau Ministerin, den Elan und die Geduld, aber auch das Durchhaltevermögen, das es dafür braucht. (Beifall bei den Grünen und bei Abge­ordneten der ÖVP.)

9.48


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Hammer­schmid. – Bitte.


9.48.16

Abgeordnete Mag. Dr. Sonja Hammerschmid (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geschätzte Frau Ministerin! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen und Zuseherinnen und Zuseher vor den Fernsehschirmen! Forschung, Innovation, Ent­wicklung – der mediale Fokus war in den letzten Wochen sehr stark auf diese Themen gerichtet und so groß, glaube ich, wie überhaupt noch nie – zumindest kann ich mich nicht daran erinnern. Das ist eine Anerkennung, um die die Universitäten, die Fachhoch­schulen, die forschenden Unternehmen, der ganze außeruniversitäre Forschungssektor wirklich seit Jahrzehnten gerungen haben – jetzt ist diese Anerkennung endlich da. Wa­rum ist sie da? – Weil Forschung, Innovation, Wissenschaft die Lösungen für die Be­kämpfung dieser Coronakrise entwickeln und liefern können.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 318

Wir lesen in den Zeitungen täglich die Daten aus medizinischen Studien, von Virologen, von Epidemiologen, und die Menschen und die Politik in diesem Land warten sehnsüch­tig darauf, dass wir eine Medikation oder einen Impfstoff in die Hände bekommen, um dieser Coronapandemie zu entkommen.

Worüber wir weniger sprechen, das sind die Institutionen, die diese Forschungsleis­tungen erbringen. Ich freue mich sehr, dass ich in den letzten Wochen drei Firmennamen immer wieder in den Medien lesen durfte, die heute große, richtungsweisende For­schungsprojekte und Kooperationen leiten. Darunter sind die Unternehmen Apeiron, Themis und Apeptico. Das sind drei Unternehmen, die ich zu meiner Zeit als Bereichs­leiterin für Technologie und Innovation bei der Austria Wirtschaftsservice GmbH noch anfinanzieren und auf den ersten Schritten begleiten konnte.

Apeiron ist die wahrscheinlich am besten bekannte Firma von Josef Penninger, der eine multizentrische internationale Studie mit einem Wirkstoff aus seiner Forschungspipeline starten konnte, und es wird sehr viel Hoffnung darauf gelegt, dass das wirkt. Das Unter­nehmen Themis testet bereits einen Impfstoff, basierend auf der Forschungstechnolo­gieplattform, die entwickelt wurde, und in diese Technologieplattform haben Investoren schon vor der Coronakrise über 100 Millionen Euro investiert. Gestern hat Merck Sharp & Dohme dieses Unternehmen um eine nicht verlautbarte Summe gekauft: Das ist Forschung, Technologie und Innovation made in Austria. Apeptico koordiniert ein EU-gefördertes Projekt zur Suche nach einem Coronamedikament mit einer klinischen Stu­die auch hier an der Med-Uni Wien. Was uns das zeigt, ist recht einfach: Forschungs­förderung wirkt. (Beifall bei der SPÖ.) Weil wir vor zehn Jahren in diese Unternehmen unsere Hoffnungen gesetzt haben, weil wir mit Seedfinancing die ersten Euro in diese Unternehmen investiert haben, sind wir heute so weit, dass diese Unternehmen schnell, rasch und effizient Medikationen auf den Markt bringen können.

Forschungsförderung wirkt, liebe Frau Ministerin, nicht nur im Bereich der Medizin, son­dern auch in den Bereichen Klimawandel, New Technologies, Green Technologies. Das sind genau Ihre Felder, deren Bedeutung Sie auch stark betont haben. Da braucht es mehr Geld, da braucht es mehr Anstrengung, von da können die Lösungen kommen. Ich würde Sie also wirklich bitten und motivieren: Kämpfen Sie – das war auch vorher schon Thema – um dieses lang ersehnte Forschungsfinanzierungsgesetz verbunden mit einem Wachstumspfad!

Was wir jetzt im Budget sehen, ist kein Wachstumspfad. Wir haben das Forschungsfi­nanzierungsgesetz noch nicht – dieses wurde im Sommer noch in Begutachtung ge­schickt, damit wir dann schnell sein können, aber darauf warten wir noch –, und der Wachstumspfad ist auch nicht gegeben. Die paar Millionen mehr gehen in die Ipcei-Pro­jekte, und ja, das ist gut, das muss auch so sein, aber das ist nicht das, was ich mir für Forschungsfinanzierung und Forschungsförderung in Österreich wünsche.

Ich bitte Sie inständig: Bleiben Sie da dran, legen Sie Ihr Hauptaugenmerk darauf, denn all die Maßnahmen, die Sie jetzt mit viel Leidenschaft angeführt haben, gibt es nur, weil Forschung und Innovation drinstecken und weil wir auf diesem Wissen und diesen Er­rungenschaften auch im Klimawandel, in diesen Technologien aufbauen können!

Es braucht ausreichende Dotierung, es braucht den Wachstumspfad – ich habe es schon gesagt –, es braucht ausreichende Forschungsförderung, es braucht mehrjährige Planungssicherheit für die Agenturen und Autonomie. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

9.52


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schmu­ckenschlager. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 319

9.53.03

Abgeordneter Johannes Schmuckenschlager (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Ich glaube, diese Unterglie­derungen betreffend Forschung, Innovation, Mobilität, Verkehr und natürlich auch Um­welt- und Klimapolitik zeigen sehr gut, welchen Bogen dieses Ressort umspannt und wie wesentlich diese Themen miteinander vernetzt sind. Nicht zuletzt zeigen die Zeit der Coronakrise jetzt am Ende sowie die ersten Skizzierungen der Wirtschaftsforscher – wo kommt man wie aus dieser Krise heraus? – die notwendigsten Themen, nämlich die neuen Technologien, vor allem auch die Thematik des Klimaschutzes, um die Konjunktur wieder in Schwung zu bringen und auch Klima- und Umweltpolitik absolut im Auge zu behalten.

Wir haben alle gedacht, dass mit Corona alles überdeckt sein wird und die Klima- und Umweltpolitik, die prinzipielle Fragen der Bevölkerung betrifft, letztlich nicht mehr im Fokus stehen wird. Umfragen ergeben aber sehr deutlich, dass die Bevölkerung nach wie vor sehr stark wahrnimmt, was an Klimaveränderungen stattfindet, und dass wir da massiv handeln müssen. Die letzten Regierungen haben Vorarbeit geleistet und dies­bezüglich schon viele Schritte gesetzt, und ich bin sehr, sehr froh, dass wir das Budget in diesen Bereichen jetzt auch wieder aufstocken konnten: Ölkesseltausch, weg von den fossilen Energieträgern, Innovationen auch in der thermischen Sanierung. Ganz wesent­lich dabei ist, entsprechende Incentives zu starten und die Bevölkerung mitzunehmen.

Wir werden aber sehen: Wenn wir die Konjunktur beleben, dann brauchen wir Bereiche wie Fotovoltaik und Ausbau von erneuerbaren Energien, um volkswirtschaftlich einen Gesamtwert in Österreich behalten zu können. Dieser Weg wird natürlich mit dem auszu­arbeitenden Energieausbaugesetz beschritten. Ich glaube, damit werden wir zukünftig einerseits Arbeitsplätze schaffen und sichern, andererseits aber vor allem auch Wohl­stand und volkswirtschaftlichen Erfolg durch Umwelt- und Klimapolitik hereinbringen.

Die Vernetzung von Wirtschaft und Umwelt ist durch die türkis-grüne Regierung bestens dokumentiert. Das ist ja fast schon symbolhaft für unsere Zusammenarbeit und findet sich jetzt absolut auch in diesem Budget als Schwerpunkt. Wir sind also auf einem sehr, sehr guten Weg. Frau Bundesministerin, ich gratuliere Ihnen zu diesem Budget! Ich glaube, wir gehen gemeinsam in eine Zukunft, die uns alle viel für dieses Land erreichen lässt. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

9.55


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kasseg­ger. – Bitte.


9.55.45

Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Sehr geehrter Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrter Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Frau Bundesminister, Sie haben ja auch große Erfahrung, zwar nicht so sehr in der politischen Kommunikation, aber aufgrund Ihrer beruflichen Vergangenheit im Marketing. Im Hinblick darauf muss ich schon feststellen: Sie machen das sehr, sehr gut und verkaufen das Ganze sehr, sehr gut.

Was mir weniger gut gefällt, ist, dass auch Sie jetzt in diese Politik des Angstmachens einsteigen, indem Sie Ihr Statement damit beginnen, dass Sie sagen, dass wir jetzt in der Coronakrise sind, dass aber die Klimakrise noch viel schlimmer ist. – Diese Politik des Angstmachens, die unser Land ja schwer beschäftigt, lehnen wir Freiheitliche ab, denn Angst macht die Seele tot, und ich glaube, dass wir in den letzten Monaten der österreichischen Seele großen Schaden zugefügt haben. Das ist nicht notwendig, Sie machen es aber. Das finde ich persönlich nicht gut!


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 320

Sie haben dann auch angekündigt, dass viel Geld in die Hand genommen werden wird. Der Kollege vorhin hat angemerkt, dass eine Symbiose von Umwelt und Wirtschaft gut ist und viel Geld in die Hand genommen werden wird. Dazu meine Frage: Wessen Geld ist es, das Sie in die Hand nehmen? – Das ist das Geld der Steuerzahler! (Beifall bei der FPÖ.)

Damit sind wir schon beim Budget. Auch in diesem Zusammenhang muss ich sagen: Sie haben gut verhandelt. Es gibt bei Ihnen deutliche Steigerungen in manchen Bereichen. Die Siedlungswasserwirtschaft ist Ihnen offensichtlich zu regional, diese haben Sie an Kollegin Köstinger abgegeben, um dann vielleicht mehr Geld zu bekommen, wie Sie es auch für den Green Climate Fund bekommen haben.

Sie haben im Wesentlichen auch die Ziele definiert, und diese unterscheiden sich im Energiebereich – und das wissen Sie auch – nicht besonders von dem Regierungspro­gramm, das die ÖVP mit der FPÖ 2017 erarbeitet hat. Die Neuerung dabei: Sie haben jetzt einen Pfad definiert, wobei ich Ihnen aber jetzt schon voraussagen kann, dass die­ser Ausbaupfad ein Marketingluftballon ist. Das wird so aus verschiedenen Gründen nicht eintreten; das sehen wir auch jetzt schon.

Wir haben wirklich viel Zeit für ganz dringende Dinge verloren, und ich würde mir jetzt wirklich den Beschluss des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes wünschen. Dieses war im Sommer 2019 mehr oder weniger fertig, und zwar faktisch eher mehr als weniger fertig. Warum ist es noch immer nicht da? Wir haben jetzt Mitte 2020, und Sie wissen, dass die Branche darauf wartet. Die Branche will Planungssicherheit. Ich spreche da insbeson­dere das Thema Netzreserve an; ich bekomme auch Anrufe aus der Branche. Warum wird immer wieder nur darauf verwiesen: Wir machen den großen Wurf beziehungsweise das große Paket!? – Ich meine, dass es Dinge gibt, die tatsächlich sehr, sehr dringlich sind.

Freiheitliche Klima- und Energiepolitik ist immer getragen von einem ausgewogenen Dreieck der Ziele, nämlich: Erneuerbare, Versorgungssicherheit und – nicht zu verges­sen – Wirtschaftlichkeit und Leistbarkeit. Irgendjemand muss das zahlen, und zwar dies­falls das Ökostromregime. Jetzt sind es die sogenannten Endverbraucher. Wer ist das? – Das sind die Haushalte, aber auch das Gewerbe, die Unternehmen und die In­dustrie. Wir sind für eine ausgewogene Balance zwischen diesen drei Zielen, nicht für eine Überbetonung eines Ziels.

Was wir auch nicht wollen, ist, die österreichische Wirtschaft in Gefahr zu bringen. Noch einmal: Die Ausbauziele und der Umstieg auf Erneuerbare sind ein wichtiges Thema, überhaupt keine Frage, das muss aber mit Maß und Ziel und nicht überschießend vor sich gehen. Ich halte es für besonders gefährlich, dass man dann durch entsprechende Regularien, Einschränkungen, Vorschriften et cetera das Ganze so weit ausdehnt, dass man damit die angestammte Wirtschaft und die Industrie aus unserem Land vertreibt. – Meines Erachtens muss man damit sehr, sehr vorsichtig umgehen.

Im Übrigen, diese Rechnungen, dass Fotovoltaik 200 000 Jobs schaffe, möchte ich auch einmal von der Plausibilität her grundsätzlich hinterfragen. Mir sind handfeste, angreif­bare Jobs wichtig, ich sage jetzt zum Beispiel Voest, Industriejobs in Österreich – die kann ich angreifen, die sind auch nicht subventionsbedürftig und leisten einen wichtigen Beitrag für die österreichische Wertschöpfung und dafür, dass dieses Geld, das Sie dann in die Hand nehmen, auch weiterhin da ist. (Beifall bei Abgeordneten der FPÖ.) – Es darf geklatscht werden. (Beifall bei der FPÖ.)

Also meine Bitte an Sie, Frau Bundesminister: Kommen wir jetzt von der Phase der sehr schönen Ankündigungen in die Phase der Umsetzung, insbesondere beim Erneuerbare-Ausbau-Gesetz und beim KWK-Gesetz, das ist dringend notwendig! Verlassen Sie bitte nicht den Pfad einer ausgewogenen Klima- und Energiepolitik, vergessen Sie nicht die


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Versorgungssicherheit, vergessen Sie nicht die Wirtschaftlichkeit und Leistbarkeit, über­treiben Sie es nicht mit dem Bashing der Autofahrer, übertreiben Sie es nicht mit dem Bashing des bösen Gases zum Beispiel! Wir werden das Gasnetz ganz, ganz dringend für die Energiewende brauchen, Thema Sektorkoppelung.

Sie wissen der Herr Staatssekretär kennt mich schon länger –, ich bin da sehr, sehr offen für gute, vernünftige Gespräche, wissend, dass wir für manche Dinge eine Zweidrit­telmehrheit brauchen, also auch die Zustimmung der Opposition notwendig ist. Wir haben das in der letzten Gesetzgebungsperiode sehr, sehr gut gemacht. Die Fotovoltaik betreffend – es ist auch schon angemerkt worden – möchte ich nur darauf hinweisen, dass diesen Fördermitteln von 36 Millionen Euro für die Fotovoltaik damals ein Allpartei­enantrag zugrunde lag, bei dem auch die Freiheitlichen das Ganze sehr, sehr stark ge­pusht haben. Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

10.01


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Litschauer. – Bitte.


10.02.23

Abgeordneter Ing. Martin Litschauer (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Mi­nister! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Fernsehern und via Live­stream! Ich muss meinen Einstieg ein bisschen ändern, denn wenn ich jetzt von frei­heitlicher Seite höre, dass hier mit der Angst gearbeitet wird, dann sage ich: Ich bin gerne dabei, wenn wir die Angst in der Politik abschaffen, nur habe ich da mit Ihrer Fraktion ein bisschen Probleme. Ich erinnere daran, dass gerade Sie es waren, die vor vielen Jahren unter anderem ein Volksbegehren gegen das AKW Temelín initiiert haben – da sind Sie auch nicht davor zurückgeschreckt, mit Angst zu arbeiten. (Zwischenrufe der Abgeord­neten Hafenecker und Hauser.) Als dann später die Regierungsbeteiligung da war, hat es dann aber an konkreten Schritten gefehlt. (Beifall bei Abgeordneten der Grünen. – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Hafenecker. – Abg. Kassegger: ... AKW Teme­lín ...! – Abg. Belakowitsch: ... Atomenergie ...!) Es ist ein sehr gefährlich- - (Zwischen­rufe bei der FPÖ.) – Ja, aber Sie haben mit der Angst gespielt, haben während Ihrer Regierungsbeteiligung nichts unternommen. Ich weiß, dass Sie das jetzt nicht hören wollen. (Abg. Kassegger: ... wir haben kein Problem! Zwischenrufe der Abgeordneten Belakowitsch und Deimek.)

Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, mich vor allem bei den Freiwilligen, den Umwelt­organisationen und den Antiatomorganisationen zu bedanken, die Millionen von Freiwil­ligenstunden leisten und sich da einbringen.

Ich selbst bin seit 20 Jahren aktiv in der Antiatomszene, habe da draußen, als das Melker Abkommen hier in diesem Haus verhandelt worden ist, selbst demonstriert und auf die Problematik aufmerksam gemacht. Für mich war das schon sehr bewegend, in dem gleichen Haus dann angelobt zu werden. Dieser Kampf gegen die Atomlobby und diese Atomkraftwerke ist mir sozusagen schon ein sehr persönliches Anliegen, und wir haben ein sehr großes Problem Dukovany, Temelín, Krško, Mochovce und wie sie alle hei­ßen, sind durchaus Probleme, die es zu bekämpfen gilt. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Prinz.)

Da ist es, glaube ich, schon auch wichtig, dass wir das ernst nehmen und gemeinsam umsetzen. In diesem Budget sind unter anderem auch 0,5 Millionen Euro vorgesehen, damit wir eben diese Unterstützung bei diesen grenznahen Atomkraftwerken leisten kön­nen.

Ich habe mich auch vor 20 Jahren schon sehr intensiv in diese Antiatompolitik einge­bracht, und ich habe auch feststellen müssen, dass, während Österreich im Jahr 2000 noch ein Stromexportland war, in den Folgejahren der Import von Strom immer mehr


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zugenommen hat. Das hat in der Antiatompolitik unsere eigene Position durchaus ge­schwächt. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Und wenn Sie sagen, wir sprechen da von Versor­gungssicherheit, dann erinnere ich daran, dass der Stromimport die Versorgungssicher­heit nicht erhöht, und genau deswegen müssen wir dagegen auftreten. Es ist daher ganz wichtig, dass wir beim Ausbau der erneuerbaren Energie unser Ziel von 100 Prozent erreichen. Ich weise auch darauf hin, dass Sie nicht alle diese Maßnahmen auch in die­sem Budget finden.

Das Erneuerbare-Ausbau-Gesetz zum Beispiel wird dafür sorgen, dass wir über die Öko­stromabgabe, über den Ökostromtopf 100 Prozent erneuerbare Energie erreichen wer­den; dann haben wir andere Finanzierungsmittel, die auch notwendig sind. Wir werden auch andere Maßnahmen brauchen, um dieses Ziel der Energiewende zu erreichen, und nicht nur das österreichische Budget, sondern auch andere Töpfe und auch andere Werkzeuge. Wir werden auch unsere Bevölkerung entsprechend sensibilisieren und mitnehmen müssen. Es wird darum gehen, die Bevölkerung dazu zu motivieren, diese Energiewende auch mitzutragen. Da braucht es Bildung, da braucht es Motivation, und es wird sich dabei zeigen, dass es nicht das größte Ziel ist, die größte Zahl für irgendeine Einzelmaßnahme für das Budget zu fordern, sondern eigentlich erweist es sich als sehr wichtig, wer die Bevölkerung in dieser Energiewende am besten mitnehmen kann, wer sie am besten motivieren kann und als Vorbild vorangehen kann. (Beifall bei den Grü­nen.)

Deswegen ist es mir auch ganz wichtig, dass es andere Initiativen gibt, die grenzüber­schreitend aktiv werden, die informieren wie zum Beispiel der Waldviertler Energie­stammtisch, den wir für die Informationsbildung gegründet haben. Da bin ich auch froh, dass für diese Initiativen Geld für Energiepartnerschaften vorgesehen ist. Ich würde wirklich alle einladen: Bringen wir uns auch über Österreich hinaus ein, damit diese Energiewende gelingt! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

10.07


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Marg­reiter. – Bitte.


10.07.18

Abgeordneter Dr. Johannes Margreiter (NEOS): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Geschätzter Herr Staatssekretär! Liebe Bürgerinnen und Bürger vor den Bildschirmen! Hohes Haus! Die Untergliederung 41 ist nicht mehr mit Verkehr be­zeichnet, sondern mit Mobilität, und das ist gut so, denn darum geht es: um Mobilität. Die Mobilität ist ein Grundbedürfnis der Menschen, ich möchte fast sagen, ein Grund­recht der Menschen. Unser Lebensstil hat sich so geändert, dass heute einfach ein ge­wisses Maß an Mobilität vorausgesetzt wird, um überhaupt überleben zu können. Es geht um Grundversorgung, es geht aber auch um den klimapolitischen Impact auf das Thema Mobilität beziehungsweise des Themas Mobilität auf die Klimaproblematik.

Jetzt haben wir ein Mobilitätsbudget, das sehr hoch dotiert ist, mit 4 Milliarden Euro eine der größten Untergliederungen. Wir haben ja heute schon von Zahlen, Verzehnfachung und, und, und gehört, nur, die Zahlen sind das eine, aber der Inhalt, die Substanz, das, was dahintersteht, ist das andere, und da habe ich schon einiges kritisch anzumerken, Frau Bundesministerin.

Es ist ja so, dass diese Untergliederungen nicht nur ein reines Zahlenwerk sind, sondern jeweils mit den sogenannten Wirkungszielen auch inhaltlich unterfüttert werden. Beim Mobilitätsbudget gibt es drei Wirkungsziele: Erstens die Hebung der Verkehrssicher­heit – okay, geschenkt, wollen wir alle –, zweitens die Sicherung der Mobilität von Men­schen, Waren und Gütern – auf das komme ich noch gesondert zu sprechen – und drit­tens die Geschlechtergerechtigkeit, also das Genderthema im Bereich der Mobilität.


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Wenn man sich diese Wirkungsziele im Detail anschaut, dann fällt beim Wirkungsziel zwei, Sicherung der Mobilität, auf, dass die Worte Radfahrer, Fahrrad, Fußgängerver­kehr überhaupt nicht vorkommen – bei den Zielen eins und drei sowieso nicht. Wenn man das liest, riecht man den Verbrennungsmotor heraus.

Vor diesem Hintergrund wirken die Zahlen, die da genannt wurden und auf die man so stolz ist, weil es Erhöhungen sind, schon ein bisschen schmalbrüstig, muss ich sagen, dabei wäre viel zu tun, wenn es um Mobilität geht. Es sind ein paar Dinge, ein paar Projekte enthalten, die durchaus respektabel sind, zum Beispiel die Finanzierung bezie­hungsweise ein erster Finanzierungsanstoß für das 1-2-3-Österreichticket – aber damit schaffen wir Nachfrage. Die Frage wird sein: Können wir den Bedarf dann auch decken?

Da muss man dann noch einen Schritt weitergehen: Selbst wenn der Bedarf an Bahn­infrastruktur und an Businfrastruktur gegeben ist und gedeckt werden kann, dann wird es, damit die Mobilitätswende gelingt, immer noch darauf ankommen, dass wir die be­rühmte letzte Meile – die erste und die letzte Meile – gestalten, also den mikroöffentli­chen Verkehr. Das sollen hauptsächlich Radfahrstruktur, aber auch Fußgängerverkehr sein. Der Fußgängerverkehr hat zwar nicht von der Kilometerleistung, aber von der Ver­kehrsleistung her doch den allergrößten Anteil. In diesem Bereich gilt es schon noch viel, viel Bewusstseinsarbeit zu tun.

In meiner Heimatstadt zum Beispiel, in Hall in Tirol – ÖVP-regiert –, wird derzeit wirklich allen Ernstes überlegt, eine Fußgängerunterführung zuzuschütten, weil sie einem Kreu­zungsausbau – damit der motorisierte Verkehr flüssiger abgewickelt werden kann – im Wege steht. Daran sieht man genau: Da ist von Mobilitätswende noch überhaupt nichts im Kopf angekommen.

Ähnliches gilt für die Radstrukturen: Im Zusammenhang mit der letzten Meile wird man sehr viel mit dem Rad machen müssen. In diesem Mobilitätsbudget vermisse ich jedoch konkrete Maßnahmen und konkrete Ansagen. Man wird diesbezüglich Geld in die Hand nehmen müssen, um Bewusstsein zu schaffen. Das ist eine Kopfgeschichte, die da pas­sieren muss (Ruf bei den Grünen: Dafür gibt es zehnmal mehr Geld!), und da sehe ich rein von den Zahlen her, auf die die grüne Fraktion so stolz ist, relativ wenig.

Es ist wirklich zu befürchten, dass mit dem 1-2-3-Ticket zwar eine hohe Nachfrage ge­schaffen wird, man aber letztlich daran scheitert, dass die Kapazität nicht gegeben ist und dass die letzte Meile nicht abgedeckt ist. Daneben ist natürlich auch Augenmerk darauf zu richten, dass der Verkehr – speziell der motorisierte, aber auch der Bahnver­kehr – doch erhebliche Umweltauswirkungen hat. Es geht darum, dass es wünschens­wert wäre, diese Auswirkungen irgendwo zu budgetieren, um dem zu begegnen. Ich vermisse zum Beispiel einen Mittelansatz für Lärmschutz an der Brenner-Eisenbahn­trasse, wo laut Budget die Rollende Landstraße ausgebaut werden soll. Das ist ja durchaus zu begrüßen, aber die Bevölkerung im Wipptal wird dann noch mehr unter dem Bahnlärm leiden, denn wir wissen, die Rollende Landstraße ist besonders lärmintensiv.

Es ist also noch sehr, sehr viel zu tun. Ich strecke aber die Hand aus, die NEOS sind bereit, an der Mobilitätswende mitzuwirken, und erhoffen sich, dass die Denkanstöße, die ich heute geben wollte, dann tatsächlich in die konkrete Arbeit einfließen. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

10.13


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Niss. – Bitte.


10.13.23

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Niss, MBA (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuse­her! Durch nichts wird uns die Relevanz von Forschung so sehr vor Augen geführt wie


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jetzt durch die Coronapandemie. Ich glaube, jeder versteht, dass der Weg aus dem Di­lemma nur mithilfe der Forschung gelingt; an einem Therapeutikum, einem Impfstoff wird gerade geforscht.

Es ist höchst erfreulich und, wie ich glaube, auch nicht überraschend, dass die österrei­chische Wissenschaft, die österreichischen Unternehmen und die Forschungseinrich­tungen in diesem Konzert ordentlich mitspielen. Die Namen haben wir heute ja schon gehört: Apeptico, Apeiron, Themis, you name it.

Großer Dank geht an dieser Stelle an die Bundesregierung, Frau Minister, dass im Rah­men des Corona-Emergency-Calls sehr rasch 26 Millionen Euro zur Verfügung gestellt wurden. Diese werden – ich glaube, das ist besonders wichtig – in österreichische Un­ternehmen investiert. Es ist auch sehr erfreulich, dass die ersten 16 Millionen Euro schon an 24 Projekte vergeben wurden, und soviel ich weiß, sollen die nächsten 10 Millionen Euro morgen vergeben werden.

Gott sei Dank ist die österreichische Forschungs- und Technologielandschaft aber viel­fältig und besteht nicht nur aus einer Life-Science-Forschung, sondern wir kennen die anderen starken Bereiche: Das sind die Mobilität, die Energie- und die Umwelttechnolo­gien, IKT, Materialwissenschaften und einiges mehr.

Wir müssen diese Technologieaffinität unbedingt erhalten, denn wir wissen auch, dass forschungs- und innovationsintensive Unternehmen besser durch die Krise kommen. Ich glaube, deswegen ist es auch sehr wichtig, dass wir die Unternehmen jetzt dabei unter­stützen, dass sie im Rahmen dieser Krise nicht weniger in Forschung und Entwicklung, sondern zumindest gleich viel investieren.

Klar ist auch, dass wir in Europa verstärkt mit einer Stimme sprechen müssen, einfach auch, um uns zu beweisen und um uns gegenüber Amerika und China zu behaupten. Das werden wir nur gemeinsam schaffen. Deswegen ist es besonders erfreulich, dass im Budget seitens des BMK, aber auch des BMDW Mittel für sogenannte wichtige eu­ropäische Projekte – die IPCEIs –, für klimarelevante Zukunftstechnologien, wie Batte­rieforschung und Mikroelektronik, zur Verfügung gestellt werden. Stärken stärken, das ist das Motto dieser Bundesregierung!

Ja, natürlich brauchen wir ein Forschungsfinanzierungsgesetz, das der Forschung Pla­nungssicherheit gibt (Abg. Deimek: Die gab’s ja! Aber immer nur, wenn die ÖVP ...! Das ist eine Warnung ...!) und das die Governance zwischen den Ministerien und den For­schungsförderungsgesellschaften stärken und neu regeln soll.

Aber, Herr Deimek, bleiben wir doch bei der Wahrheit! Wir haben das damals nicht des­wegen gemacht, weil es Herr Kurz nicht verkünden konnte, sondern wir haben es des­wegen gemacht, weil es eine komplexe Materie ist und weil wir Gesetzesinitiativen in der Zeit der Übergangsregierung nicht auf den Weg bringen wollten. Darauf hatten wir uns eigentlich verständigt.

Wir arbeiten mit Hochdruck an diesem Gesetz. Mein Dank gilt an dieser Stelle der Frau Minister und dem Staatssekretär für die gute Zusammenarbeit.

Ich glaube, wir brauchen hier keine Deadline, sondern es ist wichtig, dass wir ein Gesetz haben, das unsere Forschung, das unsere Wissenschaft und vor allem unsere innovati­ven Unternehmen stärkt, unterstützt und weiterhin erfolgreich macht. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)


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10.16


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Herr. – Bitte.


10.16.43

Abgeordnete Julia Elisabeth Herr (SPÖ): Herr Präsident! Wertes Hohes Haus! Zu Beginn: Guten Morgen! Und zu Beginn will ich, nein, muss ich auch gleich festhalten: Gute Klimapolitik ist Arbeitsmarktpolitik. Sinnvoller Klimaschutz schafft Arbeitsplätze. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.) – Ja, genau.

Der Ausbau unseres öffentlichen Verkehrs, unserer regionalen Bus-, Zug-, U-Bahn-Li­nien, all das schafft Arbeitsplätze. Die thermische Sanierung unserer Häuser, unserer Schulen, unserer Bezirksämter, all das bringt Arbeitsplätze, denn Umweltschutz – das ist der Punkt – braucht Installateure/Installateurinnen, braucht Techniker/Technikerin­nen, braucht Energieberater/Energieberaterinnen.

Sie sehen also, wenn all diese Forderungen, auch jene von der SPÖ, was den Tausch von Ölkesseln, den Bau von Fotovoltaikanlagen angeht, klug umgesetzt werden, dann schaffen wir Arbeitsplätze. Das, worauf ich hinaus will, ist jetzt der springende Punkt: Das ist die Aufgabe von allen 183 Abgeordneten im Hohen Haus und noch viel mehr ist es die Aufgabe der Regierung. Wir sind den 523 000 Menschen – das ist die aktuelle Zahl jener, die gerade arbeitslos sind – verpflichtet. Wir sind den 1,3 Millionen Men­schen, die gerade in Kurzarbeit sind, ganz einfach verpflichtet.

Die zuständige ÖVP-Ministerin hat letztens so etwas gesagt wie: Von den Menschen, die in Kurzarbeit sind, kann der Großteil dann ja eh gleich wieder zurückgehen. – Und was ist mit den anderen? Diesen Menschen sind wir verpflichtet! (Zwischenruf bei der ÖVP.) Wir brauchen nicht mehr, aber sicher auch nicht weniger als das größte Inves­titionspaket in der Geschichte Österreichs, um Arbeitsplätze zu schaffen, um die Wirt­schaft wieder anzukurbeln und um die Klimakrise ganz einfach zu stoppen. Das ist der Punkt! (Beifall bei der SPÖ.)

Daher freut es mich ehrlich, wenn Bundesministerin Gewessler von Konjunkturpaketen für Klimaschutz und neuen Jobs spricht. – Ihnen glaube ich, dass das ganz konkret Ihr Ziel ist, aber wenn nur davon gesprochen und das angekündigt wird, sparen wir noch kein CO2 ein, dadurch schaffen wir noch keinen einzigen Arbeitsplatz. In dem Budget, das wir heute beschließen, steht von diesen Konjunkturmaßnahmen, von denen wir seit Wochen bei den 32 000 Pressekonferenzen, die wir alle geschaut haben, hören, ja noch gar nichts drinnen.

Im Altpapier von Herrn Blümel steht von all dem nichts! – Im Gegenteil. Ich zitiere eine kurze Stelle aus dem Klimabudget, darin steht: Es sollen von 2020 bis 2030 – jetzt halten Sie sich fest, meine Damen und Herren! – 15 000 Arbeitsplätze geschaffen werden. (Ruf bei den Grünen: Ehrlich?! 15 000!) Das sind 1 500 im Jahr! Das sind die Zahlen, die tatsächlich im Budget stehen. 1 500 im Jahr, sagt die Regierung. Greenpeace sagt: Al­lein 200 000 sind nur im Bereich der Fotovoltaik möglich! Also da muss man schon sa­gen: Pfoah! Ambitioniert schaut irgendwie anders aus. – Das ist mutlos, das ist fast witz­los! Als ich das gelesen habe, habe ich mich gefragt: Ist das echt? Das war tatsächlich meine Reaktion. (Beifall bei der SPÖ.)

Da bleiben als einziger positiver Punkt die Einsicht und Ehrlichkeit der Bundesministerin, die ja selbst sagt, dass das nicht die aktuellen Zahlen sind, dass man nur noch nicht dazu gekommen ist, das zu aktualisieren. – Aber ernsthaft? Diese eine Zahl im Budget konnte man nicht ändern, aber an all die Ankündigungen zu den Konjunkturmaßnahmen jetzt sollen wir schon glauben?! – Ich sage Ihnen ehrlich, da braucht es mehr, denn so wird der Klimaschutz zum Bittsteller beim Finanzminister, und wenn wir darauf warten, dass der ÖVP-Finanzminister jetzt erkennt, dass da investiert werden muss, dann warten wir lange. Nein, es braucht heute schon, es braucht jetzt, es braucht im Jahr 2020 Ar­beitsplätze, die wir schaffen müssen. Das sind wir den Menschen ganz einfach schul­dig – jetzt und eben nicht später.


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Jetzt komme ich auch schon zum Schluss: Das Budget ist eine deutliche Verbesserung im Vergleich zu vorher, das stimmt, das muss man ehrlich sagen. Ist es aber ein Budget, mit dem wir der Klimakrise und der Krise auf dem Arbeitsmarkt gewachsen sind? – Nein. (Zwischenruf des Abg. Lukas Hammer.) Ist es ein Budget, mit dem wir das Klimaziel, 2040 CO2-neutral zu sein, erreichen werden? – Auch Nein. Da wird es mehr brauchen.

Ich richte mich an die Umweltministerin: Ich biete mich an, wir bieten uns hier an, ge­meinsam für noch mehr im Bereich Klimaschutz zu kämpfen. An den Herrn Finanzmi­nister: Ja, Ihnen biete ich es auch an, denn wir sollten endlich erkennen, dass wir jetzt alle gemeinsam dafür sorgen müssen, Arbeitsplätze durch Umweltschutz zu schaffen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Matznetter: Wir müssen Blümel durch Ober­nosterer ersetzen!)

10.21


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter We­ratschnig. – Bitte.


10.21.59

Abgeordneter Hermann Weratschnig, MBA MSc (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Werte Bundesministerin! Werter Staatssekretär! Wenn die früheren Regierungen mit Beteiligung der SPÖ beziehungsweise alle früheren Regierungen es geschafft hät­ten, die Klimaschutzziele besser umzusetzen, dann hätte sich Frau Abgeordnete Herr diese Rede heute ersparen können. Diese Rede hat es aber gebraucht, Frau Abgeord­nete, und es braucht eine türkis-grüne Regierung, die die Klimaschutzziele jetzt umsetzt. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Der Auftrag der Regierung, des Nationalrates, des Bundesrates, der Landesregierun­gen, der Gemeinden ist ein ganz klarer: gerade im Verkehr bei der Erreichung der Kli­maschutzziele wesentlich aufzuholen. Ja, wir sind da noch nicht Vorzeigeland und wir haben noch viele Aufgaben zu erledigen, werte Abgeordnete!

Wer an die Klimaschutzziele nicht glaubt oder nicht glauben will: Die Bevölkerung wird mobiler, es wird in Zukunft unabhängig davon nachhaltige Mobilität brauchen. Nicht: Verkehr ist Leben!, im alten Stile des Straßenbaus ist gefragt, sondern Mobilität mit In­novation und Ressourcenschonung. Da reden wir über Emissionen, da reden wir über Bodenverbrauch, da reden wir über Biodiversität. Das sind die wichtigen Ziele.

Mobilität, das wurde heute schon gesagt, ist ein Grundbedürfnis, deshalb auch der klare Plan der Umsetzung des 1-2-3-Tickets. Mit dem, was jetzt beispielsweise zwischen Wien und Gänserndorf streckenbezogen bezahlt wird, wird es zukünftig möglich sein, in ganz Österreich Bus und Bahn zu nutzen. Das, liebe Abgeordnete, ist ein Quantensprung, vor dem wir stehen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Konkret zum Budget: 200 Millionen Euro mehr; ein Plus von 6 Prozent im Budget für die ÖBB, ohne die Konjunkturprogramme, ohne die 300 Millionen Euro, die bereits für die nächsten Jahre kommuniziert wurden, plus 91 Millionen Euro, was die ÖBB betrifft; plus 7 Millionen Euro, was die Privatbahnen betrifft, erstmals wieder Bundesgeld für Straßen­bahnen – ich erinnere da an die Regionalbahn Innsbruck und an die Lokalbahn Salz­burg –; Dekarbonisierung des Busverkehrs; Elektrifizierung weiterer Bahnen unter Ein­satz von Wasserstoff. Es geht darum, zu forschen und zu testen, wie wir es im Bereich Zillertal vorhätten. Insbesondere aus Tiroler Sicht ist, glaube ich, die Förderung des Schienengüterverkehrs ganz wichtig, um Transit von der Straße auf die Schiene zu verlagern. Es gibt mehr Mobilitätsprojekte und Anreize beim Klima- und Energiefonds.

Werte Abgeordnete, wir vereinbaren im Rahmen des Budgets 2020 Millionen für die Mobilitätswende. Das haben frühere Regierungen mit ihren Ankündigungen nicht zu­stande gebracht. (Beifall bei den Grünen.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 327

Wir setzen uns für die schwächeren VerkehrsteilnehmerInnen ein, da sind andere EU-Staaten aber noch um Meilen voraus. Wir arbeiten an fairen Bedingungen für die Mit­arbeiterInnen in den Bereichen Bus, Bahn und – nicht zu vergessen – auch der Flug­zeuge. Ja, es braucht Bewegung bei den Löhnen – Beispiel Laudamotion –, und ich ste­he da ganz klar auf der Seite der Gewerkschaft, die sich für die MitarbeiterInnen einsetzt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich habe es bereits in früheren Reden erwähnt: Dem Raubtierkapitalismus der Billigflie­ger ist der Garaus zu machen! Herr Finanzminister Blümel, wir sind dabei, wir unterstüt­zen Sie dabei, wenn es darum geht, die Arbeitnehmer zu unterstützen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Letzter Punkt: Ohne Klimaschutzbedingungen wird es auch in Zukunft keine Staatshilfen geben, und da geht es um mehrere Firmen und nicht nur um die AUA-Staatshilfen. Es braucht klare Bedingungen für den Klimaschutz am Standort Österreich.

Werte Abgeordnete, steigen wir ein, klimaaktiv! An dieser Stelle möchte ich mich bei jenen bedanken, die heute vor den Toren des Parlaments gestanden sind, nämlich bei der Bewegung Fridays for Future. Die Jungen zeigen auf, was wir in Zukunft zu tun ha­ben. Die Jungen machen plakativ, welche Aufgabe wir hier im Parlament haben, in den Regierungen weltweit. Wir sind dazu verpflichtet, diese Dinge umzusetzen, und es freut mich, dass wir in der Regierung so viel Zuspruch haben. Ich lade alle Abgeordneten dazu ein, diesen Weg mitzugehen. – Nächster Halt: Mobilitätswende. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

10.27


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Hafen­ecker. – Bitte.


10.27.12

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminis­terin! Es ist immer ein Vergnügen, den grünen Vorrednern zuzuhören, man lernt immer wieder Neues. (Abg. Stögmüller: Gut so! Aufpassen!) Ich finde das ist auch gut, ich finde es auch wirklich interessant, welcher Begrifflichkeiten Sie sich da bedienen, zum Beispiel wenn Herr Kollege Weratschnig irgendjemandem den Garaus machen möch­te. – Ich möchte nicht wissen, wie das kommentiert werden würde, würde das ein Frei­heitlicher hier vom Rednerpult aus sagen.

Spannend war auch die Rede des Kollegen Litschauer, auch da habe ich viel gelernt. Ich habe nicht gewusst, dass sich die Grünen mittlerweile zu den Anwälten der Atom­lobby aufschwingen und hier vom Rednerpult aus gegen das Temelín-Volksbegehren argumentieren. Der Sinneswandel bei den Grünen, der in den letzten Monaten vielleicht auch mithilfe der ÖVP stattgefunden haben muss, ist sensationell. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Lausch.)

Zum Kollegen Hammer: Kollege Hammer hat uns ja in seinem mitreißenden Referat gleich als Erstredner erklärt, welche Vorzüge das Radfahren mit sich bringt. – Ja, ich gebe Ihnen recht, das Radfahren ist natürlich zu fördern, wir haben uns demgegenüber auch nie verschlossen. Ich gebe Ihnen aber eines zu bedenken: Sie haben gesagt, die meisten Wege, die zurückgelegt werden, sind unter 5 Kilometer. Das ist richtig, aber da fahre ich hin, und dann fahre ich wieder zurück, dann sind es 10 Kilometer; und es gibt ja Phänomene in Österreich: Das eine Phänomen heißt Berge, das andere Phänomen heißt Winter, und ich möchte einfach den Leuten und den Pendlern nicht zumuten, dass sie 10 Kilometer mit dem Rad durch Schnee, Gatsch und Eis fahren. Das sollte man auch bedenken. Es gibt eben nicht nur Städte, es gibt auch Randlagen. (Beifall bei der FPÖ.)

Frau Bundesministerin Gewessler, Sie sind ja Bundesministerin für Radfahrer und Eisen­bahn. Ich habe Sie anfangs wirklich für eine Expertin auf Ihrem Gebiet gehalten, habe


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 328

jetzt aber draufkommen müssen, dass Sie eigentlich nur eine ideologische Auftragstä­terin sind. Was machen Sie? – Sie führen den Kampf gegen die Luftfahrt (Zwischenruf des Abg. Stögmüller), den haben Sie ausgerufen, und was noch viel schlimmer ist, Sie haben auch die Inquisition gegen die Autofahrer ins Leben gerufen. Es gibt da Sabotage­akte am laufenden Band, abgesehen davon, dass die erste und einzig medienwirksame Tätigkeit, die Sie gemacht haben, war, dass Sie die 140er-Taferln, die unter Ihrem Vor­gänger Hofer angebracht wurden, wieder runtergeschraubt haben. (Abg. Stögmüller: ... Ho­fer gemacht hat! Hat auch nichts anderes gemacht! – Abg. Lausch – in Richtung Abg. Stögmüller –: ... Glasscheibe!)

Sie führen willkürlich – mit Ihren KollegInnen und ErfüllungsgehilfInnen in der Wiener Stadtregierung zum Beispiel – einen Krieg gegen die Autofahrer. Sie produzieren will­kürliches Verkehrschaos, auf der Kagraner Brücke wird ein temporärer Radweg instal­liert, der dazu führt, dass dort Staus entstehen, wo es nie welche gegeben hat. Auch das ist interessant. Ich möchte nicht wissen, was noch auf Autofahrer und Pendler, die auch Steuern zahlen und arbeiten, zukommt.

Um dem Einhalt zu gebieten, möchte ich die Nagelprobe machen. Wir haben ja von Ihren KollegInnen beziehungsweise aus der grünen Partei gehört, dass Sie auch planen, die hochrangigen Straßen punkto Geschwindigkeit zu degradieren, dass Sie Geschwindig­keitslimits herabsetzen wollen, deswegen möchte ich die Nagelprobe machen und einen Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „kei­ne flächendeckende Autofahrerschikane durch Beschränkung der Geschwindigkeiten im Ortsgebiet auf 30 km/h, auf Freilandstraßen auf 80 km/h und auf Autobahnen auf 100 km/h“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie werden aufgefordert, sicherzustellen, dass es zu keinen generellen Beschränkungen der Geschwindigkeiten im Ortsgebiet auf 30 km/h, auf Freilandstraßen auf 80 km/h und auf Autobahnen auf 100 km/h kommt.“

*****

Ich möchte zum nächsten Themenbereich kommen, das ist die Nahverkehrsmilliarde. Auch da haben Sie sich nicht wirklich mit Ruhm bekleckert, im Gegenteil, Sie haben ein wirklich gutes Projekt zerschossen. Sie haben die Nahverkehrsmilliarde auf Nahver­kehrs-300-Millionen heruntergesetzt, wenn man das so salopp formulieren kann; Sie haben das eigentlich gekürzt. Die wenigen verbleibenden Mittel, die jetzt noch zur Verfü­gung stehen, verwenden Sie dafür, Bahnhöfe neu anzustreichen und vielleicht da und dort einen Radweg zu bauen.

Frau Bundesministerin! Das war nicht der Plan der Nahverkehrsmilliarde. Der Plan war, den ländlichen Raum mit dem urbanen Raum in Verbindung zu bringen und auch noch zur Dekarbonisierung beizutragen. Das alles haben Sie über Bord geworfen, ich sehe nirgends mehr, dass Sie irgendetwas in diese Richtung anstreben. Wie gesagt, ich ver­stehe nicht, warum Sie ein Projekt, das man ja nicht nur durch die ideologische Brille sehen kann, sondern einfach faktenbasiert bewerten kann, so zerstören und am Ende des Tages einen so kläglichen Rest übrig lassen.

Ich bringe daher einen zweiten Entschließungsantrag ein:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 329

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Aus­bau des öffentlichen Nahverkehrs – Umsetzung ‚Nahverkehrsmilliarde‘ jetzt!“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Tech­nologie wird ersucht, im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen die recht­lichen und budgetären Rahmenbedingungen für eine Mitfinanzierung von einzelnen Ver­kehrsprojekten in Ballungsräumen im Sinne einer ‚Nahverkehrsmilliarde‘ mit dem Ziel der Dekarbonisierung zu schaffen.“

*****

Ja, ich habe es eingangs erwähnt, Frau Bundesministerin, leider ist von Ihnen nur poli­tisch getriebenes Handeln zu bemerken. Sie haben bisher nichts zuwege gebracht, au­ßer da und dort ein Verkehrszeichen demontiert und Mittel gekürzt. Das habe ich jetzt einmal ganz kurz zusammengefasst.

Was Sie aber auch können – und da dürften Sie offenbar doch schon genug Zeit mit der ÖVP verbracht haben –: Beim Postenschacher haben Sie sich mittlerweile bestens ein­gelebt. Ich möchte jetzt nur erwähnen: Aufsichtsrat Brennerbasistunnel, Austro Control, wo Sie wirklich profunde Aufsichtsräte einfach willkürlich abberufen haben und grüne Fundamentalisten einsetzen. Mich würde wirklich interessieren, welchen Narren Sie an Frau Tausz aus dem 7. Bezirk gefressen haben, dass die jetzt Expertin für alles ist und von Ihnen in diese Positionen gehievt wird. Vielleicht wird es dereinst auch die Möglich­keit geben, den derzeit laufenden Untersuchungsausschuss noch um ein Kapitel zu er­weitern, das dann heißt: grüner Postenschacher.

Der Versuch, die ÖVP in Sachen Personalpolitik zu kopieren, ist Ihnen jetzt einmal an­satzweise gelungen. Frau Bundesministerin, zum Abschluss meiner Rede aber ein Tipp an Sie: Glauben Sie mir, die ÖVP wird sich schneller von Ihnen trennen, als Ihnen das lieb ist – ich habe das auch gestern schon gesagt –, und spätestens dann, wenn Ihre Klimaschutzmaßnahmen anstehen und wenn Sie Ihr Programm umsetzen wollen, wird die ÖVP wie immer die Notbremse ziehen! Denken Sie an meine Worte, ich kann Ihnen jetzt schon garantieren, dass es so sein wird! (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Obernosterer: Die Garantien sind aber nichts wert!)

10.33

Die Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Christian Hafenecker, MA

und weiterer Abgeordneter

betreffend keine flächendeckende Autofahrerschikane durch Beschränkung der Ge­schwindigkeiten im Ortsgebiet auf 30 km/h, auf Freilandstraßen auf 80 km/h und auf Autobahnen auf 100 km/h

eingebracht in der 32. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 27. Mai 2020 im Zuge der Debatte zu TOP 6, Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (56 und Zu 56 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzrahmengesetz 2020 bis 2023 erlassen wird – BFRG 2020-2023 (182 d.B.) – UG41

Die Praterstraße wird zur 30er-Zone und zwar noch dieses Jahr, wenn es nach der Be­zirksvorsteherin Uschi Lichtenegger (Grüne) geht. (orf.at, 18.1.2020)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 330

Tempo-30-Limit auf der Wiener Favoritenstraße fixiert (kurier.at, 15.5.2020)

Gänserndorfs SPÖ und Grüne fordern Tempo 30 (noen.at, 5.5.2020)

Tempo 100 auf Tirols Autobahnen ab Oktober 2014 – warum wir dafür sind und was es Mensch und Umwelt bringt. (gruene.at, 24.6.2014)

Tempo 80 auf Freilandstraßen und 30 im Ort sind Autofahrern zumutbar, so die Ver­kehrssprecherin der Grünen Oberösterreich, Ulrike Schwarz. (OÖN, 30.7.2012)

Umweltreferentin Astrid Rössler wird ab Jänner 2014 auf der Stadtautobahn in Salzburg Tempo 80 anordnen - trotz einer außergewöhnlichen Welle des Protests wie die Protest­seite "Gegen Tempo 80 auf der sechsspurigen Autobahn" im Netzwerk Facebook, die binnen weniger Tage rund 15 000 Unterstützungserklärungen erhalten hatte. (Salzburg Wiki, 27.10.2013)

Auch im aktuellen Regierungsprogramm ist bezüglich Geschwindigkeitsreduzierung die grüne Handschrift klar lesbar, so findet sich der Wunsch nach Temporeduktionen im Ortskern und auch auf Landstraßen, versteckt im Kapitel Verkehrssicherheit. Ein erster Schritt war die Abschaffung der 140 km/h Teststrecken auf den Autobahnen, wobei eine Untersuchung zeigte, dass die Unfallzahlen sogar weniger wurden: Im Testabschnitt Niederösterreich liegt die Zahl der Unfälle mit vier so-gar deutlich unter den Jahren 2017 oder 2016 mit jeweils 17.

Daher stellen die unterzeichnenden Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie werden aufgefordert, sicherzustellen, dass es zu keinen generellen Beschränkungen der Geschwindigkeiten im Ortsgebiet auf 30 km/h, auf Freilandstraßen auf 80 km/h und auf Autobahnen auf 100 km/h kommt.“

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Entschließungsantrag

des Abgeordneten Christian Hafenecker, MA

und weiterer Abgeordneter

betreffend Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs - Umsetzung „Nahverkehrsmilliarde“ jetzt!

eingebracht in der 32. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 27. Mai 2020 im Zuge der Debatte zu TOP 6, Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (56 und Zu 56 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzrahmengesetz 2020 bis 2023 erlassen wird – BFRG 2020-2023 (182 d.B.) – UG41

Die bereits 2019 vom damaligen Bundesminister Hofer konzipierte „Nahverkehrsmil­liarde“ steht auch im aktuellem Regierungsprogramm:

Öffi-Milliarde für den Nahverkehr für die Verbesserung der Rahmenbedingungen im öffentlichen Verkehr. Damit sollen vor allem Ausbau und Verbesserung des öffentlichen Verkehrs in und um Ballungsräume vorangetrieben werden.

Im aktuellen Budget findet diese jedoch keinen Niederschlag. Auch die nun angekün­digten 300 Millionen Euro mehr für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs sind nicht Teil


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 331

dieser Nahverkehrsmilliarde, da es kein zusätzliches Budget ist, sondern nur Mittel, die ohnehin für den Infrastruktur-Ausbau geplant waren, die nun eben ein wenig vorgezogen werden.

Das Projekt der Nahverkehrsmilliarde sollte ursprünglich in diesem Jahr starten, dies wurde durch das vorzeitige Ende der türkis-blauen Regierung aber nicht mehr möglich. Das Modell sah vor, dass ein jährlicher Budgettopf für den Öffi-Ausbau in den Ballungs­zentren zur Verfügung steht. Nicht nur Wien, wo der Bund 50% der Errichtungskosten der U-Bahn übernimmt, hat ein innerstädtisches Verkehrsproblem – bislang war es dem Bund aber rechtlich nicht möglich, Projekte in anderen Städten zu unterstützen. Mit der Nahverkehrsmilliarde wäre das möglich – unter zwei Bedingungen: Die Projekte müssen dekarbonisiert sein und über die Stadtgrenzen hinaus wirken. Damit sollen die Stadt­zentren vom individuellen motorisierten Verkehr entlastet werden. Ein Meilenstein in der Verkehrspolitik.

Daher stellen die unterzeichnenden Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Tech­nologie wird ersucht, im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen die rechtli­chen und budgetären Rahmenbedingungen für eine Mitfinanzierung von einzelnen Ver­kehrsprojekten in Ballungsräumen im Sinne einer „Nahverkehrsmilliarde“ mit dem Ziel der Dekarbonisierung zu schaffen.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Beide Anträge sind ordnungsgemäß eingebracht und stehen mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Graf. – Bitte.


10.33.53

Abgeordnete Tanja Graf (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Ministerin! Geschätzter Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer! Ich hoffe, Herrn Hafenecker ist es recht, wenn wir jetzt wieder in einen seriösen Redebeitrag übergehen (Beifall bei ÖVP und Grünen – Zwischenruf des Abg. Hafenecker), denn eines ist klar: Trotz der veränderten Voraussetzungen aufgrund der Covid-19-Pandemie ist der Be­schluss des vorliegenden Budgets wichtig und richtig, weil damit richtungsweisende Maßnahmen und Projekte finanziell unterstützt und abgesichert werden, so eben auch im Bereich Umwelt, Klima und Energie. Wir erhöhen das Budget in diesem Bereich die­ses Jahr um knapp 70 Prozent.

Als Energiesprecherin freut es mich ganz besonders, dass wir die Förderung für die Fotovoltaik um mindestens 7 Millionen Euro erhöhen; das ist eine Verdoppelung. Weite­re wesentliche Verbesserungen im Energiebereich sind unter anderem auch die 42,7 Mil­lionen Euro für die thermische Sanierung. Gerade die Sanierung von Gebäuden schafft eine dreifache Dividende: Wir haben weniger CO2, dafür mehr Wertschöpfung und eben auch Arbeitsplätze – und oftmals auch einen besseren Komfort.

Zweitens gibt es heuer eine deutliche Aufstockung, nämlich von 70 Millionen auf 90 Mil­lionen Euro im Bereich der betrieblichen Umwelt- und Energieförderung. Davon werden sehr stark jene Unternehmen profitieren, die in Maßnahmen zur Steigerung der Ener­gieeffizienz investieren. Diese Investitionsförderung ist ein wichtiger Hebel für heimische


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 332

Betriebe, denn wer Energie effizient nutzt, spart Kosten und leistet gleichzeitig einen Beitrag zum Klimaschutz. Klimaschutz nützt auch der Wirtschaft, denn wir schaffen damit Arbeitsplätze und regionale Wertschöpfung.

Frau Kollegin Herr! Ja, Klimapolitik ist auch Arbeitspolitik, das ist auch unser Zugang. Wir werden nachhaltige Arbeitsplätze im Umweltbereich schaffen, darauf können Sie sich verlassen (Zwischenruf des Abg. Martin Graf), denn das Budget ist zweifellos ein Impuls dafür.

Die Frau Ministerin hat es schon erwähnt: Zusätzlich dazu haben wir heuer ein sehr ambitioniertes Vorhaben, wir wollen mit dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz die Förde­rung von Ökostrom auf neue Beine stellen, einerseits wollen wir den Ausbau beschleu­nigen (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Martin Graf), und andererseits soll das Förder­system effizienter und moderner gestaltet werden.

Gerade in diesen Zeiten ist es auch wichtig, Investitionen anzukurbeln, die Österreich moderner, nachhaltiger und krisenfester machen. Heimische erneuerbare Energieträger, thermische Sanierungen und Energieeffizienzförderung sind gute Beispiele für Maßnah­men, die der Wirtschaft und auch der Umwelt helfen können, wenn wir sie klug gestalten. Das wird eben in den nächsten Monaten eine wichtige Aufgabe sein, der sich die Regie­rung und natürlich auch wir im Parlament stellen müssen. Gehen wir es daher ge­meinsam und mit Hausverstand an, dann profitiert ganz Österreich! – Vielen Dank. (Bei­fall bei ÖVP und Grünen.)

10.36


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Brand­stätter. – Bitte.


10.37.05

Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Ich bin gestern von einer Kollegin von der ÖVP kritisiert worden: Warum machen Sie da immer Werbung für Bücher? – Ich habe gesagt, ich mache Werbung für Ideen, weil ich das für wichtig halte. Abgesehen davon ist es, glaube ich, wirklich sinnvoll, Bücher zu lesen, deswegen habe ich heute eines mitgebracht: Die menschliche Intelligenz lässt ja manchmal aus, also kann ich nur die künstliche empfehlen (Zwischenruf des Abg. Martin Graf); es geht um die künstliche Intelligenz und um die Superpowers, nämlich China und das Silicon Valley. (Eine Ausgabe des Buchs mit dem Titel „AI Superpowers – China, Silicon Valley, and the New World Order“ in die Höhe haltend.) Die traurige Nachricht ist: Wie intensiv, glauben Sie, kommt Europa in diesem Buch vor? – Auf einer Seite, und zwar nur in der Erklärung, dass Europa nicht mitspielt, weil es einfach nicht verstanden hat, dass man für künstliche Intelligenz Daten braucht, und diese nicht gemeinsam einsetzt. Damit sind wir schon bei einem wesentlichen Thema: Das müssen wir natürlich gemeinsam ma­chen.

Jetzt muss man sich anschauen, was wir in Österreich im Bereich der künstlichen Intel­ligenz überhaupt machen. Wir hatten ein Genie im Land, und zwar Prof. Trappl – er ist inzwischen 81 Jahre alt; ich habe vor Kurzem wieder einen Vortrag von ihm gehört ‑, der in den Sechziger-, Siebzigerjahren im Bereich Kybernetik geforscht und auch unterrich­tet hat. Leider war er der Einzige, und leider setzt sich diese Tradition fort. Es gibt un­gefähr 370 000, 380 000 Studentinnen und Studenten in Österreich, 2 000 Lehrgänge – und einen einzigen für künstliche Intelligenz, wieder bei einem Genie, Prof. Hochreiter an der Johannes-Kepler-Universität. Seien wir froh, dass wir ihn haben!

Ich weiß, das fällt nicht in Ihre Zuständigkeit, Frau Bundesministerin, und damit sind wir schon beim nächsten Problem: Der wesentliche Bereich Zukunft, Innovation, Forschung wurde auf vier Ministerien aufgeteilt und immer wieder hin- und hergeschoben – das


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macht natürlich überhaupt keinen Sinn – danke, Herr Kollege, dass Sie nicken –; ich glaube, da muss man auch einmal etwas machen. (Beifall bei den NEOS und bei Abge­ordneten der SPÖ.)

Damit sind wir beim nächsten Punkt, da sind wir natürlich bei der Finanzierung: Ich habe gestern die Debatte darüber, wer jetzt betreffend Totenzahlen am besten ist, ein bissl unsympathisch gefunden. Betreffend Innovationleader können wir schon schauen, wer die Besten sind, und da sind wir leider nicht bei den Besten. Auch da haben wir uns die Zahlen angesehen: Wenn Sie schauen, was in Schweden, in der Schweiz, in den Nie­derlanden im Bereich Finanzierung von Forschung los ist, gerade auch im Bereich künstliche Intelligenz, sehen Sie, die sind weit vor uns. Eben ist eine Meldung aus Deutschland gekommen: Die deutsche Forschungsministerin Karliczek hat gesagt, 10 Milliarden Euro werden jetzt für innovative Unternehmen und für innovative For­schung ausgegeben, davon ein Gutteil allein für künstliche Intelligenz.

Auch in die Unternehmen wird investiert – 250 Millionen Euro –, und da sind wir leider auch hinten. In Deutschland werden in Kürze 5 000 Betriebe unterstützt, die diese For­schung dann natürlich umsetzen, auch im Bereich künstliche Intelligenz. – Da sind wir hinten.

Der nächste Punkt, bei dem wir leider auch hinten sind, ist die FTI-Strategie: Forschung, Technologie, Innovation. Es gibt nämlich keinen Finanzierungspfad – kein Geld, keine Musik! –, also werden wir auch da zurückfallen. Das Forschungsfinanzierungsgesetz macht auch keinen Sinn, wenn wir auch da keinen Finanzierungspfad haben.

Wir freuen uns, wenn die FFG mehr Geld bekommt, aber es ist natürlich noch immer zu wenig. Auch da sind Themen wie Produktion der Zukunft und IKT der Zukunft unterfinan­ziert. Auch da haben wir gesehen, dass die Programme, die ausgeschrieben wurden, 6,2-mal übernachgefragt waren, das heißt, es ist einfach viel zu wenig Geld da.

Was ist da in anderen Ländern los? – Spannend ist in diesem Buch übrigens, wie Kai-Fu Lee, ein Chinese, der in Amerika für Google gearbeitet hat und jetzt Unternehmen in China neu aufbaut, beschreibt, wie das Wettrennen läuft. Das Wettrennen läuft so, dass in der Software das Silicon Valley noch vorne ist, aber in der Hardware Shenzhen – wir sprechen es anders aus, aber das ist angeblich nicht richtig – in der Nähe von Hongkong das Zentrum ist, wo inzwischen die besten Maschinen gebaut werden – da können wir leider nicht mit. (Zwischenruf des Abg. Martin Graf.)

Wir werden da nur mitkönnen, wenn wir auch zu den Innovationleadern in Europa gehören, wenn wir das gemeinsam mit anderen Ländern machen und wenn wir, bitte schön, auch deutlich mehr Geld dafür einsetzen. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen.)

10.41


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Disoski. – Bitte.


10.41.56

Abgeordnete Mag. Meri Disoski (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Mit dem Budget der UG 41, Mobilität, gehen wir große Schritte in Richtung nachhaltige Mobilität. Wir gehen auch einen großen Schritt in Richtung eines sozial gerechteren Ver­kehrssystems. Das ist deshalb wichtig, weil Mobilität mehr ist als nur das Fahren von A nach B. Das ist deshalb wichtig – es wurde heute schon mehrfach erwähnt –, weil Mobi­lität eine Grundlage für die Teilnahme am öffentlichen und auch am sozialen Leben ist. (Beifall bei den Grünen.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 334

4,6 Millionen Menschen in Österreich, sehr geehrte Damen und Herren, sind ganz oder zum Teil auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen. Vielen Menschen in Österreich si­chern U-Bahn, Bim, Bus und Bahn ihre Mobilität ab, und im Sinne eines sozial gerech­teren Verkehrssystems gehören deshalb genau jene Verkehrsmittel und auch jene Mobi­litätsformen gestärkt, die einen gleichberechtigten Zugang zu Mobilität ermöglichen, also unabhängig von Alter, von Geschlecht oder auch von Einkommen genutzt werden kön­nen. Dazu zählen neben den Öffis natürlich auch die aktiven Mobilitätsformen, sprich das Radfahren und das Zufußgehen.

Genau hier, und das freut mich sehr, machen wir mit dem Budget der UG 41 einen großen Sprung: Wir fördern leistbare Mobilität, wir fördern aktive Mobilität. Wie sich diese Steigerungen in Zahlen manifestieren, möchte ich anhand von vier konkreten Beispielen ausführen:

Erstens: Es gibt mehr für den Schienenpersonenverkehr, konkret ein Plus von 91 Millio­nen Euro für die ÖBB und weitere 7 Millionen Euro für die Privatbahnen.

Zweitens: Es gibt erstmals Bundesgeld für Straßenbahn- und Stadtregionalbahnprojek­te, und das freut mich als Grüne jetzt besonders, weil wir damit endlich einen Beschluss, den wir hier in diesem Haus 2008 auf Initiative der Grünen gefasst haben, umsetzen. Dafür gibt es heuer schon ein Plus von 5 Millionen Euro und bis 2023 zusätzlich noch einmal 75 Millionen Euro.

Drittens: Es freut mich als Wienerin auch besonders, dass wir mit diesem Budget auch die U-Bahn-Kofinanzierung absichern können, in den Jahren 2020 bis 2023 gibt es jähr­lich 78 Millionen Euro.

Viertens, Kollege Hammer hat das eingangs schon erwähnt: In diesem Budget gibt es viel mehr Mittel für aktive Mobilität, 25 Millionen Euro vor allem für das Radfahren und für das Zufußgehen, und insgesamt erhöhen wir die Mittel für die aktive Mobilität von 4,4 Millionen Euro auf 46,4 Millionen Euro. – Lassen Sie sich das auf der Zunge zerge­hen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Werte Kolleginnen und Kollegen, diese vom Bund zur Verfügung gestellten Mittel, mit denen man beispielsweise Radwegeprojekte umsetzen kann, gehören natürlich jetzt auch von den Ländern und von den Gemeinden abgeholt. Da wende ich mich jetzt ver­trauensvoll an Sie alle, die Sie hier sitzen, mit der Bitte, in Ihren Parteien aktiv darauf hinzuwirken, dass diese Gelder auch abgeholt werden.

Ich kann Ihnen aus durchaus leidvoller Erfahrung in Wien berichten: Das ist nicht immer ganz so einfach. Sehr ambitionierte Projekte werden abgeschossen, werden nicht um­gesetzt, und zwar gar nicht, weil dafür das Geld nicht zur Verfügung stehen würde, sondern weil sich die eine Kommunalpolitikerin oder der eine Kommunalpolitiker denkt: Ich habe halt lieber meinen Parkplatz vor der Haustüre anstatt eine gescheite Infra­struktur für Radwege und fürs Zufußgehen. Grüne KommunalpolitikerInnen sind hier ex­plizit nicht mitgemeint.

Kollegin Herr, das geht jetzt in Ihre Richtung: Wie sehr man da innerhalb Ihrer Partei noch auf Beton setzt, haben wir zuletzt im 2. Bezirk in Wien beobachten können. Es gab die tolle Diskussion um einen Pop-up-Radweg (Zwischenruf der Abg. Herr), eine grüne Idee für einen temporären Radweg, der in Zeiten von Corona gleichzeitig Social Dis­tancing plus aktive Mobilität fördern wollte. Ihre KollegInnen aus dem Bezirk haben uns ausgerichtet: Mit uns sicher nicht! (Abg. Belakowitsch: Super!)

Sie haben vorhin gesagt: witzlos, mutlos, rückwärtsgewandt. – Genau all das ist es. Ich würde mich sehr darüber freuen, wenn Sie Ihre Energie und die Verve, die Sie hier an den Tag legen, auch dafür nutzten, innerhalb der Partei Überzeugungsarbeit zu leisten, denn auch das braucht es noch. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Strasser.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 335

Abschließend möchte ich mich bei Ihnen, Frau Ministerin, für dieses sehr ambitionierte Budget, das Sie ausverhandelt haben, das eine sehr klare grüne Handschrift trägt, be­danken. Das kann sich wirklich mehr als nur sehen lassen. Ich freue mich darauf, dass wir das hier am Donnerstag beschließen werden. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

10.46


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schroll. – Bitte.


10.46.09

Abgeordneter Alois Schroll (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzte Frau Mi­nisterin! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerin­nen und Zuschauer! Eine Budgetdebatte bietet natürlich immer Gelegenheit, auch zu schauen, ob die Ankündigungen umgesetzt werden, ob das eingehalten wird. Gerade weil es natürlich auch ein recyceltes Budget ist, könnte man als Energiesprecher na­türlich sehr, sehr viele Kritikpunkte anführen, aber Schwamm drüber. Reden wir über die ambitionierten Ziele des Regierungsprogramms, die meiner Meinung nach sehr, sehr ambitioniert sind. Frau Ministerin, Kollegin Herr hat es schon gesagt, vielleicht sogar ein bisschen zu ambitioniert, möchte man sagen, wenn man genau ins Detail hineinschaut und sich das Regierungsprogramm durchliest.

Im Bereich Klimaziel und Energiekonzept ist in den letzten zwei Jahren, von 2017 bis 2019/2020, relativ wenig passiert. Es ist jetzt sehr, sehr viel aufzuholen, und Sie, Frau Ministerin, haben da natürlich sehr viel Arbeit. Das Ziel, 2030 100 Prozent Strom aus erneuerbarer Energie zu gewinnen, konnte die letzte Regierung einfach nicht erreichen, es war ein glatter Kurzschluss. Das kann man nur so sagen, weil in dem Bereich leider Gottes nichts passiert ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Neu sind dagegen natürlich die klaren Ausbauziele im Bereich der verschiedenen Tech­nologien und, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, alle Beteiligten und Betroffenen warten darauf, bis dato leider Gottes vergebens. Bis jetzt waren es nur Phrasen, bis jetzt sind es nur Zeilen, die sich sehr schön lesen, aber leider Gottes ohne Power.

Eine ganz große Frage bleibt auch immer wieder unbeantwortet: Wer bezahlt diese am­bitionierten Ziele und was kommt da noch heraus?

Förderschienen: Man könnte jetzt viele, viele Themen ansprechen, ich möchte eines hervorheben – geschätzte Kolleginnen und Kollegen, hören Sie sich das bitte an, denn das ist schon sehr, sehr wichtig –: Wir haben 164 förderfähige Projekte im Bereich Fern­wärmeförderung vorliegen, 90 Millionen Euro werden dafür benötigt, und im Budget ste­hen lediglich 1,5 Millionen Euro. Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, nur eine Zahl dazu: 60 Jahre lang – 60 Jahre! – müssten wir diese Projekte abarbeiten, die jetzt schon auf dem Tisch liegen und schon förderfähig wären.

Das Regierungsprogramm sieht für das Ökostromausbauprogramm 1 Milliarde Euro vor, aber leider Gottes ist kein Anhaltspunkt drinnen, woher diese Milliarde kommen soll. Der Großteil der Förderungen wird ja jetzt schon von den 3,8 Millionen Haushalten in Form der Ökostrompauschale selbst bezahlt. Es kann unserer Meinung nach nicht so sein, dass immer nur die arbeitenden Menschen die Zeche bezahlen müssen. (Beifall bei der SPÖ.)

Energiearmut, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, betrifft uns alle, und dem ist natür­lich entschieden entgegenzuwirken. Leider beinhaltet das Fakebudget des Finanzminis­teriums nichts in diese Richtung. Im Regierungsprogramm wird zwar auf die Energie­armut verwiesen, aber konkrete Maßnahmen fehlen in diesem Zusammenhang leider Gottes.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 336

Ein Beispiel, geschätzte Frau Ministerin, könnten wir uns von unserem Nachbarn Deutschland abschauen: Dort haben die Grünen die Deckelung des Ökostromförde­rungsbetrages eingeführt, und das wäre ein Beispiel, das auch für uns in dieser Richtung infrage kommen würde. Die finanziellen Mittel sollen nicht nur von der Stromrechnung, sondern definitiv auch aus dem Budget kommen. Das wäre ein sehr, sehr guter Ansatz.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, ich möchte auch die Gelegenheit nutzen, um mich hier bei allen in der E-Wirtschaft Tätigen zu bedanken, die gerade in dieser schwierigen Zeit immer zu 100 Prozent oder fast zu 100 Prozent dafür gesorgt haben, dass es Ver­sorgungssicherheit gegeben hat und Strom und Wärme in die Haushalte geliefert wur­den – dafür ein sehr großes Dankeschön an alle E-Versorger in unserem Land.

Geschätzte Frau Ministerin, Herr Staatssekretär, ich glaube, Sie wissen auch darüber Bescheid: Die Energiebranche wartet auf das EA-Gesetz, wir warten auf die Zahlen, auf das Gesetz – es warten alle auf das große Unbekannte. Es braucht dringend klare ge­setzliche Regelungen in diesem Bereich.

Geschätzte Frau Ministerin, Sie haben sehr, sehr viel angekündigt. Sie haben gesagt, im Sommer wird das EAG vorliegen. Wie gesagt, es warten alle darauf. Verlassen wir einen Uraltansatz der letzten Regierungsperiode und gestalten wir moderne partizipati­ve, leistbare und ökologische Energie! Die Zeit ist reif dafür. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

10.51


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Ministerin Ge­wessler. – Bitte.


10.51.09

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Ich möchte nur ganz kurz auf drei Dinge ein­gehen. Ich habe vorhin schon erwähnt, dieses Budget – das Klimabudget, das Energie­budget, auch das Mobilitätsbudget – ist eine Trendwende in der Budgetpolitik in diesem Bereich. Selbstverständlich aber ist Budget nicht alles, zur Erreichung des Ziels Klima­neutralität 2040 werden wir den vollen Instrumentenkoffer brauchen.

Viele von Ihnen haben das EAG erwähnt, das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, daher möchte ich auch noch einmal kurz darauf eingehen. Ich und das gesamte Ministerium, die Abteilung, arbeiten mit Hochdruck an der Finalisierung dieses Gesetzentwurfes. Ich werde aber erst dann ein Gesetz in Begutachtung oder in Verhandlungen schicken, wenn ich davon überzeugt bin, dass wir die Ziele damit erreichen, und wir haben ein Ziel: 2030 100 Prozent Strom aus erneuerbaren Energien. Ich habe vor, dieses Ziel zu errei­chen, und wir werden dieses Ziel erreichen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeord­neten der ÖVP.)

Wir werden dieses Ziel auch deswegen erreichen, weil mein Anliegen und unser ge­meinsames Anliegen auch sein muss, dass wir die handfesten Jobs, die Sie erwähnt haben, in der Voest und in vielen anderen Industriebetrieben in Österreich halten. Des­wegen überlegt sich die Voest heute, was es braucht, damit sie ihre Produktion auf kli­maneutrale Stahlproduktion umstellen kann. Dazu braucht es viele erneuerbare Ener­gien und auch dazu liefert das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz eine Basis. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Wir sichern damit auch die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Energie in der Zukunft. Wir wollen das machen, indem wir uns im Programm einen Deckel vorgenom­men haben: 1 Milliarde Euro – das geht jetzt in diese Richtung (in Richtung Abg. Schroll), auch wenn der Kollege gerade nicht zuhört – für den Ausbau der erneuerbaren Energien.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 337

Das heißt, das Gesetz muss auch dafür sorgen, dass wir mit einer aufrechten Sozialpart­nereinigung, die es zur Finanzierung des Ökostromausbaus gibt, diese Zielerreichung möglichst effizient garantieren, sodass wir die Finanzierung weiterhin in einer sozialen Ausgewogenheit haben können.

Der zweite Punkt ist die Mobilitätspolitik der Zukunft, der Ausbau des öffentlichen Ver­kehrs. Es gibt drei Säulen – ich habe das schon ein paar Mal im Hohen Haus erwähnt –: Es braucht den Infrastrukturausbau; dafür sorgen wir in diesem Budget vor. Es braucht die Angebotsverdichtung – auch dafür sorgen wir in diesem Budget vor –, unter ande­rem, wir haben es letztens einmal hier diskutiert, mit einer besseren Zugverbindung Inns­bruck–Wien auch an den Randzeiten, damit auch da Verlagerung besser stattfinden kann, und mit einer Angebotsverbesserung in vielen anderen Bereichen, nämlich im ländlichen Bereich, bei den städtischen Verbindungen, in die touristischen Zonen, an den Tagesrändern. Es braucht Tickets. Das 1-2-3-Ticket ist ein Baustein für eine leistba­re öffentliche Mobilität. – Für alle drei Bausteine zukunftsfähiger Mobilität sorgt dieses Budget vor, und auch darüber freue ich mich. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeord­neten der ÖVP.)

Zum Schluss noch kurz zu den Öffimilliarden, damit wir auch diese Diskussion gut und sachlich führen können: Die Öffimilliarden – das habe ich im Budgetausschuss auch schon ausgeführt – sind auf mehrere Budgetposten aufgeteilt, denn sie sind sinnvoller­weise ein gesamthaftes Bündel an Maßnahmen, nämlich im Infrastrukturausbau, in der Modernisierung der Infrastruktur, in der Elektrifizierung – also wie macht man Infrastruk­tur auch klimafit? – insbesondere in den Ballungsräumen, aber nicht nur, erstmalige Fi­nanzierung von Stadtregionalbahnen, das wurde gerade erwähnt, die ÖV-Angebote aus­weiten, Dekarbonisierung im Busverkehr unterstützen.

Es gibt, aufgeteilt auf die unterschiedlichsten Budgetposten, genau die Maßnahmen, die in Summe dazu führen, dass wir eine Stärkung des Nahverkehrs und des Regionalver­kehrs über die Legislaturperiode und perspektivisch darüber hinaus mit dem Ziel Klima­neutralität 2040 auch auf den Weg bringen. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie des Abg. Schroll.)

10.55


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Eßl. – Bitte. (Zwischenruf bei der FPÖ.)


10.55.49

Abgeordneter Franz Leonhard Eßl (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine geschätzten Damen und Herren! Zum Budgetentwurf 2020 diskutieren wir mo­mentan die Themen Mobilität und Energie. Es geht um die Umsetzung des Regierungs­programms – ein ambitioniertes Regierungsprogramm, ein ökosoziales Regierungspro­gramm.

Wir wissen natürlich, dass sich auch einiges verändert hat. Wir hatten das Ansinnen, ab 2019 im Staatshaushalt immer mehr einzunehmen als auszugeben, also einen Haus­haltsüberschuss zu erwirtschaften. Die Krise wird aber auch auf den Staatshaushalt ei­nen Einfluss haben. Wir wissen, dass es weniger Einnahmen geben wird.

Mit diesem Budget sollte es trotzdem gelingen, dass alle wichtigen Maßnahmen entspre­chend umgesetzt werden können. Als Beispiel möchte ich den ÖBB-Rahmenplan, der 37 Maßnahmen beinhaltet, anführen. Es sei mir als Salzburger Abgeordnetem aber auch gestattet, einige Projekte aus meinem Bundesland, die wichtig sind, anzuführen und um baldige Berücksichtigung zu bitten: finanzielle Unterstützung der unterirdischen Verlän­gerung der Salzburger Lokalbahn, zweigleisiger Ausbau der Salzburger Lokalbahn zur Herbeiführung eines 15-Minuten-Taktes, Elektrifizierung der Mattigtalbahn, zeitnahe Aufnahme des Baus der Tunnelkette Pass Lueg für eine katastrophensichere und


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schnellere Anbindung in den Süden und finanzielle Unterstützung bei der Dekarboni­sierung der Pinzgauer Lokalbahn.

Es sei mir abschließend auch noch gestattet, drei Sätze zum Thema Energie zu sagen. Dem Thema erneuerbare Energie soll in der Zukunft noch wesentlich mehr Gewicht als bisher verliehen werden. Biomasse ist aus meiner Sicht einer der Schlüssel für eine gute Energiezukunft, und gerade jetzt, da unsere Forstwirtschaft in einer existenzbedrohen­den Situation ist, muss mit einem verstärkten Einsatz von Biomasse reagiert werden. Daher gehören Wärme und Energie aus Biomasse auch entsprechend unterstützt und mit diesem Budget sollte dies auch möglich sein. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der Grünen.)

10.58


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Rauch. – Bitte.


10.58.17

Abgeordneter Walter Rauch (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminis­ter! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Sehr geehrte Zuschauer zu Hause! Frau Bundes­minister, Sie haben es vorhin erwähnt, wir haben eigentlich eine gute Gesprächskultur und -basis im Umweltausschuss. Das ist richtig, das ist auch gut so. Das ist Parlamenta­rismus, das ist Austausch, das ist auch Kommunikation, eben wie man miteinander um­gehen sollte und das auch leben sollte.

Nichtsdestotrotz legen Sie heute Zahlen vor, die im Endeffekt, wie es gestern und heute schon erwähnt wurde, eigentlich dieses Papier nicht würdig sind beziehungsweise das Papier eigentlich nicht wert sind – schauen wir uns nur die Zahlen der nächsten sechs Monate an! Warum? – Es sind weder diese Krise, die Sie am Anfang Ihrer Rede erwähnt haben, miteingeplant noch alle Zukunftsprojekte, die es braucht, um im Umweltbereich, aber natürlich auch im Verkehrsbereich entsprechende Akzente und Maßnahmen zu setzen. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Kollege Eßl hat es vorhin angesprochen, es gibt viele Lokalbahnen, die da nicht abge­bildet sind. Es gibt viele Maßnahmen für erneuerbare Energien, die nicht abgebildet sind. Alles ist also im Endeffekt ein mit Zahlen geschmücktes Papier, nichtsdestotrotz aber ist es dieses Papier, auf dem die Zahlen draufstehen, nicht wert. (Beifall und Zwischenruf bei der FPÖ.)

Ein bisschen kommt mir die grüne Politik so vor, als würden Sie im Auto sitzen, mit Vollgas auf der Tube stehen und darauf vergessen, dass noch ein Koalitionspartner da­beisitzt und die Zündung noch nicht gestartet ist. Sie brauchen also ein bisschen mehr Engagement und auch einmal ein Durchstarten der Zündung, um in diesem Bereich auch aktiv zu werden. Warum? – Das ist ganz einfach, ich gehe dazu auf die Aussagen des Kollegen Schmuckenschlager ein: Er hat vorhin in seiner Rede erwähnt, dass man sich aufgrund der Umfragen noch nicht sicher ist, in welche Richtung es geht. (Abg. Schmu­ckenschlager: Nein, ich habe was anderes gesagt!)

Ich weiß schon, die ÖVP macht Symbolpolitik nach Umfragen, aber nicht nach Ideologie oder nach Gesinnung – das ist der Unterschied zu den Grünen: Bei euch weiß man, wohin es geht. Da (in Richtung ÖVP weisend) weiß man nie, wohin es geht. Das hängt davon ab, wo die Kurve der Umfrage gerade steht. (Beifall bei der FPÖ.)

Das Konjunkturpaket, das Sie erwähnt haben, ist natürlich wichtig und auch in dement­sprechendem Maß voranzutreiben. Was man meines Erachtens und nach Ansicht un­serer Fraktion nicht darf, ist, die Menschen neu belasten. Auf der einen Seite etwas weg­nehmen und auf der anderen Seite wieder etwas dazugeben, aber auch neue Steuern,


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CO2-Abgaben oder eine CO2-Steuer einführen, die Pendler belasten, all das sind Maß­nahmen, die wir jetzt unter dieser Regierung, in der Zeit dieser Krise nicht brauchen können, weil die Menschen schon genug belastet sind.

Wir reden aktuell von über 600 000 Arbeitslosen, von 1,3 Millionen Menschen, die in Kurzarbeit sind. All das sind Dinge, angesichts derer wir die Menschen eher unterstützen müssen, ihnen eher unter die Arme greifen müssen und sie nicht neu belasten dürfen. Dass Sie natürlich jetzt versuchen, Green Jobs zu forcieren, verstehe ich, das ist auch ein guter Ansatz; was genau diese Green Jobs dann sein sollen oder müssen, das muss allerdings definiert werden, auch für die Zukunft, denn das liegt in keinem Papier vor. Es handelt sich dabei um ein Schlagwort, um eine Überschrift, aber was diese Jobs genau sein sollen oder welche Jobs das sein sollen, das steht noch nirgends geschrieben.

Einen Punkt betreffend die Abfallwirtschaft möchte ich noch erwähnen, der auch ein wichtiger Faktor ist: Lebensmittelverschwendung. Wien schmeißt so viel weg, wie Graz pro Tag an Lebensmitteln konsumiert, also an Brot zum Beispiel. All das sind Dinge, an denen deutlich wird, dass die Wertigkeit der Lebensmittel und natürlich auch die Res­sourcenschonung mehr hervorgerückt werden müssen.

Ressourcenschonung ist ein wichtiger Punkt, und auch da hätte ich mir mehr Engage­ment und Initiative von Ihnen, aber auch von Ihrer Fraktion erwartet, aber da kommen wir wieder zu dem Punkt, dass natürlich der Koalitionspartner hinten am Rücksitz sitzt und die Zündkabel im Fahrzeug, im Auto noch nicht zusammengesteckt hat, sodass Sie da nicht zum Starten und auch nicht zum Durchstarten kommen. Deshalb bringe ich betreffend diesen Bereich als Unterstützung, als Anregung auch für Sie folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Einführung eines Pfandsystems für Einweggetränkeverpackungen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie, wird aufgefordert, eine Regierungsvorla­ge vorzulegen, mit der in Österreich ein aufkommensneutrales Pfandsystem für Einweg­getränkeverpackungen eingeführt wird.“

*****

Dies sei eine kleine Anregung in diesem Bereich, diesen Punkt auch umzusetzen. Ich glaube, da sprechen wir fast die gleiche Sprache – der Klotz am Bein sitzt auf dieser (in Richtung ÖVP weisend) Seite. (Beifall bei der FPÖ.)

11.03

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Walter Rauch

und weiterer Abgeordneter

betreffend Einführung eines Pfandsystems für Einweggetränkeverpackungen

eingebracht in der 32. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 27. Mail 2020 im Zuge der Debatte über den Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (55 d.B.):


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Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2020 (Bun­desfinanzgesetz 2020 – BFG 2020) samt Anlagen (183 d.B.) (TOP 7) (UG 43)

Die Evaluierung bestehender Maßnahmen im Sinne des Klimaschutzgesetzes ist eine ständige Notwendigkeit, jedoch darf das Wohl der Österreicherinnen und Österreicher keinesfalls der Erreichung von unhinterfragten Klimaschutzzielen untergeordnet werden. Es gilt praktische Lösungen zu forcieren, die zu einer Verbesserung der Lebensqualität führen und die heimische Umwelt im Sinne der Nachhaltigkeit schützen.

Seit 2003 gilt in Deutschland für bestimmte Einweggetränkeverpackungen eine weitrei­chende Pfandpflicht. Vertreiber von pfandpflichtigen Einweggetränkeverpackungen ha­ben umfangreiche Rücknahmepflichten, das bedeutet, dass abgesehen von wenigen Ausnahmen grundsätzlich jeder Vertreiber alle pfandpflichtigen Einweggetränkeverpa­ckungen der Materialart (Glas, Kunststoffe, Metalle, PPK) zurücknehmen muss, die er im Sortiment führt. Nicht von der Pfandpflicht erfasst sind lediglich Verpackungen, die ein Füllvolumen von unter 0,1 l bzw. über 3,0 l aufweisen, ökologisch vorteilhafte Verpa­ckungen wie Getränkekartonverpackungen (Blockpackungen, Giebelpackungen, Zylin­derpackungen), Getränke-Polyethylen-Schlauchbeutel-Verpackungen, Folien-Stand­beutel sowie Mehrweg-Verpackungen1.

Ein entsprechend nachhaltiges System muss auch in Österreich angestrebt werden. Selbst wenn PET-Flaschen derzeit in der gelben Tonne entsorgt werden, bedeutet das nicht, dass aus ihr wieder eine Flasche oder ein anderes Produkt wird – weil die Sor­tieranlagen nicht alle Flaschen ausfiltern können und nicht alle aussortierten Flaschen verwertbar sind. Insgesamt werden gegenwärtig nur 58 von 100 PET-Flaschen wieder­verwertet – und nur 24 Prozent davon werden wieder zu PET-Flaschen.2

Nicht zuletzt deshalb wünschen sich in Österreich laut einer Online-Umfrage des Linzer Market-Instituts drei Viertel der Österreicher die Wiedereinführung eines Pfands auf Plastikflaschen. Eine Umfrage von krone.at im Sommer 2019 bei den Umweltsprechern der zu diesem Zeitpunkt im Parlament vertretenen Fraktionen sowie bei den Grünen hat ergeben, dass abgesehen von der ÖVP sich alle Parteien für ein Pfandsystem für PET-Flaschen aussprechen.3

Ein Pfandsystem nach deutschem Vorbild ist aus ökologischen Gründen jedenfalls zu begrüßen. Ein - für die Kunden aufkommensneutrales - Pfandsystem würde die Sammel­quote erhöhen und damit zur Ressourcenschonung beitragen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachfolgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie, wird aufgefordert, eine Regierungsvor­lage vorzulegen, mit der in Österreich ein aufkommensneutrales Pfandsystem für Ein­weggetränkeverpackungen eingeführt wird.“

1.          https://dpg-pfandsystem.de/index.php/de/die-pfandpflicht-fuer-einweggetraenkeverpackungen/betroffene-getraenke-und-verpackungen.html

2.          https://www.addendum.org/plastik/plastikmuell-recycling/

3.          https://www.krone.at/1978816

*****



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 341

Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Frau Abgeordnete Elisabeth Götze, Sie gelangen als Nächste zu Wort. Bitte.


11.03.37

Abgeordnete Dr. Elisabeth Götze (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Minis­terin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wertes Publikum vor den Bildschirmen! Aktuell und eigentlich schon seit geraumer Zeit beschäftigen wir uns mit diversen Krisen – Kli­makrise und jetzt Covid-19 –, und ich glaube, es ist offensichtlich, dass wir wissen, wo wir investieren müssen: einerseits in Digitalisierung – wir haben ja auch ein Ministerium, das sich Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaft nennt –, andererseits in Klimaschutz – auch dafür haben wir ein Ministerium – und in Gesundheit – das ist, glau­be ich, eine ganz klare Erkenntnis der letzten Monate. Wenn wir in diesen Bereichen investieren, dann brauchen wir aber auch ganz massiv Forschung in diesen Bereichen. Forschung und Entwicklung, das ist das, was uns absichert und was Österreich voran­bringen wird.

Es fließt in Österreich viel Geld in die Forschung, und wir steigern das sogar noch. Ich spreche da über die UG 34 – das ist der Bereich Innovationen und Technologien –, da haben wir eine Steigerung von 5,4 Prozent, und in der UG 33 – das ist Forschung in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft – sogar eine Steigerung um 9,6 Prozent. Es wurde von meinem Vorredner schon gesagt, dass nicht geplant ist, in diesen Bereichen einzu­sparen – das würde auch gar keinen Sinn machen, weil das genau das ist, was wir brau­chen und was uns krisenfester macht.

Noch ein paar Zahlen: Österreich liegt in der Forschungsleistung auch EU-weit sehr gut. Wir liegen in Bezug auf die Forschungsausgaben gemessen am Bruttoinlandsprodukt mit 3,19 Prozent an zweiter Stelle. Das Ziel der EU sind 3 Prozent, und wir sind an zweiter Stelle, vor uns liegt nur Schweden mit 3,4 Prozent, Deutschland liegt sogar hinter uns. Das sind also Zahlen, die sich durchaus sehen lassen können.

Wo investieren wir? – Einerseits im Bereich von IPCEI, der schon mehrmals erwähnt wurde. Da geht es also um Investitionen in Mikroelektronik und Batterien; Batterien, die – durch Speichern von zum Beispiel Solarstrom oder Solarenergie – sicher auch die Kli­makrise mit bewältigen helfen.

Wir fördern die Zusammenarbeit von wissenschaftlicher Forschung mit der Wirtschaft, also den Technologietransfer, der damit dann auch verbunden ist, aber auch die For­schung, die generiert wird.

Junge, technologieorientierte Unternehmen, also Start-ups, wollen wir unterstützen, bei der Gründung unterstützen – Stichwort Seedfinancing. Da hat Österreich noch einiges an Aufholbedarf.

Ein Punkt, der mir auch sehr wichtig ist: Wir fördern auch die Kreativwirtschaft und In­novationen in diesem Bereich, zum Beispiel in den Bereichen Architektur, Filmwirtschaft, Musikwirtschaft, Software und Games – da sind wir gar nicht so schlecht – und, um vielleicht noch einen Punkt zu nennen, soziale Innovationen. Bei Innovationen geht es ja nicht nur um technologiebasierte Innovationen, sondern auch um soziale Innova­tionen, also Veränderungen darin, wie wir zum Beispiel bestimmte Geschäftsmodelle aufstellen.

Zusammenfassend, glaube ich, kann man sagen: Es ist klar, wir brauchen Forschung, denn Forschung unterstützt den Wirtschaftsstandort Österreich. Von Arbeitsplätzen über Patente, über Wettbewerbskraft der österreichischen Unternehmen – all das wird durch Forschung abgesichert. In diesem Sinne bin ich froh, dass es hier ein klares Bekenntnis zu Österreich als Forschungsstandort, zu Investitionen in Forschung gibt. Wir stehen


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ganz klar für faktenbasierte Politik, für faktenbasierte Entscheidungen, und insofern ist das ein großes Bekenntnis zu Wissenschaft und Forschung. – Danke. (Beifall bei Grü­nen und ÖVP.)

11.08


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Felix Eypeltauer. – Bitte.


11.08.09

Abgeordneter Mag. Felix Eypeltauer (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Geschätzte Frau Ministerin! Herr Staatssekretär! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Wenn man mit den Menschen spricht, es sich selbst überlegt oder sich mit den Studien dazu, die Sie ja auch im Ministerium kennen, befasst, dann weiß man: Bei der Mobili­tätswende zählen erstens die Netzdichte, zweitens die Frequenz und die Verlässlichkeit, drittens der zeitliche Vergleich mit dem Pkw, viertens der Komfort und fünftens ein be­sonders günstiger Preis. Wenn ich bei mir zu Hause in Oberösterreich in den Bezirken unterwegs bin, ganz egal, ob ich in Braunau, in Ried, in Kirchdorf oder in Freistadt bin, dann sagen mir die Leute, vor allem die Jugendlichen oder junge Familien, dort Fol­gendes: Was bringt mir ein billiges Ticket, wenn ich gar kein Öffi vorm Haus habe und wenn ich sowieso das Auto brauche?

Daraus ergibt sich eine ganz klare Priorisierung, nämlich eben keine gleiche Wichtigkeit des 1-2-3-Klimatickets und des Netzausbaus, wie wir das von der Ministerin im Budget­ausschuss gehört haben, sondern eine ganz klare Priorisierung zugunsten eines hand­festen Netzausbaus. (Beifall bei den NEOS.)

Für den letzten Kilometer, meine sehr geehrten Damen und Herren, zwischen dem Bahnhof und Zuhause wird es natürlich auch weiterhin individuelle Mobilität brauchen. Derzeit ist das meistens das Auto. Und warum ist das so? – Weil man es gerade auf dem Land ohnehin braucht. Um Kinder in die Schule zu bringen, Einkäufe zu tätigen, die Oma irgendwohin zu fahren, Nachbarn zu besuchen oder ins Ortszentrum zu fahren, braucht man schlicht und ergreifend den Pkw.

Teilweise ist es schon Carsharing, das ist großartig, teilweise sind es Elektroautos, auch das ist gut, aber zu behaupten, dass man mit einem Bus, der durch jede Kleingemeinde fährt und dort alles abklappert, wie das ja manche meinen, eine Lösung zustande brin­gen kann, ist reine Symbolpolitik.

Diese Busse gibt es auf dem Land, und wissen Sie, wie die Leute sie nennen? – Sie nennen sie Geisterbusse, weil sie nämlich die meiste Zeit am Tag leer herumfahren. Und das ist nicht die Lösung. Die letzten Kilometer zwischen der Haustüre und dem Bahnhof brauchen wir individuelle Mobilität, und wenn das mehr und mehr das Fahrrad ist, freut mich das sehr. Es gibt genügend kleine und größere Städte, die auf diesem Gebiet ge­waltigen Aufholbedarf haben, die Fahrradhighways bauen sollten und wollen, die das Radwegenetz ausbauen und auch die Fußwege verbessern wollen.

Ich selbst als Kommunalpolitiker, immerhin in der Landeshauptstadt Linz in Oberöster­reich, kenne diese Debatte gut genug, und ich sage Ihnen eines, Frau Ministerin: Sie müssen dabei gewaltige Überzeugungsarbeit leisten – wir NEOS unterstützen Sie dabei –, weil die SPÖ und die ÖVP in den Kommunen meistens nicht verstehen, dass es das braucht. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ.) Man muss wirklich mit Nachdruck daran arbeiten, meine sehr geehrten Damen und Herren, um das in die Köpfe der Kommunalpolitiker hineinzubringen.

Sie von den Roten und von den Schwarzen brauchen da überhaupt nicht so laut zu schreien, ich kenne das seit fünf Jahren und erlebe es hautnah: Es ist ein Trauerspiel, wie wenig Verständnis es in Ihren Parteien für moderne Mobilität gibt. Sorry, es ist so! (Beifall bei den NEOS. – Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ.)


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Besonders freut mich als leidenschaftlichen Klappradfahrer und Pendler zwischen den Städten die Verzehnfachung des Fahrradbudgets, aber wissen Sie, warum es so schwie­rig für die Menschen auf dem Land ist, effektiv und komfortabel in das Öffinetz einzu­steigen? (Abg. Kollross: Der Bürgermeister wahrscheinlich! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Sie können gut sehen, warum das so ist, wenn Sie über die Grenze nach Bayern schauen: Unsere Siedlungen sind enorm zerfleddert, in Bayern sind sie sehr kompakt. Die ländlichen Regionen in Österreich, gerade in Oberösterreich und Niederös­terreich, sind katastrophal zersiedelt. Das schaut überhaupt nicht nach professioneller und objektiver Raumplanung aus (Zwischenrufe bei der ÖVP), das schaut aus, als hätten Kinder Bausteinkisten ausgeschüttet. Und diese ganzen Bausteine mit Öffis zu er­schließen, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist einfach unmöglich und sünd­teuer. Auch deshalb sind Menschen auf dem Land darauf angewiesen, oft nicht nur einen oder zwei, sondern sogar drei Pkws pro Haushalt zu haben.

Dafür verantwortlich – jetzt können Sie gleich wieder schreien – zeichnet die ÖVP in den letzten 50 Jahren. Diese Zersiedelung kostet die Menschen auf dem Land jetzt die Le­bensqualität und die Orte auf dem Land jetzt die Zukunft. (Beifall bei den NEOS. – Zwi­schenrufe bei der ÖVP.)

Wer hat also momentan etwas vom 1-2-3-Klimaticket? – Die Städter. Die Gemeinden auf dem Land brauchen kein billiges Ticket, sie brauchen eine gute Anbindung, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Einen letzten Punkt bringe ich noch: Es gibt ein Problem beim 1-2-3-Klimaticket, auf das ich hinweisen möchte. Es basiert auf einer Ein-Euro-pro-Tag-Fixpreislogik, weil es ein Marketingprodukt ist, und das wird im Nachhinein relativ schwierig zu ändern sein. Die Schweizer wollen gerade weg von ihrer Fixpreislogik, weil sie erstens den Preis an die Inflation anpassen wollen und zweitens Passagierströme mit der Bepreisung lenken wollen.

Es wird für Ihre Nachfolgerinnen und Nachfolger, Frau Ministerin, sehr schwierig werden, von diesen in Stein gemeißelten 365 Euro wegzukommen; aber das passiert, wenn das Marketing vor der Substanz kommt. Da sind Sie aber mit Ihrem Koalitionspartner in bes­ter Gesellschaft. (Beifall bei den NEOS.)

11.13


Präsidentin Doris Bures: Der nächste Redner ist Herr Abgeordneter Hermann Gahr. – Bitte.


11.13.20

Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Frau Präsident! Frau Bundesminister! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Die aktuelle Debat­te zeigt: Die Mobilität fordert uns, sie begleitet uns tagtäglich, und ich glaube, wir brau­chen auch Entscheidungen, um gesteckte Ziele erreichen zu können.

Im Gesamten, glaube ich, sehen wir dabei durchaus regionale Unterschiede, und als Tiroler Abgeordneter darf ich auf etwas verweisen: Es gibt Grenzen, und wenn die Belas­tungen durch den Verkehr zu viel werden – wie bei uns am Brenner im Jahre 2019 mit 2,5 Millionen Lkw –, dann kann das die Bevölkerung nicht mehr akzeptieren. Auf der anderen Seite gibt es auch Einschränkungen für die heimische Wirtschaft, wenn der Transitverkehr weiter zunimmt.

Frau Bundesminister, Sie haben heute hier erwähnt, dass es darum geht, den Verkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern. Wir brauchen ja nicht so weit zu blicken: Das Nachbarland Schweiz macht das schon seit vielen Jahrzehnten. Dort wird der Schwerverkehr zu 80 Prozent auf der Schiene und zu 20 Prozent auf der Straße


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abgewickelt, was umweltpolitisch sinnvoll ist, was aber vor allem auch wirtschafts­politisch sinnvoll ist. Ich glaube, die Verlagerung gerade im Güterverkehr ist eine große Herausforderung. Wir in Tirol mit dem Brennerbasistunnel als Infrastrukturprojekt hoffen darauf, dass sich das Ganze nicht, wie im letzten Rechnungshofbericht angekündigt, verzögert, sondern dass wir dieses Projekt möglichst zeitnah fertigstellen können. Meine Bitte, Frau Bundesminister: Wir brauchen dafür unbedingt politischen Druck auf Deutsch­land, auf Brüssel, um die Zulaufstrecken fertigzustellen, um den Güterverkehr dann ins­gesamt auf diese TEN-Achse, welche dann über 1 000 Kilometer laufen soll, verlagern zu können. (Beifall bei der ÖVP.)

Abschließend möchte ich sagen, dass wir alle daran arbeiten sollten, mehr Verkehr auf die Schiene statt auf die Straße zu bringen, den öffentlichen Personennahverkehr auszu­bauen, alternative Antriebskonzepte zu fördern und zu unterstützen.

Alles in allem, glaube ich, kann man oder muss man feststellen: Wir müssen im Bereich der Mobilität an vielen Schrauben drehen, um gesteckte Ziele zu erreichen. Ich wünsche Ihnen, Frau Bundesminister, und uns hier in diesem Hohen Haus alles Gute, dass wir dabei gemeinsam einiges auf den Weg bringen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Lukas Hammer.)

11.15


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Petra Oberrauner. – Bitte.


11.15.54

Abgeordnete Mag. Dr. Petra Oberrauner (SPÖ): Geschätzte Präsidentin! Geschätzte Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zu­schauer zu Hause! Was wollen wir im Bereich Innovation und Forschung für Öster­reich? – Wir wollen zu den wettbewerbsstärksten Nationen aufschließen, und wir wollen von Innovationsfollowern zu Innovationsleadern werden. Dass das auch für ein kleineres Land wie Österreich möglich ist, zeigt uns der Vergleich mit Schweden, Dänemark und den Niederlanden. Wir haben in Österreich wenig Rohstoffe, aber wir haben intellektuel­les Kapital, das wir heben sollten, das wir fördern sollten und das wir entwickeln sollten.

Das ist extrem wichtig, weil unsere Wirtschaft mit ihren Produkten konkurrenzfähig blei­ben und der Standort Österreich Arbeitsplätze über Konkurrenzfähigkeit sichern muss. Das ist angesichts der globalen politischen Veränderungen über wettbewerbsfähige For­schung und Entwicklung möglich, und wir brauchen europäische Eigenständigkeit in den strategisch wichtigsten Bereichen wie den Technologien der Zukunft.

Forschungsprojekte in der Mikroelektronik und in der Batterietechnik, in denen Öster­reich gemeinsam mit europäischen Partnern engagiert ist, sind ein wesentlicher Beitrag zum Klimaschutz. Ich möchte gerade in der Mikroelektronik ein Beispiel bringen, das mich dann zur Argumentation für künstliche Intelligenz und das Forschungsförderungs­budget führt.

Es gibt in meiner Heimatstadt Villach einen Mikroelektronikbetrieb, der vor 25 Jahren, als sich noch niemand für Hightech interessiert hat, von einem Bürgermeister mit viel Mut und einer öffentlichen Investition von 40 Millionen Euro gefördert wurde und sich jetzt dazu entwickelt hat, dass es Silicon Alps gibt. Das ist ein Mikroelektronikcluster, der von 20 kleinen Mikroelektronikbetrieben in Villach auf 140 Betriebe in Österreich ge­wachsen ist. Es gibt die Silicon Austria Labs im Bereich der angewandten Forschung, und es gibt eine Standortinvestition von 2 Milliarden Euro und 1 000 Arbeitsplätzen auf­grund der Rahmenbedingungen, die es in dieser Stadt gibt. (Beifall bei der SPÖ.)

Das ist erfolgreiche Technologie- und Forschungspolitik, und deshalb bitte ich Sie dringend, Frau Minister – und ich schätze Ihre Ansätze sehr –, das Forschungsförderungsgesetz,


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von dem wir seit 2009 reden, endlich auf Schiene zu bringen, es mit Geld auszustatten und wie versprochen die Strategie für künstliche Intelligenz für das nächste Budget vorzulegen. Das wird der entscheidende Punkt für die Entwicklung der Arbeitslosigkeit in Österreich werden, weil wir viele Leute, die in diesen Bereichen jetzt ihre Jobs verloren haben, auch mit Bildung so unterstützen können, dass sie zu Fachkräften werden, die wir in genau diesen Bereichen brauchen und nach denen die Industrie händeringend sucht.

Geben Sie uns die Chance, uns als Österreich zu entwickeln! Geben Sie uns die Chan­ce, zu zeigen, dass wir Leader in diesem Bereich sein können! Das Know-how haben wir, die Voraussetzungen haben wir, die Investition haben wir, und Betriebe mit weltwei­ter Relevanz haben wir auch. Wir müssen es nur tun, und das wird ein Konjunkturpaket, das wirklich greift. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ.)

11.19


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Franz Hörl. – Bitte.


11.19.25

Abgeordneter Franz Hörl (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, den Klima- und Umweltschutz in Österreich weiter hochzuhalten und auch in diesen Zeiten die budgetären Mittel dafür zur Verfügung zu stellen. Für mich als Tiroler Wirtschaftsbundobmann und Unternehmer ist es aber wichtig, dass alle Umsetzungen der Klima- und Umweltpolitik für die Unternehmen tragbar, finanzierbar und vor allem unbürokratisch geregelt sind.

Umwelt- und Wirtschaftspolitik müssen Hand in Hand gehen, damit Chancen auf den Exportmärkten erarbeitet werden können und eben keine neuen Belastungen für die Wirtschaft entstehen.

Die Erreichung der Klimaziele, Frau Bundesminister, ist durch heute verfügbare Techno­logien allein nicht mehr möglich. Für neue Techniken und eine Effizienzverbesserung braucht es Forschung und Weiterentwicklung. Hierzu können die Erhöhung der Mittel des Klima- und Energiefonds, aber auch Ihre anderen budgetären Mittel, die Sie zur Verfügung haben werden, beitragen.

Erneuerbare Energien werden für die Mobilitätskonzepte eine immer größere Rolle spielen. Hier sind die Speicherfähigkeit und damit die Verfügbarkeit zur rechten Zeit aber die große Herausforderung. Batterien und eben Wasserstoff könnten hier Lösungen bie­ten. Ebenso sollte der Bau von Pumpwasserspeichern als Ausgleich zur volatilen Strom­produktion aus Sonnen- und Windkraft weiterverfolgt werden. Und ich bitte Sie auch, den Ausbau der Wasserkraft in unseren Alpen als große Chance und nicht als Belastung zu sehen, denn Sie werden das brauchen, wenn Sie Ihr Ziel, 2030 Strom nur mehr aus erneuerbaren Energien zu erzeugen, erreichen wollen – dies natürlich auch unter dem Aspekt, dass in Zukunft durch die zunehmende E-Mobilität immer mehr Strom gebraucht werden wird.

Mobilität als die große Freiheit unserer Gesellschaft verursacht ein Drittel des CO2-Pro­blems und stellt damit die große Herausforderung unseres Jahrhunderts dar. Sie haben in Ihrem Budget auch die Mittel für die Umrüstung der Busflotten, für neue Stadtregional­bahnprojekte veranschlagt.

In meinem Heimattal, dem größten alpinen Tourismustal, dem Zillertal, versuchen wir bei der regionalen Zillertalbahn, ein großes Wasserstoffprojekt zu realisieren, und zwar mit grünem Strom aus den Zillertaler Kraftwerken; wir haben da den Verbund als guten Partner, als guten Systempartner mit im Boot. Durch die Elektrifizierung dieses Regional­zuges sollten jährlich 900 000 Liter Diesel und 2 400 Tonnen CO2 eingespart werden.


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Ich bitte Sie, Frau Bundesminister, dass Sie auch dieses Projekt unterstützen, genauso wie den Ausbau der Wasserstoffinfrastruktur, und gratuliere Ihnen zu diesem Budget. Ich wünsche Ihnen alles Gute. Sie und der Herr Staatssekretär als Unterstützung werden für Österreich hier gute Arbeit leisten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

11.21


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Peter Schmiedlech­ner. – Bitte.


11.22.11

Abgeordneter Peter Schmiedlechner (FPÖ): Frau Präsident! Geschätzte Frau Minis­ter! Die Bundesregierung hat sich in ihrem Regierungsprogramm das hohe Ziel gesetzt, Österreich zu einem Vorreiter beim Klima- und Umweltschutz zu machen. Die Unter­gliederung Klima, Umwelt und Energie ist von starken Umschichtungen im Zuge der Änderung des Bundesministeriengesetzes betroffen. Hier könnte man durchaus sagen, die ÖVP hat die Grünen abgeräumt wie einen Christbaum.

Die wichtigsten Zahlen: Der Budgetvoranschlag 2020 dotiert für Klima, Umwelt und Energie 461 Millionen Euro, während mit Einnahmen von 188 Millionen Euro gerechnet wird, von denen 184 Millionen Euro großteils mit dem Verkauf von Emissionszertifikaten lukriert werden. Damit kommt es gegenüber dem vorläufigen Erfolg des Vorjahres zu einer Reduktion der Auszahlungen von 30,5 Prozent und der Einzahlungen von rund 70 Prozent.

Eines ist sicher: Umweltschutz wird nicht ohne Landwirtschaft funktionieren. Biodiversi­tät, biologische Vielfalt wird man nur gemeinsam mit den Bäuerinnen und Bauern errei­chen.

Frau Minister, anstatt über die Landwirtschaft zu reden – jetzt ist sie weg (allgemeine Heiterkeit) –, anstatt über die Landwirte zu reden, sollten Sie mit den Bauern und Bäue­rinnen reden. Ich sehe Landwirtschaft und Umwelt als zwei kommunizierende Gefäße: Nur gemeinsam kann man Umweltschutz betreiben.

Frau Minister, während Sie damit beschäftigt sind, Maßnahmen Ihres Vorgängers aufzu­heben und Marketingballons steigen zu lassen, spielt sich eine Umweltkatastrophe direkt vor unserer Haustüre ab, direkt vor unseren Augen: Der Borkenkäfer zerstört Tausende Hektar Wald, die Auswirkungen auf die Umwelt sind katastrophal. Die heimischen Bau­ern bleiben auf dem Schadholz sitzen und können sich nicht einmal die Wiederauf­forstung leisten. Gleichzeitig müssen sie zusehen, wie täglich Hunderte Lkw-Züge Holz von der Sägeindustrie aus dem Ausland importiert werden.

Regional statt global sollte die Devise lauten. – Frau Minister, ich bin gespannt, wann Sie endlich zu handeln beginnen, die Umweltkatastrophe direkt vor unserer Haustüre sollte dringendst gestoppt werden! – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

11.25


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Carmen Jeitler-Cin­celli. – Bitte.


11.25.13

Abgeordnete Mag. Carmen Jeitler-Cincelli, BA (ÖVP): Schönen guten Vormittag, Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätz­te Österreicherinnen und Österreicher! Eines der notwendigen Ziele unserer künftigen Umweltpolitik ist das Erreichen einer Erhöhung der Recyclingquote. Hiezu werden nun komplexe Maßnahmen vorgestellt, wie beispielsweise Pfandsysteme – dazu wurde heu­te ein Entschließungsantrag eingebracht –, mit viel Aufwand und Kosten. Und ganz im Gegenteil zu der Aussage des Herrn Rauch von vorher: Natürlich würde das immense


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Kosten, immensen Aufwand verursachen und die Menschen belasten, wo Sie doch ge­meint haben, Sie wollen die Menschen nicht neu belasten. Es würde die Unternehmen in Österreich, vor allem die kleinstrukturierten, sehr wohl belasten, ein Pfandsystem ein­zuführen. (Abg. Rauch: Wo? Wo?)

Dabei wäre es eigentlich ganz einfach, es gäbe eine ganz einfache Lösung, meine Da­men und Herren: Acht Bundesländer in Österreich trennen bereits restriktiv ihren Müll – acht Bundesländer! Wissen Sie, welches Bundesland den Müll nicht restriktiv trennt? – Meine Damen und Herren, das ist Wien! (Beifall bei der ÖVP. – Heiterkeit und Zwi­schenrufe bei der SPÖ.)

Die vermeintlich saubere Stadt, das grüne Wien, die umweltfreundliche Stadt: Alles lan­det hier weitgehend im Hausmüll, in einem Kübel, in einer Tonne und wird verbrannt. (Abg. Rauch: Die bösen Grünen in Wien!) An dieser Praxis hat sich seit Jahrzehnten leider nichts verändert. Theoretisch bestünde die Möglichkeit, jedoch sehen wir es hinten selbst: Da ist Dosenmüll drinnen, da ist Glasmüll drinnen, ja sogar Altöl wird in den Mistkübel gegeben.

Das Problem ist vielleicht mittelfristig ein Thema, man kann ja den Heizwert erhöhen, es hat ja durchaus Vorteile, an dieser Praxis festzuhalten, aus einer kapitalistischen Über­legung heraus, jedoch jeder vierte Österreicher lebt nun einmal in Wien. (Ruf bei der SPÖ: Weil es dort so schön ist!) Während also alle anderen restriktiv ihren Müll trennen, haben die Wienerinnen und Wiener gar keine praktikable Chance, bei der Mülltrennung im Zuge des Umweltschutzes mitwirken zu können. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Daher ganz klar mein Appell an die SPÖ, vielleicht an die Frau Präsidentin – ich kenne mich bei Ihnen nicht so genau aus, wer da gute Beziehungen ins Rathaus hat, das ist bei Ihnen ein bisschen undurchsichtig (Abg. Belakowitsch: Sagen Sie es einfach den Grünen!) –: Rufen Sie Herrn Ludwig an! Vielleicht spielen Sie es über das Burgenland, das ist vielleicht das Gescheiteste. Rufen Sie dort an und geben Sie auch den Wiene­rinnen und Wienern die Chance, ihren Teil beizutragen, denn die Recyclingquote wird ganz klar nur in Wien nicht erfüllt! (Beifall bei der ÖVP.)

Tun Sie etwas, damit nicht ganz Österreich belastet wird, und geben Sie den Menschen diese gerechte Chance! Es ist doch einigermaßen skurril, Wien ist Hotspot der Fridays-for-Future-Bewegung, der Aktionismus ist hier in Wien, und die Leute haben nicht einmal die Möglichkeit, ihren Müll zu trennen, auch im öffentlichen Bereich keine Chance. Das ist total skurril. Wir brauchen ein österreichweites Trennsystem, das für alle gilt, und dazu benötigt es Wien.

Ich bitte also die Vertreter des offiziellen Wien, nein, ich fordere die Vertreter des offi­ziellen Wien auf: Schaffen Sie für Ihre Bürgerinnen und Bürger diese Recyclingdiskrimi­nierung ab! Schaffen Sie das ab! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

11.28


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dietmar Keck. – Bitte.


11.28.49

Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Herr Staatssekretär! Liebe Kollegin, trotz des ganzen Wienbashings der ÖVP ist Wien 2019 wieder zum x-ten Mal zur lebenswertesten Stadt der Welt gewählt worden. Das sagt alles aus. (Beifall bei SPÖ und Grünen.) Hören Sie endlich mit Ihren nutzlosen Angriffen auf!

Frau Ministerin, Herr Staatssekretär, 2,4 Milliarden Euro wurden für Investitionsprojekte, wie Sie gesagt haben, in diesem Budget veranschlagt, Investitionsprojekte, die auch da­zu dienen, den öffentlichen Verkehr auszubauen, auch die Bahnstrecke Wien–Salzburg, da ist ja schon viel passiert. Auf dieser Zugstrecke gibt es in Niederösterreich kilome­terlange Untertunnelungen. Die Sinnhaftigkeit ist mir nicht klar, denn wenn man oben


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fährt, sieht man dort, wo der Tunnel ist, keine Ortschaft, überhaupt nichts. Anscheinend sind die Tunnel dafür gebaut worden, dass die Jäger freies Schussfeld haben, anders ist es mir nicht erklärlich, dass da kilometerlange Tunnel gebaut wurden. (Heiterkeit bei der SPÖ.)

Und da komme ich zu meinem Problem: Jetzt wird diese Strecke in Oberösterreich aus­gebaut, und da passiert es, dass eine Stadt wie Leonding mit 30 000 Einwohnern geteilt wird. Dort wird kein Tunnel gebaut, dort soll eingehaust werden. Damit wird Leonding ein zweites Berlin. Das heißt, diese Stadt wird durch eine Mauer getrennt werden, und dieses Projekt kostet 100 Millionen Euro.

Jetzt hat es zwar eine UVP gegeben, bei der entschieden wurde, dass es so ist, aber da wurde nur dieses eine Projekt angeschaut. Es gibt einen zweiten Entwurf, einen Vor­schlag der Gemeinde Leonding, der im Gemeinderat einstimmig beschlossen wurde. Dieses Projekt kostet nur 85 Millionen Euro und sieht keine Mauer vor. Das wäre eine Win-win-Situation: 15 Millionen Euro billiger, als die ÖBB vorgeschlagen haben, und eine Win-Situation für die Bewohner, weil sie nicht durch eine Mauer getrennt sind.

Frau Bundesminister Gewessler, ich habe eine Bitte: Schauen Sie sich das wirklich ganz genau an, schauen Sie auf die Bedürfnisse der 30 000 Menschen in Leonding und schauen Sie, dass dieses Projekt, das von den Bewohnerinnen und Bewohnern von Leonding vorgeschlagen wurde, auch umgesetzt wird. Diese Bitte hätte ich an Sie. (Bei­fall bei der SPÖ.)

Das zweite Thema: Frau Bundesminister, Sie haben die Voest erwähnt, die klimaneutral werden will, die ihre CO2-Ausstöße komplett reduzieren will, die ein Projekt mit Wasser­stoff betreibt. Dazu braucht man erneuerbare Energie, aber leistbare erneuerbare Ener­gie. Um das mit Ihnen zu diskutieren, Frau Bundesminister, lade ich Sie sehr gerne zu einem Besuch in die Voest ein. Machen wir uns einen Termin aus, schauen wir uns das Ganze an!

Reden wir darüber, was für die Voest notwendig ist, welche Maßnahmen wir für F & E brauchen, welche Mittel wir brauchen, um das alles umzusetzen. Wir als Voestalpine – und ich glaube, das hat auch das Management gesagt – sind bereit, unseren Beitrag dazu zu leisten. Wir benötigen aber auch den Beitrag der Bundesregierung, und ich hof­fe, dass Sie uns den geben. (Beifall bei der SPÖ.)

11.31


Präsidentin Doris Bures: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeord­nete Julia Herr gemeldet. – Bitte, Frau Abgeordnete. (Ruf bei der SPÖ: Julia, bitte sag es der Kollegin!)


11.31.47

Abgeordnete Julia Elisabeth Herr (SPÖ): Abgeordnete Jeitler-Cincelli hat behauptet, in acht Bundesländern würde Müll getrennt, nur in Wien nicht. – Das ist natürlich falsch, auch in Wien wird höchst erfolgreich Müll getrennt. Gerade in der Müllweiterverarbeitung ist man da tatsächlich sehr gut dabei, und nicht ohne Grund hat Wien daher von allen Bundesländern die niedrigsten CO2-Emissionen und ist mehrmals zur lebenswertesten Stadt der Welt gewählt worden, auch aufgrund der Weiterentwicklungen im Bereich Umwelt und Abfallwirtschaft. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und Grünen. – Ruf bei der ÖVP: Recyclingquote!)

11.32


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Rebecca Kirchbau­mer. – Bitte.


11.32.30

Abgeordnete Rebecca Kirchbaumer (ÖVP): Frau Präsidentin! Werte Frau Bundesmi­nister! Werter Herr Staatssekretär! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Liebe Kolleginnen


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und Kollegen! An Frau Abgeordnete Herr: Meine Kollegin Jeitler-Cincelli hat bei diesem Thema von Recycling gesprochen. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf bei der SPÖ.)

Die Coronakrise hat die Bauarbeiten am Brennerbasistunnel leider zum Erliegen ge­bracht, auf italienischer Seite wird nach wie vor noch nicht weitergebaut. Für den Transit­verkehr in Tirol ist es unglaublich wichtig, dass wir die Verlagerung auf die Schiene schaf­fen, und dazu braucht es für diesen 64 Kilometer langen Tunnel – das soll die längste unterirdische Eisenbahnverbindung der Welt werden – auch die Zulaufstrecken von Bayern nach Tirol sowie auf der italienischen Seite. Die Frau Bundesminister hat uns im Ausschuss schon zugesichert, dass die Mittel dafür, also für den Brennerbasistunnel, vorhanden und gesichert sind.

Was mich auch freut, ist die Dekarbonisierung, für die Sie 80 Millionen Euro budgetiert haben. Davon wird hoffentlich ein Teil der Zillertalbahn zur Verfügung gestellt werden, damit diese mit dem Wasserstoffantrieb eine Vorreiterrolle einnehmen kann. 75 Millio­nen Euro gibt es für den Neubau von Straßen- und Seilbahninfrastruktur, was mich als Obfrau der Sparte Transport und Verkehr besonders freut, und die Mittel für Lärmschutz­wände sind mit 100 Millionen Euro dotiert.

Die schlechte Nachricht ist, dass der Brennerbasistunnel erst mit 2030 fertiggestellt werden soll, was eine Verzögerung von vier Jahren bedeutet. (Ruf bei der SPÖ: ... das wart doch eh ihr!) Ich bitte Sie da wirklich eindringlich, Frau Bundesminister Gewessler, dass das nicht auf dem Rücken der Güterbeförderer, der Frächter und deren Lkw-Fah­rerinnen und -Fahrern ausgetragen wird. Bitte setzen Sie sich dafür ein, die Zulaufstre­cken auf europäischer Ebene zustande zu bringen. Weiters müssen auch für die Lok­führer die Hürden im internationalen Schienenverkehr abgebaut werden, das ist nicht mehr zeitgemäß.

Zum Schluss bitte ich Sie, auf die Güterbeförderer zu schauen, auf die Lkw-Fahrerinnen und -Fahrer zu schauen, denn die waren in der Coronakrise die Heldinnen und Helden, und ich würde Sie bitten, dafür zu sorgen, dass sie auch weiterhin Helden bleiben. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

11.35


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gerald Hauser. – Bitte.


11.35.23

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Minister! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren ja heute das Kapitel Mobilität, und, geschätzte Frau Minister, aus Tiroler Sicht sind wir mit den Mobilitätsbeschränkungen überhaupt nicht einverstanden. Wie Sie ja sicherlich wissen, besteht derzeit keine Möglichkeit, als Tiroler von Osttirol nach Nordtirol in die Landeshauptstadt beziehungsweise als Innsbrucker in das wunderschöne Osttirol zu kommen, weil die Durchfahrt durch Südtirol nicht gestattet ist. Das ist eine wirklich große Einschränkung unserer Mobilität.

Die Osttiroler Bevölkerung ist speziell über den Umstand erzürnt, dass Italien ab 3. Juni die Grenze wieder öffnet und deutsche Gäste durch Tirol nach Italien einreisen dürfen, aber wir Tiroler innerhalb von Tirol nicht reisen dürfen – da kocht die Volksseele wirklich. Ich bitte Sie, geschätzte Frau Minister, Ihrer Verkehrslandesrätin Ingrid Felipe beizuste­hen, damit dieser unerträgliche Zustand endlich geändert wird. Niemand bei uns in Ost­tirol begreift das, es ist eine sehr schwierige Situation!

Sillianer zum Beispiel, die normalerweise maximal eineinhalb Stunden von Osttirol nach Innsbruck fahren, brauchen jetzt dreieinhalb Stunden und müssen diesen Umweg
in Kauf nehmen. Wieso besteht nicht die Möglichkeit, und da spreche ich Sie als


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Zuständige für die ÖBB, für den Postbus an, eine Korridormöglichkeit zu schaffen? Wieso geht das nicht? Das ist doch das Einfachste auf der Welt!

Man kann nicht alles auf Covid-19 schieben und argumentieren: Jetzt haben wir die Co­ronakrise und jetzt geht das nicht! Es muss möglich sein, dass zukünftig – sofort! – eine direkte Busverbindung zwischen Lienz und Innsbruck genauso wie mit dem Zug möglich ist. Ich bitte Sie wirklich inständig: Stellen Sie diese für uns Tiroler unerträgliche Situation ab!

Ich darf zu diesem Punkt noch hinzufügen, dass heute sogar ein Euregiotreffen abgesagt wurde, weil der Trentiner Landeshauptmann nicht nach Innsbruck gekommen ist, das bedeutet, die Europaregion Tirol Südtirol Trentino leidet massiv unter diesem unerträgli­chen Zustand.

Klappe, die zweite, ich darf ein Zitat bringen, 25.5.2018: „Grüne empört über Hubert Gorbachs neuen Job“, „‚Blaue Umfärbeaktion.‘ So toben die Tiroler Grünen über den neuen Aufsichtsrat der Brennerbasistunnel Gesellschaft, Hubert Gorbach.“ Was bringt die Grünen so auf die Palme? „Der ehemalige Vizekanzler und Verkehrsminister Hubert Gorbach [...] wird Aufsichtsrat bei der Brennerbasistunnel Gesellschaft“. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Klappe, die dritte, 11.5. dieses Jahres: Statt Hubert Gorbach werden die ehemalige Bü­roleiterin der Landeshaupmann-Stellvertreterin Ingrid Felipe, Frau Alexandra Med­wedeff, als grüne Aufsichtsrätin und auch Karin Tausz, ebenfalls eine Grüne, als Auf­sichtsrätin entsandt. Also das, was die Grünen selbst immer wieder kritisiert haben, be­treiben sie jetzt selbst massiv! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich sage euch eines, liebe Grüne: Ich tue mich überhaupt schwer, eure Positionen zu kritisieren, weil ich eure Positionen nicht mehr kenne! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf bei der SPÖ.)

11.39


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Elisabeth Pfurtschel­ler. – Bitte.


11.39.40

Abgeordnete Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Ich bin jetzt die dritte Tiro­lerin in der Reihe und ich hoffe, Sie halten es mit uns noch aus.

Ich habe mir für meinen Redebeitrag aus Ihrem wirklich sehr, sehr umfangreichen Kapitel ein Thema herausgesucht (die Rednerin schaut auf ihr Tablet) – und jetzt ist genau das passiert, was ich befürchtet habe, nämlich dass meine Rede weg ist, aber okay, ich kriege es auch so hin –, das im Budget vielleicht nicht mit der höchsten Summe dotiert ist, das ich aber für unglaublich wichtig halte, vor allem für den ländlichen Raum.

In den dünn besiedelten Gebieten – mein Wahlkreis ist ein solches Gebiet – werden wir immer, auch wenn es einen wirklich tollen und intensiven Öffiausbau geben wird, den Privat-Pkw brauchen. Der Individualverkehr, so ehrlich müssen wir sein, wird in den dünn besiedelten Gebieten immer auch notwendig sein. Die Menschen werden für die letzte Meile, wie sie immer genannt wird das ist bei uns dann aber nicht nur ein Kilometer, sondern das sind eher 20 oder 30 Kilometer –, immer den Pkw brauchen. Deswegen ist es mir so wichtig, dieses Thema jetzt kurz mit Ihnen anzudiskutieren.

Wir im ländlichen Raum wollen natürlich auch unseren Beitrag zur CO2-Einsparung und zur Klimaneutralität leisten, deswegen ist es unglaublich wichtig, dass Geld in die For­schung für die alternativen Antriebe gesteckt wird. Sie haben dafür im Budget 20 Mil­lionen Euro vorgesehen, das freut mich ganz besonders. Ich wünsche Ihnen auch sehr


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viel Erfolg, denn genau diese alternativen Antriebe wird es in Zukunft brauchen, um eben die entsprechenden Einsparungen auch im ländlichen Raum sicherstellen zu können. Natürlich braucht es auch weiterhin die Anreizsysteme für die Menschen, dass sie auf alternative Systeme umsteigen, zum Beispiel eben auf E-Autos. Es braucht sozusagen eine Art von Belohnung, wie auch immer die ausschaut.

Was man auf gar keinen Fall vergessen darf und in nächster Zeit stark forcieren soll, ist der Ausbau der Ladeinfrastruktur, sowohl im privaten als auch im öffentlichen Bereich.

Ich komme noch ganz kurz zu einem Thema, das mir sehr wichtig ist, das ich für un­glaublich fortschrittlich und vorausschauend halte und das meiner Ansicht nach in der Diskussion in letzter Zeit ein bisschen zu kurz gekommen ist: das autonome Fahren. Ich glaube, dass gerade auch im ländlichen Raum das teilautonome und autonome Fahren für die Zukunft sehr wichtig sein wird. Es wird Möglichkeiten geben, dass es zum Beispiel Abholdienste gibt, die automatisch in Dörfern funktionieren, und andere Dinge, wie zum Beispiel auch die Verkehrsregelung und das Tempo an stark befahrenen Landstraßen mithilfe des teilautonomen Fahrens zu regeln. Da wir sowieso sehr viel Geld in den Ausbau des Breitbands und in den Ausbau der 5G-Stationen stecken, glaube ich, dass wir das auch dafür nutzen sollten, diese Möglichkeiten, diese digitalen Möglichkeiten, das autonome Fahren stark zu forcieren. Meine Bitte an Sie ist also, auf diese Themen nicht zu vergessen.

Damit Sie mich nicht falsch verstehen: Ich bin natürlich total dabei und unterstütze alle Initiativen für den Öffiausbau, egal, ob das Bahn, Bus, Straßenbahn, U-Bahn betrifft, aber die Menschen im ländlichen Raum brauchen auch den Individualverkehr und sind genauso auf leistbare Mobilität angewiesen. Deswegen meine große Bitte an Sie, auch in diesem Bereich stark zu forcieren. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

11.43


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich die Frau Bundesministerin zu Wort gemeldet. – Bitte.


11.43.56

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Ich möchte noch kurz auf zwei Dinge eingehen, die gesagt wurden, auch deshalb, weil ich bei der Rede des Kollegen Schmiedlechner gerade draußen war und Sie, Herr Kollege, mich angesprochen haben.

Einerseits die Frage ländlicher Raum und Stadt: Für eine Mobilitätswende, für eine Kli­maschutzwende brauchen wir Veränderungen in der städtischen Mobilität und auch Veränderungen in der Mobilität am Land. Ich komme selber vom Land, ich komme aus einer 1 000-Einwohner-Gemeinde in der Steiermark. Mein Schwager arbeitet dort im Schichtdienst. Selbstverständlich wird er, damit er in seine Schicht kommt, auch in Zu­kunft mit dem Auto fahren, vollkommen klar. Unsere Aufgabe, unsere gemeinsame Auf­gabe ist es aber, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass diese Mobilität auch in Zukunft klimafreundlich und emissionsneutral möglich ist. Da spielt die E-Mobilität beim Pkw eine zentrale Rolle.

Deswegen haben wir auch in diesem Budget einen deutlichen Schwerpunkt in der
E-Mobilität, sowohl bei der Förderung der Fahrzeuge als auch bei der Förderung der Ladeinfrastruktur. Zusätzlich gibt es einiges an Forschungsbudget gerade für Forschung und Entwicklung mit neuen Programmen,
Zero Emission Mobility, wobei es auch darum geht, gerade auch schwieriger zu dekarbonisierende Bereiche, wie die Individualmobili­tät, zu dekarbonisieren.

Das Zweite ist selbstverständlich die Landwirtschaft, Sie haben es angesprochen, Herr Kollege Schmiedlechner, als ich gerade draußen war. Die Landwirtschaft ist ein ganz


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wichtiger Faktor, wenn es darum geht, die Klimaziele zu erreichen, und die Landwirt­schaft ist nicht nur ein wichtiger Partner im Erreichen dieser Klimaziele, sondern ist auch gerade jetzt einer der ersten betroffenen. Ich glaube, Sie haben den Borkenkäfer und sein ganz intensives Vorkommen in der Forstwirtschaft erwähnt, wir haben immer mehr Probleme mit Trockenheit.

Es gab Probleme mit Erntehelfern, es gab in der Coronakrise das Thema ich habe es schon einmal so formuliert –, wie Erntehelferinnen, Erntehelfer nach Österreich kom­men. Die Klimakrise wird dazu führen, dass wir uns überlegen müssen, was man in Ös­terreich ernten kann. Deswegen ist es mir so wichtig, dass wir auch in der Landwirtschaft die Möglichkeiten, die wir haben, unterstützen zum Beispiel über die Fördermittel, die wir im Bereich der Gemeinsamen Agrarpolitik haben –, auch dazu nutzen, genau auf diese Herausforderungen eine Antwort zu geben und auch in diesem Sinn umzubauen, dass wir eine klimafitte, das heißt am Ende eine krisenresistente Landwirtschaft in Österreich haben. Das ist wichtig für unsere Versorgungssicherheit, ist aber auch wichtig für den Klimaschutz, nicht nur über die Art der Landwirtschaft, sondern auch über die kurzen Versorgungswege und über die kurzen Wege.

Drei andere Kommentare noch: Zu Leonding ich habe es im Ausschuss auch schon erwähnt –: Es wurden verschiedene Varianten geprüft, ich wurde vom Nationalrat aufge­fordert, einen Bericht zu legen, und das werde ich selbstverständlich tun.

Der Brennerbasistunnel ist in mehrfacher Hinsicht eine der größten Baustellen für die Zukunft der Mobilität in Europa, nicht nur in Österreich. Er ist einer der zentralen Bau­steine, um insbesondere die Tirolerinnen und Tiroler auch faktisch vom Transit zu ent­lasten, und das ist ein Problem. Das ist eine Situation, die nicht mehr länger tragbar ist, daher arbeiten wir – nicht nur in meinem Ministerium, sondern wirklich die gesamte Bundesregierung – daran, bei den Nachbarländern Druck zu machen und auch zu schauen, dass wir wirklich so rasch wie möglich im Zeitplan weiterkommen.

Es gab noch den Verweis auf den geänderten Zeitplan. Die Baustelle des Brenner­basistunnels musste aufgrund von Covid-19 eingestellt werden, das heißt, sie wird jetzt langsam wieder hochgefahren. Der Aufsichtsrat der Brennerbasistunnelgesellschaft wird natürlich auch sehr genau die Auswirkungen und auch die neuen Zeitverläufe evaluieren. Sobald das klar ist, werde ich das selbstverständlich mit einem Bericht aus dem Auf­sichtsrat berichten, der übrigens mit sehr hoch qualifizierten, kompetenten und ich freue mich auch darüber  Frauen durch die ÖBB-Infrastruktur besetzt wurde. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zum Pfandsystem: Eine Einladung zum Pfandsystem möchte ich auch noch an dieser Stelle wiederholen: Wir, Staatssekretär Brunner und ich, haben nächste Woche zu einem runden Tisch im Ministerium eingeladen, zu dem auch alle UmweltsprecherInnen der Parteien eingeladen sind, um eine Studie zu diskutieren, die für das Ministerium darge­legt hat, verschiedene Varianten geprüft hat, wie wir die Ziele, die uns die EU betreffend Sammelquoten vorgibt, aber auch – und das ist ein zentrales Thema – zur Vermeidung des Litterings umsetzen können. Aus dieser Studie kommt das Pfand als volkswirt­schaftlich günstigste Variante heraus, auch die Frage verschiedenster Umsetzungsva­rianten wurde berücksichtigt.

Wir wollen alle einladen, die Studie zu diskutieren, die Inhalte zu diskutieren, verschie­dene Varianten zu diskutieren und damit einen Prozess zu starten, der – auch da bin ich wieder dabei  damit enden soll, dass wir die Ziele erreichen, die wir EU-rechtlich verpflichtet sind zu erreichen, aber die auch im Sinne des Klimaschutzes und im Sinne des Naturschutzes sind und die wir deswegen auch mit hoher Energie und hoher In­tensität weiter verfolgen werden. Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.49



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 353

Präsidentin Doris Bures: Nun gelangen Sie zu Wort, Herr Abgeordneter Christian Ragger. Bitte.


11.49.54

Abgeordneter Mag. Christian Ragger (FPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Geschätz­te Frau Ministerin! Herr Staatssekretär! Ich kann die Aufmerksamkeit heute dankenswer­terweise auf ein Thema lenken, bei dem wir in Europa hervorstechen und federführend als Erste tätig sind: Vor zwei Jahren haben wir es geschafft, ein Projekt hochzuziehen, das einzigartig in Europa ist, nämlich den ersten Zollkorridor in Europa zu gestalten.

Was bedeutet das? – Wir haben uns auf europäischer Ebene zusammengeschlossen, damals das Infrastrukturministerium, aber auch das Digitalisierungsministerium, um eine Entwicklung einzuleiten, sodass wir künftig auf österreichischem Boden – das ist uns nur vor dem EU-Beitritt gelungen – die Verzollung von Waren Europas mithilfe unserer Be­amten machen können. Diese Waren – und da kommen wir jetzt zur Mobilität – werden mithilfe der österreichischen Bahn nach Triest transferiert und von Triest aus in der ganzen Welt verteilt.

Das ist einzigartig, weil es das noch nicht gegeben hat, es bringt aber für uns eine riesige Chance und birgt in einer Zeit der Digitalisierung Potenzial für eine riesige Entwicklung.

Ich möchte mich heute bei der Ministerin bedanken, weil sie es ermöglicht hat, das Projekt Smartlogi weiterzuführen. Wir haben es letztes Mal auch mit Kollegin Schram­böck besprochen, dass dies für Österreich eine riesige Chance birgt. Warum eine riesige Chance? – Wenige werden wissen, dass mit Rail Cargo – weil man immer über die ÖBB so halb lächelnd, teilweise im halbstaatlichen Bereich formuliert – die ÖBB heute Markt­führer in Europa sind. Jede Ware aus Triest, jede Ware aus Venedig, die über Tirol, Kärnten oder die Steiermark kommt – nämlich 60 Prozent dieser Waren –, ist durch Rail Cargo transportiert.

Wenn wir hinkünftig eine europäische strategische Achse im Schienenverkehr bilden wollen, dann müssen wir uns jetzt vergegenwärtigen, dass mit diesem Zollkorridor, der Stadt Villach und Fürnitz, wo wir 200 Hektar brachliegendes Wirtschaftsland haben – Kollege Weidinger nickt gerade –, die ultimative Chance zur künftigen Gestaltung Euro­pas gegeben ist: logistisch auf der Schiene, nicht im Bereich der Frächterei, nicht im Bereich der Spediteure, sondern hoch mobil mit Schiene.

Diese Chance müssen wir in diesem Moment wahrnehmen, weil es auch bedeutet, dass wir dadurch neue Märkte gewinnen. Sie werden wissen beziehungsweise in wenigen Monaten wird man auch erfahren, dass auf einmal auch deutsche Häfen und deutsche Inlandshäfen Interesse am baltisch-adriatischen Korridor entwickeln.

Man denke nur an Dry Port und den Bereich Duisburg zum Beispiel. Duisburg hat sechs Millionen Container zu transportieren – jedes Jahr! Heute fahren sie über Hamburg, morgen über Triest. Die Chance, dass wir das wirtschaftlich nutzen können, ist einzig und allein an einem festzumachen, nämlich indem wir unsere Bahn unterstützen. Wenn uns das gelingt, dann haben wir, glaube ich, ein starkes Signal für die Mobilität in Ös­terreich und für die Schiene gesetzt. – Danke. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.53


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Carina Rei­ter. – Bitte.


11.53.28

Abgeordnete Carina Reiter (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Frau Ministerin! Geschätzter Herr Staatssekretär! Sehr geehr­te Zuschauerinnen und Zuschauer! Die im Regierungsübereinkommen enthaltenen Ver­kehrsziele kann man als sehr ambitioniert bewerten.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 354

Mit den verkehrspolitischen Maßnahmen erreichen wir drei Ziele: für alle Menschen in Österreich die Mobilität gewährleisten und verbessern, Konjunktur- und Beschäftigungs­impulse setzen und – langfristig gesehen – maßgebliche Beiträge zur Klimaschutzpolitik leisten.

Verkehrspolitik ist Konjunkturpolitik ist Klimaschutzpolitik. Das steht in keinem Wider­spruch zueinander, sondern das eine bedingt das andere. Gerade energiewenderele­vante Investitionen schaffen viel inländische Beschäftigung und Wertschöpfung. Wichtig ist, dass durch diese Maßnahmen in allen Bundesländern, in städtischen wie in ländli­chen Regionen Impulse gesetzt werden.

Wesentliche Investitionen in den öffentlichen Nah- und Regionalverkehr sind Teil der Schwerpunkte im Verkehrsbudget. Zwei Punkte darf ich da herausnehmen. Zum einen sind die erstmalige Bundesfinanzierung für Regionalbahnen, für den Neubau von Stra­ßeninfrastruktur mit regionaler Funktion, neue Stadtregionalbahnprojekte wie beispiels­weise in der Stadt Salzburg ein wichtiger verkehrspolitischer Schritt in die richtige Rich­tung und ein wichtiger Impuls für unsere Regionen.

Ein weiterer Punkt ist die Erhöhung der Privatbahnförderung. Dabei handelt es sich um ein mittelfristiges Investitionsprogramm, um wichtige Neu- und Ausbauprojekte der Pri­vatbahnen auch von Bundesseite her effektiv zu unterstützen. Das betrifft in Österreich 17 Privatbahnen, darunter zum Beispiel die Salzburger Lokalbahn und die Pinzgauer Lokalbahn.

Mobilität ist also ein Thema, das uns alle beschäftigt und von dem wir alle betroffen sind. Darum möchte ich mit einem Zitat von Eberhard von Kuenheim schließen: „Mobilität von Menschen und Gütern ist nicht Folge, sondern Grundlage unseres Wohlstands.“ (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

11.55


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Peter Weidinger. – Bitte.


11.55.49

Abgeordneter Mag. Peter Weidinger (ÖVP): Geschätzte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Frau Ministerin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär Magnus Brunner! Werte Kolle­ginnen! Werte Kollegen! Liebe Österreicherinnen und Österreicher! Die Digitalisierung dient nicht dem Selbstzweck, sondern ist nichts anderes, als dass Menschen moderne Techniken anwenden, um Probleme zu lösen.

Deswegen möchte ich mich an dieser Stelle ausdrücklich bei allen Menschen in Öster­reich bedanken, die mitgeholfen haben, dass Homeoffice und Distancelearning zu einem solch großen Erfolg geworden sind. Das Budget, meine Damen und Herren, das wir für Technologie, für Innovation in diesem Kapitel beschließen, ist getränkt von diesem Ko­operationsgeist, nämlich davon, dass wir Geld investieren, um Spitzenleistungen im Be­reich der Forschung zu ermöglichen. Ich denke dabei an bundesgeförderte Comet-Pro­gramme, wie wir sie in Villach in der Carinthian Tech Research AG im Einsatz haben, oder an Firmen wie Bitmovin, eine Kärntner Unternehmung, die von Klagenfurt aus in Wien, Sao Paolo, Washington Büros eröffnet hat, um erfolgreich zu arbeiten.

Lassen Sie mich auf die Basis zu sprechen kommen: Wenn wir Spitzenleistungen haben, dann brauchen wir immer die Breite und die Masse. Dazu sei ein Projekt genannt, das ich mit der HTL Villach aus der Taufe heben durfte, nämlich die digitalen Botschafter. Schülerinnen und Schüler sind eingeladen, ihr Know-how, ihr Wissen, ihre digitalen Fertigkeiten und Fähigkeiten zu teilen. So hat eine 16-jährige HTL-Schülerin die gesamte Volksschule, in die ihre kleine Schwester geht, digitalisiert. Sie hat den Lehrern geholfen, erklärende Videos zu erstellen, und die Kinder haben mit Freude tolle Lernerfolge eingefahren.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 355

Meine Damen und Herren, wenn Sie dieses Budget gerade in diesem Kapitel mitbe­schließen – es wurde von unserer Frau Bundesministerin und von unserem Herrn Staatssekretär erarbeitet –, dann unterstützen Sie eine Geisteshaltung, die auf den Werten der Freiheit, der Eigenverantwortung und auf einer neuen Qualität der Solidarität in der digitalen und in der analogen Welt setzt. Damit werden wir das Comeback für Österreich schaffen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

11.57


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Christoph Stark. – Bitte.


11.58.05

Abgeordneter Christoph Stark (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Herr Staats­sekretär! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Werte Kolleginnen! Werte Kollegen! Ich darf einmal einen Satz hierher stellen, zu dem ich wirklich voll und ganz stehe: Wir können stolz auf unsere Bundeshauptstadt sein. Sie ist in vielen Belangen weltweit anerkannt. Ich glaube, das ist etwas, das man herzeigen kann, worauf wir alle, auch wir Abgeord­neten, wirklich stolz sein können. (Beifall bei der ÖVP.)

Was ich aber mit einem gewissen Schmunzeln momentan wahrnehme, ist, sobald man dieser Tage auch nur eine leise Kritik an der Bundeshauptstadt übt, bekommt die linke Reichshälfte (Rufe bei der SPÖ: ... leise Kritik!) oder das Viertel oder Fünftel einen al­lergischen Schub, weil es immer gleich eine Majestätsbeleidigung ist, wenn man Kritik übt. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich bleibe, meine Damen und Herren, bei der Nomenklatur meiner Kollegin Jeitler-Cin­celli (Zwischenruf des Abg. Loacker): Es ist in der Tat eine Diskriminierung im Recycling, eine Recycling-Diskriminierung, die politisch gesteuert wird. Das ist ein Faktum, bitte nehme Sie es zur Kenntnis, das ist nicht böse gemeint, es ist so! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.)

Ich komme nun zu einem anderen Sektor, zur Mobilität, zu der ich heute kurz bezüglich des Budgets sprechen darf. Ich greife einen Begriff auf, nämlich die Wahlfreiheit. Ja, wir brauchen in den Regionen Österreichs die Wahlfreiheit, welches Mobilitätsangebot man annehmen möchte. Diese Wahlfreiheit muss bestehen bleiben. An uns aber liegt es, ein Mobilitätsangebot zu schaffen, das man wahrnehmen kann. Fakt ist auch, je attraktiver ein Angebot wird, desto mehr Menschen werden darauf zugreifen.

Im ländlichen Raum ist der Pkw einfach nicht so leicht ersetzbar, da bin ich bei Ihnen, Frau Ministerin – das ist so. Es haben sich mittlerweile aber auch Systeme etabliert – ich nenne hier zum Beispiel ein Mikro-ÖV-System, das kürzlich in der Oststeiermark einge­führt wurde, das sehr erfolgreich ist. Die Menschen greifen darauf zu, weil sie sich auch im eigenen Bereich Mobilität ersparen können. Es gibt also nicht nur die Geisterbusse, Herr Kollege Eypeltauer, sondern es sind funktionierende Systeme, die die Mobilität und damit auch den Klimaschutz unterstützen können.

Heute und dieser Tage beschließen wir ein Budget, das das wirtschaftliche, das zahlen­mäßige Fundament ist. Liebe Frau Ministerin, lieber Herr Staatssekretär, ich wünsche Ihnen für die Umsetzung alles erdenklich Gute. (Beifall bei der ÖVP.)

12.00


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Joachim Schnabel. – Bitte.


12.00.55

Abgeordneter Joachim Schnabel (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­schätzte Frau Bundesministerin! Geschätzter Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 356

und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Ich möchte ein­gangs mit einer positiven Zahl starten: plus 23 Prozent. Dieser Wert, plus 23 Prozent, ist der Betrag, um den auf der gesamten Bundesebene mehr in die Infrastruktur investiert wird. In Summe sind das 6,3 Milliarden Euro, von denen wesentliche Teile in die hier diskutierte Untergliederung fließen. 2020 sind somit 900 Millionen Euro mehr an Mitteln vorgesehen, die in den Ausbau der Schieneninfrastruktur, des Straßennetzes, der Lei­tungsinfrastruktur, verstärkt aber auch – das wurde hier schon oft gesagt – in den Rad­wegeausbau fließen.

Zu diesem hier in Bälde beschlossenen Regelbudget kommen aber auch Konjunkturpa­kete, zum Beispiel das 300 Millionen Euro schwere Ausbaupaket für den öffentlichen Verkehr. Der ländliche Raum – ich komme aus dem ländlichen Raum – wird durch den Ausbau der Regionalbahnen besonders unterstützt. So wird in meiner Heimatregion, der Südweststeiermark, der Bau der Koralmbahn vorangetrieben, aber auch die Elektrifizie­rung der Graz-Köflacher Bahn umgesetzt – Stichwort Dekarbonisierung. Außerdem ha­ben wir, wie Kollege Stark erwähnt hat, auch in meiner Region ein starkes Mikro-ÖV-System installiert.

Ein weiteres wichtiges Paket, das für die Infrastruktur und den Klimaschutz wichtig ist – das möchte ich hier als Bürgermeister ansprechen –, ist das am Montag präsentierte Gemeindepaket. Ich möchte Bundeskanzler Sebastian Kurz und Finanzminister Blümel persönlich für die Gespräche danken, die wir führen durften. (Zwischenruf des Abg. Vogl.) Dieses Ein-Milliarden-Euro-Paket ermöglicht uns Gemeinden, am Ende des Lock­downs Planungssicherheit zu haben und für die Zukunft zu investieren. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir können in einer großen Bandbreite – in meiner Region, das sind drei Bezirke, sind das 21 Millionen Euro, die da fließen werden – Investitionen für die Region tätigen, wir können den Unternehmerinnen und Unternehmern Arbeit geben und somit auch Ar­beitsplätze in der Region sichern und schaffen.

In Summe bringen all diese Pakete und das Budget also Maßnahmen und Milliarden­investitionen in die Wirtschaft, die in die Wirtschaft und in die Zukunft, aber auch in den Klimaschutz gut investiert sind. Nehmen Sie all das bitte auch als ein positives Signal, ein positives Signal für ein starkes Comeback Österreichs, ein starkes Comeback aber auch der Bundesländer und Gemeinden, diese sind das Rückgrat der Regionen. – Dan­ke. (Beifall bei der ÖVP.)

12.03


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Lukas Brandweiner. – Bitte.


12.03.56

Abgeordneter Lukas Brandweiner (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundes­ministerin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause vor den Bildschirmen! Die Coronapandemie hat uns die Herausforderungen, aber auch die Möglichkeiten der Digitalisierung aufgezeigt. Gerade haben wir alle es im Homeoffice und bei Videokonferenzen erlebt, dass wir uns viele Kilometer erspart und somit der Umwelt geholfen haben.

Um die Chancen der Digitalisierung aber auch weiter und noch mehr nutzen zu können, braucht es eine entsprechende digitale Infrastruktur, sprich ein gutes Breitbandnetz. Zu­gegeben: Daheim am Stammtisch bin ich ganz froh, wenn nicht immer das Handy schep­pert, aber für unsere Unternehmen, für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Home­office sowie natürlich auch für die private Nutzung brauchen wir eine gute digitale Infra­struktur.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 357

Von der 2013 beschlossenen Breitbandmilliarde sind bereits 800 Millionen Euro in Pro­jekten vergeben und werden auch in diesem Jahr investiert, vor allem im ländlichen Raum. Gerade bei mir im Waldviertel gibt es viele tolle Gemeinden, in denen wir ein sehr gutes Netz haben, es gibt aber noch viel zu viele Gemeinden, in denen Nachholbedarf besteht. Darum möchte ich auch ein großes Danke in mein Heimatbundesland schicken, nämlich nach Niederösterreich. Dort investieren Land und Gemeinden zusätzlich 100 Millionen Euro in den Breitbandausbau. Dafür sowie für den Fahrplan für ein flächen­deckendes Breitbandnetz möchte ich mich bedanken.

Ich appelliere an dieser Stelle aber auch an die Netzbetreiber, denn gerade in den dünn besiedelten Regionen wird oft von vornherein blockiert: Das rentiert sich für uns nicht!, wenn man dann in diesen Gemeinden Siedlungen erschließt und die Gemeinden selbst Glasfaser verlegen, kommen mehrere Netzbetreiber und wollen ihre Leitungen auch hi­neinlegen. Das heißt, in den Zentren haben wir dann oft mehrere Leitungen, in den Ort­schaften draußen haben wir nichts. Das versteht niemand! Ich appelliere an die Netz­betreiber, uns zu unterstützen, und vor allem auch, dass sie, wenn sie Förderzusagen haben, diese auch einhalten und in Umsetzung gehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Breitbandausbau ist eine wesentliche Zu­kunftsinvestition in unseren Regionen, er belebt die Wirtschaft und wird daher natürlich auch zu einem wesentlichen Faktor für die Mobilität. Bund, Länder und Gemeinden sind da gefordert, ich bin aber überzeugt: Miteinander schaffen wir eine gute digitale Infra­struktur für unsere Zukunft. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Bürstmayr und Rössler.)

12.07


Präsidentin Doris Bures: Mir liegen nun zu diesen Untergliederungen keine Wortmeldungen mehr vor. Damit beende ich die Beratungen zu diesem Themenbereich.

Danke vielmals, Frau Bundesministerin Gewessler. Danke, Herr Staatssekretär Brunner.

12.07.16UG 14: Militärische Angelegenheiten


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir zur Untergliederung 14: Militärische An­gelegenheiten.

Ich begrüße Frau Bundesministerin Klaudia Tanner im Parlament und erteile als erstem Redner Herrn Abgeordnetem Robert Laimer das Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.


12.07.35

Abgeordneter Robert Laimer (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Eilt-Meldung: Good News für das Fakebudget! Danke, lieber Jörg Leicht­fried, und danke auch allen JuristInnen und meinen GenossInnen im Klub. Wie vor we­nigen Minuten berichtet wurde, sind der heutige und auch der gestrige Tag rekapituliert eigentlich unter völlig falschen Voraussetzungen zustande gekommen, da es nun doch Nachbesserungen im Budget geben wird.

Meine Damen und Herren, am Beginn meiner Rede möchte ich ein großes Lob und einen Dank an die Soldatinnen und Soldaten, an die Miliz und vor allem auch an die Grund­wehrdiener richten, die in Krisenzeiten wie ein Fels in der Brandung ihre Loyalität ge­genüber Österreich und ihren Einsatzwillen für Österreich mehr als eindrucksvoll unter Beweis stellen. Vielen Dank ihnen allen! (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Ministerin, glauben Sie mir, die Opposition ist sich einig – vielleicht so einig wie noch nie –, dass sich das österreichische Bundesheer Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit von der Politik erwartet und auch verdient.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 358

Frau Ministerin, wo soll ich anfangen? Das Schlamassel Ihrer Politik umfasst die ge­samte Landesverteidigung und beginnt chronologisch beim Eurofighter-Schmiergeld­skandal, den Sie zwar geerbt haben – das ist schon klar –, bei dem aber leider nichts darauf hindeutet, dass Sie da Klarheit schaffen. Nur verbale rauchende Colts in Richtung Airbus helfen in der größten Aktion zur Rückholung österreichischer Steuergelder nicht.

Erschreckend sind bezüglich der wichtigen Aufgaben des Bundesheeres auch die der­zeit herrschende Unbedarftheit und die fehlenden Visionen in der praktikablen Umset­zung der primären Aufgaben unserer Landesverteidigung sowie Ihre noble Zurückhal­tung, wenn es um Budgetverhandlungen mit Ihrem Parteikollegen Blümel geht, wenn es um die notwendige Finanzierung für das Bundesheer geht.

Dazu kommt noch ein Murks beim Milizeinsatz. Vollmundig haben Sie gemeinsam mit dem Bundeskanzler die größte Mobilisierung der Miliz in der Zweiten Republik angekün­digt. – Daraus wurde nichts. Es hat zwei Monate gedauert, bis die ersten Soldaten zum Einsatz ausrücken konnten, was dann auch nur in einer sehr abgespeckten Miniversion erfolgte. Zu diesem Zeitpunkt, Frau Ministerin, war der Höhepunkt der Virusverbreitung aber schon längst überschritten. Es haben die Gasthäuser offen gehabt, die Geschäfte schon wieder aufgesperrt. Selbst einige Landespolizeidirektionen haben jetzt nicht mehr gewusst, wie und wo man die Milizsoldaten überhaupt noch einsetzen soll.

Meine Damen und Herren! Man darf und will sich auch nicht vorstellen, dass es zum Beispiel zu einem landesweiten Blackout kommt; das kommt nämlich blitzartig. Gehen wir davon aus, wir sind für mehrere Tage ohne Strom und Wasser. Bei dem Tempo, das jetzt bei der Einberufung der Miliz vorgelegt wurde, hätten wir eher den Zusammenbruch der Versorgung Österreichs erlebt als die tatkräftige Hilfe des Bundesheeres mit der Mi­liz. (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Minister, das ist aber nicht die einzige vollmundige Ankündigung, die wir von Ihnen gehört haben. Auch die Ausführungen zum Heeresbudget waren anfangs vielverspre­chend, entpuppten sich aber näher beleuchtet als türkiser Flop. Inszenieren, statt für die Anliegen des Bundesheeres zu agieren, reicht eben für ein Land, das sich zur immer­währenden Neutralität bekannt hat, nicht aus. Aufgrund der komplexen internationalen Sicherheitslage ist es zusehends ein Spiel mit dem Feuer, wenn die umfassende Lan­desverteidigung nicht mehr gewährleistet werden kann.

Frau Minister! Das Starlinger-Strategiepapier muss die Grundlage für unser Handeln im Bereich der Landesverteidigung bilden und bleiben. Daher rücke ich auch nicht von der Forderung ab, das Landesverteidigungsbudget aufzustocken. Für heuer erwarte ich mir von Ihnen Nachbesserungen und eine deutliche Erhöhung des Budgets, so wie vor der Nationalratswahl eine klare Mehrheit im Hohen Haus dafür eingetreten ist.

Es muss endlich auch politisch entschieden werden, wie die aktive Luftraumüberwa­chung sichergestellt wird. Heuer ist Deadline.

Die Miliz gehört unbedingt gestärkt, sie ist unverzichtbar und ein gleichwertiger Arm un­seres Bundesheeres. Da bin ich für einen Paradigmenwechsel: Mobilität statt Inferiorität, wie aktuell in zwei Monaten Covid-Einsatzplan. (Abg. Michael Hammer: Die Rede ist inferior!)

Die Cyberdefence-Aktivitäten des Bundesheeres müssen intensiviert und ausgebaut werden. Ein über Wochen andauernder Angriff wie auf das österreichische Außenminis­terium darf in Zukunft nicht mehr stattfinden. Österreich muss sich für Blackouts wapp­nen. Um der Bevölkerung ein stärkeres Sicherheitsgefühl zu geben, wären sogenannte Sicherheitsinseln, die im Bedarfsfall genutzt werden, von großem Vorteil.

Ich denke, ganz wichtig ist auch, das Kaputtsparen der Heeresspitäler zu überdenken. Im Gegenteil, wir müssen dort investieren, um zum Beispiel – aufgrund der aktuellen Lage und das wird auch für die Zukunft wichtig sein – Epidemiezentren einzurichten.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 359

Das gesamte Bundesheer ist für uns alle eine große Herausforderung in Rot-Weiß-Rot. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.13


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Michael Hammer. – Bitte.


12.13.54

Abgeordneter Mag. Michael Hammer (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Geschätzte Da­men und Herren! Ich werde jetzt nach dieser inferioren Rede des Kollegen Laimer (Ruf bei der SPÖ: Hallo!), die einfach ein Stückwerk verschiedenster Dinge war, in das Thema Landesverteidigung einsteigen.

Die Bundesregierung – das möchte ich eingangs sagen, und das wurde auch in den letzten Tagen bei der Generaldebatte immer gesagt – hat einige ganz große Schwer­punkte im Budget gesetzt. Einer davon ist der Bereich Sicherheit, und da wird es nicht nur für den Bereich innere Sicherheit, über den wir gestern schon diskutiert haben, son­dern vor allem auch für das österreichische Bundesheer in diesem Budget definitiv mehr Geld geben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Es braucht diese zusätzlichen Mittel für die Landesverteidigung auch dringend. Wir sehen es gerade in der aktuellen Situation, welche Aufgaben und Kompetenzen das österreichische Bundesheer hat und welche Aufgaben es zu erfüllen hat. Es ist auch wichtig und notwendig – das sieht man jetzt –, eine strategische Reserve zu haben. Das österreichische Bundesheer ist in solchen Fällen die Sicherheitsgarantie und kann dann wirklich auch noch aushelfen, wenn andere das nicht mehr leisten können. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.)

Bevor ich im Detail auf das Budget eingehe, möchte ich aber schon noch Folgendes sagen: Was es nämlich für das österreichische Bundesheer und für die Landesverteidi­gung abgesehen vom Geld auch braucht, ist, dass man zum österreichischen Bundes­heer und zur Landesverteidigung steht und dem österreichischen Bundesheer ideell immer den Rücken stärkt. Da ist es nicht angebracht, wenn aufgrund einer einzigen anonymen Eingabe über eine Unterbringungssituation im Einsatzfall der Wehrsprecher der SPÖ in einer unflätigen Art und Weise über das österreichische Bundesheer und über die Soldaten herfällt, ohne dass er sich vor Ort anschaut, wie die Unterbringungs­situation ist. Das ist wirklich letztklassig und peinlich! (Abg. Vogl: Letztklassig ist ...! – Zwischenruf der Abg. Greiner.) Es heißt, hinter dem Bundesheer zu stehen und nicht in einer Presseaussendung über das österreichische Bundesheer herzufallen. (Beifall bei der ÖVP.)

Das ist der Gipfel der Peinlichkeit! Die Parlamentarische Bundesheerkommission hat sich die Situation vor Ort angeschaut und festgestellt, dass dort professionell unterge­bracht und professionell gearbeitet wird, und der Wehrsprecher der SPÖ ist davor in einer total undifferenzierten Art über das Bundesheer hergefallen. – So geht es nicht, das ist unangebracht! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich möchte aber jetzt auch die Gelegenheit nutzen, um mich bei den Bundesheerange­hörigen und bei all jenen, die jetzt Dienst versehen – ob es Grundwehrdiener sind, ob es Kaderpersonal ist, ob es Zivilbedienstete sind, denn die sind auch im Einsatz, oder na­türlich die Miliz –, wirklich für deren Einsatz zu bedanken und ihnen zu dem, was da geleistet wird, zu gratulieren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Zum Budget im Detail: Mit 2,54 Milliarden Euro im Jahr 2020 ist es das höchste Vertei­digungsbudget, das wir jemals gehabt haben; das ist einfach ein Faktum. Das ganz Entscheidende ist – und das unterscheidet auch die Planungen von den bisherigen –,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 360

dass wir in den Folgejahren ein reines Verteidigungsbudget in dieser Höhe haben. Das sind um rund 400 Millionen Euro mehr als in den Bundesfinanzrahmengesetzen, die noch aus der Doskozil-Zeit oder aus der Kunasek-Zeit kommen. Es ist auch wichtig, ein großes reines Budget zu haben und über Sonderinvestpakete, für die es ebenfalls ent­sprechende Zusagen gibt, noch Schwerpunkte zu setzen.

Zwei Bereiche, in denen wir in den nächsten Jahren wirklich entsprechende Investitionen brauchen, sind natürlich die Ausstattung und die Miliz. Wir werden in diesem Bereich heute einen Entschließungsantrag einbringen, mit dem wir sozialrechtliche Benachteili­gungen im Bereich der Miliz beseitigen werden.

Ein zweiter wesentlicher Punkt – das hat sich in der Krise gezeigt, es wurde auch das Thema Blackout angesprochen – ist einfach, die Resilienz, die Widerstandsfähigkeit des österreichischen Bundesheeres, der Kaserneninfrastruktur zu stärken. Wir werden einen gemeinsamen Entschließungsantrag der Regierungsparteien einbringen, damit man dort einen Schwerpunkt setzt, wo es darum geht, die Durchhaltefähigkeit entsprechend zu stärken.

Ich darf jetzt folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Michael Hammer, David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Stärkung der Miliz durch Wegfall sozialrechtlicher Nachteile“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, die gegenwärtigen sozialversicherungsrechtli­chen Rahmenbedingungen für Wehrpflichtige des Milizstandes umfassend zu evaluie­ren, entsprechende legislative Maßnahmen vorzubereiten und deren Finanzierbarkeit vorzusehen, um für diesen Personenkreis erkannte soziale Benachteiligungen bei Prä­senzdienstleistungen im Bundesheer dauerhaft zu beseitigen. “

*****

Das ist ein wesentlicher Punkt im Bereich der Miliz.

Abschließend darf ich mich bei dir, Frau Bundesministerin, sehr, sehr herzlich bedanken, zum einen für die Verhandlungen zum Verteidigungsbudget und zum anderen auch da­für, dass tagtäglich gezeigt wird, wie man als Ministerin hinter dem österreichischen Bun­desheer steht und vor Ort bei der Truppe ist. Das ist gerade in Zeiten wie diesen beson­ders wichtig und wird sehr geschätzt. Ich darf mich sehr, sehr herzlich bedanken. Ich glaube, wir haben mit diesen Budgets eine gute Basis und können im Bereich der Lan­desverteidigung gesichert in die Zukunft investieren, was auch notwendig ist. – Danke sehr. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

12.19

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Unselbständiger Entschließungsantrag

§ 55 GOG-NR

der Abgeordneten Mag Michael Hammer, David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Stärkung der Miliz durch Wegfall sozialrechtlicher Nachteile


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 361

eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Budgetausschusses über die Regie­rungsvorlage (55 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2020 (Bundesfinanzgesetz 2020 - BFG 2020) samt Anlagen (183 d.B.) (TOP 7) UG 14

Das im Bundesvoranschlag 2020 der UG 14 Militärische Landesverteidigung darge­stellte Wirkungsziel „Sicherstellung der Reaktionsfähigkeit im Rahmen der militärischen Landesverteidigung auf sich dynamisch verändernde sicherheitspolitische Verhältnisse unter Gewährleistung der staatlichen Souveränität“ wird durch die Maßnahmen „Stär­kung der präsenten Einsatzkräfte“ und „Stärkung der Miliz“ verfolgt, wobei sich letztere an der Anzahl der einsatzbereiten Milizverbände misst. Die Einsatzbereitschaft hängt in personeller Hinsicht besonders von der Motivation der freiwillig für die Republik Öster­reich tätigen Soldaten ab.

Derzeit bestehen jedoch Ungleichheiten im Sozialrecht zwischen temporär Präsenz­dienstleistenden und beispielsweise Nicht-Wehrpflichtigen in puncto Verminderung von Urlaubsansprüchen unter bestimmten Voraussetzungen, Schwierigkeiten beim Erwerb anrechenbarer Pensionszeiten, Verlust von Kinderbetreuungsgeld und Familienzeitbo­nus. In den einschlägigen Bundesgesetzen sollten sozialrechtliche Nachteile wegfallen, sodass die Wehrmotivation der Milizsoldaten erhalten bleibt, die Personalgewinnung für die selbstständig strukturierten Milizorganisationselemente unterstützt und es somit ins­gesamt zu einer Stärkung der Miliz kommt.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, die gegenwärtigen sozialversicherungsrechtli­chen Rahmenbedingungen für Wehrpflichtige des Milizstandes umfassend zu evaluie­ren, entsprechende legislative Maßnahmen vorzubereiten und deren Finanzierbarkeit vorzusehen, um für diesen Personenkreis erkannte soziale Benachteiligungen bei Prä­senzdienstleistungen im Bundesheer dauerhaft zu beseitigen.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Nächster Redner: Herr Abgeordneter Reinhard Eugen Bösch. – Bitte.


12.19.18

Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (FPÖ): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Kollege Hammer hat erklärt, dass diese Bundesregierung einen Schwerpunkt auf die Sicherheitspolitik lege. Das mag im Innenministerium der Fall sein – wir erreichen dort ein Budget von etwa 3,3 Milliarden Euro –, das ist aber in Bezug auf das Landesverteidigungsbudget leider Gottes nicht der Fall.

Sie ignorieren mit diesen Zahlen – und damit meine ich nicht Sie, Sie werden sich schon bemüht haben, Frau Bundesministerin, damit meine ich Ihre Partei, denn die kenne ich jetzt hinsichtlich dieses Themas seit vielen Jahren – den Appell des Herrn Generalstabs­chefs vom Frühling vergangenen Jahres, und Sie ignorieren auch die klaren Zahlen, die mit dem Konzept Unser Heer 2030 auf den Tisch gelegt wurden. Sie machen einen klei­nen Fortschritt in Bezug auf die Budgetzahlen für das Jahr 2020. Diese kleine Über­schreitung von 2,5 Milliarden Euro ist aber alten Paketen geschuldet, die schon von Ihren


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 362

Vorgängern auf den Weg gebracht worden sind. Und wir brechen, lieber Kollege Ham­mer, ab nächstem Jahr wieder auf unter 2,5 Milliarden Euro herunter. Das ist weit, weit unter den Beträgen, die gebraucht würden, um die Weiterentwicklung des österreichi­schen Bundesheeres sicherzustellen.

Ich darf mir deshalb erlauben, einen Dreiparteienantrag einzubringen, um zu bekräftigen, dass ein großer Teil des Nationalrates, ein großer Teil der österreichischen Volksvertre­tung mit den budgetären Zahlen, die Sie in Bezug auf die Landesverteidigung für dieses Jahr auf den Tisch legen, nicht einverstanden ist.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Reinhard Eugen Bösch, Robert Laimer, Douglas Hoyos-Trautt­mansdorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend „dringend notwendige Erhöhung des Bundesheer-Budgets“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass, im Hinblick auf den Investitionsrückstau des Österreichischen Bundesheeres im Bereich der militäri­schen Ausrüstung, Gerät und Kaserneninfrastruktur, eine budgetäre Ausstattung in der Höhe von 2,6 Mrd für das Jahr 2020 – dies auf Basis des BFRG zuzüglich der bereits genehmigten bzw. in Umsetzung befindlichen Sonderinvestitionspakete ‚Hubschrauber und Mobilität‘, und 3 Mrd für das Jahr 2021 vorgesehen wird.

In den weiteren Jahren sind die notwendigen budgetären Mittel zur Verfügung zu stellen, um einen verfassungskonformen Zustand des Österreichischen Bundesheeres zu ge­währleisten.

Große Beschaffungsvorhaben, wie zum Beispiel Flugzeuge für die Luftraumüberwa­chung, sind durch weitere Investitionspakete zusätzlich zum Regelbudget abzudecken.“

*****

(Beifall bei der FPÖ.)

Meine Damen und Herren! Wir bringen diesen Antrag in Verantwortung für die Sicherheit unserer Republik ein. Wir lesen in Ihrem Regierungsprogramm, Frau Bundesministerin, dass Sie auch die „Sicherstellung und Weiterentwicklung [...] des Österreichischen Bun­desheers unter Berücksichtigung der Eintrittswahrscheinlichkeiten von Bedrohungssze­narien“ vorhaben. Das ist ein schöner Satz, gegen den niemand etwas haben kann, auch ich nicht, nur: Wir kennen diesen Satz als eine Tarnbezeichnung dafür, dass im Rahmen dieser Weiterentwicklung das österreichische Bundesheer in seinen Strukturen drama­tisch geschädigt wird. Wir haben das in den letzten Jahrzehnten erlebt, und wir be­fürchten das auch in Ihrer Regierungszeit. Wir befürchten, dass Sie in Ihrer Regierungs­zeit die Struktur des Bundesheeres weiter herunterfahren und dass keine Rede mehr von der strategischen Handlungsreserve für die Republik sein kann.

Sie sollten sich an der Verfassung orientieren, meine Damen und Herren der ÖVP, an der Bundesverfassung. Das ist ja nicht nichts, die Verfassung unserer Republik! Dort stehen die Prioritäten drinnen, dort stehen die Aufgaben des österreichischen Bundes­heeres drinnen, zum Beispiel die Landesverteidigung. Ich darf Sie daran erinnern, dass in Europa ein Krieg, ein konventioneller Krieg schwelt, und zwar in der Ukraine. Ich darf Sie daran erinnern, dass viele europäische Staaten, auch die Europäische Union nicht mehr nur Strukturen nicht zurückbauen, sondern im Gegenteil konventionelle militäri­sche Strukturen wieder aufbauen, um gerüstet zu sein. Wir werden das auch tun müs­sen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 363

Ich darf Sie an die Assistenzfähigkeit des Bundesheers erinnern. Wir haben jetzt eine Pandemie und ein unvorbereitetes Bundesheer erlebt. Wir müssen wieder mit Massen­migration rechnen, wir müssen wieder mit Terrorismus rechnen, wir haben ein Blackout zu erwarten – Kollege Laimer ist darauf eingegangen –, wir wollen Sicherheitsinseln einrichten. Ich stimme diesem Antrag zu, den die Regierungsparteien heute einbringen werden. Das ist eine alte Forderung von uns. Die ist schon in unserem gemeinsamen Regierungsprogramm gestanden. Warum sollten wir da nicht zustimmen? Wir werden es tun.

Meine Damen und Herren! Wir haben als Drittes die Auslandseinsätze, die wir sicher­stellen müssen. Dazu braucht es aber eine Struktur der Armee, die dazu fähig ist. Loyalität, meine Damen und Herren der ÖVP, ist keine Einbahnstraße. Wenn wir von den Soldatinnen und Soldaten verlangen, dass sie ihre Leistung erbringen, dann müssen wir ihnen die Grundlagen dafür bieten. Dazu ist die Politik verpflichtet, dazu sind Sie verpflichtet, dazu ist die Regierungspartei ÖVP verpflichtet.

Wir haben den Soldaten für ihre hervorragende Arbeit die notwendigen Grundlagen be­reitzustellen, wir haben eine zufriedenstellende Gehaltssituation sicherzustellen, wir ha­ben die Kasernen zu sanieren, wir haben die Kfz-Situation zu verbessern, wir haben die Nachtsichtmöglichkeit, den Selbstschutz des Soldaten zu verbessern. All diese Dinge, meine Damen und Herren der ÖVP, werden mit diesem Budget nicht oder nicht zufrie­denstellend möglich sein. Deshalb sind dieses Budget und Ihre Politik keine Weiterent­wicklung der österreichischen Sicherheitspolitik in ihrer Gesamtheit, sondern sie sind ein verantwortungsloser Rückschritt. Wir werden uns weiterhin bemühen, die Oppositions­parteien werden sich bemühen, dass diese Politik im Hinblick auf eine vernünftige Si­cherheitspolitik der Republik geändert wird. (Beifall bei der FPÖ.)

12.25

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Dr. Bösch, Laimer, Hoyos-Trauttmansdorff

und weiterer Abgeordneter

betreffend dringend notwendige Erhöhung des Bundesheer-Budgets

eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 7, Bericht des Budget­ausschusses über die Regierungsvorlage (55d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2020 (Bundesfinanzgesetz 2020 – BFG 2020) samt Anlagen (183d.B.), Untergliederung 14 – Militärische Angelegenheiten, in der 32. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 27. Mai 2020

Verteidigungsministerin Tanner hat bei den Budgetverhandlungen versagt. Der Entwurf zum Bundesvoranschlag 2020 sieht für die UG 14 - Militärische Angelegenheiten im Finanzierungshaushalt Auszahlungen in der Höhe von 2,5 Milliarden EUR vor. Mit den vorgelegten Budgetzahlen ignoriert Bundesministerin Tanner den katastrophalen Zustand und die dramatische Unterfinanzierung des österreichischen Bundesheeres! Das Bundesheer ist weit weg davon, seine von der Bundes-Verfassung vorgegebene Aufgabe, die militärische Landesverteidigung, auch nur in Ansätzen erfüllen zu können.

Auf Grund der immerwährenden Neutralität ist Österreich verpflichtet alles zu tun, um das eigene Land, die Heimat, zu verteidigen. Dafür bedarf es der militärischen Landes­verteidigung durch das Bundesheer, welches als Einsatzheer zu führen und nach den Grundsätzen eines Milizsystems einzurichten ist.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 364

Das Österreichische Bundesheer ist aufgrund jahrzehntelanger Unterfinanzierung nicht mehr in der Lage seinen verfassungsmäßigen Auftrag vollumfänglich zu erfüllen. Der Generalstab hat in seiner Broschüre „Effektive Landesverteidigung! – Ein Appell“ und später mit dem Bericht „Unser Heer 2030“ ganz klar die problematische finanzielle Ist-Situation dargestellt.

Dass die ÖVP unterstützt von ihrem Koalitionspartner die Budgetnot des österreichi­schen Bundesheeres nicht ernst nimmt, zeigt sich an der Richtung die von eingeschla­gen wurde: Das Bundesheer soll in Aufgaben und Umfang an das niedrige Budget ange­passt und die umfassende Landesverteidigung abgeschafft werden!

Dieser Kurs würde bedeuten: weniger Bundesheer, Auflösung von Bataillonen, weniger einsetzbare Soldaten, weniger Gerät, weniger Ausbildung und damit einen massiven Fähigkeitsverlust. Ein klarer Bruch der Bundes-Verfassung.

Vom Vertreter der selbsternannten „Sicherheitspartei“, im Sommergespräch von Sebas­tian Kurz am 2.9.2019 konnte schon entnommen werden:

„Kurz: (…) Was das Bundesheer betrifft, ja, da gibt es eine budgetäre Herausforderung, da gibt es aber auch sehr viel Reformbedarf. Es haben sich die Sicherheitsbedrohungen verändert und man kann nicht mehr überall gleich viel investieren, sondern man muss vor allem in neuen Bereichen investieren. Wir müssen besser werden bei der Cyber-Sicherheit und vielleicht ist der Panzerkampf im Weinviertel nicht mehr das Zukunftsbe­drohungsszenario.“

Die militärische Landesverteidigung wird daher im jetzigen ÖVP Regierungsprogramm nicht einmal mehr genannt.

Im Hinblick auf den Investitionsrückstau im Bereich der militärischen Ausrüstung, des Geräts und der Kaserneninfrastruktur braucht unser Bundesheer für die uneinge­schränkte Einsatzfähigkeit einen erheblichen finanziellen Schub. Viele dringend notwen­dige Beschaffungsentscheidungen stehen an, sind eigentlich überfällig. Die Milizverbän­de und -einheiten weisen einen dramatischen Fehlbestand an Personal und Material auf, der umgehend beseitigt werden muss. Für eine mobilzumachende Miliz ist es unabding­bar, wieder verpflichtende Waffenübungen einzuführen. Moderne Ausrüstung für Miliz und GWD muss gewährleistet sein, denn sie sind die unverzichtbaren "Arme und Beine" unserer Armee! Diese Maßnahmen sind umgehend umzusetzen.

Verbal hat die ÖVP den Sinneswandel beim Bundesheer schon zig-mal vollzogen, es ist nun endlich an der Zeit diesen Sinneswandel auch monetär zu vollziehen.

Es ist jetzt das Gebot der Stunde, das vorgelegte Budget 2020 auf Grund der Krise zu erhöhen, das Regelbudget rasch ab 2021 auf 3 Milliarden Euro zu erhöhen und mit Son­derpaketen die Mobilität der Truppe, den Zustand der Kasernen, die Sanitätsversorgung und eine moderne Ausrüstung zu gewährleisten.

Das Ziel muss natürlich auch eine sukzessive Anhebung des Verteidigungsbudgets auf ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts bis 2030 sein, damit das Bundesheer seinen ver­fassungsmäßigen Auftrag wieder erfüllen kann und die österreichische Landesverteidi­gung über eine langfristige budgetäre Sicherheit verfügt.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass, im Hinblick auf den Investitionsrückstau des Österreichischen Bundesheeres im Bereich der militäri­schen Ausrüstung, Gerät und Kaserneninfrastruktur, eine budgetäre Ausstattung in der


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 365

Höhe von 2,6 Mrd für das Jahr 2020 – dies auf Basis des BFRG zuzüglich der bereits genehmigten bzw. in Umsetzung befindlichen Sonderinvestitionspakete „Hubschrauber und Mobilität“, und 3 Mrd für das Jahr 2021 vorgesehen wird.

In den weiteren Jahren sind die notwendigen budgetären Mittel zur Verfügung zu stellen, um einen verfassungskonformen Zustand des Österreichischen Bundesheeres zu ge­währleisten.

Große Beschaffungsvorhaben, wie zum Beispiel Flugzeuge für die Luftraumüberwa­chung, sind durch weitere Investitionspakete zusätzlich zum Regelbudget abzudecken.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag steht mit in Verhandlung.

Nächster Redner: Herr Abgeordneter David Stögmüller. – Bitte.


12.25.52

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministe­rin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mir beim Redeschreiben überlegt: Ei­gentlich ist in den letzten Monaten seit Ihrer Angelobung auch im Bereich des Bundes­heers relativ viel passiert. Ich erinnere an die Eurofighter, die Diskussion über die Luft­raumüberwachung, über die Assistenzeinsätze bis hin zur Milizeinberufung, die zum ers­ten Mal in der Zweiten Republik passiert ist.

Die Milizeinberufung ist auch gleich das erste Thema, auf das ich eingehen möchte. Sie zeigt uns, dass das Bundesheer nicht mehr nur vor klassischen militärischen Herausfor­derungen steht, sondern neue Herausforderungen hat. Das war für mich der Grund, im Budget für die Landesverteidigung mit Blick auf eine ganz zentrale Frage auf die Dinge zu schauen: Was ist das für ein Bundesheer, das wir in Zukunft brauchen, und was braucht es dafür?

Ich persönlich denke, dass wir ein Bundesheer brauchen, das auf moderne Bedrohun­gen wie Cyberattacken oder auch hybride Bedrohungen reagieren kann. Ich gebe Ihnen (in Richtung Abg. Bösch) da nicht recht oder nicht nur recht, Herr Kollege! Natürlich braucht es das auch, aber wir haben neue Herausforderungen, neue Bedrohungen. Krie­ge passieren nicht nur draußen am Feld, sondern auch im Internet. Es gibt neue, hybride Herausforderungen, die nicht so klar abzugrenzen sind und mehrere Einsatzgebiete um­fassen können. Das gilt auch für Naturkatastrophen, die uns im Zuge des Klimawandels bevorstehen und die uns verstärkt und öfter treffen werden. Das Bundesheer kann da die zivile Bevölkerung schützen, sie unterstützen und ihr helfen – ein Bundesheer, das durch ein Blackout nicht gelähmt wird – da gebe ich Ihnen recht –, ein Bundesheer, das so vielfältig ist wie unsere österreichische Bevölkerung.

Das Budget für die Landesverteidigung spiegelt diese Wünsche auch, wie ich finde, in Aspekten wider. Wie Sie wissen, sind für 2020 Auszahlungen in Höhe von insgesamt 2,5 Milliarden Euro geplant. Das ist heuer ein Plus von 10 Prozent – 10 Prozent, das ist nicht wenig! Ich freue mich vor allem, dass geplant ist, dass fast 50 Millionen Euro in Cybersicherheit und 15 Millionen Euro für die Mobilitätsaufstockung investiert werden. Neben Maßnahmen, die Frauen im Bundesheer stärken und unterstützen sollen, finden sich auch solche, die eine bessere Ausrüstung der Miliz gewährleisten. Das finde ich essenziell, denn die Milizsoldatinnen und Milizsoldaten, die momentan im Einsatz sind, verdienen nicht nur unseren Dank, sondern auch eine Ausrüstung, die sie ausreichend schützt und in ihrer Arbeit unterstützt.

Und ja, ich sage es heute deutlich, weil es in den letzten Tagen sehr oft an mich he­rangetragen worden ist: Auch ich sehe ein Problem darin, wenn ich höre, dass bei der


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 366

Miliz Schutzwesten, Sicherheitsholster oder sogar Taschenlampen, wie es in einer Aus­sendung geheißen hat, fehlen. Das ist kein Zustand, den ich bei der Miliz gerne haben möchte. Darum bin ich auch sehr froh, dass wir uns im Regierungsprogramm klar darauf verständigt haben, die Miliz aufzuwerten und besser auszustatten. Auch da müssen wir jetzt die Versäumnisse der letzten Jahre oder besser gesagt Jahrzehnte – und da haben Sie genauso Schuld – ausbessern und korrigieren. Das kann man nicht innerhalb von ein paar Wochen machen, sondern das braucht eine längere Vorbereitung.

Heute gehen wir schon einmal den ersten Schritt. Kollege Hammer und ich stellen einen Entschließungsantrag – Kollege Hammer hat ihn bereits eingebracht –, der vorsieht, dass die Miliz durch Wegfall sozialrechtlicher Nachteile gestärkt werden soll. Das finde ich gut und wichtig. Ich möchte aber im gleichen Atemzug erwähnen, dass es mir auch wichtig ist, an die Grundwehrdiener und die Zivildiener zu denken, bei denen wir genauso sozialrechtliche Nachteile sehen, die wir genauso behoben haben möchten. Das werden wir mit den nächsten Schritten tun.

Ich möchte aber wieder zurück zu meinem vorherigen Punkt kommen. Ein Punkt, der mir auch sehr wichtig ist, ist, dass es durch einen Ausfall der kritischen Infrastruktur dazu kommen kann, dass selbst ganz zentrale Aufgaben des Bundesheeres nicht erfüllt wer­den können. Der Kollege von der SPÖ hat es schon angesprochen: Denken wir zum Beispiel an einen Blackout, einen bundesweiten Stromausfall über mehrere Tage. Die Krise zeigt uns gerade, wie wichtig es ist, dass die Bundesheerinfrastruktur auch unab­hängig von der zivilen Infrastruktur einsatz-, leistungs- und funktionsfähig bleibt.

Deshalb bringen wir heute noch einen Antrag ein, in dem wir fordern, dass die Selbstver­sorgungsfähigkeit von Kasernen weiterhin gestärkt wird. Für ein zukunftsfähiges Bun­desheer brauchen wir autarke Kasernen, die sich über einen längeren Zeitraum selbst mit Strom, Wasser und Betriebsmitteln versorgen können.

Für ein zukunftsfähiges Bundesheer stelle ich deshalb den folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten David Stögmüller, Mag. Michael Hammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Stärkung der Autarkie von Kasernen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Landesverteidigung wird aufgefordert, sicherzustellen, dass Kasernen im Sinne des Katastrophenvorbehaltes so gestärkt werden, dass im even­tuellen Katastrophen- oder Krisenfall die Selbstversorgungsfähigkeit, Resilienz sowie Nachhaltigkeit gewährleistet ist. Außerdem sollen Kasernen in solcher Weise ausgebaut werden, dass diese die für die Selbstversorgungsfähigkeit erforderliche Autarkie (hin­sichtlich Strom, Wärmeerzeugung, Wasser, Abwasser, Verpflegung, Betriebsmittel und Sanitätsversorgung) vorweisen können.“

*****

Ich möchte auch noch einmal allen Grundwehrdienern, allen Milizsoldaten und allen Be­diensteten im österreichischen Bundesheer für die geleistete Arbeit und für die Mitarbeit an der Bewältigung der Coronakrise Danke sagen.

In dieser Krise hat das Bundesheer klar gezeigt, dass es stets bereit ist, wenn es darum geht, durch Hilfeleistung die Bevölkerung bestmöglich zu unterstützen. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

12.31

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 367

Entschließungsantrag

Der Abgeordneten David Stögmüller, Michael Hammer,

Kolleginnen und Kollegen

betreffend Stärkung der Autarkie von Kasernen

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 7 Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (55d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvor­anschlages für das Jahr 2020 (Bundesfinanzgesetz 2020 –BFG 2020) samt Anla­gen (183d.B.) (UG 14 Militärische Angelegenheiten)

Begründung

Gerade in Krisenzeiten, wie der aktuellen Situation um COVID-19 oder während Black­outs, stellt das österreichische Bundesheer eine Stütze für Staat und Gesellschaft dar. Deshalb ist eine autarke Funktionsfähigkeit des österreichischen Bundesheeres uner­lässlich. Zur Bewältigung von Krisensituationen muss es Kasernen für einen längeren Zeitraum möglich sein, unabhängig von ziviler Infrastruktur, einsatz- und funktionsfähig zu bleiben.

Selbst wenn zivile kritische Infrastruktur nicht mehr funktioniert, müssen Kasernen wei­terhin mit Strom, Wasser, Verpflegung, Sanitätsversorgung und Betriebsmitteln versorgt sein. Auch die Wärmeerzeugung und Abwasser-Systeme müssen unabhängig der Ge­samtlage des Staates funktionsfähig bleiben

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Landesverteidigung wird aufgefordert, sicherzustellen, dass Kasernen im Sinne des Katastrophenvorbehaltes so gestärkt werden, dass im even­tuellen Katastrophen- oder Krisenfall die Selbstversorgungsfähigkeit, Resilienz sowie Nachhaltigkeit gewährleistet ist. Außerdem sollen Kasernen in solcher Weise ausgebaut werden, dass diese die für die Selbstversorgungsfähigkeit erforderliche Autarkie (hin­sichtlich Strom, Wärmeerzeugung, Wasser, Abwasser, Verpflegung, Betriebsmittel und Sanitätsversorgung) vorweisen können.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff. – Bitte.


12.31.43

Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS): Frau Präsidentin! Frau Bun­desministerin! Hohes Haus! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer zu Hause! Wir disku­tieren jetzt hier das Bundesheerbudget und haben es ja schon vorletzte Woche in den Budgetausschusssitzungen diskutiert.

Da habe ich Ihnen am Ende eine Frage gestellt: Was ist die Vision, die Sie selbst haben? Wo wollen Sie sich umsetzen? Mir war Ihre Antwort damals in der Budgetausschuss­sitzung nicht wirklich klar, und mir ist auch bis heute nicht wirklich klar, wie Ihre Vision


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 368

für das österreichische Bundesheer ist, die die ÖVP und auch die Grünen da in Ihrem Regierungsprogramm mitverkörpern. Genauso ist auch dieses Budget. Dieses Budget im Bereich Bundesheer ist einfach nur visionslos.

Man muss sich als Erstes die Frage stellen: Wohin wollen wir mit dem österreichischen Bundesheer? Welche Aufgaben soll das österreichische Bundesheer erfüllen und wie soll es sie erfüllen? Da stellen sich natürlich sehr viele Fragen. Ihr Vorgänger Interims­minister Starlinger hat ja schon aufgezeigt, wo hier die Schwerpunkte setzbar wären und welche Mittel man dafür bräuchte, nur sieht man in dem vorliegenden Budget nichts mehr davon.

Genau gar nichts ist in dieses Budget hineingegangen. Wir haben keine Lösung für die Fliegerproblematik. Wir wissen, Sie haben ja groß angekündigt, Eurofighter oder Airbus wird Sie noch kennenlernen. Die Eurofighter-Nachbeschaffungsfrage ist nicht geklärt. Die Alouette-Frage ist nicht geklärt. All das sind Fragen, die budgetär nicht abgebildet sind. Es ist nicht klar, wohin die Reise mit dem österreichischen Bundesheer gehen soll.

Parallel zu dieser Diskussion, die wir hier regelmäßig führen und die wir, glaube ich, intensiver führen sollten, nämlich darüber, welchen Plan wir mit dem österreichischen Bundesheer haben, tauchen dann aus Ihrem Ministerium Papiere wie dieses auf: „Vision Landesverteidigung 2020“. Es handelt sich dabei um ein vom Herrn Generalsekretär höchstpersönlich am 9.4. verfügtes Papier, hinsichtlich dessen er meint, es sei die Grundlage für die Orientierung, wie es weitergehen soll.

Wenn man dieses Papier durchblättert, dann klingt das oberflächlich ganz nett. Es ist schön geschrieben, es sind auch wenige Fehler drinnen, zumindest wenige Recht­schreibfehler, wenn man es sich aber im Detail anschaut, stellt man sich als Parlamen­tarier eine ganz entscheidende Frage: Ist das nicht eine Neuausrichtung der ÖSS, der Österreichischen Sicherheitsstrategie?

Genau das ist es. Die Österreichische Sicherheitsstrategie, die hier im Hohen Haus über alle Parteien hinweg diskutiert und beschlossen wurde, wird nun einfach über den Hau­fen geworfen, nämlich von einem Generalsekretär, der hier irgendein Papierl produziert, es in seinem Ministerium erlässt und zur Grundlage für die strategische Planung macht. Und natürlich kommt dann nichts anderes dabei heraus als ein Papier beziehungsweise ein Budget, das wieder visionslos ist. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Reifenberger.)

Darüber hinaus muss man sich dann generell die Frage stellen: Was passiert da rund um den Herrn Generalsekretär? Da hört man alle möglichen Dinge. Ich kann und will sie auch nicht bewerten, aber da hört man, er plant, dass das Bundesheer in ein reines Assistenzheer übergeführt wird. Da muss man sich dann die Frage stellen: Was ist das eigentlich, und ist das eigentlich das Geld wert, das man dafür zahlt? Angeblich will er nur noch ein Budget von 2 Milliarden Euro für das österreichische Bundesheer und will ein Viertel der Positionen, der Planstellen abbauen.

Ich weiß nicht, ob das stimmt oder nicht, aber wenn das stimmen sollte, dann müssen wir uns ernsthaft der Diskussion stellen, ob wir das österreichische Bundesheer nicht zusperren sollten, denn in solch einer Form ist es wirklich schade ums Geld, oder ob wir gemeinsam daran arbeiten, Österreich weiterzubringen und auch die Sicherheit in Ös­terreich weiterzubringen und dementsprechend auch die ÖSS beispielsweise ernst zu nehmen.

Sie schreiben ja auch in Ihrem Regierungsprogramm, Sie bekennen sich zur Neutralität und so weiter. Also ganz ehrlich: Mit diesem Papierl (ein Schriftstück in die Höhe haltend) ist die Neutralität über den Haufen geworfen. Das ist eine Diskussion, die man führen kann, aber mit diesem Papierl sicher nicht! (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. Yılmaz.)

Es wurden von den Vorrednern verschiedene Bereiche angesprochen, die wichtig sind. Es kommt immer wieder das Thema Blackoutsicherheit und dann kommt natürlich auch


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 369

das Thema Cybersicherheit. Ich habe mir das angeschaut. Auch hier in dieser strategi­schen Grundlage, wie es in der Anordnung heißt, kommt das Thema Cyberbedrohung vor, es sind ganze fünf Zeilen. Das Papier hat zwölf Seiten, fünf Zeilen sind es.

Dabei sind wir heutzutage ständig Cyberangriffen ausgesetzt. Wir haben heuer schon einen Cyberangriff auf das Außenministerium gehabt, wir haben jetzt vor Kurzem ein Datenleck gehabt. Es kursieren jetzt wieder Gerüchte, dass Daten von den österreichi­schen Bürgerinnen und Bürgern im Internet, im Dark Web, verfügbar sind. Wir sind da­rauf nicht vorbereitet. Das betrifft nicht nur Sie, sondern das betrifft natürlich auch das BMI, wo entsprechende Maßnahmen gesetzt werden müssen. Wir sehen aber immer wieder, dass wir auf Cyberangriffe und auf die moderne Gefahrenlage, die da ist, nicht vorbereitet sind.

Gerade in einer Zeit der Krise, in der wir wissen, dass insbesondere Krankenhäuser und andere Gesundheitsinstitutionen gefährdet sind und dass diese – das wissen wir aus anderen Ländern, und es gibt auch genug Studien dazu – jetzt insbesondere angegriffen werden, wäre es an der Zeit, dass wir dieses Thema ernsthaft angehen und nicht nur oberflächlich in fünf Zeilen in irgendwelchen Strategiepapieren ansprechen, die neben­bei das Parlament torpedieren. Da müssen wir nachhaltig arbeiten und das auch im Budget abbilden. (Beifall bei den NEOS.)

12.37


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Frau Bundesministerin Klaudia Tanner zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Ministerin.


12.37.11

Bundesministerin für Landesverteidigung Mag. Klaudia Tanner: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Wir alle waren in den ver­gangenen Wochen und Monaten durch die Coronakrise sehr stark gefordert. Ganz be­sonders gefordert war das österreichische Bundesheer. (Zwischenruf des Abg. Schnedlitz.)

Seit Ausbruch der Coronapandemie waren durchgehend 4 000 Soldatinnen und Solda­ten im In- und Ausland im Einsatz. Dafür gebührt ihnen an dieser Stelle ein ganz,
ganz großes Dankeschön.
(Beifall bei ÖVP und Grünen sowie der Abgeordneten Silvan
und Meinl-Reisinger.)

Das Militär hat dabei zahlreiche Assistenzeinsätze absolviert, Unterstützung geleistet und tut es immer noch, denn so ganz vorbei ist die Krise nicht. Diese Coronaeinsätze sind vielfältig, sie reichen von den sicherheitspolizeilichen Assistenzeinsätzen an der Grenze über die Unterstützung der Gesundheitsbehörden bis zu Hilfeleistungen zum Betrieb maßgeblicher Infrastruktur.

Sie alle kennen ja den aktuellen Einsatz des Bundesheeres am Beispiel von mehreren Hundert Bediensteten, die in den Logistikzentren der Post in Hagenbrunn und Inzersdorf eingesprungen sind, nachdem dort zahlreiche Mitarbeiter erkrankt waren.

Ja, die Coronakrise hat zwei ganz besonders historische Maßnahmen notwendig ge­macht: Zum einen mussten wir den Grundwehrdienst für 2 316 Grundwehrdiener, junge Männer, um zwei Monate verlängern, zum anderen mussten wir erstmals in der Ge­schichte Österreichs mit 13 Jägerkompanien eine Teilmobilisierung der Miliz durchfüh­ren, die Anfang Mai, genauer gesagt am 4. Mai, zum Bundesheer eingerückt sind.

Ich möchte auch all denjenigen, die davon betroffen waren, für ihren Einsatz für Öster­reich, für die Sicherheit der Österreicherinnen und Österreicher danken. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Es war mir von Beginn an immer wichtig, bei der Truppe zu sein. So durfte ich gestern beim Jägerbataillon 33 in Zwölfaxing dabei sein, als wir den Aufschubpräsenzdienern


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symbolisch gedankt und uns von ihnen verabschiedet haben. Es war auch gut, zu sehen, dass durchaus einige dabei waren, die sich in dieser Zeit für das österreichische Bun­desheer begeistern konnten.

Das österreichische Bundesheer ist die strategische Reserve der Republik, das hat man ohne Zweifel bei den Coronaeinsätzen wieder ganz deutlich gesehen. Allein aus diesem Beispiel, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, ergibt sich eine Vielzahl von finanziellen Erfordernissen und Bedürfnissen.

Ein ähnlicher Fall ist ohne Zweifel die Vorbereitung zur militärischen Bewältigung von Blackoutszenarien, verbunden mit dem Schutz kritischer Infrastruktur zur Aufrechter­haltung der Lebensgrundlagen der Bevölkerung, denn solche Situationen, in denen das Bundesheer zusätzlich zu seinen Normaufgaben zu Assistenzleistungen und, ja, auch zu Unterstützungsleistungen benötigt wird, um Krisen zu bewältigen, zu überwinden, können jederzeit wieder eintreten.

Neben Pandemien und Blackoutszenarien drohen Cyberangriffe und andere hybride Herausforderungen unserer Zeit. Ich darf hier nur an das Beispiel zu Beginn meiner Amtszeit, an den Cyberangriff auf das Außenministerium vor einigen Monaten erinnern. Das war ohne Zweifel eine Dimension, die so noch nie dagewesen ist: ein Cyberangriff auf eine staatliche Institution, der die Spezialistinnen, Spezialisten wochenlang be­schäftigt hat. Sie wissen, auch da konnten wir per Assistenzeinsatz das Innenministe­rium in der Aufklärung und Abwehr dieses enormen Cyberangriffes unterstützen.

Sie sehen, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, das österreichische Bundes­heer braucht für seine vielfältigen Aufgaben zukunftsfähige Ressourcen und Strukturen, moderne Ausrüstung und neues Gerät. Halten wir uns gemeinsam Folgendes vor Au­gen – und vielleicht darf ich Ihnen das hier veranschaulichen –: Das Landesverteidi­gungsressort ist ein Unternehmen, ein großes Unternehmen, ein Sicherheitsprovider, denn es ist durchaus mit komplexen Unternehmen vergleichbar.

Es stellt beachtliche und sehr unterschiedliche Leistungen bereit, um Österreich schüt­zen zu können. Das Verteidigungsministerium ist ein österreichweiter Sicherheitspro­vider, der multinational agiert, in mehr als zehn Missionen engagiert ist. Das österreichi­sche Bundesheer leistet Schutz und Hilfe für die Österreicherinnen und Österreicher und darüber hinaus in allen Lebenslagen.

Wir sind eine Ausbildungsorganisation, die neben den Wehrdienstleistenden und der Aus-, Fort- und Weiterbildung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch junge Frauen und Männer in den unterschiedlichsten Lehrberufen – von Flugzeugmechanikern bis hin zu Köchen – ausbildet. Die Ausbildungseinrichtungen des Bundesheeres leisten auch Ausbildungsunterstützung für andere Staaten.

Ja, und wir sind auch ein Luftfahrtunternehmen, mit einer Luftflotte von mehr als 120 un­terschiedlichen Luftfahrzeugen einschließlich mehrerer Flugplätze. Das Bundesheer überwacht selbstständig und autark den österreichischen Luftraum.

Wir sind auch ein Transportunternehmen, mit mehr als 6 500 Räderfahrzeugen im Ein­satz.

Wir sind ein Industriekonzern. Wir beschaffen komplexe Güter, wie zum Beispiel Maschi­nen aller Art, Spezialfahrzeuge, persönliche Ausrüstungen, und diese Güter werden gelagert, zugeordnet und instandgehalten.

Wir betreiben technische Kompetenzzentren, Flugzeugwerften und mehrere Großwar­tungsbetriebe und Werkstätten.

Und ja, wir sind auch ein IKT-Provider, es werden verschiedene Informations- und Kommunikationstechnologiesysteme und -services betrieben.


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Wir servicieren auch 300 Liegenschaften. Wir sind ein österreichweites Immobilien­managementunternehmen.

Sie sehen, sehr geehrte Damen und Herren, das Landesverteidigungsressort umfasst eine Riesenspannweite von Aufgaben und Fähigkeiten und hat, daraus folgend, einen Bedarf an Ausrüstung, Gerät und anderen Ressourcen, um all diese Aufträge und Ein­sätze auch erfüllen zu können – und all das erfordert finanzielle Mittel.

In der Vergangenheit ist da zweifelsohne vieles vernachlässigt worden. Es geht aber um das Wichtigste: Es geht um die Sicherheit Österreichs, die Sicherheit von uns allen! Ich sage hier an dieser Stelle aber auch – ich bin Realistin genug –, dass sich das, was sich über Jahrzehnte aufgestaut hat, sicher nicht mit einem einzelnen Jahresbudget ersetzen lässt.

Es werden mit dem neuen Budget gerade nach Corona auch sicher nicht alle Wünsche erfüllt werden können. Da möchte ich Ihnen und auch mir nichts vormachen. Wir sind auch leider nicht das einzige Ressort, das ohne Zweifel dringend Geld braucht. Die positive Nachricht heute an dieser Stelle ist: Die finanzielle Ausstattung des Bundes­heeres soll heuer deutlich aufgestockt werden. (Abg. Leichtfried: Was heißt das?)

Im Bereich Militärische Angelegenheiten sieht der Entwurf für das Jahr 2020 im Finan­zierungsvoranschlag 2,545 Milliarden Euro vor. (Abg. Leichtfried: Was sagt der Blümel denn dazu?) Das bedeutet eine Steigerung der Mittel – um 258 Millionen Euro mehr als im Vorjahr.

Wir werden mehr Geld für den Personalbereich, für den Sachaufwand, für Investitionen im Bereich der Miliz und der Mobilität bekommen – so Sie das hier beschließen.

Dazu kommt eine zusätzliche Budgetaufstockung für ohne Zweifel längst notwendige Investitionen, wenn wir an die Transportkapazitäten in der Luft denken, wenn wir an die Notwendigkeit auch der Weiterführung des Assistenzeinsatzes unseres österreichischen Bundesheeres denken.

Ein paar konkrete Zahlen: Was den Bundesfinanzrahmen betrifft, so finden zum Beispiel die Sonderpakete Black Hawk – 62,5 Millionen Euro in den Jahren 2020 bis 2021 –, Mo­bilität – 15 Millionen Euro im Jahr 2020 – und die Miliz – 17,5 Millionen Euro im Jahr 2020 – ihren Niederschlag. Darüber hinaus wurde ein neuer Sonderinvest zur Er­höhung der Einsatzbereitschaft in den Jahren 2021 bis 2023 veranschlagt.

Erlauben Sie mir nur ein paar Worte zu diesen Sonderfinanzierungen! Eine dieser Son­derfinanzierungen betrifft ja die Beschaffung von drei zusätzlichen Hubschraubern des Typs Black Hawk um insgesamt 62,5 Millionen Euro, das heißt für das Budget 2020 37,5 Millionen Euro.

Eine weitere Sonderfinanzierung betrifft das Milizpaket mit der Beschaffung von 200 MAN-Lastwägen um insgesamt 52 Millionen Euro. Für das heurige Budget 2020 fallen dafür 17,5 Millionen Euro an.

Ja, und eine weitere Sonderinvestition ist das Mobilitätspaketprojekt, mit dem unter an­derem verschiedene Typen von Lkws, Ersatzfahrzeugen für die geländegängigen Puch G beschafft werden – allein dafür 15 Millionen Euro im heurigen Budget.

Für die kommenden Jahre ab 2021 sind Sonderinvestitionen für die Transportkapazität in der Luft um insgesamt 341 Millionen Euro geplant, 320 Millionen Euro davon werden sonderfinanziert. Diese Beschaffung soll zum Großteil ein Ersatz für die auslaufenden Hubschrauber des Typs Alouette III sein.

Wir haben bei den Coronaeinsätzen eines gesehen: Wir brauchen unglaublich viel an Manpower. Daher ist es auch vordringlich, mehr Grundwehrdiener zu bekommen. Das


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wollen wir unter anderem mit der Einführung der beiden Tauglichkeitsstufen – der Teil­tauglichkeit und der Volltauglichkeit – erreichen. Wir müssen aber ohne Zweifel auch den Grundwehrdienst und die darauf aufbauende Miliz besser ausrüsten, attraktiver ge­stalten.

Ja, das steht auch im Regierungsprogramm, und auch das erfordert finanzielle Mittel: für die Attraktivierung des Grundwehrdienstes, vor allem im Infrastrukturbereich, im Bud­getjahr 2020 rund 26 Millionen Euro.

Sehr geehrte Damen und Herren! Das Bundesheer stellt tagtäglich 24/7 unter Beweis, dass es die strategische Reserve der Republik ist. Spätestens seit den Erfahrungen der vergangenen Wochen und Monate während der Coronakrise ist eines klar geworden: Wir müssen im Staat Österreich, wir müssen auf mehreren Ebenen in die Sicherheit investieren. Sicherheit kann es nicht zum Nulltarif geben. Vielen Dank für die Aufmerk­samkeit. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

12.49


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Manfred Hofin­ger. – Bitte.


12.49.52

Abgeordneter Ing. Manfred Hofinger (ÖVP): Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Bun­desminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, wir diskutieren heute das Verteidi­gungsbudget. Man könnte es kurz so zusammenfassen: 2,5 Milliarden Euro – eine Stei­gerung von 230 Millionen Euro, insgesamt 10 Prozent Steigerung, mehr Budgetmittel für das Bundesheer. Das ist eine beachtliche Steigerung, vor allem im Sachaufwand, um den Rückstau abbauen zu können, was längst fällig ist. – So könnte man das Budget zusammenfassen. Ich möchte dir, liebe Bundesministerin, recht herzlich dazu gratulie­ren. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Ernst-Dziedzic.)

Das zeigt auch, dass die Regierung um den Bereich Verteidigung ganz bestimmt Be­scheid weiß. Sie wissen natürlich auch, dass die Sicherheit der Bevölkerung und die strategische Reserve des Bundesheeres – das hat vor allem der aktuelle Katastrophen­fall gezeigt – etwas ganz Wichtiges sind.

Gerade in einer derartigen Krisensituation ist es umso wichtiger, dass ein funktionieren­des Bundesheer für Ordnung, Sicherheit und für Stabilität im Staat sorgt. Unser Bun­desheer hat in den vergangenen Monaten sehr gute Arbeit geleistet und entscheidenden Anteil daran gehabt, dass wir die Krise so gut überstanden haben. – Einen herzlichen Dank an alle Beteiligten! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Die Bedrohungen werden immer vielfältiger; die Cyberkriminalität wurde heute ange­sprochen. Diese Angriffe werden immer mehr, und wir brauchen dazu natürlich auch immer mehr Budgetmittel. Das ist uns voll bewusst, und daher investieren wir in die Miliz, in die Mobilität insgesamt, in Cyberdefence, aber genauso in die Luftraumüberwachung und natürlich auch – das hat die Frau Bundesministerin angesprochen – in die Attrak­tivierung der Grundwehrdiener. (Abg. Vogl: Die Attraktivierung der Grundwehrdiener? Wie geht das?) Ich glaube, das ist ein ganz wesentlicher Bereich, in den wir investieren müssen, um für diese Herausforderungen auch in der Zukunft gewappnet sein zu kön­nen.

Ich möchte einen kleinen Teil des Budgets herausgreifen, der mir besonders wichtig er­scheint, und das ist die Kasernensanierung. Diese ist mit 17 Millionen Euro budgetiert. Das erachte ich in der jetzigen Situation als ganz wesentlich – erstens einmal zur För­derung der regionalen Wirtschaft, aber genauso zur Motivierung der Truppe.

Frau Ministerin, ich möchte Ihnen auch dazu gratulieren: Sie füllen Ihr Amt als Bundes­ministerin wirklich mit Leben, Sie sind draußen bei den Truppen, und das spüren die Menschen draußen. Das ist ein ganz wesentlicher Beitrag.


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Ich möchte noch kurz die Zehner-Kaserne Ried in meinem Wahlkreis hervorheben, die in der Krisenzeit voll ausgelastet war – auch mit der Miliz. Sie sind sogar in der Jahn­turnhalle untergebracht gewesen, weil sie nicht Platz hatten. Sie haben sehr gute Arbeit im Grenzschutz geleistet. Ich möchte in Verbindung mit den Kasernensanierungen da­rauf verweisen, dass auch in Ried eine Sanierung ansteht, die schon geplant ist und jetzt zügig umgesetzt werden sollte. Darauf freuen wir uns schon sehr.

Wir sind, glaube ich, mit diesem Budget auf einem sehr guten Weg. Frau Bundesminis­terin, ich darf Ihnen noch einmal in dieser Krisenzeit zu diesem Budget recht herzlich gratulieren und ich wünsche uns allen einen guten weiteren Weg für die Sicherheit un­serer Bevölkerung. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Ernst-Dziedzic.)

12.53


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Petra Wimmer. – Bitte.


12.53.36

Abgeordnete Petra Wimmer (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Hohes Haus! Vorab gibt es einmal interessante Neuentwicklungen beim Budget unseres Finanzminis­ters: Er muss nachbessern. – Es freut uns natürlich, wenn da etwas in die Gänge kommt.

Jetzt zum Budget für militärische Angelegenheiten. Bei jeder Krise in Österreich – ob es ein Unwetter, ein Hochwasser oder, ganz aktuell, eine Gesundheitskrise ist – wird be­sonders sichtbar, welche Aufgaben unser Bundesheer und damit auch unsere Grund­wehrdiener in Österreich haben. Sie werden immer dann herangezogen, wenn Hilfe im großen Stil gebraucht wird; sei es als Unterstützung beim Hochwasser oder auch derzeit – wie von Ihnen, Frau Ministerin, angesprochen – für die Unterstützung der Ös­terreichischen Post. Ich möchte mich bei allen Grundwehrdienern bedanken, die derzeit sehr vieles leisten. – Ihr leistet einen wichtigen Beitrag für unsere Gesellschaft! (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der ÖVP sowie der Abg. Ernst-Dziedzic.)

Damit die Grundwehrdiener und alle MitarbeiterInnen der Landesverteidigung ihren Dienst gut erfüllen können, braucht es neben anderen Voraussetzungen auch eine ent­sprechende Unterbringung. Der schnelle Einsatz des Bundesheeres ist nur möglich, wenn die Gebäude und das Equipment in einem entsprechend guten Zustand sind. Dazu ist es auch notwendig, die bestehenden Standorte zu erhalten, und diese zu erhalten bedeutet auch, sie entsprechend instand zu setzen und die finanziellen Mittel dafür be­reitzustellen. Sie sind Ausbildungsbetriebe, sie sind Arbeitgeber, sie sind ein wesentli­cher Faktor für die Wirtschaft der Region.

Wir brauchen unsere Standorte auch als Sicherheitsinseln für die Bevölkerung, um zum Beispiel bei einem Blackout – wie schon angesprochen – die Sicherheit und die Notver­sorgung der Bevölkerung zu gewährleisten. Eine schnelle Mobilisierung und die Ka­sernen als Sicherheitsinseln sind wesentlich dafür, dass sich die Bevölkerung sicher fühlt. (Beifall bei der SPÖ.)

Das österreichische Bundesheer ist seit Jahrzehnten unterfinanziert, und die von Ihnen vorgelegten Budgetzahlen, Frau Ministerin, setzen diesen Weg der Unterfinanzierung fort. Dieses Budget bedeutet weniger Bundesheer, weniger einsetzbare Soldaten, weni­ger Gerät, keine Reformen und zu wenig Investitionen in die Bewältigung neuer Bedro­hungen wie der Cyberkriminalität.

Sehr geehrte Frau Ministerin, es ist dringend notwendig, das vorgelegte Budget aufgrund der Krise zu erhöhen sowie das Regelbudget ab 2021 auf 3 Milliarden Euro zu erhöhen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Bösch.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 374

12.56


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Ewa Ernst-Dziedzic. – Bitte.


12.56.25

Abgeordnete Dr. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Wer­te Kollegen und Kolleginnen! Ob Friedenssicherung, humanitäre oder Katastrophenhilfe: Das österreichische Bundesheer – Sie haben es erwähnt – hilft auch im Ausland, wo es kann. Es gibt Hunderte Soldaten und Soldatinnen, die Tag für Tag im Dienst des Frie­dens stehen. Es sind Tausende im Jahr, und die möchte ich heute sichtbar machen und mich bei ihnen, genauso wie bei jenen, die im Inland im Einsatz sind, bedanken. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Seit 1960, also seit genau 60 Jahren, beteiligt sich Österreich an Friedensmissionen. Ich möchte nur drei herausgreifen: Zum Beispiel geht es in Sarajevo um die Stabilisierung der militärischen Aspekte des Friedensabkommens von Paris und um die permanente militärische Präsenz, um eine neuerliche Gefährdung des Friedens vor Ort zu verhin­dern. In Prishtina geht es um die Aufrechterhaltung der Sicherheit im Kosovo auf Basis der UN-Resolution 1244 durch Sicherungsmaßnahmen. Und seit 2008 werden nach ei­nem Beschluss der EU-Außenminister auch österreichische Soldaten und Soldatinnen zu einer Beobachtermission nach Tiflis entsendet.

Ab 1989/90, nach Ende des Kalten Krieges, entwickelten sich diese Auslandsmissionen angesichts der veränderten internationalen Lage zu einer der wichtigsten Aufgaben für das Bundesheer. Die Katastrophenhilfe beispielsweise ist dabei ein Bereich, wo Öster­reich nicht nur eine sehr lange Tradition hat, sondern auch wirklich federführend war, was den Aufbau der Infrastruktur anbelangt. Diese Entwicklung ist ganz eng mit der Ent­wicklung des österreichischen Bundesheeres verknüpft.

Die Auslandseinsätze waren ja lange Zeit etwas, das man nicht unbedingt machen wollte. Mittlerweile, wissen wir, gibt es sehr viele, die sich – um das salopp zu sagen – regelrecht darum reißen, diese machen zu können. Das heißt, die Wertigkeit dessen ist gestiegen. Das entspricht aus meiner Sicht nicht nur einer langen Tradition der aktiven Außenpolitik in Österreich, sondern auch dem Grundsatz einer möglichst aktiven Teil­nahme an diesen internationalen Maßnahmen zur Friedenssicherung.

Es ist mir wichtig, in der Debatte rund um das Bundesheer festzustellen, dass Sicherheit und Frieden nicht nur die Abwesenheit von Gewalt, Konflikt und Kämpfen sind, sondern neben der militärischen Komponente der Blauhelme, die zum Beispiel für die Einhaltung von Waffenstillständen oder in Pufferzonen zwischen Konfliktparteien im Einsatz sind, wurde die zivile Komponente in den letzten Jahrzehnten immer wichtiger.

In diesem Zusammenhang möchte ich auf eine wichtige Resolution verweisen, die heuer Jubiläum feiert. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen verabschiedete nämlich im Jahr 2000 einstimmig die Resolution 1325 zu Frauen, Frieden und Sicherheit.

Es ist eine erste Resolution der Vereinten Nationen gewesen, welche die besondere Auswirkung von Konflikten auf Frauen nicht nur hervorhebt, sondern auch die aktive Rolle von Frauen in allen Phasen der Friedensbemühungen, das heißt von Friedensver­handlungen bis hin zum Wiederaufbau zerstörter Gesellschaften, betont. (Präsident Ho­fer übernimmt den Vorsitz.)

Die österreichische Bundesregierung hat 2007 einen ersten Nationalen Aktionsplan vor­gelegt, und die letzte Regierung hat erst im Oktober 2019 den zehnten Umsetzungsbe­richt angenommen. Wir haben uns darauf geeinigt, im Jubiläumsjahr diese Maßnahmen besonders zu jenen zu machen, für die sich Österreich starkmacht. Für die braucht es, und da bin ich beim Budget, natürlich auch Ressourcen. (Beifall bei den Grünen.)

Wieso? – Wie gesagt, Frieden ist nicht nur die Abwesenheit von Gewalt, sondern ein langer Prozess, in dem es die Zivilbevölkerung genauso braucht wie staatliche Akteure, aber eben, wie die Resolution richtig sichtbar macht, auch Akteurinnen. Das heißt, es


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braucht die gesamte Gesellschaft und das Selbstverständnis, dass wir das Bundesheer so zum Einsatz bringen, dass es allen Menschen dienlich ist.

In diesem Sinne: Danke für Ihren Einsatz! Wir als Grüne bleiben an diesem Thema dran. Ich habe gestern schon den Zivilen Friedensdienst erwähnt, und die erwähnte Resolution ist mir ebenso ein Herzensanliegen. In diesem Sinne vielen Dank für die Bemühungen, bleiben wir dran! – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.01


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter MMag. DDr. Hu­bert Fuchs. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.01.58

Abgeordneter MMag. DDr. Hubert Fuchs (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Geschätzte Österreicherinnen und Österreicher! Der Entwurf des Bundesvor­anschlags 2020 sieht für die UG 14 Militärische Angelegenheiten im Finanzierungshaus­halt Auszahlungen von 2,55 Milliarden Euro vor. Das ist grundsätzlich einmal erfreulich, aber bedauerlicherweise geht die Tendenz für die Folgejahre in die verkehrte Richtung. Besonders beunruhigend ist das Verhältnis von fixen zu variablen Kosten, also das Ver­hältnis Personal- und Betriebskosten einerseits und Investitionen andererseits, welches immer schlimmer wird.

Bedauerlicherweise mussten zur Abdeckung der laufend steigenden Personal- und Be­triebskosten immer wieder Finanzmittel aus dem Investitionsbereich abgezogen werden, um den Alltagsbetrieb überhaupt aufrechterhalten zu können. Trotz der zahlreichen In­vestitionspakete der letzten Jahre herrscht im österreichischen Bundesheer nach wie vor ein Investitionsrückstau, insbesondere im Bereich der militärischen Ausrüstung, des Ge­räts, aber auch der Kaserneninfrastruktur. Das Bundesheer ist durch die jahrzehntelange Unterfinanzierung weit davon entfernt, seine von der Bundesverfassung vorgegebene Kernaufgabe, nämlich die militärische Landesverteidigung, auch nur ansatzweise erfül­len zu können.

Anlässlich des Einsatzes der Miliz in Vorarlberg hat Militärkommandant Brigadier Hessel den Ausrüstungszustand der Miliz diesen Montag trefflich beschrieben. Ich darf ihn zi­tieren: „Die Miliz wurde vernachlässigt. Wir haben die präsenten Kräfte und deren Aus­rüstung benötigt, um die Milz überhaupt einsatzbereit zu machen. Es fehlt zum einen bei der Mannesausrüstung wie Schutzwesten, Sicherheitsholstern oder Taschenlampen. Aber es fehlt auch an Fahrzeugen und IKT-Ausstattung. Im Prinzip muss man eine prä­sente Kompanie verwenden, um eine Milizkompanie in Einsatz zu stellen.“

Ich hoffe, dass aufgrund des Milizpakets, aber auch des Mobilitätspakets – beide wurden ja von Bundesminister Kunasek noch auf den Weg gebracht – solche Mängel in Zukunft abgestellt werden können. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Wertschätzung und Einstellung der ÖVP zum Bundesheer habe ich damals bei den Regierungsverhandlungen nicht nur selbst erlebt, sondern sie spiegelt sich auch im aktuellen Bundesfinanzrahmengesetz und natürlich auch im schwarz-grünen Regie­rungsprogramm wider. Wenn man sich das Kapitel Landesverteidigung im schwarz-grünen Regierungsprogramm durchliest, dann fällt auf: Über militärische Landesverteidi­gung findet man dort überhaupt nichts. Ich darf Seite 225 zitieren:

„Die finanzielle Situation und der Zustand des Bundesheeres erfordern neue Konzepte für ein zukunftsträchtiges, modernes Heer. Daher müssen auch die Aufgaben, Struktu­ren und Mittel der Landesverteidigung weiterentwickelt und zeitgemäß neu gestaltet werden.“ (Abg. Ernst-Dziedzic: Was stimmt daran nicht?)

Was stimmt daran nicht? – Das ist eine gefährliche Drohung. Der Obmann des Landes­verteidigungsausschusses hat bereits entsprechende Ausführungen dazu gemacht, das


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ist nichts anderes als eine Demilitarisierung des Bundesheeres. Die Organisation des österreichischen Bundesheeres ist nicht an das Budget anzupassen, sondern einzig und allein an die Bundesverfassung, in der sich Österreich im Artikel 9a B-VG zur umfassen­den Landesverteidigung bekennt. Und wer davon abweicht, der bricht die Verfassung. (Beifall bei der FPÖ.)

In diesem Sinn ist es unabdingbar, dass das Budget des österreichischen Bundesheeres bis 2021 auf 3 Milliarden Euro ansteigt. Große Beschaffungsvorhaben wie zum Beispiel die Flugzeuge für die aktive Luftraumüberwachung sind durch Sonderinvestitionspakete zusätzlich zum Regelbudget abzudecken. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

13.06


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Friedrich Ofenauer. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.07.03

Abgeordneter Mag. Friedrich Ofenauer (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Frau Ver­teidigungsministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Hohen Haus! Sehr ver­ehrte Zuseherinnen und Zuseher! Herr Kollege Fuchs, ich muss Ihnen zu Beginn gleich widersprechen, nämlich weil Sie sagen, dass im Regierungsprogramm militärische Lan­desverteidigung nicht vorkommen würde. Es ist zwar jetzt schon ein bisschen herum­geschmiert auf meinem Ausdruck (einen Ausdruck des entsprechenden Kapitels des Regierungsprogramms zeigend), aber da steht ausdrücklich, dass „sichergestellt sein“ muss, „dass das Bundesheer ausreichend finanziell, personell und materiell ausgestattet ist, um weiterhin den Herausforderungen der Gegenwart, aber auch den Bedrohungen der Zukunft kompetent begegnen zu können.“ Weiters geht es darum, die „Einsatzfähig­keit [...] zielorientiert zu verbessern und den Grundwehr- und Zivildienst attraktiver zu machen“, und so weiter. Also Ihre Aussagen sind zurückzuweisen. (Abg. Kassegger: Wo steht da „militärische Landesverteidigung“?! Sinnerfassend lesen! – Gegenruf der Abg. Ernst-Dziedzic.)

Frau Verteidigungsministerin, es sind für Sie als Verteidigungsministerin tatsächlich in­teressante Zeiten, die sich schnell ändern, in denen sich Bedrohungslagen auch schnell ändern. Das Bundesheer steht tatsächlich vor großen Herausforderungen: was das Budget betrifft – das ist so –, was das Personal betrifft und auch was die Projekte betrifft. Im Budget haben wir 2,5 Milliarden Euro vorgesehen, das sind immerhin 10 Prozent mehr als 2019 – daher einen herzlichen Glückwunsch, eine Gratulation zu diesem Teiler­folg auf einem noch längeren Weg.

Damit schaffen wir um 38,5 Millionen Euro Lkw an, Hubschrauber um 33 Millionen Euro und können auch die Cybersicherheit verbessern, in die wir 47 Millionen Euro inves­tieren.

An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön auch an die Miliz und an die Grundwehr­diener. Man sieht, dass es wichtig ist, dass es jemanden gibt, der Aufgaben übernimmt, wenn andere an ihre Grenzen stoßen – im Sinne einer strategischen Reserve der Re­publik.

Zum Personal: Eine große Herausforderung ist auch die Pensionierungswelle. Ich ersu­che aber, auch das als Chance zu nutzen, um Möglichkeiten zu schaffen – zum Beispiel in Form von Ausbildungen –, den Dienst als Zeitsoldat zu attraktivieren. Die Zeitsoldaten sollen dann, wenn sie nicht mehr feldverwendungsfähig sind, in einen zivilen Beruf wechseln können, um dort ihre Kenntnisse im Sicherheitsbereich und im militärischen Bereich einbringen zu können – auch zur Stärkung der Resilienz und des Zivilschutzge­dankens, der, wie wir in dieser Krise gesehen haben, auch ganz wichtig ist.

Ich wünsche auch alles Gute und viel Erfolg bei der Umsetzung der Projekte, die ich nur kurz erwähnen möchte: Ausbau der Cyberabwehr, Weiterentwicklung der Stellungsstra­ße zur Gesundheitsstraße – ganz wichtig –, Teiltauglichkeit, um mehr Grundwehrdiener


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zur Verfügung zu haben. Ich wünsche alles Gute bei der Umsetzung dieser Projekte und auch viel Erfolg; den können wir brauchen und den kann vor allem auch das österrei­chische Bundesheer brauchen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

13.09


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter MMag. DDr. Fuchs zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.09.49

Abgeordneter MMag. DDr. Hubert Fuchs (FPÖ): Mein Vorredner Abgeordneter Ofen­auer hat behauptet, der Begriff militärische Landesverteidigung ist im schwarz-grünen Regierungsprogramm enthalten.

Ich berichtige tatsächlich: Der Begriff militärische Landesverteidigung ist im schwarz-grünen Regierungsprogramm nicht enthalten. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ sowie der Abg. Meinl-Reisinger. – Abg. Ofenauer: Nicht alles, was so heißt, ist es auch! – Ruf: Wir sind in Österreich!)

13.10


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Rudolf Sil­van. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.10.29

Abgeordneter Rudolf Silvan (SPÖ): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! 2,55 Milliarden Euro Budget plus 230 Millionen Euro, das klingt toll, aber stimmt das noch? Gestern hat sich der Herr Fi­nanzminister hierhergestellt und hat auf Biegen und Brechen sein Budget verteidigt, und jetzt, vor wenigen Minuten, vor circa einer halben Stunde, lenkt Finanzminister Blümel laut „Wiener Zeitung“ plötzlich ein – Schuldeingeständnis, Budget wird nachgebessert. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.) Es stellt sich die Frage: Kann es sein, dass der Herr Finanzminister mit seiner Funktion als Finanzminister überfordert ist? (Rufe bei der SPÖ: Ja! – Zwischenruf des Abg. Haubner.)

Sehr geehrte Frau Ministerin, es ist zu begrüßen, dass Sie den Frauenanteil beim Bun­desheer, den Anteil der Soldatinnen von 4,6 Prozent auf 15 Prozent erhöhen wollen. Sie haben ja in Ihrer Beantwortung meiner Anfrage einige Dinge ausgeführt, wie Sie das machen wollen: Sie wollen die Frauen fit fürs Heer machen, Sie wollen die Frauen stär­ken, damit sie als Soldatinnen performen können, Sie wollen gezielte Ausbildung, sie sollen als Informationsoffizierinnen angeworben werden, um diese als Markenbotschaf­terinnen einsetzen zu können. – Für mich schaut das ein bissl so aus, als wären Sie der Meinung, Frauen beim Bundesheer sind zwar wichtig, aber irgendwie sollen sie als Auf­putz dienen. Wenn das so ist, dann ist das, würde ich sagen, Diskriminierung. Ich hoffe, dass es nicht so ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Kollege Hammer hat vorhin in seinen Ausführungen gesagt (Zwischenruf des Abg. Matz­netter), dass betreffend Einsatz der Bundesheerangehörigen im Verteilerzentrum der Post alles in Ordnung ist, und er hat auch ausgeführt, dass die Parlamentarische Bun­desheerkommission vor Ort war und alles perfekt ist. Ich weiß nicht, woher die Mel­dungen dann kommen, wonach sich mehrere Hundert Personen einige wenige Duschen teilen müssen und sie teilweise auf Campingstühlen übernachten müssen.

Tatsache ist, dass ich der Meinung bin, dass es nicht Aufgabe des Bundesheeres sein sollte, ein börsennotiertes Unternehmen zu unterstützen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Kassegger.) Ich glaube, dass die Post genug Zeit hat, unter den über 500 000 Ar­beitslosen geeignetes Personal zu finden. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Und: Die Post zahlt 10,20 Euro pro Stunde an das Bundesheer. (Ruf bei der SPÖ: Ui!) – Das ist ein


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Hohn. Es gehören endlich gescheite Dienstverträge her! Bitte stellen Sie das ab, gemein­sam mit dem zuständigen Minister Blümel und auch mit Bundeskanzler Kurz! (Beifall bei der SPÖ.) Bitte stellen Sie das ab! (Ruf bei der SPÖ: ... Beihilfe ...!) Einfach innehalten und Verantwortung übernehmen! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Matznet­ter: Er hat mehr als recht ...!)

13.13


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Maria Smodics-Neumann. – Bitte, Frau Abgeordnete.


13.13.31

Abgeordnete Mag. Maria Smodics-Neumann (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! (Abg. Matznetter: Nehmen Sie ein Beispiel ... Agrarsubventio­nen ...!) – Herr Matznetter, hamma’s dann? Darf ich? – Danke schön, das ist sehr lieb! Ja, dann mache ich gleich einen direkten Einstieg - - (Abg. Leichtfried: ... Zwischenruf ist ein legitimes parlamentarisches ...!) – Ja, und es ist eine Frage der Wertschätzung, dass man jemandem, der am Wort ist, zumindest den Einstieg ermöglicht; aber ist in Ordnung. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf bei der SPÖ.)

Wertschätzung – ich glaube, das ist ein guter Einstieg –, Wertschätzung kann sehr viel bewegen, was sehr viele Geldmittel vielleicht gar nicht bewegen können. Wir haben vorhin schon sehr viel über die materiellen Dinge gesprochen, und ich möchte ganz be­wusst die immateriellen Dinge ansprechen. Wenn ich höre, dass Kolleginnen und Kol­legen hier Danke sagen, diesen Dank an die Rekrutinnen und Rekruten richten, gleich­zeitig zwischen den Zeilen aber eigentlich sagen: Na ja, ihr habt euch bemüht, aber so richtig funktioniert hat es ja nicht!, dann ist das kein ehrliches Danke. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Ich glaube aber, dass das ganz, ganz wichtig ist, und vielleicht schaffen es die Bürgerin­nen und Bürger mit mir gemeinsam: Wenn Sie Rekrutinnen und Rekruten, Soldatinnen und Soldaten sehen, etwa im Lebensmittelgeschäft, gehen Sie zu ihnen hin, bedanken Sie sich bei ihnen dafür, dass sie Dienst tun, dass sie für uns da sind, dass sie im Notfall für uns da sind (Zwischenruf des Abg. Loacker – Abg. Matznetter: Das tun wir, Frau Kollegin!) – sie werden ausgebildet, um uns alle zu schützen –, dass sie bei jeder Wit­terung, in jeder Situation, in jedem Gelände für uns da sind. Die Krise hat es bewiesen: Funktioniert nichts mehr, dann funktioniert das Bundesheer. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Matznetter.)

Wenn wir das schaffen, dann kann auch der Rekrut, die Rekrutin stolz auf unser Bundes­heer sein. Wir sind stolz auf unser Bundesheer, das macht viele, viele Budgetmittel zwar nicht wett, aber es hilft, ihnen noch einen ordentlichen Boost zu geben. (Abg. Meinl-Reisinger: Ja, aber es reicht nicht! Das ist lächerlich!) – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Leichtfried: Das war jetzt eine ... Rede!)

13.15


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Ing. Volker Reifen­berger. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.15.49

Abgeordneter Ing. Mag. Volker Reifenberger (FPÖ): Hohes Haus! Dass das Budget unseres Bundesheers völlig unzureichend ist, sollte Ihnen eigentlich niemand mehr er­klären müssen. Eigentlich sollten alle in diesem Haus wissen, dass das Bundesheer vor einem finanziellen Kollaps steht, und wenn Sie, Frau Minister, dieses Budget jetzt auch noch als Erfolg verkaufen wollen, dann ist das eine Verhöhnung, die mir persönlich wirk­lich körperliche Schmerzen zufügt. (Beifall bei der FPÖ.) Außer Sonntagsreden bei Ka­meradschaftsbundtreffen und Lippenbekenntnissen hier im Hohen Haus (Zwischenruf


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des Abg. Matznetter) kommt vonseiten der Türkisen überhaupt nichts Positives zum Bundesheer. Von den Grünen erwarte ich mir nichts anderes, aber die türkisen Kollegen hier im Hohen Haus sollten sich wirklich dafür schämen.

Das ist allerdings nichts Neues. Blicken wir zurück: Seinerzeit hat der damalige ÖVP-Minister Platter, der jetzt zum Glück sein Unwesen nur mehr regional begrenzt in Tirol treiben darf (Ruf bei der ÖVP: Na, na, na!), durch eine verantwortungslose Entscheidung den Grundwehrdienst von acht Monaten auf sechs Monate verkürzt. (Zwischenruf des Abg. Obernosterer.) Dieses politische Wahlzuckerl hat einen dauernden Verfassungs­bruch eingeleitet.

In unserer Bundesverfassung steht: „Dem Bundesheer obliegt die militärische Landes­verteidigung. Es ist nach den Grundsätzen eines Milizsystems einzurichten.“ – Die ver­fassungsrechtlichen Bestimmungen stimmen mit der tatsächlichen Realität nicht einmal im Ansatz überein. Wir haben in Österreich de facto ein Berufsheer, welches sich Grund­wehrdienern als billige Systemerhalter bedient, wir haben eine Miliz, die in Wahrheit nur eine Reserve, aber keine Miliz ist und die von vielen nur als lästiges Anhängsel, im bes­ten Fall als eine Teilstreitkraft des Bundesheers gesehen wird.

Frau Ministerin, Sie sprechen so gerne von den – angeblich – 30 000 Milizsoldaten, aber Sie verschweigen uns, dass von diesen 30 000 fast die Hälfte sogenannte befristet Be­orderte sind. Das sind keine Milizsoldaten, das sind ehemalige Grundwehrdiener, die beim Abrüsten einen Bereitstellungsschein bekommen und dann für fünf Jahre auf einer Liste stehen. In der Regel betreten diese befristet Beorderten aber nach dem Abrüsten kein einziges Mal mehr einen Kasernenboden. Das sind keine Milizsoldaten. Darüber hinaus werden zu diesen ominösen 30 000 jene Milizsoldaten gerechnet, die keine Übungstage mehr haben und auch nur auf einer Liste stehen. Das sind alles Karteilei­chen. Mit Listen und Zahlen wird hier eine Scheinmiliz dargestellt, welche aber keine ist. Eine Miliz zeichnet sich dadurch aus, dass sie regelmäßig übt, aber dank Platter gibt es keine Volltruppenübungen mehr.

Jetzt ist das von vielen lange für unmöglich Gehaltene doch eingetroffen: Die Miliz wurde zum Teil mobilgemacht, und plötzlich stehen auch diese befristet Beorderten bewaffnet im sicherheitspolizeilichen Assistenzeinsatz. Sie haben nur ein Glück gehabt: dass es möglich war, diese befristet Beorderten in einer zwei- bis dreiwöchigen Einsatzvorbe­reitung auf einen aus militärischen Gesichtspunkten sehr einfachen und banalen Einsatz vorzubereiten. Es können aber auch sehr schnell Szenarien eintreten – und jetzt rede ich nicht einmal von der militärischen Landesverteidigung, sondern von Blackouts, von Terroranschlägen und so weiter –, in denen unser Bundesheer vielleicht in einen robus­teren Einsatz gehen muss und wir für die Einsatzvorbereitung keine zwei bis drei Wo­chen Zeit haben.

Ich bringe daher folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Reinhard Eugen Bösch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Wiedereinführung der 8 Monate Grundwehrdienst im Modell 6 + 2 Monate“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert dem Nationalrat eine Änderung des Wehrge­setzes vorzulegen, welche die Wiedereinführung von 8 Monaten Grundwehrdienst, im bewährten Modell 6 + 2 Monate, beinhaltet.“

*****


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Ohne diese Verlängerung des Grundwehrdienstes gibt es keine Miliz, die diesen Namen verdient. Sofern Sie am Donnerstag gegen diesen Antrag stimmen, brechen Sie gelten­des Verfassungsrecht.

Abschließend darf ich Ihnen, Frau Bundesminister, zu einem gratulieren: dass Sie erst­malig in der Geschichte unseres Bundesheers eine Teilmobilmachung unserer Miliz an­geordnet haben. – Das war es dann aber auch schon mit dem Lob.

Wenn der Einsatz vorbei ist, dann werden wir diesen genau evaluieren und festgestellte Mängel wirklich erbarmungslos aufzeigen.

Frau Minister, einen wirklich gut gemeinten Rat darf ich Ihnen auch noch mitgeben: Sprechen Sie bitte nie wieder von 30 000 Milizsoldaten, denn mit solchen Aussagen machen Sie sich nur zum Gespött am Kasernenhof. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Laimer.) Und wenn Sie glauben, dass Ihre Aussage wirklich richtig ist, dann muss ich Ihnen raten: Tauschen Sie Ihre militärischen Berater aus, die Ihnen da wie Salzburger Stierwascher Potemkin’sche Dörfer verkaufen.

Abschließend wünsche ich allen Kameraden, die als Soldaten im sicherheitspolizeilichen Assistenzeinsatz stehen, viel Soldatenglück und einen erfolgreichen Einsatz. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Laimer.)

13.20

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Dr. Bösch, MMag. DDr. Fuchs, MMMag. Dr. Kassegger. Ing. Mag. Reifenberger

und weiterer Abgeordneter

betreffend Wiedereinführung der 8 Monate Grundwehrdienst im Modell 6 + 2 Monate

eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 7, Bericht des Budget­ausschusses über die Regierungsvorlage (55d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2020 (Bundesfinanz-gesetz 2020 – BFG 2020) samt Anlagen (183d.B.), Untergliederung 14 – Militärische Angelegenheiten, in der 32. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 27. Mai 2020

Der Entwurf zum Bundesvoranschlag 2020 sieht für die UG 14 - Militärische Angelegen­heiten im Finanzierungshaushalt Auszahlungen in der Höhe von nur 2,5 Milliarden EUR vor. Das Österreichische Bundesheer ist aufgrund jahrzehntelanger Unterfinanzierung nicht mehr in der Lage seinen verfassungsmäßigen Auftrag voll-umfänglich zu erfüllen. Unter Verteidigungsminister Mario Kunasek hat der General-stab in seiner Broschüre „Effektive Landesverteidigung! – Ein Appell“ und später die Fortschreibung mit dem Be­richt „Unser Heer 2030“ ganz klar die problematische finanzielle Ist-Situation dargestellt. Auf Grund der Neutralität ist Österreich verpflichtet alles zu tun, um das eigene Land, die Heimat, zu verteidigen. Dafür bedarf es der militärischen Landesverteidigung durch das Bundesheer, welches als Einsatzheer zu führen und nach den Grundsätzen eines Milizsystems einzurichten ist, sowie der allgemeinen Wehrpflicht.

Durch die verantwortungslose Verkürzung des Grundwehrdienstes auf 6 Monate als un­taugliches Wahlzuckerl hat der ehemalige ÖVP-Minister PLATTER dem Bundes-heer und damit Österreich nachhaltig geschadet. Nur die Miliz ermöglicht ein Auf-wachsen des Heeres auf die nötige Einsatzstärke. Die chronische Unterdotierung brachte jedoch einen schweren Mangel an Ausrüstung und Ausstattung. Der Wegfall der Übungspflicht und die reduzierten Ausbildungskapazitäten führen zu Personal-knappheit bei der Miliz.


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Dies alles wirkte sich negativ auf die Verfügbarkeit und Einsatzbereitschaft der Miliz aus, so die Erkenntnis 2019 der Ressortführung selbst!

Die FPÖ begrüßt die Aufbietung von Teilen der Miliz des österreichischen Bundeshee­res. Die Milizverbände und -einheiten weisen allerdings einen dramatischen Fehlbestand an Personal und Material auf, der umgehend beseitigt werden muss. Für eine mobilzu­machende Miliz ist es unabdingbar, wieder verpflichtende Waffen-übungen einzuführen. Diese Maßnahmen sind umgehend umzusetzen, weil niemand weiß, ob wir nicht nur 3000 Mann, sondern alle Soldaten brauchen werden. Die Bundesregierung ist aufgefor­dert, diese Schritte im Sinne des Schutzes unseres Staates und seiner Bevölkerung un­verzüglich zu setzen!

Der wesentlichste Schritt dazu ist durch die Änderung des Wehrgesetzes die Wiederein­führung der 8 Monate Grundwehrdienst, im bewährten Modell 6 + 2 Monate. Nur so bekommt das Bundesheer wieder die notwendigen Kräfte für die Miliz, diese auszubilden und die Möglichkeit gemeinsam zu üben und sich damit auf die verfassungsrechtlich vorgegebene Aufgabe der militärischen Landesverteidigung vorzubereiten. Es würde auch damit endlich der laufend praktizierte Verfassungs-bruch abgestellt werden. Mit diesem Modell 6+2 wäre auch die Verlängerung der Grundwehrdiener nicht notwendig gewesen!

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert dem Nationalrat eine Änderung des Wehrge­setzes vorzulegen, welche die Wiedereinführung von 8 Monaten Grundwehrdienst, im bewährten Modell 6 + 2 Monate, beinhaltet.“

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Mag. Romana Deckenbacher. – Bitte, Frau Abgeordnete.


13.20.48

Abgeordnete Mag. Romana Deckenbacher (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Hohes Haus! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Viele meiner Vorred­nerinnen und Vorredner haben dieses Thema und diesen Bereich bereits erwähnt, und erlauben Sie mir, dass ich ein bisschen näher darauf eingehe, nämlich auf die Cybersi­cherheit.

Die im Budgetentwurf angeführte Bereitstellung finanzieller Mittel in der Höhe von rund 47 Millionen Euro für die dringend notwendige personelle Aufstockung im Bereich Cyber­sicherheit ist ein richtiger und wichtiger Schritt, Frau Ministerin, denn wir haben es ganz klar mit einer sich ständig ändernden Bedrohung aus dem Cyberraum zu tun. Die Nach­frage nach Cyberexperten ist groß. Mit höchstqualifizierten Kräften und der Unterstüt­zung von Cybergrundwehrdienern, aber auch mit der Unterstützung unserer IT-Experten aus der Miliz ist es möglich, grundlegende Kapazitäten aufzubieten und die Cyberangrif­fe auf das IKT-System des österreichischen Bundesheers im Normbetrieb zu erschwe­ren und im Idealfall natürlich auch abzuwehren.

Sie werden mir zustimmen, wenn ich sage, dass Cyberkriminelle und staatsnahe Hackergruppierungen bei jeder sich bietenden Gelegenheit und mit allen verfügbaren


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Mitteln und Methoden versuchen, an geheime und geheim zu haltende Informationen zu gelangen. Das betrifft selbstverständlich nicht nur die Bereiche Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft, es betrifft auch alle Unternehmen der kritischen Infrastruktur.

Gestern hat Minister Schallenberg auf den Cyberangriff auf das Außenministerium – als jüngstes Beispiel – hingewiesen, der nach wochenlangen intensivsten Arbeiten und einer hervorragenden Zusammenarbeit aller beteiligten Ressorts erfolgreich beendet werden konnte.

Eine Investition in die Cybersicherheit dient nicht nur dem Eigenschutz des österreichi­schen Bundesheeres, sie stellt auch ein strategisches Wirkmittel im Fall einer Anforde­rung zur Assistenz dar. Es ist daher ein richtiger Schritt unserer Bundesministerin, diese Mittel für die Cybersicherheit einzusetzen, denn damit wird die Rolle des österreichi­schen Bundesheeres als strategische Reserve zum Wohle unserer Republik gestärkt. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Ernst-Dziedzic.)

13.23


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Abgeordneter Dr. Harald Troch. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.23.27

Abgeordneter Dr. Harald Troch (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Als Kind habe ich mich ja immer sehr auf den Sonntagnachmittag gefreut. Da gab es Kaffee­jause bei Onkel Michael und Tante Klaudia – und das war auch eine Märchenstunde. (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPÖ.) Ich finde halt, ich bin jetzt über dieses Alter schon hinaus, und ich finde es schade, wenn vier Tage parlamentarische Beratungen zur Märchenstunde werden, gerade auch im Bereich Budget insgesamt. Wir haben es jetzt schwarz auf weiß: Ein Gutachten sagt, das Budget ist eigentlich ein Fakebudget, es muss nachgebessert werden, und das gilt auch für das Militärbudget. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Leichtfried: Bravo!)

Was mir schon aufstößt, ist eigentlich die Vision der ÖVP in Bezug auf Militär und Lan­desverteidigung. Die Vision der ÖVP ist, dass unser Bundesheer Fieber misst, Hilfspoli­zei spielt, Post sortiert und nach Lawinenabgängen aufräumt. Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Im 21. Jahrhundert ist mir das zu wenig, die Vision der ÖVP reicht da nicht weit genug. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Es geht um ganz andere Bedrohungsszenarien. Da muss Geld in die Hand genommen werden, da müssen Soldatinnen und Soldaten gscheit ausgebildet werden und es darf nicht an der Sicherheit des Personals gespart werden.

Es werden auch sehr schöne Sonntagsreden gehalten. Ein Danke ist angebracht – ja, aber ein ehrliches Danke, und das ehrliche Danke ist dann gegeben, wenn man es auch mit entsprechenden Investitionen für die Sicherheit unserer Soldaten und Soldatinnen verbindet. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Diese Einsparungen im Bereich des Bundesheeres sind für mich keine Sicherheitspolitik, sie sind eine Unsicherheitspolitik. Moderne Sicherheitspolitik braucht aus Sicht der SPÖ mehr: Da geht es einmal um Mobilität, ohne Mobilität gibt es keinen Grenzschutz. Wir haben beim Bundesheer Modelle im Einsatz, die schon im Vietnamkrieg gedient haben. Das reicht heute nicht mehr. Auch der Grenzschutz braucht Mobilität, und das ist in diesem Fall nicht gegeben.

Eine moderne Sicherheitspolitik braucht eine aktive Luftraumüberwachung. Wir kennen das: Der Saab ist ausgelaufen, hat kein Pickerl mehr. Es gibt kein Szenario, wie wir aktiv und rasch das Problem Luftraumüberwachung angehen. In Wirklichkeit wird da die ös­terreichische Verfassung mit ihrem ganz klaren Auftrag an das Bundesheer für eine um­fassende Landesverteidigung verletzt. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)


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Eine aktive Sicherheitspolitik heißt auch Friedensmissionen, und auch da geht es pri­mär – zur Sicherheit unserer Soldaten und Soldatinnen – um gutes Material. Ich sage, der Schritt Doskozils war richtig, neue Pandurs anzuschaffen und diesen Weg zu gehen. Eine Friedensmission, bei der wir nicht die bestmögliche Sicherheit unserer Soldaten und Soldatinnen gewährleisten, ist verantwortungslos. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir haben heute internationale Instabilität; wir haben Migrationsbewegungen, die nicht mehr überschaubar, nicht mehr kontrollierbar sind; wir haben Klimakatastrophen; wir haben eine Pandemie. Da ist eine moderne Sicherheitspolitik gefordert und nicht das, was Türkis und Grün heute bieten: eine Märchenstunde zum Thema moderne Sicherheit. Das ist mir zu wenig. – Danke. (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der FPÖ sowie der Abg. Strache.)

13.27


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Andreas Minnich. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.27.26

Abgeordneter Andreas Minnich (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesmi­nister! Werte Abgeordnete! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause vor den Bildschirmen! Abgeordneter Hammer hat es schon gesagt: das größte Budget für das Bundesheer in der Geschichte. Eine Budgeterhöhung von fast 10 Prozent im Ver­gleich zu 2019 ist ein ganz klares Zeichen. Unter Berücksichtigung der Sonderinvesti­tionspakete der vergangenen Jahre ist das ein ganz klarer Anstieg, auch für die kom­menden Jahre.

Das Investitionspaket für die Mehrzweckhubschrauber Black Hawks, für die Lkw-Be­schaffung und die Mobilität für die Miliz ist auf Schiene. Wir werden das österreichische Bundesheer für neue Herausforderungen im 21. Jahrhundert weiterentwickeln, über die Kernkompetenzen hinaus auf konkrete Schwerpunkte wie Cyberdefence, internationale Friedenseinsätze, Assistenzleistungen, insbesondere Katastrophenschutz und -hilfe, Blackoutvorbereitungen und die Stärkung von Spezialeinheiten wie die ABC-Einheiten fokussieren.

Zum Schluss darf ich ein ganz großes Dankeschön an alle Soldaten, Grundwehrdiener und an die Miliz richten, die in den letzten Wochen und Monaten großartige Hilfe und Unterstützung für unsere Bevölkerung geleistet haben. Sie leisten Großartiges für unser Land: von der Unterstützung im sicherheitspolizeilichen Einsatz bis zum Einsatz in Post­verteilzentren in Hagenbrunn und Inzersdorf, wie die Frau Bundesminister schon aus­geführt hat. Das ist Hilfe für die Bevölkerung, das ist Hilfe und Unterstützung für unser Land.

Sehr geehrte Frau Bundesminister, danke für Ihren Einsatz, danke, dass Sie so hinter unserer Truppe, hinter jedem einzelnen Soldaten stehen und sich so stark für unser Bundesheer einsetzen, vielen Dank! (Beifall bei der ÖVP.)

Danke für Schutz und Hilfe für unsere österreichische Bevölkerung. – Danke schön. (Bei­fall bei der ÖVP. – Abg. Zanger: Danke! Danke! Danke!)

13.29


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Leichtfried: Da hat jetzt aber ein Doktor gefehlt! Abg. Kassegger auf dem Weg zum Rednerpult –: Nein, Fuchs ist der mit den zwei Doktortiteln!)


13.30.06

Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine Belastungsfähigkeit,


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muss ich ganz ehrlich sagen – wenn ich Ihnen meinen subjektiven Gemütszustand dar­stellen darf –, hinsichtlich dessen, was da von Vertretern der ÖVP nun die letzte Stunde vorgebracht wurde, ist fast an der Grenze. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Ich versuche, es erst einmal zu vereinfachen, insoweit als ich auf das repliziere, was Kollege Hoyos die Frau Bundesministerin gefragt hat, nämlich was ihre Vision für das Bundesheer ist, worauf er nach wie vor keine Antwort bekommen hat. Ich bin der Mei­nung, Sie haben keine Vision, sondern – um militärisch zu sprechen – Sie haben einen Auftrag. Sie haben einen Auftrag, und den setzen Sie sehr, sehr gut um. Sie haben einen Auftrag von Ihrer Partei, der ÖVP – von der Führungsspitze Ihrer Partei –, und dieser Auftrag lautet: keinesfalls das auszubauen, wofür das Bundesheer in Wahrheit aufgrund unserer Verfassung da sein sollte, nämlich die Komponente der militärischen Landesver­teidigung. (Zwischenruf des Abg. Höfinger.)

Es ist naiv, Sie wollen keine militärische Landesverteidigung. Wenn Sie diese wollten, dann hätten Sie nicht das Milizsystem mehr oder weniger zerschlagen, dann würden Sie nicht das Militär mit einem derartig lächerlichen Budget ausstatten, wie Sie es tun, mit 0,5 Prozent, sondern dann würden Sie das in einer Höhe machen, wie es jedes Land in Europa macht, nämlich mit bis zu 2 Prozent – und da reden wir nicht von ein paar Euro mehr, sondern das ist das Vierfache –; das heißt, wenn wir die Verfassung ernst neh­men, wenn wir wollen, dass diese Organisation funktioniert.

Diese Organisation ist im Übrigen aus meiner Sicht kein Unternehmen und ist auch nicht wie ein Unternehmen zu führen, sondern das ist Militär, das sind Soldaten, da gibt es Kommanden und keine Geschäftsführer und Ähnliches, und diesen Soldaten müssen wir ein Signal geben, nämlich jenes: Wollen wir ein Militär, ja oder nein? – Wir können über die zukünftigen Aufgaben des Bundesheeres herumphilosophieren, die nicht mehr die klassischen sein dürften, und dann können wir das Militär auf das reduzieren, was es heute leider in weiten Teilen schon ist: ein technisches Hilfswerk mit Schreckschuss­pistolen und Schraubenziehern, das dann bei der Post Packeln packt – völlig richtig, das ist nicht Aufgabe eines Militärs.

Nur: Sie haben die Ressourcen nicht, Sie haben das Militär an sich zerstört. Das ist nun eine Organisation, die nicht in der Lage ist, die militärische Landesverteidigung auszu­üben, und zwar bei Weitem nicht in der Lage. Da können wir uns freuen, dass die eine oder andere Kaserne hergerichtet wird oder drei Hubschrauber oder fünf Lkws gekauft werden – wir bewegen uns da in einer Dimension, die Lichtjahre von dem weg ist, was für ein Militär notwendig ist.

Sie können allerdings auch offen, ehrlich und aufrichtig sein und sagen: Das wollen wir nicht! Wir wollen kein Militär, das in der Lage ist, militärische Landesverteidigung zu ma­chen. Deswegen schaffen wir auch alle schweren Waffen ab, deswegen reduzieren wir das auf eine Brigade, deswegen reduzieren wir das in weiterer Folge dann auch auf 2 Milliarden Euro. – Das ist legitim, aber dann sagen Sie es bitte und verkaufen Sie sich hier nicht als die Retter des Bundesheers, des Militärs – das ist absurd! (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Hoyos-Trauttmansdorff.)

Es ist schon vielfach gesagt worden, was notwendig ist: eine deutliche Erhöhung. – Das entspricht auch der europäischen Solidarität, die Sie immer bemühen. Diese betrifft auch militärische Angelegenheiten. Da unterschreiben wir Pesco – die, die sich auskennen, wissen, das ist eine europäische Zusammenarbeit in diesem Bereich – und verpflichten uns, die Militärausgaben deutlich zu steigern. Ich frage mich, wozu wir das unterschrei­ben.

Das ist natürlich auch eine Frage europäischer Solidarität, in diesem Bereich zur Vorsor­ge betreffend klassische bewaffnete Konflikte. Wenn Sie mir nun vielleicht erzählen, dass ein solches Szenario nicht mehr vorkommen wird, dann sage ich Ihnen, das ist


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dann nicht eine vorausschauende Sicherheitspolitik, wie wir sie haben wollen. Im Rah­men der europäischen Solidarität müssen wir da mittun, und das heißt: 2 Prozent. Wir könnten nun natürlich vorsichtig versuchen, wie es Kollege Bösch und wir alle auch machen, 2 Milliarden Euro, 3 Milliarden Euro zu sagen. Die Wahrheit ist: Wenn wir das ernst nehmen, brauchen wir 2 Prozent des BIPs und nicht mehr, und da reden wir von 7 bis 8 Milliarden Euro. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

13.35


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Ewa Ernst-Dziedzic. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


13.35.00

Abgeordnete Dr. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Nach­dem ich seitens der Grünen diesen Bereich verhandelt habe, ist mir schon eine Präzisie­rung wichtig: Die Bundesverfassung gilt selbstverständlich, und Sie haben selber ausge­führt, dort sind die militärischen Landesverteidigungsangelegenheiten festgeschrieben. Was uns wichtig war, ist, dieses Bekenntnis zu einer umfassenden Landesverteidigung zu verankern. Wieso? – Weil sich die Rahmenbedingungen – auch dem können Sie sich nicht verschließen – in den letzten Jahrzehnten enorm geändert haben, und wir brau­chen Cyberabwehr, einen stärkeren Katastrophenschutz genauso wie eine neu aufge­stellte Luftraumüberwachung. Das steht ja außer Frage. (Zwischenruf des Abg. Kassegger.)

Ich frage mich aber nach Ihren Redebeiträgen schon, ob Sie tatsächlich noch immer mit Panzern gegen Drohnen und Hacker vorgehen wollen beziehungsweise ob Sie überse­hen, dass wir im Schengenraum leben und der Kalte Krieg schon vorbei ist, und was Sie eigentlich damit bezwecken wollen, immer den Blick in die Vergangenheit anstatt in die Zukunft zu richten, wo wir wissen, dass gerade der Katastrophenschutz – das ist die Verschiebung, die uns Grünen wichtig war (Abg. Kassegger: Das ist Ihnen wichtig, uns ist was ganz anderes wichtig!) – eine viel größere, wichtigere Rolle spielen wird und Österreich da ganz viel Know-how hat und auch auf internationaler Ebene Abhilfe schaf­fen kann.

Bleiben wir also bitte sachlich, niemand nimmt irgendjemandem etwas weg. Tatsächlich ist es aber so: Es hat sich etwas gravierend geändert, und da sind auch Gespräche auf europäischer Ebene – Stichwort Pesco – von großer Relevanz. (Zwischenruf des Abg. Kassegger.) Wir können nicht so tun, als würden wir noch immer im Jahr 1945 über das Bundesheer reden. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.36


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Gerhard Ka­niak. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


13.36.46

Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bun­desministerin! Ich muss meiner Vorrednerin schon etwas widersprechen. Diese neuen und zusätzlichen Herausforderungen, die Sie angesprochen haben, sind natürlich da und kein Mensch hier herinnen ignoriert diese, aber sie sind doch das beste Beispiel dafür, dass man mit dieser Trittbrettmentalität, die wir im sicherheitspolitischen Bereich in den letzten Jahrzehnten gefahren sind, mit diesen Schmalspurbudgets für die militäri­sche Landesverteidigung einfach weit nicht auskommen und doch auf keinen Fall so weitermachen können, sondern eine deutliche Erhöhung der Mittel für die Landesver­teidigung benötigen. So schaut’s aus! (Beifall bei der FPÖ.)

Eines hat sich nämlich gerade in den vergangenen Wochen und in den letzten zwei, drei Monaten gezeigt: Das österreichische Bundesheer sollte doch die entscheidende strate­gische Handlungsreserve der Zweiten Republik sein. Durch die unzähligen Anforderun­gen von Assistenzleistungen haben wir gesehen, wie wichtig die Hilfestellung durch das


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österreichische Bundesheer für die österreichische Bevölkerung, für die Sicherheit und für die Versorgung der Österreicherinnen und Österreicher ist.

Als wir gesehen haben, wie im Rahmen der Coronakrise die Chinesen innerhalb von wenigen Tagen ein Heeresspital für 10 000 Patienten aufgebaut haben, die Schweizer ihre vier Spitalsbataillons aktiviert haben, war es auch nicht weiter verwunderlich, dass aus dem Gesundheitsministerium die Anfrage an das österreichische Bundesheer ge­kommen ist und eine Delegation das Sanitätszentrum Ost besucht hat, um sich zu er­kundigen, wie viele Coronapatienten denn dort versorgt werden könnten. Wissen Sie, was die Antwort war? – Kein einziger, denn das Heeressanitätswesen ist in den vergan­genen Jahren schlicht und ergreifend zu Tode gespart und zu Tode reformiert worden.

Wir diskutieren jetzt ein Budget, das nicht einmal ansatzweise versucht, diesen Mangel zu beheben. Wie schlimm dieser Mangel ist, das lassen Sie mich in Zahlen ausdrücken: Wir haben im Heeresgesundheitswesen 210 Planstellen für Ärzte, von diesen 210 Plan­stellen sind ungefähr 120 besetzt, und von diesen 120 ist nicht einmal die Hälfte tat­sächlich einsatzverwendbar. Im Bereich der restlichen Gesundheitsberufe im Heeresge­sundheitswesen sieht es ähnlich schlimm aus, und infolge der anstehenden Pensionie­rungswelle werden in etwa fünf Jahren nicht einmal mehr 25 Prozent der Planstellen besetzt sein.

Wir haben organisationsplanmäßig drei Feldambulanzen, die einsatzfähig sein sollten, und wir schaffen es nicht einmal, eine voll einsatzfähig zu bekommen. Nicht einmal, wenn wir das Personal und die Ausrüstung aller drei Feldambulanzen zusammentun, schaffen wir es, eine vollwertige Feldambulanz drei Monate im Einsatz zu halten. Das ist beschämend und das ist genau das Gegenteil des Vorhandenseins einer strategischen Handlungsreserve. Das ist eine vollkommene Selbstaufgabe, Frau Ministerin! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich habe als Mitglied der Parlamentarischen Bundesheerkommission letztes Jahr bei ei­nem Truppenbesuch in Bregenz das Sanitätsprojekt 2020 vorgestellt bekommen, bei dem engagierte Sanitätsoffiziere Punkt für Punkt ausgearbeitet haben, was notwendig wäre, um das Sanitätswesen wieder einsatzbereit zu machen und die gesetzlichen Auf­gaben zu erfüllen.

Dieses Konzept liegt vor – ich hoffe, Sie haben es schon gelesen. Es sind dazu um­fangreiche legistische und organisatorische Maßnahmen nötig, und es ist natürlich auch eine gewisse Budgeterhöhung für diesen Bereich notwendig, wobei wir hier über einen bescheidenen Beitrag von circa 38 Millionen Euro pro Jahr über die nächsten fünf Jahre sprechen, um die Leistungsfähigkeit und Einsatzbereitschaft des österreichischen Sani­tätswesens wiederherzustellen.

Sehr geehrte Frau Bundesministerin, ich ersuche Sie inständig: Gehen Sie noch einmal in innere Klausur mit dem Herrn Finanzminister, holen Sie sich gerade in Krisenzeiten wie jetzt, wo „Koste es, was es wolle!“ die Prämisse ist, diese 38 Millionen Euro für das heurige Budget, schnappen Sie sich das Reformprojekt 2020 für das Heeressanitäts­wesen und setzen Sie es um! (Beifall bei der FPÖ.)

13.40


Präsident Ing. Norbert Hofer: Mir liegen dazu keine Wortmeldungen mehr vor. Die Beratungen zu diesem Themenbereich sind somit beendet.

13.40.53

UG 33: Wirtschaft (Forschung)

UG 40: Wirtschaft


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen nun zu den Untergliederungen 33, Wirt­schaft (Forschung), sowie 40, Wirtschaft. Hierüber findet eine gemeinsame Debatte statt.

Zu Wort gelangt Herr Dr. Christoph Matznetter. – Bitte, Herr Abgeordneter.



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13.41.06

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen Bun­desminister! – Frau Bundesminister Schramböck ist auch schon da. Wir kommen nun zum Kapitel Wirtschaft. Heute ist ja insofern ein ganz guter Tag, als die Bundesregierung beim Härtefallfonds nach Wochen ein bisschen Vernunft zeigt und Dinge abändert, in­dem sie zum Beispiel sagt, es sind nicht 80 Euro oder 43 Euro zu überweisen, sondern mindestens 500 Euro, denn sonst kostet die Verwaltung mehr. (Abg. Hörl: Das haben wir schon vor 14 Tagen gemacht!) – Super! Herr Kollege Hörl, wenn das das Tempo der Exekutive ist, dass Sie vor 14 Tagen etwas gemacht haben und das heute erst verkün­den müssen – ehrlich gesagt, da sollten Sie in der Verwaltung nachschärfen. (Beifall bei SPÖ und NEOS. – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Hörl.)

Das provoziert mich zu dem Vorschlag, ob Sie nicht doch Gernot Blümel durch Gabriel Obernosterer austauschen, denn der macht über Nacht zwei Budgets, und der schafft dann vielleicht auch diese Änderungen schneller. Ich würde es empfehlen, meine Damen und Herren. (Beifall bei SPÖ und NEOS. – Heiterkeit des Abg. Loacker.)

Aber um zum vorhin Gesagten zurückzukommen: Sie könnten sich ja über mein Lob für die Bundesregierung freuen, ich frage mich nur Folgendes: Wir alle miteinander – die Sozialdemokraten, die NEOS, die FPÖ – sagen Ihnen seit Wochen, was zu tun ist, und Sie brauchen Monate, bis Sie darauf reagieren. Ich frage mich: Warum? Ist es die PR-Maschinerie, die sagt: Gesichtsverlust! Wir können nichts machen in einer Sache, die die Opposition kritisiert hat!? – Wenn es so ist, würde ich diese Form der Politik revidie­ren. Das ist nämlich die falsche Politik. Die richtige ist, gleich schnell zu helfen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Meinl-Reisinger und Shetty.)

Die gestern vom Herrn Bundeskanzler hier gestellte Frage: Mit welchem Land wollen Sie tauschen?, können unsere EPUs und KMUs rasch beantworten, vor allem die in Vorarl­berg, denn die kennen es: mit der Schweiz jenseits der Grenze. In 24 Stunden das Geld am Konto, Abrechnung irgendwann – das hätten Sie auch tun können, meine Damen und Herren. Es war nie notwendig, diese Bürokratie aufzubauen! Sie hätten mit anderen Ländern gleichziehen können, sich an diesen ein Beispiel nehmen können, und vielleicht hätten wir dann auch nicht jenen Anstieg der Arbeitslosigkeit, sondern einen geringeren wie zum Beispiel Deutschland. Mich würde es sehr freuen, dem Land und vor allem den Menschen würde es guttun. Also: Weniger Bürokratie, mehr Hilfe und diese schneller! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Dieses Budget ist ja als das zu bezeichnen, was wir gestern festgestellt haben, wie inzwischen offensichtlich der Herr Finanzminister auch schon eingesehen hat. Ich darf übrigens die Aufmerksamkeit auf diese doch etwas – jetzt muss ich aufpassen, was ich sage, Herr Präsident – absurde Argumentation lenken, die in der OTS-APA-Meldung er­sichtlich ist: Der Herr Finanzminister weist den Verfassungswidrigkeitsvorwurf der SPÖ zurück, um anzukündigen, dass er den Fehler beheben wird. (Heiterkeit bei SPÖ und NEOS.)  Ich finde das einfach witzig. Es wird immer kreativer! (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

Aber ja, wir versuchen, unsere Aufmerksamkeit weg vom Altpapier und wieder in die Gegenwart zu richten. Frau Bundesministerin! – Ich habe sie nicht kritisiert, die Frau Bundesministerin (auf Bundesministerin Schramböck weisend), denn sie hat wenigstens die letzten Wochen dazu genützt, ab und zu ein bisschen zuzuhören. Das ist ein wohl­tuender Unterschied zu manchen anderen Regierungsmitgliedern hier. In diesem Fall brauchen wir Sie also nicht durch Gabriel Obernosterer oder irgendjemand anderen zu ersetzen, Frau Bundesministerin; es genügt Gernot Blümel als Schwachstelle. (Abg. Hörl: Hallo!) Wir sind froh, dass es hier die Gesprächsbasis gibt, und meine Empfehlung ist: Schnellere Umsetzungen und versuchen, für Themen möglichst breite Mehrheiten zu haben.


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Nehmen Sie sich ein Beispiel an Angela Merkel, die im Dialog auch mit den Opposi­tionsparteien Grüne und FDP versucht, Lösungen zu finden, die auch breit unterstützt werden, die sich nicht wie unser Bundeskanzler herstellt und sagt: Wir sind die Besten im ganzen Land und unter den zwei Besten in Europa!, sondern vielmehr sagt, das ist eine Zumutung für die Demokratie. – Das sind ernste und besonnene Worte. Schneiden Sie sich eine Scheibe bei Angela Merkel ab! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.) Auch das würde diesem Land guttun. Nicht hochmütig, sondern angesichts der Krise als Diener des Staates zu agieren, das würde guttun.

So, zurück zu dem: Sie sagen jetzt auch schon – ich höre es schon –, wir werden viel­leicht ein Konjunkturpaket machen. Vorschlag: Nicht warten wie beim Härtefallfonds, sonst wird nämlich das Land zum Härtefall! Machen Sie das Konjunkturpaket kräftig und gleich!

Ich habe gemeinsam mit Pamela Rendi-Wagner ein umfassendes Investitionspaket, das größte der Zweiten Republik, vorgeschlagen. Machen Sie es! – Rauf mit der Kaufkraft! 70 Prozent Arbeitslosengeld! SV-Bonus gleich! Steuerreform vorziehen! Investitionstur­bo starten! Vorzeitige Abschreibung für die Wirtschaft gleich! Gemeinnütziges Wohnen verstärken, thermische Sanierung aller öffentlichen Gebäude, Klimainvestitionspaket in Höhe von 1 Milliarde Euro – Verkehr, alternative Energien –, nicht 300 Millionen Euro auf drei Jahre, sondern 1 Milliarde Euro jedes Mal, jährlich! Ein Infrastrukturpaket für die Städte und Gemeinden, nicht 1 Milliarde Euro, wie gestern angekündigt, sondern 2 Mil­liarden Euro, und vor allem eine thermische Sanierung der Häuser der Armen! Diese könnte man – ich schaue auf die Grünen – wirklich sanieren. Nehmen Sie sich ein Bei­spiel daran, wie Wien vor 40 Jahren von Stadtgas auf Erdgas umgestellt hat – alle Haus­halte, alle, die ärmsten!

Machen Sie das! Dann würden Sie auch mehr Erfolg haben, und die PR könnte man einsparen, schon wegen der CO2-Emissionen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS. – Zwischenrufe der Abgeordneten Obernosterer und Prinz. – Abg. Hörl: Das Biomassekraftwerk habt ihr zugesperrt in Wien, aber Müllverbrennung heizen! Hallo? So was ist ökologisch?!)

13.47


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Peter Haubner. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.47.24

Abgeordneter Peter Haubner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Matznetter, ich habe gestern ohnedies schon fast alles dazu gesagt, aber wenn Sie davon sprechen, dass man nicht hochmütig sein soll, dann würde ich in dieser Beziehung ein bisschen vor der eigenen Türe kehren. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Matznetter.)

Meine Damen und Herren! Sicher – Kollege Matznetter hat es angesprochen –, es ist erfreulich, dass wir, da wir ja immer wieder auch gesagt haben, wir wollen aus Erfah­rungen lernen und dann auch entsprechend nachbessern, das beim Härtefallfonds wieder getan haben. Ich denke, das ist die richtige Maßnahme, und ich denke auch, dass man jetzt den Härtefallfonds in dieser Beziehung auch so in Anspruch nehmen kann, dass davon jetzt jeder auch zu seinem Geld kommen wird. Ich glaube, das ist eine ganz wichtige Entscheidung, dass wir das jetzt nachgeschärft haben.

Wir sind beim Kapitel Wirtschaft, und ich denke, wir sollten auch die Kernaufgaben, die sich in diesem Kapitel wiederfinden und die sich ja trotz Corona nicht verändern, an­sprechen. Es geht vor allem um die langfristige Absicherung der Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Österreich, und darüber hinaus geht es auch um die Weiter­entwicklung der technologischen und digitalen Bereiche für die Wirtschaft und die öffent­liche Verwaltung.


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Österreich hat tolle Unternehmerinnen und tolle Unternehmer, und wir hatten vor der Coronakrise ein gutes Wachstum und eine hohe Beschäftigung, und ich glaube, es muss unser Ziel sein, dass wir da wieder hinkommen. Neben der Erholung des inländischen Konsums und der Ankurbelung der Investitionen der heimischen Betriebe werden die internationalen Direktinvestitionen ein wesentlicher Faktor für unser Land sein, damit wir gut und gestärkt wieder aus dieser Krise herauskommen.

Daher ist es auch ganz entscheidend, dass wir in schwierigen Zeiten für internationale Investitionen wettbewerbsfähig und attraktiv bleiben, meine Damen und Herren. Aus die­sem Grunde begrüße ich es sehr, Frau Minister, dass im Budget des Wirtschaftsressorts die Vermarktung des Wirtschafts- und Arbeitsstandortes Österreich bei Investoren und Fachkräften einen wichtigen Stellenwert einnimmt und durch eine Ausweitung der Ser­vices und Beratungen unserer Standortagentur Austrian Business Agency intensiviert werden soll. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Das ist eine richtige Maßnahme zur richtigen Zeit. Damit können wir – und das ist, glaube ich, ganz wichtig – das positive Image, das ja Österreich international genießt, pflegen und die Vorteile unseres Landes gerade in der Krise weltweit noch besser darstellen und dadurch auch international tätige Unternehmen nach Österreich bringen. Das ist zum Vorteil von uns allen, denn das schafft Arbeitsplätze, stärkt unser Sozialsystem und bringt Innovationen und neue Technologien in unser Land.

Der zweite Schwerpunkt ist aktive Außenwirtschaftspolitik – auch das ist ganz wichtig. Wir wissen, dass vor der Krise 6 von 10 Euro im Ausland erwirtschaftet wurden, das heißt, wir brauchen unsere Partner im Ausland, um erfolgreich zu sein – die Deutschen, die Italiener, die Schweizer, die Franzosen und auch die Chinesen, die unter den Top Ten mit 3 Prozent unserer Exportkapazitäten sind. Wir müssen schauen, dass wir in diesem Bereich wieder Aktivitäten setzen. Deshalb ist es ganz wichtig, dass Go-international fortgesetzt wird, eine Initiative, für die wir wieder 12,6 Millionen Euro zur Verfügung stellen – gut investiertes Geld.

Digitalisierung – ich glaube, das ist ganz wichtig – bleibt unser Hauptschwerpunkt. Das ist Ihr Hauptschwerpunkt, Frau Minister, da kommen Sie her, da kennen Sie sich voll aus, da sind Sie zu Hause. Ganz wichtig sind die 5 Millionen Euro, die für KMU digital zur Verfügung werden, und das ist auch für die KMU-Wirtschaft jetzt ein wesentlicher Punkt.

Ich möchte ganz zum Schluss noch Danke sagen: für die gute Zusammenarbeit und dafür, dass Sie sich mit den Wirtschaftssprechern immer wieder abstimmen. Danke auch für die Beiträge von den anderen Fraktionen – es ist ganz wichtig, dass wir die Dinge gemeinsam angehen. Danke an Ihre Mitarbeiter in den Büros, und Danke an die Ex­perten in den Ministerien. Österreichs Wirtschaft wird ein Comeback feiern, und ich den­ke, das ist ganz wichtig für unser Land und für die Arbeitsplätze. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

13.52


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Erwin Angerer. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.52.07

Abgeordneter Erwin Angerer (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Frau Minister! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren und Zuhörer! Frau Minister, ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie sich in Ihrer Haut wohlfühlen. Sie waren doch selber in der Privat­wirtschaft und sehen, was draußen passiert. Wir haben es doch schon lang und breit hier im Parlament diskutiert. Sie kennen die Zahlen. Mir kommt immer vor, diese Re­gierung handelt nach dem Motto: Warum einfach, wenn es kompliziert auch geht? Sie


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haben Hilfspakete aufgestellt, reden von Milliarden – der Härtefallfonds, die Mittel für die Kurzarbeit, der Hilfsfonds, in Summe 27 Milliarden Euro –, und hinausgegangen sind tatsächlich bis jetzt rund 460 Millionen Euro. Das sind 1,6 Prozent.

Wie würden Sie einen Mitarbeiter in einem Unternehmen bewerten, mit dem Sie geredet haben, wie er seine Ziele erreichen will, der nach drei Monaten 1,6 Prozent seiner Ziele erreicht hat? Entweder wollen Sie nicht, dass das Geld hinausgeht, oder das System ist so kompliziert, so komplex aufgebaut und mit so viel Bürokratie behaftet, dass es einfach nicht funktioniert.

Heute haben Sie schon wieder beim Härtefallfonds nachbessern müssen, weil er einfach nicht funktioniert. Ich mag es mir schon gar nicht mehr durchlesen, und ich denke, dass es vielen österreichischen Unternehmern auch schon so geht, dass sie es sich nicht mehr antun wollen, das alles durchzugehen und noch einmal Anträge zu stellen. Das funktioniert einfach nicht.

Sie haben bei der letzten Pressekonferenz den Hilfsfonds betreffend Fixkostenzuschuss präsentiert. Heute können Sie im „Standard“ von namhaften Volkswirtschaftsprofessoren lesen, die sagen, dass der Fonds wieder so aufgesetzt ist, dass er nicht funktionieren wird. Aus dem Fixkostenzuschussfonds ist noch nichts hinausgegangen, und so, wie Sie schreiben und wie er aufgesetzt ist, wird wieder nichts hinausgehen – es wird wieder nicht funktionieren. Warum machen Sie das? Warum helfen Sie den österreichischen Unternehmern nicht mit einfachen Zugängen und einfachen Regeln? (Abg. Vogl: Weil sie’s nicht können!)

Das nächste Thema ist die Maskenpflicht. Sie haben heute eine Verordnung herausge­geben, und ich habe mir diese aktuelle Verordnung vom 27. Mai, die alles lockerer macht, angeschaut. Ich nehme nur einen Punkt aus dieser Verordnung heraus: Der Be­herbergungsbetrieb hat sicherzustellen, dass die Mitarbeiter weiterhin eine Maske tra­gen – also keine Erleichterung –, und Nächtigungen in Schlaflagern oder Gemein­schaftsräumen sind nur zulässig, wenn der Abstand mindestens 1,5 Meter beträgt. Bis­her waren es 2 Meter, das heißt also, wir nähern uns jetzt alle 14 Tage um einen halben Meter an. Was soll denn das? Das ist ja lächerlich, das kann ja nicht funktionieren. Das sind Vorgaben, die in der Praxis einfach nicht umsetzbar sind.

Ich habe so eine Maske, wie viele andere Österreicher auch, eingesteckt, aber nicht, um mich vor einem Virus zu schützen, sondern nur, um die Unternehmer davor zu schützen, bestraft zu werden. Ich setze sie auf, wenn ich in ein Lokal oder in einen Handelsbetrieb hineingehe, um den Unternehmer zu schützen, aber alle wissen mittlerweile, dass diese Maske niemanden vor einem Virus schützt und ein völliges Plagiat ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Das ist nur mehr Symbolpolitik. Es hat eine solche Politik schon vor Jahrhunderten ge­geben. Sie kennen sicher die Geschichte von Wilhelm Tell. Da hat es den Gesslerhut gegeben, und wer den Gesslerhut nicht gegrüßt hat, ist bestraft worden. Dann hat Wil­helm Tell seinem Sohn den Apfel vom Kopf schießen müssen. Diese Maske ist der Gess­lerhut des Sebastian Kurz. Die österreichische Bevölkerung wird gezwungen, dieses Symbol zu tragen. Das gehört abgeschafft. (Abg. Gabriela Schwarz: Kennen Sie ...? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Die Maske ist völlig nutzlos. Schauen Sie sich das an: Beim Obernosterer schaut die Nase immer raus, und die Hälfte hat die Maske schon runtergegeben. Ich meine, das ist auch logisch, bei dem geht es gar nicht anders. (Abg. Gabriela Schwarz: Eine Ver­schwörungstheorie, ja ja!) Das ist ein völliges Plagiat, das einfach sinnlos ist und nicht mehr getragen werden muss.

Deshalb stelle ich folgenden Antrag, damit der Wirtschaft wirklich geholfen wird:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 391

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Maskenzwang beenden – Handel und Gastronomie beleben“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, den Maskenzwang insbesondere im Handel und der Gastronomie umgehend zu beenden und auf Freiwilligkeit umzustellen, um so die dringend benötigten Umsatzzuwächse für die betroffenen Branchen zu ermöglichen und die Lebensqualität der Konsumentinnen und Konsumenten wieder zu steigern.“

*****

Ich hoffe, dass Sie endlich vernünftig werden. (Beifall bei der FPÖ.)

13.57

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Erwin Angerer, Mag. Gerald Hauser

und weiterer Abgeordneter

betreffend Maskenzwang beenden – Handel und Gastronomie beleben

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 7: Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (55 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvor­anschlages für das Jahr 2020 (Bundesfinanzgesetz 2020 – BFG 2020) samt Anla­gen (183 d.B.) – UG 40

in der 32. Sitzung des Nationalrates am 27. Mai 2020

Auch wenn seit 15. Mai 2020 die heimische Gastronomie wieder die Erlaubnis hat, ihre Betriebe zu öffnen, so ist die Zufriedenheit bei vielen Gastronomen doch sehr enden­wollend und die Erfahrungen nach einigen Tagen teilweise so ernüchternd, dass bereits wieder an das Zusperren gedacht bzw. wirklich wieder geschlossen wird:

"Es rennt nicht halbwegs, es rennt gar nicht", erklärt beispielsweise der Chef des Cafe Museum in Wien Berndt Querfeld.

In den vier Tagen, an denen das Café Museum offen war, habe es nur zehn Prozent des üblichen Umsatzes gemacht, so der Gastronom: "Wir haben gemerkt, das ist wirtschaft­lich einfach nicht durchzustehen." Österreich vom 20.05.2020

Das Cafe Museum schloss daher bereits nach vier Tagen wieder. Ähnlich geht es vielen anderen Gastronomiebetrieben.

Neben den strengen Corona-Maßnahmen in der Gastronomie selbst, wie Abstandsre­geln oder Maskenpflicht (zumindest beim Betreten und Verlassen des Lokals) und der Verunsicherung der Konsumenten hinsichtlich des Erhalts des eigenen Arbeitsplatzes und des Einkommens ist für den schwachen Umsatz der Gastronomie auch die generelle Maskenpflicht im Handel verantwortlich.

Beim stationären Handel und damit einhergehend auch in der Gastronomie ist der er­hoffte Umsatz an den ersten Öffnungstagen ausgeblieben.

Daher ist es dringend an der Zeit, das Tragen einer Maske insbesondere im Handel auf freiwillige Basis zu stellen, was seitens der Handelsbranche mittlerweile auch dringend gefordert wird, wie auf orf.at am 18. Mai 2020 zu lesen war:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 392

„In der Handelsbranche regt sich Widerstand gegen die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Schutzmaske (MNS). Sowohl die Konsumenten und Konsumentinnen als auch das Verkaufspersonal, das die Masken ganztägig tragen muss, würden sich zunehmend über die Maskenpflicht beschweren, sagte Handelsobmann Peter Buchmüller laut der Tageszeitung „Kurier“ (Montag-Ausgabe).

Um die Belastungen für das Personal zu minimieren und die Kauflust der Konsumenten und Konsumentinnen wieder anzukurbeln, müsse sich die Politik „demnächst etwas ein­fallen lassen“, drängt Buchmüller. Er kann sich etwa vorstellen, dass das Maskentragen für Kunden und Kundinnen nicht mehr verpflichtend ist, sondern auf freiwilliger Basis.

Maskenpflicht „nicht mehr zuzumuten“

Auch für das Verkaufspersonal, besonders in beratungsintensiven Branchen wie Möbel-, Mode- oder Sportartikelhandel, sei die Maskenpflicht „schön langsam nicht mehr zuzu­muten“. Durch die Hygieneregelung, Abstandsmarkierungen oder Plexiglaslösungen an der Kassa gebe es ohnehin bereits zusätzliche Schutzmaßnahmen gegen die Anste­ckungsgefahr.“

Dessen ungeachtet hält Gesundheitsminister Anschober ganz klar an der Beibehaltung der Maskenpflicht fest, wie er dies im Rahmen einer Pressekonferenz am 20. Mai 2020 unmissverständlich zum Ausdruck brachte.

Wenn er dann in Hinblick auf die Maskenpflicht hinzufügt, dass er sich vorstellen könne, dass es „irgendwann eine gewisse Flexibilität geben könnte", so klingt das für Handel und Gastronomie auch nicht gerade vertrauenserweckend.

Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der dargelegten Fakten und im Sinne der raschen und echten Unterstützung der massiv belasteten heimischen Gastronomiebetriebe sowie des Handels stellen die unterfertigten Abgeordneten daher nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, den Maskenzwang insbesondere im Handel und der Gastronomie umgehend zu beenden und auf Freiwilligkeit umzustellen, um so die dringend benötigten Umsatzzuwächse für die betroffenen Branchen zu ermöglichen und die Lebensqualität der Konsumentinnen und Konsumenten wieder zu steigern.“

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Dr. Elisabeth Götze. – Bitte, Frau Abgeordnete.


13.57.11

Abgeordnete Dr. Elisabeth Götze (Grüne): Herr Präsident! Wertes Hohes Haus! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebes Publikum zu Hause vor den Bildschirmen! Ich möchte mit einer Entschuldigung beginnen. Ich glaube, ich habe gestern einen ziemlichen Rund­umschlag gemacht. (Abg. Leichtfried: Ja, das kann man sagen!) Ich stehe nicht an, mich dafür zu entschuldigen. Ich bin absolut froh über konstruktive Kritik und auch über alle Arten von Gesprächen. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP, SPÖ und NEOS. – Abg. Angerer: Wer hat Sie angerufen? – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Durch das Reden kommen die Leute zusammen, durch Zuhören. Auf diese Art der Zusammenarbeit freue ich mich. In diesem Zusammenhang möchte ich auch


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gleich Danke an die Frau Ministerin sagen. Auch ich schätze Treffen, bei denen man über Themen diskutieren kann und zu denen auch die Opposition eingeladen wird. Das halte ich für sehr begrüßenswert, und das ist, glaube ich, Parlamentarismus beziehungs­weise auch ein Zeichen einer funktionierenden Demokratie.

Kollege Angerer hat gesagt, er liest sich schon gar nicht mehr durch, was Neues kommt. Ich lese mir das schon durch. Im Gegenteil: Ich freue mich sehr darüber, was da ge­kommen ist, und ich war auch ein bisschen daran beteiligt. Ich spreche sehr gerne über die Neuerungen beim Härtefallfonds. Ich glaube, dass es wirklich sensationelle Neuig­keiten sind (Abg. Zanger: Sensationeller Unsinn ist das!) – ein Quantensprung, würde ich sogar sagen.

Das Erste ist – das ist wahrscheinlich noch nicht so sensationell –, dass die Bezugs­dauer ausgedehnt wird. Bis Mitte Dezember können die Unternehmen Unterstützung für sechs Monate statt bisher für drei in Anspruch nehmen, also eine doppelt so lange Be­zugsdauer. Jetzt kommt es aber: Jeder, der anspruchsberechtigt ist, bekommt mindes­tens 1 000 Euro im Monat. Ich glaube, das ist wirklich ein sehr gutes Angebot. (Abg. Zanger: 5 Prozent ..., das ist super! – Abg. Leichtfried: Geh, Wolfgang, jetzt sei nicht so!) – Danke für die konstruktive Kritik. Mindestens 1 000 Euro im Monat heißt mindes­tens 6 000 Euro und insgesamt bis zu 15 000 Euro. Jetzt werden Sie sich vielleicht fra­gen, wie die 15 000 Euro zustande kommen: Es sind mindestens 2 000 Euro im Monat für sechs Monate, plus ein Bonus von 500 Euro im Monat für jeden, der anspruchsbe­rechtigt ist. Das bekommt jeder. (Beifall bei den Grünen.)

Weil auch von der Bürokratie die Rede war: Keine Bürokratie bei denen, die bereits angesucht haben, sie bekommen die Überweisungen automatisch auf ihr Konto – ohne neuerliches Ansuchen.

Ich glaube also, da ist wirklich etwas ganz Gutes gelungen, das ist ein ganz wichtiges Signal an die kleinstrukturierte österreichische Wirtschaft, an die EPUs, an die neuen Selbstständigen, die so wertvoll für den österreichischen Wirtschaftsstandort sind, für Nahversorgung, wurde schon erwähnt, aber auch für Innovationskraft, für Forschung. Das sind wichtige Arbeitgeber in Österreich. Insofern ist es eine Form des Dankes, aber auch eine Unterstützung, um sie gut durch die Krise zu bringen und ihnen einen guten Neustart zu ermöglichen. – Danke. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

14.00


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Josef Schell­horn. – Bitte schön, Herr Abgeordneter. (Abg. Leichtfried: Das wird jetzt endlich wieder eine emotionale Rede!)


14.01.01

Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Herr Präsident! Frau Minister! Ja, wir haben es schon im Budgetausschuss besprochen: Fakt ist, das Wirtschaftsministerium hat nur ein Drittel des Budgets, das die Wirtschaftskammer hat. Das ist jetzt irgendwie auch eine Frage der Zahl der Mitarbeiter: In Ihrem Ministerium sind im Jahr 2018 1 885 und bei der Wirtschaftskammer 5 000 beschäftigt gewesen. Die Frage haben Sie mir leider auch im Ausschuss nicht beantwortet, die Frage ist ja tatsächlich: Wenn Sie nur ein Drittel des Budgets der Wirtschaftskammer haben, planen Sie, weitere staatspolitische Entschei­dungen oder Aufgaben an die Wirtschaftskammer auszugliedern (Abg. Hörl: Gute Idee!), oder hat das jetzt mit diesem hervorragenden Erfolg bei der Abwicklung des Härtefall­fonds gereicht? Darunter leiden nämlich die Unternehmer. (Beifall bei den NEOS.)

Wenn Sie nur ein Drittel des Budgets haben, dann stellt sich die Frage: Was ist Ihr Pou­voir? – Kollege Haubner hat zwei Dinge genannt, was es braucht, um wettbewerbsfähig zu sein, nämlich dass der Faktor Arbeit entlastet wird. Ich glaube, Sie könnten sich dafür


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einsetzen, dass der Faktor Arbeit entlastet wird, um weiter wettbewerbsfähig zu sein, auch im europäischen Kontext. Die Mitarbeiter müssen mehr verdienen und weniger kosten; das kennen Sie schon von mir. Das ist einer der springenden Punkte, sonst kön­nen wir die ganze Globalisierung vergessen.

Und – ich muss Ihnen widersprechen –: Wir brauchen selbst im Binnenmarkt Europa einen Wettbewerb. Sie haben das in der Vergangenheit ein bisschen anders ausge­drückt. Der Wettbewerb ist wichtig, wir sind aber bei der Besteuerung des Faktors Arbeit nach wie vor an der Spitze.

Aber Kollege Haubner hat noch etwas ganz anderes gesagt, er hat gesagt: Wir sind ein Exportland, wir müssen da etwas tun! Wir müssen da mit Italien etwas machen! – Bitte besprechen Sie das mit dem Herrn Bundeskanzler, wie das mit den Wirtschaftshilfen ausschauen kann, wie wir Europa wieder aufbauen, wie wir Europa wieder fit machen können, wie wir da mit unseren exportabhängigen Ländern, nämlich Partnerländern wie Italien oder anderen Ländern, zusammenarbeiten und denen wieder auf europäischer Ebene helfen können! Das ist ein wichtiger Punkt. Ich glaube, da sprechen Sie von un­terschiedlichen Themen. (Beifall bei den NEOS.)

Es hilft nichts, wenn Kollege Haubner sich herausstellt und das fordert, sondern ich will hier auch ein klares Bekenntnis vom Bundeskanzler, ein klares Bekenntnis von Ihrem Regierungspartner, auch vom Finanzminister, aber vor allem ein klares Bekenntnis der Grünen, denn die haben bis heute noch gar nichts dazu gesagt, wie sie Europa helfen wollen. Früher einmal war das ganz anders, als Sie sich solidarisch erklärt haben, aber ich denke, Sie werden auch hier wieder am Nasenring geführt.

Zum Schluss möchte ich noch einmal den Faktor Arbeit betrachten. Wenn ich 4 000 Euro Lohnkosten habe und nur 2 000 Euro netto bleiben, wenn mir so viel abgezogen wird, dann müssen Sie sich dafür einsetzen, dass den Mitarbeitern mehr bleibt. Der Unterneh­mer überweist am Monatsende 4 000 Euro, und dann geht es erst los mit den Abzügen: Pensionsversicherung, Unfallversicherung, Krankenversicherung, Arbeitslosenversiche­rung mit Zuschlag, Wohnbauförderungsbeitrag, Familienlastenausgleichsfonds, Dienst­geberbeitrag, Dienstgeberzuschlag, Kommunalsteuer und die U-Bahn-Steuer in Wien.

Und dann kommen erst die Abgaben vonseiten der Angestellten: Krankenversicherung, Pensionsversicherung, Arbeiterkammerumlage, Arbeitslosenversicherung, Wohnbau­förderungsbeitrag, Arbeitslosenversicherung mit Abschlag und die Lohnsteuer.

Somit werden aus 4 000 Euro 2 000 Euro, und das ist ein Kernproblem. Das ist das Problem aber auch von 12 000 Tagen Finanzministern oder Regierungsbeteiligung der ÖVP. Das ist das, wo wir jetzt den Scherben aufhaben, wo wir nicht mehr wettbewerbs­fähig sind, auch schon vor Corona nicht mehr wettbewerbsfähig gewesen sind. Hier soll­ten Sie umdenken, hier könnten Sie viel tun, wenn es um Wettbewerbsfähigkeit geht, gerade im Bereich des Tourismus, wo der Faktor Arbeit noch höher zu bemessen ist. Gerade in den Bereichen der Dienstleistungsbranche ist hier ein Problem vorhanden. Und das ist auch das Kernproblem der Tourismusbetriebe: Sie konnten keine Reserven aufbauen, weil ihnen der Faktor Arbeit in der letzten Zeit viel zu viel weggerissen hat.

Frau Bundesminister, ich glaube, das wäre Ihr Part, denn vom Budget her kann man eh relativ wenig machen. (Beifall bei den NEOS.)

14.05


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme hat sich Frau Bundesministerin Dr. Margarete Schramböck zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Bundesminister.


14.05.59

Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck: Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Das


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Budget 2020 ist sicherlich ein außerordentliches Budget, das wir so noch nicht erlebt haben, weil wir eine Situation haben, die wir alle noch nicht erlebt haben. Die Wirtschafts­krise 2008 und 2009 ist eine viel geringere im Vergleich zu dem, was wir jetzt erleben, und zwar nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa und auch weltweit.

Da ist es wichtig, genau hinzuschauen und auch Schwerpunkte in einer schwierigen Zeit zu setzen, in der es viele außergewöhnliche Maßnahmen braucht und viele außerge­wöhnliche Maßnahmen auch schon gemeinsam umgesetzt wurden; auf die möchte ich später noch eingehen. Aber ich möchte auch ein paar Schwerpunkte aufgreifen, an die uns das Coronavirus nicht nur erinnert hat, sondern wo es uns auch aufgezeigt hat, dass sie wichtig sind.

Die Höhe eines Budgets ist nicht immer ausschlaggebend dafür, was man umsetzen und tun kann. Ich kenne da bestimmte Sichtweisen, auch aus diesem Haus, und möchte nur darauf hinweisen, dass Wirtschaft und Digitalisierung immer eine Matrixfunktion haben, immer etwas sind, das mit allen Ressorts gemeinsam funktionieren muss, und zwar mit allen in der Gesellschaft funktionieren muss, mit den Unternehmen, aber auch mit den privaten Personen. Darum kommt es nicht so sehr auf die Höhe des Budgets an, sondern es kommt darauf an, was man daraus macht.

Ein wichtiger Punkt ist sicherlich das Thema der Digitalisierung und ein zweiter das Thema der Forschung. Lassen Sie mich ganz kurz auf diese zwei Punkte eingehen, die heute genauso wichtig sind, wie sie vorher wichtig waren, ja noch viel wichtiger gewor­den sind!

Wenn wir das Thema Digitalisierung anschauen, dann sehen wir ganz deutlich, dass wir heute Dinge leben, von denen ich in den letzten 20 Jahren, in den letzten zehn, fünf und zwei Jahren oft gehört habe, auch in meiner früheren beruflichen Tätigkeit, dass das nicht geht und dass wir dieses und jenes nicht machen können. Da geht es um Home­office, Videokonferenzen, Homeschooling und auch um das Thema E-Commerce – alles wichtige Punkte, die plötzlich mit Leben erfüllt wurden. Viele haben diese Möglichkeiten genutzt, die vorher nicht geglaubt haben, dass sie sie nutzen wollen oder auch nutzen können.

Deshalb ist es ganz, ganz wichtig, dass wir diesem Thema weiterhin Aufmerksamkeit schenken, und jetzt noch mehr, als wir es früher getan haben. Warum? – Weil wir das in unserem täglichen Leben brauchen, es unser Leben leichter macht, sicherer macht, gesünder macht und auch einfacher macht. Deshalb finden Sie im Budget auch Vorsorge für entsprechende Maßnahmen; ich möchte hier nur eine herausgreifen, zum Beispiel die Schaffung einer Ö-Cloud, die auch in unserem Regierungsprogramm enthalten ist. Viele fragen sich: Was kann das sein? – Es geht darum, Infrastrukturen entsprechend zu vernetzen; ich spreche von Edge Computing und anderen Themen. Diese Dinge in Österreich umzusetzen ist wichtig.

Und warum? – Weil wir uns unabhängiger von internationalen Konzernen machen wol­len, weil verschiedenste Geschäftsmodelle gerade im Bereich der Cloud und auch im Bereich E-Commerce nicht nur den großen Konzernen vorbehalten sein sollen. Glauben Sie mir, ich weiß, wovon ich spreche, denn ich habe das auch erlebt! Da geht es darum, jetzt die richtigen Schritte zu setzen und diese Programme der Digitalisierung fortzuset­zen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ein zweiter kurzer Punkt – wir haben ihn im Ausschuss auch schon intensiv bespro­chen – ist das Thema Forschung. Auch das ist durch Corona nicht einfach verschwun­den, und ich glaube, wir müssen uns immer wieder auch in Erinnerung rufen, das ist eine ganz, ganz schwierige und furchtbare Zeit vor allem für die Unternehmerinnen und Un­ternehmer.


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Es ist aber auch eine Zeit, die wieder vorbeigehen wird, und wir müssen weiterhin auf die Themen Digitalisierung und auch Forschung setzen. Die Forschungsprämie in Höhe von 14 Prozent wird daher als wichtiger Faktor bleiben.

Wir brauchen auch eine Forschungsstrategie, es ist heute schon diskutiert worden: Wir müssen diese entsprechend erarbeiten, wir müssen diese Forschungsstrategie für Ös­terreich voranbringen, und das auch in angemessener Zeit. Unser Ziel muss sicherlich sein, spätestens – wirklich mit der Betonung auf spätestens – im Herbst trotz Corona eine neue Strategie zu haben. Dann soll auch ein Forschungsförderungsgesetz gemein­sam beschlossen werden, das die Basis für die Zukunft dieses Standortes bildet: für die Unternehmen, aber auch für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, damit nach Corona auch wieder mehr entstehen kann. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ein dritter Punkt, der mir sehr, sehr wichtig ist und immer schon war, ist das Thema Produktion in Österreich. Dabei geht es nicht nur um das Thema wirtschaftliche Landes­verteidigung, das heißt, dieses Land nicht nur in der Form sicher zu machen, wie es jetzt ist. Österreich muss auch krisensicher sein, wenn ein Virus kommt, wenn ein Shutdown passiert oder wenn ein digitaler Angriff erfolgt, auch diese Angriffe werden häufiger. Wenn so etwas passiert, müssen wir sicher sein.

Damit kommen wir zu Europa, denn das ist auch eine europäische Aufgabe, es ist wich­tig, das auch nach Europa zu holen, dass wir wieder in Österreich produzieren: im Be­reich der Halbleiter, im Bereich Wasserstoff, im Bereich Batterien, im Bereich der medizi­nischen Wirkstoffe, zum Beispiel Penicillin. In Österreich, aber vor allem in Europa ist es wichtig, dass wir diese Unabhängigkeit wieder stärken und wir nicht nur von China und den USA abhängig sind. Wir müssen da wieder autarker werden und nicht zuletzt auch Arbeitsplätze in Österreich und in Europa schaffen. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwi­schenruf bei der SPÖ.)

Im Augenblick befinden wir uns in der größten Weltwirtschaftskrise, die wir alle je erlebt haben. Ich habe damals in den Jahren 2008 und 2009 die Krise erlebt und ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn man schlaflose Nächte hat und nicht weiß, wie man mit seinen Mitarbeitern weitermachen soll, wenn man nicht weiß, ob Aufträge hereinkommen, nicht weiß, wie es weitergehen soll. In diesen Zeiten sind unsere Unternehmer draußen mu­tige Unternehmer. Es sind nicht die Großkonzerne – es sind Klein- und Mittelbetriebe, die vor Ort sind, denn sie sind die größten Arbeitgeber, die in Österreich die meisten Arbeitsplätze schaffen! Es ist deshalb wichtig, ihnen ganz besonders zu helfen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Es gibt dazu drei Komponenten, Sie wissen das, die Kosten in einem Unternehmen set­zen sich im Wesentlichen aus drei Teilen zusammen. Einer davon sind die Personalkos­ten: Betreffend Kurzarbeit, die gemeinsam mit den Sozialpartnern ausgearbeitet worden ist, also mit den Sozialpartnern von beiden Seiten, sage ich nochmals meinen großen Dank, dass das gelungen ist – das ist nämlich in Deutschland so nicht gelungen. Ich habe in Frankreich gearbeitet, habe mit Italien und mit Spanien zusammengearbeitet und eben auch in Deutschland gearbeitet: In keinem Land Europas ist es so wie in Öster­reich, und darauf können wir auch stolz sein!

Ja, wir müssen mehr auszahlen, ja, es kann immer noch schneller gehen und ja, wir sollen auch jeden Tag besser werden. Niemand kann es nämlich für sich in Anspruch nehmen, vom ersten Tag an alles richtig zu machen und genau zu wissen. Es gilt daher, den Unternehmern zuzuhören, und das habe ich laufend gemacht. Das Thema Kurzar­beit ist ein wichtiger Punkt, und auch der Fixkostenzuschuss. (Beifall bei ÖVP und Grü­nen. – Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.)

Was die Fixkosten betrifft, so sind diese nach den Personalkosten natürlich der zweit­größte Faktor in einem Unternehmen. Wir wissen alle, worum es geht: Leasingkosten,


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Patentkosten, sonstige Internetkosten – alles, was sonst so in einem Unternehmen an Kosten anfällt. Davon bis zu 75 Prozent zu ersetzen ist ein wichtiger Punkt. Die Antrag­stellung für den Fixkostenzuschuss ist seit 20. Mai möglich, und diese Zahlungen werden auch sehr rasch erfolgen, noch im Juni. Wichtig ist da, dass die Unternehmer auch rasch einreichen.

Der dritte Punkt betrifft den von Ihnen immer wieder angesprochenen Unternehmerlohn, der über den Härtefallfonds ersetzt wird. Mir ist wichtig, zu verdeutlichen, dass es eben drei Komponenten gibt, nicht nur eine, und diese dritte Komponente ist der Unternehmer­lohn. Wir haben einen wichtigen Schritt gesetzt: Wir haben zugehört, ich habe zugehört, und da kam auch das Feedback, es braucht mehr Geld. Es soll auch mehr geben, und das haben wir heute entsprechend umgesetzt.

Wenn wir das Ganze gesamtheitlich betrachten, braucht es aber noch viele Maßnahmen, wie zum Beispiel das Gemeindepaket. Es geht dabei darum, dass viele KMUs beauftragt werden, das ist mir wichtig bei den Städten und Gemeinden. Da wird nicht ein interna­tionaler Konzern ausgewählt, sondern da wird ein KMU beauftragt: Das ist der Tischler nebenan, da wird der Spielplatz gebaut, da werden Schulen gebaut, und das ist gut und richtig so. Für diesen Zweck gibt es diese 1 Milliarde. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Diese 1 Milliarde ist zur Verfügung gestellt, die Gemeinden und Städte, egal, in welchem Bundesland, können Mittel beantragen. Noch einmal: Das ist nicht ausschließlich zur Unterstützung der Städte und der Gemeinden, sondern auch zur Unterstützung der loka­len Wirtschaft, die beauftragt wird.

Braucht es weitere Schritte? – Ja, wir werden diese Schritte weiter gehen müssen, denn um den Standort wieder dorthin zu bringen, wo er vorher war, wird es noch dauern. Ja, es wird noch dauern – aber gemeinsam können wir die richtigen Schritte setzen, Schulter an Schulter mit den Unternehmen für ihre Zukunft.

Hoffentlich sehen wir bald, dass immer mehr Menschen in Österreich wieder Arbeit haben – die Arbeitslosenzahlen sinken langsam, Woche für Woche, Schritt für Schritt – und wir zur Normalität und zum wirtschaftlichen Wohlstand zurückkommen, den wir uns gemeinsam erarbeitet haben. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

14.17


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Mag.a Car­men Jeitler-Cincelli. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


14.17.31

Abgeordnete Mag. Carmen Jeitler-Cincelli, BA (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin Schramböck! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Öster­reicherinnen und Österreicher! Herr Schellhorn, Sie haben vorhin etwas betrieben, über das ich in diesem Haus immer wieder höre, nämlich Ihre unerbittliche Kammerjagd.

Ich finde es spannend, denn die Wirtschaftskammerwahlen sind vorbei, sie sind ge­schlagen. Sie hatten, glaube ich, im ganzen Bundesland Salzburg 17 KandidatInnen auf Ihrer Liste – wir hatten österreichweit als Wirtschaftsbund 13 000, das sagt schon etwas aus, wie viele UnternehmerInnen sich für diese Sache engagieren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Schellhorn – sich mit Bundesministerin Schramböck unterhaltend – zeigt eine Daumen-hoch-Geste in Richtung der Rednerin.)

Jetzt aber zu meinem eigentlichen Punkt: Herr Hafenecker hat heute eine schöne Be­grifflichkeit gebracht, und zwar den Begriff des ideologischen Auftragstäters. Ich habe da an die Worte von Herrn Stöger, diplômé heute und auch letztens im Ausschuss ge­dacht, und ich habe da auch mit Herrn Bernhard, glaube ich, großes Einverständnis ge­habt: Das war eine Art ökomarxistische Fachvorlesung. Ich war wirklich erstaunt, dass es solche Anschauungen gibt, das Zitat war: Wo ein Markt entsteht, da werden Reiche reicher, Arme ärmer und die Umwelt wird dabei zerstört.


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Ich weiß nicht, auf welcher Universität so eine Lehre verbreitet wird, ob das vielleicht dieselbe Universität ist, auf der man auch diesen tollen Titel beziehen kann – jedenfalls halten wir das für einen völligen Humbug. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Ich meine, wir müssen das heute ganz neu betrachten: Österreichs einzige wirklich gro­ße Ressource ist die Ressource Europas, das ist Innovationsfähigkeit – das ist unsere große Ressource! Ich bedanke mich bei der Frau Ministerin dafür, dass sie dieses Ver­ständnis teilt. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Es sind die Unternehmerinnen und Unternehmer, die uns aus dieser Krise holen werden, vielleicht genau dadurch, dass sie Lösungen schaffen, entwickeln, Dinge erfinden, die diese Umweltproblematik lösen können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf bei der SPÖ.)

Wo ein Markt entsteht – schauen Sie, meine Damen und Herren, ein Markt ist nichts anderes als der Ort, an dem sich Angebot und Nachfrage treffen. Das ist ein Markt, nicht mehr und nicht weniger. Das ist ein Markt, und wo diese Märkte entstehen, da werden Menschen Wertschöpfung erzeugen können, da werden Menschen ihre Bedürfnisse er­füllen können.

Im optimalen Fall können sie dann sogar noch etwas Positives zur Bekämpfung der Kli­makrise und zur Klärung der Umweltproblematik beitragen. (Abg. Vogl: Was ist mit den Bauern? Warum ...?) Ich verstehe Sie leider akustisch so schwer hier drinnen. (Neuer­licher Zwischenruf des Abg. Vogl.) Fassen wir es zusammen, Ökomarxismus ist vorbei oder heute auch nicht mehr relevant. Ich glaube, wir können gemeinsam durch Innova­tionsfähigkeit, durch coole Start-ups, durch Unternehmertum, durch Unternehmerener­gie die Probleme unserer Zukunft lösen, und das sollten wir gemeinsam angehen. Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

14.20


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Dr.in Sonja Hammerschmid. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.20.35

Abgeordnete Mag. Dr. Sonja Hammerschmid (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Frau Kollegin Cincinelli! (Abg. Jeitler-Cincelli: Cincelli!) Ich würde jetzt gern darauf reagieren, aber das würde meine Redezeit völlig sprengen, darum zurück zur UG 33 und zur Wirtschaft.

Ich bin 1999 in die Innovationsagentur geholt worden – das ist eine Vorgängeragentur der Austria Wirtschaftsservice –, um das Thema Technologie und Wissenstransfer im Bereich Lifesciences im Auftrag des Wirtschaftsministeriums aufzubauen. Das heißt konkret, Unternehmensgründungen, basierend auf Forschungsergebnissen aus den Universitäten, Fachhochschulen, außeruniversitären Bereichen oder auch aus Unter­nehmen heraus zu begleiten, zu finanzieren und zu fördern.

Neben den Lifesciences kamen bald Themen wie IKT, Nanotechnologie, Kreativwirt­schaft, Filmwirtschaft und vieles mehr dazu, sodass das zum Schluss einen großen Be­reich umfasst hat, alles umspannend im Bereich Technologie und Innovation.

Es waren elf Jahre, elf sehr, sehr spannende Jahre, in denen ich mit meinem Team Hunderte Unternehmensgründungen begleiten durfte. Diesen Unternehmen war eines gemeinsam: ganz klar ihre Forschungsintensität per se, aber auch, dass all diese Un­ternehmensgründungen und Businessideen zu weit fortgeschritten für Grundlagenfor­schungsfinanzierung waren, das heißt, zu angewandt, für Venturecapital jedoch noch zu früh, denn die wollen immer ein Proof of Concept und ein Proof of Principle, dasselbe gilt für die strategischen Investoren, und für die Banken hat das schlichtweg alles nicht in ihr Ratingsystem gepasst.


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So gesehen war es nur legitim, seitens der öffentlichen Hand zu sagen, wir wollen dieses Marktversagen mit Förderungen und mit Unterstützungsmaßnahmen kompensieren. Gesagt, getan: Es konnten viele Instrumente geschaffen werden, die diese Unterneh­men bis heute unterstützen. Es handelt sich ja um wirklich unterstützenswerte Grün­dungen, weil sie hochspezifisch, forschungsintensiv und mit großem Wachstumspoten­zial sind und auch viele hoch technische und hoch qualifizierte Arbeitsplätze schaffen können. Diese Preseed- und Seedprogrammegibt es bis heute. Diese Programme sind oftmals die ersten Investments in eine Unternehmensgründung gewesen, der erste Euro, der ins Business geflossen ist. Erst dann kamen die Privaten dazu, erst dann waren die Unternehmen nach einiger Zeit fit, um privates Kapital hereinzuholen.

In diesen elf Jahren ist es mir ein einziges Mal gelungen, ein dreijähriges Budget für diese Programme zu bekommen. Das Negativbeispiel war das Jahr 2000, als ich am 28. Dezember für die Lifesciences-Seedprogramme das Budget für das vergangene Jahr bekommen habe. Seitdem hat sich hinsichtlich Planbarkeit für die Agenturbudgets nicht wirklich gravierend etwas geändert. Es gibt immer Jahresverhandlungen von Jah­resbudgets, die immer zäh und nie genau vorhersehbar sind.

Lessons learned aus diesen elf Jahren war für mich diese Erfahrung gebe ich gerne weiter –: GründerInnen und Start-ups brauchen schneller Finanzierungen, die zuständi­gen Forschungsförderagenturen brauchen Planbarkeit, mehrjährige Budgets und Auto­nomie. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Meinl-Reisinger.)

Wenn wir jetzt zur UG 33 kommen: Im Regierungsprogramm betonen Sie, und ich freue mich darüber, die Wichtigkeit von Unternehmensgründungen und Start-ups für die Wett­bewerbsfähigkeit unseres Wirtschaftsstandortes. Das trage ich voll mit. Wenn Budget aber in Zahlen gegossene Politik ist, dann ist dieses Budget der UG 33 ein Totalversa­gen. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Zusatztöpfe für Preseed- und Seedfinancing aus der Regierung Kern sind ver­schwunden, die Risikokapitalprämie für Investoren ist weg, die Förderung der Lohnne­benkosten ist marginalisiert und von dem Forschungsfinanzierungsgesetz und dem da­für notwendigen Wachstumspfad gibt es keine Spur. Planbarkeit für Agenturen: Bitte warten!

So, und wenn jetzt das Argument kommt, es gibt aber das Covid-Hilfspaket für Start-ups: Ja, eh, schön, gut. Das greift aber nur bei bestehenden Unternehmen, die jetzt schon Investoren an Bord haben, das hilft den Gründungen per se also nicht.

Bitte, liebe Frau Wirtschaftsministerin, ich bitte Sie wirklich darum: Es braucht ein For­schungsfinanzierungsgesetz mit einem anständigen Wachstumspfad, der weit über die Inflation hinausgeht und der wirklich die Grundlagenforschung bis zur angewandten Forschung und Entwicklung umfasst, denn ohne Grundlagenforschung gibt es keine an­gewandte Forschung, keine Innovationen.

Ich habe heute in der UG 34 schon zu den Unternehmen Themis, Apeiron und Apeptico gesprochen. Wir wissen, das sind die Unternehmen, die jetzt in der Coronakrise führend vorn dabei sind. All die hatten mit Seedfinancing ihre ersten Euro im Unternehmen. Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

14.25


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Bedrana Ribo. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


14.25.45

Abgeordnete Bedrana Ribo, MA (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Hohes Haus! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Wir haben gestern und heute hier über viele Themen debattiert. Ein Thema habe ich aber vermisst. Es ist nicht direkt in


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einer bestimmten UG zu finden, betrifft aber fast alle UGs. Es ist eine typische Quer­schnittmaterie, bei der es schwer ist, auch Zahlen zu nennen.

Meine Damen und Herren! Ich spreche von Seniorinnen und Senioren. Eine Zahl habe ich: Anfang 2020 lebten in Österreich 1,7 Millionen Seniorinnen und Senioren. (Zwi­schenruf des Abg. Zanger.) Es sind so viele wie nie zuvor, und die Zahl wächst. Die Definition von SeniorInnen ist die, dass man sie ab einem Alter von 65 so nennt. Also ich persönlich kann mit dieser Definition nicht viel anfangen, denn ich kenne ganz viele 65-Jährige, die fitter als 55-Jährige von früher oder sogar fitter als ich sind, also da ändert sich etwas. Die heutigen Seniorinnen und Senioren leben länger, leben gesünder, sind bis ins hohe Alter fit, geistig sowie körperlich, und das ist natürlich gut so.

Für mich als Sprecherin für Pflege und SeniorInnen ist es ganz wichtig, dass man Se­niorInnen nicht immer mit Pflege gleichsetzt. Nicht alle SeniorInnen sind pflegebedürftig und nicht alle Pflegebedürftigen sind SeniorInnen. Damit man aber bis ins hohe Alter am gesellschaftlichen Leben teilhaben kann, braucht es in der heutigen Zeit eben neben dieser körperlichen und geistigen Fitness auch die Kenntnisse über digitale Medien.

Sie sind zu einem wichtigen Kriterium für die soziale Teilhabe in unserer Gesellschaft geworden, auch für die SeniorInnen. Das hat sich bereits vor Corona abgezeichnet, in der Coronakrise hat sich das verstärkt und es wird weiterhin so bleiben.

Die letzten Wochen haben gezeigt, dass auch nach der Coronakrise Digitalisierung von SeniorInnen Priorität haben muss. Ich habe in der Krise mit einigen SeniorInnen ge­sprochen, und neben dem Thema Corona und all den Schwierigkeiten, die dazukamen – Einsamkeit war zum Beispiel ein wichtiges Thema –, haben ganz viele wirklich glücklich davon erzählt, dass sie Kontakt mit ihren Enkelkindern, mit ihren Kindern, mit ihren Freundinnen und Freunden über Videokonferenzen haben konnten.

Das war nur möglich, weil sie eben die technischen Ausrüstungen dafür hatten und weil sie sich zum Teil auskannten oder Freunde und Bekannte hatten, die ihnen da unter die Arme griffen. Es gab leider aber auch SeniorInnen, zum Beispiel in den Pflegeheimen, die länger darauf warten mussten, dass sie Kontakt mit ihren Familien haben konnten, weil – zum Beispiel, so wurde mir berichtet – die Internetverbindung im Pflegeheim so schlecht war, aber auch die Laptops und die technischen Ausrüstungen nicht vorhanden waren – und das, bitte, im Jahr 2020.

Wollen wir die Digitalisierung vorantreiben – und das wollen wir, das ist ja in fast jedem UG-Punkt im Budget zu finden –, dann müssen wir auch diese Versäumnisse beheben. Es ist unsere Aufgabe, unsere Seniorinnen und Senioren mit entsprechender Unterstüt­zung auf die zunehmende Digitalisierung vorzubereiten, sie zukunftsfit zu machen.

Wir PolitikerInnen – diese SeniorInnen, diese 1,7 Millionen Menschen haben uns ja auch gewählt – müssen also dafür entsprechende Rahmenbedingungen schaffen, und die Se­niorInnen bei der Digitalisierungsoffensive unbedingt mitdenken. Wir müssen beispiels­weise dafür sorgen, dass es genügend geförderte Digitalisierungskurse gibt. Sie müssen natürlich niederschwellig und breit aufgesetzt werden, auch in den ländlichen Regionen. Es ist aber auch die Aufgabe der Pflegeheime – die nehme ich da auch in die Pflicht –, für die technische Ausrüstung und für Verbesserungen zu sorgen.

Die Digitalisierung im Bereich der SeniorInnen darf nach Corona nicht außer Acht ge­lassen werden. Das muss ein wichtiges, gemeinsames parteiübergreifendes Ziel wer­den. Danke. (Beifall bei den Grünen.)

14.29


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr MMMag. Dr. Axel Kassegger. – Bitte, Herr Abgeordneter.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 401

14.30.13

Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Keiner wird zurück­gelassen werden oder keiner wird zurückbleiben, war einer der vielen Leitsprüche von Bundeskanzler Kurz. Die Realität schaut heute so aus, dass wir 600 000 Arbeitslose ha­ben, 1,2 Millionen Menschen in Kurzarbeit – und statistisch noch nicht ausgewiesen sind die 400 000 Einzelunternehmen und Kleinstunternehmen in Österreich. Ich stelle jetzt einmal die Behauptung auf, es wird sehr wohl Verlierer geben, zum Teil auch große Verlierer.

Das alles hätte man meines Erachtens wesentlich einfacher als mit dem dreistufigen komplexen Bürokratiemonsterkonstrukt aus Härtefallfonds, Kurzarbeit, Fixkostenzu­schuss machen können. Warum hat man nicht mit einem Gesetz, einer Zeile gesagt: Die Lohnnebenkosten für März, April, Mai entfallen? Sie werden nicht gestundet, sondern entfallen. Man hätte das auch berechnen können; das ist von der Quantität her alles kein Problem. Dann sind das halt 15 Milliarden, 20 Milliarden Euro. Man hätte auch sagen können: Weiters wird ab 1. Mai die Körperschaftsteuer halbiert, werden die Einkommen­steuertarife halbiert et cetera. Das wären zwei Zeilen gewesen.

Warum hat man das nicht gemacht? – Ich denke, man hat es vor allem deshalb nicht gemacht, weil man dann den Einfluss verloren hätte. Das wären gesetzliche Ansprüche gewesen, die in ihrer Einfachheit unübertreffbar gewesen wären. Das hat man alles nicht gemacht. Man hat das Konstrukt Härtefallfonds, Kurzarbeit, Fixkostenzuschuss über die Wirtschaftskammer gemacht.

Jetzt hat man die Cofag – also mehrere Bereiche –, sodass man Kontrolle hat, wer Geld bekommt und wer kein Geld bekommt. Da geht es also nicht um die Frage: Was ist das Beste für die Menschen? Was ist das Beste für die Unternehmer? Was ist das Beste für die Arbeitnehmer? Was ist das Beste für die Arbeitgeber? – Das wäre nämlich die Frage, die sich eine Führungskraft in der Situation hätte stellen müssen.

So hingegen wurde offenbar die Frage gestellt: Was ist das Beste für die Österreichische Volkspartei? Was ist das Beste für unsere Vorfeldorganisationen? Was ist das Beste für die Wirtschaftskammer? – Das sind meines Erachtens völlig falsche Fragen. (Beifall und Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Man hätte es also viel einfacher machen können, und dann hätte man sich auch Kon­junkturpakete ersparen können. Zu diesen Konjunkturpaketen: Sie sind mit Vorsicht zu genießen. IHS-Chef Kocher sagt: Das Risiko, dass sie völlig ins Leere gehen, ist insbe­sondere dann gegeben, wenn hohe Unsicherheit herrscht.

Jetzt haben Sie durch Ihre Regierungsmaßnahmen das Musterbeispiel für hohe Unsi­cherheit gegeben, indem Sie einen langen Shutdown machen, mit Verordnungen, Erläs­sen, Pressekonferenzen Chaos verursacht haben und jetzt schon mit der zweiten Welle sozusagen wacheln.

Wirtschaft ist ja Psychologie. Vertrauen schaut anders aus, Zuversicht schaut anders aus. Da mutet es schon etwas eigenartig an, wenn Sie als Maßnahme jetzt den Covid-Startup-Hilfsfonds von 25 Millionen auf 50 Millionen Euro erhöhen und gleichzeitig die Signale geben: In Wahrheit ist es momentan viel zu gefährlich, ein Unternehmen zu gründen, oder anders formuliert: Welcher einigermaßen normal kalkulierende, planende und denkende Mensch gründet jetzt – mit den Signalen, die er von Ihnen bekommt – ein Unternehmen, erweitert sein Unternehmen? – Also das ist mir nicht erklärlich.

Letzter Punkt, den auch Kollegin Hammerschmid schon angesprochen hat: Selbstver­ständlich gibt es eine Kausalkette, insbesondere für Europa, einen direkten Zusammen­hang zwischen Bildung, Ausbildung, Forschung, Innovation und wirtschaftlichem Erfolg.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 402

Das Wort Innovationleader wird immer wieder gebracht. Wir sind halt ständig auf Platz zehn oder noch weiter hinten, also bei Weitem nicht dort, wo die Schweden, die Schwei­zer und so weiter sind, da wir nicht in der Lage sind, Planbarkeit, Stabilität und Perspek­tive für den Forschungsbereich zu geben.

Das Forschungsfinanzierungsgesetz war bereits im Regierungsprogramm 2017 enthal­ten – ein starkes Begehren der Freiheitlichen Partei. Es ist aber in der letzten Regie­rungsperiode nicht zustande gekommen und auch jetzt im Jahre 2020 noch nicht zu sehen. Es wäre dringend notwendig. Immerhin haben Sie vor – wir werden uns das dann genauer anschauen –, dass das im Herbst endlich geschieht.

Abschließend möchte ich noch einen Entschließungsantrag zu meiner Frage bezie­hungsweise zur Frage, was das Beste für die Wirtschaftskammer ist (Abg. Angerer: Auflösen! Die Wirtschaftskammer auflösen!), wie sie von den Führungskräften offenbar gestellt wurde, einbringen.

Ich denke, das Beste für die Wirtschaft und die Unternehmer wäre, wenn die Wirt­schaftskammer die Rücklagen in Höhe von 1,4 Milliarden Euro sofort auflösen und sie ihren Zwangsmitgliedern als Liquiditätsspritze zuführen würde.

Deshalb bringe ich den entsprechenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten MMMag. Dr. Axel Kassegger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Auflösung von Rücklagen der Wirtschaftskammern zur Unterstützung der heimischen Unternehmen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzu­leiten, die regelt, dass die Wirtschaftskammern Österreich Rücklagen auflösen und mit diesen Mitteln die heimischen Unternehmen zur Bewältigung der COVID19 Krise un­mittelbar unterstützen.“

*****

(Beifall bei der FPÖ.)

14.36

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten MMMag. Dr. Axel Kassegger und weiterer Abgeordneter

betreffend Auflösung von Rücklagen der Wirtschaftskammern zur Unterstützung der heimischen Unternehmen

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 7: Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (55 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvor­anschlages für das Jahr 2020 (Bundesfinanzgesetz 2020 – BFG 2020) samt Anla­gen (183 d.B.) – UG 40

in der 32. Sitzung des Nationalrates am 27. Mai 2020

Die heimischen Unternehmen bangen seit Wochen um ihre Existenz und wissen nicht, wie sie die laufenden Kosten und die durch die Zwangsschließungen entstandenen Ein­nahmenverluste bewältigen sollen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 403

Gleichzeitig ist die Wirtschaftskammer Österreich nicht bereit, ihrer ureigensten Aufgabe – nämlich die Unterstützung der Unternehmen – ausreichend nachzukommen.

Mit der Ausnahme, dass die Vorschreibung der Grundumlagen für dieses Jahr „bis auf weiteres“ ausgesetzt werden und dass auf Antrag eine Ratenzahlung oder Stundung der Kammerumlagen 1 und 2 möglich ist, die dann selbstverständlich nachgezahlt werden müssen, ist nichts geschehen. Im Gegenteil!

Wirtschaftskammerpräsident Mahrer verweist in Zusammenhang mit der Frage einer Unterstützung der Betriebe seitens der WKO darauf, dass die rund 1,4 Mrd. Euro als Rücklagen in Wertpapieren und Immobilien veranlagt seien und daher ein Zugriff nicht möglich wäre.

Während die Wirtschaftskammer nicht daran denkt, ihren Mitgliedern zu helfen und auf das aus Kammerbeiträgen der Zwangsmitglieder entstandene Vermögen zuzugreifen, sehen sich aber in der aktuellen Krisensituation viele Unternehmer gerade gezwungen, auf ihre Rücklagen zuzugreifen oder bestehendes Vermögen aufzulösen.

Am 17. April 2020 forderten in diesem Zusammenhang die Österreichische Hotelierver­einigung, der Handelsverband, der Gewerbeverein und der Senat der Wirtschaft eine sofortige Liquiditätsoffensive:

„Seit einem Monat befindet sich Österreich im Corona-Krisenmodus. Immer mehr hei­mische Betriebe, darunter zahlreiche KMU, bekommen Liquiditätsprobleme. Viele kön­nen ihren Zahlungsverpflichtungen kaum noch nachkommen und stehen vor dem Ende ihrer Existenz.“

„Die Wirtschaftskammern sitzen zurzeit auf rund 1,4 Mrd. Euro an Finanzvermögen, fi­nanziert durch Pflichtbeiträge der österreichischen Unternehmen. 700 Mio. davon sind Wertpapiere, 400 Mio. Bankguthaben. Aus Sicht der Unternehmerverbände könnten die­se Rücklagen sofort an die betroffenen EPU, KMU und sonstigen Betriebe ausgeschüttet werden. Immerhin wurden die Kammerrücklagen von den Unternehmen genau für derar­tige Krisenfälle jahrzehntelang bezahlt. Wertpapiere lassen sich jederzeit liquidieren. Lieber jetzt ein kleiner Abschlag, als in wenigen Wochen ein unternehmerischer Kahl­schlag, muss das Motto lauten.“

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzu­leiten, die regelt, dass die Wirtschaftskammern Österreich Rücklagen auflösen und mit diesen Mitteln die heimischen Unternehmen zur Bewältigung der COVID19 Krise unmit­telbar unterstützen.“

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Johann Höfinger. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.36.27

Abgeordneter Johann Höfinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesmi­nister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zweifelsfrei besprechen wir eines der wichtigsten Kapitel dieses Budgets, wenn es um die Wirtschaft geht.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 404

Man hat sowohl in als auch zwischen den Zeilen – auch von vielen Oppositionskolle­gen – heute gehört, dass es großes Lob gibt, sowohl was die Wirtschaftsentwicklung und -förderung der letzten Jahre als auch was die aktuellen Maßnahmen betrifft. Natür­lich können Sie nicht – und das verstehe ich schon – mit allem d’accord gehen, dann bräuchten Sie nicht Oppositionspartei zu sein.

In Zeiten wie diesen – und Sie haben das heute schon mehrfach erwähnt – ist es aber ganz wichtig, auch mit dem Härtefallfonds und verschiedenen anderen Maßnahmen direkt zu helfen. Das fordern Sie, das wurde auch getan. Auf der zweiten Seite: In einem Atemzug fordern Sie ständig Kontrolle und Überwachung. Daher muss das natürlich so ordnungsgemäß wie möglich abgesichert sein und abgewickelt werden, damit man auch im Nachhinein nachvollziehen kann, wie mit diesen Fördergeldern umgegangen wurde. Das ist Ihnen wichtig, das haben Sie mehrfach betont, und das wird auch unter dieser Berücksichtigung getan. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Dass die Wirtschaft in Wirklichkeit das Schwungrad dieses Landes ist, haben wir in diesen Tagen verstärkt gemerkt und das wissen wir schon seit Langem. Darauf müssen wir auch in Zukunft und gerade in den nächsten Wochen, Monaten, Jahren verstärkt unser Augenmerk legen, denn an diesem Schwungrad hängt alles andere dran, auch wenn wir über dieses Budget diskutieren.

Durch die Wirtschaftsleistung, durch die Arbeit jedes Einzelnen wird in Wirklichkeit das geschaffen, womit wir andere Bereiche wieder bedienen können. Daher ist es umso wichtiger – das haben wir jetzt auch gemerkt –, dass die Wertschöpfung in unserem Land bleibt. Dies hat sehr viele Auswirkungen: Das sind direkte Arbeitsplätze, dabei geht es aber auch um Versorgungssicherheit und – das haben wir ebenfalls gemerkt – um hohe Fachkompetenz.

Natürlich ist es einfach geworden, etwas im Internet zu bestellen, aber die Fachkompe­tenz, die Beratung, der Service, die Reparaturen, all das, was nachgelagert oder be­gleitend passieren muss, darf uns nicht verloren gehen.

Daher gilt unsere größte Unterstützung diesem Bereich, in dem wir alle gefordert sind. Es geht natürlich um die Vernetzung, den Cluster in der Wirtschaft selbst, jeder Einzelne aber entscheidet mit, wo und wie etwas produziert wird, wo und wie eine Dienstleistung angeboten wird. Das müssen wir wieder verstärkt in unsere Köpfe hineinbringen, denn daran hängt der unmittelbare Arbeitsplatz, ja vielleicht sogar der eigene.

Um es zu sagen: Ja, wir brauchen alle, vom Einzelpersonenunternehmen über die klei­nen und mittleren Unternehmen bis hin zur Industrie – auch das merken wir in diesen Tagen wieder. Es geht wirklich um eine Grundversorgung in allen Facetten, und ich denke, darum werden die diesbezüglichen Schwerpunkte in den nächsten Wochen, nächsten Monaten auch budgetär gesetzt werden. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

14.39


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.39.49

Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Europäerinnen und liebe Europäer! Das ist ein guter Tag für Österreich, weil es ein guter Tag für Europa ist. Es gab ja die Vorschläge von Merkel und Macron, dann gab es ein paar geizige Ideen von einigen anderen Ländern, und heute hat endlich die EU-Kommission gesprochen: 750 Milliarden Euro an Zuschüssen und Krediten, im Verhältnis von etwa 2 : 1, sollen in Form sehr, sehr konkreter Projekte vergeben werden.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 405

Dazu ist noch sehr viel im Detail zu sagen. Heute habe ich in österreichischen Zeitungen eine Anzeige gefunden, bei der ich mir gedacht habe: Wer auch immer das gemacht hat, das sind prophetische Menschen, die müssen schon ein bisschen mehr gewusst haben. Hier steht nämlich zum Beispiel (aus einer Zeitung vorlesend): „Wir stehen [...] zu unse­ren Grundwerten. Darüber hinaus bekräftigen wir unsere Ambitionen einen grünen Über­gang Europas als fortschrittlichen und richtigen Weg einzuschlagen, Europa neu zu star­ten und Lösungen zu finden, die kein Land zurücklassen.“

Das mit grün – ja, das haben wir auch schon in den Vorschlägen drinnen, denn von der EU-Kommission habe ich auch schon gelesen: Es soll sehr stark in Klimaschutz inves­tiert werden, es sollen CO2-Abgaben eingeführt werden und vor allem soll es auch – und das ist ein wesentlicher Punkt, über den sicher noch diskutiert werden wird – mehr Ei­genmittel der Europäischen Union, der Europäischen Kommission geben, weil diese nur dann in Europa kräftig auftreten können. Ich glaube, damit können wir sehr zufrieden sein, da müssen wir, wie schon erwähnt, sagen: Das ist ein guter Tag für Europa. (Beifall bei den NEOS.)

Umso mehr habe ich mich ja auch über manches Interview gewundert, habe aber im „Kurier“ – interessante Zeitung –, auf kurier.at, ein Interview mit einem österreichischen Ökonomen gefunden, der gesagt hat: „Kurz bekämpft etwas, was Merkel und Macron nicht fordern“. – Ich glaube, da hat ein Scheinduell stattgefunden, das wir nicht notwen­dig gehabt hätten.

Dazu möchte ich noch etwas sagen: Na ja, es ist ja nicht das Geld allein. (Ein Buch, auf dessen Cover ein Porträt zu sehen ist, in die Höhe haltend:) „Eine Seele für Europa“ – liebe Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP (Zwischenrufe der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Haubner und Kassegger – Heiterkeit des Abg. Kassegger), dieser Mann ist Erhard Busek. Ich glaube, er spielt in der Geschichte der ÖVP eine große und wichtige Rolle. Ich kenne ihn seit meinen Jugendtagen und habe immer sein Engagement für Europa zu einer Zeit, in der niemand das gemacht hat, nämlich gegen die kommunis­tischen Diktaturen in Osteuropa für Europa aufzutreten, bewundert. Darauf können Sie mit Grund stolz sein. (Beifall bei den NEOS.) – Ich rede positiv über Busek und niemand von der ÖVP applaudiert, das werde ich ihm sagen; aber nein, macht nichts.

Er zitiert einen schönen Satz von Ivan Krăstev: „Kreative Konflikte schaffen Europa“. Dahinter kann man natürlich einen Doppelsinn vermuten: schaffen Europa, schaffen Europa. – Wir sehen es natürlich positiv.

Noch etwas möchte ich sagen, weil natürlich von Start-ups die Rede ist: Ja, ich bin auch dafür, wir brauchen mehr Geld für Start-ups. Das wird aber auch mit Förderungen allein nicht gelingen, Frau Bundesministerin. Da sind Sie nicht die alleinige Ansprechpartnerin. In Zusammenarbeit mit dem Finanzministerium brauchen wir neue Finanzierungsmo­delle. Wir müssen natürlich Venturecapital fördern, wir brauchen mehr Möglichkeiten für junge Unternehmen, an Geld zu kommen. Da brauchen wir auch einen positiveren Aus­blick für die Börse, das möchte ich an dieser Stelle auch noch sagen. Der Staat kann eben doch nicht alles machen, und es gibt Menschen, die Geld anlegen wollen.

Eine Aktie ist Eigenkapital – das ist bitte nicht Spekulation! Wenn jemand heute eine Aktie kauft und sie morgen verkauft, ist er von mir aus ein Spekulant. Wenn er sie heute kauft und in einem Jahr verkauft, in zwei, drei Jahren, ist er sicher kein Spekulant, son­dern legt Geld an. Da würde ich schon bitten, doch einmal darüber nachzudenken, dass man diese Steuer, die sehr hoch ist, senkt und, je länger jemand eine Aktie hält, ihm entsprechend weniger Steuer abknöpft. Das wäre, glaube ich, auch eine positive Initiati­ve, die jetzt notwendig wäre.

Meine Redezeit ist abgelaufen, und ich möchte pünktlich sein. – Danke schön, es ist ein guter Tag für Europa, das sage ich jetzt noch einmal. – Danke. (Beifall bei den NEOS.)

14.44



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 406

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist nun Abgeordneter Mag. Dr. Jakob Schwarz. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.44.27

Abgeordneter Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA (Grüne): Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Kolleginnen und Kollegen! Die Untergliederung 40 im Budget setzt bei kleinen und mittleren Unternehmen, bei den KMU, einen Schwerpunkt. Ich glaube, das zeigt auch, dass diese nicht erst durch die Coronakrise in den Fokus gekommen sind, und ich möchte an dieser Stelle ein paar Zahlen aus dem letzten KMU-Bericht erwähnen.

Es stellte sich heraus, dass 99,6 Prozent der marktorientierten Unternehmen in Öster­reich KMU sind, dass zwei Drittel der Erwerbstätigen bei KMU angestellt sind und dass sie 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erwirtschaften. Das ist auch einer der Grün­de dafür, warum wir bei den Hilfsmaßnahmen im Rahmen der Coronaüberbrückungs-
und -hilfsfonds so stark auf die kleinen und mittleren Betriebe abgestellt haben.

Umso mehr ist es, glaube ich, zu begrüßen, dass die Förderungen im Härtefallfonds jetzt neu aufgestellt und wesentlich aufgewertet worden sind, von vorher 1 500 bis maximal 6 000 Euro auf jetzt 6 000 bis 15 000 Euro. Das ist tatsächlich ein sehr gutes Zeichen. (Beifall bei Abgeordneten von Grünen und ÖVP.)

Neben diesen direkten Coronahilfs- und -überbrückungsmaßnahmen, die gestern schon Thema waren und es auch morgen wahrscheinlich wieder sein werden, will ich auch noch auf andere wesentliche Hilfen in der UG 40 eingehen, die das Budget jenseits von Corona leistet, und zwar insbesondere auf zwei Aspekte, die, wie ich finde, neben Co­rona die zwei größten Herausforderungen darstellen, wie von Vorrednerinnen und -red­nern teilweise schon angesprochen wurde.

Das eine ist natürlich die Klimakrise. Sie wird die Bedingungen, unter denen gewirt­schaftet wird, die gesellschaftlichen Ansprüche und entsprechend auch die Arbeits- und Absatzmärkte verändern. Für die Unternehmen ist die Antwort darauf natürlich insbe­sondere Innovation, Forschung und Entwicklung. Das wird zum Beispiel über den Tech­nologie-, Innovations- und Wachstums-Fonds der UG 40 unterstützt. Ich glaube, dass viele Unternehmerinnen und Unternehmer in Österreich bei dieser Frage schon an vor­derster Front sind. Wir sollten diesen Vorsprung noch weiter ausbauen.

Es gibt auch aktuelle Umfragen, die zeigen, dass 84 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher wollen, dass der Wiederaufbau nach Corona ein grüner, ein sozusagen klimafreundlicher ist, und wir werden versuchen, unser Möglichstes zu tun, um das zu unterstützen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Das Zweite ist natürlich die Digitalisierung, die durch verschiedene Projekte in der UG 40 unterstützt wird. Sie bietet nicht nur Potenziale bei den Produktivitätssteigerungen, son­dern auch beim E-Commerce – das haben Sie (in Richtung Bundesministerin Schram­böck) ja schon angesprochen. Ich glaube, da gibt es, im Gegensatz zum ersten Punkt, teilweise ein bisschen Boden wiedergutzumachen. Da muss und kann die Politik auch unterstützen – es freut mich, dass das bei Ihnen ein so zentrales Anliegen ist –, um un­sere lokale und regionale Wirtschaft mit anderen Unternehmen quasi auf Augenhöhe zu bringen.

Nun geht es aber vor allem darum, dass diese kurzfristigen Unterstützungsmaßnahmen ankommen, und ich glaube, dass mit der Auffettung des Härtefallfonds und dem Start des Fixkostenzuschusses in der letzten Woche jetzt die wichtigsten Voraussetzungen gegeben sind. (Beifall bei Abgeordneten von Grünen und ÖVP.)

Zum Schluss noch – auch wenn Kollege Matznetter jetzt nicht mehr da ist –: Natürlich braucht es ein Konjunkturpaket. Die Regierung hat ja Eckpunkte zu diesem Comeback-Paket mit drei Untergruppen schon angekündigt. Dazu gehört auch ein Vorziehen eines


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 407

Teils der Steuerreform, dazu gehören Investitionen in den Klimaschutz, in die Regio­nalisierung und Digitalisierung, unter anderem auch das angesprochene 300-Millionen-Paket für den öffentlichen Verkehr, nur im Gegensatz zum Kollegen Matznetter haben alle Expertinnen und Experten im Budgethearing gesagt – ah, da ist er jetzt (Abg. Matz­netter – auf dem Weg zu seinem Sitzplatz –: ... auch ohne ÖVP ...!) –, wir sollten nicht das ganze Pulver jetzt schon verschießen – das wäre ja ein bisschen Ihr Zugang, Kol­lege Matznetter –, sondern wir werden die Nachfragestützung über einen längeren Zeit­raum machen müssen. (Abg. Matznetter: Super!) Entsprechend wichtig ist es, dass wir noch Ressourcen haben. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Matznetter.)

Abschließend noch zu Kollegen Schellhorn, der auch nicht mehr da ist: Werner Kogler hat sich natürlich dazu geäußert, wie dieser EU-Aufbaufonds ausschauen könnte, und zwar heute Morgen, kurz bevor die Kommission damit rausgegangen ist. Er hat unter anderem gefordert, dass dieser Fonds einerseits aufgestockt und andererseits, dass er grüner wird. Die Kommission hat seine Wünsche dann offensichtlich umgesetzt. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

14.49


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Maximilian Ler­cher. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.49.29

Abgeordneter Maximilian Lercher (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministe­rin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren vor den Bildschir­men! Kollege Schwarz, ich möchte nur eines zu Beginn kurz erwähnen: Ich wäre immer sehr interessiert an diesen Expertinnen und Experten, aber sei‘s drum. (Zwischenruf des Abg. Jakob Schwarz.)

In der letzten Sitzung des Wirtschaftsausschusses haben wir zum Beispiel die Frau Mi­nisterin gefragt, wer die Expertinnen und Experten sind, die die Abwicklung im Härtefall­fonds so empfohlen haben. Wir haben Sie damals ganz konkret gefragt: Warum wird nicht sofort ein Betrag von zumindest dem Sozialhilferichtsatz an alle ausgeschüttet? – Sie haben begründet: Weil es Expertinnen und Experten so nicht empfohlen haben. Da­rauf haben wir gefragt: Wer sind diese Leute? – Wir haben keine Antwort erhalten. Sei‘s drum. Es ist repariert worden, und ich finde, das war und ist eine gute Sache, weil es die Klein- und Mittelbetriebe dringend brauchen. Dass das so gekommen ist, ist ein guter und wichtiger Schritt für Österreich, wiewohl man sich im Sinne einer Wiederbelebung der Wirtschaft noch mehr erwarten muss.

Ich möchte etwas ganz Persönliches voranstellen, weil es mich schon die ganze Woche und vor allem heute beschäftigt. Erlauben Sie mir ein paar Worte weg von der großen Politik hin zu etwas sehr Privatem: Mein Vater hat heute seinen letzten Arbeitstag. Nach 47 Beitragsjahren – er ist 62 Jahre alt – hat er heute seinen letzten Arbeitstag. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte ihm an dieser Stelle – in den letzten Jah­ren war er als Buschauffeur tätig – alles erdenklich Gute wünschen, denn er hat sehr, sehr viel für die Gesellschaft und auch für seine Kinder geleistet. (Allgemeiner Beifall.)

Aber warum bringe ich dieses so private Beispiel? – Es ist ein sehr, sehr politisches. Dass er heute mit 62 Jahren abschlagsfrei in Pension gehen kann, ist einem Beschluss dieses Hauses geschuldet, getragen von der Sozialdemokratie, aber auch von der Frei­heitlichen Partei, mitgetragen von der ÖVP, damals in der Zeit der Übergangsregierung. Es war ein Beschluss, der, so glaube ich, zu mehr Gerechtigkeit in diesem Land beige­tragen hat. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Warum rede ich von diesem Beschluss? – Er betrifft nicht nur meinen Vater, sondern viele wirkliche Leistungsträger in diesem Land. Wir – dieses Haus – machen die Regeln


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 408

für mehr Gerechtigkeit oder eben auch nicht. Ich möchte davon sprechen, weil es jetzt angesichts der Coronakrise, der Digitalisierung, der Klimakrise und allem, was uns trifft, vor allem darum geht, dass wir als Politik wieder dieses wirtschaftspolitische System gestalten, damit es für die Realwirtschaft und die wirklichen Leistungsträgerinnen und Leistungsträger funktioniert. Ich glaube, wir müssen darüber nachdenken, einen System­wandel einzuleiten, der da heißt, dass der Sozialstaat nicht mehr das Problem ist, son­dern in Wahrheit die Lösung unserer Probleme, liebe Freundinnen und Freunde. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich glaube, es ist an der Zeit, genau darüber zu diskutieren, denn viele tun immer so, als wäre dieses Wirtschaftssystem gottgegeben. Glauben Sie mir: Ich habe meinen Pfar­rer gefragt, er hat es in der Bibel nicht gefunden. Es ist nicht gottgegeben. (Ruf bei der ÖVP: ... Mao-Bibel!) Es ist ein System, das von Menschen gestaltet wird, und ich glaube, es ist gerade in diesen Zeiten der Auftrag von ehrlicher Politik, dass wir uns diese Frage wieder stellen, um das System gemeinsam gerechter zu machen – gerechter für die vie­len alltäglichen Leistungsträgerinnen und Leistungsträger in diesem Land. Dabei sind wir, sehr verehrte Frau Ministerin, gemeinsam gefordert, das zu tun, denn der Markt regelt wirklich nicht alles von selbst. Er macht das System nicht von selbst gerechter, und das müssen wir uns wieder ins Bewusstsein rufen. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

14.53


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Andreas Otten­schläger. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.54.02

Abgeordneter Andreas Ottenschläger (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bun­desministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte ganz kurz auf ein paar Vor­redner eingehen, zuerst auf Kollegen Lercher. Ja, ich glaube es eint uns alle, dass wir sozialpolitische Ziele, wie zum Beispiel Vollbeschäftigung und ein gutes soziales Netz, anstreben und weiter erhalten wollen, aber dazu braucht es vor allem entsprechendes Wirtschaftswachstum. Und dafür müssen wir sorgen. Wir erkennen in einer Situation wie dieser, dass das oberste Priorität bei vielen sozialpolitischen Maßnahmen, bei der Er­reichung der Klimaziele, in unserem Bildungssystem, im Gesundheitssystem haben muss. Das ist eine der obersten Prämissen und die Zielsetzung, die wir uns gerade in dieser Situation wieder vor Augen führen müssen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der Grünen.)

Was führt zu Wirtschaftswachstum? – Das sind viele Maßnahmen, das sind viele kleine Räder. Zuallererst ist natürlich eine entsprechend positive Stimmung ganz entscheidend. Ich brauche Ihnen das nicht näher zu erklären, Sie wissen das. Bei der Erreichung des Ziels des Funktionierens der Volkswirtschaft geht es vor allem auch um die entspre­chende Steigerung der Kaufkraft und um erste Entlastungsschritte, über die jetzt schon diskutiert wird – Stichwort: Steuererleichterungen, Steuersenkungen. Es geht aber na­türlich auch um die Aspekte, die Kollege Brandstätter vorhin schon kurz eingebracht hat, um die Stärkung der Eigenkapitalquoten unserer Klein- und Mittelbetriebe. Eine nachhal­tige Stärkung dieser Betriebe muss ein großes Ziel für uns sein, so wie vielerlei weitere Maßnahmen, die dazu führen, dass es Vertrauen in den Standort gibt.

Ein Aspekt, den ich auch noch einbringen möchte, der ganz entscheidend sein wird, ist – die Frau Bundesministerin hat auch davon gesprochen –, Produktionsbetriebe möglichst wieder nach Österreich und nach Europa zu holen. Ich glaube, dass gerade die Digitali­sierung und die Automatisierung, die damit zusammenhängt, eine große Chance für Länder wie Österreich sind, Produktionsbetriebe wieder ins Land zu holen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

14.56



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 409

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Walter Rauch. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.56.32

Abgeordneter Walter Rauch (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminis­ter! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause vor den Fernsehschirmen! Jawohl, Herr Kollege Ottenschläger, Wirtschaft ist Emotion, Wirtschaft ist Gefühl, und dementsprechend hat auch der Staat das Nötige dazu beizutragen, um diese Emotion, dieses Gefühl aufrechtzuerhalten, denn dann funktioniert eine Wirtschaft.

Aktuell haben wir aber eine Situation, in der dieses Gefühl und diese Emotion nicht stimmen. Das hat den Grund, dass die Bundesregierung seit Wochen säumig ist, seit Wochen Pressekonferenzen abhält, Versprechungen abgibt, die im Endeffekt nicht ein­gehalten wurden, aktuell zum Beispiel heute bei einer PK mit der Frau Bundesminister zum Härtefallfonds Neu. Ich frage mich jetzt: Wenn ein Unternehmer vor vier oder fünf Wochen einen Antrag gestellt hat, muss er jetzt einen neuen Antrag stellen? (Bundesmi­nisterin Schramböck: Das geht automatisch!) Kriegt er jetzt automatisch die Erhöhung auf 2 500 Euro oder auf 1 000 Euro bezahlt?

All das sind Dinge, die Sie im Endeffekt dem Unternehmer, dem Betroffenen jetzt auch vermitteln müssen. Das Problem, das Sie in den letzten Wochen und Monaten erzeugt haben, ist, dass dieses Gefühl und dieses Vertrauen in Ihre Richtung, aber natürlich auch in Richtung des Staates komplett verloren gegangen ist. Warum? – Ich glaube, es wird mir nicht anders als Ihnen gehen. Es häufen sich die Nachrichten von Unterneh­mern, die von Anfang an von den Wirtschaftsbündlern in den Regionen angerufen wur­den: Es ist alles kein Problem, es wird alles finanziert, es wird alles für Sie erledigt!

Nach drei Wochen gab es die ersten Rückrufe – ich glaube, es wird Ihnen oder Ihrer Fraktion auch nicht anders gehen –, bei denen gefragt wurde: Ja, wann kriege ich denn einmal etwas? – Und dann war es ruhig, dann war es ganz, ganz ruhig.

Jetzt sind viele Unternehmer in der Situation, dass sie seit zehn Wochen warten. Bei 161 000 Anträgen wurden aktuell knapp über 200 Millionen Euro ausbezahlt. Das ist ein Bruchteil von den Zahlen, mit denen Sie Tag für Tag auf Pressekonferenzen jonglieren und herumschmeißen. All das hat im Endeffekt Auswirkungen auf das Vertrauen, das Sie in den letzten Wochen im Bereich der Wirtschaft zerstört haben. Jetzt einfach herzu­gehen, mit einem Pinsel drüberzustreichen und zu glauben, dass der Härtefallfonds Neu alles regeln wird, davon bin ich nicht überzeugt. Das wird die Wirtschaft auch nicht in dieser Art und Weise entlasten.

Ein weiterer Punkt war der Comebackbonus, auch der ist in diesem Bereich ein span­nender Zugang. Natürlich werden viele danach trachten, diesen Antrag zu stellen. Wann und wie die Leistungen aber fließen werden, dazu fehlt die Information von Ihnen.

Ich habe diesbezüglich ja auch schon mehrmals Kritik an der Abwicklung des Härtefall­fonds über die Wirtschaftskammer geübt. Ich habe folgenden Antrag schon einmal ein­gebracht, aber ich bringe ihn heute wieder ein. Es kann nicht sein, dass das Finanzamt, das Finanzministerium – eine Behörde – ausgeschalten wird und die Wirtschaftskammer in Leistung treten muss, um den Härtefallfonds, um die Unterstützung der Unternehmer abzuwickeln. (Präsident Sobotka übernimmt den Vorsitz.)

All das sind bürokratische Hürden, für die das Finanzamt mit einem Knopfdruck über alle Daten, alle Funktionen verfügt. Dementsprechend wird die Wirtschaftskammer als Ins­trument herangezogen, um eine Leistung zu erbringen, die ihr gar nicht zusteht – die ihr gar nicht zusteht! Dafür fehlt einfach Ihr Verständnis, oder das Ziel war ein ganz anderes, nämlich vielleicht den einen oder anderen über diese Schiene zu begünstigen.

Ich bringe daher folgenden Antrag ein:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 410

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „unbürokratische Soforthilfe für die Unternehmen durch vollständige Entschädigung für den durch erzwun­gene Schließungen entstandenen finanziellen Schaden“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, die erforderlichen Schritte zu setzen, die ge­eignet sind, insbesondere den Klein- und Kleinstunternehmen und EPUs, die von der COVID-19-Krise massiv bzw. existentiell betroffen sind, unmittelbar, sofort und in ausrei­chendem Ausmaß zu helfen.“ – (Beifall bei der FPÖ.) –

„Dabei ist die Umsetzung nachstehender Maßnahmen – unter der Zielsetzung der Über­nahme einer ökonomischen Generalhaftung des Staates – sicherzustellen:

- Voller Entschädigungsanspruch für alle Betriebe, die durch das Betretungsverbot be­troffen sind oder waren, in jener Höhe, den diese erhalten hätten, wenn ihr Betrieb auf Grundlage des EpidemieG geschlossen worden wäre

- Abwicklung sämtlicher Fonds über die Finanzämter

- Sofortige antragslose Akontozahlung durch die Finanzämter an alle Unternehmer, die sämtliche in Folge der COVID-19 Maßnahmen entstandene Kosten, die laufenden Fix­kosten zu 100 % sowie die Einnahmenausfälle und einen entsprechenden Unternehmer­lohn für die nächsten drei Monate abdeckt mit anschließender ex-post Prüfung und Kontrolle durch die Finanzämter.“

*****

Das wäre ein Lösung, mit der es für alle eine gezielte und sichere Unterstützung geben würde, aber nicht so eine hoppertatschige Aktion, wie Sie sie in den letzten Wochen zum Schaden der Wirtschaft gemacht haben. (Beifall bei der FPÖ.)

15.02

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Walter Rauch, Erwin Angerer und weiterer Abgeordneter

betreffend „unbürokratische Soforthilfe für die Unternehmen durch vollständige Entschä­digung für den durch erzwungene Schließungen entstandenen finanziellen Schaden“

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 7: Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (55 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvor­anschlages für das Jahr 2020 (Bundesfinanzgesetz 2020 – BFG 2020) samt Anla­gen (183 d.B.) – UG 40 in der 32. Sitzung des Nationalrates am 27. Mai 2020

„Koste es, was es wolle“, so die vollmundige Ankündigung von Bundeskanzler Kurz in Zusammenhang mit der Rettung der heimischen Unternehmen, die seit Wochen durch die verordneten Betretungsverbote und Schließungen aufgrund von Covid19 massive Probleme haben und insbesondere Kleinstunternehmen und EPUs um ihre Existenz bangen müssen.

In der Realität hat sich an diesem Umstand nichts geändert.

Die Unternehmen sind mit einer Vielzahl an Fonds und unterschiedlichsten Förderstellen konfrontiert.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 411

Die Antragstellung für Mittel aus dem sogenannten Härtefallfonds erfolgt über die WKO. Für Privatvermieter wiederum ist die Antragstellung nur über die AMA möglich. Die Ab­wicklung des Corona-Hilfsfonds erfolgt über die COVID-19 Finanzierungsagentur (COFAG). Für Garantien muss man aber immer zuerst zur Hausbank.

Je nach Unternehmen gibt es dann wiederum unterschiedliche Zuständigkeiten für die weitere Bearbeitung eines entsprechenden Antrages.

Dieser Antrag geht dann

- an die Oesterreichische Kontrollbank (Großunternehmen ab 250 Mitarbeiter),

- an die Austria Wirtschaftsservice GmbH (Klein- und Mittelbetriebe) oder

- an die Österreichische Hotel- und Tourismusbank GmbH (Tourismusunternehmen)

Die ÖHT wickelt grundsätzlich Anträge von Betrieben der Tourismus- und Freizeitwirt­schaft ab. Dazu zählen insbesondere Gastronomie, Hotellerie, Gesundheitsbetriebe, Reisebüros, Kino-, Kultur- und Vergnügungsbetriebe sowie die Freizeit- und Sportbetrie­be. Wer meint, hier würden grundsätzlich alle Tourismusbetriebe abgewickelt, der irrt.

Denn die Zuständigkeit der ÖHT endet bei einem Finanzierungsbedarf bis zu maximal 1,5 Mio Euro. Für höhere Kredit ist wieder je nach Größe die aws bzw. Kontrollbank (OeKB) zuständig. Anders ist es wieder bei Unternehmen mit unterschiedlichen Ge­schäftsbereichen:

„Die Zuständigkeit liegt dort wo die größeren Umsätze erzielt werden. Je nach Hauptum­satz liegt dann die Zuständigkeit bei der ÖHT oder bei der aws.“

Bei gänzlich unabhängigen Betrieben (z. B. andere Standorte, getrennte Buchhaltung) kann es auch sinnvoll sein, dass jeder Geschäftsbereich separat einen Antrag stellt.“

Quelle: https://www.aws.at/aws-ueberbrueckungsgarantien-faq/

Gerade für kleine und mittlere Unternehmen und dabei insbesondere für EPUs ist dieses Tohuwabohu an Förderstellen und überbordender Bürokratie eine enorme Hürde.

Der Härtefallfonds, der eigentlich dazu da ist, den unmittelbar entstandenen Nettoein­kommensentgang für EPUs und Kleinstunternehmen bis zu 9 Mitarbeiter auszugleichen, zeichnet sich dadurch aus, dass in der ersten Phase überhaupt viele von der Antragstel­lung ausgeschlossen waren.

Jeder Unternehmer muss bis zu vier Anträge – nämlich Monat für Monat neuerlich - stellen, um theoretisch in den Genuss eines Zuschusses zu kommen, der in Summe mit 6.000 Euro gedeckelt ist und jedenfalls maximal 80 % des erlittenen Einkommensver­lustes abdecken soll.

Als große Ausweitung der Kriterien für den Härtefallfonds hatte man unter anderem die nunmehr bestehende Möglichkeit von Nebeneinkünften gefeiert.

Diese Nebeneinkünfte werden jedoch bei der Ermittlung des Förderzuschusses ange­rechnet und reduzieren somit die ohnehin nicht den vollen Verlust abdeckende Förder­höhe entsprechend.

Vor diesem Hintergrund klingt es geradezu zynisch, wenn die WKO darauf hinweist, dass Nebeneinkünfte nunmehr möglich sind:

„Neben Einkünften aus selbstständiger Arbeit und/oder Gewerbebetrieb dürfen weitere Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 3 EStG zB. aus unselbständiger Arbeit, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, Einkünfte aus Kapitalvermögen, Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft und sonstige Einkünfte vorliegen.“

Daher ist damit zu rechnen, dass gerade sehr viele EPUs, die neben der selbständigen Tätigkeit bspw. eine unselbständige Teilzeitbeschäftigung haben, auf ihren entstande­nen Verlusten sitzen bleiben und bestenfalls mit Almosen abgespeist werden.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 412

Dazu kommt, dass die den Auszahlungen zugrundeliegenden Berechnungen äußerst kompliziert sind. „Um sich durch den Antragsdschungel zu kämpfen, brauchen viele des­halb die Hilfe eines Steuerberaters. "Viel komplizierter hätte man das nicht machen können", sagt der Wiener Steuerberater Josef Horvath, der viele EPU betreut. (Wiener Zeitung vom 16. April 2020)

Der Unmut ist mittlerweile größer geworden. Von den aus dem Härtefallfonds zur Verfü­gung stehenden 2 Mrd Euro wurden bis dato erst circa 160 Mio Euro ausbezahlt.

So berichtet der Standard vom 20. Mai 2020 unter dem Titel „Härte bei Härtefällen“ wie folgt:

„Viele kleine Unternehmen und Selbstständige fühlen sich im Stich gelassen. Der Härte­fallfonds hat nicht jene Unterstützung gebracht, den sich diese Betriebe und Personen erwartet haben. Bei der ersten pauschalen Hilfe von 1000 Euro kamen viele wegen Un­ter- und Obergrenzen beim Verdienst nicht zum Zug, zudem Mehrfachversicherte. In der zweiten Phase, in der es bis zu 2000 Euro pro Monat gibt, waren zahlreiche Unternehmer wegen der Orientierung der Ansprüche am durchschnittlichen Verdienst pro Monat im Vorjahr empört. Viele machen nämlich das Geschäft vorrangig im April, Mai oder Juni, weshalb Durchschnittswerte kritisiert wurden.

Generell ist der Unmut bei Einpersonenunternehmen groß, weil die Zuschüsse als gering empfunden werden. Sie machten bisher im Schnitt 1046 Euro aus. 160 Millionen Euro sind von der die Auszahlung abwickelnden Wirtschaftskammer an 153.000 Selbststän­dige geflossen.“

„Zugesagte Hilfe kommt kaum an

Bürokratische Hürden bei Zuschüssen für Betriebe

Die Regierung hat zwar einen Corona-Schutzschirm in der Höhe von 38 Milliarden Euro gespannt, doch viele Hilfen kommen kaum an, monieren Kritiker. Vor allem bei den Zu­schüssen für Betriebe wurde viel Zeit vergeudet, meint Dimitar Hristov, Partner der Kanzlei DLA Piper. (…) Zudem hält die Kritik am Härtefallfonds für Kleinstunternehmer an. Viele leben seit zwei Monaten von 1000 Euro.“

Die von uns nunmehr seit Monaten erhobene Kritik an der Tatsache, dass die Wirt­schaftskammer mit der Abwicklung des Härtefallfonds betraut wurde und damit sinnlose zusätzliche Bürokratie und enormer Datenaustausch zwischen den Behörden erforder­lich wurde bestätigt unter anderem ein Artikel in der Kleinen Zeitung vom 19. Mai 2020, wenn es dort unter dem Titel: „Warum nicht das Finanzamt?“ heißt:

„(…) Die Schweiz und Deutschland gehen einen anderen Weg. Dort brauchen Unter­stützungssuchende lediglich eine Steuer- und eine Kontonummer. Die Hilfen werden vom Finanzamt abgewickelt, weil dieses auf Knopfdruck über alle relevanten Daten ver­fügt. Die Politik muss den Prozentsatz für die jeweilige Entschädigungsleistung vorge­ben. Bei uns wickelt die Wirtschaftskammer den Härtefallfonds ab. Warum einfach, wenn es kompliziert auch geht?“

Ob die Abwicklung des Corona Hilfsfonds betreffend Fixkostenzuschüsse erfolgsver­sprechender ist als jene des Härtefallfonds bleibt abzuwarten.

Nach ursprünglicher Ankündigung einer möglichen Beantragung ab Anfang Mai ist diese nun mit drei wöchiger Verspätung seit 20. Mai 2020 möglich.

Diese Anträge haben eine Darstellung der tatsächlich entstandenen Fixkosten und der tatsächlich entstandenen Umsatzausfälle zu enthalten.

Unternehmen müssen den Antrag von einem Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Bi­lanzbuchhalter bestätigen lassen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 413

Zuerst prüft das Finanzamt, ob das, was angegeben wurde, plausibel ist. Danach werden die Anträge an die extra dafür geschaffene „Schwarz-Grün“ besetzte Finanzierungs­agentur Cofag übermittelt, die dann die Anträge wieder prüft, im günstigsten Fall auch genehmigt und eine Auszahlung veranlasst.

Während die Fixkosten, wie Mieten, Leasingraten, Stromrechnungen etc. längst trotz Umsatzausfällen zu begleichen waren, und dies die Unternehmen unter massiven finan­ziellen Druck brachte, lässt sich die Bundesregierung Zeit mit der Auszahlung der drin­gend notwendigen Hilfen und verkompliziert noch die Abwicklung, wie oben dargestellt.

Einen Rechtsanspruch auf die Hilfen gibt es selbstredend auch hier nicht.

Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der dargelegten Fakten und damit im Sinne der drin­gend notwendigen Unterstützung der massiv belasteten heimischen Unternehmen und dabei gerade der EPUs stellen die unterfertigten Abgeordneten daher nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, die erforderlichen Schritte zu setzen, die ge­eignet sind, insbesondere den Klein- und Kleinstunternehmen und EPUs, die von der COVID-19-Krise massiv bzw. existentiell betroffen sind, unmittelbar, sofort und in ausrei­chendem Ausmaß zu helfen.

Dabei ist die Umsetzung nachstehender Maßnahmen – unter der Zielsetzung der Über­nahme einer ökonomischen Generalhaftung des Staates – sicherzustellen:

-             Voller Entschädigungsanspruch für alle Betriebe, die durch das Betretungsverbot betroffen sind oder waren, in jener Höhe, den diese erhalten hätten, wenn ihr Betrieb auf Grundlage des EpidemieG geschlossen worden wäre

-             Abwicklung sämtlicher Fonds über die Finanzämter

-             Sofortige antragslose Akontozahlung durch die Finanzämter an alle Unterneh­mer, die sämtliche in Folge der COVID-19 Maßnahmen entstandene Kosten, die laufenden Fixkosten zu 100 % sowie die Einnahmenausfälle und einen entspre­chenden Unternehmerlohn für die nächsten drei Monate abdeckt mit anschlie­ßender ex-post Prüfung und Kontrolle durch die Finanzämter.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, aus­reichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Kaufmann. – Bitte.


15.02.52

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen hier im Hohen Haus! Zuallererst möchte ich mich gerne an die Unternehmerinnen und Unternehmer in den KMUs wenden. Ich weiß, wie es uns allen im Moment gerade geht, wie viele schlaflose Nächte wir verbringen, weil wir Auf­träge nicht mehr entgegennehmen konnten, weil Aufträge ausgeblieben sind oder auch weil die Kundin oder der Kunde jetzt gerne kurzfristig etwas umgesetzt haben möchte. Die gesamte Arbeitsplanung ist natürlich ganz anders, als wir es bis dato gewohnt waren.

Ich möchte Ihnen dennoch Mut zusprechen, denn gerade wir als KMUs sind es, die in Österreich Arbeitsplätze schaffen, und gerade wir waren es auch in der Vergangenheit,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 414

die diese Vielzahl an Arbeitsplätzen gesichert und dieses Land Österreich ausgemacht haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Durch viele Maßnahmen sind wir jetzt in den letzten Wochen unterstützt worden – die Frau Ministerin hat sie skizziert –, und heute sprechen wir über ein Budget, das auch zukünftige Maßnahmen betrifft.

Als Lehrlingssprecherin ist es mir besonders wichtig, da einen Punkt herauszugreifen, nämlich die Euroskills. Mit 2,5 Millionen Euro im Budget sind die Euroskills in Graz im nächsten Jänner ausfinanziert, und wir können die Besten der Besten vor den Vorhang holen und so wirklich gute Role Models für Jugendliche sichtbar machen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Als Lehrlingssprecherin ist es mir besonders wichtig, dass wir die Wahlmöglichkeit zwi­schen schulischer Ausbildung und beruflicher Ausbildung in Österreich stärken. Wie wichtig gerade auch die jungen Geister in den KMUs sind, haben wir jetzt in der Krise gespürt, und daher ist ein weiterer Punkt aus dem Budget für die Zukunft besonders wichtig, nämlich KMU digital. Wir alle haben jetzt wahrscheinlich erlebt, wie wichtig es wäre, gute Onlineanbindungen zu haben, wie wichtig es wäre, dafür das Know-how bei uns in den Unternehmen zu haben. Diese Pakete seitens des Wirtschaftsministeriums, seitens der Wirtschaftsministerin, die darauf einen Schwerpunkt legt, werden es gerade den KMUs in Zukunft ermöglichen, diese innovative Kraft zu entwickeln.

Abschließend erlauben Sie mir noch, liebe Kolleginnen und Kollegen, einen Appell an alle Unternehmerinnen und Unternehmer zu richten, die auch bisher schon Lehrlings­ausbildner waren: Es ist gerade jetzt wichtig, den Mut aufzubringen, in die Zukunft zu investieren. Bitte nehmen Sie auch heuer Lehrlinge auf, denn genau das sind dann in den nächsten drei, vier Jahren unsere Fachkräfte! Wir werden sie brauchen, denn wir wollen ja gemeinsam wieder zu einem guten Wohlstand in Österreich kommen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

15.05


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu einer tatsächlichen Berichtigung ist Abgeord­neter Matznetter zu Wort gemeldet. – Bitte.


15.06.05

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Präsident! Der Abgeordneten­kollege von der grünen Fraktion, Jakob Schwarz, hat in seiner Rede behauptet, beim Budgethearing hätten alle Experten davon abgeraten, sofort ein Investitions- und Kon­junkturpaket zu machen und das Pulver zu verschießen.

Ich berichtige tatsächlich: Wir haben mit Dr. Markus Marterbauer Kontakt aufgenommen, der hier Experte war, der genau das Gegenteil sagte. Er hat bereits in seinem Eingangs­statement betont, dass ein sofortiges Investitionsprojekt von mindestens 1,5 Milliarden Euro zu setzen ist. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haubner: Eine Einzelmei­nung!)

15.06


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Brand­stötter. – Bitte.


15.06.50

Abgeordnete Henrike Brandstötter (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Kollegin­nen und Kollegen! Liebe Österreicherinnen und Österreicher! Ohne Moos nix los. – Das gilt vor allem für die Event- und Veranstaltungsbranche, eine Branche, die mit ihren Zulieferern dann doch einen Umsatz von rund 9 Milliarden Euro pro Jahr erwirtschaftet und 3,3, Prozent zum BIP beiträgt. Es ist eine Branche, die 140 000 Menschen beschäf­tigt, aber diese Branche ist unsichtbar. Das ist eigentlich auch ihr Zweck, weil ja das


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 415

Publikum, die Gäste genau die Tontechniker, die Lichtleute, die Bühnenbauer nicht se­hen sollen. Zum besseren Verständnis: Das Frequency Festival dauert drei Tage, die Branche, die Technikerinnen und Techniker arbeiten elf Monate am Konzept und bauen zwölf Tage auf und ab.

Das Problem ist, dass diese Branche auch für die Regierung unsichtbar ist. Anders kann man sich die immer noch verkorksten Hilfsmaßnahmen einfach nicht erklären. Es wird heuer keine Weihnachtsfeiern geben, es wird keine Modeschauen geben, es wird keine Kongresse geben, es wird auch keine Festivals geben und es wird Anfang nächsten Jahres aller Voraussicht nach auch keine Ballsaison geben. Das bedeutet, dass die Eventbranche und die Veranstaltungstechnik frühestens in einem Jahr wieder zu arbei­ten anfangen kann, und da sind die meisten dann schon in die Pleite geschlittert. Gerade gestern ist der Bühnenbauer A.T.C. in Konkurs gegangen; 20 Mitarbeiterinnen und Mit­arbeiter sind ebenfalls betroffen. Die kruden Hilfsmaßnahmen der Regierung befeuern diesen Vorgang noch.

Deshalb schlagen wir für die Event- und Veranstaltungstechnik eine Freeze-Lösung vor. Das bedeutet, dass alle Zahlungen für 365 Tage eingefroren werden. Laufende Kredite werden erst in einem Jahr fällig. Sonstige Zahlungen, wie Lagermieten et cetera werden vom Staat übernommen.

Also wenn Sie, liebe ÖVP und Grüne, nicht noch für Tausende weitere Konkurse und Arbeitslose verantwortlich sein wollen, dann bitten wir Sie darum, unseren Vorschlag aufzugreifen. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

15.08


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Pöttinger. – Bitte.


15.09.01

Abgeordneter Laurenz Pöttinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Frau Bundesminister! Hohes Haus! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Da ich selbst über 50 Lehrlinge ausgebildet habe, ist auch mir das Lehrlingsthema ein besonderes Anliegen. Ich freue mich ganz besonders, dass im vorliegenden Budget die Lehrlinge und diese Ausbildung wertgeschätzt werden. Viele Staaten beneiden uns um diese her­vorragende duale Ausbildung. Speziell in Gewerbe und Handwerk ist es wichtig, dass der Wissenstransfer von historisch gewachsenen Fertigkeiten und Techniken bis hin zum 3D-Druck funktioniert. In vielen Branchen ist die Lehre ein Wissensvermittler von Grundbegriffen bis hin zur hochtechnologischen digitalen Welt.

Euroskills wurden schon von meiner Kollegin erwähnt. Im kommenden Jahr finden Eu­roskills in Graz statt, dann stehen wir wieder im Rampenlicht der Berufsausbildung. Die Leistungsbilanz und die Medaillenstatistik sind wirklich beeindruckend. Die Zahl der Lehrlinge steigt und mittlerweile haben wir in Österreich 110 000 Lehrlinge. In Oberös­terreich entscheiden sich ganze 50 Prozent der Jugendlichen für diesen Ausbildungs­weg, österreichweit immerhin 40 Prozent.

Hinweisen möchte ich auch auf die Duale Akademie. Das ist eine Ausbildungsschiene für jene, die bereits die Matura gemacht haben und nun in verkürzter Lehrzeit den Lehr­beruf erlernen können. Die Duale Akademie hat ihren Ursprung in Oberösterreich. Un­sere Präsidentin Doris Hummer hat sich da besonders eingesetzt. Mittlerweile wird diese Ausbildungsmöglichkeit in vier Bundesländern angeboten. Es ist eine echte Bildungsin­novation für Maturanten und Studienabbrecher. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Zor­ba. – Zwischenruf des Abg. Matznetter.)

Sehr geehrte Damen und Herren, ich möchte mich besonders bei den Unternehmerinnen und Unternehmern, bei den Lehrlingsausbildnerinnen und -ausbildnern und bei den Be­rufsschullehrerinnen und -lehrern für die hervorragende Ausbildung bedanken! Unsere


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 416

Lehrlinge bekommen mit dieser Art der Ausbildung ein Fundament fürs Leben. (Zwi­schenrufe bei der SPÖ.)

Herr Kollege Matznetter! Eines kann ich mir nicht verkneifen, da Sie jetzt auf uns und auf die Regierung immer wieder so hinhauen: Sie reden von Schwachstellen, und of­fensichtlich haben Sie eine besondere Expertise bei diesem Thema. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Matznetter: Die letzte Bemerkung war zwar eine Schwachstelle, ...!)

15.11


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Oberrauner. – Bitte.


15.12.02

Abgeordnete Mag. Dr. Petra Oberrauner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätztes Hohes Haus! Geschätzte Frau Minister! Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! Wir befinden uns in einer realwirtschaftlichen Krise der besonderen Art, und wir sind in drei Punkten kommunizierende Gefäße – ich glaube, da werden Sie mir zustim­men: Die Wirtschaft funktioniert, wenn sie Aufträge hat und es Leute gibt, die die Auf­träge abarbeiten, und der öffentliche Raum und die öffentlichen Institutionen funktionie­ren, wenn sie das Geld über Steuern einnehmen.

Alle drei Dinge sind nicht gesichert, und ich frage mich, warum man immer jede Art von Anregung als Kritik versteht. Wir haben vom ersten Tag an einen Abänderungsantrag zur Abgeltung des entstandenen Schadens eingebracht, den niemand verschuldet hat außer ein Virus, den wir nicht beeinflussen können. Die Unternehmer sind unverschuldet in diese Lage gekommen und wurden ohne Grund um ihre Existenzgrundlage gebracht – von einer Sekunde auf die andere, obwohl man es ganz normal hätte abwickeln können. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Situation, die sich jetzt stellt, ist, dass der Härtefallfonds, durch den der Unterneh­merlohn abgegolten werden sollte, zwar hoch dotiert ist, aber die Mittel nicht ankommen; sie verhungern auf dem Weg zur Realität. Die Betriebskostenabgeltung, wie sie das Fi­nanzamt glücklicherweise macht, könnte funktionieren, weil da, glaube ich, kompeten­tere Menschen für die Abwicklung zuständig sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Kurzarbeit ist einzigartig in Europa, wurde auch von einigen Betrieben in Anspruch genommen, hat aber auch verschiedene Fallen, die ganz schwierig für die Unternehmer sind, und zwar vor allem für die Kleinen. Es geht immer wieder und überall um Liquidität. Die Großbetriebe können aus dieser Kurzarbeit natürlich Liquidität aufstellen, um das vorzufinanzieren, aber wenn sie jetzt erst zum Beispiel drei Monate vorfinanzieren, dann ein doppeltes Gehalt zu zahlen haben und nach drei Monaten das Geld bekommen, dann werden sie wahrscheinlich in eine Liquiditätsfalle geraten und trotzdem insolvent werden, auch wenn sie Kurzarbeit haben.

Es geht so weit, dass es bereits Unternehmer gibt – und das ist echt einer Frechheit allererster Güte –, die Akontozahlungen an die Arbeitnehmer leisten, nämlich mit der Begründung: Wir zahlen den Rest, wenn wir die Förderungen bekommen. – Was ist denn das für ein volkswirtschaftlicher Zugang, wenn die Geschäfte aufgesperrt werden, damit die Leute etwas kaufen, und die kein Geld haben, um etwas zu kaufen?! Das ist nicht in Ordnung! (Beifall bei der SPÖ.)

Es trifft auch die Klein- und Mittelbetriebe, die sich sogar versichert haben. Wenn das über das Epidemiegesetz abgegolten worden wäre, hätten sie Betriebsunterbrechungs­versicherungen nicht gebraucht. Jetzt wird das nicht mehr schlagend, weil ein anderes Gesetz die Grundlage ist. Sie haben keine Mindestsicherung, kein Arbeitslosengeld, sondern gehen direkt in die Insolvenz und haben nichts mehr. Bei Familienbetrieben, an


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denen vier Familienmitglieder beteiligt sind, müssen sie Glück haben, dass einer woan­ders arbeitet, damit sie sich ihr Essen kaufen können. Das ist die Realität, die draußen kommuniziert wird, gelebt wird und um die es geht.

Da können wir nicht so tun, als hätten wir alles gut erledigt. Und dann bieten wir Stun­dungen, Garantien und Kredite an, aber das verschiebt ja nur das Problem; denn die Kredite und die Haftungen sind gegenüber den Banken ein Asset, aber am Ende des Tages wird zuerst dem Menschen, der den Kredit aufgenommen hat, alles weggenom­men und dann wird gegenüber der Bank garantiert. Das ist volkswirtschaftlich eine Ka­tastrophe! Wenn wir nicht bald darüber nachdenken, wie wir das ändern, dann brauchen wir über Wirtschaft nicht mehr zu reden, weil wir keine mehr haben werden! (Beifall bei der SPÖ.)

Zum Thema Europa: Gott sei es gedankt, dass es Europa gibt, denn wenn es nach Ös­terreich gegangen wäre, hätten wir Italien einfach sterben lassen und hätten gesagt: Die haben ihre Schulden und die sollen sie selber begleichen. Da geht es auch um 24 Mil­liarden Euro Handelsvolumen. Italien ist Österreichs zweitgrößter Handelspartner, für mein Bundesland Kärnten ist es sogar das wichtigste Handelspartnerland. Wovon reden wir? Wenn Sie Italien nicht helfen, dann sterben Sie mit! 24 Milliarden Euro können wir aus Österreich nicht abdecken, mit nichts!

Ich frage mich, warum wir den Horizont nicht erweitern, gemeinsam für die Bevölkerung und für die Betriebe arbeiten und die Dinge in Ordnung bringen, denn all das ist nicht in Ordnung. Wenn ich höre, wie der Bundeskanzler zu Optimismus, Mut und Zuversicht aufruft und sagt: Ich brauche Zeit!, dann muss ich sagen: Zeit haben wir nicht. Besser wären Verantwortung, Sicherheit und Vertrauen über Planungs- und Rechtssicherheit. Ich weiß nicht, wo wir leben! (Beifall bei der SPÖ.)

15.16


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Min­nich. – Bitte.


15.16.51

Abgeordneter Andreas Minnich (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundes­minister! Geschätzte Kollegen Abgeordnete! Hohes Haus! Sehr geehrte Zuseher zu Hause vor den Fernsehschirmen! Danke an die vielen Unternehmer, die in diesen so schwierigen Zeiten durchhalten.

Ich weiß, wovon ich rede. Ich habe selbst die letzten Wochen und Monate viele intensive und auch emotionale Gespräche führen dürfen. Ich bin selbst als Modehändler mit 28 Mitarbeitern und zwei Lehrlingen mehr als sieben Wochen behördlich gesperrt gewe­sen. Da gab es null Umsatz, kein Einkommen. Trotzdem sind aber viele Rechnungen reingekommen, es gab Bankeinzüge vonseiten der Lieferanten, was das Konto unglaub­lich überzogen hat. Das sind Ausnahmesituationen, in denen Zusammenhalt gefragt ist.

Ich appelliere daher an die Konsumenten, unsere regionalen Klein- und Mittelbetriebe zu unterstützen, auf die Unternehmen zu schauen, vor Ort, lokal zu kaufen und den Fokus hier auf die Arbeitsplätze in der Region zu legen. Jetzt heißt es, einkaufen vor Ort, um die Wirtschaft vor Ort zu stärken.

Ich danke unserer Bundesministerin für die Unterstützung, für das offene Ohr, das sie immer hat, und auch für das Nachschärfen. Es ist besonders wichtig, dass wir hier am Puls der Zeit sind, in die Unternehmen hineinhören und Schritt für Schritt Maßnahmen umsetzen, die den Unternehmern helfen.

Es ist keine Schande, nachzubessern. Es ist alles besser, als einfach nur den Kopf in den Sand zu stecken und die Schuld auf irgendjemanden zu schieben. Wir müssen uns


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aus dieser Krise selbst wieder herauskämpfen. Dafür stehen die Unternehmen in Öster­reich. In diesem Sinne: Alles Gute und viel Kraft! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der Grünen.)

15.19


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Wurm. – Bitte.


15.19.11

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Herr Präsident! Frau Minister Schramböck! Tun Sie bitte mir und der Wirtschaft einen Gefallen und nehmen Sie Ihre Maske ab! Wirtschaft ist vor allem Psychologie. Wenn Sie als Wirtschaftsministerin mit der Maske dasitzen, obwohl in einem Umkreis von 7 Metern niemand ist, was ist das für ein Zeichen, das Sie für die Wirtschaft setzen?! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenbemerkung von Bundesmi­nisterin Schramböck.)

Frau Minister Schramböck, wir haben Tourismus, wir haben Wirtschaft, wir haben den Modehandel. Frau Minister Schramböck, das, was Sie da jetzt machen, ist für diese Re­gierung symptomatisch. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Sie ziehen es durch: Panik, Todes­angst, Stillstand, Sie ziehen das bis zum bitteren Ende durch! (Beifall bei der FPÖ.)

Alles, was Sie gesagt haben, ist reine Makulatur, denn wenn Sie es nicht nach außen spielen können, werden die Betriebe und Unternehmer es auch nicht leben können.

Ich komme gerade vom Sozialausschuss, und darf oder muss Ihnen leider mitteilen: Aktuell haben wir den höchsten Stand an Beschäftigungslosen in Österreich, den wir jemals hatten. Wir kratzen an der Grenze von 1,9 Millionen Menschen! (Abg. Meinl-Rei­singer: Die Hälfte aller ...!) 1,9 Millionen Menschen, und die eint Folgendes: Sie alle haben deutlich weniger Geld in der Brieftasche, ob aufgrund von Kurzarbeit oder von Arbeitslosigkeit weniger.

Frau Minister, das ist für die Volkswirtschaft tödlich, und Sie sitzen da und verkaufen uns die schöne Welt. Frau Minister, auch Sie werden ja hoffentlich diese Dutzenden, Hun­derten Videos von Unternehmern und vor allem von Klein- und Mittelbetrieben in Öster­reich gesehen haben. Da hat man Unternehmer weinen gesehen, und zwar nicht ge­spielt, sondern die haben wirklich geweint, und zwar nicht nur weil ihr Betrieb am Ende ist – teilweise Ein-Mann-Betriebe oder mit zwei, drei Mitarbeitern –, sondern die sind auch privat am Ende. Die sind am Ende, Frau Minister, und Sie spielen mit Ihren Regie­rungskollegen, allen voran Bundeskanzler Kurz, die schöne Welt.

Das kann es nicht sein! Es ist jetzt höchst an der Zeit und vielleicht setzen Sie, Frau Minister, ein Zeichen, denn leider Gottes wurde ja gestern unser Antrag, die Masken­pflicht abzuschaffen, abgelehnt. Ich ersuche Sie aber dringend: Setzen Sie als Wirt­schaftsministerin ein Zeichen des Optimismus, ein Zeichen der Normalität und nehmen zumindest Sie die Maske ab! Nehmen Sie sie bitte ab! (Beifall bei der FPÖ. Abg. Stras­ser: ... hast schon besser geredet! Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich bin mittlerweile eigentlich sprachlos und am Ende, denn es hilft nichts: Man kann mit Fakten argumentieren, mit harten Zahlen argumentieren. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Strasser.) Wir haben ein Riesenproblem in Österreich, und zwar nicht nur, was die Unternehmer, was die Wirtschaft betrifft, sondern eben die ganze Bevölkerung.

Wenn diese Regierung nicht unmittelbar heute damit anfängt, endlich in den Normalzu­stand überzugehen und Optimismus für Unternehmer, aber auch für Konsumenten zu verbreiten, dann kommen wir, Frau Minister, aus diesem Teufelskreislauf nicht heraus, und dafür sind Sie mitverantwortlich, an der Spitze.

Ich war heute am Vormittag in der Wirtschaftskammer: Man rechnet damit, dass ein Drittel der Unternehmer das nicht überleben werden  ein Drittel der Unternehmer! (Zwi­schenrufe der Abgeordneten Haubner und Kirchbaumer.) – Das sagen Ihre Leute, eure


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Leute vom Wirtschaftsbund sagen das selbst bei den internen Besprechungen. (Abg. Kirchbaumer: Ah geh...!) Und sie sagen auch, sie sind verzweifelt, weil sie kein Gehör finden, und, Herr Kollege Haubner, sie wünschen sich den alten Präsidenten zurück. Sie wünschen sich Präsident Leitl zurück, denn der hatte noch Einfluss auf die Realpolitik. Das gibt es bei der ÖVP mittlerweile nicht mehr, Mahrer spielt keine Rolle. (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.)

Alle Verordnungen, die wir hatten – praxisfremd, die Wirtschaft zerstörend –, wurden und werden von Mahrer und der Wirtschaftskammer abgenickt. Deshalb noch einmal mein Aufruf: Frau Minister, setzen Sie ein Zeichen, nehmen Sie die Maske ab! Und, bitte schön: Wirtschaft nach oben! – Danke. (Beifall bei der FPÖ. Zwischenrufe bei der ÖVP.)

15.23


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wim­mer. – Bitte.


15.24.00

Abgeordneter Rainer Wimmer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geschätzten Kolleginnen! Liebe Kollegen! Die deutsche Regierung hat in den letz­ten Tagen eine Einigung mit der Lufthansa erzielt. 9 Milliarden Euro, wie wir mitbekom­men haben, 9 Milliarden Euro wird der deutsche Steuerzahler in dieses Unternehmen einbringen. Die Deutschen haben das sehr gut gemacht, sie haben sich die Mitbestim­mung im Aufsichtsrat gesichert und sie haben sich eine Beteiligung gesichert und aus­gemacht.

Was wirklich bemerkenswert war, liebe Kolleginnen und Kollegen: Die deutsche Regie­rung, oder wer auch immer das verhandelt hat, hat das sehr offen und transparent ge­macht. Das kann man bei uns nicht sagen. Bei uns wird jetzt offensichtlich auch mit der AUA verhandelt, im stillen Kämmerlein, kein Mensch weiß, was geschieht. Wenn man den Finanzminister fragt, dann gibt er keine Auskunft, und das ist genau das, was wir nicht haben wollen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Die AUA hat einen großen Finanzbedarf, nämlich in der Höhe von 770 Millionen Euro, die bereitgestellt werden sollen, und ich habe ein bisschen lächeln müssen, als ich die Aussage des Vorstandes der Lufthansa mitbekommen habe, denn der war ja sehr selbst­bewusst. Da habe ich mir dann gedacht: Wenn ich sozusagen auf Wanderschaft gehe und 13 Milliarden Euro einsammeln soll, weil ich die unbedingt brauche, dann würde ich eine etwas schmalere Lippe wagen! Mehr Demut wäre da angesagt gewesen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir Sozialdemokraten haben eine ganz klare Meinung dazu, wie es mit der AUA wei­tergehen soll. Jawohl, wir stehen natürlich zur Unterstützung mit Steuergeld der österrei­chischen Bevölkerung, aber mit ganz klaren Bedingungen und mit klaren Auflagen. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Den Standort, das Drehkreuz erhalten, das ist eine Grundvo­raussetzung, vor allen Dingen aber die Arbeitsplätze absichern.

Nicht nur immer davon sprechen, nicht nur immer reden, sondern, geschätzte Damen und Herren von der Regierung, machen Sie das, sichern Sie die Arbeitsplätze ab, jetzt gibt es eine Möglichkeit, denn jetzt kann man solche Klauseln festschreiben!

Die Mitsprache im Aufsichtsrat ist schon angesprochen worden. Natürlich, wenn man so viel Geld in die Hand nimmt, muss man auch mitreden können, beispielsweise dass es keine Verschlechterung der arbeitsrechtlichen Bedingungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geben darf. Ich sage das deshalb, weil ein anderes Luftfahrtunternehmen ja zurzeit in den Schlagzeilen steht. Ryanair und Laudamotion zeigen uns jetzt vor, wie Arbeitnehmer ausgebeutet werden, zeigen vor, wie Arbeitnehmer eingeschüchtert werden und wie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gefügig gemacht werden.


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Kolleginnen und Kollegen, das ist eine Vorgangsweise, die wirklich - - (Abg. Vogl: Sauerei!) – Es ist eine Sauerei, jawohl! Es ist eine Sauerei, was dort passiert. Das sind sklavenähnliche Zustände, die dort ablaufen, die ganz perfide, die schändlich sind. Die armen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die davon betroffen sind, wissen sich ja in Wirklichkeit überhaupt nicht mehr zu helfen. Es ist wirklich unappetitlich, wie da die Dis­kussionen geführt werden und was die Arbeitgeber machen.

Wenn man im Krankenstand war, dann muss man dort antreten und wird runtergemacht, wenn man das Glück hat und nicht hinausgeschmissen wird. Wenn man die Ziele im Verkauf – in der Kabine, wo die Damen und Herren etwas verkaufen müssen – nicht erreicht, steht man ebenfalls vor dem Kadi. Das sind also Zustände, die atemberaubend sind, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben in den letzten Wochen mitbekommen, dass Laudamotion einen Kollektivver­trag kreiert hat, einen Kollektivvertrag für Flugbegleiterinnen und Flugbegleiter (Zwi­schenruf des Abg. Haubner), mit dem die Damen und Herren sage und schreibe 1 000 Euro brutto verdienen würden – 1 000 Euro brutto für ausgebildete Kräfte, Kolle­ginnen und Kollegen! Es gibt in der Elektroindustrie im ersten Lehrjahr 900 Euro als Lehrlingsentschädigung, bei McDonald’s kriegt der Lehrling im ersten Lehrjahr 830 Euro, der Maurer verdient im ersten Lehrjahr 1 000 Euro und der Hilfsarbeiter in der Metallin­dustrie verdient 2 000 Euro.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese 1 000 Euro brutto für die Flugbegleiterinnen und Flugbegleiter in diesem Kollektivvertrag zeugen in Wirklichkeit von Respektlosigkeit und sind eine Provokation! (Beifall bei der SPÖ.)

Mich regt das deshalb so auf, liebe Kolleginnen und Kollegen (Zwischenruf des Abg. Hörl), weil das kein Unternehmen ist, das am Hungertuch nagt. Das ist ein Unterneh­men, das Milliardengewinne macht. Wenn man sich den Geschäftsführer anschaut, wie er sich bedient – 99 Millionen Euro hat er sich im letzten Jahr selbst zu seiner Gage von, ich glaube, 3,6 Millionen Euro ausbezahlt –, dann ist das absolut nicht in Ordnung, wie da die Menschen behandelt werden. (Abg. Hörl: ... Gewerkschaft!)

Natürlich kann die Gewerkschaft hier nicht zustimmen. Die Gewerkschaft kann solch einem Kollektivvertrag nicht zustimmen, auch wenn immer versucht wird, mit Erpressun­gen zu arbeiten. Ich habe mitbekommen, dass jetzt wieder ein Ultimatum gesetzt worden ist: Bis morgen soll die Gewerkschaft unterschreiben, dann würde der Standort nicht geschlossen werden. All das ist doch Larifari, meine Damen und Herren. (Zwischenruf des Abg. Hörl.) Die wollen sich mit Laudamotion aus Österreich verabschieden und die werden es dann mit ihren eigenen Fliegern von Ryanair machen.

Noch einen Satz, bevor ich wirklich fertig bin: Was mich wirklich auch ärgert und was wirklich nicht okay ist – jetzt ist leider Generalsekretär Kopf nicht im Saal, aber, Kollege Peter Haubner, vielleicht nimmst du das heute für den Generalsekretär mit –, ist, dass die Wirtschaftskammer diesen Kollektivvertrag unterschrieben hat. Warum hat sie einen Kollektivvertrag unterschrieben, nach dem Flugbegleiter mit einem niedrigeren Betrag bezahlt werden, als die Mindestsicherung in Österreich ausmacht?

Ich weiß, man kann die Vergangenheit nicht wieder aufleben lassen, aber Kollege Wurm hat vorhin Kollegen Leitl erwähnt. Ehrlich gesagt hätte das keiner dieser Präsidenten – weder Präsident Sallinger noch Präsident Leitl (Abg. Prinz: Der Maderthaner war auch noch dazwischen!) – in irgendeiner Form durchgehen lassen. Es ist wirklich eine Schan­de, dass die Wirtschaftskammer so einen Kollektivvertrag unterschrieben hat! (Beifall bei der SPÖ.)

15.30


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Becher. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 421

15.30.31

Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte zum Schluss dieses Unterkapitels noch einen für mich politisch sehr wichtigen Bereich ansprechen, der aber auch ein sehr wichtiger Impuls für die Wirtschaft ist: Das ist die thermische Sanierung. Im Unterkapitel Wirtschaft sind für die thermische Sanierung keine Mittel mehr vorgesehen. 2018 waren es noch 43 Millionen Euro. (Abg. Haubner: Das haben wir heute schon gehabt!) – Das haben wir gehabt, aber jetzt fehlt es genau in diesem Bereich, denn dort gehört es aus meiner Sicht hin. Ich kann Ihnen auch genau sagen, warum: Die thermische Sanierung ist ein wesent­licher Wirtschaftsfaktor. Wenn man 1 Million Euro in die thermische Sanierung investiert, sichert man Vollzeitjobs für 23 Menschen. (Beifall bei der SPÖ.)

Unter der SPÖ-Kanzlerschaft wurden zuletzt 1,5 Prozent aller Haushalte – das waren 27 000 Gebäude – thermisch saniert. Damit sind 62 600 Vollzeitjobs gesichert worden. Das ist doch eine enorme Zahl. Die Mittel für die thermische Sanierung sind in den Um­weltbereich gewandert und dort sind jetzt 103,7 Millionen Euro dafür vorgesehen. Der politisch akkordierte Zusagerahmen sind 142 Millionen Euro. Das ist aber tatsächlich quantitativ nicht wirklich mehr, als es ursprünglich war, denn es gibt einen neuen För­derschwerpunkt, nämlich das Ersetzen von alten Heizungen. Sie nennen das Raus-aus-dem-Öl-Bonus.

Das ist natürlich ökologisch sehr sinnvoll und ein wichtiger Bereich, würde aber einen eigenen Fördertopf benötigen, denn ein Großteil dieser Fördersumme, nämlich 100 Mil­lionen Euro, geht für diesen Raus-aus-dem-Öl-Bonus auf. Für die tatsächliche Sanierung bleiben nur mehr 42 Millionen Euro. Da hat sich nicht wirklich etwas verbessert. Mit Wär­medämmung der Häuser hat dieser Bereich tatsächlich nicht viel zu tun.

Es werden ganz intensiv Einfamilienhäuser gefördert. Das ist genau das Gegenteil von dem, was Sie im Regierungsprogramm geschrieben haben, denn dort bekennen Sie sich zum mehrgeschossigen Wohnbau, und dazu, dass die Versiegelung der Natur- und Ackerflächen verlangsamt wird. Dafür müsste man mehr in den mehrgeschossigen Wohn­bau investieren. Das heißt, Türkis-Grün macht das Wohnen auf der grünen Wiese und im Speckgürtel attraktiver, was an sich eine falsche Priorität ist, der Umwelt schadet und das Wohnen in Österreich teurer macht. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Rechnung für die tatsächliche thermische Sanierung geht nicht auf. Es ist zu wenig für die Umwelt, aber auch zu wenig für die Wirtschaft. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

15.33


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Es liegen dazu keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Die Beratungen zu diesem Themenbereich werden daher beendet.

15.33.48UG 42: Landwirtschaft, Regionen und Tourismus


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur Untergliederung 42: Landwirt­schaft, Regionen und Tourismus.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Ecker. – Bitte.


15.34.12

Abgeordnete Cornelia Ecker (SPÖ): Herr Präsident! Frauen Ministerinnen! Gestatten Sie mir am Beginn meiner Ausführungen, mich bei den heimischen Landwirtinnen und Landwirten zu bedanken. Sie sorgen nicht erst seit der Coronakrise dafür, dass unsere Tische gedeckt sind, dass unsere Vorratskammern gefüllt sind, und sind auch der Garant für einen sehr hohen Selbstversorgungsgrad mit heimischen Lebensmitteln. – Vielen Dank dafür!


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Meine sehr geehrten Damen und Herren, ein Budget ist der in Zahlen gegossene politi­sche Wille. Es ist genau dieser Wille, mit dem Investitionen ermöglicht und Unterstüt­zungen in dieser besonders schwierigen Situation gewährt werden. So wird die Weiter­entwicklung unseres Landes sichergestellt. Doch der vorliegende Budgetentwurf macht eines deutlich, nämlich was diese Regierung wirklich möchte: einen Freibrief für Milliar­den an Steuergeldern, welche dann ohne jegliche parlamentarische Kontrolle vergeben werden können. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Dieser Wille zeigt sich bei den bereits bestehenden Coronahilfspaketen. Bis heute wis­sen wir im Hohen Haus nicht, wer aller wie viel Förderung bekommt, auf welcher Grund­lage die Förderungen bezogen werden. Das kann einfach nicht im Sinne der Regierung sein und ist total intransparent. Eines kann ich Ihnen sicher sagen: Bei den Unternehme­rinnen und Unternehmern, bei den Landwirtinnen und Landwirten ist von der Coronahilfe bis dato sehr, sehr wenig angekommen.

Meine sehr geehrten Damen von der Bundesregierung, gehen Sie hinaus und fragen Sie die Menschen! Leider sind erst 1,5 Prozent der Coronahilfen angekommen. Ich möchte Ihnen ausgehend von vielen Gesprächen, die ich geführt habe, ein Bild davon zeichnen, wie sich die Bäuerinnen und Bauern, wie sich die Unternehmerinnen und Unternehmer fühlen: Stellen Sie sich einen See vor und stellen Sie sich einen Menschen vor, der darin ums Leben kämpft und ertrinkt. Am Ufer steht die Regierung und meint: Wir zahlen euch doch eh bald einen Schwimmkurs! – Genau so fühlen sich die Menschen! (Beifall bei der SPÖ.)

Nun aber zum Verhandlungsgegenstand, zum Budgetentwurf für den Bereich der Land- und Forstwirtschaft: Unsere heimischen Bäuerinnen und Bauern haben aufgrund der Coronakrise Einbußen erlitten. Sie müssen ihre Erzeugnisse teilweise zu Dumpingprei­sen verkaufen, der Rindermarkt ist eingebrochen, wichtige Abnehmerinnen und Abneh­mer sind abhandengekommen, und die Regelung für die Erntehelferinnen und Ernte­helfer ist leider viel zu spät umgesetzt worden. Hinzu kommt, dass der Klimawandel Fel­der vertrocknen lässt und die extremen Wetterschwankungen ganze Ernten vernichtet haben. Als Landwirtschaftssprecherin meiner Fraktion kann ich dazu ganz klar sagen: Die heimischen Landwirtinnen und Landwirte brauchen ganz dringend rasche Hilfe. (Bei­fall bei der SPÖ.)

Doch der von der Bundesregierung vorgelegte Budgetentwurf zeigt deutlich ihren echten Willen. Darin ist nichts davon zu sehen, dass man diesen Menschen unter die Arme greift. Die Zahlen im Budgetentwurf sind veraltet, verfassungswidrig. Gestern kam unser Vorwurf: Das Budget ist verfassungswidrig. – Heute ist Finanzminister Blümel Gott sei Dank zurückgerudert. Die Aussagen und Maßnahmen zum geplanten Vorhaben sind unkorrekt, und in jedem vierten Satz wird – Bezug nehmend auf die Coronakrise – ein­dringlich darauf hingewiesen, dass das alles nur Richtwerte sind. Ich sage Ihnen eines, geschätzte Bundesregierung: Wäre die Erstellung dieses Budgets eine Maturaaufgabe oder ein Schulfach, könnten Sie jetzt mit Nicht genügend den Saal verlassen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich frage Sie hier und heute: Kann die Aussage – und ich zitiere –, der Budgetvoran­schlag 2020 sei vor Ausbruch der Coronakrise erstellt worden, dementsprechend seien in UG 42 keine durch Covid-19 bedingten Kosten veranschlagt, einen einzigen Betrieb retten? – Ich meine nicht.

Kann die Aussage, der Zeitpunkt für die Planung und Umsetzung hänge von der Ent­wicklung der Coronakrise ab, einen einzigen Wachauer Marillenbauern retten, der durch den überraschenden Frosteinbruch im April die ganze Ernte verloren hat? – Nein, kann sie nicht! (Abg. Schmuckenschlager: Das kann man nicht versichern!)

Wir benötigen jetzt mehr denn je ein Budget, das ein klares Bekenntnis zur heimischen Landwirtschaft darstellt, vor allem für die Bäuerinnen und Bauern mit kleinen und


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mittleren Betrieben. Es braucht eine verstärkte Investition, um die Versorgung mit Le­bensmitteln sicherzustellen, denn die Hamsterkäufe zu Beginn der Krise haben uns ganz klar gezeigt, dass uns dieses Thema noch beschäftigen wird.

Wo sind die Geldmittel für die Reduktion von Pestiziden in der Landwirtschaft? Das frage ich die grüne Fraktion: Wo steht ihr in dieser Frage? – Wir wollen kein Gift auf unseren Wiesen und Äckern, das ist doch auch euer Ansinnen. Wo steht ihr in dieser Frage? (Beifall bei der SPÖ.) Es braucht gut gefüllte Fördertöpfe, um den Umstieg auf alternative Möglichkeiten attraktiv zu gestalten.

Die Krise hat auch eine erfreuliche Veränderung gebracht, denn viele Menschen, viele Bürgerinnen und Bürger in diesem Land wollen regionale Produkte auf den Tellern. Da­mit wir die Implementierung einer echten Lebensmittelkennzeichnung umsetzen können, braucht es Geldmittel, denn die Menschen wollen wissen, was auf ihren Tellern landet und wo es herkommt.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, ein Budget zu beschließen ist eine der wichtigsten und zentralsten Aufgaben, die wir als Abgeordnete hier im Hohen Haus erfüllen sollten, deshalb müssen wir mehr Selbstbewusstsein zeigen und uns wehren, wenn uns die Re­gierung falsche oder keine richtigen Zahlen vorlegt. Mein Appell zum Abschluss lautet daher: Schicken wir diesen Zahlenfriedhof zurück und stimmen wir selbstbewusst ge­gen diesen Budgetentwurf! (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der FPÖ sowie der Abg. Doppelbauer.)

15.40


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Himmel­bauer. – Bitte.


15.40.24

Abgeordnete Eva-Maria Himmelbauer, BSc (ÖVP): Herr Präsident! Werte Frau Mi­nisterin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Bei der Angelobung der neuen Regierung An­fang dieses Jahres gab es vor allem betreffend die Ministerienzuteilung etwas, das mich besonders gefreut hat: die Zuteilung der Breitbandagenden an das Ministerium für Land­wirtschaft, Regionen und Tourismus. Der Ausbau der Breitbandinfrastruktur ist ein Re­gionenthema: Umso ländlicher, dünner besiedelt, umso schwieriger und stockender ist der Breitbandausbau, und umso städtischer, umso besser der Wettbewerb und die Be­dingungen für Betreiber, für Anbieter, zu investieren. Die Breitbandagenden sind daher im Ministerium für Regionen gut aufgehoben, um gleichwertige Lebensbedingungen in Stadt und Land zu schaffen. – Ein Danke schon jetzt für die gute Zusammenarbeit, die seit Anfang des Jahres besteht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Die Coronakrise mit dem Mehr an Homeoffice, Distancelearning, Videostreaming hat gezeigt, dass wir in Österreich ein stabiles Netz haben; dennoch muss gesagt werden, es gibt immer noch weiße Flecken und Orte, die eine schwache Bandbreite haben, an denen Onlineaktivitäten nur mit sehr viel Geduld oder mit zeitlicher Beschränkung mög­lich sind. Wenn wir an die zukünftigen Entwicklungen denken – IOT, Smartliving, Video­streaming et cetera – oder auch den wünschenswerten Gedanken haben, dass vieles, das wir jetzt in der Krise eingesetzt und umgesetzt haben, auch in Zukunft erhalten bleibt, beispielsweise Teleworking, Homeoffice, dann ist klar: Wir müssen, wenn es um die Breitbandinfrastruktur geht, auch in die ländlichen Regionen investieren.

Als Regierungspartei haben wir uns das Ziel gesetzt, die bereits bestehenden Förde­rungen fortzusetzen. So wurde bereits letzten Sommer die Breitbandstrategie 2030 prä­sentiert, die auch eine Richtschnur für die kommenden Jahre ab 2021 ist, wenn es um Förderungen von Breitbandausbau geht. Wir wollen natürlich auch Einnahmen aus Fre­quenzauktionen für den Infrastrukturausbau nutzen, einnahmenseitig sind da einmal 400 Millionen Euro budgetiert. Wir werden natürlich erst am Ende des Tages wissen, wie


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viel bei der Auktion herauskommt, aber es ist heute schon klar, dass wir diese Millionen wiederum in die Infrastruktur investieren werden, gemeinsam mit der schon vorhande­nen Milliarde, die aus einer anderen Auktion stammt.

Jetzt werden Kritiker fragen: Okay, wo bildet sich das im Budget ab? Einnahmenseitig gibt es die Auktion, aber wo ist ausgabenseitig die Investition in die Infrastruktur? – Dazu darf ich gerne ausführen: In Österreich ist die Forschungsförderungsgesellschaft für die Breitbandförderung zuständig, dementsprechend sind auch die Mittel gebunden. Sie ver­fügt über die Liquidität, über die Mittel und natürlich vergibt sie diese auch, deswegen sind sie im Budget jetzt auch nicht in diesem Ausmaß ersichtlich. Man sieht aber auch, erst im März sind 150 Millionen Euro für den Ausbau in rund 300 Gemeinden investiert worden; das ist also eine gute Zielsetzung.

Gemeinsam mit der Förderung ist aber auch der zweite Teil ein ganz wichtiger, dem werden wir uns 2020 widmen: Das ist die rechtliche Grundlage. Wir werden Erleichte­rungen für die Infrastrukturerrichtung schaffen und die Zusammenarbeit auf verschiede­nen Ebenen – zwischen Bund, Land, Gemeinden und der Betreiberseite – stärken und fördern. Unabhängig davon, ob Glasfaser oder 5G, wir werden auch in Zukunft investie­ren – für eine gute Zukunft, Infrastruktur in unseren Regionen, am Land genauso wie in der Stadt. Ich glaube, da sind Investitionen gut aufgehoben. – Danke schön, Frau Minis­ter. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

15.44


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schmiedlech­ner. – Bitte.


15.44.33

Abgeordneter Peter Schmiedlechner (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bun­desministerin! Budget Landwirtschaft: Wir stehen hier und verteilen Geld, nur leider kommt bei den bäuerlichen Familienbetrieben sehr wenig an. Ländliche Entwicklung 814 Millionen Euro; Marktordnung, Direktzahlungen 674 Millionen Euro; Schutz vor Na­turgefahren 250 Millionen Euro; land- und forstwirtschaftliches Schulwesen 173 Millio­nen Euro; Tourismus 56 Millionen Euro; Breitbandausbau 44 Millionen Euro. – So viel zu den aktuellen Zahlen.

Wir haben ja aktuell gehört, dass das EU-Agrarbudget gekürzt werden wird. Ich hoffe, Frau Minister, Sie bleiben bei Ihrem Versprechen, dass es für die österreichischen bäu­erlichen Familienbetriebe zu keinen Kürzungen kommt. Wir sollten gerade heute – es wurde schon oft über die Coronakrise gesprochen – nicht vergessen, wer die stillen Hel­den in dieser Krise waren. Es waren nicht die Lebensmittelketten, es war nicht die verar­beitende Industrie, die trotz der Bedrängnis der Bauern anstatt auf heimische Lieferanten zu setzen und diese zu stützen noch fleißig Waren aus dem Ausland importiert haben. Nein, die wahren Helden dieser Krise waren die Bäuerinnen und Bauern. Sie sind es, die trotz Unsicherheiten weiterhin am Feld, im Stall, im Wald und am Acker gewesen sind, sie haben die Versorgung mit regionalen Lebensmitteln aufrechterhalten, sie sind die Sicherheitsinseln, die wir auch zukünftig brauchen, um Krisen zu bewältigen – und das trotz Widrigkeiten, trotz Auflagen, trotz Richtlinien.

Die Krise – Kollegin Ecker hat es bereits angesprochen – hat die Situation in der Land­wirtschaft noch weiter verschärft. Rindfleisch- und Schweinefleischpreise sind abge­stürzt, der Milchpreis ist unter Druck, Zuchtviehverkäufe sind praktisch unmöglich gewor­den, der Tourismus als wichtiger Partner, die Hotellerie und die Gastronomie sind weg­gefallen, die Holzpreise sind im Keller. Das Bauernsterben schreitet voran und die bishe­rigen Maßnahmen der ÖVP haben keine Trendwende eingeleitet. (Zwischenruf des Abg. Zanger.) Die Bauern stehen mit dem Rücken zur Wand.


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Was machen eigentlich die 18 Bauernbundabgeordneten? – Außer Ankündigungen und Selbstinszenierung nicht viel. Ein Beispiel ist folgende Ankündigung: Mehr Fairness für landwirtschaftliche Erzeuger! – Die Bauern haben bisher nichts von mehr Fairness ge­spürt. Regionalitätsgipfel: Vertreter von Lebensmittelhandel, Landwirtschaftskammer, Wirtschaftskammer und Handelsverband wurden von Ihnen eingeladen, um die Bauern zu stützen. – Drei Tage später hat der Handel mit einer Schleuderpreisaktion für auslän­dische Butter auf Ihren Gipfel geantwortet.

„Koste es, was es wolle“: Die Situation auf den Bauernhöfen ist dramatisch. Entlastungs­maßnahmen für die Landwirtschaft sind dringend notwendig – leider ist in diesem Budget davon nicht viel zu sehen. Es muss etwas unternommen werden. Unsere Regierung lässt unsere Bauern im Stich, die Landwirtschaft muss neu gedacht werden. Die regio­nale Produktion muss ausgebaut werden, damit die Selbstversorgung nicht nur in Krisen­zeiten sichergestellt wird. Wir sehen trotz Coronakrise keine großen Veränderungen zugunsten der Landwirtschaft. – Da hätte ich mir mehr erwartet, mehr Anerkennung und mehr Zukunftsvisionen.

Frau Minister, aus diesem Grund möchte ich als erste Entlastungsmaßnahme für die Bauern und Bäuerinnen einen Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ausset­zen der Agrarmarketingbeiträge zur Entlastung der heimischen Landwirte“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzu­leiten, die sicherstellt, dass für die Dauer der COVID-19 Krise von der Einhebung von Beiträgen gemäß § 21c AMA-Gesetz 1992 Abstand genommen wird.“

*****

(Beifall bei der FPÖ.)

15.49

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Peter Schmiedlechner

und weiterer Abgeordneter

betreffend Aussetzen der Agrarmarketingbeiträge zur Entlastung der heimischen Land­wirte

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 7: Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (55 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvor­anschlages für das Jahr 2020 (Bundesfinanzgesetz 2020 – BFG 2020) samt Anla­gen (183 d.B.) – UG 42 in der 32. Sitzung des Nationalrates am 27. Mai 2020

Die Agrarmarkt Austria finanziert sich durch die im AMA-Gesetz geregelten Agrarmarke­tingbeiträge, die von der AMA eingehoben und an die AMA-Marketing weitergeleitet werden.

Die AMA hebt diese Agrarmarketingbeiträge nach einem festgelegten Schlüssel pro Pro­dukt- oder Flächeneinheit über Schlachthöfe, Molkereien etc. von den Produzenten ein.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 426

Die österreichischen Landwirte liefern auf diese Weise jährlich rund 24 Mio Euro an Bei­trägen an die AMA ab.

Gerade in Zeiten der COVID-19 Krise sind auch die Landwirte großen Belastungen aus­gesetzt, und daher ist es aus Sicht der unterfertigten Abgeordneten im Interesse der Entlastung der heimischen Landwirte ein Gebot der Stunde, für den Zeitraum der Aus­wirkungen von COVID-19 auf die Einhebung der Agrarmarketingbeiträge zu verzichten.

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzu­leiten, die sicherstellt, dass für die Dauer der COVID-19 Krise von der Einhebung von Beiträgen gemäß § 21c AMA-Gesetz 1992 Abstand genommen wird.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht somit in Verhandlung. (Zwischenruf des Abg. Zanger.)

Zu Wort gelangt Abgeordneter Stammler. – Bitte.


15.50.05

Abgeordneter Clemens Stammler (Grüne): Herr Präsident! Werte Ministerin! Ge­schätzte Kollegen und Kolleginnen! Liebe ZuseherInnen vor den Bildschirmen! Shut­down – Krisenzeiten haben ja auch so manch Gutes, wenn auch nicht auf den ersten Blick, aber sie legen Probleme frei und sie zeigen uns sehr deutlich, was wirklich wichtig ist.

Als Agrarpolitiker und Bauer habe ich mich in den letzten Jahren sehr oft sehr schwer­getan, einem Konsumenten, einer Konsumentin klarzumachen, wie wichtig die Landwirt­schaft in Österreich ist, weil es schwer ist, klarzumachen, wie wichtig die Ernährungssou­veränität eines Landes ist, wenn die Supermarktregale voll sind, und zwar zum Bersten voll. Das waren sie zwar auch in der Krise – bis auf das Klopapier –, aber dennoch hat sich das Bewusstsein in der Bevölkerung geändert und es ist sehr wohl klargeworden, wie wichtig und wie wertvoll regionale Ernährung in einer Krise ist. Genauso hat man das bei Pflegeberufen gemerkt. Das heißt, in einer Krise zeigen sich dann die Grundbe­dürfnisse schon sehr deutlich und diese Grundbedürfnisse werden ganz anders wahrge­nommen und gespürt.

Die europäische Landwirtschaft steckt aber nicht nur in einer Coronakrise, sie kämpft auch mit einer Klimakrise und seit Jahren mit einer Überlastungskrise. Im täglichen Kampf rund um den Strukturwandel wurde von den meisten Bäuerinnen und Bauern die Flucht nach vorne ergriffen und es wurden pro Generation der Stall, der Viehbestand, teilweise zwei Mal verdoppelt. Wie aussichtslos das ist, möchte ich anhand einer Zahl zeigen: Belgiens größter Schweinemäster mästet so viele Schweine wie die gesamte Steiermark zusammen.

Das heißt, Österreichs Weg kann niemals der Ausbau, die Massenproduktion sein, son­dern Österreichs Weg kann nur in der Qualitätsproduktion liegen. Die Landwirtschaft ist ja um einiges mehr als nur das Herstellen von Kalorien. Wir sollen dafür sorgen, dass es in 100 Jahren auch noch eine Welt gibt, in der wir Menschen ernähren können, in der es


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Böden gibt, die noch CO2 speichern können – und wir sehen gerade, wie uns die Wälder wegsterben, die als CO2‑Speicher dienen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Laut Grünem Bericht beträgt der Stundenlohn für viele tierhaltende Betriebe circa 5 Euro in der Stunde. Wen wundert es, dass in Europa das Alter von mehr als der Hälfte der Betriebsführerinnen und Betriebsführer in der Landwirtschaft über dem Pensionsalter liegt? In Österreich ist es um einiges besser, bei uns ist es gerade einmal ein knappes Viertel – also so zu tun, als wären wir in Österreich so schlecht, stimmt auch nicht ganz.

Ich glaube aber, was man sich viel mehr überlegen soll, ist: Wohin führt das? Wer die Agrarwelt ein bisschen beobachtet, der merkt, dass der Finanzmarkt nicht nur in Europa, sondern in der ganzen Welt, aber auch in Österreich, Fläche kauft. Bäuerliche Fläche wird als Geldanlage gekauft. Das merkt man oft gar nicht, weil sie von den bäuerlichen Familien weiterbewirtschaftet wird, aber nicht mehr als Eigengrund, sondern als Pacht­grund.

Gleichzeitig macht sich eine Landwirtschaft 4.0, die Digitalisierung ganz breit. Bereits jetzt werden von Bayer, von Google, von Amazon Unmengen von Daten gesammelt, und diese Daten werden gespeichert und gehören diesen Firmen. Einer älter werdenden Landwirtschaft kann man also auch begegnen, indem man sie industrialisiert, indem man sie mehr oder weniger von Robotik und GPS bewirtschaften lässt. Das funktioniert in Gunstlagen, nicht in Berglagen. Den alten Klassenkampf, den auch die SPÖ immer ganz gerne spielt, die Arbeiterklasse gegen die Bauernklasse, gibt es schon lange nicht mehr; das ist eine Geschichte des vorigen Jahrtausends. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Viel mehr sollte man sich überlegen, ob man wirklich solche Angst vor den Bauern hat, denn wohin gehen Lebensmittelpreise, wenn die Lebensmittelproduktion in der Hand von einzelnen Konzernen liegt, wenn wir von wenigen Konzernen namens Google, na­mens Bayer, namens Amazon abhängig sind? Es geht wie gesagt nicht nur um die Kalorienherstellung, sondern es geht um Biodiversität, um Tierwohl, um Humusaufbau, um die Bewirtschaftung unserer Berggebiete.

Es ist ganz klar, dass wir auch nach der Coronakrise in der Landwirtschaft eine Unter­stützung brauchen. Ein erster Schritt dazu wäre – und darum ersuche ich auch die Frau Bundesminister –, sich in Brüssel dafür einzusetzen, dass die 1,42 Prozent des Krisen­hilfsfonds der ersten Säule in der GAP an die Bäuerinnen und Bauern ausgeschüttet werden, denn wann sollen die Mittel eines Krisenhilfsfonds ausgeschüttet werden wenn nicht in einer der größten Krisen dieses Jahrhunderts? – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

15.55


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Doppelbauer. – Bitte.


15.56.11

Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Herr Präsident! Frau Bundes­minister! Hohes Haus! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ja, grundsätzlich gilt für die­ses Budget das Gleiche wie für das gesamte Budget, auch das Landwirtschaftsbudget ist natürlich veraltet. Wir haben uns diese Woche ja schon darüber unterhalten, dass wir über alte Zahlen diskutieren, und ich höre inzwischen durchaus, dass sich auch die Ab­geordneten von der ÖVP und von den Grünen jetzt schon sehr darüber ärgern. Heute haben wir auch noch gehört, dass das wahrscheinlich verfassungswidrig ist – aber wie gesagt, das ist jetzt nicht das Thema. (Zwischenruf des Abg. Obernosterer. – Ruf: ... nicht so wichtig!) Es ist ein falsches Budget, aber lassen Sie uns trotzdem drüber reden, was die Frau Bundesminister geplant hat, bevor es zu dieser Coronakrise gekommen ist.


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Ich möchte da aber durchaus noch kurz eine Analyse der derzeitigen Situation in der Landwirtschaft machen, weil es im Augenblick wirklich dramatisch ist: Die Betriebe leiden massiv unter dem Einbruch des Absatzes, vor allem in der Gastronomie. Sie stehen einem übermächtigen Handel gegenüber, der die Preise diktiert. Es gibt eine AMA-Mar­keting, die sich de facto um nichts kümmert, außer dass sie hübsche Werbevideos dreht, sie sieht aber tatenlos zu, wenn es um den übermächtigen Handel geht; noch dazu wer­den auch private wirtschaftliche, landwirtschaftliche Initiativen kaputtgemacht. Damit be­schäftigt man sich mehr als mit allem anderen, wichtige Gelder werden versenkt, siehe Netzwerk Kulinarik; auch da ist man nach wie vor nicht wirklich auf die Beine gekommen, wie die Beantwortung unserer letzten Anfrage sehr deutlich zeigt. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Vogl.)

Die Forstwirtschaft kann nicht mehr exportieren, es liegt so viel Schadholz im Wald, dass es nicht einmal mehr abgeholt werden kann. Die Preise sind im Keller, die Betriebe kön­nen sich das nicht mehr leisten. Und ja, die Klimakrise ist bei den Bäuerinnen und Bauern natürlich massiv angekommen: Trockenheit, Stürme, Schädlinge, Ernteausfälle – das ist die Realität.

Erstaunlich ist eben, dass diese Umstände im Budget 2020 nicht wirklich abgebildet sind. Es gibt zwar kleine Schritte in die richtige Richtung und es gibt auch Rädchen, an denen gedreht wird, aber das wird nicht reichen. Eines ist auch ganz klar: Es kann einfach nicht die Lösung sein, dass man immer mehr Geld für Förderungen in die Hand nimmt, diese Förderungen den Landwirten oder den Institutionen zugutekommen lässt und damit – überspitzt gesagt – dafür sorgen will, dass hier in Österreich – wir sind nach wie vor in Österreich – zu Weltmarktpreisen produziert wird und das dann teilweise auch noch in den Export geschickt wird. (Beifall des Abg. Schmiedlechner.)

Es kann auch nicht die Lösung sein, dass die Regionalität die österreichische Landwirt­schaft rettet; das ist auch klar. Trotz der vielen Privilegien, die für die Landwirtschaft geschaffen worden sind – Sozialversicherung, Pauschalierungen –, sinken die realen Einkommen in der Landwirtschaft. Sie sehen es ja jedes Jahr im Grünen Bericht, es reicht einfach trotzdem nicht aus. Das ist das Problem, darüber müssen wir reden, und wir müssen wirklich die Landwirtschaft neu erfinden, um sie eben in eine positive Zukunft führen zu können.

Lassen Sie mich auch etwas Positives sagen: Wir müssen darüber reden, wir müssen ins Handeln kommen, wir müssen ins Tun kommen, was ich aber positiv vermerken möchte, ist, dass wir im Landwirtschaftsausschuss eine sehr konstruktive Stimmung ha­ben. Das heißt, da gibt es wirklich ein Gesprächsklima, in dem man durchaus auch mit­einander reden und diskutieren kann. So gelingt es uns immer wieder, dass wir gemein­same Anträge, die von uns, von der Opposition kommen, abstimmen. Am Freitag sollen zwei davon, die aus unserer Hand sind, mit kleinen Änderungen gemeinsam beschlos­sen werden. Das heißt, es ist möglich, auch über die Parteigrenzen hinweg etwas zu tun, und deswegen würde ich mich eben freuen, wenn wir vermehrt weitere solche Schritte gehen können.

Sie müssen halt verstehen, dass ich als Landwirtschaftssprecherin von NEOS da natür­lich sehr ungeduldig bin. Es muss da sehr viel mehr passieren, und deswegen ist es auch besonders schade – wenn man sich den Bereich ansieht, stellt man das fest –, dass auch da zu wenige budgetäre Mittel vorgesehen worden sind, obwohl Sie sich in Ihrem Regierungsprogramm dahin gehend verpflichtet haben. Ein ganz, ganz wichtiger Bereich ist für uns zum Beispiel die Grundlagenforschung zur Ressourcenverfügbarkeit und deren ökologische Funktionen, beispielsweise Boden- oder Biodiversität. Ich weiß, Sie haben im Ausschuss gesagt: Das wurde ja ins Umweltministerium zu Frau Ge­wessler verschoben! Es ist nur auch dort budgetär leider nicht abgebildet. Für den Bereich Forschung und Entwicklung betreffend alternative Pflanzenschutzmittel und


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Pflanzenschutzstoffe gibt es jetzt zwar ein Budget, aber das ist relativ niedrig und wird der Ages einfach nicht ausreichen, um da wirklich Schritte nach vorne zu machen.

Zum Schluss möchte ich als Sprecherin für regionale Entwicklung noch ein Wort zum Thema Telekommunikation und Breitbandausbau sagen – auch darüber haben wir uns ja in der letzten Ausschusssitzung unterhalten. Ja, es ist positiv, dass mehr Mittel zur Verfügung gestellt werden, aber es ist schon interessant: Recherchiert man noch ein bisschen weiter, sieht man, dass Österreich im Glasfaserausbau wirklich das Schluss­licht in Europa ist. Es gibt gerade heute im „Standard“ einen Artikel dazu, der das ganz, ganz gut erklärt.

Das Hauptproblem – Sie (in Richtung Bundesministerin Köstinger) haben es ja auch sel­ber gesagt – ist ja nicht, dass die Gelder nicht da sind; sie wurden ja nicht einmal ab­geholt. Das heißt, es gibt da wirklich ein Strukturproblem, das man lösen muss, und Ihr Haus, denke ich, ist auch gefordert, eben diesen überregionalen Plan zu produzieren, damit nicht jede Gemeinde klein-klein ihren eigenen Plan baut und dann letztendlich nicht weiterkommt. Das ist viel zu teuer, das ist ineffizient – darauf hat der Rechnungshof schon 2018 hingewiesen –, und am Ende des Tages ist es auch für den Standort fatal, denn es geht uns ja darum, dass wir gerade den ländlichen Standort ausbauen. – Herz­lichen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

16.01


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesministerin Kös­tinger. – Sie haben das Wort.


16.02.04

Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus Elisabeth Köstinger: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete! Die vergan­genen Wochen und Monate waren für uns alle wirklich eine enorme Herausforderung, und ich glaube, wir haben die Worte kritische Infrastruktur, Versorgungssicherheit und Systemrelevanz noch nie so oft gehört wie in den letzten Wochen und Monaten. Eines möchte ich deshalb gleich zu Beginn betonen: Die österreichische Landwirtschaft hat in dieser Zeit ihre Krisenfestigkeit und Systemrelevanz eindrucksvoll bewiesen. Zu keinem einzigen Zeitpunkt der Krise musste man sich in Österreich um die Versorgungssicher­heit, vor allem eben auch hinsichtlich Lebensmitteln, Sorgen machen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Unsere Bäuerinnen und Bauern haben jeden Tag weitergearbeitet und -produziert, un­sere landwirtschaftlichen Betriebe haben dafür gesorgt, dass die Österreicherinnen und Österreicher sich keine Sorgen aufgrund von leeren Regalen und leeren Tellern machen müssen. Unsere Landwirtinnen und Landwirte sorgen auch in der Krise für die besten Lebensmittel, und dafür gebührt ihnen ganz besonderer Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Landwirtschaft ist kritische Infrastruktur, das muss uns immer, auch außerhalb der Krise, bewusst sein; deswegen ist der österreichische Weg, die bäuerlichen Familienbetriebe ins Zentrum zu stellen und nicht nur intensive Lebensmittelproduktion zu fördern, son­dern vor allem flächendeckende Landwirtschaft und flächendeckende landwirtschaftliche Produktion ins Zentrum der Agrarpolitik zu rücken, der richtige, und mit diesem Budget werden wir diesen Weg in Österreich weiter fortsetzen.

Mit der Erhöhung der Mittel gegenüber dem Vorjahr im Bundesvoranschlag 2020 ist es gelungen, im Budget für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus wichtige Akzente zu setzen. Es ermöglicht weiterhin die Stärkung des ländlichen Raums, der Regionalpolitik und vor allem auch des Tourismus.

Wir sind ein sehr breit aufgestelltes Ressort, alle wichtigen Agenden betreffend den länd­lichen Raum sind unter einem Dach, und dafür sind heuer Auszahlungen in der Höhe


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von 2,67 Milliarden Euro vorgesehen. In der Landwirtschafts- und Regionalpolitik werden wir wichtige Projekte umsetzen können. Für die ländliche Entwicklung und die Regional­politik stehen 813 Millionen Euro zur Verfügung, die zur Gänze in den ländlichen Raum, seine Infrastruktur und zahlreiche Umweltmaßnahmen fließen werden. Für unsere Land­wirtschaft ist es von sehr großer Bedeutung, dass wir vor allem auch die Direktzahlungen im Umfang von 632 Millionen Euro für unsere bäuerlichen Familienbetriebe sichern kön­nen. Die nationalen Mittel und Beiträge sind voll ausfinanziert und die Kofinanzierung ist damit auch sichergestellt.

Seit Jahren steht die Wald- und Forstwirtschaft in Österreich aufgrund von Trockenheit, Starkwetterereignissen – Stürme, Schneebruch und dergleichen – und jetzt auch auf­grund des Borkenkäferbefalls unter massivem Druck. Es braucht gezielte Unterstützung zur Verbesserung der Situation. Wir werden auch da, vor allem aber auch im Bereich der Forschung und Entwicklung weiter massiv unterstützen. Worum es in letzter Konse­quenz geht: Wir wollen den Forstwirten eine Perspektive bieten, damit sie jetzt wieder mit Auspflanzungsmaßnahmen beginnen, darüber sind wir mit den Bundesländern be­reits intensiv in Kontakt.

Ein weiterer bedeutender Bereich ist der Schutz vor Naturgefahren. Es ist gelungen, das Budget um rund 46 Millionen Euro zu erhöhen, und damit stehen für Wildbach- und Lawi­nenverbauung und auch für den Schutzwasserbau 250 Millionen Euro zur Verfügung. Die Verbesserung des Schutzes von Siedlungsräumen und Infrastruktur kann damit nicht nur fortgesetzt, sondern noch verstärkt werden.

Als starkes Bekenntnis zur Ökologisierung unserer Flüsse und Gewässer haben wir heu­te im Ministerrat beschlossen, dass für gewässerökologische Maßnahmen 200 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden. Wir schaffen damit auch rund 8 500 Arbeitsplätze in regionalen Unternehmen im ganzen Land. (Beifall bei ÖVP und Grünen.) Für Inves­titionen in Wasser- und Abwasserprojekte, die zu den wichtigsten Aufgaben der Gemein­den und Regionen zählen, sind im heurigen Jahr rund 314 Millionen Euro vorgesehen.

Der österreichische Bergbau ist eine wichtige und unverzichtbare Grundlage der indus­triellen Produktion und damit auch sehr bedeutend für uns als Wirtschaftsstandort. Roh- und Grundstoffe tragen zur Generierung von rund einem Viertel des österreichischen Bruttoinlandsproduktes bei. Die Erträge aus der Verwertung von Eigentum des Bundes liefern natürlich auch einen bedeutenden Beitrag zum Bundesvoranschlag.

In zwei weiteren Bereichen wird die Finanzierung sichergestellt: Das betrifft zum einen den Breitbandausbau, der, wie schon angesprochen wurde, vor allem für unsere ländli­chen Regionen unverzichtbar ist, und zum anderen den Zivildienst. Speziell der Zivil­dienst ist auch für unsere Regionen, für unser Gesundheitssystem von ganz besonders großer Bedeutung.

Was Breitbandverbindungen betrifft, sind wir gerade dabei, wieder eine Frequenzauktion abzuhalten, deren Erlöse zweckgewidmet in den weiteren Breitbandausbau fließen sol­len. Da geht es vor allem auch um ähnliche Lebensbedingungen und Möglichkeiten für Stadt und Land.

Der Zivildienst ist eine unverzichtbare Säule in unserem Land; dafür sind Auszahlungen in der Höhe von rund 50 Millionen Euro budgetiert. Wir haben in den letzten Wochen gesehen, welch wichtige strategische Reserve der Zivildienst für unser Gesundheits­system bedeutet. Erstmals in der Zweiten Republik haben wir einen außerordentlichen Zivildienst ausgerufen und sind vor allem aufgrund der wirklich großartigen Leistung unserer Zivildienstleistenden gut durch diese Krise gekommen. – An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön dafür. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Abschließend, meine sehr geehrten Damen und Herren, darf ich den Tourismus anspre­chen, der sich in einer vor allem für unsere Generation noch nie da gewesenen Situation


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befindet. Das Coronavirus hat die Welt und Österreich weiterhin fest im Griff. Vor allem die eingeschränkte Reisefreiheit ist etwas, das der Branche massiv zu schaffen macht. Und auch wenn es zurzeit oft anders erscheinen mag: Wir befinden uns nach wie vor mitten in dieser Krise.

Die Zahl der Neuinfektionen ist zwar vor allem in Österreich weiterhin sehr niedrig – diese Fallzahlen bestätigen vor allem unser Handeln –, aber jetzt wird es wichtig sein, dass wir beim stufenweisen Wiederhochfahren vor allem den Urlaub in Österreich, unse­re österreichische Gastfreundschaft und unsere Familienbetriebe ins Zentrum stellen und dafür Sorge tragen, dass wir gemeinsam mit unseren großartigen Unternehmen im Bereich des Tourismus und im Bereich der Gastronomie über diese wirklich sehr schwie­rige und herausfordernde Zeit kommen.

Der Tourismus ist für uns, was die Wirtschaftsleistung, was die Sicherung von Arbeits­plätzen vor allem im ländlichen Raum betrifft, unverzichtbar. Sein Beitrag zur Wirt­schaftsleistung sind rund 15 Prozent, und wenn man sich die Arbeitslosenzahlen zurzeit anschaut, sieht man, welch unverzichtbare und wichtige Arbeitsplatzfaktoren der Touris­mus und die Gastronomie für Österreich sind. Es ist deswegen wichtig, vor allem da gezielt zu helfen, gezielt zu unterstützen, und auch das werden wir als Bundesregierung mit Ihrer Hilfe, speziell auch hier aus dem Hohen Haus, gestalten können, und wir werden auch das Wiederaufsperren, das Wiederhochfahren gemeinsam zustande brin­gen.

Das Budget für den ländlichen Raum, für die Regionen, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete, ist gesichert. Wir werden wichtige Impulse setzen. Wir werden aber vor allem eben auch die richtigen Weichen stellen und die richtigen Maßnahmen setzen, was das Wiederhochfahren und das Comeback Österreichs in unseren unver­zichtbaren Wirtschafts- und Arbeitsbereichen betrifft. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

16.10


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Strasser. – Bitte.


16.10.51

Abgeordneter Dipl.-Ing. Georg Strasser (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bun­desministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Am Anfang ein paar Gedanken zum Redebeitrag des Kollegen Schmiedlechner: Ich be­danke mich für die Anregungen, auch für die Tonalität. So können wir miteinander reden, das passt! Ich möchte aber daran erinnern, wir waren knapp eineinhalb Jahre gemein­sam in einer Regierung, und die Bauern sind auch bei der FPÖ manchmal an ihre Gren­zen gestoßen, siehe Pflanzenschutz und siehe die Beschlüsse zu den Stalleinbrüchen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.) Bleiben wir also bitte am Boden und versuchen wir, gemeinsam an Lösungen zu arbeiten, weil wir es draußen in der Praxis nicht leicht haben.

Zu Kollegin Doppelbauer: Zuerst einmal Danke schön, NEOS und Grüne, gute Ge­sprächsbasis, gemeinsame Anträge, das geht in die richtige Richtung (Heiterkeit bei Ab­geordneten von SPÖ und FPÖ), aber Kritikreplik: Genau hinschauen bei der Kulinarik Österreich! Das ist mittlerweile ein Reformprojekt. Wenn man googelt: beim Bauern di­rekt einkaufen, dann ist die erste Seite, die angezeigt wird, frischzumir.at, und die war in der Coronakrise eine Goldgrube. (Zwischenruf der Abg. Doppelbauer.) Sie entspringt der Idee und dem Engagement einer ganz hervorragenden Mitarbeiterin, Christina Mu­tenthaler. Ich empfehle ein Briefing. Wir sind mit der Kulinarik Österreich absolut am richtigen Weg. – Danke auch an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)


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Es ist aber trotzdem – da bin ich wieder bei Kollegen Schmiedlechner – die Landwirt­schaft in einer prekären Situation. An der Tonalität und an den Ausführungen der Frau Bundesministerin war das auch abzulesen. Es ist aber trotzdem heute ein Tag, der Grund gibt, Hoffnung zu haben, denn das Budget ist in Ordnung, die Zahlen sind gesi­chert und die Projekte liegen auf dem Tisch (Rufe bei der SPÖ: Guter Witz! Der war gut!) und sind schon in Umsetzung.

Das Hauptproblem, das es aktuell gibt (Zwischenruf bei der SPÖ), sind Preissituationen, die sich aufgrund der Coronakrise verschlechtert haben, und damit in ganz Europa Ein­kommenssituationen, die uns Sorgen bereiten. Aus diesem Grund – europäische Aktivi­täten –: Wir kämpfen um jeden Cent. Das Pflaster in Brüssel ist ein glattes, und wir werden schauen, dass wir aus Brüssel jeden Cent abholen, den es abzuholen gibt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.) Der andere Bereich sind na­tionale Aktivitäten, auch dort das Budget – das habe ich bereits erwähnt –: Es ist gut, dass dort die wesentlichen Punkte drinnen sind und dass im Regierungsprogramm verankert ist, dass es, wenn es in Brüssel etwas knapper abgeht, national ausgeglichen wird; auch auf diese Ansage werden wir in den nächsten Monaten pochen. – Danke für die Unterstützung der gesamten Bundesregierung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der Grünen.)

Es sind ein Steuer- und Abgabenentlastungspaket und ein Forstpaket in Vorbereitung, und auch das brauchen wir dringend. Viel wichtiger aber wird es sein – das möchte ich wieder Peter Schmiedlechner mit auf den Weg geben (Zwischenrufe des Abg. Angerer); von den vielen oppositionellen Zurufen, die wir nun aus anderen Gruppen bekommen ‑, gemeinsam um ordentliche Marktpreise zu kämpfen. (Zwischenruf des Abg. Hauser.) Suchen wir den Dialog mit den Handelsketten! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Es ist ein Projekt der Regierung mit dem Titel Österreich isst regional auf den Weg ge­bracht worden. Der Mehrwert dieses Projektes werden noch mehr bessere Lebensmittel für die Österreicherinnen und Österreicher und mehr Preisstabilität für die österreichi­schen Bäuerinnen und Bauern sein. Dort werden verbindliche Dinge vereinbart. Peter, ich ersuche dich, hilf uns in deinem Umfeld, dass wir da gemeinsam etwas zusammen­bringen! (Zwischenruf des Abg. Lausch. – Heiterkeit bei Abgeordneten der FPÖ.) Es steht viel auf dem Spiel und wir werden da sozusagen für die Österreicherinnen und Österreicher noch viel auf den Weg bringen.

Abschließend: Danke schön an alle Bäuerinnen und Bauern, ihr habt neben vielen an­deren Berufsgruppen in diesem Land während der Coronakrise einen großartigen Job gemacht. Alles Gute! – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

16.15


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Krainer. – Bitte. (Abg. Obernosterer: Aber von der Landwirtschaft versteht der ...!)


16.15.58

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Bundesverfassung gibt es drei grundlegende Regeln für das Budget: Das Budget muss wahr sein, das Budget muss klar sein und es muss transparent sein. Wir fordern den Finanzminister gemeinsam mit den NEOS und mit den Freiheitlichen als Opposition bereits seit Wochen auf, endlich die echten, wahren Zahlen vorzulegen. Wir haben heute auch ein Gutachten präsentiert, das besagt, dass alle drei Verfassungsre­geln, was die Budgeterstellung betrifft, von Herrn Blümel gebrochen werden. – Das ist die schlechte Nachricht.

Die gute Nachricht ist: Ich entnehme der „Wiener Zeitung“ und anderen Medien, dass der Finanzminister endlich nachgibt und endlich bereit ist, die wahren, echten Zahlen auf


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den Tisch zu legen – und das finde ich prinzipiell einmal gut. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von FPÖ und NEOS.) Er hat über die Medien mitgeteilt, es wird ein Abänderungsantrag kommen, es würde einer vorbereitet werden.

Ich darf in diesem Zusammenhang auf einen weiteren schweren handwerklichen Fehler von Finanzminister Blümel aufmerksam machen, und ich würde die Koalitionsparteien wirklich darum ersuchen, in diesem Abänderungsantrag auch diesen schweren Fehler zu beheben. Was ist dieser schwere Fehler? – Im Bundesfinanzgesetz ist geregelt, dass der Finanzminister ein Konto um 28 Milliarden Euro überziehen darf. Da steht auch eine Kontonummer, nämlich 450 206. Dieses Konto darf er für Covid-19-Maßnahmen um 28 Milliarden Euro überziehen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wir haben den gesamten Budgetziegel durchgeschaut, aber dieses Konto gibt es nicht. (Oh-Rufe bei der SPÖ. – Heiterkeit bei Abgeordneten der FPÖ.) Das heißt, der Finanzminister ist berechtigt, ein Konto zu überziehen, das es blöderweise nicht gibt. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich ersuche Sie inständig, in diesen Abänderungsantrag bitte auch die richtige Konto­nummer reinzuschreiben, sonst sind die gesamten Covid-19-Maßnahmen gefährdet, weil er ein Konto überziehen darf, das es nicht gibt – und deswegen darf er kein Konto überziehen. Ich ersuche wirklich darum, dass der Finanzminister diese schweren Fehler repariert und in Zukunft nicht mehr macht. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wenn Sie Hilfe dabei brauchen, wie man ein Budget erstellt, so helfen wir nicht nur bei den Verfassungsregeln, sondern auch gerne bei den kleinen Buchhaltungsregeln, damit diese in Zukunft eingehalten werden. – Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ und NEOS sowie bei Abgeordneten der FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

16.18


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zur Geschäftsbehandlung hat sich Herr Klubob­fraustellvertreter Leichtfried zu Wort gemeldet. – Bitte.

*****


16.18.53

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsi­dent, gestatten Sie mir einen nicht geschäftsordnungsgemäßen Satz, um dann auf die Geschäftsordnung einzugehen! Kolleginnen und Kollegen, also so geht das nicht weiter! Das muss man einmal ganz klar sagen.

Herr Präsident, meine Ausführungen zur Geschäftsordnung: Es ist nun klar, dass bei diesem Budgetentwurf mehrere grobe Fehler passiert sind (Ruf bei der ÖVP: Wer sagt denn das?), und jetzt plötzlich kommt scheinbar die große Einsicht, dass diese Fehler passiert sind, und der Finanzminister entschließt sich jetzt, in der Mitte der Budgetdebat­te (Zwischenrufe bei der ÖVP), nachdem alle Ausschusssitzungen vorbei sind, nachdem die Anhörung vorbei ist, mit einem Antrag diesen Budgetvoranschlag insgesamt zu än­dern. (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Köstinger.) Das ist doch kein Zugang zu einer Budgetdebatte, Herr Präsident, das muss man einmal ganz klar sagen! (Anhal­tender Beifall bei SPÖ, FPÖ und NEOS.) Wir diskutieren derzeit, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, über ein verfassungswidriges Budget, in dem 38 Milliarden Euro aufs fal­sche Konto gebucht werden, und das ist etwas, was sich dieses Haus meines Erachtens nicht bieten lassen kann.

Herr Präsident, ich ersuche Sie, als Präsident des Nationalrates jetzt unmittelbar festzu­stellen, erstens: Gibt es diesen Abänderungsantrag?, zweitens, wenn es ihn gibt: Wann kommt er?, drittens: Was ist der Inhalt dieses Antrages?, und, viertens, die Sitzung so lange zu unterbrechen, bis diese Dinge geklärt sind. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ, FPÖ und NEOS.)

16.20



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 434

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zur Geschäftsbehandlung zu Wort gemeldet hat sich Abgeordneter Scherak. – Bitte.


16.20.54

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ich kann mich nur dem anschließen, was Kollege Leichtfried gesagt hat, und kann nur wirklich dringend darauf hinweisen, dass uns die Regierungsparteien diesen Abänderungsantrag – sofern es ihn gibt –, der ja wohl sehr umfassend sein muss, weil die Kritik eine sehr umfassende war und einfach rein technisch gesehen umfassende Änderungen erforderlich macht, so rasch wie möglich zukommen lassen sollen. Was nämlich nicht sein kann, ist, dass wir dann morgen kurz vor einer umfassenden, langen, großen Abstimmung – wie es ja die Geschäftsordnung zulassen würde – diesen Abän­derungsantrag kriegen und keine Chance haben, diesen auch nachzuvollziehen.

Das wird ein großes, ein größeres Werk sein müssen, anders wird es nicht gehen. Und wenn dem so sein sollte, dass man das dann kurzfristig kriegt und wir darüber abstim­men, dann ist das alles andere als seriös und hat nichts mit gelebtem Parlamentarismus zu tun. Die einzige Möglichkeit, die meiner Meinung nach für dieses Parlament dann besteht, ist, jedenfalls das Budget an den Ausschuss zurückzuverweisen, weil eine Ab­änderung kurz vor einer Abstimmung schlichtweg nicht nachzuvollziehen ist. (Beifall bei NEOS, SPÖ und FPÖ.)

16.21


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zur Geschäftsbehandlung: Herr Abgeordneter An­gerer. – Bitte.


16.22.13

Abgeordneter Erwin Angerer (FPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Wir machen vonseiten der Oppositionsparteien seit Wochen auf diesen Umstand aufmerk­sam, haben den Herrn Finanzminister mehrfach auf diesen Umstand – dass er das Bud­get anpassen soll, dass er die entsprechenden Unterlagen liefern soll – hingewiesen. Ich kann mich da meinen Vorrednern nur anschließen.

Es war in der Vergangenheit auch üblich, dass entweder der Staatssekretär oder der Finanzminister bei den Budgetverhandlungen und hier bei der Debatte anwesend war, deshalb stelle ich zusätzlich den Antrag auf Herbeischaffung des Herrn Finanzministers. (Beifall bei FPÖ, SPÖ und NEOS.)

16.22


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zur Geschäftsbehandlung: Herr Klubobmann Wöginger. – Bitte.


16.22.56

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Anscheinend braucht die Budgetdebatte jeden Tag ihren oppositionellen Höhepunkt. (Rufe bei der SPÖ: Ha, ha, ha! – Weiterer Ruf bei der SPÖ: Ein Budget bräuchte die Debatte! – Heiterkeit bei der SPÖ.) – Ihr habt ja gesagt, ihr wollt es sowieso nicht, also warum dann?

Bundesminister Blümel hat angekündigt, dass es einen Abänderungsantrag geben wird. (Ruf: Genau!) Wir werden ihn rechtzeitig übermitteln. (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPÖ. – Ruf: Was ist rechtzeitig? – Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.) Rechtzeitig ist – nicht nach der Geschäftsordnung, aber nach der Usance des Hauses – einen Tag vor der Abstimmung.

Wir werden morgen am Abend – davon gehen wir aus – als Regierungsfraktionen das Budget beschließen. Aufgrund der Tagesblockzeit, die wir in der Präsidiale vereinbart haben, wird das morgen nicht vor 19 oder 20 Uhr stattfinden, und wir werden den Antrag,


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den Abänderungsantrag den Usancen des Hauses entsprechend – ich sage noch einmal dazu: nicht der Geschäftsordnung entsprechend, denn da könnten wir ihn auch morgen am Abend einbringen (Zwischenruf bei der SPÖ), aber den Usancen des Hauses ent­sprechend – heute noch übermitteln, damit genügend Zeit bis zu den Schlussabstim­mungen bleibt, die morgen am Abend stattfinden werden.

Es ist richtigerweise gesagt worden, dass der Antrag angekündigt ist – wir werden dafür Sorge tragen, dass der Antrag rechtzeitig übermittelt wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

16.24


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Dem Präsidium liegt derzeit kein diesbezüglicher Abänderungsantrag vor.

Ich muss aber unmittelbar über den Zitationsantrag des Herrn Abgeordneten Angerer abstimmen lassen. Ich frage die Klubobleute, ob ich das tun kann, ob ihre Mandatare da sind. (Abg. Leichtfried – die Hand hebend und sich von seinem Sitzplatz erhebend –: Herr Vorsitzender!) – Wollen Sie noch eine Sitzungsunterbrechung? (Ruf: Nein!) – Nein? (Abg. Leichtfried: Ja! – Weitere Ja-Rufe.) – Na ja, dann unterbreche ich die Sitzung. (Abg. Leichtfried – aus seiner Bankreihe tretend und neuerlich die Hand hebend –: Herr Vorsitzender!)

Ich unterbreche die Sitzung.

*****

(Die Sitzung wird um 16.24 Uhr unterbrochen und um 16.25 Uhr wieder aufge­nommen.)

*****

Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und erteile Herrn stellvertretendem Klubobmann Leichtfried das Wort zur Geschäftsbehandlung.


16.25.35

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsi­dent! Ich wollte nur darauf aufmerksam machen, dass ich Sie auch aufgefordert habe, wenn klar ist – und anscheinend ist es jetzt klar –, dass ein solcher Antrag kommt, bis zum Einlangen des Antrages die Sitzung zu unterbrechen, weil wir jetzt ja über Zahlen diskutieren, die nicht mehr relevant sind. Ich bitte Sie, das in Ihren Überlegungen für die weitere Sitzungsführung mit zu berücksichtigen. (Beifall bei der SPÖ.)

16.26


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Klubobmann Wöginger zur Geschäftsbe­handlung. – Bitte.


16.26.11

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Also ich sehe überhaupt keine Notwendigkeit, dass diese Sitzung unterbrochen wird. Ich habe ange­kündigt, dass es diesen Abänderungsantrag zeitgerecht geben wird.

Zum Zweiten: Ich gehöre diesem Haus seit 18 Jahren an, und ich glaube, es ist der erste Zitationsantrag, laut dem, während eine Untergliederung diskutiert wird, während Land­wirtschaft, Tourismus et cetera diskutiert werden und die ressortzuständige Ministerin anwesend ist, der Finanzminister herbeizitiert werden sollte. Das ist auch einzigartig, was da jetzt sozusagen geboten wird. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenruf bei der SPÖ.)


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Zum Dritten möchte ich Folgendes festhalten: Vielleicht schickt ihr in die Präsidiale jene Leute, die dann auch zu dem stehen, was in der Präsidiale vereinbart wird. Wir haben ausgemacht, dass die Fraktionen befragt werden, bevor es zu einer Abstimmung kommt.

Und, Herr Kollege Leichtfried, auch wenn du Klubvorsitzendestellvetreter bist: Du kannst dich nicht einfach, wenn der Präsident die Sitzung unterbrochen hat, hinstellen und sa­gen: Ich will mich zur Geschäftsordnung zu Wort melden!, und deine Abgeordneten re­gen sich dann auch noch auf. – Also ich bitte, einmal in die Geschäftsordnung zu schauen; wenn die Sitzung unterbrochen ist, ist sie unterbrochen! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

16.27


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich unterbreche die Sitzung für 5 Minuten.

*****

(Die Sitzung wird um 16.27 Uhr unterbrochen und um 16.33 Uhr wieder aufge­nommen.)

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Ich frage die Klubobleute, ob ich zur Abstimmung schreiten kann. Kollege Leichtfried, kann ich zur Abstimmung schreiten?

Kollegin Maurer hat sich noch zur Geschäftsbehandlung zu Wort gemeldet. – Bitte.


16.33.48

Abgeordnete Sigrid Maurer, BA (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte an dieser Stelle schon noch einmal darauf hinweisen – vielleicht auch für das Publikum, das diese Geschichte hier etwas seltsam findet –: Wir haben uns in der Präsidiale betreffend den Ablauf bei Abstim­mungen mehrfach darauf geeinigt, dass während Covid-19 (Abg. Kuntzl: Das ist eine neue Situation!) und solange wir diese Sitzordnung in diesem Haus haben, nämlich mit den entsprechenden Abständen, vor der Abhaltung einer Abstimmung gefragt wird, ob die Sitzung unterbrochen werden muss, damit jene Abgeordneten, die sich in anderen Teilen des Hauses befinden – beispielsweise im Dachfoyer –, genug Zeit haben, sich wieder hierherzubewegen. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Das ist die Vereinbarung.

Wenn der Präsident die Sitzung unterbricht, um genau dies zu ermöglichen und um dann die Abstimmung über den Zitationsantrag der FPÖ durchführen zu können – das war der Rahmen dieser Geschichte –, ist das absolut richtig und korrekt. Wenn man sich in einer unterbrochenen Sitzung zu Wort meldet, hat man nicht das Recht, das Wort zu bekom­men, es tut mir leid. (Anhaltender Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Rendi-Wagner.) – Ich rede nicht von dir, ich rede von ihm. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Rendi-Wagner.)

Wir hatten jetzt mehrfach diese Situation. Jörg Leichtfried, du warst selbst in diesen Prä­sidialen mit dabei und kennst diese Regelung, und es ist völlig korrekt gehandelt worden. Eine neuerliche Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung ist natürlich jederzeit möglich (Abg. Rendi-Wagner: Vielen Dank für die Erlaubnis!), aber nicht, wenn der Abstim­mungsvorgang bereits läuft – und der ist in dieser Situation bereits gelaufen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 437

16.35


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zur Geschäftsbehandlung: Kollege Leichtfried. – Bitte.


16.35.46

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsi­dent! Ich muss offen gestehen: Ich habe es subjektiv so empfunden, dass ich mich vor Unterbrechung der Sitzung und vor Eingang in den Abstimmungsvorgang zu Wort ge­meldet habe. Sollte das nicht der Fall gewesen sein (Abg. Rendi-Wagner: Es war aber der Fall!), nehme ich selbstverständlich zur Kenntnis, dass diese Vereinbarung so gilt. Für mich war es der Fall.

Eines möchte ich dazu aber schon sagen: Wann und wie ich mich zu Wort gemeldet habe, mag vielleicht für einige Spezialistinnen und Spezialisten der Geschäftsordnung hier im Haus interessant sein, aber dass wir binnen weniger Stunden über ein komplett neues Budget abstimmen sollen, das weder im Hearing war noch hier diskutiert wurde, und das ausführlich zu diskutieren keine Zeit mehr sein wird, ist der wirkliche Skandal – und nicht, wer sich wann zu Wort meldet! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von FPÖ und NEOS. – Zwischenrufe bei der ÖVP. – Abg. Eßl: Sie verstehen es ja so oder so nicht! – Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP. – Präsident Sobotka gibt das Glo­ckenzeichen.)

16.36


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zur Geschäftsbehandlung: Herr Kollege Ange­rer. – Bitte.


16.36.56

Abgeordneter Erwin Angerer (FPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ich habe mich noch einmal zur Geschäftsbehandlung und zu meinem Antrag zu Wort ge­meldet, weil es jetzt betreffend Abstimmung ein bisschen eine Diskussion gegeben hat. Mir geht es gar nicht darum, dass wir eine Abstimmung gewinnen oder verlieren, muss ich ehrlich sagen, nicht darum, ob genügend Abgeordnete von den Regierungsparteien hier sind oder nicht, um zu verhindern, dass der Herr Finanzminister kommt, sondern: Der Herr Finanzminister erklärt uns seit Wochen, dass er an diesem Budget nichts än­dern wird, weil es sinnlos ist, weil keine Zahl stimmt, die er jetzt in dieses Budget hinein­schreiben würde, und legt uns ein Budget vor, das wir seit Wochen kritisieren, das drei Monate alt ist und offensichtlich keine Rechtsgültigkeit mehr haben wird (Ruf bei der ÖVP: Zur Geschäftsordnung!) – und jetzt erfahren wir aus der Zeitung, dass ein neues Budget, ein Abänderungsantrag vorgelegt werden soll, mitten in der Budgetdebatte.

Also auch wenn wir diese Abstimmung jetzt nicht gewinnen sollten oder werden, weil es die Mehrheit ablehnen wird, würde der Respekt gegenüber dem Parlament dem Herrn Finanzminister gebieten, dass er hier erscheint und erklärt, was er vorhat. (Beifall bei FPÖ und SPÖ sowie bei Abgeordneten der NEOS.)

16.38


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich frage noch einmal bei den Klubobleuten nach, ob alle Damen und Herren hier sind, sodass wir abstimmen können. – Dann stimmen wir ab.

Wir kommen zur Abstimmung über den Zitationsantrag.

Wer dafür ist, dass der Finanzminister zu erscheinen hat, den bitte ich um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

*****

Wir setzen die Sitzung fort, und ich ersuche, den Abänderungsantrag ehestmöglich auch dem Präsidium zu übermitteln.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 438

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Voglauer. – Bitte. (Abg. Keck: Das Demokratie­verständnis der Grünen ist sehr bedenklich! – Abg. Wurm: Das moralische Vorbild ha­ben die Grünen verspielt! – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)


16.39.11

Abgeordnete Dipl.-Ing. Olga Voglauer (Grüne): Herr Präsident! Gospod prezident! Spoštovane dame in gospodje! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Bun­desminister! Ich merke, es gibt auch hier immer noch Sturm, und auch in der Landwirt­schaft haben wir mit Sturm zu kämpfen, in der Landwirtschaft haben wir mit Hitze, Dürre und Starkregen zu kämpfen, und wir kommen damit zurecht – nicht gut, noch nicht gut –, und auch in diesem Hause kommen wir anscheinend mit unterschiedlichen Bedingungen unterschiedlich gut zurecht. (Beifall bei den Grünen.)

Nehmen wir das Beispiel aus der Landwirtschaft, wie man zurechtkommen könnte! Eine Landwirtschaft, die mit den derzeitigen Herausforderungen zurechtkommt, ist eine, die sich der Natur verpflichtet, ist eine, die es in dieser Klimakrise versteht, CO2 zu binden, und die einen österreichischen Weg hin zur krisenfesten Landwirtschaft geht. Die Kern­aufgabe der Landwirtschaft ist die Sicherung der Ernährung der österreichischen Bevöl­kerung, ist die Sicherstellung des Gefühls, dass wir nicht hungern werden – ähnlich wie bei unserem Budget –, die Sicherstellung der Gewissheit: Es wird genug da sein, damit wir unseren Weg gehen können. Wenn wir es eilig haben, dann sollten wir langsam gehen, keine Husch-pfusch-Pakete schnüren, sondern im Blick haben, dass wir an einer guten Zukunft bauen.

Wie kann das in der Landwirtschaft gelingen? – Es kann gelingen, indem wir öffentliche Gelder für öffentliche Leistungen verwenden, das heißt, die ökologische Kompensation, die die Landwirtschaft leistet, auch abgelten. Es sind gerade Biobäuerinnen und Bio­bauern, die unseren Boden schützen, die nachhaltig unser Grundwasser schützen, die den Erhalt der Artenvielfalt als klare Priorität ihrer Tätigkeit sehen. (Beifall bei Abgeord­neten der Grünen.)

Wir haben in unserem Regierungsübereinkommen ganz klar definiert, dass bei der zu­künftigen Umsetzung von Maßnahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik auf nationaler Ebene diese auf Klimatauglichkeit geprüft werden und einer Umweltfolgenabschätzung unterzogen werden. Das heißt ganz klar, wir prüfen, welchen Fußabdruck die Landwirt­schaft hinterlässt. Und glauben Sie mir eines: Niemandem in diesem Haus sind unsere bäuerlichen Betriebe, unsere bäuerlichen Familien egal. Es ist niemandem wurscht, wenn zu wenig Geld vorhanden ist, um die monatlichen Rechnungen bezahlen zu kön­nen – egal ob es Bäuerinnen und Bauern sind, ob es die Kassiererin ist, ob es der Rechtsanwalt ist, ob es der Arzt ist oder irgendjemand anderer.

Wir alle leben in einem gerühmten Österreich, wir werden es gemeinsam schaffen, dass wir alle eine gute Zukunft vor uns haben werden – und wir werden auch diese Krise meistern, sei es jetzt in Zeiten von Corona, sei es später. Wenn wir in 15 Jahren zurück­blicken, werden wir sagen können: Jawohl, wir haben die Trendwende geschafft und die Klimakrise abgewendet – für unsere Kinder und Enkel.

Es freut mich besonders, dass letzte Woche die Bioökonomiestrategie der Europäischen Kommission vorgestellt wurde, dass die Farm-to-Fork-Strategie vorgestellt wurde, denn damit hat sich Wesentliches verändert: Wir haben die Konsumentinnen und Konsu­menten mit ins Boot geholt. Ich sage das schon seit zwei Jahrzehnten, in denen ich mich mit Landwirtschaft beschäftige: Die wichtigsten Partnerinnen und Partner der Landwirt­schaft sind die KonsumentInnen, und sie sind auch unsere gemeinsamen BotschafterIn­nen.

Wir werden es gemeinsam schaffen, die Landwirtschaft in eine Zukunft zu bringen, in der wir 50 Prozent weniger Pestizide einbringen werden. Wir werden es zukünftig schaf­fen, der Bevölkerung völlig transparent zu machen, woher die Lebensmittel kommen,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 439

denn darauf hat sie ein Recht, nämlich zu wissen: Wo werden die Lebensmittel pro­duziert, wo werden sie verarbeitet und was findet sich in ihnen? Gerade das wird jetzt mit der Farm-to-Fork-Strategie in Angriff genommen.

Corona hat es gezeigt, wir brauchen nicht in die Ferne zu schweifen, denn das Gute liegt bei uns so nahe. Ob es Fleisch, Milch, Brot oder Gemüse sind, kaufen wir es von den Bäuerinnen und Bauern nebenan und bauen wir eine visionäre und zukunftsfähige Land­wirtschaft! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

16.43


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Hauser. – Bitte.


16.44.10

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Frau Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Frau Minister, heute schreiben wir den 27. Mai, heute bekommen unsere Betriebe, die Beherbergungsbetriebe, eine Verordnung für das Aufsperren am 29. Mai. (Bundesministerin Köstinger: Nicht von mir!) – Ich weiß es, Frau Minister, aber Sie sind die Tourismusministerin, Sie haben Einfluss. – Heute, zwei Tage vorher, bekommen die Betriebe die Verordnung, in der drinnen steht, unter wel­chen Bedingungen sie aufsperren können. Unsere Betriebe sind top, Gott sei Dank, aber zaubern können sie auch nicht.

Wenn ich jetzt in diese Verordnung hineinschaue, frage ich Sie: Wie soll der Betrieb das umsetzen? Stichwort Bäderhygiene: Da steht drinnen, dass die Unternehmer die Maß­nahmen „entsprechend dem Stand der Wissenschaft“ zu setzen haben. – Zwei Tage vorher! Ja, wie soll denn das bitte funktionieren? Das ist genau das, was die Unterneh­mer frustriert.

Oder: Ich schaue Sie an, Frau Minister. Sie sind jetzt der Hotelier, ich bin der Gast. Wenn der Unternehmer diese Verordnung umsetzt, sehe ich Ihr charmantes Gesicht, das Ge­sicht des Unternehmers überhaupt nicht. Darf ich aus dieser Verordnung zitieren? „Der Betreiber“, sprich der Hotelier, „hat sicherzustellen, dass er und seine Mitarbeiter bei Kundenkontakt eine den Mund- und Nasenbereich abdeckende mechanische Schutz­vorrichtung tragen“. – Wie soll so der Tourismus funktionieren? Tourismus hat etwas mit Lebensfreude zu tun, Tourismus hat etwas mit Kontakt zu tun, und da steht drinnen, Sie dürfen mir als Unternehmer nur mit der Gesichtsmaske gegenübertreten. (Abg. Ober­nosterer: Das sagst gerade du!)

Gehen wir weiter: Der Erstkontakt findet an der Rezeption statt. Was steht dazu drinnen? „Der Betreiber hat sicherzustellen, dass“ - - (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Ober­nosterer.) – Also das ist so etwas von untergriffig, Herr Kollege, das ist so etwas von untergriffig! Ich möchte – für alle Kolleginnen und Kollegen – festhalten, wie untergriffig der ÖVP-Mandatar Obernosterer ist. Ich hätte das nie angesprochen: Ich bin Risikopa­tient, ausgewiesener Risikopatient, weil mein Immunsystem nicht zu 100 Prozent funk­tioniert, und deswegen war ich bei einigen Sitzungen entschuldigt und nicht anwesend – und das bekomme ich jetzt von Kollegen Obernosterer vorgeworfen. (Abg. Amesbauer: Unglaublich! Letztklassig! Widerlich! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Nur damit die Kolleginnen und Kollegen im Hohen Haus wissen, wie tief das Niveau einzelner ÖVP-Mandatare ist. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Jetzt aber wieder zurück zum Erstkontakt an der Rezeption, Frau Minister; ich lese aus der Verordnung vor: „Im gesamten Bereich des Eingangs und der Rezeption ist eine den Mund- und Nasenbereich abdeckende mechanische Schutzvorrichtung zu tragen.“ – Das heißt, der Gast kommt überhaupt nie mit dem Besitzer, mit dem Eigentümer, mit den Mitarbeitern persönlich in Kontakt. Wie soll da Tourismus funktionieren? – Es kann nicht funktionieren!


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 440

So, Klappe, die Zweite, bitte: Ich baue auf gestern auf und trage mein Anliegen vor, den privaten Vermietern von Ferienwohnungen ihr Recht zukommen zu lassen und auch sie – so wie die Vermieter im Rahmen von Urlaub am Bauernhof, denen ich alles ver­gönne – endlich über den Härtefallfonds zu entschädigen. Ich darf dazu einen Entschlie­ßungsantrag einbringen, der wie folgt lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend „dringende Miteinbeziehung der privaten Vermieter von Ferienwohnungen im Rahmen des häusli­chen Zu- und Nebenerwerbs mit maximal zehn Betten in den Coronavirus-Härtefall­fonds“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, umgehend jene Schritte zu setzen, die sicher­stellen, dass auch die privaten Vermieter von Ferienwohnungen im Rahmen des häus­lichen Zu- und Nebenerwerbs mit maximal zehn Betten in den Kreis der Anspruchsbe­rechtigten aus dem Härtefallfonds aufgenommen werden, und dass die Bemessungs­grundlage für die Berechnung der Höhe der Förderung sowohl für Vermieter im Rahmen des häuslichen Zu- und Nebenerwerbs mit maximal zehn Betten als auch für Vermieter im Rahmen des ‚Urlaubs am Bauernhof‘ vereinheitlicht wird und damit derzeit bestehen­de Benachteiligungen beseitigt werden.“

*****

Frau Minister, ich bettle seit zwei Monaten: Bitte stellen Sie diese Gleichbehandlung her! – Ich danke. (Beifall bei der FPÖ.)

16.48

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Mag. Gerald Hauser

und weiterer Abgeordneter

betreffend dringende Miteinbeziehung der privaten Vermieter von Ferienwohnungen im Rahmen des häuslichen Zu- und Nebenerwerbs mit maximal zehn Betten in den Coro­navirus-Härtefallfonds

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 7: Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (55 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvor­anschlages für das Jahr 2020 (Bundesfinanzgesetz 2020 – BFG 2020) samt Anla­gen (183 d.B.) – UG 42

in der 32. Sitzung des Nationalrates am 27. Mai 2020

Die privaten Vermieter von Ferienwohnungen im Rahmen des häuslichen Zu- und Ne­benerwerbs mit maximal zehn Betten werden im Härtefallfonds immer noch nicht be­rücksichtigt.

Dies obwohl unter anderem seitens des Freiheitlichen Tourismussprechers Bundesmi­nisterin Elisabeth Köstinger bereits am 29. April 2020 im Rahmen einer Videokonferenz auf diesen Umstand hingewiesen wurde, und es zahlreiche Interventionen von Betrof­fenen in dieser Sache gab.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 441

Anspruchsberechtigt sind nach wie vor nur die privaten Vermieter von Zimmern mit Frühstück bis maximal zehn Betten, das sind rund 20 Prozent aller Privatvermieter, die anderen 80 Prozent vermieten Ferienwohnungen. In Summe erzielen die Privatvermieter ungefähr 20 Millionen Übernachtungen jährlich.

Das Ausschließen privater Vermieter von Ferienwohnungen bis zu zehn Betten, die eine Unterstützung aus dem Härtefallfonds dringend benötigen, ist für diese Vermieter exis­tenzbedrohend.

Das zu Beginn der Corona-Krise von Herrn Bundeskanzler getätigte Versprechen: „Kos­te es, was es wolle“ endet offenbar bei den privaten Vermietern von Ferienwohnungen. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass aus dem mit zwei Mrd. Euro dotierten Här­tefallfonds erst in etwa 10 % ausbezahlt wurden, ist das Ausschließen der privaten Vermieter von Ferienwohnungen im Rahmen des häuslichen Zu- und Nebenerwerbs mit maximal zehn Betten mehr als unverständlich und massiv zu kritisieren.

Dazu kommt, dass selbst jene privaten Vermieter von Zimmern im Rahmen des häusli­chen Zu- und Nebenerwerbs mit maximal zehn Betten, die derzeit einen Anspruch auf Mittel aus dem Härtefallfonds haben, bei der Berechnung der Bemessungsgrundlage für die Höhe der Förderung gegenüber Vermietern im Rahmen des „Urlaubs am Bauernhof“ benachteiligt werden.

Aus Sicht der unterfertigten Abgeordneten müssen die dargelegten Ungerechtigkeiten und Benachteiligungen unverzüglich beseitigt werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, umgehend jene Schritte zu setzen, die sicher­stellen, dass auch die privaten Vermieter von Ferienwohnungen im Rahmen des häusli­chen Zu- und Nebenerwerbs mit maximal zehn Betten in den Kreis der Anspruchsbe­rechtigten aus dem Härtefallfonds aufgenommen werden, und dass die Bemessungs­grundlage für die Berechnung der Höhe der Förderung sowohl für Vermieter im Rahmen des häuslichen Zu- und Nebenerwerbs mit maximal zehn Betten als auch für Vermieter im Rahmen des „Urlaubs am Bauernhof“ vereinheitlicht wird und damit derzeit beste­hende Benachteiligungen beseitigt werden.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, aus­reichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Berlakovich. – Bitte.


16.48.59

Abgeordneter Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Im Zuge der Coronapandemie taucht ein Begriff im­mer wieder in der öffentlichen Debatte auf, und zwar Regionalität. Ich sehe die Re­gionalität als eine sehr gute Sache, um gegen die grenzenlose Globalisierung anzu­kämpfen, wenn man so will – nicht als ein Gegenprogramm, aber ein Korrektiv zu einer schrankenlosen Globalisierung, die gezeigt hat, wie verwundbar wir in Österreich und in Europa sind, wenn große Teile der Medizinproduktion, der Erzeugung von Medizinpro­dukten ausgelagert werden. Es geht aber auch um eine regionale Versorgung mit heimi­schen Lebensmitteln, europäischen Lebensmitteln.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 442

Es ist daher richtig, dass wir als eine Lehre mitnehmen, die Regionalität zu stärken, eine regionale Produktion in Europa in vielen strategisch wichtigen Bereichen zu sichern. Es war daher richtig, dass Bundeskanzler Kurz, Ministerin Köstinger und die Bundesregie­rung einen Regionalitätsgipfel gemacht haben, der genau diese Fragen für Österreich, aber auch im europäischen Konzert gemeinsam beantworten soll.

Wir müssen an dem weiterarbeiten, und daher will ich heute zum Thema der Regional­politik Stellung nehmen. Zwei zentrale vergemeinschaftete Politikbereiche der Europäi­schen Union sind einerseits die Gemeinsame Agrarpolitik und andererseits die Regional­politik, die im EU-Sprech Kohäsions- und Strukturpolitik heißt. Das zeigt sich darin, dass fast ein Drittel des EU-Haushalts für die Kohäsionspolitik budgetiert ist, rund 360 Milliar­den Euro in der laufenden Finanzperiode von 2014 bis 2020; daran sieht man schon, was für Finanzvolumina in diesem Bereich vorhanden sind.

Das Ziel dieser Regionalpolitik auf europäischer Ebene ist ein zutiefst europäisches: Diese Mittel sollen nämlich eingesetzt werden, um wirtschaftlich schwächere Regionen in der EU an das Niveau der stärkeren Regionen heranzubringen, sodass es eine gleiche soziale, wirtschaftliche und regionale Entwicklung gibt. Das ist ein zutiefst solidarisches Ziel und eine sehr solidarische Politik, die seit Jahrzehnten sehr erfolgreich läuft – ich finde, dass das auch gerade in der jetzigen Zeit von großer Bedeutung ist.

Diese Regionalpolitik läuft über mehrere Fonds, nur zu Ihrer Erinnerung, zusammen bilden sie die Europäischen Struktur- und Investitionsfonds. Dazu gehören der Europäi­sche Fonds für regionale Entwicklung – Efre –, der Europäische Sozialfonds und der Europäische Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums – Eler – sowie der Europäische Meeres- und Fischereifonds, aus dem Österreich auch gewisse Finanzmittel bekommt.

Österreich ist nun seit 25 Jahren Mitglied in der Europäischen Union, und das Wifo hat beurteilt, wie denn diese Regionalförderung, diese Regionalpolitik in Österreich gewirkt hat. In diesem Zeitraum hat es Investitionen von rund 31 Milliarden Euro gegeben – 15 Milliarden Euro stammen aus dem Topf der Europäischen Union, die müssen dann kofinanziert werden –, und mit diesen 31 Milliarden Euro wurde in Österreich gewaltig in strukturschwächere Regionen investiert. Das hat bewirkt, dass das Wirtschaftswachs­tum jährlich um zusätzlich 0,65 Prozent gestiegen ist, und laut Wifo wurden in dieser Zeit, seit 1995, rund 850 000 Arbeitsplätze dadurch gesichert.

Das Burgenland war Hauptprofiteur dieser Entwicklung. Das Burgenland, 40 Jahre am Eisernen Vorhang, mit einer extrem strukturschwachen Wirtschaft, konnte dank Ziel-1-Region und Nachfolgeregionen sehr stark profitieren. Es wurden rund 5,2 Milliarden Euro investiert und sagenhafte 164 000 Projekte in diesem Zeitraum umgesetzt. Wenn man das genauer betrachtet, dann sieht man, da sind sehr viele Agrarprojekte darunter, sehr viele Projekte der ländlichen Entwicklung, aber auch sehr viele Regionalprojekte und Projekte des Europäischen Sozialfonds, bei denen Unternehmen Mitarbeiter weiter­bilden, qualifizieren und Ähnliches. Im Burgenland wurden seit 1995 rund 35 000 Ar­beitsplätze geschaffen.

Das Wifo sagt, diese Regionalpolitik habe in ganz Österreich tendenziell sehr stark dazu beigetragen, dass die Regionen sich hinsichtlich der wirtschaftlichen Leistung angegli­chen haben: Das Burgenland, aber auch das Waldviertel, das Mühlviertel und andere Regionen, die am Eisernen Vorhang lagen oder strukturschwächer sind, haben davon profitiert. Es ist noch nicht alles erreicht, aber die Richtung stimmt. Es hat auch in Wien und in ganz Österreich Projekte gegeben: Das Technologie- und Forschungszentrum Wiener Neustadt sowie die Wiederbelebung der Wiener Stadtbahnbögen wurden bei­spielsweise daraus finanziert, aber auch die Käsestrasse Bregenzerwald und eben ein Lyocell-Faserwerk in Heiligenkreuz im Burgenland.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 443

Was man nicht vergessen darf: Der Charme dieser EU-Regionalpolitik ist, dass Öster­reich, das als Nettozahler ja mehr Geld in die Europäische Union einzahlt, über diese Politikbereiche wieder Gelder zurückbekommt und damit seine Nettozahlerposition ver­bessert. Wir sind daher sehr daran interessiert, dass die Gemeinsame Agrarpolitik aus­finanziert wird, dass auch die Regionalfonds ausfinanziert werden, weil wir damit Steu­erungselemente haben. Es gibt nach wie vor in ganz Österreich Regionen, die diese wirtschaftliche Entwicklung und Unterstützung brauchen.

Einen Punkt möchte ich noch erwähnen, gerade in der Coronakrise: Im Jahr 2008, in der Finanzkrise, haben die europäischen Strukturfonds dazu beigetragen, dass in krisenge­beutelten Staaten die öffentlichen Investitionen nicht eingebrochen sind. Wenn es die Strukturfonds nicht gegeben hätte, wären laut Analysen der Europäischen Union rund 45 Prozent der öffentlichen Investitionen in Staaten wie Griechenland und anderen Län­dern eingebrochen, auch bei uns. Sie haben unterstützend beigetragen, und da kann man eine Parallele zur Jetztzeit ziehen: Ich sehe die europäische Regionalpolitik als ein unterstützendes Instrument, um jetzt in der Coronakrise die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen, gerade in strukturschwachen Regionen; das halte ich für sehr wichtig.

Ergänzend dazu: Die Bundesregierung hat vor Kurzem gemeinsam mit Bürgermeis­terinnen und Bürgermeistern ein Gemeindepaket aufgestellt, 1 Milliarde Euro für die ös­terreichischen Städte und Gemeinden, die auch enorme Steuerausfälle verzeichnen. Dazu kommen Investitionen in den öffentlichen Verkehr und in Klima- und Umweltschutz, das bedeutet, 1,5 Milliarden Euro werden wiederum genau in die Regionen investiert. Wir wissen, dass die Gemeinden große Investoren sind: Sie investieren in Kindergärten, in Schulen, in Senioreneinrichtungen, die genau das bringen sollen, was wir uns erhof­fen, nämlich wieder mehr Arbeitsplätze und eine wirtschaftliche Belebung. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

16.55


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schellhorn. – Bitte.


16.55.55

Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Herr Präsident! Frau Minister! Kollege Wö­ginger ist zwar gerade nicht da, aber trotzdem eine kurze Antwort; er hat gesagt, dass das kein Höhepunkt des Parlamentarismus gewesen sei. – Eines ist auch ganz klar: Das, was Sie heute abliefern, ist kein Höhepunkt einer Regierungsarbeit, das ist hier ganz klar zu sehen! (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

Gabriel Obernosterer wurde von Kollegen Matznetter im Zusammenhang mit der Frage, wie man ein Budget erstellt, genannt. – So geht es nicht, das ist ja echt peinlich! Jetzt marschiert dann bei diesem Tagesordnungspunkt eine ganze Armada von ÖVP-Poli­tikern auf, die werden sagen: Es ist eh alles super, danke und danke und danke! – Danke für nix, kann ich euch nur sagen! Danke für nix im Tourismus, danke für nix von den Unternehmern, denn sie nehmen nur Kredite auf, die sie nur erschwert bekommen. (Bei­fall bei NEOS, SPÖ und FPÖ.)

Ich habe hier gerade einen Antrag an die ÖHT, weil mich das selbst betrifft (ein Schrift­stück in die Höhe haltend): Es wurden immer Haftungsübernahmen von 100 Prozent versprochen. (Bundesministerin Köstinger: 80, 90 oder 100 Prozent?) Es gibt wahnsin­nig viele Unternehmer, die das nicht lesen, dass da dann dabeisteht: Unterschreiben Sie einen Wechsel und zahlen Sie den Kredit innerhalb eines Jahres zurück! So, was ist jetzt mit den Banken? Wie weit sind wir? – Da sage ich Ihnen: Danke für nix! Da sage ich Ihnen: Danke für nix, weil wirklich nichts weitergeht. Ich verstehe den Unmut der Unter­nehmerinnen und Unternehmer, ich verstehe den Unmut der Hoteliers.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 444

Wenn Sie davon sprechen, wie wichtig das Ganze ist, dann gebe ich Ihnen völlig recht. Es ist nämlich auch wichtig, was einige meiner Vorredner gesagt haben, dass man zum ersten Mal sieht, welche Bedeutung der Tourismus hat – und ich rede jetzt nicht von den Absatzprodukten wie McDonalds-Burger, sondern ich rede vom gesamten Tourismus, der die landwirtschaftlichen Produkte kauft, die produziert werden. Der Tourismus hat da eine ganz wichtige Bedeutung.

Thomas Reisenzahn von Prodinger und Partner rechnet in einer Studie vor, dem Tou­rismus in Österreich drohe dieses Jahr ein Umsatzeinbruch von 7,5 Milliarden Euro. Dagegen braucht es Maßnahmen, da braucht es auch diesen Neunpunkteplan, den Pro­dinger und Partner erstellt haben; ich übermittle Ihnen den gerne. Es geht immer wieder um dasselbe: Wir müssen fit werden für nächstes Jahr und nicht nur dieses Jahr über­leben! (Zwischenruf des Abg. Vogl.)

Bis jetzt ist es wirklich ein Danke für nix, denn es gibt im Moment keine einzige Unter­stützung für den Tourismus, für die Hotellerie – es gibt nur Haftungsübernahmen und Stundungen; Haftungsübernahmen für Kredite und Stundungen von Steuern, das müs­sen die Unternehmer aber selber zurückzahlen.

Das Bedauerliche ist, Frau Minister, dass wir die Folgen im Tourismus bis 2024 spüren werden, das wissen Sie, und vor allem der Bereich Städtetourismus ist da besonders gefragt. Mir fehlt da die Perspektive. Mir fehlt so eine Perspektive, wie Sie sie noch vor Covid für die Landwirtschaft gehabt haben, als es geheißen hat: Die Landwirtschafts­gelder werden nicht mehr in dieser Masse kommen, bei den Fördergeldern aus Brüssel haben wir vielleicht einen Gap von 120 Millionen Euro, aber macht euch keine Sorgen, für die Landwirtschaft gleichen wir das aus! – Wo ist die Hilfe für den Tourismus? Es ist nichts vorhanden! Danke für nichts!, kann ich nur sagen.

Ich bin mittlerweile echt sauer, weil überhaupt nichts weitergeht! Dann gibt es PR-Pro­gramme wie: 500 Millionen Euro für die Gastronomie. – Sie sind ja jetzt auch Gastrono­mieministerin: Wissen Sie, wie das zusammengerechnet worden ist, haben Sie sich das schon einmal ausgerechnet? – Die Umsatzsteuerermäßigung auf nicht alkoholische Ge­tränke wurde auf Basis des Aufkommens im letzten Jahr berechnet, darum sind das 200 Millionen Euro Ersparnis. Es ist aber absurd, davon auszugehen, dass die Um­satzzahlen bei nicht alkoholischen Getränken so hoch wie im Vorjahr sein werden und damit 200 Millionen Umsatzsteuerermäßigung ausmachen!

Es ist überhaupt nichts der Realität entsprechend, genauso wie dieses Budget nicht der Realität entspricht, und das macht uns wütend! Es ist keinem Unternehmer zuzumuten, so zur Bank zu gehen, es ist keinem Unternehmer zuzumuten, auch da in die Ausweg­losigkeit getrieben zu sein, aber die Regierung sagt: Na ja, wir machen einen Abände­rungsantrag, die werden es dann schon sehen, wie das Budget ausschaut! Das finde ich peinlich, und ich bin wütend. (Beifall bei NEOS und SPÖ sowie des Abg. Bösch.)

17.00


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gelangt Abgeordnete Neßler. – Bitte.


17.00.23

Abgeordnete Barbara Neßler (Grüne): Herr Präsident! Geschätzte Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Woran denken Sie als Erstes, wenn Sie an den Tourismus denken? Welche Bilder kommen Ihnen in den Sinn? (Abg. Leichtfried: Ischgl!) – Skigebiete, Hotelketten. (Zwischenruf des Abg. HörlHei­terkeit bei der ÖVP.) – Skigebiet von Franz Hörl. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried. Zwischenrufe bei der ÖVP. Unruhe im Saal. – Präsident Sobotka gibt das Glocken­zeichen.)

Worum geht es? – Tourismus ist nicht nur begrenzt auf die Skigebiete. Tourismus ist nicht nur begrenzt auf die Hotels, da fällt noch viel mehr rein: all die Bäcker vor Ort, all


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die Landwirte und Landwirtinnen, die Kulturveranstaltungen, die Nachtklubs, die derzeit auch sehr leiden, sie alle gehören zur touristischen Wertschöpfungskette. (Abg. Wurm: Das wissen wir, Barbara!) Keine andere Branche prägt unser Land so sehr wie der Tourismus, keine andere Branche gestaltet unsere Landschaft so sehr wie der Touris­mus; darum ist er nicht nur jetzt, da er gerade in einer Notsituation ist, so wichtig, sondern wir müssen uns auch nach der Krise vermehrt mit dem Tourismus beschäftigen. Ja, da gebe ich meinem Vorredner recht: Der Tourismus hat eine große Bedeutung, aber er darf nicht nur Beiwagerl für die Wirtschaft sein. Wir dürfen den Tourismus nicht nur auf die Tourismuswirtschaft reduzieren, sondern wir müssen schauen, dass wir hin zu einer Tourismuskultur kommen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Wie schaut es im Tourismus derzeit aus? (Ruf bei der SPÖ: Schlecht! Zwischenruf des Abg. Wurm.) – Für das Kalenderjahr 2020 haben wir bis zu 50 Prozent Nächtigungs­rückgänge, bei den Fernreisen sind es über 70 Prozent; allein in Tirol sind das mehr als 20 Millionen Nächtigungen weniger. Zahlreiche Unterstützungsmaßnahmen bei Liquidi­tätsengpässen wurden geschaffen, die Verlängerung der Kurzarbeit wurde ermöglicht, es gibt Fixkostenzuschüsse, aber wir müssen berücksichtigen, dass nicht nur die kom­mende Sommersaison eine große Herausforderung wird, sondern mitbedenken, dass zum Vorschein kommt, was wir alle schon lange gewusst haben, und zwar, dass die Branche teils sehr hoch verschuldet ist – nicht etwa, weil sie schlecht wirtschaftet, son­dern wegen des Wachstumsdrangs, gekoppelt mit dem Konkurrenzdruck und dem Kon­zentrationsprozess. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Auch die Entwicklung, dass ausländische Großinvestoren Beherbergungsbetriebe zu­sammenkaufen, einheitliche Chaletdörfer bauen und so die Wohnungspreise für die Ein­heimischen in die Höhe, ins Unermessliche treiben, und die Gefahr von Dumpingprei­sen – das wird nach der Coronakrise noch verschärft werden. Das schadet nicht nur unserem heimischen Tourismus, sondern das schadet dem Tourismus auch insofern, als er sich als Gegenpol zur Bevölkerung entwickelt.

Ich glaube aber, dass jede Krise eine Chance birgt und sehe auch die Chance für den Tourismus. Nützen wir die Chance, da in eine andere Richtung zu gehen! Die Frage, die wir uns dabei auch stellen müssen, ist: Warum kommen die Leute zu uns? – Wegen der Vielseitigkeit der Städte, wegen der Landschaft, wegen der Schönheit unserer Natur. (Abg. Hörl: Lifte!) Was ist der Grund dafür, dass wir auf Reisen gehen? Weil wir in andere Lebensrealitäten eintauchen wollen. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.) Dafür braucht es eine intakte Natur, und darum brauchen wir einen Tourismus (Zwischenruf des Abg. Wurm), unter dem die Natur nicht leidet, von dem die Bevölkerung profitiert und mit dem eine Wertschöpfung erzielt wird. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Wir müssen weg von der Abwärtsspirale, und dafür brauchen wir einerseits einen ehrli­chen Diskurs über den Tourismus und andererseits echte Hilfsmaßnahmen, Konjunktur­maßnahmen – auch als Chance für einen nachhaltigen, sozialen, qualitätsvollen Touris­mus. Ein Grundstein ist die ins Regierungsübereinkommen hineinverhandelte Auswei­tung des Haftungsrahmens und Erneuerung der Richtlinien der ÖHT. Was es aber für die Branche braucht, ist echte Gerechtigkeit, mehr Fairness, vor allem auch in der Förderstruktur, damit sie wieder auf die Beine kommt und damit sie nicht so abhängig ist.

Ich sage: Nützen wir diese Chance für den Tourismus! – Danke schön. (Beifall bei Grü­nen und ÖVP.)

17.05


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Klaus Köchl. – Bitte.


17.05.11

Abgeordneter Klaus Köchl (SPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bun­desminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 446

wende mich direkt an Herrn Bundeskanzler Kurz; er wird wahrscheinlich irgendwo in einer Arbeitssitzung mit Medienleuten sein, aber ich muss ihm das jetzt trotzdem sagen: Wenn ich als Bürgermeister einer kleinen Gemeinde im Glantal meinen Gemeinderätin­nen und Gemeinderäten so ein Gemeindebudget präsentiere, dann jagen sie mich mit einem nassen Fetzen davon; das kann ich euch sagen. (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Lunacek hat als Kulturstaatssekretärin erkannt, dass das nicht ihr richtiges Ge­schäft ist, und ist freiwillig zurückgetreten. Herr Kurz, ziehen Sie Finanzminister Blümel ab, er kann es nicht! Ich kann Sie auch nur warnen: Er kann es auch in Wien nicht. (Beifall bei der SPÖ.) Das, glaube ich, ist ganz sicher so, aber es gäbe eine Möglichkeit: Gabriel Obernosterer – er ist Kärntner, Finanzchef hier im Nationalrat – kann das sicher besser, denn auf Kärntner ist da einfach viel mehr Verlass. Ich würde sie einfach austau­schen. (Zwischenrufe bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Vogl. – Zwischenbemer­kung von Bundesministerin Köstinger.)

Jetzt kommen wir zum Landwirtschaftsbudget: Lieber Georg Strasser als Bauernbund­präsident und liebe Frau Minister, ich weiß, dass es möglich ist, dass ihr in Brüssel Geld für unsere ländlichen Regionen und für unsere Bauern in Österreich auftreibt. Es wird auch hereinkommen, nur fehlt es dann ganz einfach bei der Aufteilung hier im Land. Ihr macht eine Agrarindustrie stark, aber bei den kleinen Landwirten und Bauern, da seid ihr nicht so gut.

Wenn ich mir das im Kärntner Glantal ansehe – das ist genau die Region, aus der auch unsere Ministerin kommt –, dann sieht man ganz, ganz genau, dass das so nicht geht. Es ist ein kleines Bauernsterben. (Zwischenruf des Abg. Hörl.) Ich habe leider nicht mehr so viel Redezeit, dass ich das besser sagen könnte, aber bei uns gibt es ein kleines Bauernsterben. 25 000 Kärntner Bauernbetriebe hat es gegeben, laut letztem Landwirt­schaftsbericht waren es in Kärnten noch 15 000, nur mehr 8 000 sind in den Bericht reingekommen – das muss man sich einmal vorstellen! –, weil alle anderen gar nicht mehr davon leben können. – Das ist eure Agrarpolitik; Agrarindustrie, das ist das, was ihr beherrscht. Ich glaube, das Schlimmste dabei ist: Die Bauern hören auf, andere pachten das – riesige Felder, riesige Maschinen –; dann kommen Leute mit viel Geld – das sind wahrscheinlich die Freunde von Herrn Bundeskanzler Kurz – und kaufen die kleinen Bauernhöfe zusammen.

Das ist eure Agrarpolitik und dazu kann ich euch morgen noch ein paar Dinge erzählen. (Beifall bei der SPÖ.)

17.08


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Franz Leonhard Eßl. – Bitte.


17.08.20

Abgeordneter Franz Leonhard Eßl (ÖVP): Frau Präsidentin! Meine geschätzten Da­men und Herren! Ich darf mit einem Thema beginnen, das einen ganz wichtigen Punkt für den ländlichen Raum darstellt, nämlich die Breitbandinitiative.

Die aktuelle Krise hat gezeigt, dass es ganz, ganz wichtig ist, dass wir diese Infra­struktureinrichtungen gerade auch in den ländlichen Gebieten haben. Das ist aber noch nicht überall zufriedenstellend gelöst. Das Land Salzburg macht zum Beispiel jetzt eine Erhebung, in der es die Nutzer befragt. Da stellt sich heraus, dass teilweise vernünftige Übertragungsraten vorhanden sind, dass die Internetverbindung aber oft über Stunden nicht funktioniert. Da wäre es notwendig, dass man noch nachhakt. Ich gehe davon aus, dass wir, was die Internetmilliarde betrifft – da bis jetzt erst 15,8 Millionen Euro nach Salzburg gegangen sind –, für unser Bundesland durchaus etwas bewegen können. Auch in meiner Region haben wir dieses Phänomen, dass das Internet oft stundenlang nicht funktioniert.


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Nun aber zum zweiten Punkt, nämlich zur Landwirtschaft: In einigen Punkten bin ich ja mit vielen von Ihnen einig, etwa wenn gesagt wird, dass die Landwirtschaft enorm wich­tige Leistungen erbringt – Lebensmittelproduktion, Gestaltung des Lebensraumes ‑; ge­rade das, was mein Vorredner gesagt hat, muss ich aber entschieden zurückweisen. Der Strukturwandel findet statt, in Österreich aber wesentlich schwächer als in anderen Ländern Europas und weltweit, und das deswegen, weil wir eine gute Agrarpolitik ma­chen, nämlich zugunsten der kleineren und mittleren Betriebe. In Bayern, das ungefähr gleich groß wie oder sogar größer als Österreich ist, gibt es halb so viele landwirtschaftli­che Betriebe wie in Österreich. Die Agrarpolitik bei uns hat also durchaus positiv funk­tioniert. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich habe vorhin schon erwähnt, dass wir in Österreich vonseiten der Bäuerinnen und Bauern wichtige Leistungen bekommen; nur über den Produktpreis werden diese nicht bezahlt, und darum muss die öffentliche Hand auch das Ihre dazu beitragen, die gemein­wirtschaftlichen Leistungen entsprechend abzudecken. Das ist im Budget abgebildet.

Etwas, das uns immer wieder und auch in diesem Budget gelingt, ist eigentlich schon bemerkenswert, nämlich dass wir mit 292 Millionen Euro Bundesgeld 1,42 Milliarden Eu­ro zu den Bäuerinnen und Bauern bringen; der Rest kommt aus Brüssel. Das muss auch erst einmal gelingen. – Ich darf mich bei dir, Frau Bundesministerin, recht, recht herzlich bedanken. (Beifall bei der ÖVP.)

Trotzdem haben wir für die Zukunft einiges zu tun. Wir haben jetzt mit dem Absatz- und Preisrückgang bei Milch und Fleisch eine Krisensituation, und wir haben eine Katastro­phensituation im forstwirtschaftlichen Bereich. Was wir brauchen, sind Vermarktungs­initiativen. Was wir brauchen, ist eine Verstärkung jener Politik, die zum Ziel nicht mehr Vorschriften, sondern Anreize hat. Dieses Regierungsprogramm, das wir abarbeiten und das sich auch in dem Budget abbildet, bietet die Grundlagen dafür, dass wir dies auch machen können.

Es ist eine Aufforderung an Sie alle, meine geschätzten Damen und Herren: Stehen wir dazu, dass die Bäuerinnen und Bauern für ihre Leistungen ordentlich entlohnt werden! Es liegt im Interesse jedes einzelnen Bürgers in Österreich, dass dieses Geld budgetiert ist und zu den Bäuerinnen und Bauern kommt – nur dann können diese die von der Gesellschaft gewünschten Leistungen für alle Bürgerinnen und Bürger in der Zukunft erbringen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

17.12


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Alois Kainz. – Bitte.


17.12.31

Abgeordneter Alois Kainz (FPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesminister! Es ist richtig, dass wir in der Landwirtschaft ein Budget haben, das eine Aufstockung erfahren hat. Bei genauerer Betrachtung ist es de facto aber keine, da aufgrund der neuen Kompetenzverteilung im Bundesministeriengesetz nun einige Bereiche dazuge­kommen sind. Das ist ungefähr so, als kaufte man sich ein Auto mit einem 15 Liter grö­ßeren Tank, doch zeitgleich ist der Verbrauch um 2 Liter gestiegen: Im Endeffekt kommt man mit der Menge nahezu gleich weit.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP, das Landwirtschaftsministerium ist seit über drei Jahrzehnten durchgehend in Ihrer Hand. Ich verstehe daher nicht, warum Sie als Kanzlerpartei unserer österreichischen Landwirtschaft nicht einen größeren Tank zur Verfügung stellen. Gerade angesichts der Coronakrise haben wir gesehen, wie wichtig Regionalität ist. Ich bin davon überzeugt, dass uns das Jahr 2020 bisher einiges gezeigt und gelehrt hat. Meiner Meinung nach gilt es, die Eigenproduktion in Österreich zu för­dern; in sie müssen wir investieren.


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In den letzten Jahrzehnten wurde die tägliche Arbeit unserer Bauern immer schwieriger. Trotz des technologischen Fortschrittes, welcher sicher viele Anstrengungen erleichtert, kamen auf der anderen Seite viele neue Hürden hinzu. Neben den behördlichen Aufla­gen und diversen EU-Verordnungen haben sich auch die klimatischen Bedingungen sehr stark geändert, wodurch unsere Landwirtschaft zu einem Umdenken gezwungen wurde.

Generell glaube ich, dass uns die Coronakrise gezeigt hat, wie wichtig es ist, eine sichere Versorgung zu haben. Diese sichere Versorgung beinhaltet aber auch eine sichere Pro­duktion, die wir nur dann sicherstellen können, wenn wir dem Bauernsterben entgegen­wirken. Es ist unsere Aufgabe als Politiker, aber auch als Konsumenten dieser Lebens­mittel, die Arbeit und Leistung, welche dahintersteht, zu sehen und anzuerkennen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, meine Hoffnung und mein Wunsch für das nächste landwirtschaftliche Budget ist definitiv ein tatsächlich größerer Tank, damit man auch weiter kommt. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

17.15


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Lukas Brandwei­ner. – Bitte.


17.15.05

Abgeordneter Lukas Brandweiner (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundes­ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause vor den Bildschirmen! Als Zivildienstsprecher der ÖVP lassen Sie mich zunächst den Zivildienern ein großes Danke sagen, speziell für den Einsatz in den letzten Wochen und Monaten. Sie haben Großartiges geleistet. Vielen Dank auch an die 3 000, die sich frei­willig zum außerordentlichen Zivildienst gemeldet haben. – Vielen Dank dafür! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Insgesamt stehen aktuell 4 500 außerordentliche Zivildiener zur Verfügung. Die Krise hat gezeigt, dass auf den Zivildienst Verlass ist und dass er eine strategische Reserve im Gesundheitsbereich, aber auch im Pflegebereich darstellt. Ich möchte mich an dieser Stelle auch bei der Zivildienstserviceagentur und bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbei­tern, die das Ganze abwickeln, bedanken. Sie haben, wie viele andere, ebenfalls inten­sive Wochen gehabt, und auch ihnen sei gedankt, ebenso wie dem Österreichischen Roten Kreuz, das die Zivildienstserviceagentur bei der Zuteilung in den Bundesländern unterstützt. – Vielen Dank dafür. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Im Gegensatz zu meinem Vorredner, geschätzte Frau Ministerin, bin ich sehr froh, dass du auch Zivildienstministerin bist. Ich bin dankbar für das umsichtige und rasche Han­deln. Mein Dank gilt auch der gesamten Bundesregierung, an der Spitze unserem Bun­deskanzler Sebastian Kurz. Ich bin dankbar, dass so gut und rasch gehandelt worden ist; gewisse Diskussionen – manche könnte man sich sowieso sparen – könnten wir gar nicht führen, wenn unsere Bundesregierung nicht so gut gearbeitet hätte. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Unsere österreichische Bevölkerung kann sich auf den Zivildienst verlassen. Ich möchte noch ein paar Zahlen erwähnen: 40 bis 50 Prozent der Wehrpflichtigen entscheiden sich für den Zivildienst. 2019 waren das insgesamt 14 600 junge Männer, die in 1 700 Trä­gerorganisationen eingesetzt werden. Damit kann der Bedarf zu über 90 Prozent ge­deckt werden. Das, finde ich, ist eine sehr gute Zahl. Der Zivildienst ist aber auch ein wichtiger Türöffner für das Ehrenamt, das möchte ich hier speziell erwähnen. Rund 27 Prozent der jungen Männer bleiben zumindest einige Jahre ehrenamtlich in den Ein­richtungen tätig, und 6 Prozent bleiben auch als hauptamtliche Mitarbeiter aktiv dabei.

Gerade bei uns im Waldviertel haben wir viele Ehrenamtliche, bei denen ich mich eben­falls bedanken möchte. Das Ehrenamt ist quasi die Seele unseres Landes, und wenn wir


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 449

den Zivildienst stärken, stärken wir auch das Freiwilligensystem in Österreich – die 50 Millionen Euro sind also auf jeden Fall gut investiertes Geld. Ich möchte mich noch einmal recht herzlich bei dir, liebe Ministerin, für die gute Zusammenarbeit bedanken. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

17.18


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Yannick Shetty. – Bitte.


17.18.51

Abgeordneter Yannick Shetty (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundes­ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Bundesministerin, ich möchte Sie zu einer Sache befragen, zu der das Budget leider fehlt. Vielleicht eine Vorfrage: Hand aufs Herz, wenn Sie so in sich gehen, was glauben Sie, wie lange Sie mit 350 Euro auskommen können? Ich möchte die Frage auch in die Runde stellen, an die Kolleginnen und Kollegen Abgeordneten: Was glauben Sie, ganz ehrlich, wenn Sie in sich gehen, wie lange Sie mit 350 Euro auskommen können? – 350 Euro ist das, was Zivildienern in diesem Land pro Monat gegönnt wird.

Es gibt in Österreich leider eine Mehrheit – Sie wissen, wir haben da eine andere Posi­tion, aber es gibt eine Mehrheit –, die die Beibehaltung der Wehrpflicht und des Zivil­dienstes wünscht. Es ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, diese Grundsatzdebatte zu führen, aber wissen Sie, was nicht geht? – Es geht nicht, dass diese Gruppe junger Männer während Corona so schamlos weiter ausgebeutet wird. (Beifall bei den NEOS.)

Ende März wurde der Zivildienst für 1 500 Zivildiener, die ihren Zivildienst eigentlich im März bereits absolviert hatten, die also im März schon neun Monate gedient hatten, durch Sie für weitere drei Monate verlängert. Gleichzeitig wurden im April über 2 000 frei­willige außerordentliche Zivildiener einberufen, also junge Männer, die sich freiwillig gemeldet haben. Sie erhalten 1 700 Euro pro Monat, während die zwangsverlängerten Zivildiener, die die neun Monate schon abgeleistet haben, nur 500 Euro bekommen. Das ist eine verfassungswidrige Handhabung, das wissen Sie auch, und ich weiß nicht, wa­rum Sie das nicht ändern wollen. Es hätte im Budget läppische 5,8 Millionen Euro ausge­macht.

Frau Ministerin, aus dem Elfenbeinturm des Ministeriums ist es leicht, zu sagen: Ihr wohnt doch alle daheim, ihr braucht das Geld nicht. – Das ist aber weltfremd! Ich kann das auch aus persönlicher Erfahrung sagen. Ich bin gerade am Ende des freiwilligen außerordentlichen Zivildienstes, den ich im Rahmen der Coronakrise geleistet habe, und ich möchte Ihnen ein konkretes Beispiel nennen: Vergangene Woche saß ich im Ret­tungswagen, und neben mir saß ein 25-jähriger Zivildiener, der bereits acht Jahre seines Lebens gearbeitet hat, der einen Job hat, der massive Einkommenseinbußen hatte. Und Sie sagen ihm: Wohnen Sie doch bei den Eltern! – Das geht einfach nicht, das ist un­erhört, und deswegen wäre es dringend notwendig, diese Ungleichbehandlung zu be­enden!

Ich komme jetzt aber zu dem Punkt, zu dem wir heute einen Antrag einbringen. Heute, Ende Mai, besteht kein außerordentlicher Notstand mehr – im Gegenteil: Die verlänger­ten Zivis werden nicht mehr gebraucht, es gibt zu viele Zivildiener. Ich kann es auch aus persönlicher Erfahrung sagen: Man sitzt die Zeit ab, man schlägt die Zeit tot, das Rote Kreuz schickt mittlerweile sogar hauptamtliche Mitarbeiter in Kurzarbeit. Die Zivildiener weiterhin zu verlängern ist unverschämt, deswegen bringe ich folgenden Entschlie­ßungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Abberufung au­tomatisch verlängerter außerordentlicher Zivildiener“


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 450

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus, werden aufgefordert, alle automatisch verlängerten außerordentlichen Zivildiener mit Anfang Juni vom außerordentlichen Zivildienst abzuberufen, da der Ein­satz von mindestens 1.500 zwangsverpflichteten und finanziell schlechtergestellten au­ßerordentlichen Zivildienern angesichts der zahlreichen Lockerungen, den rund 3.000 freiwillig gemeldeten außerordentlichen Zivildienern und 964 Corona-Erkrankten (Stand 20. Mai 2020) mittlerweile absolut unverhältnismäßig erscheint und man nicht mehr von einer außerordentlichen Notsituation sprechen kann.“

*****

Handeln Sie vernünftig! Befreien Sie diese jungen Männer von einem weiteren verlo­renen Lebensmonat! – Und Sie, geschätzte Abgeordnete, stimmen Sie diesem Antrag zu! (Beifall bei den NEOS.)

17.22

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Abberufung automatisch verlängerter außerordentlicher Zivildiener

eingebracht im Zuge der Debatte in der 32. Sitzung des Nationalrats über Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (55d.B.): Bundesgesetz über die Be­willigung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2020 (Bundesfinanzgesetz 2020 –BFG 2020) samt Anlagen (183d.B.) – TOP 7, UG 42

Laut Auskunft des BMLRT wurden mit Anfang April 1.500 Zivildiener zu einem außer­ordentlichen Zivildienst zwangsverlängert bzw. automatisch verlängert, deren regulärer 9-monatiger Zivildienst eigentlich mit Ende März beendet gewesen wäre.1 Angesichts der Notlage erschien diese Maßnahme damals als gerechtfertigt. Um den Schaden bei den betroffenen Zivildienern jedoch so gering wie möglich zu halten, erfolgte ebenfalls ein Aufruf zur freiwilligen Meldung für den außerordentlichen Zivildienst. Diesem Aufruf folgten im März bereits über 2.000 Personen, für den Monat Mai sogar 2.500 Personen.2 Der Bedarf an außerordentlichen Zivildienern sei laut Ministerium also gedeckt und es würden für die kommenden Monate keine neuen mehr benötigt. Gleichzeitig hört man von zahlreichen Seiten, dass Zivildiener unterbeschäftigt sind, ihre Zeit "absitzen" und Organisationen, wie das Rote Kreuz, gleichzeitig andere Mitarbeiter_innen in Kurzarbeit schicken (siehe Anfrage 1688/J).3

Seit Anfang Mai gibt es immer mehr Lockerungen der Corona-bedingten Einschrän­kungen: Museen, Schulen, Gastronomie und Handel haben wieder geöffnet, Bäder und Thermen folgen. Sogar über etwaige Urlaubsmöglichkeiten wird bereits diskutiert. Von einem außerordentlichen Notstand kann also längst nicht mehr die Rede sein, selbst wenn die Ansteckungen teilweise ansteigen und die Regierung hier bekannterweise gerne mit der Angst der Bevölkerung spielt. Für den Morgen des 20. Mai 2020 sind für ganz Österreich 964 Corona-Erkrankte verzeichnet,4 das heißt, es gibt zurzeit 964 Co­rona-Erkrankte bei mindestens 1.500 zwangsverlängerten außerordentlichen Zivildie­nern. Bedenkt man, dass zusätzlich rund 3.000 freiwillige außerordentliche Zivildiener im Einsatz sind, erscheint es absolut ungerechtfertigt, die zwangsverlängerten Zivildie­ner weiterhin zu verpflichten, v.a. da diese in ihrer Bezahlung gegenüber den freiwillig gemeldeten außerordentlichen Zivildienern massiv benachteiligt werden.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 451

1            https://www.bmlrt.gv.at/zivildienst-neu/start-au%C3%9Ferordentlicher-zivildienst.html

2            https://www.bmlrt.gv.at/zivildienst-neu/bedarf_ao_zivildiener_mai.html

3            https://www.addendum.org/coronavirus/zivildienst-verlaengerung/

4            https://coronavirus.datenfakten.at/

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus, werden aufgefordert, alle automatisch verlängerten außerordentlichen Zivildiener mit Anfang Juni vom außerordentlichen Zivildienst abzuberufen, da der Ein­satz von mindestens 1.500 zwangsverpflichteten und finanziell schlechtergestellten au­ßerordentlichen Zivildienern angesichts der zahlreichen Lockerungen, den rund 3.000 freiwillig gemeldeten außerordentlichen Zivildienern und 964 Corona-Erkrankten (Stand 20. Mai 2020) mittlerweile absolut unverhältnismäßig erscheint und man nicht mehr von einer außerordentlichen Notsituation sprechen kann."

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag wurde schnell verlesen, aber er ist trotzdem ordnungsgemäß eingebracht und steht daher mit in Verhandlung. (Heiterkeit der Abgeordneten Brandstätter und Fiedler.)

Herr Abgeordneter Manfred Hofinger, Sie sind als Nächster zu Wort gemeldet. – Bitte.


17.22.26

Abgeordneter Ing. Manfred Hofinger (ÖVP): Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Bun­desminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Frau Bundesminister, ich möchte dir recht herzlich zu diesem ausgewogenen, sehr guten Budget gratulieren! Ich bin froh, dass du es geschafft hast, auch im Breitbandbereich ein gutes Budget zustande zu bringen, denn das ist im ländlichen Raum eine wesentliche, eine wichtige Infrastruktur. Ich möchte mich an dieser Stelle auch bei allen Landwirtinnen und Landwirten recht herzlich bedanken, dass sie in der Coronakrise tatsächlich immer da gewesen sind und uns schlussendlich die Selbstversorgung garantiert haben. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte jetzt aber doch ein bisschen auf die Gemeinden eingehen. Eine noch nie dagewesene Gesundheitskrise ist am ländlichen Raum doch nicht vorbeigegangen, vor allem nicht an den Finanzen der Gemeinden. Unsere Gemeinden spielten ja in den ver­gangenen Wochen und Monaten eine ganz bedeutende Rolle und haben im ländlichen Raum, in den einzelnen Gemeinden, viele Dinge übernommen. Sie waren in der Krise immer der erste Ansprechpartner für die Bevölkerung, haben Maßnahmen gemeinsam umgesetzt, genauso aber darauf geachtet, dass die Infrastruktur aufrechterhalten bleibt. Sie haben dafür gesorgt, dass die Kindergärten und Volksschulen am Laufen bleiben. Sie waren auch für die Firmen ganz wesentliche Ansprechpartner, und sie organisierten gemeinsam mit anderen Organisationen sogar Einkäufe für die Bevölkerung – eine he­rausragende Rolle also. Dafür möchte ich mich bei allen Gemeinden recht, recht herzlich bedanken.

Das ist in dieser Krisenzeit ganz wesentlich, und da zeigt sich wiederum, dass das fö­derale System, wie wir es in Österreich haben, das wichtigste und beste ist; das muss


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 452

ich schon sagen. Ein Redner der NEOS, Kollege Eypeltauer, hat am Vormittag bemän­gelt, dass es noch immer nicht geschafft ist, dass die kleinen Gemeinden abgeschafft sind. – Das entspricht wirklich nicht meinen Vorstellungen. Gerade die kleinen Gemein­den sind die, die sehr schlagkräftig und flexibel sind. Ich kann dem jedenfalls nicht folgen. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Gemeinden sind die größten Auftraggeber und natürlich auch die größten Arbeitge­ber in den Regionen und wichtige Partner der Wirtschaft, und da sie ja durch die Ertrags­anteile und Kommunalsteuern finanziell sehr stark von den Steuermitteln des Bundes abhängig sind, trifft es die Gemeinden besonders hart. Wenn die Prognosen des Ge­meindebundes stimmen, werden die Gemeinden Ertragsanteilseinbußen von 5 Prozent im heurigen Jahr und von 8 Prozent im nächsten Jahr hinnehmen müssen. Daher hat sich die Regierung entschlossen, ein Maßnahmenpaket von 1 Milliarde Euro für die Ge­meinden zu schnüren – ein Investitionspaket, das seinesgleichen sucht. Das ist die größ­te Investition in den ländlichen Raum, die es je gegeben hat (Zwischenruf des Abg. Sil­van), die regionale Wertschöpfung und Arbeitsplätze schafft beziehungsweise Arbeits­plätze sichert. (Beifall bei der ÖVP.)

Es ist seitens der Regierung ein starkes Zeichen und ein Bekenntnis für den ländlichen Raum. Weiters werden 300 Millionen Euro in den öffentlichen Nahverkehr und weitere 200 Millionen in die Gewässerökologie investiert. Insgesamt sind es 1,5 Milliarden Euro, welche der Bund für die Bewältigung der Krise speziell im ländlichen Raum einsetzt.

Als Gemeindesprecher unserer Fraktion freut es mich sehr, dass wir dem ländlichen Raum dieses Paket, mit dem neue Projekte in den einzelnen Gemeinden für das Wohl unserer Bürger entstehen werden, anbieten können. – Einen herzlichen Dank an alle, die dazu beigetragen haben, besonders an unsere Bundesregierung, die mit ihrem en­gagierten Handeln die Schlagkraft des ländlichen Raumes erhält. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Jakob Schwarz.)

17.26


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Michael Seemayer. – Bitte.


17.26.55

Abgeordneter Michael Seemayer (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Obwohl wir jetzt nicht genau wissen, auf welchen Zahlen diese Budgetdebatte basiert, weil die vorliegenden Zahlen ja offensichtlich nicht der Verfassung entsprechen, möchte ich auch ein paar Worte über den Zivildienst ver­lieren.

Ein aufrichtiges Dankeschön unsererseits an alle Zivildiener, die derzeit im Einsatz sind, insbesondere an jene, die einen außerordentlichen Zivildienst leisten. Sie haben Außer­ordentliches geleistet, und es ist bewundernswert, wie viele sich freiwillig gemeldet ha­ben. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Jakob Schwarz.)

Allerdings gilt natürlich auch jenen 1 500 Zivildienern, deren Zivildienst zwangsweise verlängert wurde, ein besonderer Dank. Sie haben sich das nicht aussuchen können, und genau sie sind es, in deren Lebensplanung massiv eingegriffen worden ist. Die Ent­täuschung war dann aber sehr groß, als man festgestellt hat, dass sie nicht dieselbe Entschädigung bekommen wie jene Kollegen, die sich freiwillig zum Zivildienst gemeldet haben. Kollege Shetty hat die Summe, um die es da geht, schon angesprochen, und den Antrag, die Zivildiener jetzt vorzeitig abzuberufen, weil kein Notstand mehr vorliegt, kann man unsererseits eigentlich nur unterstützen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Shetty.)

Die Frage, die ich Ihnen im Zuge der Budgetberatungen gestellt habe, was es kosten würde, wenn man die beiden Gruppen gleichstellt, wenn man sie gleichbehandeln wür­de, haben Sie mir ja nicht beantwortet. Wir haben es uns selbst ausgerechnet, Kollege


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Shetty hat es schon vorgetragen: 5,8 Millionen Euro. Vielleicht haben Sie die Möglich­keit, das dann im verfassungskonformen Budget unterzubringen. Die Gleichstellung ist vor Kurzem ja auch schon auf dem Rechtsweg eingefordert worden. Ich fordere Sie auf, dass man diese Warme-Händedruck-Politik beendet und die jungen Menschen, die eine so außergewöhnliche Leistung erbracht haben, finanziell gleichstellt. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Shetty.)

Eine besondere Herausforderung wird es natürlich auch im Bereich des Tourismus geben. Besonders betrifft das die Freibäder, Strandbäder und Seezugänge, die in die­sem Jahr natürlich einen besonderen Stellenwert erhalten werden, auch aufgrund der Tatsache, dass wir ja in Österreich Urlaub machen sollen – was auch gescheit ist. Be­sonders herausfordernd werden da sicherlich die öffentlichen Seezugänge werden. Wenn schon in normalen Sommern Badeplätze überfüllt sind, dann wird das mit Ab­standsregeln natürlich noch weit schwieriger werden, und es wird womöglich notwendig sein, Badeplätze zu sperren, bevor es zur Überfüllung kommt.

In dieser Situation stößt einem das letzte Bauprojekt der Österreichischen Bundesforste ziemlich sauer auf; dieses wird derzeit auf der Homepage der Österreichischen Bundes­forste zur Miete angeboten. Es handelt sich dabei um einen neu errichteten Bau mit zwei Luxuswohnungen auf einem Grundstück der Bundesforste in Weyregg, mit privatem Seezugang in Form einer Badebucht, die zu einem Luxuspreis von 2 600 Euro im Monat angeboten werden. Dafür ist öffentlicher Seezugang verwendet und verbaut worden.

In einer Stellungnahme Ihres Ministeriums wurde angemerkt, dass dieser Seezugang aufgrund von Baumängeln für die Öffentlichkeit gesperrt war. Er wurde jetzt für die pri­vate Nutzung der neuen Mieter der Luxuswohnungen saniert – offensichtlich war es zu teuer, ihn für die Bevölkerung zu sanieren –; im Gegenzug wurde die Liegefläche ein bisschen nach hinten erweitert. Da entsteht der Eindruck, dass genau für die, die es sich leisten können, erste Reihe fußfrei ein Seezugang geschaffen und die Bevölkerung in die zweite Reihe zurückgeschickt wird. Kolleginnen und Kollegen, es kann und soll nicht Aufgabe der Bundesforste sein, solche Bauprojekte umzusetzen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.31


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Karl Schmidhofer. – Bitte.


17.31.26

Abgeordneter Karl Schmidhofer (ÖVP): Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher zu Hause vor den Bildschirmen! Ja, der Tourismus ist von der Coronakrise besonders betroffen. Wir haben am 15. März unsere Betriebe von einem Tag auf den anderen schließen müssen, und natürlich sind wir ge­fordert, gut durch diese Krise zu kommen. 675 000 Vollzeitarbeitsplätze gibt es im Tou­rismus in Österreich, 153 Millionen Gästenächtigungen; 15,3 Prozent des BIPs, einen Umsatz von 59,2 Milliarden Euro erwirtschaften wir mit dem Tourismus.

Was tut das Ministerium? Was macht die Ministerin, damit wir gut durch diese Krise und aus dieser Krise kommen? – Folgende Maßnahmen – schade, dass Kollege Schellhorn nicht im Saal ist –: Wirtepaket, Kurzarbeit, Haftungen, Fixkostenzuschüsse (Abg. Eypel­tauer: Es ist besser, dass er nicht da ist!) und jetzt der Neustartbonus für die Mitarbeite­rinnen und Mitarbeiter, was beim Hochfahren ganz besonders wichtig ist, weil man ja nicht gleich eine Vollauslastung hat, sondern die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schritt­weise, so wie die Gäste kommen, in die Betriebe holt. Weitere Lockerungen sind in Aus­sicht.

Ich darf auch ausführen, dass das gastfreundlich und sicher passieren wird. Es wird jetzt damit begonnen, Coronatests in fünf Regionen Österreichs zu machen. Bei mir zu Hause, zum Beispiel, in der Urlaubsregion Murau-Murtal, konkret in Spielberg (Abg.


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Loacker: Was ist im Salzkammergut? Was ist in Vorarlberg?), werden die Mitarbeiterin­nen und Mitarbeiter getestet, damit mehr Sicherheit für unsere Gäste, aber auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewährleistet wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Grünen.)

Ich darf weiters ausführen, dass es gemeinsam mit der Österreich Werbung und mit den Landestourismusorganisationen ein Werbepaket in der Größenordnung von 40 Millionen Euro gibt, damit der Tourismus wiederbelebt wird.

Lieber Sepp Schellhorn, mir ist nicht bange um den Tourismus. In den „Salzburger Nach­richten“ (eine Ausgabe der genannten Zeitung in die Höhe haltend) schreibt man schon von einer spürbar positiven Stimmung, von einer guten Buchungslage et cetera. Bitte, beschäftigen Sie sich auch ein bisschen damit, was links und rechts passiert!

Der Plan T für den Tourismus (eine Broschüre mit der Aufschrift „Plan T – Masterplan für Tourismus“ in die Höhe haltend) ist die langfristige Perspektive – Sepp Schellhorn war selber dabei, er ist einer, der daran mitgewirkt hat und das mit seiner Unterschrift bestätigt hat (Bundesministerin Köstinger: Das hat er vergessen!) –: mit einem soliden Budget, mit einem guten Programm durch die Krise und mit dem Plan T in die Zukunft. – Danke dafür, Frau Ministerin! Vielen Dank! Urlaub in Österreich: Wir freuen uns, wenn wir uns in den Regionen sehen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

17.34


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Erwin Angerer. – Bitte.


17.34.48

Abgeordneter Erwin Angerer (FPÖ): Frau Präsidentin! Frau Minister! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Bevor ich zum Thema komme, vielleicht noch ein Wort zum Zwischenruf des Herrn Kollegen Obernosterer: Du hast Kollegen Gerald Hauser Feigheit vorgeworfen, weil er sich in der Coronakrise selbst isoliert hat. (Bundesminis­terin Köstinger: Nicht Feigheit!) – Ich habe hier seinen Patientenbrief, er ist aufgrund seiner Vorerkrankungen Hochrisikopatient. (Bundesministerin Köstinger: Eben! Deswe­gen schützen wir ihn!) Wenn man so jemandem vorwirft, er sei feige, würde ich zumin­dest eine Entschuldigung erwarten. Wir sind gegen die Masken, gegen diese Stofffetzen, weil sie nichts helfen, aber Gerald hat sich mit einer ordentlichen Maske, mit einer FFP2-Maske, geschützt, weil er zu einer Risikogruppe gehört. Wir sagen immer, die Risiko­gruppe ist zu schützen, sind aber gegen diese Stoffmasken. (Beifall bei der FPÖ.)

Jetzt ein paar Worte zum Thema Landwirtschaft: Es bleibt mir leider nicht viel Zeit, aber ich habe der ÖVP und vor allem den Landwirten versprochen, dass wir ihnen heute noch helfen werden. Wir haben natürlich ein Riesenproblem in der Landwirtschaft: Preisverfall in allen Bereichen, Belastungen, die die Regierung vor uns – sprich: die ÖVP – be­schlossen hat, nämlich die Erhöhung der Einheitswerte. Herr Kollege Klubobmann Wö­ginger hat gesagt: Ja, dafür kriegen sie dann eh einmal einen höhere Pension! – Es dürfen sich also alle Bäuerinnen und Bauern in Österreich bei Herrn Klubobmann Wö­ginger bedanken. Sie dürfen jetzt hohe Sozialversicherungsbeiträge zahlen, kriegen dann vielleicht irgendwann einmal eine höhere Pension. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Das waren seine Worte.

Wir haben ein Riesenproblem im Bereich der Holzwirtschaft. Es wird aber im Bereich der Holzwirtschaft und vor allem von der Holzindustrie immer noch massiv Holz aus dem Ausland importiert. Frau Minister, Sie haben eh in den letzten Tagen und Wochen schon gewisse Maßnahmen gesetzt. Sie haben von 200 000 Festmetern gesprochen, die jetzt von der Holzindustrie zusätzlich abgenommen werden sollen. – Das ist nicht einmal ein Tropfen auf den heißen Stein. Rund 10 Millionen Festmeter werden pro Jahr nach Öster­reich importiert – das wissen Sie (Abg. Strasser: Das ist ja ein Blödsinn! Das stimmt ja nicht!) –, deshalb fordern wir einen sofortigen Stopp von Holzimporten aus dem Ausland


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während der Krise, bis eben diese Kalamitäten aufgrund von Schneebruch und Wind­bruch bei uns aufgeräumt sind und die österreichischen Bauern wieder den Preis krie­gen, den sie verdienen, denn der Preis ist zur Zeit auf dem Niveau von 1990.

Ich bringe deshalb folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „sofortigen Im­portstopp von Billigholz“

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus, wird aufgefordert, zum Schutz der heimischen Forstwirtschaft einen so­fortigen Importstopp von Billigholz sicherzustellen.“

*****

Wir sind guter Hoffnung, dass ihr den Antrag unterstützt, weil ja auch der Bauernbund­obmann und Landeshauptmannstellvertreter von Niederösterreich, Herr Pernkopf, das Gleiche gefordert hat. Frau Minister, er sagt: „Es braucht Taten. Die Importe sind zu stoppen!“ Deshalb, meine Herren: Halten wir zusammen, beschließen wir etwas für die Bauern! – Danke für die Zustimmung. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

17.38

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Erwin Angerer

und weiterer Abgeordneter

betreffend sofortigen Importstopp von Billigholz

eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (55 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvor­anschlages für das Jahr 2020 (Bundesfinanzgesetz 2020 – BFG 2020) samt Anla­gen (183 d.B.) zu UG-42 (TOP 7), in der 32. Nationalratssitzung, in der XXVII.GP.

Die österreichische Forstwirtschaft ist durch Borkenkäferbefall, der durch die Trocken­periode hervorgerufen wurde und durch die COVID-19-Maßnahmen der Bundesregie­rung wirtschaftlich hart getroffen. Der Billigholzimport aus den Nachbarländern bringt die Forstwirtschaft weiter in Bedrängnis.

Am 21. April 2020 titelt und berichtet die „Oberösterreichische Nachrichten“ wie folgt:

„Im Mühlviertel verrottet das Holz, trotzdem Importe aus Tschechien

Holzpreis ist im Keller, Absatz stockt: Heftige Diskussion über Einfuhren von Säge­werken

„Im ganzen Land liegen Berge von Holz herum. Trotzdem rollen Hunderte Lkw aus Tschechien über die Grenze, um Holz, meist sogar Schadholz, zu uns zu liefern.“ (…)

Allein die Sturmschäden im Winter haben 200.000 Festmeter Schadholz verursacht, jetzt ist der Käfer so früh wie selten zuvor im Anflug: „Der Absatzmarkt stockt massiv“, heißt es seitens des Waldverbandes. Der Preis für Sägerundholz ist im Keller, das Niveau


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befindet sich bei rund 64 bis 66 Euro pro Festmeter - das ist so wenig wie zu Zeiten der Finanzkrise 2008/2009.

Kaum kostendeckend

„Im Vergleich zu damals haben wir einen massiven Mengenüberhang bei Rundholz, und dies verschärft die Situation der Waldbesitzer zusätzlich“, sagt Waldverbands-Ge­schäftsführer Andreas Hofbauer. Eine Besserung sei nicht in Sicht, auch weil die Exporte von Schnittholz wegen der Coronakrise drastisch zurückgegangen sind.

„Die Zeiten, in denen der Wald für die Bauern die Sparkasse war, sind vorbei. Bei den aktuellen Holzpreisen und Käferholzabschlägen ist eine kostendeckende Waldbewirt­schaftung kaum mehr möglich“, sagt Michaela Langer-Weninger, Präsidentin der ober­österreichischen Landwirtschaftskammer. Schon im Herbst nach dem katastrophalen Käferjahr mit mehr als einer Million Festmeter Schadholz allein in Oberösterreich hatte Langer-Weninger betont, dass es wichtig sei, dass die Sägeindustrie den Import von Rundholz verringert, soweit es ihre Geschäftsbeziehungen zulassen, um die Lage nicht durch ständige Preissenkungen weiter zu verschärfen.

Der Unmut ist in der Tat groß. „Alle reden in Zeiten von Corona von Regionalität, ds Sägewerk Ortner in Tragwein wirbt sogar damit. Und dann fahren am Mittwoch in der Früh fünf Lkw aus Tschechien mit Holz vor“, sagt ein Bauer. Betreiber Rudolf Ortner, der auch stellvertretender Wirtschaftskammer-Obmann der Landes-Fachgruppe Holz ist, be­stätigt das: „Es waren drei Fuhren mit Lärchen, zwei mit Fichten. Die Lärche brauche ich, weil ich diese in einer Länge von bis zu zwölf Metern in Österreich nicht nicht gibt. Die Fichten musste ich dazunehmen, weil die Tschechen ebenfalls ein Käferproblem haben“, sagt der Unternehmer. Die Einschnittmenge liege bei 50.000 Festmeter im Jahr, en Drittel des Holzes kommen aus Tschechien und Deutschland: „Dazu muss man aber auch sagen, dass Österreich zwei Drittel seines Schnittholzes exportiert.“ Heimisches Holz sei um 30 Prozent teurer als tschechisches. Trotzdem appelliere er, österreichi­sches Holz zu kaufen.

Der niederösterreichische Landeshauptmann-Stellvertreter und Bauernbundobmann Stephan Pernkopf geht einen Schritt weiter: Er verlangt von der Holzindustrie, Importe, etwa aus Tschechien, sofort einzustellen: „Wenn die Industrie ein Partner der Bauern sein will, dann macht sie das freiwillig. Wenn nicht, dann machen wir das eben ge­setzlich.“ (…)

Laut Statistik Austria hat Österreich von Jänner bis Oktober 2019 5,4 Millionen Festmeter Nadelrundholz importiert, das waren fast genauso viel wie im Vergleichszeitraum 2018. Drei Millionen kamen aus Tschechien, das ist seit 2015 fast eine Verdoppelung.

„Wenn die Industrie ein Partner der Bauern sein will, dann macht sie das freiwillig. Wenn nicht, dann machen wir das eben gesetzlich.“

Stephan Pernkopf, Niederösterreichs Landeshauptmann-Stv. ist für das Verbot von Holz-Importen.“

Vor diesem Hintergrund stellen die unterfertigten Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus, wird aufgefordert, zum Schutz der heimischen Forstwirtschaft einen so­fortigen Importstopp von Billigholz sicherzustellen.“

*****



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Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher auch mit in Verhandlung.

Nächster Redner: Herr Abgeordneter Johannes Schmuckenschlager. – Bitte.


17.38.21

Abgeordneter Johannes Schmuckenschlager (ÖVP): Geschätzte Präsidentin! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Wer jede Wolke fürchtet, taugt nicht zum Bauern. – Dieses alte Sprichwort wird uns heuer in einer ganz besonders dramatischen Situation ganz besonders vor Augen geführt. Die Wetterkap­riolen, die wir momentan erleben, vor allem die Trockenheit aufgrund des Klimawandels, die in der Landwirtschaft schon länger sichtbar ist, führt zu dramatischen Situationen. Wir haben in vielen Kulturen Ernteausfälle. In manchen Kulturen konnte der Regen noch einiges retten, aber wir sehen langfristig, dass es Infrastruktur braucht, um Ernährungs­sicherheit in Österreich sicherzustellen, um die Produktion zu sichern und damit auch die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.

Diese langfristigen Perspektiven brauchen wir deswegen, weil es notwendig ist, die hei­mische Produktion aufrechtzuerhalten. Gerade die Zeit der Coronakrise hat uns gezeigt: Wenn instabile Logistik und Lieferketten nicht mehr imstande sind, uns zu versorgen, dann gewährleistet das die heimische Landwirtschaft, die regionale Produktion. Ich glaube, das ist ein ganz wichtiger Wert, der neben dem rein wirtschaftlichen Wert der land- und forstwirtschaftlichen Produktion zwischen Angebot und Nachfrage jetzt ganz besonders in den Vordergrund tritt.

Es ist eben nicht eine agrarpolitische Interessenvertretungspolitik, die eine reine Klien­telpolitik macht, wenn es darum geht, Bauern zu unterstützen, sondern das hat gesamt­gesellschaftlich einen Wert. Dieser Zusammenschluss von Konsument und Produzent ist ganz, ganz wesentlich, und daher brauchen wir auch eine entsprechende Herkunfts­kennzeichnung. Es wäre genau der falsche Weg, wenn wir jetzt die AMA-Marketing-Beiträge streichen würden, denn genau das AMA-Gütesiegel gibt den heimischen Kon­sumenten die Sicherheit, österreichische Produkte zu bekommen.

Wenn wir Stabilität erzeugen wollen, dann schauen Sie ins Budget: Die Gemeinsame Agrarpolitik der Europäischen Union und die entsprechende Dotierung, die wir im Budget haben, geben Stabilität. Mit den Direktzahlungen, mit den Zahlungen für die ländliche Entwicklung, mit den Ausgleichszulagen werden letztendlich Betriebseinkommen in den bäuerlichen Familienbetrieben gesichert. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir müssen Planungssicherheit schaffen, und wir haben Gott sei Dank die Perspektive, dieses Programm in den nächsten zwei Jahren europaweit weiterzufahren. Die Regie­rung gibt den Bäuerinnen und Bauern in Österreich die Sicherheit, das auch voll auszufi­nanzieren, selbst wenn nicht mehr alles aus Brüssel kommt. Dafür sage ich recht herzlich Danke schön. (Abg. Loacker: Danken Sie den Steuerzahlern, die das zahlen, und nicht der Ministerin!)

Wir brauchen aber auch ein entsprechendes Steuer- und Konjunkturprogramm, um Be­triebe weiter zu stärken, vor allem in der Forstwirtschaft. Da wird es nicht gehen, sich gegen den Markt zu stellen, sondern da geht es darum, wie wir unser Produkt besserstel­len können. Mit fiskalpolitischen Apokalyptikern aus der Hypo Kärnten werden wir da nichts erreichen. Die Bauern sollten wissen, auf wen sie sich auch in Zukunft verlassen können. (Beifall bei der ÖVP.)

17.41


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Petra Vorderwinkler. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 458

17.41.35

Abgeordnete Petra Vorderwinkler (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Hohes Haus! Werte Zuseher! Zum Abänderungsantrag der ÖVP, von Finanzminister Blümel: Worüber reden wir jetzt eigentlich noch, wenn wir den Abände­rungsantrag noch nicht einmal kennen, die Zahlen nicht kennen? Dieses Schauspiel passt echt zu dem der letzten Wochen und Monate, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.) Es wäre eine gewisse Art von Respekt gegenüber dem Hohen Haus, einen solchen Antrag nicht erst einen Tag vor der Abstimmung zu verteilen. Vielleicht kommt dieser Notfallplan aber auch daher, dass durch uns festgestellt worden ist, dass das vorliegende Budget verfassungswidrig ist.

Wenn wir uns dem Tourismusbereich zuwenden, dann muss man sich dessen bewusst sein, dass aufgrund der von der Regierung gesetzten Maßnahmen, aufgrund der Be­triebsschließungen, 40 Prozent der Gastronomie- und Hotelleriebetriebe ums Überleben kämpfen. Da verstehe ich nicht, wie man wegschauen kann, wie man eine Branche so im Stich lassen kann. Im Budget kommt Tourismus quasi gar nicht vor. Es gibt ja nicht einmal Antworten, wie die Wirkungsziele erreicht werden sollen. Es gibt im Budget keine Angaben dazu, keinen Plan, keine Zahlen, keine Covid-19-Zahlen, keine Planungssi­cherheit für die Unternehmen. Wird das neu gemacht? Wird das neu dargestellt? – Da­rauf bin ich gespannt.

Härtefallfonds und Fixkostenzuschuss wurden als Soforthilfen angepriesen, als die größ­te staatliche Rettungsaktion seit 1945. Sprechen Sie mit den Unternehmerinnen und Un­ternehmern? – Sie sind enttäuscht von den nicht gehaltenen Versprechen. Sie haben genug vom Spielen mit der Angst, sie haben genug vom Wecken falscher Hoffnungen, und sie sind müde von bürokratischen Hürdenläufen und Aktionen, die sie kopfschüttelnd zur Kenntnis nehmen, wie der Reduzierung der Getränkesteuer oder der Schaumwein­steuer. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Wahrheit ist: Härtefallfonds und Fixkostenzuschuss sind Tropfen auf den heißen Stein und keine echte Hilfe, weit entfernt von der Lebensrealität; und Stundungen sind nur ein Aufschub. Branchenexperten wurden unter Garantie nicht einbezogen und ge­fragt, was gebraucht wird. Wohin das angekündigte Geld fließt, ist auch nicht klar. Bei den Unternehmerinnen und Unternehmern kommt es jedenfalls nicht an. Unverständlich ist auch das Lob des Fachgruppenobmanns in der WKO Mario Pulker. Es stellt sich die Frage: Wen vertritt der eigentlich?

Die Auswirkungen der Säumigkeit der Regierung werden verheerend sein, weitere Ar­beitslose sind sehr wahrscheinlich, wenn nicht sofort etwas getan wird. Das Einzige, was jetzt hilft, ist, sich aus der Krise hinauszuinvestieren, Geld in die Hand zu nehmen, um Existenzen zu sichern, und zwar Existenzen von Menschen, die nichts dafürkönnen, dass sie in diese Lage gekommen sind. Dazu wird es nicht genug sein, die Österreich Werbung mit 40 Millionen Euro zu bedenken oder eine geringe Erhöhung der Mittel für die österreichische Tourismusbank vorzusehen.

Spannend wird, in welcher Form Finanzminister Blümel nunmehr Nachbesserungen im Budget vorsieht. Hoffentlich bleibt unterm Strich nicht noch weniger für die Unternehmen übrig.

Wir schauen nicht untätig zu. Wir bringen dazu noch einmal zwei Anträge ein, zwei Hilfs­pakete, eines für die Beherbergungsbetriebe und Hotels und eines für Gastwirte. In die­sen Anträgen fordern wir die Bundesregierung auf, jedem österreichischen Haushalt Gutscheine zuzusenden, die bei Gastronomie- und Beherbergungsbetrieben bis Ende Dezember eingelöst werden können. Das ist eine Sofortmaßnahme, und damit unterstüt­zen wir unsere heimischen Betriebe jetzt. Da können Wien und Bürgermeister Ludwig sehr wohl zum Vorbild genommen werden, denn da wurde das schon gemacht und es funktioniert. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Schmuckenschlager.)


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Ich ersuche Sie alle, im entsprechenden Ausschuss den Anträgen zuzustimmen, um diesen Bereich endlich zu unterstützen.

Zum Schluss möchte ich noch einmal die Reisefreiheit als Hilfe für die Tourismusbranche erwähnen, und zwar die Vorhaben für den Sommer: Es wird wie gesagt nicht genug sein, 40 Millionen Euro in die Werbung zu stecken, um Urlaub in Österreich zu bewerben. Viele Menschen haben nämlich derzeit gar kein Geld, um überhaupt an Urlaub zu den­ken. Es wäre besser, die Betriebe zu sichern, Arbeitsplätze zu erhalten und damit die Konsumkraft zu erhalten.

Dass Sie die Grenzen in erster Linie nur für Deutschland und die Schweiz öffnen wollen, legt nahe, dass sie dadurch die Urlauber im Land behalten wollen. Die bisher guten Be­ziehungen zu unseren südlichen Nachbarn verlangen jedoch auch, die Grenzen in den Süden zu öffnen, zumal Slowenien und Kroatien ähnliche Zahlen wie Österreich haben und die Schweiz weit höhere Zahlen. Welche Gründe gibt es sonst?

Frau Ministerin, Sie haben vorhin gesagt, Sie wollen gezielt fördern. Ich frage im Namen von Tausenden: Wie? Ich fordere Sie daher auf, Ihrer Verantwortung als Tourismusmi­nisterin nachzukommen und sich um die Menschen zu kümmern, die zu Ihrem Verant­wortungsbereich gehören. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.46


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Gabriel Obernosterer. – Bitte.


17.46.36

Abgeordneter Gabriel Obernosterer (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren zu Hause vor den Fernsehschirmen! Bitte nicht erwarten, dass ich jetzt irgendwie auf die Wortmeldun­gen der Oppositionsparteien eingehe. (Abg. Kucher: Ja, genau!) Wirklich nicht, wirklich nicht! (Ruf bei der SPÖ: Schade!) Die Zuschauer zu Hause werden sich ihr Bild machen.

Wenn ich da aber jetzt so zuhöre, habe ich das Gefühl, da herinnen, zumindest bei den Oppositionsparteien, weiß kein Mensch mehr, was heuer im Frühjahr, am 15. März, eigentlich passiert ist, welche Krise da über uns hereingebrochen ist. Anscheinend weiß niemand nicht mehr, was in Italien passiert ist, was jetzt in New York gewesen ist, was in Frankreich gewesen ist und warum es diese Maßnahmen überhaupt gegeben hat, damit wir jetzt da sind, wo wir sind. (Zwischenruf des Abg. Loacker.) Die Regierung mit allen Ministern und Kurz und Kogler an der Spitze – es ist ihre Aufgabe, das weiß ich – braucht niemand zu beneiden. Seit Mitte oder Anfang März wird Tag und Nacht nach­gedacht, wie wir unser Land so gut wie möglich durch diese Krise führen können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wie gut wir bis jetzt durch die Krise gekommen sind, zeigen alle Zahlen. Das möchte ich nicht wiederholen, das ist immer wieder gesagt worden. Wenn wir jetzt beim Tourismus sind – Frau Bundesministerin, Sie sind ja auch Ministerin für Tourismus –: Wir sind eines der ersten Länder, die jetzt komplett aufsperren können. Natürlich gibt es gewisse Ver­ordnungen, an welche Bedingungen wir uns halten müssen, aber nicht, weil man böse ist. Redet einmal mit den Hoteliers draußen! Ich bin auch Hotelier, und ich rede auch mit den Kindern zu Hause. Soll ich euch sagen, was unsere Kinder zu Hause sagen? – Eine unserer größten Ängste ist, dass niemand mehr weiß, was mit Corona passiert ist, und alles aufgeht, sodass wir eventuell Mitte August wieder zusperren müssen. Wir wissen, was dann los ist! (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Frau Bundesminister Köstinger, Sie sind dafür verantwortlich und verhandeln mit den anderen Ministerien. Sie haben uns eine Verordnung vom Gesundheitsministerium ge­bracht, gemäß der wir aufsperren können, mittels derer gewährleistet ist, dass es einen


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gewissen Schutz der Mitarbeiter und auch einen gewissen Schutz der Gäste gibt. Da sind wir wirklich sehr, sehr liberal.

Ich habe mir angeschaut, was es in anderen Ländern gibt, und ich erwähne hier nur ein paar Beispiele. In bestimmten Ländern muss man sich zum Beispiel registrieren lassen, wenn man essen geht, seine Herkunft und seine Adresse bekannt geben. In Bayern gibt es heute noch die 22-Uhr-Sperrstundenregelung – bei uns 23 Uhr. Es gibt Länder, in denen Buffets verboten sind – bei uns sind sie unter gewissen Bedingungen erlaubt. Es gibt Länder, in denen alle Saunen zugesperrt sind – bei uns dürfen sie unter gewissen Voraussetzungen aufsperren. Es gibt Länder, in denen die Hotels ihre Betten nur zu 50, zu 70 oder 80 Prozent belegen dürfen – wir dürfen alle Zimmer belegen, damit wir wirt­schaftlich sind. Die Abstandsregelung gibt es überall auf der Welt – bei uns muss es 1 Meter sein, in anderen Ländern müssen es 1,5 oder gar 2 Meter sein. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Schaut auch den internationalen Vergleich an! Diese Krise ist kein rein österreichisches, sondern ein globales Problem. Ich hoffe wirklich, dass wir dieses Jahr übertauchen, ohne dass wir einen Rückschlag haben.

Eines sage ich euch auch, liebe Leute von der Opposition: Wenn man in der Opposition ist, muss man kritisieren, das ist alles wichtig und gut, aber alles schlechtzureden ist nicht okay. (Zwischenrufe der Abgeordneten Loacker und Vogl.) Auch ihr habt eine Ver­antwortung gegenüber der österreichischen Bevölkerung. Verunsichert die Leute nicht! Der Wähler wird entscheiden, auch in den Umfragen sagt er, wem er glaubt, ob er euch glaubt oder dieser Regierung.

Danke, Frau Bundesministerin, dass Sie sich so für uns einsetzen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

17.51


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Franz Hörl. – Bitte. (Abg. Loacker: Es ist alles super! Klappe, die zweite!)


17.51.28

Abgeordneter Franz Hörl (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Liebe Kollegen hier im Parlament! Ich kann das, was Gabriel gesagt hat, nur unterstrei­chen und ich darf euch schon eines sagen: Am 13. März ist auch für mich die Welt zu­sammengebrochen.

Die Zeit nachher war schwierig. Es ist aber noch schwieriger geworden, als wir dann gesehen haben, dass wir eigentlich eine ganz schlechte Perspektive haben. Wir werden die 31 Millionen Nächtigungen, die wir im Jahr davor gehabt haben, in diesen Monaten in Österreich nicht mehr aufholen, und der durch diesen Lockdown eingetretene Scha­den liegt bei 2 Milliarden Euro. Ich habe im April gemeinsam mit meinem neuen Kam­merpräsidenten in Tirol eine Wertschöpfungsstudie erstellen lassen, und wir sind drauf­gekommen, dass wir allein in Tirol bis Weihnachten im besten Fall 2 Milliarden Euro an Wertschöpfung verlieren werden, im schlechtesten Fall 5 Milliarden Euro. Mit dieser Wertschöpfungsstudie bin ich natürlich dann zur Politik gegangen und habe versucht, die Dinge zu ändern.

Wenn ich mir das heute anschaue, bin ich froh, dass es eben nicht ganz so schlimm kommen wird. Die deutsche und die Schweizer Grenze sind offen, das war damals nicht absehbar. Außerdem dürfen die Betriebe, wie wir wissen, jetzt wieder in Betrieb gehen. Die Gastro ist offen, die Hotellerie sperrt am Wochenende auf, und auch die Lifte gehen am Wochenende wieder in Betrieb. Auch das war damals nicht absehbar. Diese Öffnung erfolgt zwar laut Verordnungen erst jetzt, also recht spät, aber immerhin.

Das Budget der Österreich-Werbung ist um 40 Millionen Euro erhöht worden, die LTOs machen Werbung in allen Medien. Es gibt ein Wirtepaket – auch wenn es von dir kritisiert


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wird, Sepp Schellhorn –; immerhin wurde die Schaumweinsteuer abgeschafft, darum ha­ben wir lange gebeten. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.) Mit der Einführung der neuen Obergrenze für pauschalierte Betriebe wird eine alte Forderung erfüllt, und es werden von der Frau Bundesminister Testungen von Mitarbeitern im Tourismusbereich ange­leiert.

Was hat funktioniert? – Die Stundungen der Steuern und bei den Krankenkassen haben meiner Meinung nach funktioniert – ich höre da wenig –, und in Tirol haben diese 500 000-Euro-Kredite grosso modo bei vielen auch gut geklappt. Kurzarbeit, das Modell für Europa: Sie ist zigmal geändert worden, genauso wie der Härtefallfonds. Natürlich ist das geändert worden, weil wir dahinter waren, weil der Wirtschaftsbund, die Wirtschafts­kammer, die Experten dahinter waren und weil wir immer wieder zur Regierung gegan­gen sind und gesagt haben: Wir müssen nachbessern! – Und die Regierung – und das sehe ich schon als großen Vorteil – hat nachgebessert, und deshalb ist die Kurzarbeit heute ein Modell, wie es in ganz Europa nicht zu sehen ist. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Seit 20. Mai kann man die Fixkostenzuschüsse beantragen. Seit heute Nachmittag, ganz neu, gibt es den Neustartbonus. Damit versuchen wir, die Menschen mit kreativen Ideen aus der Kurzarbeit herauszuholen und sie dann wieder in die Betriebe hineinzubringen. Dann gibt es noch etwas – und dafür, Frau Bundesminister, bin ich dir ganz besonders dankbar –, nämlich das Projekt Mitarbeitertestungen in der Hotellerie. Das wird nicht rei­chen. Ich bin davon überzeugt, wir werden eine Testinfrastruktur über das ganze Land aufbauen müssen, wenn wir die nächste Wintersaison mit dem Virus einigermaßen si­cher überleben wollen, damit wir arbeiten können.

Meine Damen und Herren, ich brauche keine Steuergeschenke, sondern ich brauche einen sicheren Betrieb, und damit ich gut schlafen kann, muss sicher sein, dass ich in der Früh meinen Betrieb aufsperren und Geschäft machen kann. Das ist das Allerwich­tigste (Zwischenrufe der Abgeordneten Kucher und Vogl), da können Sie noch so lange herumschreien. Sie kritisieren nur! Sie sagen, das ist alles schlecht. Es funktioniert das eine oder andere schwerfällig, da gebe ich Sepp Schellhorn recht, aber über vieles von dem, was in diesen letzten zwei Monaten gemacht wurde, haben sich viele Menschen sehr viele Gedanken gemacht.

Denken Sie nur an den Härtefallfonds – weil Sie uns in der Wirtschaftskammer immer wieder kritisieren (Abg. Kucher: ... Bürokratie!) –: Hunderte von Mitarbeitern haben Wo­chenende für Wochenende durchgearbeitet, haben in Phase eins und Phase zwei An­träge ausgefüllt, haben geschaut, dass die Leute zu ihrem Geld kommen. (Zwischenruf des Abg. Vogl.) Stimmt, es gab Fehler, es gab Überweisungen, die wir anders hätten machen sollen, aber auch da wurde nachgearbeitet.

Nehmen Sie also bitte zur Kenntnis, dass diese Regierung bereit ist, auf Vorschläge einzugehen, sie zu reparieren, es besser zu machen, und davon können Sie sich alle eine Scheibe abschneiden! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Vogl: Der Bundespräsident kann sich eine Scheibe abschneiden! – Abg. Matznet­ter: ... Werbung für den Landesrat Tilg ...! – Gegenrufe bei der ÖVP.)

17.55


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Nikolaus Prinz. – Bitte.


17.55.36

Abgeordneter Nikolaus Prinz (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Jeder Euro des Landwirtschaftsbudgets ist gut investiertes Geld in unsere bäuerlichen Familien. Die bäuerlichen Familien, egal ob im Zu-, Voll- oder Neben­erwerb bewirtschaftet wird, leisten wertvolle Arbeit. Aufgrund der Coronapandemie sind unsere Preise natürlich massiv unter Druck gekommen.


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Das beste Hilfsmittel für unsere bäuerlichen Familien ist, wenn die Konsumenten hei­mische Lebensmittel kaufen. Handelsketten sollten da unsere Partner sein und nicht – wie offensichtlich Spar – ausländische Produkte zu Schleuderpreisen anbieten, bei­spielsweise ausländische Butter um 99 Cent das Viertelkilo in das Regal legen. Vielmehr sollte es eine regionale Theke geben, wo die heimischen Lebensmittel präsentiert wer­den. Das hätte Vorteile für die Konsumenten, für die Bauern, für die Verarbeitungsbe­triebe und für die Handelsketten. Vielleicht kann sich Generaldirektor Drexel einmal an­schauen, wie das Sutterlüty in Vorarlberg in der Coronakrise macht: Da hat man mit einer regionalen Theke den regionalen Absatz wesentlich erhöht. – Das ist ein gutes Beispiel. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Geschätzte Frau Bundesminister, ein Wort zur Gemeinsamen Agrarpolitik: In den nächs­ten Wochen und Monaten werden da viele wichtige Entscheidungen fallen. Es geht da­rum, die Mittel auf europäischer Ebene zu erkämpfen und dann innerhalb von Österreich zu schauen, wo wir Handlungsbedarf haben, Stichwort Grüner Bericht, um dort Akzente zu setzen – beispielsweise im Grünland, in Berggebieten, in benachteiligten Gebieten. Nur wenn sich die Bewirtschaftung einigermaßen rentiert, können die bäuerlichen Fa­milien auch in Zukunft Grünland bewirtschaften. – Danke für das Bekenntnis der Bundes­regierung zur Absicherung der heimischen Landwirtschaft im Regierungsprogramm!

Die letzten Wochen haben gezeigt, wie wichtig der Breitbandausbau ist. Denken wir al­leine an die Möglichkeiten und Chancen im Homeoffice!

Als Bürgermeister einer kleinen Gemeinde möchte ich noch die wertvolle Arbeit der Mit­arbeiterinnen und Mitarbeiter der Wildbach- und Lawinenverbauung ansprechen. Alleine mit dem Mehr von 56 Millionen Euro im Budget gegenüber 2019 sind einerseits das La­winenverbauungsprogramm und andererseits auch das Aktionsprogramm Hochwasser­sicheres Österreich abgesichert. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.)

Meine Damen und Herren, die bäuerlichen Familien und der ländliche Raum sind bei dieser Bundesregierung, bei Bundesministerin Köstinger und Bundeskanzler Kurz, in sehr guten Händen! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

17.57


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Andreas Kühberger. – Bitte, Herr Abgeord­neter. (Abg. Matznetter: ... ein anderer ... Landesrat ...!)


17.57.57

Abgeordneter Andreas Kühberger (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundes­ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Österreicherinnen und Österrei­cher! Die österreichischen bäuerlichen Familienbetriebe leisten großartige Arbeit in un­serem Land, darauf kann man wirklich sehr, sehr stolz sein. Wir müssen ihnen aber auch den Respekt zollen, den sie verdienen. Unsere Bauernfamilien verdienen es, dass wir ihr Eigentum schützen, sie haben aber vor allem auch von der Gesellschaft und von der Politik Anerkennung verdient.

Wir stehen momentan vor großen Herausforderungen in der Landwirtschaft; wir haben es gehört: Klimaveränderung, Trockenheit, Dürre, der Borkenkäfer im Forst. (Zwischen­ruf des Abg. Vogl.) Andererseits will die Gesellschaft von unseren bäuerlichen Fami­lienbetrieben in vielen Bereichen Höchstleistungen haben, aber leider nur Tiefpreise zahlen. Kollegin Ecker und Kollege Schmiedlechner haben es vorhin angesprochen: In den ersten Tagen dieser Krise, als es Hamsterkäufe gab, haben wir alle auch in unseren Heimatgemeinden gesehen, wie es ist, wenn die Lebensmittelregale leer sin


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d.

Die Frau Bundesministerin hat es vorhin erklärt: Es war ein Gerücht, das damals die Runde machte. Die Lebensmittelversorgung war nie gefährdet, aber wir haben gesehen, was passieren kann, wenn die Lebensmittelversorgung nicht funktionieren würde. Darum bin ich sehr froh, dass sie funktioniert. Und dieses Budget für den Bereich Landwirtschaft, das wir hier beschließen werden, steht für genau dieses Funktionieren, meine Damen und Herren! Es steht für Versorgungssicherheit, es steht für Investitionen und Planungs­sicherheit für unsere Bäuerinnen und Bauern.

Ich möchte Danke sagen: Ich danke dir, liebe Frau Bundesministerin, und ich danke auch unserem Finanzminister für dieses Budget, denn Versorgungssicherheit kann man nicht importieren! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

18.00


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Rebecca Kirchbau­mer. – Bitte. (Abg. Matznetter: Frau Präsidentin, warum sprechen da so wenige von ...? So kann es ...!)


18.00.12

Abgeordnete Rebecca Kirchbaumer (ÖVP): Frau Präsidentin! Werte Frau Bundesmi­nisterin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! Ja, also das Schauspiel der SPÖ ist wirklich ein Wahnsinn. Frau Abgeordnete Vorder­winkler hat ja vorhin gesagt, wir machen ein Schauspiel. Anscheinend ist es bei euch nicht angekommen, dass die Coronakrise bei Weitem noch nicht bewältigt ist.

Wir können Gott sei Dank aufgrund unserer Maßnahmen, die gesetzt worden sind, jetzt in eine sogenannte Normalität übergehen. Gott sei Dank können wir das, und Gott sei Dank können wir am Freitag auch die Beherbergungsbetriebe wieder aufsperren, denn der Tourismus ist in Tirol und in ganz Österreich der Wirtschaftsmotor schlechthin. Jeder profitiert indirekt oder direkt vom Tourismus.

Liebe SPÖ, machen Sie sich in Zukunft bitte nicht mehr lächerlich als die Partei, die sich jetzt und in Zukunft bei Unternehmerinnen und Unternehmer auskennt! (Zwischenruf des Abg. Matznetter.) Wissen Sie, wo Sie sich auskennen? – Am Stammtisch vielleicht, als Gast, aber Sie haben keine Ahnung, wie man sich als Unternehmer fühlt, wie ein Betrieb zu führen ist. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Also bei aller Wertschätzung: Schuster, bleiben Sie bei Ihren Leisten, bitte! (Beifall bei ÖVP und Grünen.) Es ist ja mittlerweile fast schon peinlich, wie Sie mit aller Gewalt – mit aller Gewalt! – versuchen, irgendwie irgendetwas an den Haaren herbeizuziehen und grundsätzlich die Regierung in den Dreck zu ziehen. (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.) Also etwas anderes können Sie gar nicht mehr. Es ist nur mehr peinlich, richtig peinlich. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Eines sage ich Ihnen jetzt auch: Sich hierherzustellen und zu sagen, wir sprechen nicht mit den Unternehmerinnen und Unternehmern (Zwischenrufe bei der SPÖ) – also bitte, Sie sind nichts anderes als Angestellte im öffentlichen Dienst und sonst nirgends, bei aller Wertschätzung. (Zwischenruf des Abg. Kucher.) Das ist also unglaublich. (Zwi­schenruf des Abg. Loacker. – Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Liebe Österreicherinnen und Österreicher, wir bedanken uns bei Ihnen recht herzlich, dass Sie die Maßnahmen, die wir gesetzt haben, so umgesetzt haben, dass wir jetzt in der Lage sind, wieder in die Normalität zurückkehren zu können. Wir hoffen, dass es auch weiterhin so bleibt, und es ist gut, dass wir nicht so schlecht dastehen, wie andere Länder. Ich danke auch unserer Bundesministerin, die uns immer Gehör schenkt und immer auf unserer Seite ist, ob das in der Landwirtschaft oder im Tourismus ist.

Abschließend: Machen Sie Urlaub in Österreich, wir freuen uns, Sie als Gäste begrüßen zu dürfen! – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

18.02


Präsidentin Doris Bures: Zu einer tatsächlichen Berichtigung erteile ich Frau Abge­ordneter Cornelia Ecker das Wort. – Bitte, Frau Abgeordnete.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 464

18.03.18

Abgeordnete Cornelia Ecker (SPÖ): Ich möchte auf meine Vorrednerin replizieren, die mir jetzt mit Ignoranz nicht zuhört: Auch wir in der SPÖ haben erfolgreiche Unterneh­merInnen unter uns, ich bin selbst eine, ich habe mit Stolz das elterliche Unternehmen übernommen. (Abg. Eßl: Redezeit! Redezeit!)

Diese Boshaftigkeit lasse ich so nicht stehen, das ist falsch – auch wir haben erfolgreiche Unternehmer. (Beifall bei der SPÖ. Abg. Eßl: Das war eine Wortmeldung!)

18.03


Präsidentin Doris Bures: Mir liegt eine zweite Wortmeldung zu einer tatsächlichen Berichtigung vor, und ich weise davor noch darauf hin: Das war natürlich unmittelbar danach, daher hat man den Zusammenhang erkannt, aber bei einer tatsächlichen Be­richtigung ist zuerst der Sachverhalt zu formulieren, auf den man sich bezieht. Ich er­suche bei der nächsten tatsächlichen Berichtigung darum.

Nächster Redner mit einer tatsächlichen Berichtigung: Herr Abgeordneter Reinhold Ein­wallner. – Bitte. (Rufe bei der ÖVP: Das war Redezeit!)


18.04.20

Abgeordneter Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ): Ich berichtige die Ausführungen der Kollegin Kirchbaumer tatsächlich: Die Aussage, die SPÖ hätte in ihren Reihen keine Unternehmer, ist nicht richtig, ist falsch.

Ich bin auch Unternehmer und führe seit vielen, vielen Jahren ein Unternehmen. Das war also eine unwahre Aussage der Frau Kollegin. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Kirchbaumer.)

18.04


Präsidentin Doris Bures: Danke vielmals.

Jetzt liegt mir noch eine Wortmeldung zu einer tatsächlichen Berichtigung vor. – Frau Abgeordnete Petra Oberrauner, bitte. (Heiterkeit bei Abgeordneten von ÖVP und FPÖ. – Abg. Wurm: Frau gegen Frau!)


18.05.06

Abgeordnete Mag. Dr. Petra Oberrauner (SPÖ): Ich weiß jetzt eigentlich nicht, warum Sie lachen. Ich möchte berichtigen: Die SPÖ hat sehr wohl Unternehmerinnen und Un­ternehmer in ihren Reihen. Ich kann zumindest von mir sagen, dass ich mir 17 Jahre lang meine Euro auf dem freien Markt selbst verdient habe, zahlreiche Ansiedlungen gemacht habe und Erfahrung in zahlreichen Fonds gesammelt habe (demonstrativer Beifall bei Abgeordneten der ÖVP), aber ich muss Ihnen auch sagen, diese Inkompe­tenz, andere so hinzustellen, als wären sie blöd, um von sich selbst abzulenken, finde ich einfach lächerlich. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ. Abg. Eßl: Redezeit!)

18.05


Präsidentin Doris Bures: Gut, da es in der Folge der Fall sein kann, dass es weitere tatsächliche Berichtigungen gibt, möchte ich noch einmal darauf verweisen, dass die Geschäftsordnung vorsieht, dass zuerst die zu berichtigende Behauptung dargestellt werden muss und dann die Richtigstellung erfolgen soll, die ja auch erfolgt ist.

Die nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Gertraud Salzmann; sie ist nicht zu einer tatsächlichen Berichtigung, sondern für einen Redebeitrag zu Wort gemeldet. – Bitte. (Abg. Eßl: Das gehört bei der SPÖ angerechnet, was die gemacht haben!) – Das sieht die Geschäftsordnung anders vor.


18.06.18

Abgeordnete MMMag. Gertraud Salzmann (ÖVP): Werte Frau Ministerin! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Der


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Tourismus ist in Österreich nicht nur ein bedeutender Wirtschaftsfaktor, sondern schafft direkt und indirekt in zahlreichen Branchen viele Arbeitsplätze. Gerade diese Wochen sind schwierige Zeiten, vor allem auch für die Gastronomie und die Hotellerie, weil der Shutdown, der Lockdown, für diese Branche sehr, sehr einschneidend war, deshalb hat die Bundesregierung da auch sehr beherzt wesentliche Maßnahmen getroffen. Ich ver­weise wieder einmal auf das Wirtepaket mit 500 Millionen Euro und möchte mich dies­bezüglich bei Ihnen, Frau Bundesminister, sehr herzlich bedanken. Sie schauen nicht nur auf unsere touristischen Betriebe, Sie schauen auf unsere Regionen und Sie haben wirklich auch einen guten Blick für Maßnahmen, die notwendig sind.

Im Bereich der Kultur, meine Damen und Herren, ist es jetzt dank der sanften Öffnungen und Lockerungen möglich, etliche Veranstaltungen zu machen. Die Kultur ist für den Tourismus ein wichtiger Motor und ein wesentlicher Bestandteil, ich verweise auf die Salzburger Festspiele. Als Salzburgerin freue ich mich besonders, dass die Salzburger Festspiele zwar in abgespeckter Form und unter großen Sicherheitsvorkehrungen, aber trotzdem zum 100-Jahr-Jubiläum im August stattfinden können.

Der ländliche Raum ist ein wesentlicher Bereich. Für uns im ländlichen Raum ist es wichtig, durch den Tourismus zahlreiche Beschäftigungsmöglichkeiten und Einnahme­quellen zu haben. Es erfolgt eine enge Kooperation mit den lokalen Unternehmen, mit der lokalen Wirtschaft und vor allem auch mit der Landwirtschaft. Die ländlichen Re­gionen sind auch in zahlreichen Maßnahmen im Budget abgebildet, ich verweise nur auf den Ausbau der digitalen Infrastruktur, auf das Gemeindepaket in Höhe von 1 Milliarde Euro, auch auf die 300 Millionen Euro für den öffentlichen Nahverkehr.

Abschließend, meine Damen und Herren: Ob es das schöne Salzburger Land ist, ob es die Kärntner Seen sind, ob es die wunderschönen Städte sind – man könnte vieles auf­zählen –, Österreich hat so viel zu bieten. Es liegt jetzt auch an jedem einzelnen von uns, unsere Tourismusbetriebe zu unterstützen. Machen wir Urlaub in Österreich! Ich tu es. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

18.08


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Carina Reiter. – Bitte.


18.08.57

Abgeordnete Carina Reiter (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer! Ein wichtiges Ziel ist, dass die nachhaltige Entwicklung moderner und dynamischer länd­licher Regionen gesichert ist. Meiner Meinung nach sind da folgende Bereiche beson­ders bedeutend: die Stärkung des Schutzes der Bevölkerung und der Lebensräume vor Naturgefahren. Ziel ist es zum Beispiel, 3 000 Wohnprojekte pro Jahr zumindest vor ei­nem Jahrhunderthochwasser zu schützen, entweder durch eine Neuerrichtung oder durch eine Verbesserung des bestehenden Hochwasserschutzes.

Die Förderung des Breitbandausbaus mit dem Ziel eines flächendeckenden Ausbaus von ultraschnellen Breitbandzugängen ist ebenso essenziell. Besonders für Gebiete, die in der Erschließung nicht unbedingt rentabel sind, ist das extrem wichtig. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Zur Stärkung unserer ländlichen Regionen braucht es aber vor allem auch eine Stärkung unserer vielfältigen kleinstrukturierten Landwirtschaft. Unsere bäuerlichen Familienbe­triebe sichern maßgebliche Grundlagen für die Lebensqualität im ländlichen Raum. Un­sere Landwirtschaft ist durchgängig systemrelevant, unsere Bäuerinnen und Bauern versorgen uns täglich mit gesunden, hochwertigen und regionalen Lebensmitteln. Ge­rade jetzt sehen wir, wie wichtig eine funktionierende Landwirtschaft ist. Das muss uns etwas wert sein.


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Das Budget in der Untergliederung Landwirtschaft, Regionen und Tourismus ist ein Be­kenntnis zum ländlichen Raum und zu unserer österreichischen Landwirtschaft – gelebte Regionalität auch beim Budget für unsere lebenswerten Regionen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Ruf bei der SPÖ: Wo ist das Budget?!)

18.10


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Klaus Lindinger. – Bitte.


18.10.49

Abgeordneter Ing. Klaus Lindinger, BSc (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Österrei­cherinnen und Österreicher! Die Coronakrise hat eines ganz klar gezeigt, und zwar, dass die Landwirtschaft systemrelevant ist. Unsere Bäuerinnen und Bauern sorgen dafür, dass wir qualitativ hochwertige Lebensmittel haben und dass drei Mal am Tag der Tisch gedeckt ist. Auf unsere Bäuerinnen und Bauern ist zu 100 Prozent Verlass, dafür ein großes Dankeschön! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir müssen uns aber auch die Frage stellen: Was wäre, wenn wir unsere bäuerlichen Familienbetriebe in Österreich, so wie wir sie haben, nicht mehr hätten? – Wir wären abhängig von vielen verschiedenen äußeren Ein­flussfaktoren, die Versorgungssicherheit wäre infrage gestellt, und die Qualität, die wir bei unseren Produkten heute vorweisen können, hätten wir sicher nicht. Deshalb braucht es dieses Budget im Bereich der Landwirtschaft, der Regionen und des Tourismus, es braucht eine rasche Entscheidung hinsichtlich des Mehrjährigen Finanzrahmens, es braucht auch ausreichend finanzielle Mittel in der Gemeinsamen Agrarpolitik, vor allem in der zweiten Säule, und es braucht Rahmenbedingungen dafür, dass unsere bäuerli­chen Betriebe positiv wirtschaften können.

In Österreich werden 22 Prozent der bäuerlichen Höfe von jungen Betriebsführerinnen und Betriebsführern bewirtschaftet; in dieser Hinsicht sind wir EU-weit Europameister. Meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Entwicklung muss auch so fortgeführt werden, und deshalb müssen wir die Modernisierung, die Innovation und den Unterneh­mergeist dementsprechend fördern, zum Beispiel mit Programmen wie dem Jungbau­ernzuschuss oder der Investitionsförderung. Damit sichern wir nachhaltig die Landwirt­schaft in Österreich. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

18.12


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Irene Neumann-Hart­berger. – Bitte.


18.12.56

Abgeordnete Irene Neumann-Hartberger (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Ministerin! Herr Minister! Hohes Haus! Die Bundesregierung bekennt sich im Regie­rungsprogramm sehr deutlich zur heimischen Land- und Forstwirtschaft, zum Erhalt der bäuerlichen Familienbetriebe und auch zur Verbesserung der Kennzeichnung von Le­bensmitteln.

Die verpflichtende Herkunftskennzeichnung von verarbeiteten Lebensmitteln stellt eine langjährige, zentrale Forderung der Arge Bäuerinnen, der Landwirtschaftskammern und des Bauernbundes dar. Seitens der Interessenvertretung arbeiten wir seit Jahren mit vielen unterschiedlichen Aktionen an der Sensibilisierung und der Bewusstseinsbildung bei den Konsumentinnen und Konsumenten für den Griff zu österreichischen Lebens­mitteln im Regal. Dazu braucht es im Gegenzug eine einfache und deutlich erkennbare Herkunftskennzeichnung.

An die Kolleginnen und Kollegen der freiheitlichen Fraktion, weil es auch von Ihnen einen Antrag dazu gibt: Ja, ich stimme Ihnen zu, die verpflichtende Herkunftskennzeichnung


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für verarbeitete Lebensmittel brauchen wir. Ich frage mich nur: Warum haben Sie das in Ihren Jahren als Regierungspartei (Heiterkeit des Abg. Vogl) und noch dazu mit der Zuständigkeit in Ihrem Ressort nicht längst umgesetzt? Ich bin aber überzeugt davon, dass uns das jetzt gelingen wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Die Verbraucherinnen und Verbraucher haben nämlich ein Recht darauf, leicht zu er­kennen, woher ein Produkt stammt, das sie kaufen möchten. Dieses Wissen wollen wir bereits bei Schulkindern durch Lehrinhalte im Bereich der Lebensmittelkompetenz und Verbraucherbildung schaffen.

Die Krise hat der Bevölkerung verdeutlicht, dass es unsere Bäuerinnen und Bauern sind, die Lebensmittel 365 Tage im Jahr produzieren. Die Wertschätzung für regionale und saisonale Produkte ist schlagartig gestiegen. Nutzen wir dieses neue Verständnis! Hel­fen wir alle mit! Seien wir Vorbild beim Griff ins Regal! Geben wir österreichischen Pro­dukten den Vorzug! Es müssen nicht Erdbeeren im Jänner sein oder ein Steak, das um den halben Erdball fliegt. (Abg. Loacker: Fragen Sie die ÖVP, was Sie einkaufen sollen!)

Ich möchte an dieser Stelle dir, Frau Ministerin, für den kürzlich abgehaltenen Regiona­litätsgipfel danken, verbunden mit der Bitte und der Forderung, die öffentliche Beschaf­fung auf 100 Prozent regional und saisonal umzustellen, auch im Sinne der Klimaneutra­lität, und zwar nicht erst bis 2025, sondern ehestmöglich. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

18.15


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christoph Stark. – Bitte.


18.15.46

Abgeordneter Christoph Stark (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Herr Minister! Nach dem nachmittäglichen parlamentarischen Getöse möchte ich die Diskussion jetzt wieder ein wenig auf eine Überlegung zurückführen, die man sich angesichts dieser Debatte durch den Kopf gehen lassen sollte: Warum hat die Menschheit seit ihrem Be­stehen die allerschwersten Krisen überstanden und besteht nach wie vor? – Weil wir in der Lage sind, in diesen schweren Zeiten immer dazuzulernen. Das sage ich nicht nur, weil unser Herr Bildungsminister im Saal sitzt, sondern weil es einfach Fakt ist, dass wir auch in dieser Krise unheimlich viel gelernt haben.

Bei aller Kritik, die auch berechtigt ist, kann man der Regierung, allen handelnden Per­sonen, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eines nicht absprechen, nämlich dass wir Tag für Tag dazugelernt haben und dazulernen mussten. An dieser Stelle möchte ich all jenen ein Dankeschön aussprechen, die in den Ministerien gearbeitet haben, uns täglich darauf vorbereitet haben – das kann trotzdem nicht verboten sein, auch wenn es Kol­legen Schellhorn nicht immer so passt, dass wir uns bei unseren Ministerinnen und Mi­nistern bedanken. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Dass auch dieses Budget ein Ergebnis eines Lernprozesses ist, zeigt sich daran, dass es Gruppen gibt, die in der Gesellschaft derzeit eine weit höhere Anerkennung genießen als vor der Krise: die Menschen in Gesundheitsberufen, die Verkäuferinnen und Verkäu­fer und vor allem auch unsere Landwirtschaft, von der wir jetzt wissen, was wir an ihr in ihrer Regionalität haben – und das ist im Budget abgebildet. Wir haben gelernt, dass wir das Breitband mehr denn je brauchen und auch brauchen werden – und auch diese Entwicklung ist in diesem Budget abgebildet.

Ich bin unheimlich froh, dass es zusätzlich das Gemeindefinanzierungspaket gibt, dieses kommunale Investitionspaket, das uns Gemeinden, die hier im Kontext mitspielen, er­lauben wird, Breitband mehr Fokus zu geben, um auch diesen Bereich besser auszu­bauen.

Schließlich wissen wir auch, was wir an den Zivildienern haben – auch das haben wir gelernt, dass es da ein höheres Maß an Wertschätzung geben muss, und wir wissen


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 468

auch, dass in diesem Bereich ein wenig der Hut brennt; die kommenden Jahrgänge und die Demografie tragen das Ihre dazu bei.

Liebe Frau Ministerin, ich hoffe, dass dieses Budget die beste Grundlage dafür sein wird, diesen Lernprozess für den Neustart Österreichs fortzusetzen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

18.18


Präsidentin Doris Bures: Mir liegt nun eine Wortmeldung zu einer tatsächlichen Be­richtigung vor: Herr Abgeordneter Andreas Kollross. – Bitte.


18.18.35

Abgeordneter Andreas Kollross (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Kolleginnen und Kollegen! Kollege Stark hat in seiner Rede – das haben heute den ganzen Tag und auch bei diesem Tagesordnungspunkt auch schon andere getan – behauptet, dass er froh ist, dass es ein Gemeindefinanzierungspaket gibt.

Ich berichtige tatsächlich: Es gibt kein Gemeindefinanzierungspaket. Was es gibt, ist eine von 80 Pressekonferenzen und eine Ankündigung (Zwischenrufe bei der ÖVP – Gegenruf des Abg. Vogl), und ansonsten gibt es bis dato wie so oft gar nichts. (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der FPÖ sowie des Abg. Loacker.) Bis dato hat das Gemeindefinanzierungspaket außer eine Ankündigung noch nichts erlebt, bis dato gibt es kein Rendezvous mit der Wirklichkeit. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Eßl: Also wenn das noch immer tatsächliche Berichtigungen sind, dann machen wir das auch!)

18.19


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Josef Hechen­berger. – Bitte.


18.19.33

Abgeordneter Ing. Josef Hechenberger (ÖVP): Geschätzte Frau Präsidentin! Ge­schätzter Herr Bildungsminister! Aber ganz besonders: Liebe Frau Landwirtschaftsminis­terin! Ich darf eingangs stellvertretend für viele Tausend Bauernfamilien in Österreich Danke sagen für deinen Einsatz, für deine Arbeit und für dieses Budget, das vorgelegt wird (Zwischenrufe und Heiterkeit bei der SPÖ – Ruf bei der SPÖ: Unglaublich!), denn an und für sich ist es so, dass wir rund 3 Prozent des Budgets in die Landwirtschaft investieren.

Ich denke, eines ist klar: Mit diesen 3 Prozent garantiert die österreichische Bauernschaft 100 Prozent der Lebensmittelversorgung für die österreichische Bevölkerung, garantiert 100 Prozent gepflegte Kulturlandschaft als Grundlage für den Erholungsraum, als Grundlage für den Tourismus, und mit diesen 3 Prozent garantiert die österreichische Bauernschaft, dass notwendige Investitionen in der Region getätigt werden und somit Arbeitsplätze in der Region gesichert werden; denn eines ist klar: Die Bauernfamilien tragen das Geld nicht ins Ausland, sie investieren jeden Euro, den sie haben, in Öster­reich, in die regionale Wirtschaft und sichern so Arbeitsplätze. (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.)

Abschließend eine Bitte von außen an die Opposition: Denken wir nicht jeden Tag nach, wie wir die Landwirtschaft noch mehr belasten, noch mehr einengen, lassen wir sie arbei­ten, damit wir auch zukünftig gesunde, gute und hochqualitative Lebensmittel haben! – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischen­rufe bei der SPÖ.)


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18.21


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Joachim Schnabel. – Bitte.


18.21.10

Abgeordneter Joachim Schnabel (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesminister! Geschätzter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kolle­gen! Geschätzte Damen und Herren zu Hause! Es gab eine tatsächliche Berichtigung, bei der ich nicht weiß, was berichtigt wurde! (Zwischenrufe der Abgeordneten Heinisch-Hosek und Kollross.) Herr Kollege Kollross sagt, wir haben hier kein Gemeindepaket aufgestellt.

Es ist ja sowieso amüsant, wie Sie das Ganze auf Twitter kommentieren: Als wir das am Montag vorgestellt haben, unser Herr Bundeskanzler und auch Vertreter des Gemeinde- und des Städtebundes, haben Sie auf Twitter kommentiert: Das ist alles Schall und Rauch! (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Kollross.) – Wenn ich das auf Ihre Gemeinde umlege, dann werden Sie circa 350 000 Euro aus diesem Gemeindefinanzierungspaket bekommen. (Oh-Rufe bei der ÖVP.) – Das ist Schall und Rauch?! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.) Sie haben vor drei Wochen gesagt, Sie wissen nicht, wie Sie das Feuerwehrauto finanzieren sollen – mit 350 000 Euro können Sie in Ihrer Gemeinde ganz, ganz viel machen. (Zwischenrufe der Abgeordneten Kollross und Sil­van.) Investieren Sie in die Sicherheit, da haben Sie dann auch nachhaltig etwas ge­macht! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Noch ganz kurz zu den Regionen: Jeder, der an Regionen denkt, hat ein anderes Bild vor Augen und hat vor allem den ländlichen Raum vor sich. 50 Prozent unserer Men­schen in Österreich leben im ländlichen Raum, und diese Krise hat eines gezeigt: dass wir auch im ländlichen Raum eine tolle Infrastruktur brauchen – und die Infrastruktur der Zukunft, das ist das Breitbandnetz. Ich persönlich definiere das über den Glasfaseraus­bau. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Wenn unsere Vorgängergenerationen es geschafft haben, Trinkwasserleitungen zu bau­en, die Stromversorgung aufzustellen, die Abwasserkanalisation umzusetzen, dann wa­ren das damals wahrscheinlich die gleichen Herausforderungen wie heute. Die Aufgabe meiner Generation oder von uns allen ist es, diese Basisinfrastruktur der Zukunft her­zustellen. Das ist auch in unserem Bundesland eine Riesenherausforderung. Wir haben die Masterpläne dazu gemacht. In meiner Region werden nun zwölf Gemeinden von der Sbidi – mit deiner Unterstützung, liebe Frau Ministerin – ausgebaut. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Wir sind da auf dem richtigen Weg, wir müssen diese Basisinfrastruktur für die Zukunft umsetzen, um entsprechend gerüstet zu sein.

Wir brauchen eine digitale Infrastruktur, um den ländlichen Raum digital zu rüsten, denn die 4,5 Millionen Menschen, die im ländlichen Raum leben, brauchen die digitale Zu­kunftsinfrastruktur auch. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

18.23


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Bettina Zopf. – Bitte.


18.23.52

Abgeordnete Bettina Zopf (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Ministerin! Geschätz­ter Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause vor den Bildschirmen! Beginnen möchte ich mit einem Zitat von meiner Kollegin Agnes Totter: Es wurde schon vieles gesagt, aber noch nicht von allen.

Über unsere Lebensgrundlage, die Landwirtschaft, kann nicht genug gesagt werden. Mein Anspruch war es immer, etwas Positives zur Weiterentwicklung des ländlichen Raums in Österreich beizutragen – mit dem Grundsatz: Ökosozial ist, was Arbeit schafft, die Wirtschaft stützt und die Umwelt schützt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Dafür hat niemand so gute Voraussetzungen wie wir in Österreich. Lassen Sie mich ein Beispiel herausgreifen: Durch ein faires Budget im Bereich der Landwirtschaft konnten


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wir vor geraumer Zeit mit der Tourismusform Urlaub am Bauernhof das Beste aus Land­wirtschaft und Tourismus vereinen. Die Nutzung der Kulturlandschaft fällt konfliktfrei mit dem Produktionsauftrag der Landwirtschaft zusammen. Wir haben es geschafft, dass die Landwirtschaft in einer gesunden Kreislaufwirtschaft mit der Kulturlandschaft funk­tioniert. Davon profitieren der Landwirt, der Tourismus und die Wirtschaft. Doch jetzt trifft es die Landwirtschaft mit der Coronakrise doppelt: die Tourismusbranche mit ihren klei­nen und mittleren Unternehmen sowie die Landwirtschaft, die als Zulieferer von Lebens­mitteln vom Tourismus teilweise abhängig ist. Mit einem ausgeglichenen Budget können wir es schaffen, den Sektor Landwirtschaft einerseits weiterhin abzusichern und ihn an­dererseits innovativer, professioneller und wettbewerbsfähiger zu machen. Dafür stellen wir 2,76 Milliarden Euro zur Verfügung.

Abschließend möchte ich aber darauf hinweisen, dass jeder Einzelne von uns die Mög­lichkeit hat, den wirtschaftlichen Wiederaufbau in Österreich im Tourismus und in der Landwirtschaft zu beeinflussen. Kauft regionale Produkte, macht Urlaub in Österreich! Halten wir zusammen und es geht uns allen gemeinsam besser! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

18.26


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Michel Reimon. – Bitte.


18.26.12

Abgeordneter Michel Reimon, MBA (Grüne): Frau Präsidentin! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Werte Kolleginnen und Kollegen! Das war jetzt wirklich eine grässliche Szene, ich finde, die kann man so nicht stehen lassen. (Beifall des Abg. Loacker.)

Da kommt eine Abgeordnete der ÖVP heraus und regt sich über die SPÖ auf, wie schlecht die nicht wäre und was die von Wirtschaft nicht verstehen würde, weil alle im öffentlichen Dienst arbeiten – als wäre das etwas Schlechtes; und dann kommen drei SPÖler zu tatsächlichen Berichtigungen heraus und sagen: Nein, nein, wir sind eh Unter­nehmer!, und niemand sagt: Der öffentliche Dienst ist nichts zum Genieren, der öffentli­che Dienst ist großartig! (Beifall bei den Grünen. – Ruf bei den Grünen: Jawohl!) Wir müssen uns in der Republik vielleicht einmal dafür einsetzen und schauen, dass dieser wieder ein positives Image kriegt. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

In dieser Krise brauchen wir einen funktionierenden Staat, einen funktionierenden öffent­lichen Dienst – und der funktioniert, und dafür werden wir uns einsetzen. Und wenn es von euch niemand sagt, dann sagen es die Grünen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.27


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Markus Vogl. – Bitte.


18.27.20

Abgeordneter Ing. Markus Vogl (SPÖ): Vielleicht zum Schluss noch einmal ein biss­chen etwas, damit man auch versteht, worüber wir diskutieren und warum sich die Op­position aufregt. Ich glaube, dieser türkise Zahlenvoodoo ist einfach zum Verzweifeln.

Frau Ministerin, Sie sagen, 200 Millionen Euro für gewässerökologische Maßnahmen, das ist so super, 540 Millionen Euro werden zusätzlich in die Regionen investiert; wir schaffen in den Regionen 8 000 Arbeitsplätze. – Super! Was Sie nicht dazusagen, ist, dass das Programm auf acht Jahre angelegt ist. Wenn man das durchrechnet, dann ergibt sich ein monatlicher Verdienst – wenn Sie tatsächlich diese Arbeitsplätze schaffen wollen und wenn man nur dadurch, dass man redet, Gewässerökologie verbessert – von 680 Euro. (Bundesministerin Köstinger: Die hebelt man ja!) Frau Ministerin, demgegen­über, was Sie in diesem Land an Jobs schaffen wollen, ist Ryanair ja wirklich noch ein


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super Arbeitgeber. (Zwischenruf des Abg. Höfinger.) Ich glaube, das ist es, was die Leute so verzweifeln lässt: diese Ankündigungspolitik und das, was dann bei den Men­schen ankommt. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben im Bereich der Gewässerökologie im nächsten Jahr beziehungsweise im heu­rigen Jahr 40 Millionen Euro weniger für Agrarumweltmaßnahmen. Einer meiner Vorred­ner hat gesagt, der Bereich der Siedlungswasserwirtschaft sei so wichtig – minus 31,5 Mil­lionen Euro.

Ganz, ganz wichtig ist Folgendes – und ich glaube, das ist der Grund dafür, dass die Landwirtinnen und Landwirte nahezu verzweifelt sind –: Es gibt den Grünen Bericht, der schaut so (den genannten Bericht in die Höhe haltend) aus. Da kann man nachlesen, wie schlecht es um Teile der Landwirtschaft steht – nicht um jeden Teil, aber um viele Teile der Landwirtschaft. Damit die Bäuerinnen und Bauern das lesen können, geben Sie 4,5 Millionen Euro aus, um den Bericht zu erstellen, und die Landwirtschaftskam­mern kriegen weitere 7,5 Millionen Euro. – Das ist das Problem (Bundesministerin Kös­tinger: Was kriegen die Arbeiterkammern?): Es ist viel Geld da, aber manches davon bleibt im System hängen und kommt nicht zu den Bäuerinnen und Bauern. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Zum Schluss noch: Der Herr Bundesminister - - (Abg. Strasser: Populismus ist das!) – Ich weiß nicht, was Populismus ist. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Populismus ist, glaube ich, Zahlen vorzulegen, die nicht der Verfassung entsprechen. (Abg. Strasser: ... an­ders!) Ich glaube, das ist Populismus. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.) Populismus ist, den Leuten zu sagen: Ihr kriegt Hilfe, schnell und unbürokratisch!, die kommt aber nicht an. Das ist populistisch, das verstehe ich unter Populismus.

Eines noch zum Finanzminister: Ich glaube, es ist eine Kombination aus nicht können und nicht wollen. Dass er es kann, kann er heute bis 19 Uhr unter Beweis stellen, indem er ein Budget vorlegt, das der Verfassung entspricht. Dass er nicht will, das hat er schon bewiesen, denn im Bericht zum Beteiligungscontrolling (den genannten Bericht in die Höhe haltend) geht es um den Umsatz der Unternehmen, die dem Staat gehören, um 24 Milliarden Euro, 110 000 Beschäftigte. Wisst ihr, wann der gekommen ist? – Am Tag der Budgetberatungen, am 7. Mai. Und wisst ihr, wann er fertig war? – März 2020. Das heißt: nicht wollen!, und genau das ist das Problem des Finanzministers. (Beifall bei SPÖ und NEOS sowie bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Yılmaz: Wahnsinn!)

18.29


Präsidentin Doris Bures: Mir liegt zur Untergliederung Landwirtschaft, Regionen und Tourismus keine Wortmeldung mehr vor (Abg. Loacker: Es haben noch nicht alle ...!), daher werde ich die Debatte zu diesem Themenbereich jetzt beenden.

Ich danke der Frau Bundesministerin.

18.30.33UG 30: Bildung

UG 31: Wissenschaft und Forschung


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen zu den Untergliederungen 30, Bildung, so­wie 31, Wissenschaft und Forschung, worüber die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Ich begrüße Herrn Bundesminister Faßmann sehr herzlich im Parlament.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Sonja Hammerschmid. – Bitte, Frau Abgeordnete.


18.30.57

Abgeordnete Mag. Dr. Sonja Hammerschmid (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Angesichts dieses Fakebudgets, das wir heute hier diskutieren, habe ich mir auch eine andere Zugangsweise zu dieser Diskussion


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einfallen lassen (eine Flasche Sekt auf das Rednerpult stellend): Probieren wir es einmal so! (Abg. Vogl: Das kannst du nicht ...! – Heiterkeit der Rednerin und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Lieber Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Um zu veranschaulichen, welche Prioritäten die Regierung bei den Coronahilfsmaßnahmen gesetzt hat, habe ich diese Flasche Sekt mitgebracht. In diese Flasche Sekt fließt mehr Coronaförderung als in die zusätzlichen Maßnahmen für jeden einzelnen Schüler und jede einzelne Schülerin (Zwischenrufe bei der ÖVP) angesichts der Situation, in der wir uns jetzt befinden. (Bei­fall bei SPÖ und NEOS.)

25 Millionen Euro für die Abschaffung der Schaumweinsteuer: Jede Flasche Sekt wird mit 1 Euro gefördert. Das hätte ich für unsere Kinder auch gerne, denn was passiert da? – Fördermaßnahmen, die den Schülerinnen und Schülern dabei helfen sollen, die Defizite des Homeschoolings, des Distancelearnings aufzuholen, wurden nicht budge­tiert – kein einziger Euro mehr im Bildungsbudget. 1 Euro für diese Flasche Sekt, 0 Euro für unsere Kinder! Dabei sei dahingestellt, welchen gesellschafts- und makroökonomi­schen Nutzen die Abschaffung der Schaumweinsteuer hat. Darüber, welchen gesell­schaftspolitischen Nutzen aber Bildung hat, brauchen wir, glaube ich, nicht zu disku­tieren. Da sind wir uns einig.

So, Herr Minister Faßmann, zurück zu den Zahlen: Wie viele Studien müssen wir, muss die wissenschaftliche Community noch vorlegen, damit Ihnen klar wird, wie ernst die Situation jetzt ist, und damit Sie wirklich einmal beginnen, hinzuschauen, und ein zusätz­liches Maßnahmenpaket beschließen, das unseren Kindern hilft?

Ich beginne mit den Studien: Es gibt zwei Studien von Ihren ehemaligen Kolleginnen und Kollegen von der Universität Wien, die ganz klar zeigen, wie groß die Bildungskrise sein wird, wenn nicht bald Chancengerechtigkeit in den Mittelpunkt gerückt wird und Maßnah­men gesetzt werden.

Susanne Schwab vom Zentrum für Lehrer*innenbildung hat gezeigt, dass über 60 Pro­zent der LehrerInnen und 64 Prozent der SchülerInnen aufgrund der Situation schwer belastet sind. Das Team um Christiane Spiel – sie war mit Ihnen in der Pressekonfe­renz – hat gezeigt, dass 16 Prozent der SchülerInnen kein Endgerät zum digitalen Ler­nen zur Verfügung hatten und 21 Prozent keine Unterstützung beim Lernen erhielten – 240 000 Schülerinnen und Schüler waren ohne Unterstützung.

„Bildung in Zahlen“ hat gezeigt, dass Bildungsvererbung noch immer gegeben ist und durch Corona massiv verschärft wurde. Das IHS hat erst vor ein paar Tagen eine Studie veröffentlicht, die zeigt, dass 12 Prozent der SchülerInnen nicht oder nur schlecht er­reicht werden konnten. 76 Prozent der LehrerInnen machen sich über das Kompetenzni­veau der benachteiligten SchülerInnen wirklich Sorgen. – Die Autoren haben recht, wenn sie sagen, die Politik muss sich dessen ernsthaft annehmen und sich dieser Herausfor­derung stellen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Künsberg Sarre.)

Heute, um 16.08 Uhr, kam die nächste Studie, vom Zentrum für Soziale Innovation: 35 Prozent der Schülerinnen und Schüler zwischen 7 und 19 und 45 Prozent aus der Gruppe der AlleinerzieherInnen waren wirklich überfordert.

Wie viele Zahlen müssen wir noch auf den Tisch legen? – Die Evidenz ist da, die Daten sind klar, Handeln ist gefragt! Das Budget bildet in keiner Weise ab, was zur Bewältigung der Situation beitragen würde. Es ist ein wahrlich zukunftsvergessenes Budget, daher bringe ich heute folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Bildungsmilliarde: die Zukunft unserer Kinder ist systemrelevant“


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 473

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, in der UG 30 eine zusätzliche Bildungsmilliarde zu budgetieren. Aus dieser ist umgehend ein Corona-Schulpaket zu schnüren um Leh­rerInnen und Kindern beim Organisieren des Schulalltags und beim ‚Aufarbeiten der Kri­se’ bestmöglich zu unterstützen und sollte folgende Investitionen in die Zukunft unserer Kinder beinhalten:

1. Zusätzliche 100 Schulpsychologlnnen und SchulsozialarbeiterInnen

2. Gratis Tablet oder Laptop für alle SchülerInnen und Umsetzung eines umfassenden Digitalisierungsplans

3. Ausbau der schulischen Ferienbetreuung“ – die Ferien sind bald da – „und Plan für attraktive Summer Schools“ zum Aufholen der Defizite

„4. Gratis Nachhilfe Stunden und Förderunterricht in den Schulen

5. Aufwertung der Elementarpädagogik und bundesweiter Qualitätsrahmen

6. Maßnahmen im Bereich der Inklusion: Es braucht abgestimmte Hygienepläne und praxistaugliche Vorgaben sowie geeignete Schutzkonzepte für LehrerInnen und Kinder

7. Einrichtung“ – und das ist mir besonders wichtig! – „eines nationalen Bildungskon­vents um das Schulsystem umfassend ,umzukrempeln’, damit aus mittelmäßigen Schu­len endlich die besten Schulen werden!“

*****

Wir sehen, das Schulsystem ist jetzt aufgebrochen, es ist eine neue Dynamik drinnen, und diese Dynamik sollten wir nützen, um gemeinsam Bildungsziele und auch den Weg dorthin zu definieren. Dazu fordere ich auf, darum bitte ich. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Künsberg Sarre.)

18.36

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Sonja Hammerschmid,

Genossinnen und Genossen

betreffend „Bildungsmilliarde: die Zukunft unserer Kinder ist systemrelevant“

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 7, Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (55 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvor­anschlages für das Jahr 2020 (Bundesfinanzgesetz 2020 – BGF 2020) samt Anla­gen (183 d.B.) zur Untergliederung 30 Bildung

„Koste es, was es wolle“ hat die Bundesregierung angekündigt, um die Folgen der Co­rona-Krise auf allen Ebenen zu entgegnen. Die Realität ist jedoch: die Hilfe für die Be­triebe kam zu zögerlich, zu gering und zu bürokratisch. Die Folge: Österreich hat fast 600.000 Arbeitslose, viele hätten mit treffsicherer Hilfe der Bundesregierung verhindert werden können.

Insgesamt wurden 42 Mrd. Euro an Hilfsgeldern versprochen. Nach und nach wurden besondere Hilfspakete für einzelne Branchen und Betroffene vorgestellt:

•             Ein 500 Mio. Euro schweres Wirtshauspaket, davon 25 Mio. Euro für die Ab­schaffung der Schaumweinsteuer


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 474

•             Oder weitere 700 Mio. Euro für KünstlerInnen und Non-Profit-Organisationen

•             Ein eigens für Bäuerinnen und Bauern durch die AMA abgewickelter Topf im Rahmen des Härtefallfonds

Und die Kinder? Und Eltern? Sie wurden in der Corona-Krise zu BittstellerInnen degra­diert, die nur darauf „hoffen“ können, dass sie ihre Kinder in die Schulen und Kinder­gärten bringen „dürfen“. Generell muss man leider sagen: die Regierung hat bisher den Kindern nur wenig Priorität geschenkt. Erst nach massivem öffentlichen Druck wurde ein Plan für Schulen vorgelegt. Den Eltern und Kindern wurde dabei einiges abverlangt. Er­schwerend kommt hinzu: für Kinder und Eltern sucht man vergebens nach einem Hilfspaket, obwohl doch unbestritten ist, dass die Zukunft unserer Kinder systemrelevant ist!

Dabei hat die Corona-Krise unser Bildungssystem und unsere Kinder besonders hart getroffen. Die Wochen der Schulschließungen haben viele an ihre Grenzen gebracht. Die Mammutaufgabe beginnt aber an den Schulen erst so richtig. Nicht nur, weil es eine immense Herausforderung ist, den Schulalltag im restlichen Schuljahr mit seinen neuen Corona-Regeln zu organisieren. Sondern auch, weil die Wochen der Schulschließungen Probleme und Defizite unseres Schulsystems erst so richtig deutlich gemacht haben. Leider hat Bildungsminister Faßmann schon in der Kurz/Strache Regierung wertvolle Zeit verstreichen lassen. Noch unter Bildungsministerin Hammerschmid wurde ein um­fangreiches Konzept zur Schule 4.0 fertig auf den Tisch gelegt. Man hätte es nur weiter umsetzen müssen, leider wurde dies unter Schwarz-Blau gestoppt. Und auch seit dem Schließen der Schulen hat Minister Faßmann sehr zögerlich reagiert. Laptops wurden erst Mitte April bestellt, und das nur für die Bundesschulen. Die Zivilgesellschaft musste vielerorts einspringen, um Geräte für Kinder zur Verfügung zu stellen. 12.000 Laptops für mehr als 1,1 Mio. SchülerInnen, die erst nach zwei Monaten der Schulschließung überhaupt bei den Kindern ankamen. Die Folgen: 16% der SchülerInnen gaben in der aktuellen Studie der Uni Wien1 an, im Home-Schooling kein eigenes digitales Endgerät zur Verfügung gehabt zu haben.

In der Befragung von SchülerInnen (zwischen 10 und 19 Jahren) ergab sich, dass sie sich durchschnittlich 5 Stunden pro Tag mit schulbezogenen Aktivitäten auseinander­setzten, ein Viertel der SchülerInnen jedoch weniger als 3,5 Stunden. 21% erhielten laut Studie der Uni Wien keine Unterstützung beim Lernen durch die Familie, 7% gab an, gröbere Probleme bei der Bewältigung der schulischen Anforderungen im Home-Learning zu haben. Unser Bildungssystem ist im internationalen Vergleich ohnehin von starken Bildungsungleichheiten geprägt. Die Bildungsschere droht noch weiter aufzugehen und das vorgelegte – zu Vor- Coronazeiten unveränderte - Budget wird nicht reichen, um die Herausforderungen zu meistern. Es braucht daher dringend ein umfassendes Corona-Schulpaket und eine Bildungsmilliarde. Die Gesundheitskrise jetzt droht ansonsten eine Schulkrise zu werden! Der Ruf zur Normalität zurück zu kehren, bedeutet eine Rückkehr zum Mittelmaß. Dabei könnte die Krise durchaus auch eine einmalige Chance sein, unser Schulsystem umzukrempeln und zu zeigen: Schule könnte auch ganz anders, vor allem besser sein! Der Erfolg der Kinder darf nicht länger vom Talent und Einkommen der Eltern abhängen. Es braucht daher eine Bildungsmilliarde, aus der folgende Maß­nahmen finanziert werden:

1.          Zusätzliche 100 SchulpsychologInnen und SchulsozialarbeiterInnen: SchülerIn­nen müssen derzeit nicht nur eine Gesundheits- sondern auch eine soziale Krise bewältigen. Viele Familien sind von Stress, Arbeitslosigkeit und Einkommensein­bußen betroffen. Viele sind mit der Situation bisher erstaunlich gut umgegangen, aber bei einigen haben sich in den eigenen vier Wänden belastende Situationen abgespielt. Schule ist nicht nur Lern- sondern auch Sozialraum, der Kinder unter­stützen soll.


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2.          Gratis Tablet oder Laptop für alle SchülerInnen und endlich Umsetzung eines umfassenden Digitalisierungsplans. Was unter Bruno Kreisky das gratis Schul­buch war, ist heute der gratis Laptop oder Tablet. Die Digitalisierung muss fixer Bestandteil der Schule werden. Damit alle Kinder daran teilnehmen können, braucht es eine entsprechende Ausstattung. Der Sommer sollte auch für Schu­lungen des Lehrpersonals genutzt werden.

3.          Ausbau der schulischen Ferienbetreuung und Plan für attraktive Summer Schools: Die nahenden Sommerferien mit 9 Wochen schulfrei stellen Familien vor erneute Probleme. Viele Eltern haben die Betreuung in den letzten Wochen mit dem Aufbrauchen von Zeitguthaben und Urlaubstagen überbrückt, nach 6 Wochen ist ein Großteil davon jedoch aufgebraucht. Laut SORA-Umfrage hat rund die Hälfte der Eltern für die Kinderbetreuung ihren Urlaub bereits verbraucht, jeder Vierte schätzt, im Sommer nun nicht genug Urlaubstage für Kinderbetreuung zu haben. Der Bildungsminister muss jetzt rasch schulische Angebote für die Sommerferien organisieren. Dort soll auch Lernbetreuung angeboten werden – v.a. für jene, die in den letzten Wochen beim Home Schooling nicht erreicht werden konnten.

4.          Gratis Nachhilfe Stunden und Förderunterricht in den Schulen: Laut Studie der Uni Wien hatten derzeit 21% der SchülerInnen keine Unterstützung – dies ent­spricht rund 240.000 SchülerInnen2, die zu Hause keine Unterstützung haben. Diese sollen sie in der Schule bekommen. Ab Herbst soll jede/r SchülerIn die Möglichkeit für kostenlose Nachhilfe in den Hauptgegenständen haben. Organi­siert wird dies von den Schulen. Diese sollen in Form von zwei Fördereinhei­ten/Nachhilfestunden in jedem Hauptgegenstand pro Jahrgang, pro Woche, in Kleingruppen organisiert (max. 5 SchülerInnen) unterstützt werden. Schulstand­orte mit besonders großen Herausforderungen („Brennpunktschulen“) brauchen in Zukunft mehr Ressourcen und Personal („Chancenindex“). Private Nachhilfe soll damit in Zukunft nicht mehr notwendig sein.

5.          Elementarpädagogik endlich aufwerten: In der Krise hat sich auch der Stellenwert der Elementarpädagogik gezeigt, gleichzeitig aber auch die schwierige Situation in der sich viele Einrichtungen befinden. Es braucht endlich einen bundesweiten Qualitätsrahmen.

6.          Inklusion: Kaum bis gar keine Aufmerksamkeit hat das Bildungsministerium bis­her Kindern mit einer körperlichen oder geistigen Behinderung geschenkt. Dabei ist die schulische Begleitung von Kindern mit sonderpädagogischen Bedürfnis­sen auch in normalen Zeiten herausfordernd. Hygienepläne können bei der Arbeit mit Menschen mit Behinderung schwer eingehalten werden. Der eingeforderte Abstand von einem Meter ist nicht praxistauglich. Kinder müssten zwar keine Masken tragen, die Verwendung von Masken von LehrerInnen könne aber ge­rade bei Kindern mit Behinderung Angst erzeugen. Bei der schrittweisen Öffnung der Schulen darf auf die Inklusion nicht vergessen werden. Es braucht abge­stimmte Hygienepläne und praxistaugliche Vorgaben sowie geeignete Schutz­konzepte für LehrerInnen und Kinder.

7.          Die Krise als Chance – Bildungssystem umkrempeln: Das Schulsystem wurde in den letzten Wochen in seinen Grundfesten ziemlich durcheinander gewürfelt: von heute auf morgen findet Unterricht ganz anders als vorher statt – in Lernpaketen, digital unterstützt, nicht täglich um 8:00. Den Schulstandorten wurde plötzlich die Autonomie gegeben zu gestalten. Starre Strukturen sind zumindest vorüberge­hend aufgebrochen worden. Dies könnten wir auch nützen und aus den ver­gangenen Wochen lernen. Es wäre also die einmalige Chance, SchülerInnen und Eltern von dem zu „befreien“, was für’s Lernen hinderlich ist: kontextloses aus­wendig lernen, Langeweile, Fächer im Stundentakt, frühes Aufstehen. Es wäre


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auch die ideale Gelegenheit alle Fächer und Lehrpläne, den „Lehrstoff“ aller Schulen einer kritischen Prüfung zu unterziehen. Neue pädagogische Konzepte, die themenspezifisches Lernen in den Mittelpunkt stellen, sind gefragt und damit die Pädagogischen Hochschulen in der Aus- und Weiterbildung. Auch die Bil­dungsungleichheit, die in den vergangenen Wochen scharf zu Tage getreten ist, in Wirklichkeit aber schon seit Jahren das Problem ist, muss jetzt mit Vehemenz angegangen werden. Dazu gehört aus unserer Sicht: Ausbau der Ganztags­schulen, mehr kostenlose Förderung statt teure private Nachhilfe und individuelle Förderung statt Trennung mit zehn Jahren. Die SPÖ schlägt einen nationalen Bildungskonvent vor: wir sollten jetzt in einem parteiübergreifenden Bildungskon­vent die Bildungsziele außer Streit stellen und den Weg zur Erreichung dieser Ziele mit WissenschafterInnen, ExpertInnen und den SchulpartnerInnen erar­beiten.

Aus diesem Grund stellen die unterzeichnenden Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, in der UG 30 eine zusätzliche Bildungsmilliarde zu budgetieren. Aus dieser ist umgehend ein Corona-Schulpaket zu schnüren um Leh­rerInnen und Kindern beim Organisieren des Schulalltags und beim „Aufarbeiten der Krise“ bestmöglich zu unterstützen und sollte folgende Investitionen in die Zukunft un­serer Kinder beinhalten:

1.          Zusätzliche 100 SchulpsychologInnen und SchulsozialarbeiterInnen

2.          Gratis Tablet oder Laptop für alle SchülerInnen und Umsetzung eines umfassen­den Digitalisierungsplans

3.          Ausbau der schulischen Ferienbetreuung und Plan für attraktive Summer Schools

4.          Gratis Nachhilfe Stunden und Förderunterricht in den Schulen

5.          Aufwertung der Elementarpädagogik und bundesweiter Qualitätsrahmen

6.          Maßnahmen im Bereich der Inklusion: Es braucht abgestimmte Hygienepläne und praxistaugliche Vorgaben sowie geeignete Schutzkonzepte für LehrerInnen und Kinder

7.          Einrichtung eines nationalen Bildungskonvents um das Schulsystem umfassend ‚umzukrempeln‘, damit aus mittelmäßigen Schulen endlich die besten Schulen werden!“

1             Schober, Barbara/ Lüftenegger, Marko/ Spiel, Christiane (2020): Lernen unter COVID-19-Bedingungen: https://lernencovid19.univie.ac.at/fileadmin/user_upload/
p_lernencovid19/Zwischenergebnisse_Schueler_innen.pdf

2             AutorInnen gehen von einer Unterschätzung dieser Zahl aus

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Nächster Redner: Herr Abgeordneter Rudolf Taschner. – Bitte.


18.36.45

Abgeordneter Mag. Dr. Rudolf Taschner (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ho­hes Haus! Lassen Sie mich angesichts des jetzt eingebrachten Budgets ein Panorama


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 477

von Bildung, Wissenschaft und Forschung entwerfen. Die Bundesregierung hat sich darin ambitionierte Ziele gesetzt. Wir haben ein Gesamtbudget von rund 14,3 Milliarden Euro, das ist eine Erweiterung im Bildungsbereich von rund 420 Millionen Euro und eine Erweiterung im Forschungsbereich von rund 250 Millionen Euro. – Das sind Zahlen, die sich sehen lassen können.

Ich darf Ihnen eine Liste der Schwerpunkte anbieten:

Erstens, die weitere Intensivierung der Unterstützung des Bildungspersonals, das ja sehr gut arbeitet, in jeglicher Hinsicht.

Zweitens, die Digitalisierung und die Fortführung der Digitalisierung.

Drittens, der Schulausbau.

Viertens, die Schwerpunktsetzung bei der Lehre mit Matura und auch bei den Deutsch­förderklassen.

Fünftens, die Schwerpunktsetzung bei der Elementarpädagogik und auch bei der Tages­betreuung.

Sechstens: Das ist das höchste Universitätsbudget in der Geschichte der Zweiten Re­publik.

Siebentens, eine Schwerpunktsetzung im Mint-Bereich und im klinischen Bereich.

Achtens: Es ist eine Stärkung der Fachhochschulen vorgesehen, auch budgetär.

Neuntens: Das IST, das Institute of Science and Technology Austria, ein Vorzeigeinstitut, wird weiter unterstützt.

Zehntens: Die Forschungsförderung wird erweitert.

Die Liste wird noch länger, das ist nur ein Teil der Vorhaben, meine Nachredner werden das weiter erörtern und auch noch detailliert betrachten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich erlaube mir, noch eine Fußnote zu diesem Panorama anzubringen: Diese Krise, diese wirtschaftliche Krise werden wir im Großen nur dann bewältigen, wenn wir mehr Produktion schaffen, mehr Produktivität schaffen. Produktivität wird aber nur dann erhöht, wenn nachhaltige und hochwertige Bedürfnisse geschaffen werden, die wir dann auch stillen können – und all das setzt voraus, dass man gebildet ist.

Es gibt drei Punkte, die ich da herausgreifen möchte: erstens, Energie und Umwelt; zweitens – im Zusammenhang mit der demografischen Situation, die in der Geschichte der Menschheit einzigartig ist, mit so vielen alten im Vergleich zu so wenigen jungen Menschen –, Pflege und medizinische Versorgung; und drittens, Mobilität. – All das sind Punkte, die Bildung und Ausbildung verlangen: Ausbildung im technischen Bereich, im medizinischen Bereich, vor allem in der Digitalisierung; Bildung in dem Bereich, der im Englischen so schön Humanities genannt wird.

Darum brauchen wir Schulen und Universitäten, die fordern und fördern, und zwar schnell, und gute, hervorragende Qualität. Wenn wir das jetzt nicht machen, dann wird die Musik ganz woanders spielen, in Amerika und im Fernen Osten, und wir werden abgehängt sein. Wir brauchen Schulen, die fördern und fordern.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Krise wird manchmal mit der Krise von 2008/2009 verglichen. Das ist vielleicht nicht ganz richtig, manche vergleichen sie mit 1929, aber ich würde sie ganz gerne mit der Gründerzeitkrise im Jahre 1873 vergleichen. Da gibt es ganz interessante Vergleiche und es war toll, dass sich danach, ab 1890, wiederum eine neue Gründerzeit entwickelt hat und Österreich, und gerade Wien, zum geistigen Zentrum der Welt geworden ist.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 478

Warum ist das gelungen? – Ich will es Ihnen in einer Anekdote erzählen: Geht eine Frau – eine jüdische Mamme – im Jahr 1890 mit ihren beiden Kindern spazieren. Sie trifft einen Mann und er fragt sie: Die beiden Buben, wie alt sind sie denn? Und die Frau sagt: Der Arzt ist sechs und der Rechtsanwalt ist vier. (Heiterkeit bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Scherak.) Daran sehen Sie, dass der Ehrgeiz da war; der Ehrgeiz, Erfolg zu haben, indem man lernt, indem man versteht, indem man sich Wissen aneig­net. Das ist der Weg zum Erfolg – und das war allgemein der Weg, der auch zu dieser Produktivität geführt hat.

Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Sozialistischen Partei, von Glöckel angefangen bis zu Fred Sinowatz war die Idee vorhanden (Zwischenruf bei der SPÖ), diesen Ehrgeiz zu wissen, zu lernen und zu verstehen bei der gesamten Bevölkerung zu wecken. Die Forderung, dass Schulen fördern und fordern sollen, ist aber jetzt eigentlich nur noch in Spurenelementen bei Ihnen vorhanden. Das ist ein Riesenjammer, aber bei uns ist es vorhanden. (Abg. Heinisch-Hosek: Geh, bitte, Herr Taschner! Sie rechnen falsch, Sie sagen was Falsches! – Zwischenruf des Abg. Silvan.)

Wir werden dieses Schulsystem soweit hinaufbringen, dass wir die Kinder fördern und fordern können und soweit hinaufbringen, dass das auch zur Bewältigung der Krise führen wird. Das ist langfristig gesehen unser Ziel, der Minister ist dafür Garant und auch alle, die in der Schule als Lehrerinnen und Lehrer arbeiten, und auch alle anderen, die dieser Schule ihre Unterstützung geben. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

18.41


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hermann Brückl. – Bitte.


18.42.05

Abgeordneter Hermann Brückl, MA (FPÖ): Frau Präsident! (Abg. Leichtfried: Prä­sidentin!) Sehr geehrter Bundesminister! Hohes Haus! Ich darf einmal vorweg allen Schülern, die diese Woche noch Maturaarbeiten zu schreiben haben, alles Gute wün­schen und ihnen und auch ihren Eltern und den Lehrern danken, dass sie in den ver­gangenen Monaten trotz der widrigen Umstände wirklich tapfer und gut gearbeitet ha­ben.

Budget Bildung: Das Budget Bildung, das uns jetzt vorliegt, zeigt eine Steigerung ge­genüber dem vorläufigen Erfolg 2019 um 2,5 Prozent. 9,3 Milliarden Euro finden sich bei den Ausgaben im Finanzierungshaushalt. Die Krise wird uns zumindest 28 Millionen Eu­ro kosten, hinzu kommt der noch nicht abschätzbare Personalaufwand.

Die Coronakrise hat aber auch viele Schwachstellen im Bildungsbereich sichtbar ge­macht. Das beginnt bei den Pressekonferenzen, die sehr oft für mehr Verwirrung gesorgt haben, als sie tatsächlich Lösungen gebracht haben. (Abg. Heinisch-Hosek: Das stimmt!)

Verschärft wurde die Situation zusätzlich auch dadurch, dass viele Schüler gerade in der Anfangsphase des Distancelearnings, Herr Bundesminister, das wissen Sie, nicht er­reicht werden konnten – Frau Kollegin Hammerschmid hat, glaube ich, gesagt, es waren 21 Prozent – oder dass die notwendige Hardware, die notwendige Software gefehlt ha­ben. Da sind die Schulbuchverlage eingesprungen – das kommt immer zu kurz, das wird nicht gesagt – und haben wirklich Hervorragendes in dieser Situation geleistet. Sie ha­ben den Schülern und Lehrern nicht nur E-Learning-Materialien zur Verfügung gestellt, sie sind insbesondere auch telefonisch mit Rat und Tat zur Seite gestanden.

Thema Schulbücher: Ich weiß, Herr Bundesminister, dass das nicht wirklich in Ihren Be­reich fällt, weil es den Familienlastenausgleichsfonds betrifft, aber ich bitte Sie, dass Sie diese Verantwortung wahrnehmen, denn so wie es sich derzeit darstellt, tut sich da ein


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riesiges Budgetloch von etwa 50 Millionen Euro auf, weswegen immer mehr Eltern in die eigene Geldbörse greifen müssen, um ihren Kindern Schulbücher bezahlen zu können.

Nochmals zurück zu den geschlossenen Schulen: Die Schulen vor Ort, die DirektorInnen und Lehrer, die Eltern und auch die Schüler haben in der Krise viel Eigeninitiative, viel Engagement an den Tag gelegt. Sie waren flexibel, sie waren sehr, sehr kreativ, obwohl sie sehr oft alleine gelassen wurden. Fritz Enzenhofer, der ehemalige Landesschulrats­präsident aus Oberösterreich und Bundesobmann der christlichen Landeslehrervereine, hat vor zwei Tagen in einem Interview gemeint: „Das Prinzip, dass alles zentral vom Ministerium am Wiener Minoritenplatz gesteuert wird, hat sich in der Krise als nicht gut herausgestellt.“

Das war auch immer unser Zugang. Das war auch der Grund, warum wir gefordert ha­ben, die Zentralmatura für heuer auszusetzen und sie nach dem Schema der Matura alt durchzuführen, weil die Schulen vor Ort genau wissen, welchen Stoff sie mit ihren Schü­lern durchgemacht haben, weil sie die Situation vor Ort einfach besser kennen.

Dass die mündliche Matura abgesagt wurde, Herr Bundesminister, ist für uns nicht nach­vollziehbar, genauso wenig wie die Umstellung bei der Notengebung, denn wenn wir das beibehalten – und Sie haben ja gesagt, Sie überlegen sich das –, wäre das der Ruin für unsere Matura. Das hat sich gestern gezeigt, als Schüler ein leeres Blatt Papier, ohne irgendetwas zu schreiben, als Maturaarbeit abgegeben haben, weil sie gewusst haben, dass sie nicht mehr negativ sein können.

Zum Schluss kommend darf ich noch einen Entschließungsantrag einbringen, weil es für uns auch ein Thema ist, dass unsere Kinder nach wie vor am Schulweg, in den Pausen und so weiter Masken tragen müssen. Wir wollen, dass dieser Maskenzwang an unseren Schulen beendet wird und unsere Kinder wieder frei atmen können.

In diesem Sinne bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Hermann Brückl, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „sofortige Rückkehr zum regulären Unterricht ohne Maskenzwang“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung werden aufgefordert, sicherzustellen, dass ab 3. Juni 2020 in allen Schu­len keine ‚neue‘ Normalität mehr herrscht, sondern ein regulärer Unterricht ohne Mas­kenzwang stattfinden kann.“

*****

Hohes Haus, um es zum Abschluss noch mit den Worten von Martin Sprenger, jenem Experten, den Herr Kurz aus seiner Expertenkommission hat entfernen lassen, zu sa­gen: Wir sind mit Schneeketten auf trockener Straße unterwegs. (Beifall bei der FPÖ sowie der Abg. Künsberg Sarre.)

18.46

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Hermann Brückl, MA

und weiterer Abgeordneter

betreffend sofortige Rückkehr zum regulären Unterricht ohne Maskenzwang


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 480

eingebracht in der 32. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 27. Mai 2020 im Zuge der Debatte zu TOP 6, Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (56 und Zu 56 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzrahmengesetz 2020 bis 2023 erlassen wird – BFRG 2020-2023 (182 d.B.) – UG30

Mit 16.3.2020 stehen die Volksschulen, NMS, AHS-Unterstufen und Sonderschulen nur mehr für jene Schülerinnen und Schüler offen, deren Eltern außer Haus erwerbstätig sein müssen und deren Kinder zu Hause nicht betreut sind, oder für jene Schülerinnen und Schüler, deren Eltern aus anderen persönlichen Gründen die Betreuung zu Hause nicht bewerkstelligen können. So wurde es auf bmbwf.gv.at verlautbart.

Diese defacto Schulschließung erfolgte ohne gesetzliche Grundlage. Erst mit der am 13. Mai 2020 kundgemachten Verordnung „Verordnung des Bundesministers für Bil­dung, Wissenschaft und Forschung zur Bewältigung der COVID-19 Folgen im Schul­wesen für die Schuljahre 2019/20 und 2020/21 (C-SchVO)“ wurde dieser „ortsungebun­dene Unterricht“ rückwirkend mit 16. März 2020 auf Basis eines Gesetzes, das am 4. April kundgemacht wurde und wiederum ein rückwirkendes Inkraftsetzungsdatum (1. März 2020) hatte, gesetzlich geregelt.

In dieser Verordnung wird der „ortsungebundene Unterricht“ teilweise – beginnend mit 18. Mai 2020 – wieder außer Kraft gesetzt. Für Schülerinnen und Schüler an Volks- und Sonderschulen (bis einschließlich 4. Schulstufe), an (Neuen) Mittelschulen und an Son­derschulen (ab der 5. Schulstufe), an Polytechnischen Schulen und an allgemeinbil­denden höheren Schulen (5. bis 8 Schulstufe) gilt:

Die Schülerinnen und Schüler sind ab 18. Mai von der Schulleitung im Ausmaß gemäß § 7 vom ortsungebundenen Unterricht auszunehmen.

Für Schülerinnen und Schüler an allgemeinbildenden höheren Schulen und an berufs­bildenden mittleren und höheren Schulen (9. bis vorletzten Schulstufe) gilt:

Die Schülerinnen und Schüler der 9. bis vorletzten Schulstufe sind ab 3. Juni von der Schulleitung gemäß § 7 vom ortsungebundenen Unterricht auszunehmen.

Das bedeutet aber nicht, dass diese Schülerinnen und Schüler ab 18. Mai bzw. 3. Juni einen regulären Unterricht genießen können, sondern es ist nur vorgesehen, weniger als die Hälfte der Unterrichtszeit „regulär“ abzuhalten – begleitet von restriktiven und kompli­zierten Hygienevorschriften. Auch ein Maskenzwang, der nur während des tatsächlichen Unterrichts im Klassenzimmer aufgehoben ist, ist verordnet.

Das deutsche Bundesland Nordrhein-Westfalen (knapp doppelt so viele Einwohner wie Österreich) hat bereits am 20. April mit der Wiedereröffnung der Schulen begonnen, und das ganz ohne Maskenzwang.

In einer Stellungnahme vom 19. Mai 2020 fordern vier bundesdeutsche medizinische Fachgesellschaften (Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH), der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI), der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendmedizin (DAKJ), der Gesellschaft für Hygiene, Umweltmedizin und Präventivmedizin (GHUP) und des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte in Deutschland (bvkj e.V.), Kitas und Schulen trotz der Corona-Pandemie so bald wie mög­lich vollständig zu öffnen:

Insbesondere bei Kindern unter 10 Jahren sprechen die aktuellen Daten sowohl für eine geringere Infektions- als auch für eine deutlich geringere Ansteckungsrate.

Daher stellen die unterzeichnenden Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 481

„Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung werden aufgefordert, sicherzustellen, dass ab 3. Juni 2020 in allen Schu­len keine „neue“ Normalität mehr herrscht, sondern ein regulärer Unterricht ohne Mas­kenzwang stattfinden kann.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Nächte Rednerin: Frau Abgeordnete Sibylle Hamann. – Bitte.


18.46.33

Abgeordnete Mag. Sibylle Hamann (Grüne): Liebe Frau Präsidentin! Lieber Herr Bun­desminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sitzen ja jetzt schon eine Weile hier zusammen und werden auch noch länger hier zusammensitzen. Da kann man dann auch manchmal ein bisschen persönlicher werden und deswegen mache ich das jetzt auch: Ich wohne seit zwei Jahren neben einer ziemlich großen Baustelle und dort kann man ziemlich gut beobachten, was sich da tut: Erst diese riesige Grube, die ausgehoben wird, dann werden langsam die Träger hochgezogen, die Stockwerke, die Gläser werden eingesetzt und man sieht: Da wächst etwas.

Da wächst etwas Wichtiges, im konkreten Fall ist das die Schule, die mein Sohn hof­fentlich ab Herbst, ab September besuchen wird und die ein Ort sein wird, an dem er extrem viel Zeit, den Großteil seines Tages, verbringen wird, an dem er wahrscheinlich Dinge erleben wird, die ihn auf ewig prägen werden und an die er sich ganz, ganz lange erinnern wird.

Da entsteht eine Schule, seine Schule, und wenn wir etwas aus dieser Coronazeit ge­lernt haben, dann ist das die eine wichtige Lehre, dass Schule und Bildung nur ganz schwer in Isolation stattfinden können – zu Hause vor dem Bildschirm, mit Zoom – und dass Bildung und Schule fast immer ein Gebäude, ein Haus brauchen.

Ich möchte deswegen jetzt über die 2,41 Milliarden Euro reden, die wir in den nächsten zehn Jahren in unser Schulentwicklungsprogramm investieren werden. (Abg. Heinisch-Hosek: Zwei Jahre verspätet begonnen!) Das sind echte Zahlen und das ist richtiges Geld (neuerlicher Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek), das echt verbaut wird, in Neubau, in Ausbau, in digitale Ausstattung und Sanierung. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich bin keine Architektin, aber ich weiß, wie wichtig ein Gebäude für die Atmosphäre und für die Gruppendynamik ist, die da drinnen stattfindet, und auch für das Lernen und das, was am Ende dabei herauskommt. Wenn ich mir so überlege, ist es sogar der Dreh- und Angelpunkt unseres gesamten grünen Denkens, wenn man es so sehen will: dass das Individuum mit den anderen immer in einem Zusammenhang steht und diese anderen wiederum in einer Beziehung zur Umwelt stehen, die sie umgibt, dass diese Dinge ein­fach zusammenhängen und untrennbar verbunden sind, und dass das eine nicht froh wird ohne das andere.

Das kann man an so einem Schulgebäude ganz gut zeigen. Beispiel: Licht und Luft, das lernt man in der Schule inhaltlich in Physik. Wir haben gerade bei Corona aber gleich­zeitig auch gesehen, wie wichtig das auch ganz physisch ist: Fenster aufmachen, Frisch­luft hereinlassen, das ist epidemiologisch wichtig, gleichzeitig lebenswichtig und auch wichtig zum Lernen im übertragenen Sinn.

Für ein Schulgebäude heißt das auch, nach außen aufzumachen – die Öffnung der Schule in den öffentlichen Raum und in die Gemeinde, in den Ort, in dem sie steht.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 482

Beispiel Temperatur: Dass die Sommer immer heißer werden, das wissen die Kinder und die Jugendlichen, deswegen gehen sie ja auch seit einem Jahr auf die Straße. Wir sind es ihnen verdammt noch einmal schuldig, dass wir ihnen zumindest in den Schulen optimale Bedingungen bieten, dass nach Klimaschutzstandards gebaut wird, sodass sie es dort so kühl und so angenehm haben, wie nur irgendwie möglich.

Drittes Beispiel Raum: Wir wissen, dass Schulen des 19. Jahrhunderts oft nach dem Modell von Kasernen gebaut wurden, bei denen halt immer Kohorten von 30 Kindern hinter einer Tür zusammengefangen wurden. Das wird natürlich den Kindern nicht ge­recht und auch den Lehrern und Lehrerinnen nicht gerecht. Wir wissen längst, dass das viel besser geht, dass Schulen abwechselnd Räume brauchen für kleine und größere Gruppen, dass sie ruhige Rückzugsräume brauchen, dass man Raum braucht für indi­viduelles Lernen im Wechsel mit Raum für größere Veranstaltungen und Plena. Das werden die Schulen leisten müssen, die wir bauen.

Das wirkt auch noch in die Familien hinein, weil wir nämlich die meisten dieser Schulen als Ganztagsschulen planen wollen, als Orte, wo Lehrer und Kinder den ganzen Tag gerne verbringen, wo sie Freundschaften pflegen, wo sie essen, wo sie auch ihre Freizeit verbringen. Da sieht man, dass das auch noch weiter in die Familien hineinwirkt.

Zusammenfassend: 2,41 Milliarden Euro – mir fällt kaum etwas ein, in das man Geld besser investieren hätte können, und ich freue mich darüber. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.51


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Martina Künsberg Sarre. – Bitte.


18.51.40

Abgeordnete Mag. Martina Künsberg Sarre (NEOS): Frau Präsidentin! Herr Minister Faßmann! Hohes Haus! „Koste es, was es wolle“ war die Überschrift, unter die der Herr Bundeskanzler und der Vizekanzler die Coronahilfszahlungen gestellt haben. Im Bil­dungswesen haben wir eigentlich seitdem den Eindruck gewonnen, dass sich diese Aus­sage nicht auf die Ausgaben der Republik bezieht, sondern auf die Kollateral- und Folge­schäden, die die Regierung in Kauf nimmt – abgehängte SchülerInnen aus sozial be­nachteiligten Familien, geforderte Eltern im Homeschooling und Homeoffice, übertriebe­ne und nicht altersgerechte Hygienemaßnahmen, sogar in Volksschulen, übergroße Kin­dergartengruppen, fehlende Ferienbetreuung, kein Förderplan für den Herbst und eine Bildungsschere, die immer weiter auseinanderklafft.

„Koste es, was es wolle“: Die Regierung kennt kein Morgen und ist offensichtlich auch nicht bereit, in die Zukunft unserer Kinder angemessen zu investieren. Das sehen wir im Budget 2020 nicht, es enthält keine Bildungsinvestitionen zur Bewältigung der Corona­krise. Es zeigt auch nicht einmal Ansätze, die im Regierungsprogramm umzusetzen sind. Von der Elementarpädagogik sieht man also nichts, und auch von den Schulen nicht.

Der dringend benötigte Chancenbonus für die Brennpunktschulen, der es ohnehin nur als bescheidenes Pilotprojekt mit 100 Schulen ins Regierungsprogramm geschafft hat, ist mit keinem Euro im Budget 2020 erwähnt und weiter auf die lange Bank geschoben. Das ist eigentlich ein grünes Prestigeprojekt, glaube ich, und da hätte ich mir einen Auf­schrei der Grünen oder mehr Druck erwartet.

Die Sprachförderung wurde als neues viertes Wirkungsziel im Bildungsbudget einge­führt, neue Projekte oder Budgets, damit diese Ziele erreicht werden, sucht man aber vergeblich. In den Kindergärten wird seit über zehn Jahren ein Sprachstandstest durch­geführt, um den Sprachförderbedarf zu erheben, aber Anspruch auf eine tatsächliche Förderung gibt es nicht durchgängig.

Ich stelle daher folgenden Antrag:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 483

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Martina Künsberg Sarre, Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, Her­mann Brückl, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sprachförderung“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung, wird aufgefordert, dem Nationalrat einen Gesetzesentwurf vorzulegen, wel­cher die Ergebnisse des Beobachtungsbogens zur Erfassung der Sprachkompetenz (BESK) mit einem verbindlichen Anspruch auf Sprachförderung und der Bereitstellung entsprechender Ressourcen verknüpft. Sofern diese Regelung nicht im Rahmen eines Bundesgesetzes möglich ist, wird die Bundesregierung aufgefordert, einen Entwurf für eine entsprechende Bund-Länder-Vereinbarung vorzulegen und mit den Bundesländern diesbezügliche Gespräche aufzunehmen. Dabei ist darauf zu achten, dass nicht nur För­dermaßnahmen genannt, sondern auch entsprechende Personalressourcen und Ausbil­dungserfordernisse festgelegt werden. Weiters wird der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung aufgefordert, in seinem Wirkungsbereich einen Ausbil­dungslehrgang für Sprachförderung in der Elementarpädagogik ins Leben zu rufen und bundesweit anzubieten.“

*****

Die Coronapandemie hat im Bildungsbereich keine Krise ausgelöst, die Coronapan­demie hat die Bildungskrise verschärft. Sie, Herr Bundesminister, haben das gemeinsam mit dem Herrn Finanzminister wesentlich mit zu verantworten. Die Coronakrise zeigt die Stärken, aber auch die Schwächen unseres Bildungssystems. Ja, es haben heute schon viele darüber gesprochen, in jeder Krise steckt auch eine Chance. Nur darüber zu reden, dass eine Chance da wäre, ist ein bisschen wenig. Eine Krise oder die Chance nützt nur dann etwas, wenn man aus ihr eine Vision entwickelt, wie man in Zukunft in dem Bereich arbeiten will, wo man hinmöchte und wo man vor allem besser werden möchte.

Diese Vision, glaube ich, muss weitreichender und stärker sein, als es die Möglichkeiten in Ihrem Bildungsministerium zulassen. Ich glaube, dass der Bundeskanzler da gefordert ist, gemeinsam mit den Landeshauptleuten einen Plan auszuarbeiten. Er hätte die Mög­lichkeit, ein völlig neues Bildungssystem auf die Beine zu stellen, das jeden Menschen befähigt, nach der Schule sein Leben zu meistern, das Interessen geweckt und Talente gefördert hat.

Doch was macht die Bundesregierung? – Sie wählt einen komplett anderen Weg. Sie verheddern sich nämlich im Klein-Klein der Coronahygienemaßnahmen. Ich frage mich, ob Sie Ihre Maßnahmen, die nun an den Schulen umgesetzt werden sollen, schon ein­mal aus den Augen der Kinder betrachtet haben. Wenn Sie nämlich in den Schulen nach zwei bewegungsarmen Homeschoolingmonaten ausgerechnet den Sportunterricht strei­chen, während gleichzeitig die Fußballbundesliga zu trainieren beginnt, dann haben Sie offensichtlich die Bedürfnisse von Kindern nicht ganz verstanden. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

Es ist ein bisschen so nach dem Motto: Manndeckung ja, Flügel heben nein. So läuft es offensichtlich ab, so wird entschieden. Wenn Volksschulkinder in den Pausen gar nicht oder nur mit Masken in den Pausenhof dürfen, mit ihren Freundinnen und Freunden spielen dürfen, während dieselben Kinder ohne Maske in einem Gasthaus einen Apfel­saft trinken und gemeinsam irgendetwas essen dürfen, dann passt das doch irgendwie nicht zusammen. Diese Logik ist mir und vielen anderen, glaube ich, auch nicht ganz klar. (Präsident Hofer übernimmt den Vorsitz.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 484

Wenn für die Ferienbetreuung gut einen Monat vor Ferienbeginn noch nicht einmal klar ist, welche Aktivitäten überhaupt angeboten werden dürfen, und die Finanzierung auch noch nicht klar ist – wer diesen zusätzlichen Betreuungsbedarf übernehmen wird –, dann wundert es mich nicht, dass die ÖVP als traditionelle Familienpartei da keinen Druck macht, aber ich hätte mir von den Grünen einen größeren Aufschrei erwartet, dass sie berufstätige Mütter und Väter unterstützen. (Beifall bei Abgeordneten der NEOS.)

Wenn Sie dann vielleicht sagen, es läuft an den Schulen gut und die Kinder machen das alles gut mit: Ja, natürlich machen das die Kinder mit. Kinder sind kooperativ und Kinder haben Vertrauen. Kinder haben vor allem großes Vertrauen in uns Erwachsene und ver­lassen sich darauf, dass wir Erwachsene gute und sinnvolle Entscheidungen für sie treffen. Wir müssen gute Entscheidungen treffen, die altersadäquat und die ausführbar sind. Ich würde Sie wirklich ersuchen, noch einmal über diese Maskenpflicht nachzuden­ken und auch darüber, ob das sinnvoll ist, das genau in der Schule so streng zu hand­haben, während das in vielen anderen Bereichen nicht der Fall ist. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich ersuche Sie sehr stark, geben Sie sich einen Ruck, reden Sie mit dem Bundeskanz­ler, da wirklich einmal einen großen Wurf zu machen und nicht immer nur darauf zu warten, dass im Herbst wieder alles gut ist und alles schön ist und wir wieder zum Selben zurückkommen, bei dem wir waren! – Danke. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordne­ten der SPÖ.)

18.58

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Martina Künsberg Sarre, Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, Her­mann Brückl, MA, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Sprachförderung

eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Budgetausschusses über TOP 7: Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2020 (Bundesfinanzgesetz 2020 – BFG 2020) samt Anlagen (183 d.B.) - UG 30

Als neues Wirkungsziel im Budget 2020 findet sich in der Untergliederung 30 die Sprach­förderung, die auch im Regierungsprogramm einen wesentlichen Platz einnimmt. Neben dem Deutschförderunterricht in der Schule spielt die Sprachförderung in den elementar­pädagogischen Einrichtungen eine tragende Rolle für die sprachliche Entwicklung eines Kindes und den rechtzeitigen Erwerb von Kenntnissen in der Unterrichtssprache.

Schon seit 2008 wird in Kindergärten durch den Beobachtungsbogen zur Erfassung der Sprachkompetenz (BESK) der Sprachförderbedarf bei Kindergartenkindern erhoben. Die Durchführung dieser verpflichtenden Spracherhebung stellt seit über 10 Jahren ei­nen hohen Verwaltungsaufwand für die Kindergärten und Zeitaufwand für die Päda­goginnen und Pädagogen dar. Dennoch führt die Feststellung eines Förderbedarfs in der Praxis oft nicht dazu, dass die betroffenen Kinder tatsächlich Sprachförderung er­halten. Grund dafür ist ein Mangel an Ressourcen und Know-how in den Kindergärten.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 485

"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung, wird aufgefordert, dem Nationalrat einen Gesetzesentwurf vorzulegen, wel­cher die Ergebnisse des Beobachtungsbogens zur Erfassung der Sprachkompetenz (BESK) mit einem verbindlichen Anspruch auf Sprachförderung und der Bereitstellung entsprechender Ressourcen verknüpft. Sofern diese Regelung nicht im Rahmen eines Bundesgesetzes möglich ist, wird die Bundesregierung aufgefordert, einen Entwurf für eine entsprechende Bund-Länder-Vereinbarung vorzulegen und mit den Bundesländern diesbezügliche Gespräche aufzunehmen. Dabei ist darauf zu achten, dass nicht nur För­dermaßnahmen genannt, sondern auch entsprechende Personalressourcen und Ausbil­dungserfordernisse festgelegt werden. Weiters wird der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung aufgefordert, in seinem Wirkungsbereich einen Ausbil­dungslehrgang für Sprachförderung in der Elementarpädagogik ins Leben zu rufen und bundesweit anzubieten."

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Mag. Dr.in Maria Theresia Niss. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


18.59.06

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Niss, MBA (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehr­ter Herr Minister! Hohes Haus! Frau Kollegin Künsberg, man kann schon alles schlecht­reden. Würde es keine Hygienemaßnahmen geben, kann ich schon die Schlagzeile le­sen: Bildungsminister verbreitet Chaos! – Ich glaube, der Minister hat selbst gesagt, wir sollen die Regeln mit Hausverstand anwenden. (Zwischenrufe der Abgeordneten Heinisch-Hosek und Kucher.) Hausverstand, Eigenverantwortung: Das ist das Motto der ÖVP und bis jetzt sind wir damit ganz gut gefahren. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Zorba.)

Durch die Coronakrise wurden wir quasi ein bisschen forsch in die Digitalisierung ge­zwungen. Ich sehe das sehr positiv. Ich glaube auch, dass die Lehrer, die Eltern, die Schüler diese Krise mithilfe des Ministeriums durch ihre Herangehensweise sehr, sehr gut gemeistert haben – hierfür mein großer Dank an alle.

Ich bin aber davon überzeugt, dass wir diesen Weg natürlich jetzt auch weitergehen müssen. Unsere Aufgabe wird es nun sein, die Schulen dabei zu unterstützen, digitalen Unterricht zum Wohl der Schüler auch tatsächlich einzusetzen. Das bedingt natürlich Aus- und Weiterbildung der Lehrkräfte – das wird ganz entscheidend sein –, wir müssen sie sozusagen digireif machen, aber es bedingt meiner Meinung nach auch, dass wir es schaffen, in jeder Schule nur eine digitale Lernplattform zu verwenden. Wir haben viele sehr gute, sei es Schoolfox, MS Teams, Google Classroom, Jabadu, you name it!, ich glaube aber, wichtiger ist: eine Plattform pro Schule – damit helfen wir den Eltern, den Schülern, aber auch den Lehrern, die sich dann auch an ihre Kollegen wenden können, wenn sie Hilfe brauchen. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wenn wir es schaffen, diesen Schwung der Digitalisierung mitzunehmen und im Regel­unterricht einzusetzen, dann, glaube ich, haben wir viel zum Wohle der Schüler erreicht.

Erfreulich ist in diesem Zusammenhang auch der Schulentwicklungsplan. Frau Kollegin Hammerschmid, Sie haben gesagt, wir investieren nichts in die Kinder. Es sind fast 2,4 Milliarden Euro, die wir in diesem Bereich in die Kinder investieren.

Aber nicht nur die Bildung bedarf der Digitalisierung, die Digitalisierung bedarf auch der Bildung. In diesem Zusammenhang freue ich mich natürlich, dass auch die Finanzierung


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 486

der Universitäten, vor allem auch im Mint-Bereich, die Fachhochschulplätze erweitert wurden. Ich glaube, das sind alles wesentliche Dinge, denn die Wirtschaft sucht wirklich händeringend Fachkräfte, und diese Fachkräfte werden auch beim Wiederaufbau jetzt nach der Coronakrise eine zentrale Rolle spielen.

Ich freue mich in diesem Zusammenhang auf die Zusammenarbeit auch mit dem Herrn Minister für einen starken Bildungs-, Wissenschafts- und Forschungsstandort, und ge­meinsam werden wir das schaffen! – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Hamann.)

19.01


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag.a Andrea Kuntzl. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


19.02.03

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Ich darf jetzt doch schon einige Jahre, einige Zeit hier in diesem Haus arbeiten, aber ich habe so etwas wie diese Budgetdebatte noch nicht erlebt, und ich möchte so etwas auch nicht mehr erleben. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Wir diskutieren jetzt – eine Woche haben wir im Ausschuss dieses Budget diskutiert, jetzt diskutieren wir eine Woche im Plenum – ein Budget, von dem wir vor Wochen, vor vielen Wochen gehört haben, dass der Finanzminister dieses Budget gekübelt hat. Auf dieser Basis diskutieren wir, und er hat sich geweigert, dieses Budget so nahe wie mög­lich an die Veränderungen, an die Realität heranzuführen. Das geht nicht, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Heute hat sich herausgestellt: Dieses Budget ist nicht nur veraltet, nicht aktuell, sodass wir eigentlich nicht wissen, auf welcher Basis wir diskutieren, sondern es ist auch noch verfassungswidrig, sehr geehrte Damen und Herren. Wir diskutieren hier so, als ob nichts wäre, ein verfassungswidriges Budget. Das geht nicht! (Beifall bei der SPÖ.)

Dann erfahren wir über die Medien – wir sitzen hier seit Tagen im Haus zusammen und diskutieren und erfahren das dann über die Medien! –, dass das Budget morgen ganz anders ausschauen wird. Wir haben es eine Woche im Ausschuss diskutiert, diskutieren es eine Woche im Plenum – und morgen wird ein Antrag kommen, der das Budget auf den Kopf stellt, das Budget wird völlig anders ausschauen. Morgen um diese Zeit – es ist ungefähr 19 Uhr – werden Sie, die Regierungsparteien, das Budget beschlossen ha­ben, es wird um diese Zeit jedenfalls darüber abgestimmt worden sein, aber 24 Stunden vorher liegt dieser Änderungsantrag, der sehr umfangreich sein wird, noch immer nicht vor. Wir haben aber schon zwei Wochen ein Budget verhandelt, hier auf Basis eines Budgets diskutiert, das morgen Makulatur ist. Das geht nicht, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Wir haben in den letzten Wochen, sehr geehrte Damen und Herren von den Regierungs­parteien, sehr viel Verständnis dafür aufgebracht, dass wir in einer außergewöhnlichen Situation sind. Wir haben Sie dabei unterstützt, wichtige Maßnahmen auf den Weg zu bringen, wir haben Sie dabei unterstützt, diese auch möglichst schnell auf den Weg zu bringen, aber, sehr geehrte Damen und Herren, das jetzt, diese Vorgangsweise, das geht eindeutig zu weit! Das ist nicht nur eine Missachtung des Parlaments, das ist eine Demonstration von Missachtung. So etwas habe ich hier noch nicht erlebt, und so etwas dürfen wir uns nicht gefallen lassen – aus Selbstachtung heraus, als selbstbewusste Parlamentarier und Demokraten. Sehr geehrte Damen und Herren, das geht zu weit, so kann man mit dem Parlament nicht umgehen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeord­neten Künsberg Sarre und Loacker.)

Ich hege ja die Hoffnung, dass hinter dem Getöse, das sich hier seitens der Regierungs­parteien abspielt, in ihren Fraktionen – wenigstens bei den Grünen, auf die ich da schon


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 487

besonders setze – dieses Bewusstsein schon noch da ist, dass so eine Vorgangsweise einer Selbstachtung eines Parlamentariers nicht würdig ist und nicht stattfinden kann.

So, zum Wissenschaftsbudget: Das Motto „Koste es, was es wolle“ gilt offenbar für die Studierenden nicht, Herr Bundesminister. Im gesamten Wissenschaftsbudget, im Budget für den tertiären Bereich finden sich keine Maßnahmen zur Unterstützung zur besseren Bewältigung der Covid-19-Krise. Den Studierenden – einer Gruppe von Menschen, die sowieso von der Hand in den Mund lebt, die zum überwiegenden Teil arbeiten muss, um sich das Studium leisten zu können – brechen jetzt die Jobchancen weg, die klassischen Studentenjobs brechen in der jetzigen Krise weg, und es gibt keine Unterstützung, nicht einmal das Mindeste, dass man für dieses Semester die Studiengebühren erlässt. Sie werden sagen, die Universitäten sollen das tun, oder diese können oder wollen es nicht tun. Sie könnten aber sagen: Wir ersetzen den Universitäten das, wir greifen hier unse­ren Studierenden unter die Arme! – Das wäre das Allermindeste in der jetzigen Situation, um zu helfen. (Beifall bei der SPÖ.)

Die ÖH hat einen Härtefonds eingerichtet. Herr Bundesminister, Sie könnten sagen: Ja, das ist eine wichtige Maßnahme, in dieser Situation die Studierenden zu unterstützen, ich stocke diesen Fonds spürbar auf, damit den Härtefällen entsprechend geholfen wer­den kann.

Ein Wort noch zu den Fachhochschulen, die mir auch besonders wichtig sind: Diese haben uns um Unterstützung für ihr Anliegen gebeten, weil sie mit den Fördersätzen nicht mehr zurechtkommen und dringend eine Erhöhung brauchen. Dieses Anliegen un­terstütze ich auch sehr gerne. Es wäre dringend notwendig, diese für die Ausbildung unserer jungen Leute wichtigen Institutionen besser zu unterstützen. Ich unterstütze das sehr, aber wir wissen nicht, wie morgen das Budget ausschauen wird. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Künsberg Sarre.)

19.07


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag.Eva Blimlin­ger. – Bitte, Frau Abgeordnete.


19.07.55

Abgeordnete Mag. Eva Blimlinger (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehr­ter Herr Bundesminister! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Ich möchte anknüpfen an das, was Kollegin Kuntzl gesagt hat, als sie sagte, das Budget sei verfassungswidrig: Gott sei Dank ist es in Österreich immer noch so, dass der Verfassungsgerichtshof feststellt, was verfassungswidrig ist und was nicht, und nicht die SPÖ – denn da hätten wir in den letzten Jahren viel zu tun gehabt angesichts dessen, was da alles als verfassungswidrig hingestellt wurde. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Diese Klage könnt ihr gerne führen, aber hier wird beschlossen (Abg. Leichtfried: Das war jetzt Ihre Sicht ...!), und was verfassungswidrig ist, entscheidet der Verfassungsge­richtshof und nicht die SPÖ. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Es nimmt auch einigermaßen wunder, wenn Kollegin Kuntzl darauf verweist, wie schwach oder wie schlecht oder wie nicht ausreichend das Budget im Bereich Wissenschaft sei. Da muss ich schon sagen: Wenn man auf beiden Augen blind ist, dann sieht man es halt nicht. Es wäre schön gewesen, wenn es in den letzten 20 Jahren diese Art von Budget für die Universitäten, Fachhochschulen und auch den anderen tertiären Bereich gege­ben hätte (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP), denn so viel Budget, wie es jetzt gibt, hat es noch nie gegeben. Wir sind erstmals über 5 Milliarden Euro, und durch die Umstellung auf die kapazitätsorientierte Studienplatzfinanzierung ist es so, dass die Universitäten heuer ein Plus von 250 Millionen Euro haben. Ich denke, aus diesen Millionen könnten sie auch, und da gebe ich Ihnen teilweise recht – es sind natür­lich keine Studiengebühren, da würde ich Ihnen auch einmal raten, von Studienbeiträgen zu reden –, die Studienbeiträge teilweise ersetzen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 488

Ich kann Ihnen nur sagen: Wir haben das an der Akademie der bildenden Künste, als ich Rektorin war, immer gemacht – ohne Covid. Wir haben immer die Studienbeiträge ersetzt. Die Universitäten können das also zum Großteil schon machen, das ist kein Betrag, den man zusätzlich zur Verfügung haben muss.

In dem Zusammenhang ist es mir auch wichtig zu erwähnen, dass viele der Punkte, die in diesen neuen, seit 2019 gültigen Leistungsvereinbarungen drinnen sind – nämlich die Verbesserung der Betreuungsverhältnisse und das Halten der guten Betreuungsverhält­nisse –, erreicht sind. Ich hoffe – und das möchte ich an dieser Stelle auch deponieren –, dass den Universitäten nicht zum Nachteil gerät, dass die Ziele schon früher erreicht sind, und sie dadurch vielleicht weniger Geld bekommen.

Ein Wort noch zu den Fachhochschulen: Auch mir sind die Fachhochschulen ein großes Anliegen, auch sie bekommen 330 Millionen Euro. Das Budget wird also auf 330 Millio­nen Euro gesteigert. Auch dabei geht es natürlich darum, was möglich ist und was auch vonseiten der Fachhochschulen, die ja immer sehr stolz auf Kofinanzierungen sind, mög­lich ist.

Als besonderes Anliegen möchte ich die Grundlagenforschung nennen: Der FWF be­kommt sehr viel mehr Geld. Es gibt ja die Idee der NEOS, zu sagen, dass er viel mehr Geld braucht und die Situation ganz schlecht ist. Natürlich, Forschung – Grundlagenfor­schung  bräuchte immer Geld, aber wenn wir uns das Budget des FWF für die Perio­de 2018 bis 2021 anschauen, so sehen wir, dass das 850 Millionen Euro und ab 2021 224 Millionen Euro pro Jahr sind.

Dazu möchte ich noch einmal sagen – ich habe das schon im Budgetausschuss ge­sagt ‑: Mir ist ganz wichtig, dass die Förderungsprogramme erhalten bleiben, insbeson­dere jene für Frauen – zum Beispiel das Elise-Richter-Programm oder die Hertha-Firn­berg-Stellen. Sie sind ein wichtiger Motor, dafür gibt es Geld. Natürlich soll überhaupt der wissenschaftliche Nachwuchs in Österreich gefördert werden, um sich auch interna­tional weiter etablieren zu können.

In diesem Sinne freue ich mich, dass die Universitäten, die Fachhochschulen und die Grundlagenforschung, aber auch die ÖAW und der Österreichische Austauschdienst mit diesem Budget gut abgesichert in die nächsten Jahre gehen. – Danke. (Beifall bei Grü­nen und ÖVP. – Abg. Leichtfried: Bei so viel Applaus von der ÖVP würde ich mir Ge­danken machen! – Abg. Blimlinger – auf dem Weg zu ihrem Sitzplatz –: Na wenn ihr so viel Blödsinn redet, müssen sie applaudieren! – Abg. Heinisch-Hosek: Wer sagt da Blödsinn?!)

19.12


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Mag. Dr. Martin Graf. Die Restredezeit der Fraktion beträgt 1 Minute. (Ruf bei der FPÖ: 3 Minuten – danke! – Abg. Martin Graf – auf dem Weg zum Rednerpult –: 3 Minuten? Na ja, dann muss ich meine Rede verkürzen!)


19.12.30

Abgeordneter Mag. Dr. Martin Graf (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehr­ter Herr Bundesminister! Nach dem bildungspolitischen Ausflug von Kollegen Taschner ins 19. Jahrhundert und bei der Aufzählung von zehn hervorragenden Punkten haben Sie ein wesentliches Thema vergessen: Sie haben nichts zu den Fachhochschulen ge­sagt, und das auch aus gutem Grunde, denn dort liegt einiges im Argen – wir wissen das. Daher bringen wir einen Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Dr. Martin Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erhöhung der Fachhochschul-Fördersätze jetzt!“


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 489

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung werden aufgefordert, die Fördersätze für die Fachhochschulplätze mit dem kommenden Studienjahr 2020/21 um zumindest zehn Prozent zu erhöhen.“

*****

Egal, wie das Budget auch aussehen wird – wir werden ja den Abänderungsantrag se­hen –, wird das wahrscheinlich notwendig sein. Wir wissen, dass de facto seit 20 Jahren keine entsprechende Valorisierung erfolgt ist. Wir haben während unserer Regierungs­beteiligung einiges ausgemacht, das ist auch umgesetzt worden: Die Zahl der Plätze ist um 1 000 erhöht worden, aber die einzelnen Studienrichtungen sind nicht, wie Kollegin Blimlinger gesagt hat, tatsächlich abgesichert, sondern es tut not, in diesem Bereich nach­zubessern.

Ich darf Sie bitten, all Ihr Gewicht und auch Ihre Größe einzusetzen, um zu dem ge­wünschten Erfolg zu kommen, dass die Fachhochschulen als ein Erfolgskonzept im ter­tiären Bildungssektor der Zweiten Republik auch tatsächlich weiterhin arbeiten und un­sere Jugend ausbilden können. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

19.14

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Dr. Martin Graf

und weiterer Abgeordneter

betreffend Erhöhung der Fachhochschul-Fördersätze jetzt!

eingebracht in der 32. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 27. Mai 2020 im Zuge der Debatte zu TOP 6, Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (56 und Zu 56 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzrahmengesetz 2020 bis 2023 erlassen wird – BFRG 2020-2023 (182 d.B.) – UG31

„Dass BM Faßmann die derzeitige Finanzierungssituation der Fachhochschulen so dar­stellt, ist ein Schlag ins Gesicht. Die Fachhochschulen stehen derzeit vor der Situation, dass die Lehre bei weitem nicht ausfinanziert ist. Der Wertverlust bei der Studienplatz­finanzierung beträgt seit Gründung der Fachhochschulen mehr als 40 Prozent. So hun­gern Sie die Fachhochschulen aus, Herr Minister! Wenn Sie die Beibehaltung dieses Budgetierungspfades als Beibehaltung höherer Fördersätze bezeichnen, verschließen Sie die Augen vor der Realität. Wir bekommen heute 2.500 Euro weniger Bundesförde­rung pro Studierender bzw. pro Studierendem und Jahr als zu Beginn der Fachhoch­schulen vor 25 Jahren und dabei hat die Covid-Krise der letzten Wochen diese dramati­sche Situation noch verschärft“. So reagierte der FHK-Präsident Raimund Ribitsch auf die Aussage von Wissenschaftsminister Heinz Faßmann im Budgetausschuss, dass die Beibehaltung der höheren Fördersätze an den Fachhochschulen (dabei bezog sich Faß­mann auf die geringfügige Wertanpassung 2015(!)) eine „Offensivmaßnahme“ im Wis­senschaftsbudget sei.

Bereits in der türkis-blauen Regierungskoalition war der ehemalige Universitätsprofessor Faßmann ein Bremser in Bezug auf die Finanzierung der Fachhochschulen. Während es für die Universitäten ein sattes Plus von knapp 15 Prozent gab, wollte das BMBWF keine Erhöhung der Fördersätze und nur einen Minimalausbau von lediglich 440 neuen Anfängerplätzen für die Jahre 2019/20-22/23. Die FPÖ konnte zumindest durchsetzen,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 490

dass die Plätze auf 1000 erhöht wurden, alles weitere wurde aber seitens der ÖVP blo­ckiert.

Im aktuellen Regierungsprogramm wurde zwar angekündigt, dass die Fördersätze er­höht werden, im Budget findet sich dazu aber nichts.

Daher stellen die unterzeichnenden Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung werden aufgefordert, die Fördersätze für die Fachhochschulplätze mit dem kommenden Studienjahr 2020/21 um zumindest zehn Prozent zu erhöhen.“

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, er ist ordnungsgemäß eingebracht und steht somit auch in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Frau MMag. Dr. Agnes Totter. – Bitte, Frau Abgeordnete.


19.14.33

Abgeordnete MMag. Dr. Agnes Totter, BEd (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Abgeordnete! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! An unse­ren Schulen wurde die Umstellung auf das Distancelearning sehr gut bewältigt. Bereits zu Beginn zeigte sich, wie flexibel und leistungsbereit die Pädagoginnen und Pädagogen sind. Viele Stunden mussten zusätzlich investiert werden, um das Lernen auf Distanz zu bewerkstelligen und die Schülerinnen und Schüler auch bei diesem Lernen mit Abstand bestmöglich individuell zu fördern.

Die nächste große Herausforderung war und ist das Wiederhochfahren des herkömmli­chen Unterrichts mit neuen Richtlinien, Auflagen und den notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit aller. Für den Zusammenhalt, die Flexibilität und den großartigen Einsatz aller beteiligten Pädagoginnen und Pädagogen, Schülerinnen, Schüler und El­tern sage ich an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön. (Beifall bei der ÖVP.)

Auch die Schulleiterinnen und Schulleiter sind und waren in den letzten Wochen außer­ordentlich gefordert und haben großes Engagement gezeigt. Sie waren bedingt durch die Krise mit zahlreichen zusätzlichen administrativen Aufgaben konfrontiert, die sie – gerade im Bereich der Pflichtschulen – ohne administrative Unterstützung erledigten. Genau deswegen bin ich froh darüber, dass die administrative Unterstützung als Verbes­serung im Regierungsprogramm vorgesehen ist. Ich bedanke mich jetzt schon beim Herrn Bundesminister für seine diesbezügliche Unterstützung und Weitsicht.

Ganz besonders freut es mich auch, dass der Bund nun den Gemeinden finanzielle Mittel für infrastrukturelle Maßnahmen zur Verfügung stellt, denn damit werden auch die Schul­standorte im ländlichen Raum gestärkt.

Die Krise fordert viel Flexibilität und hat die Schulpartner sicherlich enger zusammenge­schweißt. Ich bin überzeugt davon, dass wir daraus zusätzlichen Schwung für ein gutes Miteinander an den Schulen, für unsere Kinder und somit für die Zukunft von uns allen mitnehmen können. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Hamann.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 491

19.16


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Abgeordneter Helmut Brandstätter. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.16.55

Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wissenschaft ist evidenzbasiert. Das heißt, wir müssen über Daten verfügen, und deswegen steht im Regierungsprogramm sehr sinnvollerweise, dass das Austrian-Micro-Datacenter einge­richtet wird. Im Budget finden wir es leider nicht. Jetzt heißt es, es soll vielleicht nächstes Jahr kommen.

Wir haben doch gerade in der Pandemie gesehen, dass wir die Daten brauchen, dass wir die Daten den Wissenschafterinnen und Wissenschaftern zur Verfügung stellen müs­sen. Das tun wir nicht. Der Präsident der Österreichischen Ärztekammer, Professor Sze­keres, hat gemeinsam mit dem Präsidenten des Weltärztebundes an die EU appelliert, doch gemeinsame Datenbanken zu schaffen. Wir haben heute schon über künstliche Intelligenz geredet: Wir werden das in Europa nicht schaffen, wir werden weltweit über­haupt nicht mitreden, wenn wir die Daten nicht zur Verfügung stellen können. Ich ap­pelliere wirklich ganz heftig an Sie, dass Sie in diesem Bereich aktiver werden.

Einen zweiten Punkt möchte ich ansprechen, weil mir immer wieder gesagt wurde, dass die Schulen gut durch diese zwei Monate gekommen sind. Ich habe mir den Aktionsplan für digitale Bildung der EU von 2018 angeschaut, in dem jedes einzelne Land dahin gehend gescannt ist, wie gut es mit digitalen Verbindungen ausgerüstet ist. Faktum ist, dass – jedenfalls nach diesem Bericht von 2018 – nur 11 Prozent der Volksschulen in Österreich einen digitalen Zugang hatten. Nur 11 Prozent der Volksschulen – damit sind wir im unteren Bereich. Bei den höheren Schulen sind wir so im Mittelfeld.

Wenn wir wirklich innovativ vorne sein wollen, müssen wir auf dem Gebiet viel, viel, viel besser werden. Ich verstehe es nicht: Ich höre immer großartige Dinge, was alles gut funktioniert, dabei funktioniert so vieles überhaupt nicht. Ja, Rudi, da sind wir einer Mei­nung. Bitte machen wir das endlich! Die Schulen müssen natürlich Zugang haben. Das wäre ganz wesentlich.

Der nächste Punkt ist die Verbindung von Grundlagenforschung und angewandter For­schung. Darüber habe ich mit Prof. Markus Hengstschläger gesprochen – evidenzba­siert, er ist ein gescheiter Mensch, da sind wir uns sicherlich einig.

Apropos (das Buch „Die Durchschnittsfalle“ von Markus Hengstschläger hochhaltend): Ich habe zu Hause ein Buch gefunden. (Heiterkeit und Zwischenrufe bei der ÖVP. – Abg. Loacker: Die sind schon versorgt, wenn sie die eigene Rede ablesen!) Lesen Sie das Buch, wirklich: „Die Durchschnittsfalle“!

Den Vorwurf habe ich noch nie gehört: Der hat zu viele Bücher daheim. – Ja, ich habe viele zu Hause, aber auch viele im Büro. Lesen Sie das Buch! Ich bin sicher, Herr Pro­fessor Faßmann kennt es. Was ist die wesentliche Aussage? – Dass wir alle nicht durch­schnittlich sind, dass jeder von uns, jeder Mensch, eigene Talente hat, aber leider auch, dass unsere Schulen diese Talente nicht ausreichend fördern, weil sie nicht auf Kreati­vität und nicht auf Individualismus setzen. Da müssen wir viel, viel besser werden.

Und wo wir noch besser werden müssen, das ist natürlich bei der Dotierung der Grundla­genforschung, sie ist unterdotiert, obwohl hier gesagt worden ist, das ist eh alles so großartig. In Zahlen ausgedrückt: Der FWF verzeichnete bereits 2017 einen Fehlbetrag von 83,7 Millionen Euro. 581 Projekte sind zuletzt als exzellent bewertet worden, bekom­men aber kein Geld. Wir brauchen hier mehr Geld, deswegen bringe ich folgenden Ent­schließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag.a Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erhöhung des Budgets des Wissenschaftsfonds“


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 492

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung, möge die derzeit unzureichende Budgetierung des Wissenschaftsfonds (FWF) für das Jahr 2020 so weit erhöhen, dass der vorgegebene sukzessive Zielpfad von 290 Mio. Euro im Jahr 2021 erreicht werden kann.“

*****

Danke, Herr Bundesminister! – Danke schön. (Beifall bei den NEOS.)

19.20

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Martina Künsberg Sarre, Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Erhöhung des Budgets des Wissenschaftsfonds

eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Budgetausschusses über TOP 7: Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2020 (Bun­desfinanzgesetz 2020 – BFG 2020) samt Anlagen (183 d.B.) – UG 31

Bereits im Dezember 2016 kündigten der damalige Wissenschaftsminister Reinhold Mit­terlehner und FWF-Präsident Klement Tockner in einer gemeinsamen Pressekonferenz an, Österreich zu einem der attraktivsten Wissenschafts- und Wirtschaftsstandorte zu machen und die Grundlagenforschung endlich mit den entsprechenden Mitteln auszu­statten. In diesem Sinne beschloss die damalige Bundesregierung eine Aufstockung des FWF-Budgets um 50 Prozent. So sollte das Jahresbudget sukzessive auf 290 Mio. Euro im Jahr 2021 ansteigen.

Dieses Ziel verfehlt die derzeitige Bundesregierung mit dem nun vorgelegten Bundesfi­nanzgesetz - wie auch ihre Vorgängerregierungen - klar: Für 2020 wurde das Budget des FWF nur marginal um 8 Mio. Euro auf 214 Mio. Euro erhöht. Dies ist insbesondere deswegen enttäuschend, weil im Regierungsprogramm von ÖVP und Grünen ein explizi­tes Bekenntnis zu einer Exzellenzinitiative enthalten ist, die vor allem auch über den FWF abgewickelt werden soll. Erst 2022 und 2023 soll das FWF-Budget laut Planung um jeweils 40 Mio. Euro angehoben werden.

Österreich hat zwar die zweithöchste Forschungsquote in der EU, liegt im Output aber trotzdem hinter den europäischen Innovation Leaders Dänemark, Schweden und der Schweiz zurück. Ein wesentlicher Grund dafür ist die Unterdotierung der österreichi­schen Grundlagenforschung. Während in Österreich weniger als ein Fünftel der F&E-Aus­gaben in die wettbewerbsorientierte Grundlagenforschung gehen, sind es in der Schweiz oder den Niederlanden knapp ein Drittel. Die OECD bezeichnete die budgetäre Aus­stattung des FWF-Förderungsportfolios bereits im Jahr 2018 als Hindernis für wissen­schaftliche Exzellenz. In Zahlen ausgedrückt gestaltet sich dieses Hindernis folgender­maßen: Der FWF verzeichnete bereits 2017 einen Fehlbetrag von 83,7 Millionen Euro. Das bedeutet, 581 Projekte wurden als exzellent oder sehr gut eingestuft, konnten aber mangels Budgets nicht gefördert werden. Es ist anzunehmen, dass sich dieser Nega­tivtrend weiter fortsetzen wird. Die chronische Unterförderung im Bereich kompetitiv ver­gebener Mittel geht direkt zu Lasten der österreichischen Forschenden und des Stand­orts. Vor allem in Zeiten einer Pandemie ist dies in keiner Form nachvollziehbar. Thera­pien und Impfungen gegen Covid-19 werden dringend benötigt, Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung sind für diese Suche von fundamentaler Bedeutung. Eine aus­reichende finanzielle Ausstattung ist dafür allerdings eine Grundvoraussetzung.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 493

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung, möge die derzeit unzureichende Budgetierung des Wissenschaftsfonds (FWF) für das Jahr 2020 so weit erhöhen, dass der vorgegebene sukzessive Zielpfad von 290 Mio. Euro im Jahr 2021 erreicht werden kann."

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete MMMag. Gertraud Salzmann. – Bitte, Frau Ab­geordnete.


19.21.04

Abgeordnete MMMag. Gertraud Salzmann (ÖVP): Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Her­ren! Lieber Kollege Brandstätter! Ich habe auch viele Bücher daheim, ich nehme sie nicht mit. Ich bringe lieber meine Expertise aus der Praxis mit. (Beifall bei der ÖVP.) – Er hört leider nicht zu, ist so.

Das vorliegende Budget ist unter schwierigen Bedingungen zustande gekommen, und trotzdem darf ich meine Freude hier wirklich zum Ausdruck bringen: Es ist ein gutes Budget für die Bildung, Herr Minister! Vielen Dank! Es sieht ein kräftiges Plus von 420 Millionen Euro für die Bildung und ein ordentliches Plus von 250 Millionen Euro für die Wissenschaft vor.

Die Schule, meine Damen und Herren, ist nicht nur ein Ort des Lernens, sondern die Schule ist ein wichtiger Lebensraum. Die Lehr- und Lernformen haben sich seit den Achtzigerjahren wesentlich verändert, die Digitalisierung hat einen ordentlichen Schub genommen. Ja, es ist immer Luft nach oben, das ist klar. Die Schulgebäude sollen das auch widerspiegeln, und darum, Herr Minister, hat es mich besonders gefreut, als Sie das Schulentwicklungsprogramm vorgestellt haben, mit dem Sie 2,42 Milliarden Euro in die österreichischen Bundesschulen investieren, in Neu- und Erweiterungsbauten.

Als Pädagogin freut mich das besonders, weil das unsere Arbeits- und Lebensräume sind, für die Schüler und für die Lehrer. (Beifall bei der ÖVP.)

Im Zuge der Bildungsgerechtigkeit bedeutet das eine wesentliche Stärkung aller Schul­standorte, vor allem auch derer in den Regionen, die ja mit den Schulen einen lebens­werten Raum darstellen.

Ich möchte ganz kurz noch, weil die Redezeit heute sehr beschränkt ist, auf wesentliche Forderungen eingehen, die wir jetzt umsetzen können, jahrelange Forderungen, die nicht umgesetzt worden sind: Wir führen endlich den Ethikunterricht ein – seit vielen Jahren warten wir darauf. Wir haben jetzt endlich eine kräftige Höherdotierung für die AHS: 70 Millionen Euro – die AHS, die von Ihren VorgängerInnen über viele Jahre suk­zessive ausgedünnt worden ist, das muss man so sagen. Wir werden außerdem weitere Tagesbetreuungsplätze schaffen und vieles mehr.

In die Bildung zu investieren, meine Damen und Herren, heißt, in die Zukunft zu inves­tieren. Das ist gerade jetzt ein starkes Signal für die Bildungsgesellschaft. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

19.23



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 494

Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Eva Maria Holz­leitner. – Bitte, Frau Abgeordnete.


19.23.46

Abgeordnete Eva Maria Holzleitner, BSc (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Nur kurz zur Erklärung: Die von Kollegen Taschner angesprochene Budgeterhöhung bezieht sich auf eine Inflationsanpassung bei den LehrerInnengehältern. Das ist eigentlich ein ganz regulärer Vorgang, aber, wenn man so nachdenkt, vielleicht eine der wenigen Zahlen, die in diesem Budget überhaupt noch stimmen. Wer weiß? (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Bildung und Wissenschaft: zwei Untergliederungen, die eigentlich zukunftsweisende Wei­chen für Kinder und Jugendliche stellen sollten oder, wie Herr Bundesminister Faßmann vielleicht sagen würde, bestimmend dafür sind, wie Humankapital geformt wird.

Der Budgetdienst hat berechtigterweise die große Sorge formuliert, dass die Geschlech­terungerechtigkeit durch das Homeschooling, das jetzt flächendeckend überall stattge­funden hat, noch verstärkt wird. Leider findet man im Budget keine einzige Maßnahme, mit der da gegengesteuert würde. Gezielte Frauenförderung – anscheinend ein Fremd­wort. Korrekte Zahlen – anscheinend ebenso ein Fremdwort.

Im Bereich der Studierenden gibt es leider ebenso nur more of the same wie unter Schwarz-Blau: keine Ambitionen, die Studiengebühren für Berufstätige wieder abzu­schaffen – und ja, ich sage Studiengebühren, denn für Studierende sind es keine Stu­dienbeiträge, das ist ein schlechter Euphemismus, sondern Studiengebühren! (Beifall bei der SPÖ) –; keine Ambitionen, den Hochschulzugang durchlässiger zu gestalten, um Bildungsvererbung wirklich aufzubrechen; keine Ambitionen für eine echte Ausfinanzie­rung der österreichischen Hochschulen. Man darf nicht vergessen, die Budgeterhöhung kommt zustande, weil es 2017 hier im Hohen Haus einen entsprechenden Beschluss gegeben hat – da waren viele von Ihnen, wie auch ich, noch nicht da –, jedenfalls einen Beschluss ohne die Stimmen der ÖVP. Alle anderen Parteien haben diesen mitgetragen.

Der Herr Bundesminister hat sehr wohl Ambitionen, zumindest laut Regierungspro­gramm, nämlich vor allem beim weiteren Einführen von Zugangsbeschränkungen auf Hochschulen, beim Valorisieren, sprich Erhöhen, von Studiengebühren. Damit wird die Hochschulbildung in Österreich weiterhin etwas Elitäres bleiben, und das ist sehr scha­de. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Hörl: So ein Blödsinn!)

Der Druck und die Herausforderungen im Bildungssystem und an den Hochschulen neh­men ständig zu, nicht nur während der Coronakrise, und das bereitet Kindern und Ju­gendlichen und Studierenden wirklich große Sorgen. Wir brauchen endlich ein Bildungs­ministerium mit Schallgeschwindigkeit. Die letzten zweieinhalb Jahre Schrittgeschwin­digkeit waren wirklich zu wenig, und deswegen würden wir uns hier wirklich mehr Am­bition wünschen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

19.26


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Mag. Maria Smo­dics-Neumann. – Bitte, Frau Abgeordnete.


19.26.45

Abgeordnete Mag. Maria Smodics-Neumann (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Zwei Dinge, die mir ganz besonders am Herzen liegen, möchte ich hier erwähnen: zum einen ein herzliches Dankeschön für 330 zusätzliche Fachhoch­schulstudienplätze. Als Absolventin ist mir das eine besondere Freude, und ich kann diese Ausbildungsform wirklich wärmstens weiterempfehlen. (Beifall bei der ÖVP.)

Zum anderen darf ich mich als Absolventin einer berufsbildenden höheren Schule für den pragmatischen Umgang mit den Pflichtpraktika bedanken, die ganz wichtig sind,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 495

auch für das klare Bekenntnis Ihrerseits zu den Pflichtpraktika. Das ist eine Win-win-Situation für die Unternehmen wie auch für die in Ausbildung Stehenden, denn es ist der erste Bezug zur wirtschaftlichen Realität – ein großes Dankeschön dafür. Dort, wo es geht, wird es gemacht, und dort, wo es nicht möglich ist, aufgrund der Branche und der Einschränkungen, wird das Aufsteigen in die nächste Schulstufe nicht verhindert. Danke für diesen sehr lösungsorientierten Umgang. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Ab­geordneten der Grünen.)

19.27


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Katharina Kucha­rowits. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


19.27.59

Abgeordnete Katharina Kucharowits (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Geschätz­te Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ein paar Worte zum nicht anwesenden Finanzminister Blümel: Es ist eine absolute Frechheit und es ist un­fassbar, dass ein Finanzminister der Republik Österreich dem Parlament ein verfas­sungswidriges Budget vorlegt, sich nicht einmal der Debatte stellt und nur über Medien ankündigt, dass es morgen einen Abänderungsantrag geben wird. So geht man mit uns, mit dem Parlament nicht um! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von FPÖ und NEOS. – Abg. Hörl: Nicht so aufregen!)

Jetzt zu Ihnen, Herr Minister Faßmann: Mit Verlaub, ich habe manchmal das Gefühl, Sie sind sich vielleicht nicht immer dessen bewusst, welchen Wirkungskreis Sie haben, wel­che Ressortverantwortlichkeit und vor allem auch welche Prägung da für viele, viele Menschen dahinter steht, nämlich für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, SchülerIn­nen, Studierende und Lehrende, denn sonst, denke ich mir, würde das Budget anders ausschauen.

Ich würde gern mit der Elementarbildung beginnen. Was tut Ihr Ressort? Was tut Ihr Budget für Kinderbildungseinrichtungen, für Kinder in Kinderbildungseinrichtungen? – Es gibt eine eigene Abteilung in Ihrem Ressort, wir kennen aber den Output nicht. Es gibt 15a-Vereinbarungen, es gibt ausverhandelte Finanzen – wo sind die? Und es gibt eigentlich den Plan, den Ausbau von Ausbildungseinrichtungen für Elementarpädago­gInnen zu forcieren. Geschätzter Herr Minister, wo finden wir das in Ihrem Budget? – Nirgends!

Ein zweiter Bereich: Summerschools, die großartig angekündigt wurden. Nächste Wo­che ist der 1. Juni. Es ist nur mehr ein Monat, dann fangen die Sommerferien an. Wo ist denn die Planungssicherheit für die Kinder, für die Eltern und auch für die LehrerInnen? – Wir wissen gar nichts, und es wird höchste Zeit, endlich das Konzept auf den Tisch zu legen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich darf jetzt zu den Universitäten und zu den Studierenden kommen: Es war auch für Studierende eine sehr schwierige Zeit mit Unsicherheiten. Distancelearning ist irgendwie ein sehr lässiger Begriff – aber so easy-going und happy-peppy war es für Studierende halt nicht! Das zeigt auch eine Studie der Universität Wien: Nur 7 Prozent fühlen sich „sehr oder ziemlich erfolgreich bei der Bewältigung des Studiums im Home-Learning“.

Auch, was das technische Equipment anbelangt, frage ich mich ganz ehrlich: Wann kom­men denn die Universitäten endlich im 21. Jahrhundert, im digitalen Zeitalter an? Damit meine ich nicht, dass Powerpoint-Präsentationen online gestellt werden, denn das ist es nicht! (Beifall bei der SPÖ.)

Ein abschließender Punkt: Stoppen Sie bitte endlich diese unwürdigen Kettenverträge an den Universitäten, die oftmals im Mittelbau vorhanden sind, die unglaublich viele Frauen betreffen. Diese Situation ist wirklich, wirklich unwürdig. Und bitte sagen Sie mir


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 496

nicht, das hätte mit der Autonomie der Universitäten zu tun – ich als Gesetzgeberin weiß das, aber Sie könnten Anreize setzen, wenn Sie nur wollen würden! – Vielen Dank. (Bei­fall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

19.31


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Claudia Plakolm. – Bitte, Frau Abgeordnete.


19.31.07

Abgeordnete Claudia Plakolm (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Im Budget planen wir nicht nur 70 Prozent mehr Mittel für Umwelt- und Klimaschutz, sondern wir planen auch zusätzliche Mittel für die Bildung, für unsere Schu­len. Insgesamt investieren wir 9,3 Milliarden Euro in die Zukunft, in die Bildung unserer Kinder und Jugendlichen.

Corona hat auch vor unseren Schulen nicht Halt gemacht, Schulen sind vorübergehend geschlossen worden und die Schüler wurden von zu Hause aus unterrichtet. Wir waren in Österreich schnell dran, haben rasch reagiert und Mittel zur Verfügung gestellt, bei­spielsweise wurden Laptops angeschafft, die an die Schülerinnen und Schülern verlie­hen wurden. Für abgesagte Schulveranstaltungen haben wir einen eigenen Schulstorno­fonds eingerichtet, damit die Eltern und Schüler nicht auf den Kosten für Wienwochen und Sprachreisen sitzen bleiben, und auch im E-Learning-Bereich ist viel investiert worden.

Was haben wir nun mit diesem großen Budget im Bildungsbereich vor? – Uns ist wichtig, dass diese Budgetmittel auch in den Klassenzimmern ankommen, dass jeder Schüler davon profitiert. Unser Fokus liegt daher auf digitalen Bildungsmedien, auf einer stärke­ren Berufsorientierung sowie der Weiterentwicklung von Lehre mit Matura.

Unser Bildungsminister hat vor ein paar Wochen das neue Schulentwicklungspro­gramm 2020 vorgestellt. Es umfasst 2,4 Milliarden Euro für moderne Schulstandorte mit insgesamt 270 Bauprojekten in ganz Österreich, die nicht nur die Wirtschaft ankurbeln, sondern auch ein flächendeckendes und hochwertiges Schulangebot in allen Regionen Österreichs, speziell auch in den ländlichen Regionen, ermöglichen.

Alleine in Oberösterreich ermöglichen wir 57 Projekte in den Bereichen Erweiterung und Sanierung. Ich bin der Meinung, jeder Euro, der in Bildung investiert wird, ist absolut richtig eingesetzt, denn dies bedeutet Zukunft, wenn die nächsten Generationen dem­entsprechend gut auf diese vorbereitet werden.

Abschließend wünsche ich noch allen Maturantinnen und Maturanten eine erfolgreiche schriftliche Maturawoche, morgen steht ja die Mathematikmatura bevor, für die ich na­türlich ganz besonders die Daumen drücke. Ich glaube, ihr habt euch durch dieses dis­ziplinierte und eigenständige Lernen während der Coronapandemie die Matura mehr als hart erarbeitet! – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

19.33


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Bundesminister Dr. Heinz Faßmann gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.


19.33.24

Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Präsident! Ich bedanke mich für die Ausführungen, ich höre bei diesen Diskussionen immer sehr aufmerksam zu, weil viele wichtige Dinge an­gesprochen werden. Sie werden klarerweise manchmal überpointiert angesprochen, aber das ist natürlich auch Teil einer politischen Debatte, bei der es darum geht, andere zu überzeugen, die Öffentlichkeit zu überzeugen.


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Ich schiebe Ihre Argumente nicht beiseite, ich finde insbesondere gewisse Punkte ex­trem wichtig. Herr Brückl, Sie haben beispielsweise die Steuerungsproblematik ange­sprochen: Was kann man vom Minoritenplatz aus steuern, was kann dezentral an den Schulstandorten gesteuert werden? – Da gilt es unzweifelhaft, eine Balance zu finden. Ebenso gilt das bei der Frage der Matura: Was ist standardisiert und vergleichbar und was ist autonom zu regeln? – Auch da ist eine Balance zu finden.

Auch die Frage des Austrian-Micro-Datacenter gemeinsam mit der Statistik Austria ist eine extrem wichtige, aber auch eine leicht zu lösende Frage, weil die Lösung nicht von den Millionen abhängig ist, sondern letztlich nur von der Bereitschaft der Statistik Austria, mit den Forschern und Forscherinnen ein vernünftiges Agreement zu finden. Dieses Finden einer Balance ist eine Sache, die, meine ich, in der ganzen Bildungspolitik durch­gängig ist.

Ich schiebe Ihre Argumente nicht beiseite, schieben Sie meine Darstellung aber auch nicht sofort beiseite. Meine Darstellung lautet: Wir haben ein Bildungsbudget, ein Wis­senschafts- und Forschungsbudget, welches klar die Schwerpunktsetzung dieser Bun­desregierung widerspiegelt. Die Zahlen wurden schon genannt: 14,3 Milliarden für die Untergliederungen 30 und 31, das ist schon eine respektable Position.

Wir geben 7,7 Milliarden, das sind 83 Prozent des Bildungsbudgets, für die Lehrer und Lehrerinnen aus – aber das ist, glaube ich, gut investiertes Geld, denn Schule ohne Lehrende kann einfach nicht funktionieren. Wir geben aber, Sibylle Hamann hat darauf hingewiesen, in den kommenden zehn Jahren auch 2,4 Milliarden Euro – in meinen Un­terlagen steht 2,42 Milliarden – für ein Schulneubau- und Schulsanierungsprogramm aus.

Wir investieren derzeit in die laufenden Projekte rund 450 Millionen Euro, und in der so­genannten Pipeline sind weitere Projekte im Ausmaß von 500 Millionen Euro. Ich weiß auch, wenn der Bund etwas tut, dann ziehen die Länder und die Gemeinden mit: Auch die investieren sozusagen in ihre Schulen; im Schulneubau und in der Schulsanierung tut sich ausgesprochen viel. Ich halte das in so einer Zeit für ausgesprochen sinnvoll, im Sinne einer keynesianischen Stimulierung, wenn man so will, Nachfrage zu erzeugen, die in der Regel auch immer einer lokalen, regionalen Wirtschaft zukommt.

Wir achten darauf, dass dieser Schulneubau energetisch vernünftig ist: Dämmung, Foto­voltaik, all diese Dinge werden realisiert. Wir stellen aber auch sicher, dass es eine mo­derne Lernumgebung gibt, dass die Schulen so ausgebaut werden, dass sie eine Ganz­tagsbetreuung übernehmen können. Das kann man alles beiseiteschieben, Frau Küns­berg Sarre, ich weiß schon, und man könnte sagen, alles müsse sofort neu entstehen – aber gerade beim Schulneubau ist das halt nicht ganz so einfach möglich.

Weil ich die Ganztagsbetreuung angesprochen habe: Auch da wird insgesamt in einem Planungszeitraum von 2019 bis 2022 eine Viertelmilliarde ausgegeben, um letztlich das Ziel einer 40-prozentigen Betreuungsquote zu erreichen.

Frau Kollegin Kucharowits, Sie haben die Elementarpädagogik angesprochen und ge­fragt, wo sich die Mittel für die Elementarpädagogik fänden – na ja, das sind die 142 Mil­lionen Euro, die in der 15a-Vereinbarung stehen, eine Bund-Länder-Vereinbarung. (Abg. Kucharowits: Das ist eine alte Variante!) – Bitte? (Abg. Kucharowits: Eine alte Va­riante!) – Das ist was? (Rufe bei der SPÖ: Alt!) – Nein, das ist die laufende 15a-Vereinba­rung, die jetzt erst ausgegeben werden muss! (Zwischenruf der Abg. Hammerschmid.)

Da investiert der Bund, und da investieren die Länder mit entsprechenden Kofinanzie­rungen, und das erlaubt auch einen sehr starken Ausbau der Sprachförderung, des verpflichtenden Kindergartenjahres und der Betreuungsplätze für jüngere Kinder. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)


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Es ist auch klar, dass Sie gewisse Dinge nicht hervorheben, die aber ebenso wichtig sind: 40 Millionen pro Jahr werden in die Deutschförderklassen investiert! Das ist eine wichtige Maßnahme, denn wir müssen eben jene erreichen, deren Kompetenz in der Unterrichtssprache Deutsch nicht ausreichend ist, weil sie diese entweder nicht im El­ternhaus vermittelt bekommen haben oder weil sie neu zugewandert sind. Es ist meiner Ansicht nach wesentlich, dass wir Kinder mit Migrationshintergrund und schlechten Deutschkenntnissen rechtzeitig fördern, damit sie schulisch nicht abgehängt werden.

Es ist auch klar, dass Sie natürlich jene Dinge nicht erwähnen, die sozialpolitisch wichtig sind – aber gerade deswegen frage ich mich auch, warum Sie diese gar nicht angespro­chen haben. Nachholen des Pflichtschulabschlusses und Basisbildung: 9 Millionen Euro; Erfolgsprojekt Lehre mit Matura, um ein Ausbildungssystem durchgängig zu machen und auch jenen, die in einer dualen Ausbildung sind, die Matura und sogar später ein Studium zu ermöglichen: 12,4 Millionen Euro. (Beifall bei der ÖVP.)

Also meine Bitte ist: Schieben Sie meine Argumente nicht ganz zur Seite und öffnen Sie auch den Blick auf das Budget und auf die Aktivitäten, die, glaube ich, vielfältig und durchaus in einem gewissen Sinn sozialpolitisch symmetrisch sind!

Darf ich auch etwas zum Budget Wissenschaft und Forschung sagen? – Eva Blimlinger, du hast schon darauf hingewiesen: Die Universitäten bekommen in einer Dreijahrespe­riode 11 Milliarden Euro, so viel, wie sie noch nie bekommen haben. Ich weiß, das ist natürlich eine Initiative des Hohen Hauses gewesen und Klubobfrau Maurer war ganz entscheidend daran beteiligt. Nichtsdestotrotz, die Unis bekommen so viel Geld wie noch nie, das ist eine Tatsache, und können Stellen für 360 neue Professoren ausschreiben – oder haben sie schon besetzt – und damit die Betreuungsrelation deutlich verbessern, aber auch neue Forschungsschwerpunkte abdecken. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Martin Graf, Sie haben auf die Fachhochschulen hingewiesen. Die Fachhochschulen sind unzweifelhaft die zweite zentrale Säule in unserem tertiären Bildungssystem. Wir haben die Mittel der Fachhochschulen in diesem Budget auf 330 Millionen Euro ange­hoben. Dazu muss man natürlich auch sagen, dass diese Mittel nicht unmittelbar ver­gleichbar sind mit den Universitäten, denn die Universitäten sind Körperschaften öffent­lichen Rechts und Fachhochschulen sind zumeist juristische Personen, hinter denen ein Erhalter steht. Nichtsdestotrotz haben wir im Regierungsprogramm einen zielgerichteten Ausbau der Fachhochschulplätze und eine Anhebung der Fördersätze übernommen. Beides halte ich für sinnvoll. Das ist beides auch stringent argumentierbar, beides wer­den wir auch gemeinsam für den FH-Sektor realisieren.

Frau Kuntzl, ich darf Ihre Aufmerksamkeit vielleicht auch auf die Studienbeihilfe lenken. Das ist ja ein wichtiges Element, um das Studieren auch jenen zu ermöglichen, deren Elternhaus vielleicht nicht ganz so begütert ist. Österreich hat da ein sehr gut ausge­bautes System. Ich kenne das Bafög-System sehr gut, und das österreichische System ist mit Sicherheit besser. 255 Millionen Euro fließen jährlich in die Studienbeihilfe, wir erreichen damit 45 000 Studierende. In Relation zu den prüfungsaktiven Studierenden sind das dann immerhin 20 Prozent.

Frau Kuntzl, Sie haben gesagt, wir haben nichts getan, um den Studierenden etwas von ihrer sozioökonomischen Last in diesem Semester wegzunehmen. Da haben Sie aber, glaube ich, nicht zur Kenntnis genommen, dass ich bei der Studienbeihilfe und bei der Familienbeihilfe sozusagen dieses digitale Semester zu einem neutralen Semester er­klärt habe, weil ich da einen gewissen Druck herausnehmen wollte. Es ist mir schon klar, dass Dankbarkeit keine politische Kategorie ist, aber man kann es zumindest zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich muss auch etwas zur Grundlagenforschung und zum FWF sagen. Der FWF bekommt in einer Dreijahresperiode – 2018 bis 2021 – vom Bund bis zum Jahr 2021 rund 850 Mil­lionen Euro. Der FWF wird im nächsten Jahr seinen bisherigen Höchststand von


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224 Millionen Euro pro Jahr erreichen. Wir haben dieses Niveau auch im Bundesfinanz­rahmen abgebildet, was ja wesentlich ist, damit es langfristig zu einem abgesicherten Budget kommt.

Ich weiß, es kann noch immer mehr werden für den FWF, aber wenn wir über die Grund­lagenforschung sprechen, dann müssen wir auch zwei oder drei wesentliche Institu­tionen, die sich mit der Grundlagenforschung befassen, ins Treffen führen: das ist die ÖAW, die immerhin in einer Dreijahresperiode 363 Millionen Euro erhält, das ist IST Austria, das rund 200 Millionen Euro an Bundesmitteln erhält, und das ist auch die Lud­wig Boltzmann Gesellschaft. Alle drei sind wesentliche Institutionen der Grundlagenfor­schung.

Mein letzter Punkt – das steht auch im Budget, ich halte es aber für wesentlich –: Der Bund finanziert rund 38 Mitgliedschaften Österreichs bei internationalen Forschungsein­richtungen. Cern ist so etwas. Cern ist für die Hochenergiephysik unersetzlich. Wir haben eine teure Mitgliedschaft bei ESO, bei dem European Southern Observatory, die aber unersetzlich für Astrophysiker ist, wir sind Mitglied bei vielen anderen internationalen Einrichtungen. Also weil ich die Forschungsszene ganz gut überblicke, muss ich sagen, Österreich ist in diesem Fall gut aufgestellt, wir können mit den Besten der Welt koope­rieren und wir können mit den Besten der Welt auch in Wettbewerb treten.

Es kann immer noch mehr werden. Kommt das Hohe Haus zu der Weisheit, mehr Geld für diese Dinge zu geben, dann werde ich nicht dagegen sein. Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenruf des Abg. Brandstätter.)

19.45


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Klaus Köchl. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.45.52

Abgeordneter Klaus Köchl (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrter Minister! Danke – bei Ihnen habe ich das Gefühl, wenn die Abgeordneten reden, dass Sie auf­merksam zuhören und nicht mit dem Handy spielen. Das machen nicht alle Regierungs­mitglieder so.

Ich spreche nur einen sehr kleinen Bereich an, den Sie aber nicht angesprochen haben, das ist der Bereich der Lehrlinge. Ich selbst war Lehrling und deshalb ist mir das auch so wichtig. Ich bin Jahrgang 1961, damals war es sehr schwer, eine Lehrstelle zu krie­gen, deshalb kann ich das verstehen, wenn Eltern jetzt Angst haben, dass ihre Kinder keine Lehrstelle kriegen. Bei uns in Kärnten macht man sich mit Finanzreferentin Gaby Schaunig schon große Gedanken, wie man das macht. Man hat sich mit Experten zu­sammengesetzt, in anderen Bundesländern passiert das auch. Da müsste der Bund mit­gehen, deshalb das Ersuchen, dass Sie sich dem annehmen, weil das einfach wichtig ist. Kommt jemand aus einer Schule, hat keine Perspektive, kann nicht lernen, dann, glaube ich, ist das etwas, was auch unserem Ausbildungsgesetz nicht entspricht. Ich ersuche Sie deshalb wirklich, dass Sie sich dessen annehmen, weil ich einfach glaube, dass das eines der wichtigsten Dinge ist.

Es ist ja leider, was diese überparteilichen oder überbetrieblichen Ausbildungsstätten betrifft, das Ganze nicht so nach der Vorstellung, wie wir Sozialdemokraten es gern se­hen würden. Das ist abgeschafft worden, die Lehrlinge verdienen dort jetzt weniger. Ich glaube, gerade jetzt wäre es wichtig, das auszubauen. In Hotel und Gastgewerbe wird es weniger Betriebe geben, weniger Möglichkeiten geben, dass man eben Koch, Kellner und dergleichen lernt. Ich glaube, da besteht ein ganz großer Mangel und ich ersuche Sie, da etwas zu tun. – Danke, Herr Minister. (Beifall bei der SPÖ.)

19.47



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 500

Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Nico Marchetti. – Bitte, Herr Abgeord­neter.


19.47.57

Abgeordneter Nico Marchetti (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich in den SPÖ-Sektor schaue, wird mir wirklich klar, warum das Wort Genossen auch die Vergangenheitsform von genießen ist. Also ich verstehe wirklich nicht (Zwischenruf der Abg. Greiner), wie man an diesem Bud­get für Bildung, Wissenschaft und Forschung nur Negatives finden kann und dass Sie einfach die Chancen nicht sehen, die da drinnen stecken. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.)

Also nehmen Sie einmal Ihren parteipolitischen Helm, weil Brille wäre untertrieben, ab und schauen wir uns das einmal ganz genau an! Im Bildungsbereich haben wir die soge­nannte Finanzierungslücke, die es lange gab, auch unter SPÖ-BildungsministerInnen, geschlossen. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.) Wir sind ausfinan­ziert und wir müssen im Nachhinein nichts herumschieben, dass sich irgendwas aus­geht, das ist vollkommen dicht. Wir haben auch im Wissenschaftsbereich das größte Budget aller Zeiten, in der Zweiten Republik. (Zwischenruf der Abg. Yılmaz. Weiterer Zwischenruf bei der SPÖ.) Was man daran nicht cool finden kann, verstehe ich nicht. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte auch noch ansprechen, dass das window of opportunity betreffend Digitali­sierung im Bildungssystem sperrangelweit offensteht. Wir haben aufgrund der Corona­krise eine zwangsläufige Feldtestung in Österreich gemacht, wie Digitalisierung im Schul- und Universitätsbetrieb funktionieren kann und – da stehe ich auch nicht an – dank des Antrags der Abgeordneten Künsberg Sarre wird das auch wissenschaftlich begleitet. Wir haben jetzt die Chance, genau zu sehen, wo man nachschärfen muss, wo wir etwas tun können, wo es funktioniert, um auf Basis dessen dieses große Projekt Digitalisierung im Bildungsbereich auszurollen.

Nicht nur das, wir haben jetzt auch mit dem Gemeindepaket, das sind immerhin 1 Milliar­de Euro, und dem Schulentwicklungsprogramm mit 2,4 Milliarden Euro die finanziellen Mittel, um genau bei diesen Punkten nachzuschärfen, was Infrastruktur in den Schulen betrifft, mit dem Gemeindepaket in den Landesschulen und mit dem anderen Paket in den Bundesschulen.

Das heißt, wir sind da wirklich auf der Überholspur. Ich glaube, wir sollten diese Chance sehen und sie mitgestalten. Das ist doch der Sinn des Politikerseins, dass er mitgestalten und etwas Positives verändern will. Ich verstehe nicht, warum Sie überhaupt keine Lust verspüren, da mitzumachen. (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn diese parteipolitische SPÖ-Brille schon unten ist, dann auch noch zu Wien (Hei­terkeit bei der SPÖ): Vom Gemeindepaket fließen 238 Millionen Euro nach Wien. Das ist Geld, das man für die Landesschulen verwenden kann: für Investitionen, für Moderni­sierungen. (Zwischenrufe bei der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.) Ich glaube, das ist eine wirklich gute Chance. Vom Schulentwicklungsprogramm fließen 540 Millionen Euro in Wiener Schulen. Insgesamt sind das fast 800 Millionen Euro, die der Bund für das Schulsystem in Wien in die Hand nimmt. (Beifall bei der ÖVP.) Also muss man sich dafür jetzt entschuldigen, nur weil man nicht von der SPÖ ist, oder er­kennen Sie an, dass das eine Chance ist?

Ich freue mich auf jeden Fall darauf, dass wir diese wirklich guten Rahmenbedingungen, die wir derzeit vorfinden, auch mit Leben füllen. Vielleicht habe ich ein bisschen die Lust bei Ihnen geweckt, da auch mitzutun. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Grünen.)

19.51



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 501

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Ab­geordnete Kuntzl gemeldet. – Bitte, Frau Abgeordnete.


19.51.32

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Mein Vorredner hat fälschlicherweise be­hauptet, die ÖVP hätte das höchste Universitätsbudget erreicht. – Wahr hingegen ist, dass es auf unsere Initiative hin 2017 (Zwischenrufe bei der ÖVP) beschlossen worden ist, mit den Stimmen fast aller Parteien hier im Haus. Eine Partei hat dagegengestimmt, nämlich Ihre, die ÖVP. (Beifall bei der SPÖ.)

19.51


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Nurten Yılmaz. – Bitte, Frau Abgeordnete.


19.52.15

Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminis­ter! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir alle hier im Saal wissen, wie wichtig Bildung ist. Wir wissen aber auch – wenn wir jetzt ehrlich sind –, dass in unserem Bildungssys­tem nicht alle genau so von Bildung profitieren, wie es sein sollte.

Ein klassisches Beispiel: Wer sich Nachhilfe leisten kann, hat es in der Schule leichter, ist besser. Wer es sich nicht leisten kann, hat es schwerer, schafft es nicht, bleibt sitzen, hat die größten Schwierigkeiten. Es gibt natürlich eine Möglichkeit, ausgleichend einzu­greifen. Das Zauberwort heißt Chancenindex. Das ist in Ihrem Regierungsprogramm, liebe Grüne, Herr Bundesminister, sehr unambitioniert – das muss ich auch sagen –, und nicht einmal das ist budgetiert. Diese Möglichkeit, Chancengleichheit herzustellen, Kinder zu fördern, kein Kind zurückzulassen, ist nicht budgetiert.

Außerdem: Seit eineinhalb Wochen habe ich das Gefühl, dass wir so eine Art Selbstbe­schäftigung betreiben. Jene Zahlen, mit denen wir bis jetzt gearbeitet haben – im Wis­sen, dass sie nicht stimmen –, sind weg. Die haben wir jetzt auch nicht mehr.

Einen Satz zu Kollegin Blimlinger und deren Demokratieverständnis: Hier wird es be­schlossen und der Verfassungsgerichtshof entscheidet dann. – Wenn das dein Demo­kratieverständnis ist, muss ich meine positiven Vorurteile wirklich neu ordnen. (Zwi­schenruf der Abg. Blimlinger.)

Meine größte Enttäuschung war sowieso der Herr Bundesminister. Ich habe mich da­mals darüber gefreut, dass er Bundesminister geworden ist, aber die schwarze Päda­gogik der Ur-ÖVP wird heute mit den Grünen weitergeführt. – Gratuliere! (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

19.54


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Johann Weber. – Herr Abgeordneter, bitte schön. (Ruf: Na, gratuliere!)


19.54.47

Abgeordneter Ing. Johann Weber (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Hohen Haus, und vor allem ge­schätzte Zuschauer zu Hause vor den Bildschirmen! Wir diskutieren jetzt schon zwei Tage sehr intensiv über ein Budget, das wir morgen beschließen werden. Es ist ein Bud­get, das als – unter Anführungszeichen – „Krisenbudget“ bezeichnet werden kann. (Zwi­schenrufe bei der SPÖ.) Wir alle würden sicher viel lieber über ein – unter Anführungs­zeichen – „normales“ Budget diskutieren. (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.) Fakt ist: Corona haben wir uns nicht gewünscht, Corona haben wir uns nicht ausgesucht, und es ist, wie es ist. Ich bin froh, dass wir morgen dieses Budget beschließen, denn damit haben wir Sicherheiten. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg. Loa­cker: Wollen Sie sich jetzt selbst tatsächlich berichtigen?!)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 502

Ich möchte jetzt die Gelegenheit nützen, mich bei all den Lehrerinnen und Lehrern eines Schulwesens, das noch nicht genannt worden ist, des landwirtschaftlichen Schulwesens, zu bedanken. Ich gehöre diesem Schulwesen an, und auch das landwirtschaftliche Schulwesen hat in dieser schwierigen Phase der Coronawochen und -monate bewiesen, dass die Schulen durchaus ihren Bildungsauftrag erfüllt haben. – Danke noch einmal dafür. (Beifall bei der ÖVP.)

Jetzt will ich noch ganz schnell und ganz kurz eine Lanze für die Lehre mit Matura brechen, die der Herr Bundesminister schon angesprochen hat: Für dieses Schul- und Bildungswesen sind 12,4 Millionen Euro bereitgestellt. Es ist eine sehr zeitgerechte, be­darfsorientierte Ausbildungsmöglichkeit für unsere Jugend. Jugendliche können einer­seits einen Lehrberuf erlernen und auf der anderen Seite die Reifeprüfung machen. Daraus ergeben sich viele Möglichkeiten. Sie sind auch genau jene Fachkräfte, die die Wirtschaft in der letzten Zeit immer gebraucht hat und die sie im Comeback und danach sicher wieder brauchen wird.

Diese Ausbildungsmöglichkeit gehört in Zukunft noch stärker forciert. Das ist meine persönliche Meinung. Ich kenne sehr viele junge Menschen, die diese Ausbildung bereits gemacht haben, und sie erzählen mir, wie es ihnen dabei ergangen ist. Es ist eine harte Ausbildung, ohne Zweifel, aber der Erfolg gibt ihnen recht. Sie sind am Markt sehr ge­fragt. – Dafür noch einmal recht schönen Dank, Herr Bundesminister, dass das im Bud­get seinen Niederschlag findet. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir wissen auch alle: Die Investition in Bildung, in Ausbildung ist die beste Investition einerseits für unsere Jugend und andererseits auch für den Wirtschaftsstandort Öster­reich. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Leicht­fried: Das war jetzt eine ungewollt humorvolle Rede! – Heiterkeit bei der SPÖ.)

19.57


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Ab­geordnete Mag. Eva Blimlinger zu Wort gemeldet. – Bitte schön.


19.57.53

Abgeordnete Mag. Eva Blimlinger (Grüne): Also wenn ich mir das Demokratiever­ständnis von euch anschaue, muss ich sagen: Ich habe ja recht gehabt! Wenn ihr nicht versteht, was Gewaltentrennung ist, dann weiß ich nicht (Rufe bei der SPÖ: Tatsächliche Berichtigung! – Abg. Loacker: Wissen Sie, was eine tatsächliche Berichtigung ist?!), denn die Bildung verfängt bei euch offensichtlich nicht und - -

19.58


Präsident Ing. Norbert Hofer: Sehr geehrte Frau Abgeordnete, ich muss nur auf etwas hinweisen. (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg. Blimlinger: ... politische Bil­dung ...! – Beifall bei Grünen und ÖVP für die das Rednerpult verlassende Abg. Blimlinger.)

Frau Abgeordnete Blimlinger, Sie haben es vielleicht nicht mitbekommen, aber das Mi­krofon war ausgeschaltet, weil ich darauf hinweisen wollte, wie diese Berichtigung hätte vonstattengehen können.

Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Petra Vorderwinkler. – Bitte, Frau Abgeordnete.


19.58.54

Abgeordnete Petra Vorderwinkler (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Werte Zuseher! Lassen Sie mich zu Beginn noch ein paar Worte zu Kollegin Kirchbaumer sagen, die zu meiner letzten Rede Stellung genommen hat! Es sind Inhalte und Tatsachen, die wir hier besprechen, und es ist nicht notwendig, persönliche Beleidigungen auszusprechen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ja, ich bin im öffentlichen Dienst, das seit fast 25 Jahren, und ich bin stolz darauf. Im Übrigen ist mein Mann seit 20 Jahren selbstständiger Unternehmer, und ich erlebe haut­nah jeden Tag, wie mit KMUs umgegangen wird, dass Steuerberater selbst verzweifeln,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 503

dass kein Geld ankommt und dass selbst gut gehende Unternehmen nach drei Monaten am Rande des Abgrunds stehen. – Nur so viel dazu, dass ich mich nicht auskenne. (Beifall bei der SPÖ.)

Zum Budget des Bildungsministeriums: Es löst in mir Betroffenheit und jede Menge Fragezeichen aus. Es geht um Kinder, um unsere Kinder, um Ihre Kinder, sehr geehrte Damen und Herren, die ihr Leben noch vor sich haben und Chancen verdient haben.

Wieso wird gerade jetzt kein zusätzliches Geld in die Hand genommen, um die Defizite der letzten Monate auszugleichen und aufzuholen? Keine einzige Maßnahme ist in diese Richtung angepasst worden. Gerade jetzt, da die Krise Spuren in der Seele der Kinder hinterlassen hat, wird auf Sparflamme gearbeitet. Es werden zum Beispiel Beratungsleh­rerInnen abgezogen, um andere Kinder zu beaufsichtigen, obwohl diese sich gerade jetzt um die Bedürfnisse und Ängste der Kinder kümmern müssten.

Sie müssen sich vorstellen, die Kinder haben zu Hause Dramen erlebt: Arbeitslosigkeit, Krankheit, Verzweiflung, Sorgen um die Zukunft! Ihr Leben hat sich vollkommen verän­dert und sie brauchen Zuwendung und Hilfe. In der Schule ist plötzlich alles anders: Masken, Desinfektion, Abstand halten, kein Turnen, kein Spielen.

Dazu zwei kurze Fragen aus der Schulpraxis: Warum müssen wir im Gasthaus am Weg auf die Toilette keine Masken aufsetzen und die Kinder in der Schule aber schon, wenn sie auf die Toilette gehen? Oder: Warum dürfen sich die Kinder in der Schule nicht bewe­gen, obwohl Bewegung für die psychische und physische Gesundheit so wichtig ist? – Experten aus diesem Bereich – und dazu zähle ich jede einzelne Lehrerin und jeden einzelnen Lehrer – haben dies sicher nicht empfohlen, denn es gibt genug Bewegungs­einheiten, die auch in der derzeitigen Situation möglich sind.

Wissen Sie, wie viele Tränen wir trocknen mussten, weil die Kinder völlig verunsichert, völlig verstört waren? Diese Krise hinterlässt massive Spuren an der nächsten Genera­tion, wenn wir jetzt nichts unternehmen, und das ist nur ein kleiner Ausschnitt aus der tatsächlichen Situation! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Künsberg Sarre.)

Das vorliegende Budget ist völlig ungeeignet, um die aktuellen Herausforderungen zu meistern. Die Auswirkungen der Coronakrise sind nicht abgebildet, auch ohne Corona wäre das Budget aber unzureichend. Keine einzige Maßnahme aus dem Regierungspro­gramm wird budgetiert. Es liegt also nahe, dass durch Einsparungen auf anderen Seiten finanziert wird. Dies würde zu den Stundenkürzungen passen, die bei den vor Kurzem stattgefundenen Planungsgesprächen für das nächste Schuljahr vorgenommen wurden. Sie (in Richtung Bundesminister Faßmann) haben gesagt, in Deutschförderklassen wur­de investiert. Warum wurden dann genau dort die Stunden gestrichen?

Wir befinden uns derzeit auf dem Weg in eine ausgewachsene Schulkrise, wenn wir jetzt nichts unternehmen. Ich fordere Sie daher auf, sich im Sinne unserer Kinder wirklich für unsere nächste Generation einzusetzen und in sie zu investieren. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Künsberg Sarre.)

20.02


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag.a Corinna Scharzenberger. – Bitte, Frau Abgeordnete.


20.02.30

Abgeordnete Mag. Corinna Scharzenberger (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geschätzter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Die Folgen der Coronakrise bringen für viele Firmen große Schwierigkeiten mit sich und gefährden viele Arbeitsplätze. Das wissen wir, und gerade deshalb ist es jetzt umso wichtiger, Geld in die Hand zu nehmen, zu investieren, damit wir Arbeitsplätze für die Zukunft sichern können. (Beifall bei der ÖVP und bei Ab­geordneten der Grünen.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 504

Es wäre nirgends sinnvoller angelegt als in der Ausbildung und Zukunft unserer Jugend. Das Schulentwicklungsprogramm unserer Bundesregierung macht genau das, indem es die Wirtschaft fördert und gleichzeitig die Infrastruktur an vielen Schulen verbessert. Da­bei werden die ländlichen Regionen in ganz Österreich berücksichtigt, und es freut mich ganz besonders, dass auch fünf Schulen in meinem Bezirk Liezen von diesem Projekt profitieren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Diese Förderung geht damit direkt an die Jungen und sichert Arbeitsplätze in meiner Heimatregion. An dieser Stelle einen herzlichen Dank an die gesamte Bundesregierung, heute stellvertretend an Sie, Herr Bundesminister Heinz Faßmann. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Ernst-Dziedzic.)

Vor allem der Ausbau der digitalen Infrastruktur an den Schulen wird immer wichtiger werden, und es muss uns klar sein, dass es zwei Drittel der Jobs, die unsere Kinder einmal ausüben werden, heute noch gar nicht gibt. Um unsere Schülerinnen und Schüler auf diese neuen Herausforderungen vorbereiten zu können, muss es an den Schulen auch die technischen Voraussetzungen geben. Nur so können wir sie fit für die Anforde­rungen der Zukunft machen.

Das 2,4 Milliarden Euro schwere Hilfspaket wird sich natürlich in den Budgets der nächs­ten Jahre niederschlagen. Erstens aber heißt es: Gehe mit der Zeit, sonst gehst du mit der Zeit!, und zweitens ist jetzt nicht die Zeit zum Sparen an der falschen Stelle, sondern zum Investieren in unsere Regionen, zum Investieren in Arbeitsplätze in unseren Re­gionen und in die Zukunft unserer Kinder. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abge­ordneten von SPÖ und Grünen.)

20.04


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Frau Kollegin Mag.a Dr. Hammer­schmid. – Bitte, Frau Abgeordnete.


20.04.46

Abgeordnete Mag. Dr. Sonja Hammerschmid (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte die letzten Minuten dazu nutzen, um Licht ins Dunkel zu bringen. Was uns da als Erhöhung des Bildungs­budgets verkauft wird, möchte ich schon noch einmal einordnen. (Ruf bei der ÖVP: Wo ist die Sektflasche?)

Zu den 2,4 Milliarden Euro für den Schulentwicklungsplan: Das Budget 2008 bis 2018 für den Schulentwicklungsplan, für den Ausbau und Erweiterungsbau sowie für die Sa­nierung unserer Schulen betrug 2,4 Milliarden Euro. Das ist also eine Fortschreibung des schon 2008 bis 2018 geplanten Baubudgets mit einem Delta von zwei Jahren, weil dieser Schulentwicklungsplan zwei Jahre liegen gelassen wurde. (Ruf bei der ÖVP: Habt ihr den Sekt schon ausgetrunken?)

420 Millionen Euro Steigerung, lieber Herr Kollege Taschner, liebe Frau Kollegin Salz­mann: Ja, das sind grosso modo die Gehaltserhöhungen für die Lehrerinnen und Lehrer. (Zwischenruf bei der ÖVP.) – Ich kenne mein Budget aus 2017 noch sehr genau, glau­ben Sie mir, mehr ist da nicht drinnen.

Die Mittel für die Elementarpädagogik: Das ist schlichtweg die Fortschreibung dessen, was wir 2017 über die 15a-Vereinbarungen vereinbart hatten (Zwischenbemerkung von Bundesminister Faßmann), und die 40 Millionen Euro Sprachförderung: Ja, das ist das Überbleibsel aus dem Integrationstopf, das ins Regelbudget übernommen wurde, das stimmt, aber es sind sogar 40 Prozent weniger, als wir damals für die Integration und für Sprachförderung zur Verfügung gestellt haben. (Neuerliche Zwischenbemerkung von Bundesminister Faßmann.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 505

So. – (Bundesminister Faßmann: Keine Ahnung!) Ich fordere noch einmal: 1 Milliarde Euro mehr für unsere Kinder, für unsere Schulen, denn jeder Cent, jeder Euro ist ein wunderbar investierter Euro in unsere Kinder und in die gesellschaftspolitischen Heraus­forderungen, vor denen wir stehen. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordne­ten der Grünen sowie der Abg. Fiedler.)

20.06


Präsident Ing. Norbert Hofer: Mir liegen dazu keine Wortmeldungen mehr vor. Die Beratungen zu diesem Themenbereich sind somit beendet.

Ich unterbreche nun die Sitzung bis Donnerstag, den 28. Mai, 9 Uhr. Die Verhandlungen werden mit der Untergliederung 10: Frauen und Gleichstellung fortgesetzt.

Die Sitzung ist unterbrochen.

20.06.58*****

(Die Sitzung wird am Mittwoch, dem 27. Mai 2020, um 20.06 Uhr unterbrochen und am Donnerstag, dem 28. Mai 2020, um 9.05 Uhr wieder aufgenommen.)

*****


 


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 506

09.05.12Fortsetzung der Sitzung: 9.05 Uhr

09.05.13


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeord­nete! Ich darf Sie am dritten Plenartag der Budgetdebatte recht herzlich begrüßen! Ich nehme die unterbrochene Sitzung, die 32. Sitzung des Nationalrates, wieder auf.

Als verhindert gemeldet ist Frau Abgeordnete Kira Grünberg.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Für den heutigen Sitzungstag hat das Bundes­kanzleramt über die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung folgende Mitteilung gemacht:

Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M. wird durch Frau Bundesminister für Frauen und Integration MMag. Dr. Susanne Raab vertreten.

*****

Ich gebe bekannt, dass ORF 2 die Sitzung bis 13 Uhr überträgt, ORF III bis 19.15 Uhr, anschließend wird sie in der TVthek kommentiert übertragen.

Redezeitbeschränkung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die Tagesblockredezeit für den heutigen Tag von 8 „Wiener Stunden“ sowie die Gliederung der heutigen Beratungen sind Ihnen bekannt.

Vor Eingang in die Budgetberatungen hat sich Klubobmannstellvertreter Leichtfried zu Wort gemeldet. Ich darf ihm das Wort erteilen.

09.06.19*****


9.06.20

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsi­dent! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich gestern schon einmal zur Geschäftsordnung gemeldet und habe gesagt: So geht das nicht weiter! (Oh-Rufe bei der ÖVP), und die nachfolgenden Ereignisse haben mich in diesem Schluss massiv be­stärkt.

Herr Präsident, ich möchte Sie wirklich dringend auffordern, dass Sie jetzt die Dinge in die Hand nehmen, dass Sie jetzt die Sitzung unterbrechen und dass Sie eine kurze Steh­präsidiale einberufen, um die weitere Vorgangsweise jetzt wirklich abzuklären!

Herr Klubobmann Wöginger hat uns gestern versichert, dass entsprechend der Usancen dieses Hauses ein Abänderungsantrag, wenn dieser kommt, dem Haus 24 Stunden vor der Abstimmung zur Verfügung gestellt wird. – Das war nicht der Fall. Er ist sehr spät in der Nacht gekommen.

Es ist ein Antrag, der plötzlich an die 20 Milliarden Euro neu definiert. Es ist gut, dass es geschehen ist, ja! Es ist gut, dass einmal der Versuch unternommen wurde, diese hand­werklichen Mängel, die es bis jetzt gegeben hat, die es in der Geschichte der Budget­politik wahrscheinlich noch nie zuvor so gegeben hat, zu verbessern. Wie das legistisch


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 507

ausschaut, ob das jetzt richtig ist – dahin gehend gibt es ernsthafte Zweifel –, darauf möchte ich jetzt nicht eingehen, aber das gehört natürlich auch geklärt.

Faktum ist – und Herr Präsident, denken Sie einmal darüber nach! –, ich habe das jetzt nachzählen lassen: Die Abgeordneten hier im Hohen Haus haben 60 Stunden lang über einen falschen Budgettext verhandelt. Das ist doch inakzeptabel, Herr Präsident! Das ist doch eine Frotzelei! (Beifall bei SPÖ, FPÖ und NEOS.)

Jetzt kommt mitten in der Nacht ein Antrag, der einige Dinge klarzustellen versucht – aber noch einmal: da geht es um 20 Milliarden Euro, das ist ja nicht nichts –, aber der gleichzeitig wieder den prognostizierten, vom Budgetdienst geschätzten Einnahmenaus­fall von über 10 Milliarden Euro nicht einmal berücksichtigt. Ja, was ist mit dem Finanz­minister?! Entschuldigung bitte! Das geht ja so nicht!

Deshalb, Herr Präsident, bitte ich, die Sitzung zu unterbrechen. Wir sind der Auffassung, dass es unbedingt notwendig ist, diesen Antrag und die gesamte Diskussion zurück an die Ausschüsse zu verweisen – Rückverweisung, neue Hearings, neue Diskussionen –, denn das hier ist absolut inakzeptabel, Herr Präsident. (Beifall bei SPÖ und FPÖ sowie bei Abgeordneten der NEOS.)

9.09


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zur Geschäftsbehandlung hat sich Klubobmann Wöginger zu Wort gemeldet. – Bitte.


9.09.15

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben den Abänderungsantrag um 23 Uhr übermittelt, weil es notwendig war, das auch wirklich noch einmal zu kontrollieren. Ich sage eines dazu: Das ist der Abänderungsantrag (genannten Antrag in die Höhe hal­tend), er hat zweieinhalb Seiten; aber es ist richtig, es werden 20 Milliarden Euro anders dargestellt.

Wir haben in diesem Budgetentwurf von Beginn an eine Überschreitungsermächtigung von 28 Milliarden Euro dargestellt. Jetzt ist es so, dass diese 28 Milliarden Euro vier Rubriken zugeteilt werden, in denen sozusagen diese Aufwendungen aufgrund der Co­vid-Krise erwartet werden. Wir können nach wie vor nicht sagen, wie teuer die Kurzarbeit insgesamt werden wird. Wir können nach wir vor nicht sagen, wie viele Milliarden es bei den Haftungen, bei den Zuschüssen, bei den Garantien oder bei der Auszahlung des Härtefallfonds genau sein werden.

Was wir machen, ist: Wir kommen der Kritik der Opposition damit nach, letzten Endes diese 28 Milliarden Euro den Rubriken zuzuordnen. Das sind Schätzungen, denn mehr ist nicht möglich. Bei den Einnahmen, meine Damen und Herren, sagen mittlerweile ja alle Expertinnen und Experten, alle Wirtschaftsforscher, dass es einfach nicht darstellbar ist, weil es unterschiedliche Prognosen von minus 3,2 Prozent bis minus 9 Prozent beim Negativwachstum gibt, und daher können wir das auch nicht darstellen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Dieses Konto – gestern hat Herr Kollege Krainer dazu noch den Oberwirbel geschla­gen – ist dargestellt und ist auch mit diesen 20 Milliarden Euro befüllt. Das ist der Abän­derungsantrag. Es ist nicht so schwer (Zwischenrufe bei der FPÖ), dass in den kom­menden 8, 9, 10 Stunden – so lange wird die Debatte aus meiner Sicht heute dauern, bis es zu den Schlussabstimmungen kommt – diese zweieinhalb Seiten letzten Endes auch von allen Fraktionen gesichtet werden.

Wir haben uns bemüht, den Antrag so schnell wie möglich zu übermitteln. (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.) Wir können auch gerne in der Stehpräsidiale darüber reden, wann wir dann letzten Endes abstimmen, damit den Usancen des Hauses Rechnung


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 508

getragen wird. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Es ist aber nicht so, meine Damen und Herren, dass man diese zweieinhalb Seiten mit der einseitigen Begründung nicht in den nächsten 8 Stunden sichten und entscheiden kann, ob man zustimmt oder nicht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

9.11


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich unterbreche die Sitzung für eine Stehprä­sidiale.

*****

(Die Sitzung wird um 9.11 Uhr unterbrochen und um 9.32 Uhr wieder aufgenommen.)

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Meine Damen und Herren Abgeordneten, ich darf die unterbrochene Sitzung nach der Stehpräsidiale wieder aufnehmen.

In der Stehpräsidiale konnte keine Einigung erzielt werden. Es werden zwar jetzt noch Gespräche geführt, aber wir gehen in der Tagesordnung weiter so vor.

Zur Geschäftsbehandlung: Herr Abgeordneter Angerer. – Bitte.


9.33.16

Abgeordneter Erwin Angerer (FPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Ich möchte jetzt noch einmal zu unserer Haltung, was diesen Abänderungsantrag betrifft, Stellung nehmen. Wir haben jetzt den 28. Mai. Am 8. Mai haben wir mit einem Hearing begonnen, hier im Haus ein Budget zu diskutieren. Unser Zugang war: Wenn es eine Anpassung des Bud­gets geben soll, die wir auch immer gefordert haben, dann soll diese natürlich vor dem Prozess, vor dem Hearing vorgelegt werden.

Der Herr Finanzminister hat uns immer erklärt, dass das nicht machbar ist, dass das nicht möglich ist – und jetzt legt er uns am letzten Tag vor der Abstimmung einen Abän­derungsantrag vor, in dem das Budget um rund 20 Milliarden Euro geändert wird.

Wir können also weiterhin kein Vertrauen in den Finanzminister haben, nicht nur im Hin­blick auf uns, sondern auch im Hinblick auf die österreichische Bevölkerung, die öster­reichischen Steuerzahler. Wir können ihm kein Vertrauen schenken, und deshalb wer­den wir heute auch einen Misstrauensantrag gegen den Herrn Finanzminister einbrin­gen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Unser Vorschlag war es und ist es, die Debatte sofort einvernehmlich zu beenden, alle Redner zu streichen, diesen Antrag an den Budgetausschuss rückzuverweisen, dort ent­sprechend zu beraten und dann gegebenenfalls zu einer Abstimmung hier im Plenum zu bringen. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der SPÖ.)

9.34


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zur Geschäftsbehandlung: Frau Klubobfrau Mau­rer. – Bitte.


9.35.02

Abgeordnete Sigrid Maurer, BA (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Wie gesagt, wir haben jetzt in der Präsidiale darüber diskutiert, wie wir vorgehen. (Ruf bei der FPÖ: Ich versteh’ Sie nicht!) – Aber das stimmt doch gar nicht! (Rufe bei der FPÖ: Doch! Oja! Wir verstehen Sie nicht! Die Rednerin nimmt ihren Mund-Nasen-Schutz ab.) – Gut. Also wir haben in der Präsidiale jetzt darüber diskutiert, wie wir mit der Situation umgehen. Nach einer Verlegung der Abstimmung auf 23 Uhr, um die 24-Stunden-Frist einzuhalten, hat es von zwei Oppositionsfraktionen keinen Wunsch gegeben.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 509

Die Änderung, die 28-Milliarden-Überschreitungsobergrenze, über die wir hier diskutie­ren, ist bereits diskutiert worden. Wir kommen dem Wunsch und der Kritik der Opposition nach, und ich würde jetzt auch dafür plädieren, dass wir in der Debatte weiter fortfahren und das Budget beschließen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

9.35


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zur Geschäftsbehandlung: Herr Klubobmann Leichtfried. – Bitte.


9.36.03

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Die Situation ist, wie ich sie vorher geschildert habe: In diesem Antrag sind umfassendste Änderungen enthalten, wir haben meines Erachtens immer noch eine Situation, die sowohl inhaltlich als auch rechtlich äußerst unzufriedenstellend ist und auch die Gefahr in sich trägt, dass dieses ganze Budget unter Umständen dann auch rechtlich scheitert, nicht nur inhaltlich. Deshalb haben wir auch vorgeschlagen – jetzt in der Präsidiale nochmals –, die Debatte zu unterbrechen.

Man muss natürlich schon auch aufs Tempo schauen, es wäre aber möglich, die Debatte zu unterbrechen, so schnell wie möglich einen Budgetausschuss einzuberufen, den neu­en Stand der Dinge dort zu diskutieren und zu analysieren und dann so schnell wie mög­lich weiter vorzugehen. Dazu gab es aber keinen Konsens – ich muss wirklich sagen: leider keinen Konsens, weil das sicherlich auch für die Vertreter der Regierungsparteien ein Weg gewesen wäre, gesichtswahrend aus dieser Situation herauszukommen. Leider war es nicht so, und das nehmen wir nicht zustimmend, sondern uns dagegenstellend zur Kenntnis. (Beifall bei der SPÖ.)

9.37


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zur Geschäftsbehandlung: Abgeordneter Loa­cker. – Bitte.


9.37.23

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS) (zur Geschäftsbehandlung): Es wurden uns zweieinhalb Seiten Änderung vorgelegt, aber ein Budget besteht ja nicht nur aus der Ausgabenseite, sondern auch aus der Einnahmenseite. Wie Klubobmann Wöginger gesagt hat, ist mit einem Wirtschaftsrückgang von zumindest 3 Prozent zu rechnen, eher mit mehr. Das wird sich natürlich auf die Einnahmen auswirken. Diese sind im Budget – so ein Klotz (mit den Händen etwa einen halben Meter andeutend), für die Zuschauer – gleich geblieben, sie hätten aber auch angepasst werden müssen. Ich bin der Meinung, sie hätten mit kaufmännischer Vorsicht angepasst werden müssen, eher am unteren Ende der Prognosen. (Beifall bei NEOS, SPÖ und FPÖ.)

9.38


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zur Geschäftsbehandlung zu Wort gemeldet hat sich Klubobmann Wöginger. – Bitte.


9.38.07

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Also diese Dis­kussion ist schon sehr eigenartig. (Ruf bei der SPÖ: Das ist richtig! Heiterkeit und de­monstrativer Beifall bei SPÖ, FPÖ und NEOS.) – Nein, wirklich. Das ist wirklich eigen­artig. Sie tun so – die SPÖ, die FPÖ, die beide schon an Regierungen beteiligt waren –, als ob in der Debatte zu den einzelnen Untergliederungen noch nie ein Abänderungs­antrag eingebracht worden wäre. (Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.) – Überall! Ich kann mich daran erinnern, Kollege Pendl und ich haben einmal einen Antrag beim vorletzten Redner eingebracht, mittels dessen 5 Millionen Euro verschoben wurden. (Lebhafte Zwi­schenrufe bei SPÖ und FPÖ. Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen. Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.)



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 510

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich würde Sie bitten: Es kann sich jeder in der Diskussion zu Wort melden. Es ist der Würde des Hauses nicht angemessen, bei einer ernsten Geschäftsordnungsdebatte permanent den Redner zu unterbrechen. Es sind auch die anderen Redner - - (Zwischenruf der Abg. Greiner.– Dann kommen Sie he­raus! (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)


Abgeordneter August Wöginger (fortsetzend): Und mit der FPÖ war es nicht anders. Es ist üblich, dass Abänderungsanträge eingebracht werden, und das war bei vielen Budgetbeschlüssen der Fall, egal welche Partei mit in der Regierung war.

Da geht es jetzt um 28 Milliarden Euro, die bereits als Überschreitungsermächtigung im Budget dargestellt waren. Und was passiert da jetzt? – Nur dass das auch die Zuhö­rerinnen und Zuhörer mitbekommen: Wir teilen es den einzelnen Rubriken zu (Abg. Krai­ner: Das stimmt ja nicht!), aufgrund dessen, wie wir mit Erwartungen und Schätzungen aufgrund der Covid-Maßnahmen die Ausgabensituation bewerten. (Abg. Krainer: Das ist falsch!) Es ist detaillierter, als die 28 Milliarden Euro sozusagen in einem Gesamtpa­ket als Überschreitungsermächtigung zu haben. Das ist das Ganze, was hier abgehen wird. (Abg. Krainer: Das ist ja falsch! ...!)

Herr Kollege Krainer, wir kommen sogar deinen Wünschen und deinen Forderungen nach! Wir kommen ihnen nach, um das auch hier abzubilden. Diese Diskussion, die Sie hier führen, nur aus der Rolle der Opposition heraus, ist lächerlich. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Aber wir bieten Ihnen auch noch an: Wenn Sie noch Wünsche oder Nachfra­gen haben, dann kann das mit den Expertinnen und Experten noch abgeklärt werden. Wir stellen Ihnen die notwendigen Informationen gerne zur Verfügung, das ist überhaupt kein Thema. Es kann aber nicht sein, dass ein Abänderungsantrag, mit dem jetzt sozusa­gen die Summe für die Covid-Maßnahmen anders verteilt und den einzelnen Rubriken zugeteilt wird, so einen Theaterdonner auslöst. Das ist völlig unnötig, und wir werden dieses Budget beschließen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

9.40


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zur Geschäftsordnung: Herr Abgeordneter Ange­rer. – Bitte.


9.40.51

Abgeordneter Erwin Angerer (FPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Noch einmal zur Ge­schäftsordnung, Herr Präsident, weil Herr Kollege Wöginger jetzt gesagt hat, dass das nur eine Abbildung dessen ist, was in den letzten Wochen hier schon diskutiert wurde.

Wenn ein Unternehmer so vorgehen würde, nämlich die Ausgabenseite um 20 Milliarden Euro erhöht und die Einnahmenseite gleich lässt, und zu einer Bank geht und sagt: Ich brauche mehr Kredit, 20 Milliarden Euro mehr Kredit!, dann würde das fahrlässige Krida heißen. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.)

9.41


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zur Geschäftsordnung: Herr Abgeordneter Mag. Leicht­fried. – Bitte.


9.41.29

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsi­dent! Ich möchte nur auf den Kollegen Wöginger replizieren, um den Damen und Herren Zusehern klarzumachen, worum es da wirklich geht: 60 Stunden umsonst debattiert in diesem Haus, 60 Stunden auf falschen Grundlagen debattiert! – Das ist nicht Parlamen­tarismus, das ist eine Farce! (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Alles, was wir jetzt wollen, ist, dass die Koalitionsmehrheit einen Ausschuss zugesteht, um das noch einmal im Ausschuss debattieren zu können – und wenn nicht einmal das


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 511

möglich ist, dann verstehe ich diese Vorgehensweise überhaupt nicht mehr. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von FPÖ und NEOS.)

9.42

09.42.25UG 10: Frauen und Gleichstellung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir setzen nunmehr die Budgetberatungen fort und gelangen zur Untergliederung 10: Frauen und Gleichstellung.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Heinisch-Hosek. (Zwischenruf des Abg. Martin Graf.)


9.42.35

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Kolle­ginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Jetzt habe ich endlich die Gelegenheit, zu übersetzen, was hier in der Geschäftsordnungsdebatte gesagt wurde.

Wissen Sie, was der Zweiseiter, der um 11 Uhr in der Nacht übermittelt wurde, bedeu­tet? – Dieser würde bedeuten – für alle, die jetzt zuschauen –, dass das, was jetzt im Fluss ist, nämlich dass wir Hilfsgelder auszahlen können – zwar zu langsam, zu bürokra­tisch und zu wenig –, gestoppt wird, dass die Auszahlungen gestoppt werden.

Dieser Fehler ist euch passiert, dieser Murks ist euch passiert! – Könnt ihr das nicht zugeben? Können wir das nicht ändern? Können wir das nicht noch einmal im Budget­ausschuss bereden? (Beifall bei der SPÖ.)

Das ist ja fahrlässig! (Widerspruch des Abg. Wöginger.) – O ja, Herr Kollege Wöginger, o ja: Wenn Sie das heute beschließen, diesen Abänderungsantrag, würde das die Zah­lung der Hilfsgelder stoppen! – Blümel kann es nicht, das ist die Wahrheit! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von FPÖ und NEOS.)

Also noch einmal langsam: Wenn dieser legistische Murks, dieser Zweiseiter, beschlos­sen wird, fließen keine Hilfsgelder mehr! Das ist doch verantwortungslos bis zum Geht­nichtmehr! (Zwischenruf der Abg. Pfurtscheller. – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.) Bitte überdenkt das noch einmal! Un­terbrechen wir diese Sitzung und berufen wir einen Budgetausschuss ein! Reden wir darüber! Eine Richtigstellung ist wichtig, denn die Gelder müssen ankommen. Jetzt kom­men die Gelder nicht an! Dieser Murks kann nicht beschlossen werden. Das würde die Auszahlung der Gelder für Hunderttausende Leute stoppen. Also bitte reden wir doch noch einmal darüber, ehrlich! (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Präsident, eigentlich ist es unfassbar, dass wir jetzt ganz nahtlos zu „Frauen und Gleichstellung“ übergehen und da über ein Budget reden sollen, von dem wir überhaupt nicht wissen, wie sich das heute Abend bei den Schlussabstimmungen darstellen wird. Ich komme mir da jetzt auch wirklich ein bisschen von Ihnen vorgeführt vor: Na, Heinisch-Hosek, kommen Sie heraus, reden Sie halt übers Frauenbudget!

Wir haben jetzt gerade ganz andere Sorgen, nämlich ob dieses Budget überhaupt be­schlossen werden kann. Das ist ja unfassbar! Außerdem brauchen wir mehr Geld im Frauenbereich, und daher bringe ich noch ganz schnell folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erhö­hung des Budgets für Frauenangelegenheiten und Gleichstellung“

Der Nationalrat wolle beschließen:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 512

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen, wird ersucht, im Bundesfinanzgesetz 2020 sowie im Bundesfinanzrahmengesetz 2020-2023 eine Erhö­hung des Budgets ,Frauenangelegenheiten und Gleichstellung‘ auf jährlich zumindest 30 Mio. Euro vorzusehen.“

*****

Frau Ministerin, wenn Sie schon nicht Feministin sind, setzen Sie sich wenigstens or­dentlich für Frauenrechte ein! (Beifall bei der SPÖ.)

9.45

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Jan Krainer,

Genossinnen und Genossen

betreffend Erhöhung des Budgets für Frauenangelegenheiten und Gleichstellung

eingebracht im Zuge der Debatte zum TOP 7 Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (55 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoran­schlages für das Jahr 2020 (Bundesfinanzgesetz 2020 — BFG 2020) samt Anla­gen (183 d.B.) —

UG 10 Frauen und Gleichstellung

Das Budget für „Frauenangelegenheiten und Gleichstellung“ macht im Jahr 2020 in Summe 12,15 Mio. Euro aus. Umgelegt auf die Zielgruppe stehen damit 2,7 Euro pro Frau in Österreich (2019: 4,5 Mio. Frauen) zur Verfügung. Dies entspricht einer Steige­rung um 17,2 Prozent (2 Mio. Euro) gegenüber 2019 und kompensiert lediglich die In­flation und etwaige Steigerungen von Gehältern. Die reale Steigerung der Budgetmittel fällt daher deutlich geringer aus.

Es ist offensichtlich, dass das vorliegende Budget für Frauenangelegenheiten und Gleichstellung auch den gestiegenen Anforderungen durch die Corona-Krise in keiner Weise gerecht wird. Die Budgetanhebung in der Höhe von knapp 2 Mio. Euro ist nicht mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein.

Zusätzlich zu dem von der SPÖ schon länger geforderten Soforthilfepaket für Gewalt­schutz in der Höhe von 5 Mio. Euro, braucht es dringend eine nachhaltige Erhöhung des Frauenbudgets.

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen, wird ersucht, im Bundesfinanzgesetz 2020 sowie im Bundesfinanzrahmengesetz 2020-2023 eine Erhö­hung des Budgets „Frauenangelegenheiten und Gleichstellung“ auf jährlich zumindest 30 Mio. Euro vorzusehen.“

*****



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 513

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, aus­reichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Pfurtscheller. – Bitte.


9.45.35

Abgeordnete Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller (ÖVP): Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, aber vor allem liebe Zu­schauerInnen! Ich möchte zuerst auf den Redebeitrag der Frau Kollegin Heinisch-Hosek eingehen und etwas richtigstellen (Abg. Greiner: Der war sehr gut, der Beitrag!): Es sind natürlich keine Hilfsgelder durch unsere Vorgangsweise gefährdet. (Abg. Heinisch-Ho­sek: O ja, schwerst gefährdet!) Unsere Vorgangsweise ist verfassungsgerecht, und nie­mand von Ihnen muss Angst haben, dass die Auszahlung der verschiedenen Coronakri­senhilfsgelder gestoppt wird oder in Gefahr ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordne­ten der Grünen. – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Frau Kollegin Heinisch-Hosek, ich finde das ziemlich traurig, und zwar aus zwei Grün­den: Erstens halten Sie, hält die SPÖ uns jetzt schon seit Tagen vor, wir würden mit der Angst der Menschen arbeiten. Was Sie jetzt gerade getan haben, war der Griff in die allerunterste Schublade, den ich jemals von der SPÖ erlebt habe. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Zweitens habe ich Sie als Kämpferin für Frauenrechte und natürlich auch für die An­gelegenheiten der Frauenministerin und des Frauenbudgets immer sehr geschätzt und sehr bewundert, aber dass Sie hier Ihre Redezeit dazu verwenden, den Menschen Angst zu machen, anstatt auf die Frauenagenden einzugehen, ist dermaßen arm für eine Frauensprecherin, dass mir die Worte fehlen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

So, nun zu unserem Frauenbudget: Unserer Frauenministerin ist es gelungen, das Frau­enbudget maßgeblich zu erhöhen, nämlich um fast 20 Prozent, um rund 2 Millionen Eu­ro. Zusätzlich hat sie sich dafür eingesetzt, dass ein Teil der Mittel aus dem Integrations­topf für Frauen, die besonders vulnerabel sind, die besonders gefährdet sind, verwendet werden kann, und zwar speziell für Frauen, die Migrationshintergrund haben, die von Genitalverstümmelung oder von Zwangsehe betroffen sind.

Das heißt, wir haben eine Steigerung des Frauenbudgets von fast 40 Prozent! – Frau Kollegin Heinisch-Hosek, Sie sind lange genug im Geschäft und Sie waren auch lange genug Ministerin: Zeigen Sie mir irgendjemand von euren Ministern oder Ministerin­nen a. D., der es jemals geschafft hat, eine Steigerung von 40 Prozent herbeizuführen! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.)

Deswegen möchte ich mich ganz herzlich bei Ihnen, Frau Ministerin, für Ihren Einsatz bedanken. – Und jetzt möchte ich noch ganz kurz erklären, was wir mit diesem Geld machen.

Es wird circa die Hälfte des Gesamtbudgets für die Förderung von Mädchen- und Frau­enberatungseinrichtungen aufgewendet und für spezielle Frauenprojekte zur Verfügung gestellt. Diese Einrichtungen haben von der Frau Ministerin auch schon eine Zusage für die Erhöhung ihrer jeweiligen Fördermittel im Ausmaß von 12 Prozent erhalten.

Dieses Geld wird das flächendeckende Beratungsangebot von Mädchen- und Frauenbe­ratungseinrichtungen in ganz Österreich sicherstellen, und der Großteil der verbleiben­den Mittel ist für den Gewaltschutz vorgesehen. Uns ist wichtig, dass jede Frau, die Schutz braucht, auch Schutz bekommt. Sie soll diesen auf jeden Fall bekommen, und mit diesem Budget ist sichergestellt, dass das auch funktionieren wird.

Insgesamt kann man sagen, wir können uns über diese Erhöhung des Budgets sehr, sehr freuen. Bei allen, die sich dafür eingesetzt haben, möchte ich mich ganz herzlich


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 514

bedanken, insbesondere auch bei meiner Kollegin von den Grünen. Wir werden weiter dafür kämpfen und dafür sorgen, dass es den Frauen in Österreich gut geht. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

9.49


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu einer tatsächlichen Berichtigung ist Frau Ab­geordnete Heinisch-Hosek zu Wort gemeldet. – Bitte.


9.49.53

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Frau Abgeordnete Pfurtscheller hat soeben behauptet, Frau Ministerin Raab wäre die erste Ministerin, die das Frauenbudget um 40 Prozent erhöht hat.

Das ist in zweierlei Hinsicht unrichtig: Zum einen hat sie das Frauenbudget um 17,2 Pro­zent erhöht und nicht um 40 Prozent, und zum Zweiten ist es richtig, dass die damalige Frauenministerin Doris Bures das Frauenbudget um 60 Prozent erhöht hat. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Bernhard.)

9.50


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Ecker. – Bitte.


9.50.26

Abgeordnete Rosa Ecker, MBA (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geschätzte Frau Minister! Liebe Damen und Herren hier im Saal und zu Hause! Frauen tragen dieses Land durch die Krise, und Frauenarbeit ist in den letzten Wochen deutlich sichtbarer geworden. Aber was wird bleiben vom Klatschen für die systemrelevanten Berufe, in denen die meisten Frauen beschäftigt sind? – Epidemien in der Vergangenheit haben gezeigt, dass es immer zu Nachteilen gekommen ist, die schlussendlich die Frauen aus­zubaden hatten.

Im „Profil“ titulierte Elfriede Hammerl „So still die Heldinnen“. – Ja, es stimmt, Frauen haben es gemacht und machen es noch immer: sie funktionieren. Sie versuchen in dieser Coronakrise das Beste zu machen, die Ausnahmesituation zu meistern. Sie laden sich noch zusätzlich Schulbildung auf ihre To-do-Liste. Sie bemühen sich um sinnvolle Beschäftigung für die Kleinen, machen Besorgungen für die ältere Generation, schauen, dass die Situation im Familienkreis nicht eskaliert, und das neben kochen, waschen, und, und, und. Ach ja, und tatsächlich arbeiten müssen sie auch noch etwas, im Handel, im Büro, im Homeoffice, neben den Kindern – immer in der Sorge, ob eh nichts passiert, ob eh alles klappt, ob der Arbeitsplatz erhalten bleibt, so frau überhaupt noch einen hat, ob das Geld reichen wird, ob die Einrichtung für das behinderte Kind wieder öffnet, ob die Eltern sich im Seniorenheim endlich wieder frei bewegen können.

Ein weiteres enorm belastendes Thema ist der derzeitige Schulbetrieb – unvereinbar für berufstätige Frauen, Betreuung mehr schlecht als recht, wenn das Kind nicht gerade in der Klasse sitzt, von Unterrichtsstoff aufholen, von entspannten Kinderstunden keine Spur! Diese Coronakrise legt sich auch bei den Kindern aufs Gemüt, was schlussendlich wieder die Eltern, die Mütter, zu kompensieren haben; kein Sportunterricht, keine ge­meinsamen Lieder, keine Gruppenspiele, nicht einmal den Buntstift darf man sich vom Nachbarn ausleihen, Masken und Schilder all überall, aber nichts ist normal.

Es ist eine riesige nervliche Belastung, eine enorme Herausforderung, die diese Krise für die Frauen gebracht hat – und, sehr geehrte Frau Minister, die Frauen wollen damit nicht stehen gelassen werden! Das alles kommt noch zusätzlich zu dem, worüber wir die Situation der Frauen in Österreich betreffend schon sehr oft hier diskutiert haben, dazu, nämlich: Genderpaygap, 20 Prozent; Genderpensionsgap, 42 Prozent; die Gehaltsschere


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 515

schließt sich marginal, und das wird noch hundert Jahre dauern; Altersarmut ist weiblich; Frauen erledigen 75 Prozent der Familienarbeit und der Pflege, natürlich liebevoll, aber unbezahlt und nicht pensionswirksam.

Sehr geehrte Frau Minister! Über Gewalt an Frauen ist jede Woche in der medialen Be­richterstattung zu lesen: Genitalverstümmelungen, Zwangs-, Kurzehen beim Imam. In Österreich werden erworbene Frauenrechte mit Füßen getreten, und da wären Sie als Integrationsministerin, als Frauenministerin gefragt.

Frauen müssen auch eine Perspektive haben, dass diese Veränderungen, dieser Wan­del einen guten Ausgang haben. Auch dieses Mutmachen gehört zur Arbeit der Frauen­ministerin, und wo finden wir Mutmachprogramme im Budget? – Ach ja, sorry, Corona gibt es dort nicht!

Sehr geehrte Frauenministerin, Sie sagen, Frauen müsse man mitdenken. Wollen Sie uns damit sagen, dass Frauenpolitik für Sie – Klammer auf: ein lästiges, Klammer zu – Anhängsel ist? Wir erwarten uns, dass sich Ihre Frauenpolitik an alle Frauen wendet, alle Lebensbereiche umfasst, auch die Gesundheit, und dazu bringe ich folgenden An­trag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Aktionsplan Frauengesundheit“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Frauen und Integration und der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird aufgefordert, die Maßnahmen im ,Aktionsplan Frauengesundheit‘ zu forcieren bzw. wei­terzuentwickeln, damit eine gendergerechte, medizinische, psychosoziale und pflegeri­sche Versorgung von Frauen bis ins hohe Alter gewährleistet werden kann.“

*****

Es fehlen im ohnehin nur geringfügig erhöhten Budget 2 Millionen Euro – angesichts der 20 Milliarden Euro im heutigen Abänderungsantrag nichts! Es fehlen wider Ihr besseres Wissen Mittel für wichtige Projekte – für eine zukunftstaugliche Frauenpolitik abseits von Genderei statt a little bit more of the same.

Es braucht mehr Budget, mehr Gewaltprävention, mehr Maßnahmen gegen das impor­tierte, zumeist islamische Frauenbild, wonach jungen Mädchen die Freiheit und die Selbstbestimmung verwehrt wird. Es braucht mehr Plätze für gefährdete Frauen, mehr Mutter-Kind-Heime, mehr Frauenförderung generell. Aber der Gleichbehandlungsaus­schuss ist ja ein besonderes Stiefkind der Regierung, die erste tatsächliche Sitzung zu Frauenthemen wird es am 9. Juni geben. – Danke dafür!

Insbesondere an die Adresse der Grünen gerichtet: Ich hätte mir von euch wirklich mehr Einsatz für die Frauen erwartet. Aber mehr Frauen in der Frauenpolitik bedeutet eben nicht automatisch, dass bessere Frauenpolitik gemacht wird – und das ist eindeutig auch in diesem Budget festgeschrieben. (Beifall bei der FPÖ.)

9.56

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Rosa Ecker, MBA


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 516

und weiterer Abgeordneter

betreffend Aktionsplan Frauengesundheit

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 7, Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (55 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvor­anschlages für das Jahr 2020 (Bundesfinanzgesetz 2020 – BFG 2020) samt Anla­gen (183 d.B.) – UG 10

in der 32. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 28. Mai 2020

Frauen weisen gegenüber Männern statistisch gesehen eine höhere Lebenserwartung auf und sind oftmals von mehreren chronischen Erkrankungen gleichzeitig betroffen. Frauen sind zudem stärker gefährdet, ihre Selbstständigkeit und Unabhängigkeit zu ver­lieren und somit öfters als Männer auf ambulante und stationäre Hilfe angewiesen. Durch diese Herausforderungen können die gesundheitlichen Aspekte oder Befindlichkeiten älterer Frauen also nicht isoliert betrachtet werden, sondern Gesundheitsangebote in medizinischer sowie pflegerischer Hinsicht sind erforderlich, um den Bedarfslagen und Bedürfnisse älterer Frauen gerecht zu werden.

Auf Bundesebene wurde mit dem Aktionsplan Frauengesundheit ein Projekt geschaffen, das die Gesundheit von Frauen in den Mittelpunkt rückt. In diesem Aktionsplan sind Wir­kungsziele und konkrete Maßnahmen enthalten, um unser Gesundheitssystem nachhal­tig auf das Thema Frauengesundheit aufmerksam zu machen und Förderungen für ent­sprechende Angebote bereitzustellen.

Wesentlich ist insbesondere das Brustkrebs-Früherkennungsprogramm. Alle Frauen zwischen 45 und 69 Jahren erhalten alle zwei Jahre die Einladung eine Mammographie durchführen zu lassen. Diese ist kostenlos und kann freiwillig in Anspruch genommen werden. Des Weiteren sollen auch Vorbeugungsmaßnahmen in jungen Jahren beachtet werden. Beispielsweise senkt eine HPV-Impfung das Risiko später an Gebärmutterhals­krebs zu erkranken.

Mit einer Evaluierung der bereits umgesetzten Maßnahmen aus dem Aktionsplan Frau­engesundheit können diese adaptiert, verbessert und auch neue Angebote im Präven­tionsbereich geschaffen werden. Außerdem soll darauf geachtet werden, dass das Pro­gramm unter Einbeziehung der Länder weiterentwickelt wird. Dazu sind finanzielle Mittel in ausreichender Höhe zur Verfügung zu stellen.

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Frauen und Integration und der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird aufgefordert, die Maßnahmen im „Aktionsplan Frauengesundheit“ zu forcieren bzw. wei­terzuentwickeln, damit eine gendergerechte, medizinische, psychosoziale und pflege­rische Versorgung von Frauen bis ins hohe Alter gewährleistet werden kann.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, aus­reichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Meri Disoski. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 517

9.56.19

Abgeordnete Mag. Meri Disoski (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundes­ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Was sich über Jahre hindurch aufgestaut hat, das lässt sich nicht in einem Aufwasch reparieren – so ungefähr lässt sich die Situation des Budgets der UG 10 zum Schwer­punkt Frauen und Gleichstellung zusammenfassen. Aufgestaut hat sich wahrlich viel, das zeigt ein Blick in die Analyse des Budgetdienstes zur UG 10. Dort ist die Progression des Frauenbudgets für die Jahre 2013 bis 2020 abgebildet; wobei Progression eine in­adäquate Wortwahl ist, es müsste Regression heißen, denn es waren vor allem Budget­kürzungen, mit denen die Frauenministerinnen der vergangenen Jahre konfrontiert wa­ren. (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.)

Sehen wir uns, Frau Kollegin Heinisch-Hosek, dazu drei Zahlen exemplarisch an: 2013 betrug das Budget 10,38 Millionen Euro – unter einer SPÖ-Frauenministerin in einer SPÖ-geführten Bundesregierung. 2016 betrug das Budget 10,14 Millionen Euro und so­mit weniger als drei Jahre zuvor – unter einer SPÖ-Frauenministerin in einer SPÖ-ge­führten Bundesregierung. 2018, unter Bogner-Strauß, betrug das Budget 10,17 Millionen Euro, also weniger als fünf Jahre zuvor – unter einer ÖVP-geführten Bundesregierung, unter einer ÖVP-Frauenministerin. Also: Regression statt Progression, Kürzungen statt Erhöhungen.

Schauen wir uns jetzt das Jahr 2020 an! Das Budget für die Frauen- und Gleichstel­lungsagenden beträgt 12,15 Millionen Euro, und ich scheue auch nicht davor zurück, das, was die Zahlen belegen, hier klar zu benennen: Den Unterschied zu den Vorjahren, den bewirkt die Regierungsbeteiligung der Grünen! (Beifall bei den Grünen. – Zwischen­ruf des Abg. Martin Graf.)

Wenn Sie, werte Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ, diese Budgeterhöhung jetzt als einen Tropfen auf den heißen Stein paraphrasieren, dann seien Sie bitte so fair und ergänzen Sie: Dieser Stein wäre weniger heiß gewesen (Zwischenruf der Abg. Hei­nisch-Hosek) und die Budgeterhöhung hätte eine dementsprechend größere Wirkung entfalten können, wenn auch SPÖ-geführte Bundesregierungen dafür Sorge getragen hätten, das Budget der UG 10 entsprechend auszufinanzieren. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Davon abgesehen – und auch das möchte ich ganz klar festhalten –: 12,15 Millionen Euro für Frauen- und Gleichstellungsagenden sind im Jahr 2020 genauso wenig ausrei­chend, wie es die 10,38 Millionen Euro in einer SPÖ-geführten Bundesregierung im Jahr 2013 waren. Das reicht nicht, diese Mittel reichen nicht. Für Gleichstellung, für Gewaltschutz, für Gewaltprävention reicht das weder 2020 noch hat es 2013 gereicht. In diesem Land war dafür noch nie ausreichend Budget vorhanden, das ist eine Tatsa­che! (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Pfurtscheller.)

Das, sehr geehrte Damen und Herren, hat strukturelle Gründe: weil Frauen nach wie vor noch immer nicht in all jene Entscheidungsstrukturen und -prozesse eingebunden sind, die relevant wären, um auch dafür Sorge tragen zu können, dass die Budgets dement­sprechend ausschauen. Gerade auch wenn es ums Geld geht, sind Frauen noch immer unterrepräsentiert. (Zwischenruf des Abg. Martin Graf.)

Vor diesem Hintergrund wundert mich diese chronische Unterfinanzierung nicht. Wäh­rend wir hier das Budget der UG 10 debattieren, hält die Allianz gewaltfrei leben zeit­gleich eine Pressekonferenz ab, bei der sie darauf hinweist – wieder einmal darauf hin­weist! –, dass die Gewaltschutzeinrichtungen seit Jahren chronisch unterfinanziert sind; seit Jahren, nicht erst seit heute!

Ich werde mich, auch gemeinsam mit meiner Kollegin der ÖVP, Elisabeth Pfurtscheller, bei der ich mich auf diesem Weg für die gute Zusammenarbeit bedanken möchte, wei­terhin für mehr Geld einsetzen. Wir haben im Koalitionsübereinkommen eine substanzielle


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 518

Aufstockung des Budgets für die Frauen- und Gleichstellungsagenden vereinbart. Die 2 Millionen Euro sind ein erster wichtiger Schritt. Klar ist aber auch: Weitere Schritte müssen und werden folgen.

Zu den weiteren Schritten: Viel ist in den vergangenen Wochen über die geschlechtsspe­zifischen Auswirkungen der Coronakrise diskutiert und berichtet worden. Auch ich habe von dieser Stelle aus schon dazu Stellung genommen. Daran anknüpfend lege ich einen Entschließungsantrag der Abgeordneten Disoski und Pfurtscheller vor. Die Bundesre­gierung wird darin ersucht, die geschlechtsspezifischen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie in Österreich zeitnah zu untersuchen und, wo erforderlich, weitere Initiativen zur Bekämpfung von geschlechtsspezifischen Auswirkungen zu setzen. – Herr Präsi­dent, der Antrag wird gleich nachgeliefert.

Ich komme zum Schluss: Was sich über Jahre hindurch aufgestaut hat, lässt sich nicht mit einem Aufwaschen reparieren, aber irgendwo muss man – oder besser gesagt: frau – anfangen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Martin Graf.)

10.00


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Brand­stötter. – Bitte.


10.01.01

Abgeordnete Henrike Brandstötter (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Ministerin! Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! Wenn man mich vor einigen Monaten gefragt hätte, wie ich die Geschichte des Feminismus sehe, hätte ich eine ansteigende Kurve gezeichnet – eine Erfolgsgeschich­te, immer der Sonne entgegen. Sehr bald hätte sich mein Traum als liberale Feministin erfüllt: Niemand zwingt uns Frauen mehr dazu, uns auf ein bestimmtes Lebensmodell festzulegen, Unterscheidungsmerkmale wie das Geschlecht spielen für Selbstbestim­mung und Selbstverwirklichung keine Rolle mehr.

Dann kam die Coronakrise, und mit ihr kamen Hefehamstern, geblümte Küchenschürzen und Anleitungen, wie man perfekt die Lamellen einer Heizung putzt. Man ist plötzlich in allen sozialen Netzwerken in einer Dauerschleife eines Fünfzigerjahrehausfrauenfilms gefangen. Daran sieht man stark, dass die Coronakrise eine Krise der Gleichberechti­gung ist. Sie hat es innerhalb von wenigen Wochen geschafft, dass traditionelle Ge­schlechterrollen ein sensationelles Comeback feiern. Es sind die Frauen, die kochen, putzen und Masken nähen. Es sind Frauen, die im Homeoffice und in den systemrele­vanten Berufen arbeiten. (Abg. Martin Graf: Weil es keine Männer mehr gibt!) Es sind Frauen, die Homeschooling machen und sich um ihre Angehörigen kümmern. Es sind nicht die Männer, weil diese nämlich in unsicheren Zeiten weniger Abstriche im Job ma­chen sollen – er verdient ja mehr. (Abg. Martin Graf: Wir beide sind die Feministen!) – Kollege, haben Sie auch etwas Essenzielles zu Frauenangelegenheiten beizutragen, oder stänkern Sie nur von hinten? (Beifall bei NEOS, SPÖ und Grünen.)

Männer können ihre Kinder häufig nicht zu Hause unterrichten, nicht putzen und keine Mahlzeiten kochen, weil sie eben mehr verdienen. So sind auf eine sehr pragmatische Art und Weise tradierte Rollenbilder wieder ganz selbstverständlich geworden. Das Per­fide daran ist, dass unsere Regierung in diesem Neobiedermeier geradezu schwelgt. Das ist keine große Geste, keine Weltoffenheit – das ist: mir daham!

Ja, das Frauenbudget wurde deutlich erhöht (Zwischenruf des Abg. Martin Graf), das ist gut und richtig, aber die inflationsbereinigten 600 000 Euro sind für den Gewaltschutz auch wirklich notwendig. Gleichzeitig geben Sie aber 40 Millionen Euro aus, um Ös­terreicherinnen und Österreichern den Urlaub daheim mit einer Werbekampagne schmackhaft zu machen. Diese Kampagne zeichnet ein „Sound of Music“-Klischee und


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lässt da­bei wirklich nichts aus: saftige Almen, tiefe Salzkammergutseen und weite Bergpanoramen (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ) werden von fitten, jungen, weißen und offensichtlich heterosexuellen Paaren bewandert, beschwommen und betrachtet. Ganz ehrlich: Dagegen ist der „Musikantenstadl“ progressiv. (Heiterkeit der Abgeordne­ten Heinisch-Hosek und Deimek.) Sie geben also ein Vielfaches des Frauenbudgets aus, um mit Stereotypen zu werben.

Was brauchen wir stattdessen? – Ich finde einiges an dem Plan, den Hawaii vorgelegt hat, dem sogenannten feministischen Recoveryplan, recht spannend. Darin wird über­legt, wie man zu einer nachhaltigen Erholung nach der Krise kommt; es wird festgestellt, dass man Frauen ins Zentrum der Überlegungen stellen muss. Anstatt also zum alten Normalzustand zurückzukehren, muss man Strukturen aufbauen, die Geschlechterge­rechtigkeit liefern können. Dazu gehören der Ausbau der Kinderbetreuung mit einem Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz ab dem ersten Geburtstag, flexiblere Ar­beitszeiten, mehr Väterbeteiligung durch individuelle Ansprüche auf Karenz- und Kinder­betreuungsgelder und endlich auch ein automatisches Pensionssplitting, wie Sie es ja schon angekündigt haben.

Da sich unsere Frauenministerin ein bisschen schwer damit tut, das Wort Feminismus in den Mund zu nehmen, können wir einen feministischen Recoveryplan der ÖVP auch in ihre Sprache übersetzen und nennen ihn einfach: „Mutig in die neuen Zeiten“. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

10.04


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Decken­bacher. – Bitte. (Abg. Martin Graf: Liberal und Feminismus schließt sich aus! – Allge­meine Heiterkeit.)


10.05.00

Abgeordnete Mag. Romana Deckenbacher (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Hohes Haus! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Das Budget für Frau­enangelegenheiten und Gleichstellung mit einer Höhe von 12,5 Millionen Euro – das ist ein Plus von 2 Millionen Euro – wirkt auf den ersten Blick nicht unbedingt wie ein Wirk­mittel, das einen überdurchschnittlich großen Handlungsspielraum zulassen könnte, aber dennoch lässt sich anhand der Gleichstellungsziellandkarte nachvollziehen, dass eine große Anzahl von frauen- und geschlechtsrelevanten Wirkungszielen auch in den anderen Ressorts verankert ist und diese somit das Budget deutlich erhöhen.

Lassen Sie mich dazu ein paar Beispiele nennen! Etwa aus dem Bereich Arbeit: Es soll eine Weiterführung des Programms FiT geben – Frauen in Handwerk und Technik. Im Bereich Soziales und Konsumentenschutz wird durch die Neugestaltung der Fördermaß­nahmen in Richtung besondere Förderung für Frauen mit Behinderung eine Verbesse­rung am Arbeitsmarkt erreicht. Auch dem öffentlichen Dienst ist es wichtig, Frauen zu fördern und Gleichstellung zu entwickeln, denn der öffentliche Dienst ist – gerade auch in dieser Krisenzeit – ein Garant für Sicherheit und Stabilität. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.) In vielen Bereichen – vor allem in der Verwaltung, im Gesundheitsbereich, beim Lehrpersonal, aber auch bei RichterInnen und StaatsanwältInnen – gibt es einen hohen Frauenanteil von mehr als 50 Prozent. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erst durch das Zusammenwirken von frauen- und gleichstellungsrelevanten Wirkungszielen in den verschiedenen Ressorts werden die große Bedeutung und die Relevanz der Aufgabe unserer Frau Ministerin sichtbar. Damit manifestiert sich der eigentliche Handlungsspielraum des Budgets getreu dem Motto: Einzeln sind wir Worte, gemeinsam ein Gedicht und starke Stimmen für Gleich­stellung und Frauen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

10.07



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 520

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Schatz. – Bitte.


10.07.20

Abgeordnete Sabine Schatz (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Es ist eine wohl­tuende Ausnahme, dass Frauenpolitik heute einmal sozusagen zur Parlamentsübertra­gungsprimetime diskutiert wird und nicht wie sonst üblich um kurz vor Mitternacht. Herr Präsident, vielleicht können wir das auch künftig bei der Tagesordnung besser berück­sichtigen. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie der Abg. Brandstötter.)

Wie erwartet haben sich die Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus auch nega­tiv auf die Frauen ausgewirkt, und was Gewalt betrifft, gab es alleine im März, als Aus­gangsbeschränkungen und Quarantäne in Kraft getreten sind, ein Plus von 10 Prozent bei den Betretungsverboten. Dabei ist es für Frauen natürlich sehr viel schwieriger oder unmöglich, aus einer Gewaltsituation auszubrechen, wenn der Gewalttäter die ganze Zeit in der gemeinsamen Wohnung ist.

Schon vor der Coronakrise haben wir festgestellt, dass es einen dringenden Handlungs­bedarf betreffend Gewalt an Frauen gibt: Mehr als 80 Frauenmorde seit 2018 sind nur die Spitze des Eisbergs. Diese Spitze betreffend Gewalt an Frauen ist alltäglich und betrifft Frauen unabhängig von Alter, Herkunft oder sozialer Stellung. Deswegen haben wir hier auch schon im Februar zusätzliche 4 Millionen Euro für Gewaltschutz- und Ge­waltpräventionsmaßnahmen gefordert, was leider nicht die Zustimmung der Regierungs­parteien gefunden hat.

Die vielen notwendigen Maßnahmen zum Gewaltschutz und zur Gewaltprävention lie­gen auf dem Tisch, und wir haben sie hier laufend diskutiert. Wir diskutierten sie im Zuge des Grevio-Berichts zur Istanbulkonvention, wir diskutierten sie im Zuge des Frauen­volksbegehrens, und wir haben im Jahr 2018 hier einstimmig 100 zusätzliche Betreu­ungsplätze für von Gewalt betroffene Frauen beschlossen.

Sehr geehrte Damen und Herren, Ihre Worte, dieser Gewalt gegen Frauen entgegen­zuwirken, helfen nichts, wenn Sie sie nicht auch ausreichend budgetär untermauern. (Beifall bei der SPÖ.)

All diese Maßnahmen könnten schon längst umgesetzt sein. Gerade in der Coronakrise zeigt sich, wie dringend notwendig sie wären. Ja, eine Erhöhung von 2 Millionen Euro ist ein guter erster Schritt. Frau Kollegin Disoski, Sie haben leider vergessen zu erwähnen, dass Frauenministerin Pamela Rendi-Wagner 2017 eine Erhöhung von 0,5 Millionen Eu­ro gelungen ist, die 2018 wieder zurückgenommen wurde.

Das Geld, das notwendige Geld für Gewaltschutzmaßnahmen, sehr geehrte Damen und Herren, das ist vorhanden. Sparen Sie bei den zusätzlichen Mitteln für Repräsentations­ausgaben des Herrn Bundeskanzlers! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Brandstöt­ter. – Zwischenruf der Abg. Greiner.) Kanzlerinszenierung schützt keine einzige von Gewalt betroffene Frau, schützt kein einziges von Gewalt betroffenes Kind.

Ich bringe daher folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Echte Gewaltschutzmaßnahmen statt Rückschritte zu Lasten gewaltbetroffener Frauen und Kinder“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung werden aufgefordert unverzüglich ein Gewaltschutz-Sofortpaket in der Höhe von fünf Millionen Euro an Sofortmaßnahmen für


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 521

Interventionsstellen, Gewaltschutzzentren und Frauenberatungseinrichtungen sowie für opferschutzorientierte Täterarbeit zur Verhinderung von Gewalt an Frauen und Kindern sowie häuslicher Gewalt umzusetzen.“

*****

Sehr geehrte Damen und Herren! Abschließend möchte ich noch kurz auf ein anderes Thema eingehen, weil wir hier auch das Gleichstellungskapitel diskutieren: In unserem Nachbarland Ungarn wurde mit der umstrittenen Sondervollmacht für die Regierung trotz massiver Proteste der Zugang zu Änderungen des Geschlechtseintrags und damit die staatliche Anerkennung intergeschlechtlicher und Transpersonen de facto beendet.

Ich bringe daher auch zu diesem Thema einen Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen betreffend „den Schutz von intergeschlechtlichen und Trans*-Personen in Ungarn“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für europäische und interna­tionale Angelegenheiten sowie die Bundesministerin für Europäische Union und Verfas­sung, werden aufgefordert umgehend sowohl auf EU-, als auch auf bilateraler Ebene die negativen Entwicklungen für intergeschlechtliche und Trans*-Personen in Ungarn aufs Schärfste zu verurteilen und sich für eine menschenrechtskonforme Neuregelung ent­sprechender Beschlüsse in Ungarn einzusetzen. Außerdem wird der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten aufgefordert, im Sinne des österreichi­schen Engagements für die Menschenrechte, diese Frage in den bilateralen Beziehun­gen zu thematisieren.“

*****

Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Brandstötter und Shetty.)

10.11

Die Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Sabine Schatz,

Genossinnen und Genossen

betreffend "Echte Gewaltschutzmaßnahmen statt Rückschritte zu Lasten gewaltbetrof­fener Frauen und Kinder"

eingebracht im Zuge der Debatte zum TOP 7 Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (55 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvor­anschlages für das Jahr 2020 (Bundesfinanzgesetz 2020 — BFG 2020) samt Anla­gen (183 d.B.) — UG 10 Frauen und Gleichstellung

Die Corona-Krise stellte den Gewaltschutz von Frauen und Mädchen in den letzten Wo­chen vor besondere Herausforderungen. In mehreren Pressekonferenzen verkündete die Bundesregierung, allen voran Frauenministerin Susanne Raab, Maßnahmen zum


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Gewaltschutz und ein höheres Budget. Die Hoffnungen der Frauenberatungseinrichtun­gen und Gewaltschutzzentren waren groß, das Ergebnis war ernüchternd. Gerade um 2 Mio. Euro wird das Frauenbudget in der UG 10 von 10,15 Mio. Euro auf 12,15 Mio. Euro angehoben. Ein Minimalbetrag, der gerade die dringend notwendige Indexanpas­sung für Fraueneinrichtungen abdeckt. Den Herausforderungen der Opferschutzeinrich­tungen in der Corona-Krise wurde somit in keinster Weise Rechnung getragen. Dabei braucht es dringend zusätzliche Ressourcen, um sicherzustellen, dass alle Opfer von Gewalt Unterstützung und Beratung erhalten. Die Allianz GewaltFREI Leben geht von einem Bedarf in der Höhe von 210 Mio. Euro aus.

Um den Gewaltschutz in Österreich tatsächlich weiterzuentwickeln und sinnvolle Gewalt­schutzmaßnahmen umzusetzen, ist neben einem Neustart zum Gewaltschutzpaket eine Vielzahl zusätzlicher Maßnahmen notwendig. Grundlage für echte qualitative Verbesse­rungen im Opfer- und Gewaltschutz ist die rascheste Umsetzung der mehrfach gefor­derten Budgeterhöhungen. Nur so können wir sicherstellen, dass jede Frau und jedes Mädchen in Österreich ein selbstbestimmtes und gewaltfreies Leben führen kann.

Die gefertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung werden aufgefordert unverzüglich ein Gewaltschutz-Sofortpaket in der Höhe von fünf Millionen Euro an Sofortmaßnahmen für Interventionsstellen, Gewaltschutzzentren und Frauenberatungseinrichtungen sowie für opferschutzorientierte Täterarbeit zur Verhinderung von Gewalt an Frauen und Kindern sowie häuslicher Gewalt umzusetzen.“

*****

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Sabine Schatz, Dr. Harald Troch,

Genossinnen und Genossen

betreffend den Schutz von intergeschlechtlichen und Trans*-Personen in Ungarn

eingebracht im Zuge der Debatte zum TOP 7 Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (55 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvor­anschlages für das Jahr 2020 (Bundesfinanzgesetz 2020 — BFG 2020) samt Anla­gen (183 d.B.) — UG 10 Frauen und Gleichstellung

Die Entwicklungen in unserem Nachbarland Ungarn gehen bereits seit längerer Zeit in eine aus demokratiepolitischer, sowie menschenrechtlicher Sicht besorgniserregende Richtung. Nur einen Tag, nachdem die umstrittenen Sondervollmachten der ungarischen Regierung beschlossen wurden – und damit genau am „International Day of Trans Visi­bility“ – brachte die Fidesz-Partei mit dem Omnibus-Gesetz T/9934 einen Antrag ins Par­lament, der zahlreiche Gesetzesänderungen vorsah. Mit Artikel 33 dieses Antrags wurde dabei unter anderem eine Änderung vorgeschlagen, die im Personenstandsregister und in amtlichen Dokumenten das Wort „nem“ (das sowohl Geschlecht, als auch Ge­schlechtsidentität bedeutet) durch den Begriff „Geschlecht bei der Geburt“ ersetzt und dadurch Änderungen des Geschlechtseintrags in Ungarn unmöglich macht. Diese Ge­setzesänderung wurde Mitte Mai, trotz des Protestes zahlreicher internationaler, europäischer und ungarischer Institutionen, beschlossen. Damit ist der Zugang zu


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Änderungen des Geschlechtseintrages und damit die staatliche Anerkennung von inter­geschlechtlichen und Trans*-Personen in unserem Nachbarland de facto beendet.

Die LGBTI Intergroup des Europäischen Parlaments, ein überparteiliches Bündnis von Abgeordneten aus den verschiedensten politischen Richtungen, forderte die ungarische Regierung schon im April 2020 auf, von Artikel 33 Abstand zu nehmen und begründete dies unter anderem wie folgt:

„Legal gender recognition procedures are the baseline for protection of transgender persons. They are equally important for intersex persons who are assigned a different sex at birth than the one with which they identify. These procedures secure recognition of transgender and intersex persons’ legal gender by national administrations and afford them protection against further discrimination. Blocking access to these procedures is in clear contravention of European human rights standards and the case-law of the European Court of Human Rights following the Grand Chamber Judgement of Goodwin v. UK. Furthermore, the European Court of Human Rights confirmed in X v. the former Yugoslav Republic of Macedonia Member States’ positive obligation under Article 8 ECHR to provide clear regulatory frameworks for legal gender recognition.”

Neben dieser glasklaren rechtlichen Analyse ist es aber besonders die prekäre Situation, der sich viele intergeschlechtlichen und Trans*-Personen in ganz Europa ausgesetzt se­hen, die ein Schweigen zu den aktuellen Entwicklungen in Ungarn nicht zulässt. Erst Anfang Mai veröffentliche die europäische Grundrechte-Agentur FRA ihre zweite Erhe­bung zur Situation von LGBTIQ-Personen in ganz Europa. Darin wird nochmals deutlich, dass gerade intergeschlechtliche und Trans*-Personen in ganz Europa, aber insbe­sondere in Ländern wie Ungarn, nicht nur unter Diskriminierung und Ausgrenzung, son­dern auch in besonderem Maße unter Gewalt zu leiden haben.

Für diese Personengruppen bedeutet das ungarische Gesetz nicht nur ein Zwangsouting bei jeder Ausweiskontrolle, in öffentlichen Verkehrsmitteln, bei Behördengängen und in der Arbeitswelt, sondern kann auch weitergehende rechtliche Folgen haben: Laut der Begutachtung der ungarischen NGO Háttér Society könnte das neue Gesetz auch Auswirkungen auf alle Personen haben, welche bereits in den letzten Jahren erfolgreich ihre Dokumente ändern ließen. In Folge könnten dann auch Eheschließungen dieser Personen wieder aufgelöst werden. All das macht klar, dass die Republik Österreich nicht zu den menschenrechtlichen Problemen in unserem Nachbarland schweigen darf.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für europäische und interna­tionale Angelegenheiten sowie die Bundesministerin für Europäische Union und Verfas­sung, werden aufgefordert umgehend sowohl auf EU-, als auch auf bilateraler Ebene die negativen Entwicklungen für intergeschlechtliche und Trans*-Personen in Ungarn aufs Schärfste zu verurteilen und sich für eine menschenrechtskonforme Neuregelung ent­sprechender Beschlüsse in Ungarn einzusetzen. Außerdem wird der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten aufgefordert, im Sinne des österreichi­schen Engagements für die Menschenrechte, diese Frage in den bilateralen Beziehun­gen zu thematisieren.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Beide Anträge sind ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und stehen somit in Verhandlung.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 524

Wir werden sehen, dass wir das Frauenkapitel und andere Themen immer wieder in die Primetime – wie Sie es gesagt haben – bringen (Zwischenruf der Abg. Greiner), weil ich glaube, es ist auch notwendig, hier ein Zeichen zu setzen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS sowie der Abg. Rosa Ecker.)

Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Ribo. – Bitte.


10.12.16

Abgeordnete Bedrana Ribo, MA (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Hohes Haus! Sehr geschätzte Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! Heute sprechen wir über das Frauenbudget. Viele Themenaspekte wurden ja bereits angesprochen, die Budgetzahlen wurden auch mehrfach genannt. Wir wissen, das Budget wurde erhöht. Nach Meinung der Opposition ist es zu wenig Geld. Wir alle würden uns in vielen Be­reichen viel mehr Geld wünschen, aber wir wissen auch, dass das Budget kein Wunsch­konzert ist.

Ich für meinen Teil möchte hier die Gelegenheit nutzen und über Frauen in systemrele­vanten Berufen sprechen. Wer sind diese Frauen? – Ich denke da zum Beispiel an Gabi, die Billa-Kassiererin, 32, zwei Kinder; sie ist in der Coronakrise die ganze Zeit hinter der Kasse gestanden, wurde schief angeschaut, weil sie ihre Kinder im Kindergarten ab­geben musste. Ich denke da auch an Dragica, 15 Jahre; sie spricht nicht fließend Deutsch, arbeitet in einer Reinigungsfirma und ist froh, dass sie in der Coronakrise ihren Job nicht verloren hat. Ich denke da auch an Swetlana, 42, aus der Slowakei; sie hat hier über Wochen ihren Dienst in der 24-Stunden-Betreuung verlängert und ihre Kinder in dieser Zeit nicht gesehen. – Das sind alles reale Beispiele, Beispiele, die mir persön­lich, wahrscheinlich euch allen ans Herz gehen.

Wir waren diesen Frauen so dankbar, wir haben sie als Heldinnen bezeichnet, wir haben ihnen eine Zeit lang jeden Abend applaudiert. Da habe ich mir gedacht: Moment, diese systemrelevanten Berufe und auch diese Frauen hat es vor der Krise ja auch gegeben, da haben wir sie nicht so beachtet, aber jetzt schätzen wir sie. Uns ist es auch egal, dass viele von ihnen Migrantinnen sind, wir wissen, was für wichtige Arbeit sie leisten. Wir sorgen dafür beziehungsweise werden dafür sorgen, dass sie nach der Coronakrise sichtbar bleiben – so oder so ähnlich habe ich das hier sehr oft gehört, vielleicht auch selbst gesagt. Ich persönlich habe dann aber nachgedacht; ich habe mir gedacht: Geht es diesen Frauen wirklich um das Sichtbarsein? Was haben sie davon, in der Gesell­schaft sichtbar zu sein? Ich habe mir einfach vorgestellt, ich wäre eine dieser Frauen – dann würde ich mich fragen: Was habe ich davon, wenn ich jetzt in der Gesellschaft sichtbarer bin? – Ja, das ist nett, aber mehr ist dann nicht dahinter, muss ich ganz ehrlich sagen.

Ich bin mir sicher, dass diese Frauen andere Wünschen haben, und zwar wünschen sich diese Frauen ganz sicher bessere Arbeitsbedingungen. Diese Frauen wünschen sich sicher auch bessere oder flexible Kinderbetreuung. Wenn ich an Gabi denke: Sie muss bei Billa manchmal bis 20 Uhr oder 21 Uhr arbeiten, aber der Kindergarten hat nur bis 18 Uhr offen. – Das ist nicht so ohne, also da muss sie schauen, wie sie da zurecht­kommt. Ein gleich hohe Familienbeihilfe wie für ÖsterreicherInnen würde ich mir zum Beispiel für Swetlana und ihre Kinder wünschen (Beifall bei den Grünen sowie der Ab­geordneten Brandstötter und Shetty); sie zahlt ja genauso viel in das System ein und ihre Kinder sind auch genauso viel wert.

Was sich, glaube ich, alle diese Frauen wünschen, ist eine bessere Bezahlung, ein Ge­halt, von dem sie leben können, ein Gehalt, das irgendwie auch widerspiegelt, dass sie systemrelevant sind, vor allem ein Gehalt, das sie nicht zittern lässt, ob es sich bis zum Monatsende ausgeht.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 525

Meine Damen und Herren! Das sind alles keine unerfüllbaren Wünsche. Diese Wünsche können in Erfüllung gehen. Wir brauchen damit auch nicht bis zur nächsten Krise zu warten, wir könnten eigentlich gleich jetzt starten. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

10.16


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Yannick Shet­ty. – Bitte.


10.16.26

Abgeordneter Yannick Shetty (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesmi­nisterin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich muss leider auch jetzt wieder über einen Bereich sprechen, zu dem kein Budget vorhanden ist, zu dem das Budget in größten Teilen fehlt, und zwar zu den Maßnahmen für LGBT-Personen; Kollegin Schatz hat es auch schon kurz angesprochen.

Ich möchte aber auch – und das meine ich auch ganz ehrlich – ein Lob aussprechen, weil Sie, Frau Ministerin, sich im Ausschuss, und das hat mich tatsächlich überrascht, für zuständig erklärt haben, was LGBT-Personen betrifft. Bisher hatte man ja so das Gefühl, dass das in dieser Regierung überhaupt keinen Platz hat, es überhaupt keine Zuständigkeit gibt. Ich freue mich, dass Sie im Ausschuss gesagt haben, dass Sie da die koordinierende Zuständigkeit übernehmen.

Wir haben nämlich noch viel zu tun. Auch wenn es aus gewissen erzkonservativen und reaktionären Kreisen immer wieder heißt: Was wollt ihr denn eigentlich noch, ihr habt doch eh schon alles erreicht, ihr habt doch schon die Ehe?, ist noch nicht alles erreicht, es ist noch viel zu tun. Eine Sache sei noch angemerkt, weil ich vor Kurzem eine Dis­kussion mit einer Kollegin von der ÖVP geführt habe: Das, was wir erreicht haben, das haben wir niemandem weggenommen, das haben wir nirgendwo gestohlen, das ist uns zugestanden. Wir haben uns das geholt, was uns die Politik jahrelang verwehrt hat. (Bei­fall bei den NEOS.)

Ich möchte noch zwei Bereiche herausgreifen, in denen noch viel zu tun ist, weil vielen, glaube ich, die Fantasie fehlt, was denn noch zu tun ist. Es ist ganz klar, dass Schwule und Lesben, wenn die Diskussion so zugespitzt ist, wie zum Beispiel im Bereich LGBT, sehr lange im Vordergrund gestanden sind. Betreffend intergeschlechtliche Menschen, zum Beispiel – 0,8 Prozent aller Kinder, die auf die Welt kommen, kommen interge­schlechtlich auf die Welt –, fehlen in Österreich jegliche Regelungen. Es gibt in Öster­reich im Gegensatz zu Deutschland noch kein Verbot für intergeschlechtliche Genitalver­stümmelung, also nicht medizinisch indizierte Operationen an fünf- bis sechsjährigen Kindern; das fehlt zum Beispiel. Der ehemalige Bundesminister Kickl hat damals eine rechtswidrige Weisung erteilt, was die Möglichkeit des dritten Geschlechtseintrages betrifft, und Minister Nehammer will an diesem rechtswidrigen Vorgehen weiter festhal­ten. – Also da ist etwas zu tun.

Was von Kollegin Schatz auch schon angesprochen wurde: LGBT-Rechte sind keine Selbstverständlichkeit. Wir müssen nur über die österreichischen Grenzen hinausschau­en: In vielen europäischen Ländern, in Polen, in Ungarn, werden diese Rechte scheib­chenweise wieder zurückgenommen. Ich habe, wenn es jemanden interessiert, weil da wieder die Fantasie fehlt, vor ein paar Tagen auf Twitter ein Video von Situationen auf Straßen in Polen geteilt, wo LGBT-Aktivisten auf die Straße gehen und von Rechten physisch und verbal so angefeindet werden, dass sie Angst um ihr Leben haben müssen. Ein Drittel des polnischen Staatsgebiets wurde mittlerweile zur LGBT-freien Zone erklärt. 18- oder 19-Jährige, die schwul oder lesbisch sind, müssen dort um ihr Leben fürchten – und das im Europa im 21. Jahrhundert. Das heißt, wir haben noch viel zu tun.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 526

Ich habe es hier schon öfter mit inhaltlichen Anträgen probiert, damit bin ich leider an den Grünen und an der ÖVP gescheitert; zum Beispiel wurde ein Antrag betreffend Re­habilitierung von homosexuellen Strafrechtsopfern durch die Grünen im Ausschuss vertagt, ein Antrag betreffend Aufhebung des Blutspendeverbots wurde von ÖVP und Grünen abgeschossen. Ich probiere es deswegen heute einmal ganz basic, vielleicht ist das ja möglich, da geht es um etwas Symbolisches, aber für die Community, so wie oft auch bei Frauenagenden, ist Symbolik oft wichtig.

Da ist Sichtbarkeit oft wichtig, zum Beispiel für einen 17-jährigen schwulen Burschen, der keine Unterstützung von daheim hat, der in der Schule gemobbt wird, der gerade in seiner Outingphase ist.

Da ist auch Symbolik oft wichtig und deswegen bringe ich folgenden Entschließungs­antrag ein – vielleicht kann sich auch der männlichste ÖVP-Minister durchringen, seine Zustimmung zu erteilen oder es dann umzusetzen –:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sichtbare An­erkennung der LGBTIQ-Community anlässlich der Pride Week“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Alle Bundesminister_innen werden aufgefordert, ein deutliches Zeichen der Unterstüt­zung und des Stellenwertes von LGBTIQ-Rechten in Österreich zu setzen und anlässlich der Pride Week ab 1. Juni 2020 für die Dauer eines Monats alle Ministerien mit Regen­bogenfahnen zu beflaggen.“

*****

Vielen Dank. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

10.20

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Sichtbare Anerkennung der LGBTIQ-Community anlässlich der Pride Week

eingebracht im Zuge der Debatte in der 32. Sitzung des Nationalrats über Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (55d.B.): Bundesgesetz über die Be­willigung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2020 (Bundesfinanzgesetz 2020 –BFG 2020) samt Anlagen (183d.B.)– TOP 7 / UG 10

Zwar wurden innerhalb der letzten Jahre in Europa und so auch in Österreich wichtige gesetzliche Schritte in Richtung Gleichberechtigung von LGBTIQ-Personen gesetzt, wie z.B. die Ehe für alle, auch über nationale Grenzen hinweg, die (wenn auch vorerst leider nur theoretische) Möglichkeit der Eintragung des dritten Geschlechts ins ZPR, oder das Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare. Den-noch sind Phänomene wie Homo­phobie, Diskriminierung und Gewalt gegen LGBTIQ-Personen immer noch weit ver­breitet.

Wie die weltweit größte LGBTIQ-Studie der europäischen Grundrechte-Agentur FRA sehr aktuell aufzeigt, geben 40% der LGBTIQ-Personen in Österreich an, sich innerhalb der letzten 12 Monate mindestens einmal diskriminiert gefühlt zu haben, 33% berichten


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 527

von Belästigungen und 11% der Befragten berichteten von physischen oder sexuellen Übergriffen innerhalb der letzten 5 Jahre. V.a. der schulische Bereich, der Arbeitsplatz und die medizinische Versorgung kristallisieren sich als Problemfelder heraus. Viele LGBTIQ-Personen verheimlichen immer noch ihre sexuelle Identität aus Angst vor Spott, Diskriminierung und Gewalt.

Außerdem lassen sich in Europa und weltweit aktuell massive Rückschritte hin-sichtlich LGBTIQ-Rechten beobachten: in Polen deklariert sich mittlerweile ein Drittel aller Ge­meinden als LGBTIQ-freie Zonen, Ungarn hebt vor wenigen Tagen mit Art. 33 das Recht von trans- und intersexuellen Personen auf, ihr Geschlecht ihrer Geschlechtsidentität anzupassen, in Kroatien zünden Menschen bei einer Karnevalsveranstaltung im Februar ein homosexuelles Pärchen mit Kind als "Maskottchen des Bösen" an und weltweit wer­den LGBTIQ-Personen immer wieder für das Corona-Virus verantwortlich gemacht und attackiert - Zustände, die eher an das finstere Mittelalter erinnern, als an das 21. Jahr­hundert. Das vehemente Eintreten für die Rechte von LGBTIQ-Personen ist also wich­tiger denn je, v.a. politische Entscheidungsträger_innen können Probleme sichtbar ma­chen und ein gesellschaftliches Umdenken bewirken. Die Sichtbarkeit der Community ist dabei besonders für junge LGBTIQs von besonderer Bedeutung.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Alle Bundesminister_innen werden aufgefordert, ein deutliches Zeichen der Unterstüt­zung und des Stellenwertes von LGBTIQ-Rechten in Österreich zu setzen und anlässlich der Pride Week ab 1. Juni 2020 für die Dauer eines Monats alle Ministerien mit Regenbo­genfahnen zu beflaggen."

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesministerin Raab. – Bitte.


10.20.44

Bundesministerin für Frauen und Integration im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Su­sanne Raab: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abge­ordnete! Verehrte Zuseherinnen und Zuseher! Der Ausbruch der Coronapandemie hat in den letzten Wochen und Monaten für uns alle viel verändert. Auch für das heurige Budget gelten andere Maßstäbe als für viele Budgets davor.

Der Beschluss des vorliegenden Budgets ist dennoch besonders wichtig, damit wir in unseren Ressorts wichtige Maßnahmen und Projekte realisieren können. Das gilt auch für das Frauenbudget. Als Frauenministerin ist mir der Beschluss des Budgets daher besonders wichtig. Die erstmalige Erhöhung des Frauenbudgets seit zehn Jahren ist ein richtiger und wichtiger Schritt und daher ist auch der Beschluss des Budgets richtig und wichtig. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Was wird mit dem Budget passieren? – Rund die Hälfte unseres Budgets wird aufge­wendet, um Mädchen- und Frauenberatungseinrichtungen, auch spezifische Frauenpro­jekte, zu fördern. Das sind beispielsweise 57 Frauenservicestellen, neun Fachbera­tungsstellen zu sexueller Gewalt, eine österreichweite Frauenhelpline, eine österreich­weite Onlineberatung, 73 langjährige Beratungsangebote für viele Frauen und Mädchen


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 528

genauso wie vier Notunterkünfte, eine Notwohnung bei Zwangsheirat und viele weitere langjährige Projekte. Dieses Angebot wird jährlich von über 100 000 Frauen und Mäd­chen in Österreich in Anspruch genommen. Das ist der eine Teil der Mittel.

Der zweite Teil der Mittel wird in erster Linie für den Bereich Gewaltschutz zur Verfügung gestellt. Damit wird gemeinsam mit dem Innenministerium insbesondere die Finanzie­rung der Gewaltschutzeinrichtungen in Österreich sichergestellt. 18 600 Frauen haben das im letzten Jahr in Anspruch genommen, sind somit direkt von Gewalt betroffen ge­wesen und haben um Unterstützung in diesen Gewaltschutzeinrichtungen angesucht.

Als zuständige Frauenministerin – und auch vor dem Hintergrund, wie wichtig diese Ar­beit ist, die vor Ort passiert – bin ich sehr stolz darauf, dass wir erstmalig seit zehn Jahren eine Erhöhung des Frauenbudgets zustande gebracht haben. Im Jahr 2020 stehen un­serem Ressort somit 12 150 000 Euro für Frauenangelegenheiten zur Verfügung. (Bei­fall bei ÖVP und Grünen.)

Das erhöhte Frauenbudget verschafft uns den notwendigen Spielraum, um wichtige Pro­jekte, vor allem im Bereich des Gewaltschutzes, umzusetzen und um bestehende Pro­jekte abzusichern.

Eines ist natürlich ganz klar: Bei Frauenangelegenheiten handelt es sich um Quer­schnittsthemen. Deshalb sind Frauenangelegenheiten nicht nur in meinem Ressort an­gesiedelt, sondern, wie das gemeinsame Regierungsprogramm zeigt, Frauenthemen betreffen ganz viele Lebensbereiche und werden von ganz vielen Zuständigkeitsberei­chen anderer Ministerkolleginnen und -kollegen abgedeckt, beispielsweise im Innenmi­nisterium, die Arbeits- und Familienministerin wird adressiert, die Ministerin für Digitali­sierung und Wirtschaftsstandort hat viele Frauenförderungsprojekte eingerichtet, der Minister für Wissenschaft und Bildung – überall dort sind Gleichstellungsthemen und Frauenförderungsthemen verankert.

In meinem originären Arbeitsbereich werde ich prioritär folgende Schwerpunkte setzen: Erstens die Stärkung der Anlaufstellen für Frauen: Erst vor Kurzem war es uns möglich, dass wir mit einer Erhöhung des Budgets rund 170 Frauenberatungseinrichtungen und auch langjährig geförderte Projekte mit einer 12-prozentigen Erhöhung unterstützen. Diese 12-prozentige Erhöhung geht weit über die Inflationsanpassung hinaus, das ist deutlich mehr, und daher werden diese Frauenberatungseinrichtungen auch gestärkt – eine wichtige und richtige Maßnahme aus meiner Sicht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Die Anlaufstellen für Frauen zu stärken ist mir deshalb so wichtig, weil ich möchte, dass jede Frau, die von Gewalt bedroht ist oder gar Opfer von Gewalt wird, weiß, wohin sie sich wenden kann, und in ganz Österreich Unterstützungsangebote findet.

Zweitens: Seit heute gibt es aus meinem Haus einen neuen Förderaufruf für den Ge­waltschutz von Frauen und Mädchen. 1,25 Millionen Euro werden für Projekte zur Prä­vention von Gewalt an Frauen und Mädchen ausgelobt, denn die Datenlage ist klar: Ge­walt ist kein Randphänomen, denn in Österreich sind rund 20 Prozent der Frauen, also jede fünfte Frau, von physischer oder sexueller Gewalt betroffen. Das sind rund 660 000 Frauen. Jede siebte Frau ist von Partnergewalt betroffen. Besonders erschre­ckend sind auch die Fälle von ganz schwerer Gewalt, deren Zahl in den letzten Jahren zugenommen hat. 2018 hatten wir 41 getötete Frauen zu beklagen, 39 im Vorjahr, und heuer wurden bereits zehn Frauen brutal ermordet. Darum ist es uns wichtig, in diesen Bereich mehr Geld zu investieren.

Darüber hinaus habe ich aus dem Integrationsbudget meines Ressorts – aus dem Bud­get des Österreichischen Integrationsfonds – zusätzlich 2 Millionen Euro für Projekte ge­gen kulturell bedingte Gewalt an Frauen zur Verfügung gestellt. So kommt die 40-pro­zentige Erhöhung des Frauenbudgets zustande – über 2 Millionen Euro aus dem originären


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Frauenbudget und 2 Millionen Euro aus dem Integrationsbudget. Letzteres betrifft insbesondere die kulturell bedingte Gewalt an Frauen und Projekte, die diese kulturell bedingte Gewalt an Frauen – wie weibliche Genitalverstümmelung, Zwangsheirat, aber auch Kinderehe – präventiv verhindern sollen.

Außerdem werden wir die EU-Prävalenzstudie betreffend genderbasierte Gewalt unter­stützen und als Österreich in den Jahren 2020 und 2021 auch mitmachen, damit wir Erkenntnisse zu geschlechterspezifischer Gewalt gegen Frauen und Männer gewinnen können.

Drittens: Wir haben im Zuge der Ausgangbeschränkungen zur Eindämmung des Coro­navirus einen – wenn auch leichten – Anstieg von häuslicher Gewalt beobachtet. Im April dieses Jahres gab es erstmals mehr als 1 000 Wegweisungen in einem Monat. Deshalb war und ist es mir auch wichtig, dass wir von Beginn an betont haben, dass die Ge­waltschutzeinrichtungen für Frauen offen sind, dass die Frauenberatungseinrichtungen für die Frauen zur Verfügung stehen, dass auch die Frauenhäuser offen sind für alle Frauen, die Schutz für sich und ihre Kinder brauchen.

Ich habe mit meiner italienischen Amtskollegin zu Beginn der Ausgangbeschränkungen gesprochen, und sie hat mir von ihren Erfahrungen berichtet: In Italien hat jeder während des Lockdowns geglaubt, diese Unterstützungseinrichtungen hätten – analog zu ande­ren infrastrukturellen Einrichtungen – nicht mehr offen, und deshalb haben viele Frauen nicht gewusst, an wen sie sich wenden sollen, wenn sie Unterstützung und Hilfe brau­chen. – Das konnten wir glücklicherweise verhindern.

Was haben wir gemacht? – Eine umfassende Informationsoffensive, die aus einer Stär­kung der 24-Stunden-Frauenhelpline bestanden hat, sodass jede Frau zu jeder Tages- und Nachtzeit Unterstützung von ExpertInnen bekommt. Wir haben die Onlineberatung verstärkt, damit auch Frauen, die – weil sie nicht alleine zu Hause sind – nicht telefonie­ren können, online Unterstützung bekommen, beispielsweise via Skype.

Wir haben diese Offensive auch in Inserate und TV-Spots gebracht, sodass sie wirklich vielen Menschen und Frauen zugänglich gemacht wurde. Besonders wertvoll war eine Kooperation mit dem Handelsverband: Die Supermärkte hatten weiterhin offen, dement­sprechend haben wir mit unseren Informationsmaterialien zu den frauenspezifischen Hilfsangeboten pro Bundesland auch über die Supermärkte informieren können.

Lassen Sie mich abschließend noch dem Grundsatz nach betonen, was mir – über den Schutz vor Gewalt hinausgehend – wichtig ist: Es ist die gesellschaftliche, rechtliche und ökonomische Gleichstellung von Frauen, die ich als Frauenministerin mit voller Kraft weiter vorantreiben werde. Es ist mir als Frauenministerin dabei aber nicht nur wichtig, starke Frauen, wie wir sie alle sind, vor den Vorhang zu holen, sondern es geht mir auch darum, dass Frauen in unserem Land die Rahmenbedingungen vorfinden, die es für ein selbstbestimmtes Leben von uns Frauen braucht. Jede Frau soll ihr Lebensmodell frei wählen können – ob mit Kindern oder ohne Kinder, sei es in der Kinderbetreuung, auch zu Hause, oder in Bezug auf Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Dafür brauchen wir natürlich bedarfsgerechte Kinderbetreuung, wir brauchen die Unterstützung von Frauen in der Pflege, wir brauchen Rahmenbedingungen am Arbeitsmarkt, die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf fördern.

All das werde ich gemeinsam mit meinen Ministerkolleginnen und -kollegen in dieser Legislaturperiode vorantreiben.

Die Coronakrise hat uns vor Augen geführt, was Frauen in unserer Gesellschaft alles leisten: Frauen stellen die Mehrzahl der Beschäftigten im Handel, in den pflegenden Be­rufen, in den Gesundheitsberufen dar und leisten darüber hinaus Übermenschliches in der Betreuung in der Familie. Ich glaube, es muss jede Gelegenheit genutzt werden, um


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Frauen für diese großartige Leistung, die sie grundsätzlich, aber insbesondere in der Krise erbracht haben, Danke zu sagen. – Danke für den unermüdlichen Einsatz in dieser Krise! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Die Krise war und ist für alle in Österreich lebenden Menschen eine sehr große Heraus­forderung, insbesondere für viele Frauen, vor allem hinsichtlich Vereinbarkeit von Fami­lie und Beruf im Wahnsinn zwischen Homeoffice und Homeschooling und Haushalt. Das alles führt zu Doppel- und Mehrfachbelastungen, wenn der Schulunterricht nicht statt­findet, wenn die Kinderbetreuungseinrichtung nicht offen hat, wenn nicht auf Eltern und Großeltern zurückgegriffen werden kann. Das alles musste von vielen Frauen gestemmt werden.

Als Bundesregierung war es uns aber ganz wichtig, dass wir während der Krise in den letzten Wochen und Monaten viele Unterstützungsmaßnahmen zur Verfügung stellen konnten. Wir haben ein Sicherheitsnetz gespannt: die Schulen sind grundsätzlich offen, der Coronafamilienhärtefallfonds wurde um 30 Millionen Euro aufgestockt, der neue Fa­milienkrisenfonds, die Erleichterungen beim Unterhaltsvorschuss, damit alleinerziehen­de Frauen leichter Unterstützung vom Staat bekommen können, wenn der Unterhalt des Ex-Partners nicht eintrifft, die Coronakurzarbeit und die Sonderbetreuungszeit.

Es ist mir aber völlig klar, dass wir in den kommenden Wochen und Monaten im Zuge des Comebacks die Frauenpolitik in allen Lebensbereichen adressieren müssen und in allen Lebensbereichen zentral mitdenken werden. Als Frauenministerin sehe ich es als meine Aufgabe, in allen Lebens- und Politikbereichen die notwendige Perspektiven­vielfalt zu adressieren, darauf hinzuweisen und das Ziel der Gleichstellung von Mann und Frau mit voller Kraft voranzutreiben. Zu guter Letzt möchte ich auch, dass wir dabei Chancen sehen und ergreifen; viele, viele Männer haben etwa krisenbedingt, also in der Krise, auch viel mehr Zeit mit Kinderbetreuung verbracht, da viel mehr übernommen, viel mehr Anteil daran gehabt. Das müssen wir begrüßen und das gilt es auch in Zukunft zu fördern. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

10.31


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Totter. – Bitte.


10.32.02

Abgeordnete MMag. Dr. Agnes Totter, BEd (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesminister! Werte Abgeordnete! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Bedingt durch die Coronakrise gelten für das heurige Budget klarerweise gänzlich andere Maß­stäbe als für jene von früher. Dennoch ist es wichtig, ein Budget zu beschließen, das die Schwerpunktsetzungen dieser Regierung widerspiegelt und zur Krisenbewältigung einen wesentlichen Beitrag leistet.

Es freut mich ganz besonders, dass in diesem Sinne das Budget für das Frauenressort um rund 2 Millionen Euro erhöht wurde – und das in Zeiten der Krise! Vielen Dank, liebe Frau Bundesminister, für deinen engagierten Einsatz für Frauen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Frauen leisten tagtäglich Großartiges – dafür möchte ich mich zuallererst herzlich bedan­ken. (Abg. Loacker: Noch mal bedanken, schon zweimal!) Ganz speziell jetzt in der Coronazeit waren es viele Frauen, die zusätzlich gefordert waren, galt es doch oftmals, Homeoffice und Homeschooling, Haushalt und Familie unter einen Hut zu bringen. Auch in den sogenannten systemrelevanten Bereichen waren es vorwiegend Frauen, die in der Krankenpflege, in den Krankenhäusern, im Bildungsbereich, in den Kindergärten, in den Schulen fürsorglich und tatkräftig ihre Arbeit geleistet haben. Daher ist eine Stei­gerung des Frauenbudgets um rund 20 Prozent wertschätzend und eine absolut richtige und wichtige Maßnahme. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)


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Ebenso erfreulich ist die von der Bundesregierung präsentierte Gemeindemilliarde. Mit diesen Geldern kann zusätzlich in infrastrukturelle Maßnahmen wie Schulen, Kindergär­ten und Kinderkrippen investiert und der Ausbau der Kinderbetreuung weiter vorange­trieben werden. Investitionen in diesen Bereichen unterstützen Frauen und Familien zu­sätzlich und sind äußerst begrüßenswert. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

10.34


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Nussbaum. – Bitte.


10.34.17

Abgeordnete Mag. Verena Nussbaum (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bun­desministerin! Hohes Haus! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Frau Ministerin, wir ha­ben schon am Dienstag bei Ihrer Rede zur Integration den Eindruck gewonnen, dass kulturell bedingte Gewalt für Sie natürlich ein wichtiges Thema ist. Das ist auch wichtig, verstehen Sie mich nicht falsch, aber wenn es um Frauenpolitik geht, ist das eigentlich, aus meiner Sicht, ein Ablenkungsmanöver. Die Heldinnen des Alltags, die Frauen, sind jetzt schon sehr oft angesprochen worden, aber der Applaus allein wird ihnen keine besseren Arbeitsbedingungen verschaffen. (Beifall bei der SPÖ.) Der Applaus allein wird in den schlecht bezahlten Branchen zu keiner Erhöhung ihres Gehalts führen oder sie von der Teilzeit- in eine Vollzeiterwerbstätigkeit bringen. Das Danke ist zwar nett, aber davon können sie sich im wahrsten Sinne des Wortes leider nichts kaufen.

Für uns ist das Schließen der Lohnschere durch Maßnahmen wesentlich. Das sehen Sie offensichtlich nicht als Ihre Aufgabe, denn Sie sagen: Da ist ja die Arbeitsministerin zu­ständig. – Für uns ist es wesentlich, dass man Lohntransparenz schafft, damit Frauen die Unterschiede zu ihren männlichen Kollegen, um wie viel weniger sie verdienen, erkennen können, und natürlich auch – was ganz wesentlich ist –, um der Altersarmut vorzubeugen. Die Pensionen klaffen zwischen den Geschlechtern immerhin noch um traurige 40 Prozent auseinander.

Um das zu erreichen, ist eine flächendeckende Kinderbetreuung notwendig; auch, damit nicht nur Frauen, sondern natürlich auch Männer die Möglichkeit haben, nach der Geburt wieder voll in das Erwerbsleben einzusteigen, und damit natürlich auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie durchgesetzt werden kann, damit Frauen nicht ewig in dieser Teil­zeitfalle hängen bleiben – da geht es um Gleichstellung.

Was mich wirklich sprachlos gemacht hat, war, dass das Budget 94 000 Euro an finan­ziellen Mitteln für Frauen mit Behinderungen vorsieht. In der Beantwortung meiner Anfra­ge haben Sie ausgeführt, dass Projekte für Frauen auch Projekte für Frauen mit Behin­derungen sind. Das heißt, de facto sind in Ihrem Budget Frauen mit Behinderungen völlig unsichtbar und irrelevant, wenn Sie nicht einmal für diese Personengruppe Extramaß­nahmen vorsehen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Künsberg Sarre.)

Ich fordere Sie auf, endlich mit den Betroffenen zusammenzuarbeiten und sich von Ex­pertinnen und Experten anzuhören, was in diesem Bereich dringend notwendig ist. Die Inklusion ist uns allen ein großes Anliegen und gerade Frauen mit Behinderungen hätten sich das auch verdient. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

10.37


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Ernst-Dzie­dzic. – Bitte.


10.37.26

Abgeordnete Dr. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Werte Kollegen und Kolleginnen! Ja, tatsächlich Primetime statt Backlash für die Frauen in Ös­terreich – so würde ich die bisherige Debatte zusammenfassen –, und ja, je stiller die Heldinnen, desto lauter muss unsere Frauenpolitik sein.


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Einige Zahlen wurden schon aufgezählt, und ich denke, es schadet nicht, sich vor Augen zu führen, welche Herausforderungen wir in der Frauenpolitik nach wie vor auf der Ta­gesordnung haben: Knapp 80 Prozent der im Handel Tätigen sind Frauen, knapp 80 Pro­zent der in der Pflege, in der Carearbeit Tätigen sind Frauen. Wir haben noch immer über 20 Prozent Lohnunterschied; 90 Prozent der Alleinerziehenden sind Frauen; die sind sehr oft auf sich alleine gestellt. Wir haben heute gehört, dass jede fünfte Frau von Gewalt betroffen ist, bei Frauen mit Behinderungen sind es sogar zwei Drittel der Frauen. Das sind allesamt irrsinnig beschämende Zahlen für Österreich, und eigentlich müssten wir uns während dieser vier Tage tagtäglich am Anfang nur mit Gleichstellungspolitik beschäftigen, denn solange wir das nicht hinbekommen, wird sich das in allen anderen Bereichen widerspiegeln. (Beifall bei den Grünen sowie der Abgeordneten Oberrauner und Vorderwinkler.)

Die Versäumnisse der letzten Jahre, der letzten Jahrzehnte können wir aber nicht in ein paar Monaten aufholen. Das Gute ist, dass wir es im Moment mit einer Erhöhung des Budgets zu tun haben, mit zig Maßnahmen, die wir als Regierungsparteien setzen, und nicht, wie in der letzten Legislaturperiode, mit Kürzungen von wichtiger Präventionsbera­tungsarbeit gerade eben für Frauen und Mädchen.

Ich glaube, manche hier haben aber doch eine sehr verklärte – ich weiß nicht – Vision von Frauenpolitik. Da gibt es kein „der Sonne entgegen“, und das werden wir auch nicht hinbekommen, indem wir das Budget ein bisschen erhöhen. Frauenpolitik war, ist und bleibt ein Kampf um Macht, Geld und Umverteilung. (Beifall bei den Grünen sowie der Abgeordneten Salzmann und Scharzenberger.)

In diesem Sinne: Es betrifft, wie gesagt, alle Bereiche. Ich bin sehr froh (in Richtung Bundesministerin Raab), dass Sie da auch den Überblick bewahren, dass das nämlich nicht nur auf einen Bereich reduziert wird, zum Beispiel auf den Ausbau der Infrastruktur für die Kinderbetreuung – ganz, ganz wichtig, da sind wir dran –, da gehört nämlich auch die Stärkung der Frauen im ländlichen Bereich dazu. Die Gewaltprävention, die Sie auch schon angesprochen haben, ist dringend notwendig, genauso wie Männerarbeit drin­gend notwendig ist, vom Antiaggressionstraining bis beispielsweise hin zu einer klaren Absage an Burschen an Schulen, die keinen Respekt vor ihren Kolleginnen haben. Da braucht es Aufklärung, da braucht es mehr Sensibilität und da liegt zweifelsohne noch ganz viel Arbeit vor uns.

Es braucht: Lohntransparenz – gleichfalls eine ganz wichtige Sache –, Zeiterfassungs­studie – etwas, worauf wir uns geeinigt haben –, Arbeitsplatzbewertung – weil wir wis­sen, dass es noch immer Sparten gibt, in denen Frauen tätig sind und man allein schon dadurch weniger verdient – und natürlich auch, wie ich gesagt habe, eine stetige Erhö­hung der Mittel für Frauenbereiche, wie Sie schon alle – auch von der Opposition – ange­sprochen haben, und das zu Recht. (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.)

Wir Grüne haben uns nicht nur für das Frauenvolksbegehren und die neuen Forderun­gen starkgemacht, wir haben uns nicht nur die letzten Jahre und Jahrzehnte für Gleich­stellungspolitik, LGBTI-Politik starkgemacht, sondern auch für alle von Yannick hier er­wähnten Bereiche von Blutspende über IGM bis zu trans-, intergeschlechtlichen Perso­nen, die auch in Österreich sozusagen unseren Schutz brauchen – das alles sind Dinge, an denen wir dran sind, das alles sind Dinge, an denen wir dran bleiben.

Das Gute bei dem Ganzen ist: Wir haben es jetzt nicht mit Türkis-Blau zu tun, sondern mit Türkis-Grün, und gerade in diesem Bereich wird es einen gravierenden Unterschied geben – und ich weiß, dass (in Richtung Bundesministerin Raab) Sie da unsere Verbün­dete sind. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Heinisch-Hosek: Wann?)

10.4


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 533

1


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Nun ist Herr Abgeordneter Kucher zu Wort gemel­det. – Bitte.


10.42.00

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kolle­gen! Frau Bundesministerin! Nach der Rede meiner grünen Vorrednerin fällt es mir als Angehöriger einer Oppositionsfraktion direkt schwer, überhaupt noch nachzulegen, denn noch treffender kann man die Kritik an dieser Nicht-Frauenpolitik der Bundesregierung, glaube ich, gar nicht auf den Punkt bringen, als zu sagen, „je stiller die Heldinnen, desto lauter muss“ die „Frauenpolitik sein“. – Noch deutlicher geht die Kritik an der Frau Bun­desministerin, glaube ich, gar nicht, weil der zentrale Punkt der Kritik nämlich insofern ins Schwarze oder ins Türkise trifft, als das wirklich auch eine Frage der Lebensrealitäten ist.

Wir haben heute Geschichten von der Billa-Verkäuferin gehört, wir haben von der
24-Stunden-Betreuerin gehört, aber das Einzige, was der Bundesministerin eingefallen ist, wie man Danke sagen kann, ist, dass man diesen Frauen in Zukunft ein bisschen unter die Arme greifen muss und dass man in Zukunft dann den Sekt und den Champag­ner billiger macht. (Abg. Salzmann: Nein! – Zwischenruf der Abg. Deckenbacher.) Das war die einzige Maßnahme, mit der die Bundesministerin den Punkt getroffen hat. Man merkt also, sie hat ein Gespür für die Lebensrealität der Frauen.

Die alleinerziehende Mutter, die zu Hause sitzt, und deren Tochter, die nicht weiß, wie es weitergeht, die keinen Laptop hat und nicht weiß, wie sie die Schule bewältigen soll, waren kein Thema, sodass man gesagt hätte: Wir haben ein Gespür dafür, wir helfen dem jungen Mädchen in der Schule und der alleinerziehenden Mutter!

Sie hat auch kein Gespür gehabt oder sich jemals zu Wort gemeldet, als es geheißen hat, es gibt Frauen, die zu Hause sitzen, die arbeitslos sind, bei denen die Tochter dann vielleicht auch selber fragt: Wie geht es denn weiter, Mama, wie tun wir denn?, und die Mutter ist selber verzweifelt, weil sie keinen Job hat.

Jetzt verstehe ich, dass man in der Krise nicht sofort Patentrezepte hat, aber als Politi­kerin und gerade als Frauenministerin hätten Sie Orientierung und in Wahrheit diesen Frauen auch eine Stimme geben können. Das ist eigentlich das Schlimme: dass Sie sich nicht zu Wort gemeldet haben, dass das in dieser gesamten Krise für die Frauenminis­terin nie ein Thema war – Stimme sein für jene Menschen, denen es im Moment nicht gut geht. (Beifall bei der SPÖ.)

Weil gerade in dieser Krise, wie ich glaube, auch sichtbar ist, dass es um viel unbezahlte Arbeit geht, und damit man das auch dokumentiert, wenn es schon die Frauenministerin nicht macht, möchte ich im Namen der Kollegin Heinisch-Hosek und in meinem Namen einen Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Be­auftragung und budgetäre Vorkehrung einer Zeitverwendungsstudie“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung werden ersucht, ehestmöglich die Durchführung einer neuen Zeitverwendungsstudie in Österreich im Gleichklang mit den EU-weiten Erhebungen zu beauftragen um dafür im BFG 2020 budgetär Vorkehrungen zu treffen.“

*****

Es ist nämlich wichtig, dass vor allem auch die unbezahlte Arbeit der Frauen sichtbar gemacht wird.


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Ich möchte gar nicht auf den Bereich der Frauengesundheit eingehen – wir sind mitten­drin in einer gigantischen Gesundheitskrise –, all das war für die Frauenministerin kein Thema. Sie weiß immer ganz genau darüber Bescheid, wofür sie nicht zuständig ist, sie weiß ganz genau darüber Bescheid, wofür alle anderen zuständig sind. Sie sagt dann immer, das ist ein Querschnittsthema, aber wenn man dann fragt: Haben Sie wenigstens nachgefragt, was dort passiert?, dann sagt sie: Ich bin ja nicht zuständig! – Das bedeutet Querschnittsthema nicht, das ist in Wahrheit einfach Das-Thema-Schleifenlassen.

Das haben sich all jene Menschen, von denen wir heute schon gehört haben – die Billa-Verkäuferin, die Pflegerin, die 24-Stunden-Betreuerin –, nicht verdient: dass man in die­ser Krise nicht einmal die Stimme erhebt und in Wahrheit gar nicht spürt, wie es Men­schen eigentlich geht, die nicht mit dem goldenen Löffel im Mund geboren worden sind. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Brandstötter und Künsberg Sarre.)

10.45

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Philip Kucher,

Genossinnen und Genossen

betreffend Beauftragung und budgetäre Vorkehrung einer Zeitverwendungsstudie

eingebracht im Zuge der Debatte zum TOP 7 Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (55 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvor­anschlages für das Jahr 2020 (Bundesfinanzgesetz 2020 – BFG 2020) samt Anla­gen (183 d.B.) –

UG 10 Frauen und Gleichstellung

Im Regierungsprogramm ist zwischen ÖVP und Grünen unter dem Titel Gleichstellung von Frauen am Arbeitsmarkt die „Umsetzung einer Zeitverwendungsstudie: bezahlte vs. unbezahlte Arbeit, Aufteilung Familienarbeit“ vereinbart. Das ist prinzipiell zu begrüßen, da ein Großteil gesellschaftlich unentbehrlicher Arbeiten wie Hausarbeit, die Versorgung von Kindern, alten oder kranken Menschen, etc. von Frauen unentgeltlich geleistet wird und Datenmaterial dazu fehlt.

In der Corona-Krise erleben wir zudem eine weitere deutliche Verschiebung. Wir wissen aus vielen Studien, dass 47 Prozent der Frauen im Moment noch mehr Zeit für Kinder­betreuung aufwenden, als vor der Krise. Frauen sind auch häufiger von reduzierter Ar­beitszeit betroffen, was wiederum den Anteil der unbezahlten Arbeit zu Hause erhöht. Detaillierte Zeitbudgeterhebungen gibt es auch zur aktuellen Situation keine. Die letzte Zeitverwendungsstudie für Österreich wurde im Zeitraum 2008/2009 durchgeführt. Wis­senschaftliche Standards empfehlen die Durchführung von Zeitverwendungsstudien alle zehn Jahre. In der EU wird in den Jahren 2020 bis 2022 eine neue „Welle“ von solchen Studien durchgeführt, weshalb im Sinne internationaler Vergleichbarkeit eine neue Erhe­bung in Österreich ebenfalls in diesem Zeitraum stattfinden sollte. Im nunmehr zu be­schließenden Budget 2020 ist keine budgetäre Bedeckung einer solchen Zeitverwen­dungsstudie vorgesehen.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 535

„Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung werden ersucht, ehestmöglich die Durchführung einer neuen Zeitverwendungsstudie in Österreich im Gleichklang mit den EU-weiten Erhebungen zu beauftragen und dafür im BFG 2020 budgetär Vorkehrungen zu treffen.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Nun ist Herr Abgeordneter Weber zu Wort gemeldet. – Bitte.


10.45.24

Abgeordneter Ing. Johann Weber (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe, ge­schätzte Ministerinnen auf der Regierungsbank! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen hier im Hohen Haus! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause vor den Bildschirmen! Ich möchte die Gelegenheit nützen, Danke zu sagen, dass es nach 15 Jahren eine mar­kante Erhöhung im Frauenbudget gibt. Es sind, wir haben es heute schon gehört, circa 2 Millionen Euro – das ist nicht nix. Dafür einmal ein recht herzliches Dankeschön! (Bei­fall bei der ÖVP.)

Trotz aller Bemühungen und Anstrengungen bezüglich Gleichstellung im Frauenbereich ist es noch immer üblich, dass zu einem hohen Prozentsatz die Frauen die Hausarbeit verrichten, den Haushalt leiten, die Kindererziehung bewerkstelligen, die Kinder betreu­en, da sind, wenn es Angehörige zu pflegen gilt – und darüber hinaus auch bei den Gar­tenarbeiten ihre Stärken einbringen, das darf man nicht vergessen! Man hat auch gerade in der Bewältigung der Krise wieder gesehen, dass die Frauen die tragende Säule der Gesellschaft gewesen sind.

Ich möchte die Gelegenheit jetzt auch nützen, um hier vom Rednerpult aus Danke zu sagen. (Abg. Zanger: Danke! Danke! Danke!) Wir alle wissen, speziell im Gesundheits­bereich und im Pflegebereich sind sehr, sehr viele Frauen beschäftigt. Ich möchte die Gelegenheit insofern nützen, weil auch meine Partnerin Silvia in diesem Berufsbereich tätig ist. Sie ist Intensivkrankenschwester im LKH Wolfsberg, und ich weiß deswegen, was in diesem Bereich in der letzten Zeit wirklich geleistet wurde. Daher ein aufrichtiges Dankeschön an Silvia und allen Damen und Frauen in Österreich. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Jakob Schwarz.)

Leider gibt es immer noch zu viele Frauen, denen es nicht wirklich gut geht. Es gibt noch immer Gewalt, Übergriffe, sexuelle Gewalt und so weiter. Daher ist es wichtig, dass eben zusätzlich 700 000 Euro für die Mädchen- und Frauenberatung, für weitere Einrichtun­gen und so weiter zur Verfügung gestellt wurden. Darüber hinaus, glaube ich, wird es notwendig werden, mehr in die Prävention zu investieren. Wir brauchen auch, wenn der Fall eintritt, dass jemand Hilfe braucht, auf kurzen Wegen vor Ort Möglichkeiten, diese zu bekommen. Ich möchte im Hinblick auf Kärnten erwähnen, dass wir in den Bezirken Wolfsberg, Klagenfurt, Villach und Spittal an der Drau jeweils Frauenhäuser haben, die sofort auf kurzem Weg aufgesucht werden können und so weiter und so fort – mir läuft schon die Zeit davon.

Ich möchte abschließend noch einmal Danke sagen, Frau Minister, für diese zusätzli­chen Mittel im Frauenbudget. Ich bin mir sicher, dass dieses Geld, das von der Frau Minister eingesetzt wird, auch sehr sinnvoll verwendet wird. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

10.48


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Nun ist Frau Abgeordnete Oberrauner zu Wort gemeldet. – Bitte. (Abg. Loacker – in Richtung der sich zum Rednerpult begebenden Abg. Oberrauner –: Nicht vergessen: immer artig bedanken!)



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 536

10.48.28

Abgeordnete Mag. Dr. Petra Oberrauner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzte Ministerinnen! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuschauer, die uns von zu Hause zusehen! Das gesellschaftliche und wirtschaftliche System in Ös­terreich funktioniert hauptsächlich darum, weil systemrelevante Arbeit von Frauen ge­macht wird, und das unentgeltlich.

In Österreich gibt es dazu leider keine aktuellen Daten, darauf hat schon mein Kollege Philip Kucher hingewiesen. Ich würde Sie, Frau Ministerin, bitten, das wirklich in die Wege zu leiten, damit wir konkrete Daten haben. Jene Daten, die zur Verfügung stehen, zeigen ein Bild, das zwar nicht unbekannt, aber, wenn man es in Summen quantifiziert, doch erstaunlich ist. Der Wert der ehrenamtlichen Arbeit übersteigt bereits jenen der Erwerbsarbeit, das ist auch keine Neuigkeit. Zwei Drittel der Arbeit zu Hause und der Sorgearbeit wird von Frauen geleistet. Rechnet man das in eine Summe um, dann kommt man auf Arbeit im Wert 100 bis 105 Milliarden Euro pro Jahr – das sind 30 Pro­zent des Bruttoinlandsprodukts –, die unentgeltlich geleistet wird.

Gleichstellung, Gleichbehandlung und Gleichberechtigung sind drei Themen, die unge­löst sind, zum größten Teil nicht umgesetzt werden und manchmal fakultativ als philo­sophischer Kontext dastehen. Wir warten noch immer auf eine Umsetzung.

In der Coronakrise hat man gesehen, wie viel systemrelevante Arbeit von Frauen oft zulasten der Erwerbstätigkeit geleistet wird. Frauen sind in der Krise sofort bereit, wenn sie können – Alleinerzieherinnen wie immer ausgenommen –, ihre Erwerbsarbeit zu­rückzustellen, damit sie unbezahlte Arbeit für die Gesellschaft, für ihre Familie leisten, zuletzt auch als IT-Expertin und Onlineunterrichtunterstützerin für ihre Kinder. Wie und ob das geht, interessiert eigentlich niemanden. Wenn es nicht geht, sind die Kinder die Leidtragenden, weil sie keine Chancengleichheit bei der Bildung haben und oft nicht wissen, wie sie den Verlust dieser Informationen, was den Unterricht betrifft, nachholen können. Wenn sie es nachholen können, ist es oft mit großen Kosten verbunden, für die diese Frauen die Mittel auch nicht aufbringen können. Chancengleichheit ist dann in Kri­senzeiten auch bei Kindern kein Thema.

Applaus und Lippenbekenntnisse werden nicht reichen. Systemrelevante Berufe in Pfle­ge, Gesundheit und Handel müssen besser bezahlt werden, und ich finde es noch immer unglaublich, dass es noch immer nicht möglich ist, den Frauen für die Arbeit, für die sie in der Krisenzeit so gelobt wurden, einmal zwei Bruttogehälter – brutto für netto – auszu­zahlen, um ihnen zu zeigen, dass wir ihre Arbeit tatsächlich wertschätzen und nicht nur Lippenbekenntnisse abgeben, denn das bringt diesen Frauen, die zudem ihr Leben zu einer Zeit riskiert haben, in der man nicht gewusst hat, wie man Schutzausrüstungen gut anwendet, gar nichts. (Beifall bei der SPÖ.)

Maßnahmen dafür, gleichen Lohn für gleiche Arbeit zu erreichen und die 60 Prozent Unterschied in der Entlohnung zwischen Männer- und Frauenerwerbstätigkeit zu schlie­ßen, wären ein wichtiger Teil des Konjunkturprogramms, der dringend von der Regierung angepackt werden müsste. Das bringt nicht nur den Frauen etwas, sondern das ist auch für das Familieneinkommen relevant, und ist damit vielleicht ein Teil der Volkswirtschaft, die unterstützt wird, um dann die Wirtschaft zu unterstützen.

Denken Sie daran, Frauen sind keine Minderheit, Frauen sind die Mehrheit – auch bei Wahlen, falls das noch nicht angekommen ist –, und Frauen sind auch nicht hilfsbedürf­tig, sie brauchen nur Respekt und eine gleichberechtigte Behandlung! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)


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10.52


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Mir liegen zu der Untergliederung 10 keine weite­ren Wortmeldungen mehr vor. Damit sind die Beratungen zu diesem Themenbereich abgeschlossen.

10.52.45UG 20: Arbeit

UG 25: Familie und Jugend


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zu den Untergliederungen 20 und 25, hierüber finden die Debatten unter einem statt.

Ich darf Frau Arbeitsministerin Aschbacher herzlich begrüßen und erteile Abgeordnetem Muchitsch das Wort. – Bitte.


10.53.11

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Herr Präsident! Die Frauen Bundesministerin­nen! Ich darf nun zum Thema Arbeitsmarkt überleiten. (Der Redner stellt eine Tafel, auf der unter der Überschrift „Arbeitslosigkeit 01. bis 05.“ eine Tabelle mit Zahlen zu sehen ist, auf das Rednerpult.) Wir haben in der vorangegangenen Debatte ausführlich auch die Situation Frauen, Gleichstellung und Familien debattiert, und nun kommen wir zum Thema Arbeitsmarkt: Es sind auch dahin gehend dementsprechend Familien und Frau­en gerade durch die Coronakrise sehr benachteiligt worden und in große finanzielle Pro­bleme geraten.

Es gibt seit März eine Rekordarbeitslosigkeit, die höchste in der Geschichte der Zweiten Republik. Wir sehen die Zahlen hier vorne (auf die Tafel weisend). Es gibt seit März eine erhöhte Arbeitslosigkeit, von zwischen 180 000 zusätzlichen Arbeitslosen mit Stand 26. Mai bis zu 210 000 im April. Die Einschätzung aller Experten ist klar: Diese Rekord­arbeitslosigkeit wird uns noch viele Monate begleiten und daher bedarf es Maßnahmen.

Wenn wir vom Arbeitsmarkt sprechen, reden wir von Beschäftigung, aber auch von Ar­beitslosigkeit, aber auch von Armutsbekämpfung. Wir haben ja hier von der ehemaligen Sozialministerin die Worte gehört – lautstark –: „Wer schafft die Arbeit? Wer schafft die Arbeit?“ – „Die Wirtschaft“ hat sie gesagt. Wir haben gesagt: „Wer macht die Arbeit?“ – Die Arbeitnehmerinnen und die Arbeitnehmer machen die Arbeit. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir sind jetzt in der größten Krise seit 1945, nun muss die Politik Arbeit schaffen. Die Politik ist aufgefordert, dementsprechend Arbeit zu schaffen. Österreich braucht das größte Investitionspaket der Zweiten Republik. Die SPÖ hat in den letzten Tagen – ges­tern, vorgestern – und Wochen ihre Vorschläge auf den Tisch gelegt. Die Kollegen Stö­ger und Kollross haben davon gesprochen, dass es ein Kommunalpaket braucht, ein Kommunalpaket für den größten Auftraggeber in Österreich, und das sind die 1 902 Ge­meinden und die 199 Städte. Diese Gemeinden, diese Städte brauchen Geld vom Bund, um dementsprechend liquid zu sein (Zwischenrufe der Abgeordneten Gödl und Sieber), damit sie auch dementsprechend weiter Aufträge an die regionale Wirtschaft vergeben können. (Beifall bei der SPÖ.) Da hilft eure Linie mit einem Zuschuss nichts, weil eine Gemeinde mit fehlender Liquidität den Zuschuss nicht in Anspruch nehmen wird. Die brauchen den Ausfall jener Einnahmen, die sie vor der Coronakrise gehabt haben, er­stattet. (Beifall bei der SPÖ.)

Was uns da von Deutschland unterscheidet, liebe ÖVP und liebe Grüne, ist Folgendes: In Deutschland werden die Oppositionsparteien eingeladen, mitzuarbeiten, dort sitzen sie an einem Tisch, dort werden diese Kommunalpakete dementsprechend verhandelt, und dann ist es nicht notwendig, diese Debatten in dieser Art und Form und mit dieser Emotion zu führen, wie wir sie hier führen müssen – weil die Oppositionsparteien dort mit am Tisch sitzen dürfen. (Zwischenruf des Abg. Sieber.)

Es bedarf aber vieler weiterer Maßnahmen – auch das ist von der SPÖ ganz klar gesagt worden –, wie Investitionen in den Klimaschutz. Wir müssen schauen, dass das Land schneller hochgefahren wird: bei Genehmigungsverfahren, wir müssen Direktverga­ben für Gemeinden und Städte ermöglichen (Zwischenruf des Abg. Ottenschläger), dass dementsprechend auch die Konjunktur schneller angekurbelt wird. (Neuerlicher


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 538

Zwischenruf des Abg. Ottenschläger.) Es braucht Förderanreize für Privatinvestitionen, einen einfacheren Sanierungsscheck. Es braucht einen Handwerkerbonus, es braucht Steuersenkungen.

Es braucht aber auch Maßnahmen, die den Konsum ankurbeln, und an dieser Stelle kommen wir zu jenen Menschen, die jetzt unverschuldet für eine längere Zeit in die Ar­beitslosigkeit geschlittert sind – mehr als 500 000 Menschen sind arbeitslos. Sie alle von der ÖVP und Sie alle von den Grünen haben am 19. Mai ein E-Mail von einer jungen Mutter und Ehefrau bekommen. Sie hat Ihnen geschrieben, und ich weiß nicht, ob Sie ihr geantwortet haben – ich habe geantwortet. (Abg. Michael Hammer: Das ist eine Un­terstellung!) Vielleicht haben Sie es aber gar nicht gelesen, deswegen lese ich Ihnen das jetzt vor:

„Ich habe am Anfang der Corona Krise meinen Teilzeit Job verloren und bekomme jetzt 350 Euro Arbeitslosengeld im Monat. Auch mein Mann hat inzwischen seinen Job ver­loren, wieviel Arbeitslosengeld er bekommen wird, wissen wir noch nicht, aber 55% des vorherigen Einkommens ist ein WITZ! [...] Wie um alles in der Welt soll man als Familie von 55% des voherigen Einkommens leben!?! [...] Wissen Sie, wieviele Familien nicht mal von 100 % ihres Einkommens leben können? [...] Berechnet wird mein Arbeitslosen­geld anhand meines Einkommens aus dem Jahr 2018 [...].“ Es beträgt „11,88Euro“ pro Tag.

Ich würde Sie wirklich bitten, darauf zu antworten, wie diese junge Mutter, die ein nied­riges Arbeitslosengeld kriegt, weil sie im Jahr 2018 ein Kind bekommen hat und dieses Jahr für die Berechnung herangezogen wird, über die Runden kommen soll.

Aus diesem Grund bringe ich auch einen Entschließungsantrag ein – das ist nun der sechste Anlauf zur Erhöhung des Arbeitslosengeldes, und da werden wir als SPÖ nicht müde werden –:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „sofortige Er­höhung des Arbeitslosengeldes“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, umgehend das Arbeitslosengeld derart zu er­höhen, dass allen beim Arbeitsmarktservice als arbeitslos registrierten Personen, ein ‚COVID-19-Ausgleich‘ in Form eines 30-%igen Zuschlages zum Arbeitslosengeld bzw zur Notstandshilfe (derzeit in Höhe von 100 % des Arbeitslosengeldes) rückwirkend mit 15. März 2020 gewährt wird.

Weiters sollen die Familienzuschläge im ALVG rückwirkend ab 15. März 2020 von der­zeit 29,10 Euro monatlich auf 100 Euro monatlich erhöht werden.“

*****

Wenn Ihnen diese Menschen nicht egal sind, die nun monatelang nicht die Chance haben, zurück in einen Job zu kommen, wenn Sie diese Menschen nicht zurücklassen wollen, dann stimmen Sie bitte unserem Antrag zu. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Schellhorn.)

10.59

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 539

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Muchitsch

Genossinnen und Genossen

betreffend sofortige Erhöhung des Arbeitslosengeldes

eingebracht im Zuge der Debatte der UG 20

Das Jahr 2020 wird als jenes Jahr in die Geschichte eingehen, in dem Österreich die höchsten Arbeitslosenzahlen in der zweiten Republik hatte – in 75 Jahren waren die Zahlen jener Menschen, die keine Arbeit hatten, noch nie so hoch.

Eine Situation, die nicht nur bedrohlich, sondern für jeden und jede der rund 550.000 Men­schen mit einem erschütternden Einzelschicksal verbunden ist, von dem in den aller­meisten Fällen auch weitere Personen mittel- oder unmittelbar betroffen sind. Kinder und Familien fallen gemeinsam mit den Betroffenen ins Bodenlose. Lebenschancen gehen verloren. Hart Erarbeitetes gerät in Gefahr, weil Menschen ihre Existenz nicht sichern können und auch die Aussicht Arbeit zu finden, für die nächste Zeit sehr schlecht aus­sieht.

Abseits der psychologischen Auswirkungen – Angst, Wut und Verzweiflung – sind auch ökonomische Langzeitfolgen zu befürchten: Menschen rutschen über die Arbeitslosigkeit in die Armut, ein Umstand, der uns als Gesellschaft massiv beunruhigen muss.

Armut ist Sprengstoff für das soziale Gefüge, für Zusammenhalt und Solidarität, alleine aus diesem Grund ist alles zu tun, um das Abrutschen in Armut zu verhindern. Dazu zählt beispielsweise die Erhöhung des Arbeitslosengeldes von 55 auf 70 Prozent Netto­ersatzrate, die dringend nötig ist, um einen Absturz in die Armut abzuwenden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachfolgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, umgehend das Arbeitslosengeld derart zu er­höhen, dass allen beim Arbeitsmarktservice als arbeitslos registrierten Personen, ein „COVID-19-Ausgleich“ in Form eines 30-%igen Zuschlages zum Arbeitslosengeld bzw zur Notstandshilfe (derzeit in Höhe von 100 % des Arbeitslosengeldes) rückwirkend mit 15. März 2020 gewährt wird.

Weiters sollen die Familienzuschläge im ALVG rückwirkend ab 15. März 2020 von der­zeit 29,10 Euro monatlich auf 100 Euro monatlich erhöht werden.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß ein­gebracht, ausreichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Graf. – Bitte.


11.00.01

Abgeordnete Tanja Graf (ÖVP): Herr Vorsitzender! Geschätzte Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer! Ja, die Coronakrise hat alle Österreicherin­nen und Österreicher, alle 8,8 Millionen Einwohner unseres Landes und leider auch den Arbeitsmarkt betroffen. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 540

Wir haben von Beginn an alles versucht, um das Schlimmste bezüglich der Auswirkun­gen auf den Arbeitsmarkt zu verhindern, und wir haben eines geschafft: ein in Europa einzigartiges Kurzarbeitsmodell. (Abg. Wurm: Falsch! – Zwischenruf der Abg. Belako­witsch. – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Wurm.) Herr Kollege Muchitsch, wir sind gemeinsam an einem Tisch gesessen, Sie sind gemeinsam mit uns an einem Tisch ge­sessen. Dafür darf ich auch meinen Dank aussprechen, denn wir haben es gemeinsam geschafft, dass wir da entsprechende Rahmenbedingungen und eben auch ein Modell ermöglicht haben, mit dem wir 1,3 Millionen Menschen in der Arbeit halten konnten – und dafür, dass wir diesen gemeinsamen Tisch hatten, gilt auch mein Dank. (Beifall der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Es stimmt, es ist jetzt wichtig – und das ist, glaube ich, für uns alle wichtig –, umgehend die Zahl der Arbeitslosen zu senken. Da darf ich mich auch bei der Frau Ministerin be­danken, dass sie erst gestern mit Start Mitte Juni den Neustartbonus ins Leben gerufen hat, denn mit dieser Maßnahme werden Arbeitsplätze gefördert und der Arbeitsmarkt angekurbelt. (Abg. Belakowitsch: Ach so? Abg. Loacker: In welcher Welt ...?)

Herr Kollege Muchitsch, ja, wir von der Politik können einen Beitrag leisten, wir können Rahmenbedingungen schaffen, um Arbeitsplätze zu fördern. Ich denke dabei auch an Green Jobs, wobei wir im Bereich der Energie sozusagen Rahmenbedingungen und Förderungen gestalten, um neue Arbeitsplätze zu schaffen – aber schaffen und einset­zen tun die Unternehmer die Arbeitsplätze. Wir können sie dabei nur unterstützen. (Bei­fall bei der ÖVP sowie des Abg. Zorba.)

Ich darf hier jetzt kurz auf das Budgetkapitel Arbeit eingehen. Wir haben Ausgaben von 8,4 Milliarden Euro budgetiert. Zusätzlich zu den 8,4 Milliarden Euro kommen 12 Milliar­den Euro aus dem allgemeinen Steuertopf für die Kurzarbeit. Das sind gewaltige Sum­men, Summen, die beweisen, wie wichtig uns das Thema Arbeit ist, nämlich ganz wich­tig. Mit dem Budget werden wir natürlich weiterhin ältere Arbeitnehmer fördern, in die Ausbildung von Jugendlichen und Facharbeitern investieren und auch die Weiterbildung und Schulung vorantreiben. Summa summarum ist das ein sehr gutes Gesamtpaket, ein Gesamtbudget, das vor allem ein Ziel hat: Menschen dabei zu unterstützen, wieder in den Arbeitsmarkt zu kommen. Wir werden alles in unserer Macht Stehende tun – und ich bin überzeugt, dass die Ministerin uns dabei unterstützt –, wir werden alles voran­treiben, damit alle Menschen, die vor der Krise einen Job hatten, auch nachher wieder einen haben werden. (Beifall der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Eines ist uns allen klar: Der Facharbeitermangel ist nicht verschwunden. Unsere Unter­nehmerinnen und Unternehmer brauchen auch in Zukunft gut ausgebildetes Personal, und daher brauchen wir auch Investitionen für die Zukunft. Danke vielmals. (Beifall der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

11.03


Präsidentin Doris Bures: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Abgeordneter Peter Wurm zu Wort gemeldet. – Sie kennen die Bestimmungen der Geschäftsordnung. Bitte.


11.03.33

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Frau Abgeordnete Graf von der ÖVP hat behauptet, dass nur in Österreich ein Kurzarbeitszeitmodell in dieser Form besteht.

Ich berichtige: Das ist falsch, das habe ich dem Bundeskanzler bereits vorgestern ge­sagt. Noch einmal: In ganz Europa gibt es ähnliche Modelle zur Kurzarbeit und es gibt in einigen oder in vielen Ländern Europas wesentlich bessere Modelle. Danke. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Loacker.)

11.04



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 541

Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Dagmar Bela­kowitsch. – Bitte.


11.04.07

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Ja, danke, Herr Kollege Wurm, dass Sie das richtiggestellt haben.

Meine Damen und Herren vor den Bildschirmgeräten! Meine Vorrednerin, eine tüchtige Unternehmerin, eine Großunternehmerin: Wunderbar, für sie ist die Welt auch weiterhin rosarot. – Wenn Sie betroffen sind, wenn Sie zu diesen über 1,8 Millionen Österreiche­rinnen und Österreichern gehören, die jetzt beschäftigungslos sind (Abg. Tanja Graf: Es sind 1,3 Millionen Menschen in Kurzarbeit ...!), dann wissen Sie, dass das nicht ganz so ist. Diese Welt, wie sie sich Frau Graf gerne gezeichnet hat oder wie die ÖVP sie sich überhaupt gerne aufzeichnet, funktioniert so nämlich leider nicht.

Wir wissen – und das zeigt die offizielle Homepage der Frau Arbeitsministerin –, die Kur­ve der Beschäftigungslosen geht weiterhin nach oben. Sie steigt unendlich an, und wenn wir keine ordentlichen Gegenmaßnahmen bieten, wird sie auch weiter ansteigen. Da können Sie sich noch so oft hierherstellen und erklären, wie großartig denn nicht die Maßnahmen waren: 12 Milliarden Euro für die Kurzarbeit, am Papier. – Da gebe ich Ih­nen vollkommen recht. Wie viel aber kommt denn bei den Bürgern an? Wie viel kommt denn bei den Unternehmern an? Na, ein bisschen was über 400 Millionen Euro. Das sind doch, bitte schön, nicht einmal 10 Prozent des Gesamten, was da angekommen ist, meine Damen und Herren! (Zwischenrufe der Abgeordneten Tanja Graf, Ottenschläger und Scharzenberger.)

Das ist das Problem: Das Geld, das die Arbeitnehmer bekommen, ist bisher noch von den Unternehmen bezahlt worden. Da hat die Bundesregierung noch überhaupt nichts gemacht. (Ruf bei der ÖVP: Das stimmt ja nicht!) Da wird nichts überwiesen, genauso wie beim Härtefallfonds. (Neuerliche Zwischenrufe der Abgeordneten Tanja Graf und Ottenschläger.– Sie können gerne herauskommen, Sie müssen nicht immer rein­schreien. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Loacker. – Heiterkeit bei der ÖVP.) – Na, selbstverständlich stimmt das, meine Damen und Herren! (Zwischenrufe bei der ÖVP. Abg. Wurm – in Richtung ÖVP –: Ihr könnt nur reinschreien!) Ich weiß nicht, in welcher Welt Sie leben.

464 Millionen Euro an Förderungen sind bisher von den 38 Milliarden Euro angekom­men, davon 191 Millionen Euro für die Kurzarbeit – 191 Millionen Euro von 12 Milliarden! Wovon reden Sie also? In welcher Welt leben Sie denn wirklich? Offensichtlich reden Sie nur mit den Wirtschaftsbundmitgliedern, möglicherweise werden die bevorzugt, aber alle anderen bekommen einfach nichts, und das hören Sie doch tagtäglich, wenn Sie mit den Unternehmern sprechen. Sie können das ja nicht immer leugnen. Die Zahlen spre­chen da eine ganz, ganz eindeutige Sprache, meine Damen und Herren von der ÖVP. Hören Sie also auf, versuchen Sie gar nicht mehr, den Menschen Sand in die Augen zu streuen, er kommt ohnehin nicht mehr an, weil Ihre Taten schlicht und einfach nicht den Worten folgen! Das ist das wirkliche Problem, das wir derzeit in Österreich haben. (Beifall bei der FPÖ.)

So, und jetzt kommen wir zu diesem Budget. Dieses Budget ist ausgehend von den Arbeitslosenzahlen des Februars berechnet worden. Dieses Budget hat Schwerpunkte gesetzt, die waren im Feber vielleicht richtig, vielleicht nachvollziehbar. Wir leben jetzt in einer anderen Situation. Was sagen Sie denn jetzt diesen Menschen, die nichts mehr haben? Was sagen Sie den Familien, in denen beide Elternteile arbeitslos geworden sind, die jetzt mit 55 Prozent Ersatzquote leben müssen, die möglicherweise Kreditra­ten bezahlen müssen, die Fixkosten haben? Ich sage Ihnen, meine Damen und Her­ren, was gestern im Sozialausschuss die Antwort der ÖVP war: Dann sollen sie halt


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Mindestsicherung beantragen. Das war die Antwort der ÖVP. Das ist menschenver­achtend und das ist abzulehnen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Selbstverständlich, meine Damen und Herren, werden wir auch den Antrag der SPÖ unterstützen, weil es notwendig ist, und zwar jetzt notwendig ist, den Konsum wieder anzukurbeln, sonst werden wir es in Österreich nicht mehr schaffen, dass wir die Wirt­schaft wieder hochfahren. Was wir jetzt erleben, das ist ein Konsumschock, und auch der ist im Übrigen von Ihnen und von Ihrer Bundesregierung hier provoziert, weil Sie es nicht geschafft haben, den Menschen endlich wieder Optimismus und Mut zu geben, sondern weil Sie in Ihrer Angstmache weiterhin verharren, weil Sie weiter die Angstpa­rolen schreien und von der zweiten Welle sprechen. Das ist der Grund, warum die Leute sich jetzt mit dem Konsum zurückhalten, und so werden wir die Wirtschaft einfach nicht mehr zum Laufen bekommen. Das zum einen.

Zum anderen: Es gibt viele Unternehmen, die jetzt, selbst wenn sie Aufträge hätten, gar nicht mehr arbeiten können, weil sie gar keine Arbeitskräfte bekommen. Das ist Ihr nächstes Versagen. Sie haben diese Welt zu einer globalisierten gemacht, und jetzt re­den Sie sich darauf raus: Ja, na, das ist die EU, da können wir nicht, da wollen wir nicht.

Wissen Sie, wann bei Ihnen das Geld locker sitzt? Dann, wenn es darum geht, für die Pleitestaaten der EU zu haften. Dann sitzt bei der ÖVP das Geld locker. Wenn es aber darum geht, die eigenen Unternehmen, die eigenen Arbeitsplätze zu sichern, dann knau­sern Sie, dann sagen Sie, die Arbeitnehmer sollen in die Mindestsicherung gehen. Das ist die asoziale, menschenverachtende ÖVP-Politik, meine Damen und Herren! (Zwi­schenruf des Abg. Michael Hammer.)

Daher ist es auch dringend notwendig, da jetzt endlich umzudenken und auch den Ar­beitsplatz, den Arbeitsmarkt wiederum zu renationalisieren, damit wir jene Personen, die in Österreich auf dem Arbeitsmarkt Arbeitsplätze suchen, auch wieder unterbringen. Das ist ja auch ein Thema, das Sie völlig verschlafen haben. Da kommt überhaupt nichts.

Sie sitzen immer nur selbstgefällig da, sind sich selbst genug. Bitte gehen Sie endlich einmal hinaus auf die Straße, auch Sie, Frau Minister, und sprechen Sie mit den Betrof­fenen! Hören Sie auf, am grünen Tisch irgendwelche Zahlenspiele zu spielen! Nehmen Sie die Zahlen dahin gehend, was Sie ausbezahlt haben, her und dann sehen Sie, es ist de facto nichts, es ist ein Tropfen auf den heißen Stein!

So gesehen hätten Sie natürlich das Februarbudget lassen können, und so gesehen verstehe ich ja sogar den Finanzminister, dass er gar nichts mehr ändern will, weil er eh nicht vorhat, irgendjemandem zu helfen und etwas auszubezahlen.

In diesem Sinne stelle ich jetzt folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Maß­nahmenpaket gegen die sektorale Arbeitslosigkeit in Österreich“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzu­leiten, die Regelungen für ein Maßnahmenpaket gegen die sektorale Arbeitslosigkeit in Österreich als Konsequenz der COVID-19-Krise beinhaltet. Dieses Maßnahmenpaket soll sektorale Zuzugsbeschränkungen auf dem Arbeitsmarkt für Nicht-EU-Bürger und EU-Bürger nach Maßgabe von Alter, Ausbildungsniveau, besonderen Bedürfnissen und gesundheitlichen Einschränkungen, bisheriger Berufstätigkeit, angestrebter Berufstätig­keit und branchenspezifischer kurz-, mitteI- und langfristiger Konjunktur- und Arbeits­marktprognose beinhalten. Insbesondere sollen im Zuge dieser Maßnahmen auch die


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negativen Auswirkungen der COVID-19-Krise für den Arbeitsmarkt nachhaltig korrigiert werden.“

*****

Das wäre dringend notwendig, denn dass unser Arbeitsmarkt derzeit so aussieht, wie er aussieht, das ist nicht irgendeinem Virus geschuldet, sondern das ist Ihrem Nichthandeln geschuldet, das ist der Tatsache geschuldet, dass Sie über Nacht den Unternehmern verboten haben, ihre Geschäfte zu betreten – dem ist es geschuldet! –, ohne dafür gera­dezustehen, ohne dass die Unternehmer dafür einen Ausgleich erhalten haben. Darum schaut die Wirtschaft so aus, und darum sind die Arbeitsmarktdaten so schlecht, wie sie sind! (Beifall bei der FPÖ.)

11.10

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Peter Wurm

und weiterer Abgeordneter

betreffend Maßnahmenpaket gegen die sektorale Arbeitslosigkeit in Österreich

eingebracht im Zuge der Debatte zu Top 7: Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (55 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvor­anschlages für das Jahr 2020 (Bundesfinanzgesetz 2020-BFG 2020) samt Beila­gen (183 d.B.) –UG 20 in der 32.Sitzung des Nationalrates am 28. Mai 2020

Ende April 2020 waren bei den regionalen Geschäftsstellen des AMS 522.253 Perso­nenarbeitslos vorgemerkt (76,3 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat), 49.224 Per­sonen befanden sich in einer Schulung (24,2 Prozent).

Zählt man Arbeitslose und Schulungsteilnehmer zusammen, ergibt sich für Ende Ap­ril 2020 eine Veränderung der insgesamt vorgemerkten Personen um + 58,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die geschätzte nationale Arbeitslosenquote beträgt aktuell 12,8 Prozent.

Männer&Frauen:

Frauenarbeitslosigkeit: + 106.474 Personen oder + 76,3 Prozent

Männerarbeitslosigkeit: + 119.504 Personen oder + 76,2 Prozent

Inländer&Ausländer:

Inländerarbeitslosigkeit: + 135.967 Personen oder + 68,1 Prozent

Ausländerarbeitslosigkeit: + 90.011 Personen oder + 93, 2 Prozent

Altersgruppen:

Jugendliche (unter 25 Jahre): + 31.952 oder + 109,2 Prozent

Haupterwerbsalter (25 bis 49 Jahre): + 140.526 Personen oder + 82,8 Prozent

Ältere (50 Jahre und älter): + 53.500 oder + 54,9 Prozent

Ausbildungsstand:

Personen mit max. Pflichtschulausbildung: + 97.246 oder + 74,0 Prozent

Personen mit Lehrausbildung: + 74.402 oder + 83,0 Prozent


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Personen mit mittlerer Ausbildung: + 11.422 oder +70,5 Prozent

Personen mit höherer Ausbildung: + 25.111 oder + 73,4 Prozent

Personen mit akademischer Ausbildung: + 11.470 oder + 48,2 Prozent

Besondere Bedürfnisse & gesundheitliche Einschränkungen

Personen mit Behinderung: + 3.113 oder + 24,6 Prozent

Personen mit sonstigen gesundheitlichen Einschränkungen: + 21.903 oder + 35,3 Pro­zent

Personen ohne gesundheitliche Einschränkungen: +200.962 oder + 90,7 Prozent

Wirtschaftssektoren & Branchen:

Herstellung von Waren: + 14.963 oder + 66,6 Prozent

Bau: + 19.182 oder + 111,9 Prozent

Handel: + 27.152 oder + 63,4 Prozent

Verkehr und Lagerei: + 14.788 oder + 95,4 Prozent

Beherbergung und Gastronomie: + 68.523 oder + 148,5 Prozent

Gesundheits- und Sozialwesen: + 4.477 oder + 56,0 Prozent

Arbeitskräfteüberlassung: + 18.085 oder + 59,7 Prozent

Neben dieser hohen Arbeitslosigkeit sind aktuell rund 1,3 Millionen Arbeitnehmer zusätz­lich in Kurzarbeit.

Die Bundesregierung, insbesondere das Arbeitsministerium und das Arbeitsmarkt­service, müssen hier dringend gegensteuern.

Diese Gegensteuerungsstrategie muss unter der Überschrift „Österreicher zuerst“ statt­finden, damit sichergestellt werden kann, dass in einem Verdrängungswettbewerb in Folge der Maßnahmen der Bundesregierung in Zusammenhang mit der COVID-19-Krise nicht die österreichischen Arbeitnehmer unter die Räder kommen und von einer struk­turellen Langzeitarbeitslosigkeit betroffen sind.

Man muss also mit einem entsprechenden Maßnahmenpaket, das auf die nachhaltige Beseitigung der sektoralen Arbeitslosigkeit abzielt, den negativen Folgen der COVID-19-Maßnahmen der Bundesregierung begegnen.

Im Zentrum dieses Maßnahmenpakets sollen insbesondere auch sektorale Zuzugsbe­schränkungen auf den Arbeitsmarkt für Nicht-EU-Bürger und EU-Bürger nach Maßgabe von Alter, Ausbildungsniveau, besonderen Bedürfnissen und gesundheitlichen Ein­schränkungen, bisheriger Berufstätigkeit, angestrebter Berufstätigkeit und branchenspe­zifischer kurz-, mittel- und langfristiger Konjunktur- und Arbeitsmarktprognose stehen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzu­leiten, die Regelungen für ein Maßnahmenpaket gegen die sektorale Arbeitslosigkeit in Österreich als Konsequenz der COVID-19-Krise beinhaltet. Dieses Maßnahmenpaket soll sektorale Zuzugsbeschränkungen auf dem Arbeitsmarkt für Nicht-EU-Bürger und EU-Bürger nach Maßgabe von Alter, Ausbildungsniveau, besonderen Bedürfnissen und


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gesundheitlichen Einschränkungen, bisheriger Berufstätigkeit, angestrebter Berufstätig­keit und branchenspezifischer kurz-, mittel- und langfristiger Konjunktur- und Arbeits­marktprognose beinhalten. Insbesondere sollen im Zuge dieser Maßnahmen auch die negativen Auswirkungen der COVID-19-Krise für den Arbeitsmarkt nachhaltig korrigiert werden."

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher auch mit in Verhandlung.

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Tanja Graf zu Wort gemeldet. – Bitte.


11.11.07

Abgeordnete Tanja Graf (ÖVP): Ich darf tatsächlich berichtigen: Kollegin Belakowitsch hat mitgeteilt, dass 1,8 Millionen Menschen beschäftigungslos sind.

Die Definition von beschäftigungslos ist: ohne Anstellung. Was sie sagte, ist daher nicht korrekt (Abg. Belakowitsch: Sie sind zu Hause!), denn es sind 1,3 Millionen Menschen in Kurzarbeit – mit einem Anstellungsverhältnis – und es sind über 500 000 Menschen ohne Beschäftigung (Abg. Belakowitsch: Ja, passt schon!) und somit arbeitslos. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Abg. Belakowitsch: Danke, Frau ...!)

11.11


Präsidentin Doris Bures: Nun ist Herr Abgeordneter Markus Koza zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.


11.11.44

Abgeordneter Mag. Markus Koza (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte MinisterInnen! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte ZuseherInnen! Noch einmal kurz: Der Sinn von Kurzarbeit ist genau der, dass Menschen in Beschäfti­gung bleiben und nicht in Arbeitslosigkeit geraten. (Zwischenruf der Abg. Belako­witsch.) Darum wurde sie eingeführt, darum wurde sie umgesetzt, und sie ist ein wun­derbares, tolles Instrument, das in ganz Europa eingesetzt wird. – Punkt eins. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Punkt zwei: Wir haben ein Budget vor uns liegen, und 10 Prozent der Bundesausgaben entfallen insgesamt auf den Bereich Arbeit – im alten Budget. Wir wissen, dass aufgrund der Herausforderungen der Coronakrise dieses Budget im Arbeitsmarktbereich so sicher überholt ist. Die Zahlen sind bekannt, sie wurden bereits mehrfach erwähnt: Es sind 523 000 Menschen in Arbeitslosigkeit, 1,3 Millionen in Kurzarbeit, und auch wenn die Arbeitslosenzahlen aktuell rückläufig sind, droht die Arbeitslosigkeit auch noch in den nächsten Monaten auf einem Rekordniveau zu verleiben (Abg. Schellhorn: Sie wird steigen!), und es kann durchaus auch sein, falls es tatsächlich zu Insolvenzwellen kom­men sollte – die nicht auszuschließen sind –, dass die Arbeitslosigkeit im Herbst auch noch steigt. (Abg. Schellhorn: Was tun Sie dagegen?)

Das hat natürlich massive Auswirkungen auf das Budget, weil einerseits natürlich die Ausgaben für Arbeitslosigkeit steigen, andererseits auch Einnahmen aus Sozialversi­cherungsbeiträgen und – besonders budgetwirksam – aus Lohnsteuern sinken. (Abg. Schellhorn: ... nicht berechnet!)

Aktuell haben wir 12 Milliarden Euro für Kurzarbeit veranschlagt, und auch wenn diese veranschlagten Mittel wahrscheinlich nur zu einem gewissen Prozentsatz schlagend werden – wir haben die Erfahrungswerte aus der Krise 2008, da waren es circa 25 Pro­zent, 30 Prozent; jetzt werden es mehr werden –, werden Milliarden an Kosten für Kurz­arbeit entstehen. Das ist sehr gut und sehr sinnvoll angelegtes Geld, weil es eben nicht


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nur Beschäftigung und Einkommen sichert, sondern in Wirklichkeit ein wesentlicher Bei­trag dazu ist, dass – bei Einkommensersatzleistungen von 80 bis 90 Prozent – das Auf­kommen an Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen einigermaßen stabil bleibt und die Nachfrage entsprechend stabilisiert bleibt.

Der Budgetdienst des Parlaments – ein herzliches Dankeschön noch einmal für die her­vorragenden Budgetanalysen! – hat weiters berechnet, dass die Ausgaben für Arbeits­losigkeit coronabedingt vermutlich – schätzomativ – um rund 800 Millionen Euro steigen werden und umgekehrt aufgrund der steigenden Arbeitslosigkeit die Einnahmen aus den Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung um circa 300 Millionen Euro sinken werden. (Ruf: Wo ist das im Budget ...?)

Wir haben zusätzlich 110 Millionen Euro für die Erhöhung der Notstandshilfe, die ab Juni ausgezahlt werden soll, veranschlagt – auch diese 110 Millionen Euro sind Mittel, die unmittelbar nachfragewirksam werden, weil sie wirklich die untersten Einkommensgrup­pen deutlich stärken. Das ist eine ganz wichtige Maßnahme – ein Danke allen, die hier zugestimmt haben!

Ja, es ist längst nicht alles ausreichend, was gemacht wird. Erfreulicherweise setzt diese Regierung weiter Maßnahmen, gemeinsam auch mit den Sozialpartnern. Die Kurzarbeit ist für drei Monate verlängert worden, es gibt den Neustartbonus, der ein durchaus in­teressantes und innovatives Instrument der Arbeitsmarktpolitik wird, aber wir brauchen natürlich deutlich mehr, wenn es um Fragen wie Umorientierung, Weiterbildung, Um­schulungen geht, wenn es auch darum geht, insbesondere jene Menschen, die zu den benachteiligten Gruppen, zu den besonders benachteiligten Gruppen am Arbeitsmarkt gehören – das sind Langzeitarbeitslose, WiedereinsteigerInnen, ältere Arbeitslose, Men­schen mit Beeinträchtigungen –, wieder in den Arbeitsmarkt, in Arbeit, in Beschäftigung zu bringen, sodass sie ein Einkommen haben. Da würde ich doch sagen: Wahrschein­lich – oder mit ziemlicher Sicherheit – werden die 790 Millionen Euro, die wir dafür im Budget stehen haben, auch nicht reichen.

Zuletzt noch etwas, was meiner Meinung nach in der Diskussion rund um Arbeitslosen­versicherung und Arbeitslosengeld viel zu wenig betrachtet wird: Die Arbeitslosenver­sicherung hat nicht nur eine wesentliche sozialpolitische Funktion, sie hat auch eine ganz wichtige wirtschaftspolitische Funktion als automatischer Stabilisator. Das Arbeitslosen­geld ist eine Einkommensersatzleistung, die gerade in der Krise sicherstellt, dass bei Anstieg der Arbeitslosigkeit und wenn Lohneinkommen wegbrechen, zumindest die Nachfrage teilweise erhalten bleibt – eben durch das Arbeitslosengeld – und dadurch ein weiterer konjunktureller Abschwung, ein weiterer Anstieg von Arbeitslosigkeit abge­federt oder zumindest gemildert wird.

Nur: Ein automatischer Stabilisator wie das Arbeitslosengeld kann auch nur so gut wir­ken, wie gut er dotiert ist, und er hängt davon ab, wie viele Menschen in Arbeitslosigkeit sind. Wenn die Arbeitslosigkeit anhaltend hoch bleibt und das Arbeitslosengeld ver­hältnismäßig gering ist, dann werden wir uns allein aus konjunkturpolitischen und nach­fragepolitischen Gründen die Frage stellen müssen, ob wir nicht das Arbeitslosengeld erhöhen. Und ich sage auch ganz ehrlich: Wir Grüne werden uns diese Frage auch of­fensiv stellen (Zwischenrufe bei der SPÖ) und diesen Weg auch offensiv verfolgen (Bei­fall bei den Grünen), denn – wie bereits erwähnt – wenn wir aus der Krise kommen wol­len, brauchen wir starke konjunkturpolitische Maßnahmen. Die Erhöhung des Arbeitslo­sengeldes ist eine, die dazu beiträgt, dass wir sozial gerecht aus dieser Krise kommen. – Danke. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

11.17


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Gerald Loacker. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 547

11.17.46

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Frau Präsidentin! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Die Grünen stellen sich selbst offensiv Fragen – ich glaube, das wäre für jeden Psychologen ein spannendes Feld, um sich näher damit auseinanderzu­setzen. (Abg. Koza: ... ist nicht alles, Kollege Loacker!) – Ja.

Kollege Koza hat auch schon erwähnt, dass das Budget zum Kübeln ist, weil die Zahlen darin eigentlich nichts aussagen. So sind nämlich auch die Einnahmenausfälle, mit denen wir aufgrund des wirtschaftlichen Knicks rechnen müssen, nicht budgetiert. Im Arbeitsmarktbudget stimmt gar nichts – aber das ist natürlich nicht die alleinige Verant­wortung der Frau Bundesministerin, sondern für diesen Missstand muss Gernot Blümel schon auch seinen Kopf hinhalten.

Um etwas Positives zu sagen: Die Frau Ministerin hat erkannt, dass man da nicht an­schauen, zuschauen, weiterschauen oder – kurz gesagt – anschobern kann (Heiterkeit bei Abgeordneten der NEOS), sondern dass man etwas tun muss. Sie hat deswegen in puncto Kurzarbeit einiges getan: Zuerst haben wir 400 Millionen Euro angekündigt be­kommen, dann 1 Milliarde und dann 10 Milliarden und jetzt 12 Milliarden Euro. Die Fra­ge, auf welcher Basis diese Zahlen errechnet worden sind, ist aber bis heute unbeant­wortet. Wir haben im Budgetausschuss – die Sozialdemokraten, die Freiheitlichen und wir – versucht, aus der Frau Ministerin herauszukitzeln, welche Parameter sie nimmt, wenn sie da errechnet, ob wir jetzt 10 oder 12 Milliarden Euro brauchen. – Es gibt keine. Es wird gewürfelt und mit der Haarlänge von Blümel multipliziert oder so, und dann kommt etwas heraus.

Was nicht funktioniert hat – das wurde heute schon angerissen –, ist, dass dieses Geld bei den Firmen, die die Kurzarbeit vorfinanzieren müssen, auch ankommt. Es ist schön, 12 Milliarden Euro anzukündigen, aber es sind erst 0,5 Milliarden Euro ausgeschüttet worden, der Rest wird von den Firmen bevorschusst. Und dann kommt der Vorwurf: Ja dann haben die halt noch nicht abgerechnet und die Abrechnung nicht eingereicht! – Ja.

Welches Genie ist auf die Idee gekommen, die Kurzarbeit vom Nettobezug weg zu rechnen? Immer wenn ein Politiker etwas von netto faselt, dann stirbt irgendwo ein Per­sonalverrechner. (Heiterkeit bei den NEOS und bei Abgeordneten der FPÖ.) Das kann natürlich nicht gehen! (Beifall bei den NEOS.)

Da merkt man, welches Ausmaß an Inkompetenz da entscheidet. (Abg. Michael Ham­mer: Das ist ja unfassbar!) Wenn zum Beispiel Kollege Sieber und ich denselben Job haben, er das Pendlerpauschale beim Arbeitgeber abgegeben hat und ich es selbst beim Finanzamt abrechne, dann haben wir ein unterschiedliches Netto, obwohl die Voraus­setzungen gleich sind. Das haben Sie von der Regierung, mit den Sozialpartnern abge­kartet, den Betrieben hingeworfen. Das kann kein Mensch, kein Steuerberater, niemand administrieren, deswegen kommt es auch immer wieder zu Verfehlungen und werden bei den Kontrollen Überschreitungen entdeckt. Sogar die Volkshilfe hält sich nicht an die Regeln, die vorgegeben sind.

Und jetzt gibt es eine neue Idee, den Neustartbonus. – Ganz super! Jetzt werden Betrie­be und Arbeitnehmer dafür belohnt, dass jemand in Teilzeit arbeitet. Man arbeitet 50 Pro­zent, dafür bekommt man 80 Prozent bezahlt. Diese Personen haben nichts davon, wenn sie 60 oder 70 Prozent arbeiten, da wird ein Anreiz gesetzt, in Teilzeit zu arbeiten, und zwar mit 50 Prozent und nicht mehr. Sie verschärfen die Teilzeitfalle, weil die Teil­zeitarbeitsverhältnisse schon von der Arbeitslosenversicherung befreit sind, weil die Krankenversicherungsbeiträge schon erstattet werden.

Sie wissen, dass wir im Pensionssystem ein Problem haben, wenn Menschen lange in Teilzeit waren, und jetzt fördern Sie das auch noch. Und dann erfindet man sicher bald wieder einen neuen Bonus, weil man draufkommt, dass dieser Bonus einen Fehlanreiz setzt. Dann gibt es einen Neustartvollzeitbonus und noch einen Bonus und noch einen


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 548

Topf und noch einen Fonds. (Zwischenruf des Abg. Schellhorn.) Die Leute kennen sich nicht mehr aus. Die Regierung kennt sich ja auch nicht aus, wieso sollen sich die Bürger auskennen? (Beifall bei NEOS und SPÖ sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

Was wir auf dem Arbeitsmarkt bräuchten, wäre Qualifikation; die Mittel dafür sind gekürzt worden. Was wir noch bräuchten, wäre eine niedrige Steuer- und Abgabenbelastung, aber das ist Ihnen auch wurscht. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

11.21


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Norbert Sieber. – Bitte.


11.21.55

Abgeordneter Norbert Sieber (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Minister! Herr Minister! Auch ich als Familiensprecher meiner Fraktion freue mich natürlich sehr, dass wir die Familienpolitik zu dieser – wie wurde es genannt? – Primetime diskutieren. Wunderbar! Aber ganz ehrlich gesagt: Wenn, wie bei diesem Budget, die Inhalte und Zahlen einfach stimmen, dann beschließe und diskutiere ich das auch gerne um Mitter­nacht, also mir ist nur wichtig, dass die Inhalte passen.

Meine Damen und Herren! Für das Jahr 2020 weist das Budget im Familienbereich 7,4 Milliarden Euro aus, und das ist im internationalen Vergleich wirklich ein hervor­ragender Wert. Es sind, um es genauer auszudrücken, 270 Millionen Euro mehr als im Jahr 2019. Dazu kommen dann noch 80 Millionen Euro an Covid-Maßnahmen, die die Familien direkt unterstützen. – Frau Ministerin, ich möchte Ihnen nicht danken, sondern gratulieren, dass Sie das Budget und diese Maßnahmen gut erarbeitet und verhandelt haben. Alles Gute und vielen Dank, Frau Minister! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der Grünen.)

Das wichtigste und erfolgreichste Instrument der Familienpolitik in Österreich ist ohne Zweifel der Familienlastenausgleichsfonds, kurz Flaf genannt. Die Geschichte des Flaf begann im Jahr 1968 als Ernährungshilfe, die zur Familienbeihilfe wurde; mit dem Fami­lienlastenausgleichsgesetz wurde schlussendlich der Familienlastenausgleichsfonds geschaffen. Für den Flaf sind mittlerweile knapp 7 Milliarden Euro pro Jahr budgetiert. Diese 7 Milliarden Euro stammen zu 80 Prozent aus Dienstgeberbeiträgen, weitere 1,3 Millionen Euro fließen aus einer Steuerfinanzierung in den Flaf. Der größte Teil von 4,7 Milliarden Euro wird für die Familienbeihilfe und das Kinderbetreuungsgeld verwen­det. Pensionsversicherungsbeiträge für Kindererziehungszeiten, die Schülerfreifahrt, die Schulbuchaktion, das Wochengeld sowie Betriebshilfe und auch der Mutter-Kind-Pass werden aus dem Flaf finanziert. Von den beachtlichen 135 Millionen Euro an Unterhalts­vorschüssen – das ist ein Thema, das wir auch schon öfter diskutiert haben ‑, die bereits jetzt aus dem Flaf finanziert werden, konnten 89 Millionen Euro von den Unterhalts­pflichtigen zurückgeholt werden.

Meine Damen und Herren! Bedingt durch die Covid-Krise muss auch im Flaf mit einem erheblichen Abgang gerechnet werden. Wenn wir auch in Zukunft die uns allen wichtigen direkten Familienleistungen, die aus dem Flaf finanziert werden, in vollem Umfang erhal­ten wollen – und dazu stehen wir –, dann werden wir in den nächsten Jahren ein noch größeres Augenmerk auf die finanzielle Performance des Flaf legen müssen. Viele der Leistungen, die der Flaf erbringt, sind wichtig, richtig und gehören zum Selbstverständnis der österreichischen Familienpolitik. Niemand wird allen Ernstes Familienleistungen, die aus dem Flaf erbracht werden, hinterfragen. Es ist aber auch unsere Pflicht und Aufgabe, darauf zu achten, dass die finanzielle Gebarung des Flaf mittel- und langfristig nicht aus dem Ruder läuft. Diese Regierung, diese Koalition, meine Damen und Herren, ist Garant dafür, dass auch in Zukunft auf Basis einer soliden Finanz- und Familienpolitik die uns allen wichtigen Familienleistungen gesichert sind. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der Grünen.)

11.25



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 549

Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek gelangt als Nächste zu Wort. – Bitte.


11.25.24

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Herr Minister! Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! War es bis jetzt so, dass die Anzahl der Stunden bezahlter und unbezahlter Arbeit von Frauen fast gleich war, so – das wissen wir von der Uni Wien, die das während der Coronakrise regelmäßig beobachtet hat – ist der Anteil der unbezahlten Arbeit von Frauen enorm gestiegen. Das heißt, das Ungleichgewicht zwischen 9 Milliarden Euro bezahlter und 9,5 Milliarden Euro unbezahlter Arbeit ist noch größer geworden.

Frauen arbeiten oder arbeiten nicht: Wenn sie arbeiten, sind sie vielleicht Leiharbeiterin­nen, sind sie vielleicht selbstständig oder vielleicht Einpersonenunternehmen, sie sind manches Mal beziehungsweise sehr oft prekär beschäftigt, sie sind vielleicht geringfügig beschäftigt oder arbeitssuchend, da sie gar keine Arbeit haben. – Genau um diese Per­sonengruppe geht es. Frau Ministerin, ich glaube, dass es wichtig wäre, ganz genau zu wissen, was dieser Neustartbonus ist. Ich höre, dass er mit den Gewerkschaften und mit dem AMS nicht abgesprochen worden ist. Es wird eine Idee in die Luft geworfen, und niemand weiß, wie sie sich auswirkt.

Will man jetzt, wie Kollege Loacker gesagt hat, diese Teilzeitverfestigung festschreiben? Angeblich ist das nur für 28 Wochen gesichert; also noch ein Fördertopf, und noch einer, und noch einer. Niemand weiß etwas Genaues. Wird kontrolliert, ob wirklich Teilzeit gearbeitet wird oder ob die Arbeitnehmerin ohnehin mehr Stunden leisten muss und für den Teilzeitbonus, von dem sie dann nichts hat, herangezogen wird? Das würde mich sehr interessieren.

Noch dazu haben wir ja vor Längerem schon ein Modell für junge Eltern vorgelegt, halbe-halbe Neu – Sie erinnern sich vielleicht –: Beide reduzieren ihre Vollarbeitszeit bezie­hungsweise ihre Arbeitszeit, falls vorher Teilzeit gearbeitet wurde, und das wird vom Staat subventioniert. Indem sie ihre Arbeitszeit reduzieren, können auch Väter nach der Geburt eines Kindes diese Zeit gefördert besser genießen.

Wir haben auch gesagt, dass man, wenn es im Sommer mit Summerschool und anderen Betreuungsmöglichkeiten nicht so funktioniert – ich traue es Herrn Minister Faßmann mittlerweile nicht mehr zu, dass er bei dem bleibt, was er einmal gesagt hat; jetzt werden die Maturaregeln anscheinend wieder geändert, nur um ein Beispiel zu nennen –, die Regelungen betreffend Sonderbetreuungszeit – also nicht nur diese drei Wochen, die alle schon verbraucht haben – bei vollem Entgeltanspruch zumindest so lange aufrecht­erhalten sollte, bis die Coronakrise vorbei ist. Ich frage mich wirklich, was viele Eltern und vor allem AlleinerzieherInnen tun, wenn sie in den neun Wochen Sommerferien kei­ne Betreuung vorfinden.

Eine Rechnung interessiert mich noch besonders, Frau Ministerin: Sie haben gesagt, wenn ein Haushalt ein Nettoeinkommen von 3 000 Euro hat, dann kriegt man aus dem Härtefallfonds 870 Euro pro Kind. Die Frau Frauenministerin – ich habe heute in der Früh keine Zeit gehabt, das zu fragen – hat gesagt, sie sei dafür, dass Alleinerzieherinnen und Alleinerzieher 1 200 Euro aus dem Härtefallfonds kriegen. Wissen Sie, was man da verdienen muss? – Einen Sechser netto! Ich kenne keine einzige Alleinerzieherin, die so viel verdient. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

11.28


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Süley­man Zorba. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 550

11.28.52

Abgeordneter Süleyman Zorba (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geschätzte Frau Mi­nisterin! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuse­her! Die Situation am Arbeitsmarkt ist angespannt, und das besonders für junge Men­schen, die gerade am Anfang ihrer Karriere stehen. Im März 2020 war die Arbeitslosig­keit bei unter 25-Jährigen doppelt so hoch wie im Vorjahr.

Unternehmerinnen und Unternehmer warnen, die Gewerkschaftsjugend warnt, uns steht eine Rekordarbeitslosigkeit bei jungen Menschen bevor, einer Generation, der die Zu­kunft aufgrund der herrschenden Coronakrise erschwert wird. Viele junge Menschen befinden sich derzeit in einer schwierigen Lage zwischen Ausbildungspflicht und Pers­pektivlosigkeit. Vielen droht, entweder die bestehende Lehrstelle zu verlieren oder erst gar keine zu finden, deshalb ist es wichtig, Maßnahmen zu setzen, um am Ende des Tages keine Lost Generation zu haben.

Jugendarbeitslosigkeit ist nicht nur ein arbeitsmarktpolitisches Problem, sondern bedeu­tet auch soziale und gesundheitliche Probleme. Es ergeben sich enorme Nachteile für die weitere Lebensplanung. Ich kann mich noch sehr gut erinnern: Vor wenigen Jahren, als ich in der Situation war und einen Ausbildungsplatz gesucht habe, hat es 140 Be­werbungen und viele schlaflose Nächte gedauert, bis eine Zusage da war. Damals war die wirtschaftliche Situation bei Weitem nicht so angespannt wie heute aufgrund von Corona.

Was muss getan werden, um das abzuwenden? Was muss getan werden, um jungen Menschen eine Perspektive aus dieser Krise zu geben? Was brauchen wir, um die Fach­kräfte von morgen auszubilden? – Ein erster guter Schritt war die Ausweitung der Kurz­arbeit, dadurch konnten viele Ausbildungsplätze gesichert werden. Erfreulich ist auch, dass bei Lehrlingen in Kurzarbeit ab 1. Juni das Entgelt beim Wechsel des Lehrjahres sowie bei Absolvierung der Lehrabschlussprüfung entsprechend erhöht wird. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir werden Unternehmerinnen und Unternehmer unterstützen müssen, damit weitere Ausbildungsplätze geschaffen werden.

Im Regierungsprogramm haben wir viele Punkte festgehalten, die auch in dieser Krisen­situation zur Abfederung helfen können: gut ausfinanzierte überbetriebliche Lehrstätten, um jene aufzufangen, die ihren Ausbildungsplatz verlieren, neue Lehrberufe im Digital-, Klima- und Umweltbereich, um neue Perspektiven zu schaffen, und auch die gestern angesprochene Lehre mit Matura.

Dieses Thema betrifft nicht nur diese UG und nicht nur dieses Budget, es wird uns auch in den kommenden Monaten und Jahren begleiten. Und ja, dieses Budget ist ein Krisen­budget, und das bedeutet umso mehr, dass die Jugend ein wesentlicher Bestandteil ei­nes zukunftswirksamen Konjunkturpaketes sein muss und wird. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.31


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christian Ragger. – Bitte.


11.31.50

Abgeordneter Mag. Christian Ragger (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ge­schätzte Frau Ministerin! Geschätzter Herr Minister! Ich möchte heute das Augenmerk im Bereich des Sozialen noch einmal auf unsere letzte Tagesordnung im Ausschuss legen, nämlich auf die Nettoersatzrate. Wir müssen da leider Gottes so intensiv nach­bohren, damit die Bevölkerung, die österreichische Bevölkerung vor allem versteht, wo­rum es uns gemeinsam mit der SPÖ, mit den anderen Oppositionsparteien geht.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 551

Ich habe vor Kurzem ein Interview mit einem Vertreter der Europäischen Zentralbank gehabt, und der hat mir eine interessante Geschichte erzählt. Er hat gesagt, dass es noch nie so viel Geld im Markt gegeben hat wie jetzt. Wir haben die höchste Liquidität in der Geschichte der letzten 100 Jahre, egal ob das in Amerika, in China, in Russland oder in Europa ist. Diese Liquidität ist vorhanden. Was aber in den letzten zehn Jahren, seit dieser Bankenkrise 2008/2009 passiert ist, ist, dass sich die Zentralbanken jegliche Instrumentarien der Inflation, der Verzinsung oder Sonstiges genommen haben. Das heißt, das Einzige, an dem sie sich noch festgemacht haben, ist, immer mehr Geld in den Kreislauf zu bringen und immer mehr Geld zu produzieren.

Das kann man der Bevölkerung vielleicht einfach übersetzt so erklären: Das ist wie bei einem Fahrradschlauch, den man in die Sonne legt und aufpumpt: Den pumpt man so lange auf, bis es einen riesigen Platzer gibt – und das wird passieren. Wenn das passiert, dann gibt es zwei Möglichkeiten, nämlich einerseits die Möglichkeit einer massiven De­flation – damit verbunden: kein Konsum mehr, keine Investitionen mehr, hohe Arbeitslo­sigkeit – oder andererseits die Variante, die uns seit 15 Jahren Japan vorzeigt, nämlich dass wir keine Produktivität mehr haben und letztendlich große Geldmengen im Umlauf sind.

Warum sage ich das vorab? – Um aufzuzeigen, welche Alternativen es gäbe, wie wir da auf europäischer, aber auch auf österreichischer Ebene ansetzen könnten, ohne es an nur zwei Modellen festzumachen, nämlich erstens am Arbeitslosenmodell – ist alles okay – und zweitens am Kurzzeitarbeitsmodell. Man kann darüber streiten und diskutie­ren, wie man möchte, aber man hat zwei wesentliche Punkte dabei übersehen, dass nämlich diese Menschen – die 1,8 Millionen, die sich in Arbeitslosigkeit oder in Kurzar­beit befinden, oder die 1,3 Millionen, die in Kurzarbeit sind – eines verbindet: das Kon­sumverhalten.

Ihre Aufgabe als ÖVP, als Wirtschaftspartei muss es ja ganz klar sein, nicht an einem kleinen Schräubchen zu drehen, nämlich ob wir jetzt die Nettoersatzrate von 55 auf 70 Prozent anheben oder nicht, sondern das Big Picture, das große Bild vor Augen zu haben und das Konsumverhalten anzutreiben. Das machen Sie aber nicht mit Ihren wirtschaftspolitischen Grundlagen. Das sollten Sie sich überlegen! (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

Ich bringe Ihnen ein kleines Beispiel: Eine kleine Sekretärin bei mir in Kärnten ist heute die Haupteinkommensbezieherin mit 1 300, 1 400 Euro netto, weil ihr Mann am selben Tag, an dem die Coronakrise bei uns zu Beschränkungen geführt hat, gekündigt worden ist. Jetzt erklären Sie mir, wie Sie dieses Delta, das entsteht, wenn der gekündigte Ehe­mann zu Hause sitzt und nur Arbeitslosengeld bezieht und die Frau das kleinere Ein­kommen, das jetzt aber auf einmal das größere ist, nach Hause bringt, schließen wollen! Das geht nicht! Die haben Kredite, die haben Kinder, die haben Ausgaben zu finan­zieren. Das schaffen sie in dieser Situation nicht. Sie schaffen es dann, wenn wir als Staat mithelfen, und zwar indem diese Nettoersatzrate auf 70 Prozent angehoben wird.

Daher appelliere ich an Sie: Geben Sie uns die Möglichkeit, der österreichischen Be­völkerung auf diese Weise zu helfen, und setzen Sie dieses Zeichen gemeinsam mit uns um! – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

11.35


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Claudia Plakolm. – Bitte.


11.36.00

Abgeordnete Claudia Plakolm (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Ministerin! Liebe Zuseherinnen und Zuseher der heutigen Sitzung! Das Dach soll man decken, wenn die Sonne scheint. – Wir haben in den letzten Jahren dieses Dach unter Bundes­kanzler Sebastian Kurz gedeckt und in einer wirtschaftlich sonnigen Zeit keine neuen


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 552

Schulden gemacht. (Zwischenruf des Abg. Schellhorn.) Wir haben unser Dach saniert. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir haben das Dach saniert, es gut ausgebaut und sicher gemacht. Österreich hat also eine sehr gute budgetäre Ausgangssituation. Und jetzt, wo es stürmt und regnet, uns der Wind einer globalen Pandemie entgegenbläst, hält unser Dach und bietet uns Schutz. 2020 ist bestimmt kein Sonnenjahr für uns, aber gerade weil wir in den letzten Jahren verantwortungsvoll mit dem Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler umgegangen sind, können wir mehr helfen als andere Länder (Zwischenrufe bei SPÖ und NEOS): mit einem eigenen Kurzarbeitsmodell, mit dem Krisenbewältigungsfonds für in Not geratene Familien oder auch mit der Verlängerung der Familienbeihilfe. Damit Studierende die Familienbeihilfe durch den eingeschränkten Unibetrieb nicht verlieren, haben wir ein zu­sätzliches Toleranzsemester eingeführt. Auch für die freiwilligen Zivildiener und Einsatz­präsenzdiener gilt diese Verlängerung der Familienbeihilfe. – Danke für eure Bereit­schaft und für euer Engagement in dieser schwierigen Zeit! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Selbstverständlich sichern wir auch alle bestehenden Leistungen im Bereich Familie und Jugend ab. Uns stehen im heurigen Jahr insgesamt 7,4 Milliarden Euro zur Verfügung. Was haben Familien und insbesondere auch die Jugendlichen davon? – Ein Großteil des Budgets geht in die Familienbeihilfe und in das Kinderbetreuungsgeld, aber auch die Schüler- und Lehrlingsfreifahrt und Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen werden damit finanziert, Schulbücher werden allen Schülerinnen und Schülern kostenlos oder gegen einen geringen Selbstbehalt zur Verfügung gestellt, auch viele Beratungsstellen, wie bei­spielsweise Rat auf Draht, werden dadurch erst ermöglicht.

Wir beschließen heute ein Budget in einer ganz schwierigen Zeit in unserem Land. Der Finanzminister hat es schon gesagt: Entscheidend ist die Zahl der gesundeten Men­schen, die der gesicherten Arbeitsplätze und die der abgewendeten Insolvenzen. – Da­für setzen wir uns ein. Wir haben unser Dach gedeckt als die Sonne schien. So werden wir aus dieser stürmischen Zeit besser herauskommen als andere und unser Comeback in Österreich früher schaffen.

Lassen Sie mich abschließend noch eines festhalten: Wir unternehmen sehr viel, um Familien, Arbeitnehmer, Selbstständige in dieser Situation zu unterstützen und gleichzei­tig auch die Wirtschaft durch Investitionen anzukurbeln. Das größte Konjunkturpaket hat jedoch jeder Einzelne selbst in der Hand: Kaufen Sie bei regionalen Unternehmen, ge­nießen Sie österreichische Lebensmittel – auch in unserer Gastronomie –, machen Sie Urlaub in Österreich! So unterstützen Sie unzählige Mitarbeiter in den Betrieben in Ihrer Umgebung. Nur so können unsere Wirtschaft und später auch unser Arbeitsmarkt wieder in Schwung kommen. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

11.38


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Michael Bernhard. – Bitte.


11.39.01

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Geschätzte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich den ÖVP-Abgeordneten zuhöre – und ich habe das jetzt sehr aufmerksam gemacht ‑, dann denke ich mir vor allem eines: Kommen Sie zurück aus Ihrem Paralleluniversum! (Ruf bei der SPÖ: Ja!) Kommen Sie zurück in die Realität, in der alle anderen Menschen in Österreich gefangen sind! (Beifall bei NEOS und FPÖ.)

Gefangen sind sie vor allem deswegen darin, weil die Dinge, die Sie ankündigen, nicht bei den Menschen ankommen. Ich möchte zum Familienbudget sprechen, und das ist der ideale Bereich, um zu zeigen, wie wenig Früchte Ihre Politik trägt.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 553

Das Budget ist inhaltlich, technisch und überhaupt in jederlei Hinsicht, wie man es sich nur vorstellen kann, abzulehnen. Der Flaf beispielsweise, der einen Großteil dieses Fa­milienbudgets ausmacht – knapp die Hälfte –, geht im Budget für 2020 bei den Be­schäftigten von einem Wachstum von 5 Prozent im Vergleich zum Jahr 2019 aus. Wenn man bei den Einnahmen von 5 Prozent Wachstum ausgeht und das nicht auf eine ge­stiegene Anzahl der Beschäftigten zurückgeht, dann geht man beim Budget davon aus, dass die Dienstgeberbeiträge erhöht werden, entweder das eine oder das andere wird da budgetiert.

Gegen Österreich läuft ein Vertragsverletzungsverfahren wegen der Indexierung der Fa­milienbeihilfe, da müsste man als vorsichtiger Kaufmann beziehungsweise Kauffrau, also als Bundesregierung, eine Rückstellung von 120 Millionen Euro bilden – die findet sich im Budget nicht.

Die Familienberatungsstellen, die derzeit vielfach ehrenamtlich die Arbeit übernehmen, die Härtefonds zu erklären und bei der Antragsstellung zu helfen, sind unterdotiert. Sie haben 15 Millionen Euro an Unterstützung erwartet und erhofft, haben diese aber nicht bekommen. Das Familienbudget ist derzeit keine Sache, mit der Familien geholfen wird und keine Sache, bei der kaufmännische Sorgfalt zu finden ist.

Ich möchte aber noch zu einem anderen Thema kommen, das mit der Frage zusammen­hängt, wo Geld ankommt und wo keines ankommt: der Familienhärtefonds. Frau Minis­terin, Sie wissen es, ich habe das auch in der letzten Ausschusssitzung schon ange­sprochen: Die Situation ist unglaublich! Seit 15. April können Menschen Anträge stellen, Familien, die in Not geraten sind – und jene, die am 15. April den Antrag gestellt haben, haben vielfach noch keine Antwort erhalten. Da spreche ich noch gar nicht vom Geld, sondern nur von einer Antwort.

Ihre Generalsekretärin hat im letzten Familienausschuss gesagt, dass nur vollständige Anträge beantwortet würden und dass ungefähr 50 Prozent unvollständig seien – all jene, die einen unvollständigen Antrag eingebracht haben, warten seit 15. April und wer­den nie eine Antwort bekommen! Die haben vielleicht schon vier Anträge eingebracht, vielleicht viermal unvollständig, und niemand kommuniziert mit ihnen. Von 600 Betrof­fenen, die ich jetzt in einem Forum getroffen habe, hat bis jetzt eine Familie das Geld bekommen – eine! Alle von ihnen haben zwischen 15. und 20. April den Antrag gestellt.

Ihr Haus spricht von einer fünfstelligen Anzahl an Anträgen. Ich weiß nicht, ob es 10 000 oder 90 000 sind, ich weiß nur, die Menschen, die sich melden, kriegen alle das Geld nicht. Diese Menschen schauen heute zu, und ich möchte heute von Ihnen eine Antwort haben: Wann kommen die Rückmeldungen, wann gibt es das Geld? Wir möchten heute auch einen Beitrag dazu leisten, dass diesen Menschen tatsächlich geholfen wird. Ich stelle daher folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Petra Wimmer, Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betref­fend „Unverzügliche Hilfe für Familien aus dem Familienhärtefonds, Klarheit und Chan­cengerechtigkeit für alle Kinder!“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Ju­gend wird aufgefordert, unverzüglich dafür Sorge zu tragen, dass Familien aus dem Fa­milienhärtefonds Hilfe erhalten und die Ungleichbehandlung von Kindern ein Ende hat. Jede in Not geratene Familie ist gleich viel wert!

Familien, die beim Familienhärtefonds um Unterstützung ansuchen, haben ein Recht auf


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 554

- einen unbürokratischen und einfachen Zugang zur Hilfe;

- zeitnahe und rasche Bearbeitung der Anträge und Sicherstellung einer ausreichenden Bearbeitungsinfrastruktur;

- Informationen über den aktuellen Bearbeitungsstand.

Eine mehrsprachige Informationskampagne soll dafür Sorge tragen, dass Familien in Österreich über Zugang und Leistungen des Familienhärtefonds informiert werden.“

*****

Frau Ministerin, es liegt an Ihnen: Viele Menschen bauen derzeit darauf, dass Sie Ihr Haus im Griff haben und gut führen – wir als NEOS werden Sie dabei nach Kräften un­terstützen. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

11.43

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Petra Wimmer, Michael Bernhard,

Kolleginnen und Kollegen

betreffend „Unverzügliche Hilfe für Familien aus dem Familienhärtefonds, Klarheit und Chancengerechtigkeit für alle Kinder!“

eingebracht im Zuge der Debatte zum TOP 7 Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (55 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvor­anschlages für das Jahr 2020 (Bundesfinanzgesetz 2020 – BFG 2020) samt Anla­gen (183 d.B.) – UG 25 Familie und Jugend

Um Familien, die in der Corona-Krise unverschuldet in finanzielle Schwierigkeiten gera­ten sind, rasch und unbürokratisch eine finanzielle Unterstützung zur Bewältigung der Pandemiefolgen zu gewähren, wurde ein Hilfsfonds eingerichtet. Dazu wurden 30 Mil­lionen Euro vom Bundesministerium für Arbeit, Familie und Jugend bereitgestellt. Seit 15. April 2020 können Familien Unterstützung aus dem Corona-Familienhärteausgleich beantragen. Am 23. April 2020 wurde eine Aufstockung um weitere 30 Millionen Euro angekündigt. Ein entsprechender Antrag wurde am 28. April 2020 im Parlament be­schlossen. Doch sehr bald wurden massive Mängel in der Ausgestaltung der beiden Förderschienen des Corona-Familienhärteausgleichs sichtbar. So sind weder Personen mit geringfügigen Einkommen, die ihre Anstellung verloren haben, anspruchsberechtigt noch gibt es eine Regelung für Familien, bei denen der nicht im Haushalt lebende un­terhaltspflichtige Elternteil von einem krisenbedingten Einkommensverlust (wie Arbeits­losigkeit oder Kurzarbeit) betroffen ist.

Stark kritisiert wurde auch die Koppelung an den Corona-Härtefonds. Viele EPUs erhal­ten keine Förderung aus dem Corona-Härtefonds und sind somit nicht anspruchsbe­rechtigt beim Corona-Familienhärteausgleich. Diesen Familien wird somit der Zugang zu zwei Förderschienen verwehrt. Sowohl der Zugang als auch die Abwicklung der Hilfen sind extrem langwierig, intransparent und bürokratisch.

Dabei ist es gerade in Zeiten der Corona-Krise so bedeutend, Familien, die in Not gera­ten sind, unverzüglich zu unterstützen, denn: Wer schnell hilft, hilft doppelt! Eine finan­zielle Unterstützung darf Eltern und Kindern nicht länger verwehrt werden.

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 555

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Ju­gend wird aufgefordert, unverzüglich dafür Sorge zu tragen, dass Familien aus dem Familienhärtefonds Hilfe erhalten und die Ungleichbehandlung von Kindern ein Ende hat. Jede in Not geratene Familie ist gleich viel wert!

Familien, die beim Familienhärtefonds um Unterstützung ansuchen, haben ein Recht auf

-             einen unbürokratischen und einfachen Zugang zur Hilfe;

-             zeitnahe und rasche Bearbeitung der Anträge und Sicherstellung einer ausrei­chenden Bearbeitungsinfrastruktur;

-             Informationen über den aktuellen Bearbeitungsstand.

Eine mehrsprachige Informationskampagne soll dafür Sorge tragen, dass Familien in Österreich über Zugang und Leistungen des Familienhärtefonds informiert werden.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag wurde ordnungsgemäß einge­bracht und steht mit in Verhandlung.

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Barbara Neßler. – Bitte.


11.43.37

Abgeordnete Barbara Neßler (Grüne): Frau Präsidentin! Geschätzte Ministerin! Ge­schätzte Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Die Covid-19-Krise hat weitreichende Auswirkungen, nicht nur gesundheitliche. Wir ha­ben jetzt zwei Tage darüber debattiert, dass sie Existenzen bedroht, dass viele Men­schen ihren Job verloren haben und dass es Unsicherheiten bei den Unternehmen gibt. Wir haben dafür die Unterstützungen und Hilfen für Härtefälle ausgearbeitet, die laufend nachgebessert werden müssen und auch immer wieder nachgebessert werden.

Die Krise hat vor allem die Familien und vor allem Frauen getroffen, denn es sind oft Frauen, die doppelte und dreifache Arbeit leisten: Arbeit, die oft auch als selbstverständ­lich gilt oder gar nicht wahrgenommen wird, wie Haus- und Familienarbeit oder Carear­beit.

Viele Familien sind an ihrer Belastungsgrenze angelangt, sie sind sehr, sehr erschöpft – Väter und Mütter, die ihren Job verloren haben, Kinder, die aus ihrem gewohnten Leben gerissen wurden, junge Menschen, die mit Zukunftsängsten kämpfen –; es war daher richtig und wichtig, dass wir die Anspruchsdauer der Familienbeihilfe verlängert haben, dass es den Familienhärteausgleich gibt, der absolut notwendig ist, und dass es den erleichterten Zugang zum Unterhaltsvorschuss gibt.

Wir dürfen nicht vergessen, die Familien und die Kinder sind unser gesellschaftliches Fundament, und wenn dieses Fundament wackelt, dann wackelt die ganze Gesellschaft! Ja, die gesetzten Maßnahmen waren richtig und wichtig, aber – und das sage ich jetzt hier im Hohen Haus in aller Deutlichkeit – diese Investitionen werden nicht reichen, we­der für die Familien noch für die Kinder! Wir werden uns die Frage stellen müssen, wie viel uns etwa die Zukunft von jungen Menschen sowie von Kindern mit und ohne Be­hinderung wert ist, und diese Frage werden wir uns in den nächsten Monate immer wie­der stellen müssen.

Ja, ich weiß, junge Menschen wollen keine Beschönigung, keine Beschwichtigung, keine leeren Worte hören. Sie möchten Beachtung und Gehör finden, sie wünschen sich Hand­lungen und konkrete Antworten auf Fragen, auch wenn es die Antworten auf diese


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 556

Fragen leider oft nicht gibt. Sie gehören genauso in die Konjunkturmaßnahmen miteinbe­zogen.

Dass die Jugendarbeitslosigkeit rasant steigt, die Lehrstellensuche massiv erschwert ist, dürfen wir nicht übersehen, genauso wie die psychosozialen Komponenten. Dasselbe gilt für Gewalt an Kindern, die nun durch den eingeschränkten Kontakt auf sich alleine gestellt sind. Um es auf den Punkt zu bringen: Kinder und junge Menschen sind nicht von der Krise betroffen, sondern sie sind mitten drin in der Krise! Die Langzeitfolgen, die Langzeitkosten werden verheerend sein, wenn wir nicht handeln, und da gehört auch in diesem Bereich eine ausreichende Finanzierung ins nächste Budget hinein. Da braucht es dringend eine Erhöhung, denn gerade in diesem Bereich ist das Konfliktpotenzial während der Quarantänezeit angestiegen.

Ich möchte mich bei allen Kinder-, Jugend- und Familienorganisationen für ihre unver­zichtbare Arbeit während der Krise bedanken, aber auch bei unseren Politikerinnen und Politikern in den Gemeinden und Bundesländern, die sich stets für Verbesserungen einsetzen.

Ja, es braucht über das Budget hinaus weitere Pläne, Planungssicherheit, zusätzliche Hilfen und Maßnahmen im sozialen Bereich, denn wir wollen nicht, dass auf die gesund­heitliche Krise eine soziale Krise folgt. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Ruf bei der FPÖ: Die haben wir schon!)

11.47


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Petra Wimmer. – Bitte.


11.47.45

Abgeordnete Petra Wimmer (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Herr Minister! Hohes Haus! Die Auswirkungen der Krise haben viele Menschen in Österreich hart ge­troffen, die finanziellen Einbußen durch Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit sind in den Fami­lien deutlich spürbar, und es gibt ganz große Ängste, was die Zukunft betrifft.

Unsere Familien haben in der Krise das Beste gegeben und sie tun es weiterhin – aber sie haben auch an das Versprechen der Regierung geglaubt: „Koste es, was es wolle“, es werde „schnell und unbürokratisch geholfen“.

Auch der Corona-Familienhärteausgleich wurde als solche rasche und unbürokratische Unterstützung angekündigt, allerdings kommt die versprochene Hilfe bei den Menschen nicht an. – Ich erhalte Nachrichten von verzweifelten Familien, dass sie bisher weder Informationen noch Geld auf ihr Konto erhalten haben. Frau Ministerin, die Familien brauchen die Unterstützung aus diesem Fonds jetzt, sie brauchen die Auszahlung jetzt und nicht irgendwann! (Beifall bei der SPÖ.)

Aus diesem Grund stellen wir gemeinsam mit den NEOS den Antrag, den Herr Kollege Bernhard eingebracht hat, weil die Familien jetzt unverzüglich Hilfe brauchen.

In diesen schwierigen Zeiten wenden sich die Menschen dann auch an die Familienbe­ratungsstellen, um sich dort Hilfe zu holen. Bei den Familienberatungsstellen hat aller­dings schon die Vorgängerin der aktuellen Ministerin das Budget um 1 Million Euro ge­kürzt. Ein massiver Aufschrei des Dachverbandes hat dann bewirkt, dass sie 50 Prozent der Kürzung aus dem Budget des Familienressorts kompensierte, was aber immer noch einer Kürzung von einer halben Million Euro entsprach.

Bei der Debatte im Ausschuss sagten Sie, Frau Ministerin, die Familienberatungsstellen erhielten heuer mehr Geld als in den vergangenen Jahren. Fakt ist aber, dass der Dach­verband Familienberatung seitens des Ministeriums die Nachricht erhalten hat, dass 2020 wieder nur 12,6 Millionen Euro budgetiert seien. Von einer Budgeterhöhung im Jahr 2020 kann somit keine Rede sein. Ich stelle daher folgenden Antrag:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 557

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Petra Wimmer, Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betref­fend „Mehr Budget für Familienberatungen!“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert im BFG 2020 eine Budgeterhöhung der Fami­lienberatung vorzusehen und dafür zu sorgen, dass im Jahr 2020 zumindest 15 Mio. Eu­ro für eine umfassende, psychosoziale Versorgung von Eltern und Kindern sichergestellt wird. Dieser Betrag soll auch in den darauffolgenden Jahren fortgeschrieben werden.“

*****

Im Sinne unserer Familien ersuche ich um Zustimmung. (Beifall bei der SPÖ.)

11.50

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Petra Wimmer, Eva Holzleitner, BSc, Michael Bernhard, Fiona Fied­ler, BEd, Kolleginnen und Kollegen

betreffend „Mehr Budget für Familienberatungen!“

eingebracht im Zuge der Debatte zum TOP 7 Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (55 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvor­anschlages für das Jahr 2020 (Bundesfinanzgesetz 2020 — BFG 2020) samt Anla­gen (183 d.B.) — UG 25 Familie und Jugend

Im Jahr 2017 betrug das Bundesbudget für die gesetzlich verankerte Familienberatung 13,1 Mio. Euro. Aus bis heute unverständlichen Gründen hat die Familienministerin der ÖVP-FPÖ Regierung Bogner-Strauß das Budget für die geförderte Familienberatung um 1 Mio. Euro gekürzt. Die Folgen waren fatal: 18.000 Kinder, Jugendliche, Frauen, Män­ner, Paare und Familien waren davon betroffen. 26.000 Beratungsstunden mussten ein­gespart werden! Ein massiver Aufschrei des Dachverbands Familienberatung bewirkte, dass die damalige Familienministerin Bogner-Strauß 50 Prozent der Kürzung aus Bud­getmittel des Familienressorts kompensierte. Somit betrug 2018/2019 das Budget der Familienberatung 12,6 Mio. Euro – das entspricht gegenüber von 2017 noch immer einer Kürzung von einer halben Million Euro.

Im aktuellen Regierungsprogramm von ÖVP und Grünen wurde zwar ein Ausbau der Familienberatungsstellen versprochen, im Budget 2020 ist dafür jedoch keinerlei Vor­kehrungen getroffen. Wie sollen die Beratungsstellen nun mit dem gestiegenen Bera­tungsbedürfnis während der Corona-Krise umgehen? Fakt ist: Im nun vorliegenden Bud­get UG 25 konterkariert Familienministerin Aschbacher das Regierungsprogramm.

Bereits im Budgetausschuss am 12. Mai 2020 wurde die aktuelle Situation der Familien­beratungsstellen diskutiert. In einer Presseaussendung des Pressedienstes der Parla­mentsdirektion vom 12. Mai 2020 (OTS0193) heißt es dazu: „Mehrfach von den Abge­ordneten angesprochen wurde auch die Bedeutung der Familienberatungsstellen gera­de in Zeiten der Corona-Krise. Diese erhalten laut Aschbacher heuer mehr Budget als in den vergangenen Jahren.“ Fakt ist, der Dachverband Familienberatung erhielt am 15. Mai 2020 seitens des BMAFJ die Nachricht, dass für 2020 12,6 Mio. Euro für die Familienberatung budgetiert sind. Von einer Budgeterhöhung im Jahr 2020 kann somit keine Rede sein. In einer weiteren Presseaussendung der Parlamentsdirektion vom 19. Mai 2020 (OTS0202) erklärte die Ministerin schließlich, „dass heuer mit einer


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 558

nominellen Erhöhung von 500.000 € im Vorjahresvergleich eine Absicherung gelungen sei, aber in den Verhandlungen mit dem Finanzministerium eine Aufstockung des Bud­gets für 2021 das Ziel sei“.

Diese Vorgehensweise von Familienministerin Aschbacher ist völlig unverständlich. Trag­fähige Familien gehören zum Fundament unserer Gesellschaft. Familien brauchen – ins­besondere in der Corona-Krise – professionelle Beratung und umfassende Unterstüt­zung, damit sie die Herausforderungen des Lebens bestmöglich leisten können. Seitens der Politik bedarf es einen Zusammenschluss aller im Parlament vertretenen Parteien, um die psychische, soziale und körperliche Gesundheit von Familien in Österreich im Sinne der gesetzlich verankerten Familienberatung zu sichern.

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert im BFG 2020 eine Budgeterhöhung der Fami­lienberatung vorzusehen und dafür zu sorgen, dass im Jahr 2020 zumindest 15 Mio. Euro für eine umfassende, psychosoziale Versorgung von Eltern und Kindern sicherge­stellt wird. Dieser Betrag soll auch in den darauffolgenden Jahren fortgeschrieben wer­den.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Elisabeth Scheucher-Pichler. – Bitte.


11.50.54

Abgeordnete Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Ich finde es bedauerlich, dass vonseiten der Opposition alles, was für Familien in Österreich geschieht, derartig schlechtgeredet wird.

Österreich ist traditionellerweise ein familienfreundliches Land, und ich weiß, dass gera­de die Frau Bundesministerin das auch im Auge hat. Man kann immer noch mehr tun – keine Frage. Wir sind im Moment in einer sehr schwierigen Situation, aber in dieser Krise haben gerade auch die Familien, die Jungen und die Alten gezeigt, wie sie zusammen­halten, wie viel sie auffangen. Daher brauchen sie unseren ganzen Respekt.

Es ist aber sehr, sehr viel passiert. Ich erwähne den Familienbonus; ich komme noch einmal auf den Coronafamilienhärteausgleich zu sprechen, der mit 30 Millionen Euro dotiert ist – Frau Ministerin, danke! Sie haben auch im Ausschuss gesagt, wenn es da Probleme gibt, wenn es zu Verzögerungen kommt, kann sich jeder an Ihr Ministerium wenden. Ich habe schon sehr viel Positives gehört, dass Familien gesagt haben, dass ihnen sehr schnell und unbürokratisch geholfen wurde. (Beifall bei der ÖVP.)

Da Frau Heinisch-Hosek gemeint hat, die unbezahlte Familienarbeit werde nicht ent­sprechend bewertet: Wir haben uns ja darauf geeinigt, dass wir eine große Studie ma­chen, eine Zeitverwendungsstudie, eine Kinderkostenstudie. (Zwischenruf der Abgeord­neten Heinisch-Hosek.) Es gibt einen Ausschuss im Justizministerium, der ein neues Unterhaltsrecht erarbeitet.

Wir müssen die Frage der Doppelresidenz lösen und vieles mehr. Ja, Familie hat sich in den letzten Jahrzehnten geändert, und darauf müssen wir eingehen. Familie ist vielfälti­ger geworden. Die Arbeitswelt hat sich verändert, und daher gibt es auch immer wieder, gerade in der Familienpolitik, neue Herausforderungen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 559

Ich möchte noch kurz auf ein weiteres Thema eingehen: Es gibt 1 Milliarde Euro für die Gemeinden. Das wird, wie heute schon andiskutiert wurde, viele Möglichkeiten schaffen, die Kinderbetreuung zu verbessern, und ich appelliere wirklich an die Gemeinden und an die Länder: Wir brauchen Sie dabei!

Ich nenne ein Beispiel: Wir haben in Klagenfurt seit den Achtzigerjahren flexible, mobile Kinderbetreuung, im Rahmen derer Kinder vom Kleinkindalter bis im Alter von zehn Jahren von Montag bis Samstag ohne Voranmeldung stundenweise betreut werden. Das ist ein Projekt der Landeshauptstadt Klagenfurt gemeinsam mit dem Hilfswerk. Über Par­teigrenzen hinweg wird das seit Jahrzehnten positiv bewertet und immer weiter ausge­baut. Das brauchen wir.

Es stimmt: Wenn der Kindergarten um 16 Uhr sperrt und die Eltern bis 20 Uhr arbeiten müssen, dann nützt das nichts. Wir brauchen neue Antworten auf eine neue Zeit, in der Familie und Arbeitswelt anders stattfinden, und wir brauchen auch mehr Chancen für Frauen, damit sie eben eine Eigenpension erwerben. Wenn Beruf und Familie gut verein­bar sind, dann wird es auch den Familien weiterhin gut gehen, und ich glaube, das ist unser aller Ziel. – Danke, Frau Bundesministerin! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der Grünen.)

11.54


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Edith Mühlberghu­ber. – Bitte.


11.54.11

Abgeordnete Edith Mühlberghuber (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bun­desminister! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Österreiche­rinnen und Österreicher! Wir sind jetzt den dritten Tag hier und diskutieren über das Budget, und so, wie es in vielen anderen Bereichen ist, ist es auch im Bereich der Fami­lie: Das Budget ist alles andere als sicher und haltbar. Es ist damit zu rechnen, dass es nicht zu halten ist, davon geht man auch im Familienministerium aus, und auch Sie, Frau Familienministerin, haben es im Ausschuss schon angesprochen. Es ist nicht haltbar, und die ursprünglichen Erwartungen werden negativ bilanziert werden.

Ganz besonders betroffen ist der Flaf, der Familienlastenausgleichsfonds – daraus wird ja sehr viel bezahlt –, denn die beschlossenen Maßnahmen im Zuge der Coronakrise verursachen geringere Einnahmen durch wegfallende Dienstgeberbeiträge infolge rück­läufiger Beschäftigung. Die extrem hohe Arbeitslosigkeit – es ist ja mit Abstand die höchste der Zweiten Republik – wird auch in den nächsten Monaten nicht geringer wer­den, sie wird mehr werden, und das wird auch ein immens großes Loch in den Flaf, in den Familienlastenausgleichsfonds, reißen, mit dem, wie ich schon angesprochen habe, die Familienbeihilfe, das Kinderbetreuungsgeld und die Unterhaltsvorschusszahlungen finanziert werden.

Zu den Unterhaltsvorschusszahlungen: Sie werden jetzt einmal mit 137 Millionen Euro budgetiert. Man weiß nicht, ob das stimmt, die Zahlen sind ja gar nicht mehr so konkret, wir haben ja heute in der Früh schon gehört, dass da einiges nicht passt und nicht stimmt. Ich gehe jetzt einmal von der Zahl von 2019 aus: 134 Millionen Euro sind an Unterhalts­vorschusszahlungen ausbezahlt worden. 89 Millionen Euro sind als Rückzahlungen wieder zurückgeflossen, und 45 Millionen Euro können nicht eingefordert werden. Das heißt, Fakt ist: Der Staat bleibt auf einem Schaden von 45 Millionen Euro sitzen. Dieses Geld kann nicht eingefordert werden.

Wenn man davon ausgeht, dass die Arbeitslosenrate steigt – und das wird ja den Prog­nosen zufolge so sein, Experten sprechen ja schon davon –, dann sind diese 137 Mil­lionen Euro für Unterhaltsvorschusszahlungen sehr mager budgetiert. Durch die mit der


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 560

Krise verbundene Arbeitslosigkeit muss ja auch damit gerechnet werden, dass noch we­niger Rückzahlungen als bis dato eingefordert werden können und zurückfließen. Die fehlen natürlich, und es ist nicht möglich, diese Zahlen genau zu benennen.

Für Familien, die in Not geraten sind, für Eltern, die unschuldig arbeitslos geworden sind, die in Kurzarbeit sind, die momentan nicht wissen, wie es mit ihnen weitergeht, die Angst haben, ihren Job noch zu verlieren, können die 30 Millionen Euro, Frau Bundesminister, die Sie aus dem Coronafamilienhärteausgleich bereitgestellt haben, nur der erste Schritt sein. Sie sprechen vom Bereitstellen: Wann fangen Sie endlich mit den Auszahlungen an? Mein Kollege Bernhard hat es schon angesprochen: Es gibt große Probleme. Viele Eltern warten auf das Geld, und das Geld wird nicht ausbezahlt.

Frau Bundesminister, bitte bemühen Sie sich und schauen Sie, dass da etwas vorwärts­geht und dass die Auszahlungen endlich einmal beginnen! Vor allem diese Familien würden von dem von uns geforderten Österreichtausendergutschein für jeden Österrei­cher und jede Österreicherin vom Kleinkind bis hin zu den Großeltern profitieren, und gleichzeitig würde so natürlich auch die marode Wirtschaft angekurbelt werden.

Meine Damen und Herren! Die drastischen Maßnahmen, die während der Coronakrise geschlossenen Schulen und Betreuungseinrichtungen haben für Familien, besonders für Mütter, eine enorme Herausforderung dargestellt. Viele Eltern arbeiten im Homeoffice, betreuen nebenbei ohne jegliche Unterstützung durch die Großeltern ihre Kleinkinder und helfen den Schulpflichtigen bei ihren Hausaufgaben. Sie sorgen für ihre Großeltern und Verwandten, gehen für sie einkaufen, und sehr viele leisten sogar Nachbarschafts­hilfe. Man hält zusammen. Die Familien sind in dieser Ausnahmesituation mehrfach be­lastet und leisten wirklich Außergewöhnliches.

Deshalb bringe ich diesbezüglich folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Verdop­pelung der Familienbeihilfe in Monaten mit coronabedingter Schulschließung“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Kinderbeihilfe bis zum vollendeten 14. Le­bensjahr des Kindes für jene Monate zu verdoppeln, in denen die Betreuungseinrichtun­gen wie Schulen, elementarpädagogische Einrichtungen und Horte coronabedingt ge­schlossen waren bzw. sind. Die Auszahlung hat unverzüglich zu erfolgen.“

*****

(Beifall bei der FPÖ.)

Meine Damen und Herren, mir liegen die Familien am Herzen, und ich hoffe, auch Ihnen! Ich bitte Sie, diesen Antrag zu unterstützen und ihm zuzustimmen. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

12.00

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Edith Mühlberghuber

und weiterer Abgeordneter


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 561

betreffend Verdoppelung der Familienbeihilfe in Monaten mit coronabedingter Schul­schließung

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 7, Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (55 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvor­anschlages für das Jahr 2020 (Bundesfinanzgesetz 2020 – BFG 2020) samt Anla­gen (183 d.B.) – UG 25

in der 32. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 28. Mai 2020

Im Zuge der Coronakrise haben mehr als 1,8 Millionen Menschen ihre Arbeit verloren oder haben durch die Kurzarbeit deutliche weniger Einkommen. Und mit all diesen Men­schen auch ihre Familien! Die Mehrheit der österreichischen Familien haben mit finan­ziellen Einbußen zu kämpfen, von den Versprechungen der Bundesregierung und von Hoffnung allein können sie nicht leben, sie brauchen jetzt konkrete Hilfe und Sicherheit.

Gerade Eltern und insbesondere die Mütter haben während der Coronakrise Enormes geleistet und hatten oft mit einer Mehrfachbelastung von Kinderbetreuung, Home-Schooling und gleichzeitiger Erwerbsarbeit zu kämpfen. Eine Verdoppelung der Fami­lienbeihilfe für jene Monate, in denen die Betreuungseinrichtungen, insbesondere Schu­le, geschlossen waren, wäre gerade für Familien mit wenig oder gar keinem Einkommen eine große finanzielle Hilfe.

Auch der Katholische Familienverband hat sich diesbezüglich in einem offenen Brief an die Bundesregierung gewandt und Unterstützung von Familien in dieser Ausnahmesi­tuation gefordert:

Wien (OTS) - Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Sehr geehrte Frau Familienministerin!

Die außergewöhnlichen und drastischen Maßnahmen wie geschlossene Schulen und Betreuungseinrichtungen sind zweifellos wichtig und notwendig. Das Leben in dieser Ausnahmesituation funktioniert aber nur deswegen, weil Eltern und Familien ganz selbstverständlich einspringen und doppelte und dreifache Arbeit verrichten. Viele arbei­ten in ihrem Beruf, vielfach im Homeoffice und betreuen nebenbei ohne jegliche Unter­stützung von Großeltern oder Leihomas ihre Kleinkinder und helfen den Schulkinder beim Homeschooling. Das Leben mit Kindern ist wunderschön und sinnstiftend, dennoch stoßen viele Eltern in dieser Situation an die Grenzen des Machbaren.

Eltern sind in dieser Ausnahmesituation mehrfach belastet, leisten Außergewöhnliches und tragen damit dazu bei, dass unser System trotz Einschränkungen so gut weiter läuft. Um diese selbstverständlichen und unglaublichen Leistungen der Familien entspre­chend wertzuschätzen, fordern wir als größte überparteiliche Familienorganisation eine Verdoppelung der Familienbeihilfe für die Monate März und April.

Die Verdoppelung der Familienbeihilfe soll für den Zeitraum gelten, in dem Betreuungs­einrichtungen und Schulen geschlossen sind bzw. bleiben. Für Maturantinnen und Matu­ranten muss der Anspruch auf Familienbeihilfe bis September verlängert werden.

Anerkennen wir, dass es die Familien sind, die zu allererst systemrelevant sind! Hono­rieren wir diese Wertschätzung mit einer finanziellen Abgeltung und unterstützen wir da­mit die Eltern und Familien in dieser schwierigen Zeit!

Mit freundlichen Grüßen

Alfred Trendl, Präsident Rosina Baumgartner, Generalsekretärin

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 562

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Kinderbeihilfe bis zum vollendeten 14. Le­bensjahr des Kindes für jene Monate zu verdoppeln, in denen die Betreuungseinrichtun­gen wie Schulen, elementarpädagogische Einrichtungen und Horte coronabedingt ge­schlossen waren bzw. sind. Die Auszahlung hat unverzüglich zu erfolgen.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Nikolaus Prinz. – Bitte.


12.00.56

Abgeordneter Nikolaus Prinz (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesminis­terin! Meine Damen und Herren! Die Familien und ihre Anliegen sind in den letzten Mo­naten durchaus mehr ins Bewusstsein getreten. Aufgrund der Coronapandemie mussten Kinderbetreuungseinrichtungen und Schulen geschlossen werden. Schule und Kinder­betreuung zu Hause bei vielleicht gleichzeitiger Heimarbeit von Mutter und/oder Vater bedeuten für die Familien große Herausforderungen.

Das wurde unterschiedlich wahrgenommen. Während es Familien gab, die mehr ge­meinsame Zeit als durchaus positiv empfanden, wurde das in manchen Familien zur Belastung. Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist nicht immer einfach und eine große Herausforderung. So wertvoll die öffentlichen Angebote auch sind, sollten wir die Wahl­freiheit der Familien immer in den Mittelpunkt unserer Überlegungen stellen.

Familien sind die Keimzelle einer Gesellschaft. Eltern wissen im Regelfall am besten, was ihre Kinder brauchen. Die öffentlichen Angebote sollten unterstützen und nicht be­vormunden. Das Budget 2020 sichert die Leistungen für die Familien in Österreich sehr gut ab. Allerdings geht es nicht nur um die finanzielle Abgeltung, bei der Österreich im europäischen Spitzenfeld liegt, sondern es geht auch um die gesellschaftliche Anerken­nung der Familienarbeit, und seien wir ganz ehrlich: Wenn es nicht die eigenen Enkelkin­der oder Kinder sind, die die Mittagsruhe stören oder anderwärtig auffallen, sinkt die Wertschätzung relativ schnell. Da hat sich in Stadt und Land einiges verändert.

Kinder brauchen zum Aufwachsen Orientierung, Leitlinien und Toleranz. Das heißt, Er­ziehung muss auch einen gewissen Rahmen vorgeben. Wir können Erziehung nicht in Schule oder Kinderbetreuungseinrichtungen abschieben, sondern die Erziehung muss zu Hause passieren. Dort, wo es Probleme gibt, müssen wir unterstützen, und es gibt ja Angebote. Wenn es Problemfälle gibt, gilt: Je eher man unterstützt, desto günstiger kommt es nicht nur den Steuerzahler, sondern es ist auch für die jungen Menschen we­sentlich besser, wenn wir früher unterstützend eingreifen.

Insgesamt kann man ruhigen Gewissens sagen: Familien und ihre Angelegenheiten sind bei dieser Bundesregierung, bei Bundesministerin Christine Aschbacher und Bundeskanzler Kurz, wirklich in den besten Händen. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Ernst-Dziedzic.)

12.03


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Markus Vogl. – Bitte. (Abg. Leichtfried: Das ... die passende Antwort!)


12.03.28

Abgeordneter Ing. Markus Vogl (SPÖ): Ich darf mich wieder auf den Bereich Arbeit konzentrieren. Die Budgetdiskussion fördert ja so manches kuriose Detail zutage.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 563

Es hat eine Planstellenverschiebung von Minister Anschober zu Ihnen, Frau Ministerin, gegeben. 180 Planstellen sind bei Ihnen neu hinzugekommen. Die Antwort auf die Fra­ge, wie viele Personen tatsächlich von Minister Anschober weggegangen sind, ist 177. Frau Ministerin, Ihre Frau Generalsekretärin hat gesagt: Angekommen sind bei mir 199. – Nur, damit man weiß, wie es uns als Opposition geht und welche Qualität die Antworten haben, die wir in Budgetberatungen erhalten. Darauf kann sich, glaube ich, jeder selbst einen Reim machen. Das Spannende ist ja auch: Diese Planstellen wurden mit der Begründung aufgewertet, man brauche jetzt innerhalb der UG 25 ein Präsidium.

Wisst ihr, das ist, glaube ich, das Problem: Die Menschen brauchen nicht mehr Ver­waltung und Bürokratie, die Menschen brauchen tatsächlich konkrete Unterstützung bei ihren Problemen. (Beifall bei der SPÖ.)

Damit es vielleicht nicht so auffällt, dass es da so viele neue Planstellen gibt, kürzt man auch. Aus meiner Sicht aber in einem komplett falschen Bereich: Man kürzt weiter bei den Planstellen für die Arbeitsinspektion. Ich glaube, wir bekommen alle gerade mit, welche Zustände derzeit zum Teil am Arbeitsmarkt herrschen. Wenn man Laudamotion verfolgt – unter welchen Bedingungen Menschen da auf einmal arbeiten sollen –, dann glaube ich, braucht es nicht weniger, sondern wird es in Zukunft mehr Arbeitsinspektoren brauchen, die darauf achten, dass die Arbeitsbedingungen für die Menschen in diesem Land weiterhin gute sind. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Haubner.) – Ich verstehe es nach wie vor nicht, Herr Kollege – und das können Sie Ihren Kollegen aus­richten –, warum die Wirtschaftskammer so einem Kollektivvertrag überhaupt zuge­stimmt hat. Ich bin heute noch erschüttert. Vielleicht könnten Sie das in Ihren Reihen ausrichten. (Beifall bei der SPÖ.)

Damit wir aber nicht nur kritisieren, darf ich einen Entschließungsantrag einbringen, der zeigt, wie man die Probleme, die am Arbeitsmarkt vorhanden sind, unserer Ansicht nach lösen kann:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „arbeitsmarkt­politische Sofortmaßnahmen zur Beschäftigungsförderung“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Ju­gend sowie der Bundesminister für Finanzen werden aufgefordert, umgehend beschäfti­gungsfördernde Maßnahmen zu setzen, um der höchsten Arbeitslosigkeit der zweiten Republik entsprechend entgegenzuwirken.

Insbesondere soll

- ein Beschäftigungsförderungsprogramm, ähnlich der ,Aktion 20.000‘ für zumindest 40.000 ältere ArbeitnehmerInnen gestartet,

- ein Qualifizierungsgeld für 30.000 finanziell schlechter gestellte ArbeitnehmerInnen für entsprechende Maßnahmen einer berufliche Weiter- oder Um-Qualifizierung zur Verfü­gung gestellt,

- das Fachkräftestipendium ausreichend finanziell abgesichert und entsprechend bewor­ben werden und

- eine Aufstockung der Ausbildungsplätze bei den überbetrieblichen Lehrwerkstätten entsprechend dem Bedarf zur Erfüllung der Ausbildungspflicht bis 18 und der Ausbil­dungsgarantie bis 25 erfolgen.“

*****


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 564

Damit das alles funktionieren kann – das heißt: mehr Unterstützung für ältere Menschen am Arbeitsmarkt, Menschen, die schlecht qualifiziert sind, ausbilden, Unterstützung für Jugendliche –, braucht es Menschen, die sich darum kümmern. Daher haben wir 500 zu­sätzliche Beschäftigte beim AMS gefordert. Ich kann nur sagen: Die Budgetdebatte hat uns nicht den Eindruck vermittelt, dass es diese tatsächlich gibt. Eine Personalreduktion wurde hintangestellt.

Ich glaube, dass das, was da gemeinsam mit den Kollegen der ÖVP beschlossen wor­den ist, gerade auch jetzt in der Krise umgesetzt werden sollte – und wir erwarten uns auch, dass der Kanzler diesbezüglich zu seinem Wort steht. (Beifall bei der SPÖ.)

12.06

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Muchitsch,

Genossinnen und Genossen

betreffend arbeitsmarktpolitische Sofortmaßnahmen zur Beschäftigungsförderung

eingebracht im Zuge der Debatte zu UG 20

Die arbeitsmarktpolitischen Herausforderungen sind enorm. 550.000 Arbeitslose, 1,3 Mio. ArbeitnehmerInnen in Kurzarbeit, die Jugendarbeitslosigkeit kann sich verdoppeln, äl­tere ArbeitnehmerInnen oder solche mit gesundheitlichen Einschränkungen werden sich auf längere Arbeitslosigkeit einstellen müssen, Frauen werden vom Arbeitsmarkt ver­drängt. Zu all diesen Herausforderungen kommt noch die Gefahr des Anstieges von Ar­mut bei langer Arbeitslosigkeit.

Die Regierung hat keine Konzepte um diese Herausforderungen anzugehen und zu lö­sen. Es gibt keine Beschäftigungsprogramme, keine zusätzlichen Mittel für Arbeitsmarkt­förderung, keine Erhöhung des Arbeitslosengeldes und auch nur marginal mehr Perso­nal für das AMS, um die Aufgaben bewältigen zu können.

Die Bundesregierung hat zwar bisher die Mittel für Kurzarbeit zur Verfügung gestellt, die Finanzierung der Kurzarbeit darf allerdings nicht auf Kosten anderer arbeitsmarktpoliti­scher Maßnahmen geschehen.

Österreich steht vor der Herausforderung einen weiteren Anstieg der Sockelarbeitslosig­keit zu verhindern. Obwohl die Zahl der Arbeitssuchenden vor der Krise – aufgrund der guten Konjunktur der letzten Jahre – insgesamt gesunken ist, hat sich die Situation für ältere Arbeitssuchende nicht verbessert. Gerade angesichts der krisenhaften wirtschaft­lichen Entwicklung ist politisches Handeln daher unumgänglich. Die öffentliche Hand ist deshalb gefordert, auch aufgrund des höheren Anteils der über 50-Jährigen an der Er­werbsbevölkerung, Arbeitsplätze für ältere Langzeitarbeitslose zu schaffen. Die „Ak­tion 20.000“ sollte dabei zum Vorbild genommen werden.

Um 40.000 zusätzliche Arbeitsplätze mit einem Bruttoeinkommen in der Höhe von rund 1.900 Euro zu finanzieren, würde es pro Jahr 1,5 Mrd. Euro brauchen (Tamesber­ger/Theurl 2019). Abzüglich der Ausgaben für das Arbeitslosengeld sowie der Rückflüs­se aus Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen, reduzieren sich die Kosten um 80 % auf rund 270 Mio. Euro pro Jahr.

Es braucht aber auch einen Anschub für Qualifizierungsmaßnahmen, um den wandeln­den Anforderungen am Arbeitsmarkt, durch Digitalisierung und anderen Veränderungs­prozessen, zu begegnen. Finanziell schlechter gestellten Menschen muss durch ent­sprechende Maßnahmen eine berufliche Weiter- oder Um-Qualifizierung erleichtert


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werden. Dafür sollte ein Qualifizierungsgeld zur Verfügung gestellt werden. Zur Finan­zierung von ganzjährigen Qualifizierungsmaßnahmen für 30.000 Personen bedarf es, laut Berechnungen der Arbeiterkammer, zusätzlich 636 Mio. Euro. Abzüglich der Aus­gaben für Bildungskarenz, Bildungsteilzeit und Fachkräftestipendium würde das im Budget mit zusätzlichen 361 Mio. Euro zu Buche schlagen. Werden während den Ausbil­dungszeiten Ersatzkräfte eingestellt, so sinken die tatsächlichen Kosten weiter.

Um den im Regierungsprogramm angekündigten Fachkräfteschwerpunkt budgetär ab­zubilden, sind zumindest 100 Mio. Euro notwendig. Außerdem muss das Fachkräftesti­pendium vom AMS aktiv eingesetzt und beworben werden.

Darüber hinaus gilt es insbesondere auch auf den Einbruch des Lehrstellenmarktes zu reagieren und für Jugendliche Ausbildungsmaßnahmen, wie die überbetriebliche Lehr­ausbildungen, zur Verfügung zu stellen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachfolgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Ju­gend sowie der Bundesminister für Finanzen werden aufgefordert, umgehend beschäf­tigungsfördernde Maßnahmen zu setzen, um der höchsten Arbeitslosigkeit der zweiten Republik entsprechend entgegenzuwirken.

Insbesondere soll

•             ein Beschäftigungsförderungsprogramm, ähnlich der „Aktion 20.000“ für zumin­dest 40.000 ältere ArbeitnehmerInnen gestartet,

•             ein Qualifizierungsgeld für 30.000 finanziell schlechter gestellte ArbeitnehmerIn­nen für entsprechende Maßnahmen einer berufliche Weiter- oder Um-Qualifizie­rung zur Verfügung gestellt,

•             das Fachkräftestipendium ausreichend finanziell abgesichert und entsprechend beworben werden und

•             eine Aufstockung der Ausbildungsplätze bei den überbetrieblichen Lehrwerkstät­ten entsprechend dem Bedarf zur Erfüllung der Ausbildungspflicht bis 18 und der Ausbildungsgarantie bis 25 erfolgen.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Antrag steht mit in Verhandlung.

Nun hat sich Frau Bundesministerin Christine Aschbacher zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Ministerin.


12.07.09

Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend Mag. (FH) Christine Aschbacher: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Sehr geehrte Zuschauerin­nen und Zuschauer! Die Coronakrise hat uns, wie wir alle wissen, vor über zwei Monaten massiv erwischt, hier in Österreich wie auch international mit voller Wucht und auf allen Ebenen, und es gibt niemanden, den es nicht erwischt hätte.

Dementsprechend hat es uns auch in meinem Ressort mit Arbeit, Familie und Jugend beziehungsweise in den Verantwortungsbereichen mit den zwei Untergliederungen


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UG 20, Arbeit, und UG 25, Familie und Jugend, stark betroffen. In diesen beiden Unter­gliederungen sind wir daher intensiv gefordert, auch jetzt bei einem Comeback für Ös­terreich, im schrittweisen Wiederhochfahren zurück zu einer neuen Normalität zu kom­men. (Abg. Leichtfried: ... zurück zu einer neuen Normalität!)

Dementsprechend möchte ich für diese zwei Bereiche einen Überblick geben und auch die konkreten Maßnahmen, die wir in der Krise gesetzt haben, kurz erläutern.

Wir haben bis zum Sonntag, den 15. März, eine sinkende Arbeitslosigkeit und ein Be­schäftigungshoch mit 3,8 Millionen Beschäftigten gehabt. Ab 16. März hat uns die inter­nationale Krise massiv und mit voller Wucht erwischt. Dementsprechend war auch der vorläufige Höhepunkt der Zahl der Arbeitslosen mit 13. April zu vermerken, nämlich 588 205 Menschen, die in Arbeitslosigkeit oder in Schulungen waren.

Seitdem sehen wir mit einer leichten Abflachung der Arbeitslosenkurve eine Entwicklung in die richtige Richtung, und zwar waren es mit Anfang dieser Woche 523 346 Personen, die arbeitssuchend gemeldet sind oder sich in Schulungen befinden. Das sind rund 65 000 Menschen weniger in der Arbeitslosigkeit als zum Höhepunkt der Krise.

Ich möchte Ihnen sagen, dass die Vermittlung jeder und jedes Einzelnen durch die Mit­arbeiterinnen und Mitarbeitern des Arbeitsmarktservice Österreich ein Schritt in die rich­tige Richtung ist. Es gibt auch Mut und Perspektive, dass es in den verschiedenen Bereichen, für die verschiedenen Zielgruppen, für die verschiedenen Menschen wieder Arbeit gibt. Wir geben jeden Tag das Beste – Schritt für Schritt –, um zu unterstützen. (Beifall bei der ÖVP.)

Für die Zeit der Krise haben wir mit vereinten Kräften – und dafür möchte ich mich bei Ihnen allen und auch bei den Sozialpartnern bedanken – schnell das Coronakurzarbeits­modell auf die Beine gestellt, mit dem wir insgesamt über 1,3 Millionen Menschen in Beschäftigung halten konnten. Es ist einerseits mit einer Arbeitsplatzgarantie während der Kurzarbeit und ein Monat danach, aber auch mit einem fixen Einkommen – niemand bekommt weniger als 80 Prozent des Gehalts –, das wir garantieren können, versehen.

Es gibt sehr viele Rückmeldungen, einerseits von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die sich in Kurzarbeit befinden, aber auch von den vielen Unternehmerinnen und Unter­nehmern, die ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Kurzarbeit angemeldet haben. Sie sagen, es ist ganz wichtig, dass man auf der einen Seite weiß: Ich kehre an meinen Arbeitsplatz zurück!, aber auch: Ich gehe der Arbeit nach, auch wenn es in reduzierter Art und Weise ist, da diese jetzt wieder schrittweise hochgefahren werden kann. Das ist das Instrument der Kurzarbeit, das für die Krise und jetzt auch für das Comeback so wichtig ist, indem mehr gearbeitet werden kann, wo es möglich ist. Dementsprechend danke ich allen Unternehmerinnen und Unternehmern, aber auch allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die sich jetzt in Kurzarbeit befinden und auch dort wieder mehr ar­beiten, wo es möglich ist: meinen herzlichen Dank an dieser Stelle. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Wie schon öfter – und auch vom Finanzminister – gesagt wurde: Natürlich hat die Krise unser ursprünglich geplantes Budget durcheinandergebracht. Wir sind mit anderen Pro­gnosen in die Budgeterstellung gegangen, und es sind die Prognosen für heuer nach wie sehr volatil, wobei es keine Basis gibt, an der wir uns festhalten können. Dement­sprechend beschließen wir, bitte, diese Woche dieses Budget, in dem wir wichtige Mei­lensteine gefasst haben, nämlich mit vereinten Kräften innerhalb der Bundesregierung.

In der UG 20, Arbeit, stehen für 2020 rund 8,4 Milliarden Euro zur Verfügung. Die derzei­tigen Entwicklungen am Arbeitsmarkt sind noch nicht im Budget ausgewiesen, wir haben sie aber selbstverständlich beachtet, nämlich die höheren Ausgaben für das Arbeitslo­sengeld und auch jene für Menschen, die sich in der Notstandshilfe befinden. An dieser


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Stelle möchte ich meinen Dank allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Arbeitsmarkt­service aussprechen, die die Mammutaufgabe haben, einerseits die hohe Anzahl an Anträgen zur Kurzarbeit abzuwickeln und gemeinsam mit der österreichischen Bundes­buchhaltungsagentur zur Auszahlung zu bringen und zugleich dieser hohen Zahl an Menschen, die sich auf Arbeitsuche befinden, Existenzsicherung im Rahmen der Versi­cherung und durch die Auszahlung des Arbeitslosengeldes zu garantieren. – Dafür mei­nen herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Mein Ziel als Arbeitsministerin ist es auch, in dieser besonderen Zeit genügend und aus­reichend Geld für die arbeitsmarktpolitischen Instrumente zur Verfügung zu stellen. Dementsprechend stehen heuer im Budget auch 1,2 Milliarden Euro für AMS-Fördermit­tel zur Verfügung. Dazu gehören einerseits – was wir auch schon im Februar verkündet haben – 50 Millionen Euro für die älteren Arbeitsuchenden und andererseits zusätzliches Geld, das wir für Eingliederungsbeihilfen, arbeitsplatznahe Qualifizierungen, aber auch für Arbeitsstiftungen, die die Qualifizierung direkt in den Unternehmen mit den Menschen vornehmen können, in die Hand nehmen.

Es ist also ein Maßnahmenmix für verschiedene betroffene Zielgruppen und für ver­schiedene betroffene Branchen. Dazu zählt auch die überbetriebliche Lehre. Ich war erst gestern direkt in Kontakt mit den Menschen, die bei Jugend am Werk tätig sind. Sie sagen, wie wichtig und richtig es ist, ihrer Lehrausbildung nachzugehen und hoffen, in enger Beziehung die Lehrstelle in der Wirtschaft zu bekommen. Sie waren auch jetzt durch die Krise sehr kreativ, haben sehr schnell auf E-Learning umgestellt und zum Bei­spiel überschneidend zum Familienressort, zur Familiensektion, die Digi4School-Anwen­dung genutzt und sehr kreative, ganz schnelle Lösungen gefunden.

Die Mittel gelten weiters für Frauenprogramme, für Impulsprogramme für Betriebe oder auch für das Programm New Digital Skills. Insbesondere gilt es, gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen der Bundesregierung für die Jugendlichen ein Paket zur Ver­fügung zu stellen.

Die vor Kurzem beschlossene Erhöhung des Notstandshilfegeldes auf das Niveau des Arbeitslosengeldes wird im Juni wirksam. Die Menschen bekommen diesen höheren Be­trag mit der Juniauszahlung.

Einen weiteren Akzent haben wir ebenfalls gestern kommuniziert, nämlich den Neustart­bonus. Dabei geht es darum, dass es in verschiedenen Branchen und Unternehmen, in denen jetzt durch die wirtschaftliche Situation noch keine Vollauslastung herrscht, mög­lich ist, Menschen wieder anzustellen, die vielleicht noch nicht Vollzeit arbeiten können, aber die Unterstützung brauchen. Wir haben gesagt: Ja, wir unterstützen auch in den Branchen, in denen noch keine Vollzeitbeschäftigung möglich ist, sodass Menschen wieder Arbeit finden, wieder in die Arbeit gehen können und in Beschäftigung sind. Dies gilt es, mit einer Aufzahlung auf rund 80 Prozent des Bezuges vor der Arbeitslosigkeit zu unterstützen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Schon ein paarmal wurde die Wichtigkeit der Arbeitsinspektorinnen und Arbeitsinspekto­ren angesprochen. Über 300 Arbeitsinspektorinnen und Arbeitsinspektoren haben auch während der Krise sehr maßgeblich in den Beratungstätigkeiten, vor allem telefonisch oder auch online, unterstützt, damit der Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerschutz auch während der Krise garantiert ist, aber vor allem auch um jetzt beim Wiederhochfah­ren Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerschutzpakete gemeinsam mit den Unterneh­merinnen und Unternehmern zu erarbeiten – wie schaut es mit einem Schichtbetrieb aus, wie können die Abstände in den Pausenräumen eingehalten werden? –, sodass die Gesundheit am Arbeitsplatz weiterhin im Fokus steht und Maßnahmen eingehalten wer­den können. Mein herzliches Dankeschön geht an all jene, die sich da beteiligt haben, auch weiterhin beteiligen und sich tagtäglich engagieren. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)


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Ich kann Ihnen garantieren, dass wir uns – gemeinsam mit den vielen Expertinnen und Experten meines Ressorts, mit den Wirtschaftsforschungsinstituten, aber auch mit den weiteren Stakeholdern und in Gesprächen mit den Sozialpartnern, mit den Bundeslän­dern – den Arbeitsmarkt und seine Entwicklung ganz genau anschauen, damit wir sagen können, welche Zielgruppen besonders betroffen sind, welche Maßnahmen unterstüt­zen, um die Menschen so schnell wie möglich wieder in Arbeit, in Beschäftigung zu brin­gen. Es geht auch darum, neue Arbeitsplätze zu schaffen, zum Beispiel im Rahmen der Gemeindemilliarde, und zwar im Trilog: Gesundheit hat oberste Priorität, mit Blick auf die wirtschaftlichen Entwicklungen und die Arbeitsmarktentwicklungen arbeiten wir im Dialog ständig daran. Ich sage Ihnen, wir geben täglich und sehr oft auch nächtlich das Beste, um alles dafür zu tun. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Seit Beginn der Coronakrise hat es massive Auswirkungen auf alle Familien in diesem Land gegeben. Egal in welcher Konstellation die Familie gelebt wird und wo Kinder le­ben, ist es seit Beginn der Krise herausfordernd. Ich möchte mich an dieser Stelle herz­lich bei allen bedanken, die mit uns gemeinsam durchgehalten haben, nämlich bei den Eltern, bei den Müttern und Vätern, vor allem bei den Kindern und Jugendlichen, aber auch bei den Großeltern, die dieses Social Distancing ebenfalls akzeptiert haben. Ich weiß, es war und ist nicht einfach.

Ich habe selbst drei Kinder und kann Ihnen sagen: Neben den sehr vielen Frauen und Müttern, die jetzt natürlich Herausragendes und Großartiges leisten, gibt es auch Väter, die nun in besonders herausfordernden Situationen tätig sind – wie auch mein Mann, der sich um unsere drei Kinder kümmert und ohne Unterstützung der Großeltern durch die Krise gekommen ist. Mein Dank geht an alle Großeltern, die dieses Social Distancing mitgetragen haben. Das war nicht leicht, besonders, wenn sie sehr stark unterstützend tätig sind, mit den Enkelkindern in enger Beziehung stehen und selbstverständlich auch deren Entwicklung verfolgen.

Ich danke hier den Familien in allen Formen, die Großartiges in der Krise geleistet haben und auch weiterhin durchhalten. – Ein herzliches Dankeschön! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ich als Familienministerin kann Ihnen eines versichern: Wir als gesamte Bundesregie­rung sind für die Familien in Österreich da. Wir haben während der Krise und jetzt auch wieder beim Comeback von Österreich viele verschiedene Instrumente eingesetzt, so die Familienfonds, die heute schon angesprochen wurden, der Familienhärtefonds und der Familienkrisenfonds.

Die Sonderbetreuungszeit wurde von vielen Familien unterschiedlich angenommen, nämlich nicht nur drei Wochen am Stück, sondern sehr wohl in der Flexibilität, dass man es sich mit halben oder ganzen Tagen einteilen kann, um diese nicht nur Doppelbelas­tung, sondern Mehrfachbelastung mit Homeschooling, Homeoffice zu schaffen, zu Hau­se nicht nur die Kinder zu betreuen, sondern auch in Beziehung zu sein, Essen zu ko­chen, natürlich auch gemeinsam zu sein, qualitätsvolle Zeit zu haben und die Begegnun­gen noch achtsamer miteinander zu durchleben.

Da gilt mein großer Dank allen, die das liebevoll durchgehalten haben. Der Familienex­perte Jesper Juul sagt, die besten Eltern, die er kennt, machen bis zu 20 Fehler am Tag. Wir können daher auch stolz darauf sein, dass wir das so gut durch die Krise und auch jetzt beim schrittweisen Wiederhochfahren geschafft haben. Seien wir nicht zu streng mit uns selbst!

Für die vielen Studierenden haben wir das Toleranzsemester eingeführt, in dem die An­spruchsdauer der Familienbeihilfe garantiert ist, und auch für die Freiwilligen, die sich für den Zivildienst oder als Milizsoldaten gemeldet haben, wird die Familienbeihilfe ge­währleistet.


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Am Beginn der Krise haben sich viele Eltern bei uns gemeldet und haben gefragt: Wie tun wir jetzt mit den Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen? Ich traue mich nicht, zum Arzt zu gehen! – Wir haben sofort reagiert und selbstverständlich dafür gesorgt, dass das Kinderbetreuungsgeld zur Verfügung gestellt wird, auch wenn man den Nachweis nicht bringen kann, dass man bei den Untersuchungen war. Wir bitten, dementsprechend auch weiterhin in Kontakt mit den Ärzten zu sein.

Betreffend Gemeindemilliarde: Es wird jetzt investiert, auch in Kinderbetreuungsstätten, dabei sind auch die Gemeinden und die Länder in Kooperation mit uns gefordert. Ein herzliches Dankeschön an alle, die tagtäglich tätig sind, um unsere Kinder gut zu betreu­en, an alle Pädagoginnen und Pädagogen dieses Landes! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Um zu garantieren, dass der Unterhalt, der vielleicht durch Arbeitslosigkeit oder auch durch Kurzarbeit schwieriger zu bezahlen ist, unbürokratisch gesichert ist, ist bis 30. Juni gewährleistet, dass der Unterhaltsvorschuss auch ohne Exekutionsantrag bei Gericht genehmigt wird. Auch die Familienberatungsstellen – das ist mir ein besonderes Anlie­gen – leisten Großartiges in der Beratung. Es ist während dieser Mehrfachbelastung so wichtig, zu wissen: Ich kann jemanden anrufen, da heben Expertinnen und Experten ab, die mir zuhören! – Es ist ja gar nicht so leicht, wenn man den ganzen Tag die Kinder betreut, ein paar ruhige Minuten zu finden, um überhaupt in Kontakt zu kommen, aber alle, die dort tagtäglich tätig sind, waren sehr innovativ mit Telefonberatungen und haben auch Videoberatungen durchgeführt. Jetzt ist es wichtig, auch wieder die persönlichen Beratungen zur Verarbeitung dieser Krisenzeit mit den Kindern gemeinsam durchzu­führen. Ein herzliches Dankeschön an alle, die sich in den Familienberatungsstellen en­gagieren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Bezüglich des Budgets möchte ich festhalten, dass alle Familienleistungen garantiert und gesichert sind. Wir sind ein Familienland und wir können auch stolz darauf sein. Knapp 10 Prozent unseres Gesamtbudgets werden für Familienleistungen aufgewendet und kommen den Familien zugute. In der UG 25 stehen für 2020 für Familie und Jugend rund 7,4 Milliarden Euro zur Verfügung. Diese sind aufgeteilt in zwei Globalbudgets, nämlich den Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen und familienpolitische Maßnahmen und Jugend.

Im Globalbudget sind folgende Bereiche im Detailbudget untergliedert: Familienbeihilfe, Kinderbetreuungsgeld, Fahrtbeihilfe für die Schulen, Schulbücher und Transfers der So­zialversicherungsträger sowie die Unterhaltsvorschüsse.

Ich habe auch immer gesagt, dass es mir ein besonderes Anliegen ist, der Herausforde­rung der Betreuung im Sommer gerecht zu werden, mich dafür einzusetzen und auch zu garantieren, dass es möglich ist, diese durchzuführen. Wie das ausschauen wird, wer­den wir in den nächsten Tagen im Zuge eines Leitfadens bekannt geben, damit Pla­nungssicherheit gegeben ist. Danke an alle, die jetzt in den Ländern, aber auch in den Gemeinden schon am Organisieren und am Einteilen sind. Es sind ganz viele Ehrenamt­liche, die sich dabei engagieren. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Grünen.)

Was den Bereich der Jugendlichen betrifft, bin ich im sehr engen Kontakt. Während der Krise, aber auch jetzt beim Comeback für Österreich ist es wichtig, gerade mit den Ju­gendlichen richtig in Kontakt zu sein, zu informieren, aber auch zu beraten. Dementspre­chend stehen für jugendpolitische Maßnahmen heuer 8,9 Millionen Euro zur Verfügung, die eben auch die Förderungen nach dem Bundes-Jugendförderungsgesetz darstellen, den Aufwand für jugendpolitische Projekte beinhalten, aber auch die Zahlungen an die Beratungsstellen, wie beispielsweise die Beratungsstelle Extremismus.

Es werden verschiedene Initiativen und Stellen gefördert, drei Beispiele möchte ich kon­kret herausheben: zum einen das Österreichische Jugendportal, das auch eine groß­artige Leistung während der Krise erbracht hat, zum Beispiel mit den jugendlichen


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Reportern, die die Informationen sozusagen auf Peerebene aufbereitet und zur Verfü­gung gestellt haben – ich habe zwei Neffen, die sich gerade auf dem Weg in die Pubertät befinden, die haben immer wieder gerne die Informationen online genutzt und immer gewusst, was im Zuge der Coronakrise los ist –, zum anderen die Rat-auf-Draht-Hotline, die wir alle vielleicht auch noch aus unserer Jugendzeit kennen, bei der wir sehen, dass es während der Krise vermehrten Zuspruch gab. Da weiß man: Ich kann jemanden an­rufen, Expertinnen und Experten hören mir zu.

Als weiteres Beispiel möchte ich die Jugendorganisationen erwähnen, nämlich auch die Übersicht in der Bundesjugendvertretung, die immer gewährleistet war, aber auch den ehrenamtlichen Beitrag, das ehrenamtliche Engagement, das so viele Jugendliche jetzt während der Krise, aber auch weiterhin einbringen. Ich denke da nur an all die Jugend­lichen, die sich bei der Plattform Die Lebensmittelhelfer gemeldet haben, um mit anzupa­cken, damit wir unser frisches Gemüse und Obst verzehren und unseren Kindern geben können.

Durch den Ausbau der digitalen Jugendarbeit war es wichtig – auch während der Krise ‑, zu sehen, dass es dort, wo wir schon investiert haben, leichter möglich war, den Zugang zu den Jugendlichen zu behalten. Ich bitte, jetzt nicht aufzuhören, sondern weiter mit anzupacken und für die Jugendlichen in Österreich tätig zu sein!

Es liegen herausfordernde Wochen hinter uns, aber auch herausfordernde Wochen und Monate vor uns, und dementsprechend bitte ich Sie alle: Halten wir gemeinsam durch, gehen wir mit vereinten Kräften weiter voran, lassen wir unsere Ärmel hochgekrempelt! Wir haben am Arbeitsmarkt enorm viel zu tun. Wir geben tagtäglich und sehr oft nächtlich unser Bestes – mit den vielen Expertinnen und Experten, mit den Teams in unseren Häusern, aber auch gemeinsam mit den Arbeitsuchenden und zugleich den Menschen, die in Kurzarbeit sind, sowie den vielen Unternehmerinnen und Unternehmern –, um jetzt wieder im Trilog, mit Gesundheit als oberster Priorität, wirtschaftspolitisch und arbeits­marktpolitisch mit vereinten Kräften voranzugehen.

Ich glaube, es ist auch wichtig, dass wir da weiterhin unser Empathievermögen einset­zen – das Bild vom „Wächter der Empathie“ ist ja unten beim Eingang aufgehängt –, dass wir uns weiterhin in die verschiedenen Situationen, Lebenssituationen, Lebenspha­sen, aber auch in die verschiedenen Bereiche hineinfühlen und dass wir miteinander weiterhin mit Einfühlungsvermögen vorangehen und die richtigen Maßnahmen zur rich­tigen Zeit setzen.

Mit vereinten Kräften werden wir weiterhin durchhalten, aber auch alles dafür geben, dass es, auch wenn es anders ist, auch wieder gut wird. – Dementsprechend auch herz­lichen Dank für jeden einzelnen Beitrag von Ihnen und alles Gute! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

12.28


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Gudrun Kugler. – Bitte.


12.28.58

Abgeordnete Dr. Gudrun Kugler (ÖVP): Frau Präsidentin! Werte Bundesminister! Ich komme in dieser Untergliederung zum Thema Familie zurück und möchte mit einem Zitat eines deutschen liberalen Intellektuellen beginnen, und zwar des früheren Bundespräsi­denten Richard von Weizsäcker. Er hat über die Familie Folgendes gesagt: Eine Familie wird immer schwere Belastungen ertragen müssen. „Und doch erweist sie sich stets von neuem als wichtigste Quelle unserer Kraft. In ihr lernen wir die Probe des Lebens be­stehen.“

Das sind starke Worte. Die grüne Familiensprecherin Barbara Neßler hat auch gesagt, die Familie ist das Fundament unserer Gesellschaft. Wir haben in der Coronakrise ge­sehen, dass das stimmt, in der Coronakrise hat sich die Familie bewährt. Die Familie hat


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den Lockdown aufgefangen, und dennoch hat man den Eindruck, dass in der politischen Diskussion die Familie ganz oft in einen negativen Kontext gerückt wird und es heißt: Armutsfalle, Überlastung oder auch Gewalt. In der Politik muss man gerade Schwierig­keiten aufgreifen, aber wir wissen, dass Familie so viel mehr ist. Ja, die Politik greift diese Schwierigkeiten auf, und in diesem Budget und in den Wirkungszielen wird das auch ganz klar unterstrichen.

Herr Kollege Bernhard – jetzt sehe ich ihn nicht! –: Das ist kein Paralleluniversum. Ich freue mich, dass die NEOS und Herr Kollege Bernhard heute auch anerkannt haben, dass der Familienhärtefonds, den wir für die Coronakrise eingerichtet haben, ein guter ist (Abg. Heinisch-Hosek: Nicht für alle!), dass er für die Familien eine ganz große Hilfe ist und genau dieses Gap auffüllt, also das, was fehlt. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.)

Ich möchte noch ein Wort zum Thema Gewalt in der Familie sagen. Die Frauenministerin hat heute kurz darüber gesprochen und ich möchte es noch einmal unterstreichen: Wir haben in diesen letzten Monaten gesehen, dass die Anzeigen beziehungsweise die Be­tretungsverbote wegen Gewalt in der Familie kaum gestiegen sind. (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.) Laut den Zahlen, die die Frauenministerin heute genannt hat, gab es vor der Krise im Jänner 936 Fälle und im April, als das ganze Monat Lockdown war, waren es 1 075. Das sind 1 075 Fälle zu viel, aber ich möchte nur sagen, dass sich die Familie auch in der Krise bewährt. (Beifall bei der ÖVP.)

Ein letzter Gedanke zu den Wirkungszielen im Budget: Das Institut für Demographie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften hat kürzlich eine Studie veröffentlicht, die zeigt, dass der Kinderwunsch und dessen Realisierung sehr stark auseinanderklaf­fen, nämlich um bis zu 0,5 Kinder. Jetzt muss man sich nicht 0,5 Kinder vorstellen, aber statistisch ist das eine große Zahl. Und das ist insbesondere in den Städten stark aus­geprägt. Ich glaube, wenn wir heute auf Österreich und die Regionen in Österreich bli­cken, sehen wir bereits Regionen mit rückläufiger Bevölkerungsentwicklung. Das heißt, dass Ärzte und Schulen, aber auch Supermärkte ihre Dienste einstellen, weil sie sagen, da gibt es gar nicht mehr genug Leute. Ich glaube, auch darüber müsste man in unserem Parlament reden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein wertschätzender Diskurs über Familie macht Mut. Ein familienorientiertes Budget entlastet Familien, denn die Familie ist die „wichtigste Quelle unserer Kraft“ – um noch einmal zu Richard von Weizsäcker zurück­zukommen –, in der „wir die Probe des Lebens bestehen“. – Vielen Dank! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

12.32


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Peter Wurm. – Bitte.


12.32.58

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Frau Präsidentin! Werte Regierungsmitglieder! Frau Minister Aschbacher! Ich möchte heute bei Ihnen einmal mit einem Lob anfangen. Ich konnte gestern Ihre Kollegin Wirtschaftsministerin Schramböck nicht überzeugen, die Maske abzunehmen, aber ich bin froh, dass Sie als Arbeitsministerin ein Zeichen der Normalität setzen und ohne Maske hier sitzen. Das finde ich sehr gut! Ich hoffe, es folgen Ihnen möglichst bald alle Ihre Regierungskollegen. (Beifall bei der FPÖ.) Sie sind ja ohne Maske ein wesentlich angenehmerer Anblick als mit Maske. – Das darf ich noch anfügen.

Jetzt aber zurück zu den harten Fakten: Es war gestern eine dramatische Sitzung im Sozialausschuss. Wir kratzen an der Grenze von 1,9 Millionen Menschen in Arbeitslo­sigkeit oder in Kurzarbeit. Frau Kollegin Graf, weil Sie das auch noch einmal so explizit erklärt haben: Diese 1,9 Millionen Menschen in Österreich mit ihren Familien haben eine


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Gemeinsamkeit, sie haben deutlich weniger Geld in ihrer Brieftasche oder am Konto – 1,9 Millionen Menschen, inklusive Familien!

Frau Minister, genau das ist der zentrale Punkt. Da müssten Sie meiner Meinung nach wesentlich aktiver sein, weil das volkswirtschaftlich katastrophal ist. Sie müssen sich et­was überlegen, und zwar keine Placebos!

Frau Minister, den Vorwurf kann ich Ihnen nicht ersparen: Sie haben damals Mitte März den Plan, der die Kurzarbeit betrifft, mit 400 Millionen Euro gestartet. Jetzt liegen wir, glaube ich, bei 13 Milliarden Euro. Sie und die Regierung haben offensichtlich mit Ex­perten ein Problem, denn wenn Ihnen Experten 400 Millionen Euro genannt haben und wir jetzt bei 13 Milliarden Euro sind, kann ich mir ungefähr ausmalen, was man von den restlichen Expertenmeinungen halten kann.

Konjunkturbelebung sichert Arbeitsplätze. Das ist meiner Meinung nach das Wichtigste, was Sie in Angriff nehmen sollten, Frau Minister. Sie haben heute in Ihrer Rede mehr­mals das Comeback von Österreich erwähnt, das dürfte der neue Marketinggag der Re­gierung sein. Wir haben ja schon viele solche Sprüche gehört: „Koste es, was es wolle“, wir retten jedes Menschenleben und, und, und. (Ruf bei der ÖVP: Na und!) Der neue Spruch – offensichtlich von einer sehr guten Werbeagentur – ist jetzt: das Comeback von Österreich.

Frau Minister, wenn Sie einen Sportler zum Thema Comeback fragen, dann wird er Ih­nen zwei Dinge sagen, weshalb er ein Comeback überhaupt in Erwägung zieht: perfekte Vorbereitung und der absolute Wille, es zu schaffen, wieder zurückzukommen. Beide Dinge, Frau Minister, sehe ich in Ihrem Ministerium und leider Gottes auch in der Regie­rung nicht. Was überhaupt nicht funktionieren kann, ist ein Comeback mit Angst. Keiner wird mit der Angst im Hinterkopf ein Comeback auf der Streif probieren. Das müssen Sie und sollten Sie, auch im Sinne Ihrer wichtigsten Aufgabe des Arbeitsmarktes, ganz, ganz dringend ablegen. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich muss es noch einmal sagen (ein Schriftstück in die Höhe haltend): Das werden die Regierungsfraktionen heute beschließen, das ist der Abänderungsantrag zum Budget. Wir diskutieren auch bei Ihnen alte Zahlen. Frau Minister, was jetzt vorgelegt wird – es betrifft auch den Arbeitsmarkt –, kann man einfach zerreißen. (Der Redner zerreißt das von ihm in die Höhe gehaltene Schriftstück.) Alles, was hier drinnen steht, entspricht überhaupt nicht der Realität, es korreliert auch in keiner Weise mit den Programmen, die Sie anbieten, also mit Härtefallfonds, Kurzarbeit und, und, und. Wenn Sie das zusam­menzählen, kommen Sie auf 48 Milliarden Euro, da stehen 20 Milliarden Euro. Von den Einnahmen, die wir nicht haben werden, rede ich noch gar nicht.

Das heißt, wie Sie da bei diesem Abänderungsantrag arbeiten, so ist leider auch die Arbeit der Regierung in der Krise. Sie haben ein Blutbad am Arbeitsmarkt hinterlassen, wir haben die soziale Krise. Bitte, Frau Minister, kommen Sie in die Gänge! – Danke. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

12.37


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Corinna Scharzenber­ger. – Bitte.


12.37.36

Abgeordnete Mag. Corinna Scharzenberger (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geschätz­te Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Lassen Sie mich zu Beginn meiner Rede eines festhalten: Es ist eine Krisenzeit, das darf man nicht vergessen, und in dieser Gesund­heitskrise steht der Schutz der österreichischen Bevölkerung an oberster Stelle. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Unsere Bundesregierung leistet in dieser Krisenzeit hervorragende, über die Grenzen hinaus gelobte Arbeit, sodass Österreich im internationalen Vergleich gut dasteht. (Abg.


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Kickl: Ich warte schon auf den ...! Der wird sich auch bald zu Wort melden!) – Herr Kickl, lassen Sie mich bitte ausreden, ich lasse Sie auch immer ausreden! (Abg. Kickl: Ja, ja!) – Und diese ganzen Versuche, dem Virus ein politisches Mascherl umzubinden oder Klagemöglichkeiten gegen die Republik zu suchen, stoßen mir wirklich sauer auf. (Zwi­schenruf der Abg. Belakowitsch.) Da das Virus aber keine Zustelladresse hat, scheint es für viele der einzig richtige Weg zu sein. – Wie auch immer.

Viel wichtiger als die Suche nach Schuldigen wäre, nach Lösungen zu suchen, und somit komme ich zum Inhalt meiner eigentlichen Rede. Eine Lösung für die Aufrechterhaltung vieler Betriebe war während der Krise der Einsatz von Homeoffice. So haben viele Ver­antwortliche auch bemerkt, dass ihre Mitarbeiter von zu Hause aus genauso effizient arbeiten und dass auch Besprechungen und Meetings via Telefon, via Zoom oder via Skype abgehalten werden können. (Zwischenruf des Abg. Stöger.)

Durch dieses stärkere Setzen auf Homeofficelösungen können ländliche Regionen wie­der vermehrt als Lebensmittelpunkt in Betracht kommen. So können wir dazu beitragen, den Bevölkerungsrückgang in diesen Regionen einzudämmen. Die junge Generation hat eben diese Anforderungen an den Arbeitgeber, damit ihr Lebensmittelpunkt wieder am Land ist. Dazu müssen halt die Rahmenbedingungen passen. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Nutzen wir die Homeofficemöglichkeiten, nutzen wir den Breitbandausbau und nutzen wir die fortgeschrittenen technischen Möglichkeiten als Chance für den ländlichen Raum! – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

12.39


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Eva Maria Holzleit­ner. – Bitte.


12.39.55

Abgeordnete Eva Maria Holzleitner, BSc (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Kolleginnen und Kollegen! Da vorhin Schulbuchaktion und SchülerInnenfreifahrt als Kinder- und Jugendmaßnahmen der Bundesregierung angepriesen wurden, kann ich von der Opposition nur einem Bundesregierungsmit­glied a. D. danken: Danke, Bruno Kreisky, für das Erreichen dieser tollen Maßnahmen! (Beifall bei der SPÖ.)

Kommen wir zum Thema: Kinder- und Jugendorganisationen leisten wirklich einen her­vorragenden gesellschaftlichen Beitrag. Wir haben das schon mehrfach gehört. Sie tragen alle Maßnahmen mit, sie engagieren sich ehrenamtlich für Nachbarschaftshilfe, Zivildienst et cetera, haben Onlinediskussionen und sonstige digitale Formate, die Teil­habe ermöglichen, und übererfüllen Jahr für Jahr die Wirkungsziele, die das Bundesmi­nisterium vorschreibt. Das analysiert auch der Budgetdienst.

Während des Lockdowns waren wirklich auch die Kinderrechte massiv eingeschränkt. Wir dürfen nicht vergessen, dass auch Kinder Rechte haben. Ich möchte in dem Zusam­menhang an das UN-Kinderrechtehearing in Genf erinnern, das kürzlich stattgefunden hat. Die List of Issues zeigt uns wirklich einige Baustellen auf, wo wir weiter für Kin­derrechte kämpfen müssen, was wir noch umsetzen müssen, damit sie in Österreich auch wirklich voll wirksam werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Gerade deshalb macht mich der herrschende Umgang mit Kinder- und Jugendorganisa­tionen ein bissel traurig. Seit 2001 gab es keine Indexanpassung der Bundesjugendför­derung. Das bedeutet einen Verlust von 40 Prozent der finanziellen Mittel, und das ist wirklich ein sehr, sehr großes Gap. Gleichzeitig sind noch viele Aktivitäten wie Ferien­camps der PfadfinderInnen, der Kinderfreunde, Roten Falken weiterhin on hold, weil ein­fach die Vorgaben noch fehlen, ob und wie solche Camps durchgeführt werden dürfen.


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In der Wertschätzung des ehrenamtlichen Engagements sind wir uns ja wirklich durch die Bank einig, dass das etwas Wertvolles, etwas Großartiges ist. Bei einem Lippenbe­kenntnis darf es da einfach nicht bleiben, weshalb ich folgenden Antrag einbringe:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend „jähr­liche Valorisierung der Bundesjugendförderung“

Der Nationalrat möge beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Ju­gend wird aufgefordert einen Gesetzesvorschlag dem Nationalrat vorzulegen, der eine jährliche Indexanpassung der Bundesjugendförderung verankert.“

*****

Insbesondere möchte ich auch die Grünen einladen, da mitzugehen. 2014 hat ein viel­leicht noch bekannter Kollege, Julian Schmid, einen ähnlich lautenden Antrag einge­bracht. Es wäre also eine wirklich gute Aktion, da mitzugehen.

Ich möchte betonen: Wann ist die Zeit, für Kinderrechte zu kämpfen, wenn nicht jetzt? Und wann, wenn nicht jetzt, ist auch die Zeit, die Kinder- und Jugendförderung entspre­chend anzupassen? – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Shetty.)

12.42

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Eva Maria Holzleitner, BSc,

Genossinnen und Genossen

betreffend jährliche Valorisierung der Bundesjugendförderung

eingebracht im Zuge der Debatte zum TOP 7 Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (55 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvor­anschlages für das Jahr 2020 (Bundesfinanzgesetz 2020 — BFG 2020) samt Anla­gen (183 d.B.) — UG 25 Familie und Jugend

Kinder- und Jugendorganisationen leisten seit Jahrzehnten wertvolle Arbeit in den ver­schiedensten Bereichen und das überwiegend ehrenamtlich. Ziel dieser Tätigkeiten sind die „Förderung von Maßnahmen der außerschulischen Jugenderziehung und Jugendar­beit, insbesondere zur Förderung der Entwicklung der geistigen, psychischen, körperli­chen, sozialen, politischen, religiösen und ethischen Kompetenzen von Kindern und Ju­gendlichen.“1

Im Regierungsprogramm von Schwarz-Grün wird mehrfach auf die Wichtigkeit des Eh­renamtes verwiesen. Diese Wertschätzung darf kein Lippenbekenntnis bleiben, sondern muss auch in die Tat umgesetzt werden. Die Indexanpassung der Bundesjugendförde­rung ist längst überfällig!

Die notwendige Erhöhung der Fördermittel stellt auch eine Sicherstellung der Kinder- und Jugendarbeit dar, die gerade in Zeiten der Krise oftmals den letzten Rettungsanker zu sozialen Kontakten im digitalen Raum für Kinder und Jugendliche darstellt. Auch die Bundesjugendvertretung, als gesetzlich verankerte Vertretung aller Kinder und Jugendli­chen in Österreich, kritisierte mehrfach das Vergessen der Valorisierung der Fördermittel –


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nicht zuletzt nach der Verkündigung des neuen Regierungsprogrammes. Seit Jahren erfüllen die Tätigkeiten im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit die seitens des Minis­teriums festgeschriebenen Vorgaben in den Wirkungszielen, zuletzt auch nachzulesen in der Analyse des Budgetdienstes zum Budget 2020, Untergliederung 25. Auch auf­grund dieser Tatsache ist die Anpassung der finanziellen Ausstattung mehr als not­wendig.

Die Förderungen für Kinder- und Jugendorganisationen sind seit 2001, also mit der Einführung des Bundes-Jugendförderungsgesetzes, nicht erhöht bzw. indexangepasst worden. Das führt seit nunmehr beinahe 20 Jahren zu einem Verlust von rund 40 % der finanziellen Mittel.2 Ein untragbarer Zustand und Geringschätzung für die hervorragende, systemrelevante Arbeit, die von den Organisationen geleistet wird!

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat möge beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Ju­gend wird aufgefordert einen Gesetzesvorschlag dem Nationalrat vorzulegen, der eine jährliche Indexanpassung der Bundesjugendförderung verankert.“

1https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=20001058 (dl :19.5.2020)

2https://www.katholische-jugend.at/blog/40-verlust-fuer -kinder-und-jugendorganisationen-ausgleichen/(dI:19.5.2020)

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Alexandra Tanda. – Bitte.


12.43.09

Abgeordnete Ing. Mag. (FH) Alexandra Tanda (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Werte Zusehe­rinnen und Zuseher! Es wurde bereits einiges von meinen Vorrednerinnen und Vorred­nern gesagt, und das kann ich alles unterstützen. Dieses Budget stellt den notwendigen Rahmen für die familienpolitischen Maßnahmen zur Verfügung. Ich möchte aus dem Globalbudget besonders das Detailbudget für Unterhaltsvorschüsse hervorheben.

Familie ist nicht nur das klassische Modell Mutter, Vater, Kind; Familie ist auch die Allein­erzieherin und manchmal auch der Alleinerzieher, die oder der auf Unterhaltszahlungen angewiesen ist. (Zwischenruf der Abg. Brandstötter.) Durch die Coronakrise wurde die zum Teil schwierige Lage von AlleinerzieherInnen wieder besonders deutlich. Im un­glücklichsten Fall verlieren beide Elternteile unverschuldet ihren Job, und so entfällt ne­ben dem eigenen Einkommen auch noch das dringend benötigte Unterhaltsgeld. Daher war es der einzig richtige Weg der Bundesregierung, in dieser Zeit einen erleichterten Zugang zu Unterhaltsvorschüssen zu beschließen. Dafür möchte ich mich im Namen aller betroffenen Alleinerzieherinnen und auch Alleinerzieher, denn die gibt es auch, au­ßerordentlich bedanken. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Die Budgetierung der Unterhaltsvorschüsse seitens des Bundes mit rund 138 Millionen Euro ist besonders für unsere Kinder und im Sinne unserer Kinder von großer Bedeu­tung. Ich möchte betonen, sie liegt 2,5 Millionen Euro über dem Erfolg aus 2019 – also


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keine Kürzungen. Diese Mittel sind zur Deckung der notwendigen Ausgaben für die Kinder unerlässlich. Natürlich ist es notwendig, demgegenüber auch eine konsequente und zielgerichtete Einbringung der geleisteten Vorschüsse von circa 65 Prozent – nach Maßgabe der Wirtschaftslage – aufrechtzuerhalten.

In meiner Wahrnehmung trägt das Budget eine klare Handschrift zum Wohle unserer Kinder. Wir schaffen damit die notwendige finanzielle Sicherheit, und dafür möchte ich mich noch einmal außerordentlich bedanken. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

12.45


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Maximilian Köllner. – Bitte.


12.45.41

Abgeordneter Maximilian Köllner, MA (SPÖ): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn ich auf meine Kindheit zurückblicke, dann empfinde ich vor allem eines, nämlich Dankbarkeit – Dankbarkeit gegenüber meinen Eltern und Ge­schwistern, dass ich in einer intakten Familie aufwachsen durfte. Frau Ministerin, es gibt aber leider auch andere Fälle, daher muss in einigen Bereichen der Familienpolitik drin­gend der Hebel angesetzt werden.

Zum Ersten ganz aktuell, und ich habe Sie im Ausschuss schon darauf angesprochen: Das Budget für Unterhaltsvorschüsse muss aufgrund der Coronakrise dringend aufge­stockt werden, denn viele Zahlungspflichtige sind zurzeit nicht in der Lage, den Zahlun­gen nachzukommen. Zudem müssen Sie in der Abwicklung einen Gang zulegen, da Betroffene in Zeiten wie diesen das Geld noch dringender brauchen. (Beifall bei der SPÖ.) Schieben Sie das bitte nicht auf die lange Bank, sonst lassen Sie diese Menschen im Stich!

Zum Zweiten: Wenn kleine Kinder verwahrlosen, Opfer häuslicher Gewalt werden oder Eltern mit ihrer Drogensucht kämpfen, dann springen Krisenpflegeeltern ein und geben den Kindern Vertrauen und Liebe. Die Entschädigung ist allerdings nicht hoch, Pflege­geld gibt es nur im Nachhinein. Das heißt, Kleidung, Medizin, Essen, Spielzeug, das alles bezahlen die Krisenpflegeeltern selbst. Die Ibizakoalition von ÖVP und FPÖ hat im Vorjahr ein Gesetz aus dem Ärmel geschüttelt, durch das viele Krisenpflegeeltern gar kein Geld mehr erhalten, weil sie es erst nach 90 Tagen bekommen würden. Liebe Kolle­gen der ÖVP, das ist keine Hilfe, sondern ein Schmäh, was man erkennt, wenn man bedenkt, dass Kinder im Schnitt nur sechs bis acht Wochen bei ihrer Notfallfamilie sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Dieses Gesetz muss daher schleunigst repariert werden. Eltern steht das Betreuungs­geld schon ab dem ersten Tag zu. Dieses Urteil hat auch der Oberste Gerichtshof gefällt. Also bitte, Frau Ministerin, seien Sie doch dankbar, dass es Menschen gibt, die ein derart großes Herz haben, und werden Sie in dem Bereich rasch aktiv!

Zum Abschluss erlauben Sie mir noch einen kleinen Sidestep in den Bereich der Pflege, weil Minister Anschober schon hier ist: Betreuung und Pflege, insbesondere von älteren Personen, stellt viele Familien vor organisatorische, finanzielle, aber auch emotionale Herausforderungen. Im Burgenland zum Beispiel hat Landeshauptmann Hans Peter Doskozil in Zusammenarbeit mit dem zuständigen Landesrat Illedits mit dem Zukunfts­plan Pflege ein Angebot geschaffen, dass sich pflegende Angehörige zum Mindestlohn von 1 700 Euro netto beim Land anstellen lassen können. Das ist ein familienpolitischer Meilenstein, der im Wesentlichen aus drei Beweggründen gesetzt wurde: erstens, um diese Personen sozialversicherungsrechtlich abzusichern; zum Zweiten, um den pflege­bedürftigen Personen den Verbleib zu Hause zu ermöglichen; und drittens, um durch die Ausbildungsmöglichkeit mittelfristig auch zusätzliches Personal für den Pflegebereich zu


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gewinnen. Das Burgenland hat im Bereich der Pflege mutig einen neuen Weg be­schritten. Ich denke, es ist höchste Zeit, dass sich auch die Bundesregierung da ein Beispiel nimmt und neue Wege geht, die den Anforderungen der Gegenwart und der Zukunft gerecht werden. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.48


Präsidentin Doris Bures: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abge­ordnete Selma Yildirim zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Abgeordnete.


12.49.03

Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Abgeordneter Loacker hat in seiner Rede behauptet, dass sich die Volkshilfe im Zusammenhang mit den Kurzarbeitsregelungen nicht an die Regeln hält. Wörtlich hat es geheißen: „Verfehlungen und werden bei den Kontrollen Überschrei­tungen entdeckt.“ – Das ist unrichtig.

Der richtige Sachverhalt ist: Es gab eine routinemäßige, durch die Bundesabgabenord­nung gedeckte Kontrolle seitens der Finanzpolizei. Es wurden Feststellungen getroffen, aber keinesfalls Überschreitungen von Gesetzesbestimmungen und keinesfalls Verfeh­lungen festgestellt.

Herr Loacker, Sie sind Sozialpolitiker bei den NEOS, bei den Liberalen. Ich ersuche Sie trotzdem, auch wenn Sie bei den Liberalen sind, eine Einrichtung, die vor allem in der Krise Wichtiges geleistet hat, nicht zu diffamieren (Abg. Loacker: War alles okay? Das ist die Frage!) – ja! – und nicht in Misskredit zu bringen. – Ich danke. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Michael Hammer: Volkshilfe-Verteidigung ist tatsächliche ...? – Abg. Leicht­fried: Also ob der Herr ... eine Sozialpolitik der ... fährt, müssen wir noch einmal disku­tieren!)

12.50


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Bettina Zopf. – Bitte.


12.50.30

Abgeordnete Bettina Zopf (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Ministerin! Geschätz­ter Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher zu Hause vor den Fernseh­bildschirmen! Vor allem aber liebe Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer! Ich weiß nicht, ob Sie am Dienstag die Nationalratssitzung aufmerksam verfolgt haben, mir ist aber ei­nes besonders in Erinnerung geblieben: Kollegin Heinisch-Hosek hat vorgestern in ihrer Rede wieder einmal die Erhöhung des Arbeitslosengeldes gefordert (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), und Gewerkschaftskollege Muchitsch hat heute zum sechsten Mal die Erhöhung beantragt. (Die Abgeordneten Heinisch-Hosek und Kollross: Richtig!)

Diese Forderung ist für mich als Arbeitnehmervertreterin nachvollziehbar. Ich bin jedoch nicht realitätsfremd, daher weiß ich, dass ein Sozialstaat so nicht funktionieren kann. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ihre Forderungen von heute sind die Steuergelder von morgen. (Abg. Heinisch-Ho­sek: ... Steuer!) Das ist hart verdientes Geld der Österreicherinnen und Österreicher. Damit müssen wir sorgsam umgehen. Mir scheint, es wäre angebracht, das neue Motto der SPÖ offenzulegen: Land der Berge, Land der Äcker, wer wos orbeit, hot an Pecka! – Das kann es nicht sein! (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP. – Abg. Silvan: Unglaublich! – Ruf bei der SPÖ: Wahnsinn! – Zwischenruf des Abg. Kollross.)

Österreich ist ein Sozialstaat, und jeder, der unverschuldet in eine Notlage kommt, wird unterstützt. (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich habe selbst 15 Jahre im Sozial­amt einer Marktgemeinde gearbeitet. Österreich hat auch schon vor Corona alle, die sich selbst, aus welchen Gründen auch immer, nicht versorgen können, unterstützt. Das war nur möglich, weil viele Menschen in unserem Land arbeiten gegangen sind, Steuern


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gezahlt haben, und das sollte auch jetzt wieder unser Ziel sein. (Abg. Heinisch-Hosek: Sag das den ...! – Abg. Kollross: ... im März ... Arbeitslosen...!)

Liebe Gewerkschaftskollegen von der SPÖ! Sozialpartnerschaftlich wurde von euch ge­meinsam mit der Wirtschaft das Modell der Kurzarbeit erarbeitet. Welches Zeichen wol­len Sie jetzt mit der Erhöhung des Arbeitslosengeldes setzen? (Abg. Greiner: Unglaub­lich!) Gerade als Arbeitnehmervertreterin stehe ich ganz klar dazu: Arbeit muss sich loh­nen! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek. – Ruf bei der SPÖ: Unglaublich!)

Ihre Forderungen sind einfach überzogen und gegenüber unseren Kindern und Enkelkin­dern unverantwortlich. Mit diesem Budget sichern wir zahlreiche Projekte, die eine hohe Beschäftigung nach der Krise gewährleisten. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Die ÖVP re­präsentiert einen Schulterschluss zwischen Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Landwirt­schaft. (Abg. Belakowitsch: ... ist die Krise vorbei! – Abg. Kollross: Wir sind Gott sei Dank ...!)

Die Bevölkerung versteht es – im Gegensatz zur Opposition (Beifall bei der ÖVP) –: Ar­beit ist Perspektive, Arbeit ist Lebensinhalt. Dafür steht die Bundesregierung. (Zwischen­rufe bei der SPÖ.) Wir werden alles daransetzen, dass nach der Krise wieder möglichst viele Menschen einen Arbeitsplatz haben! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Kollross: Ihr habt sie arbeitslos gemacht! – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

12.53


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter An­dreas Hanger. – Bitte.


12.53.55

Abgeordneter Mag. Andreas Hanger (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Werte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Ich darf am Ende der Debatte zu UG 20, Arbeit, und UG 25, Familie und Jugend, einen Abänderungsan­trag der Abgeordneten Gabriel Obernosterer, Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA, Kolleginnen und Kollegen zum Entwurf eines Bundesgesetzes über die Bewilligung des Bundesvor­anschlages für das Jahr 2020 einschließlich Covid-19-Krisenbewältigungsmaßnah­men, Bundesfinanzgesetz 2020, samt Anlagen in 55 der Beilagen einbringen. (Abg. Leichtfried: Ist eh rechtzeitig!) – Danke für den Hinweis. (Abg. Leichtfried: Bitte!)

Bevor ich die Änderung in den Grundzügen erläutere, darf ich einmal ganz grundsätzlich festhalten, dass ich die bisherige Debatte über diesen Abänderungsantrag (Abg. Koll­ross: ... zum Abänderungsantrag!), Entschuldigung, zum Abänderungsantrag – es hat ja heute auch schon eine Geschäftsordnungsdebatte gegeben – eigentlich – welchen Begriff verwende ich jetzt? – für lächerlich erachte. Das ist maximal Oppositionsgetöse und maximal ein Sturm im Wasserglas, und ich darf das auch inhaltlich begründen. (Bei­fall bei der ÖVP. – Zwischenrufe der Abgeordneten Kollross und Scherak.)

Im Wesentlichen geht es um zwei Änderungen (Zwischenruf bei der SPÖ) – jetzt bitte gut aufpassen! –, und um das zu sehen, muss man eine Budgetpyramide verstehen. In Österreich wie in vielen anderen Ländern auch (Zwischenrufe des Abg. Kollross) be­steht ein Budget aus einer Rubrik, eine Rubrik besteht aus mehreren Untergliederungen, eine Untergliederung besteht aus mehreren Globalbudgets und ein Globalbudget be­steht aus mehreren Detailbudgets. Die bisherige Ermächtigung an den Finanzminister, 28 Milliarden Euro, stand natürlich in einer Untergliederung; allerdings, und das ist rich­tig, standen diese 28 Milliarden Euro nicht in einem Detailbudget. (Zwischenruf der Abg. Greiner.) Okay, jetzt schreiben wir halt die 28 Milliarden Euro auch in ein Detailbudget, und damit ist der erste Abänderungsantrag erledigt. – Oh, du mein glückliches Öster­reich, seien wir froh, dass wir keine anderen Probleme haben! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Kollross.)


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Das Zweite – ich komme noch einmal auf die 28 Milliarden Euro zu sprechen –: eine Ermächtigung an den Bundesfinanzminister, die notwendigen Hilfsmaßnahmen natürlich im Rahmen sehr strenger Richtlinien zu leisten; und diese 28 Milliarden Euro werden jetzt auf vier Rubriken aufgeteilt. (Zwischenruf der Abg. Greiner.) Das heißt, aus einer Zahl – 28 Milliarden Euro – machen wir vier Zahlen. Das ist der gesamte Inhalt des Ab­änderungsantrages, und diese große Aufregung darüber kann ich beim besten Willen nicht verstehen, weil doch ganz klar ist – Herr Kollege Leichtfried, passen Sie ein biss­chen auf! –, dass die Ausgaben nicht seriös prognostizierbar sind. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich bringe Ihnen drei Beispiele. Ich nenne das Beispiel Kurzarbeit: Dafür gibt es Gott sei Dank mittlerweile einen Finanzrahmen von 12 Milliarden Euro (Abg. Leichtfried: ... auch nicht seriös!), beantragt sind 10 Milliarden Euro, was es aber am Ende des Tages wird, wissen wir nicht, denn es ist beantragt. Und ganz ehrlich: Hoffen wir gemeinsam, dass die Menschen die Kurzarbeit nicht brauchen werden, nämlich in zweierlei Hinsicht: Dann sind sie erstens in Beschäftigung und zweitens entlastet es auch den Staatshaushalt. Das, was am Ende des Tages herauskommt (Zwischenrufe bei der SPÖ) – der Schutz­schirm wurde gespannt –, was es da benötigt, wissen wir ganz einfach noch nicht, es lässt sich nicht seriös abschätzen.

Zweites Beispiel, Stundungen: Mittlerweile gibt es um 6 Milliarden Euro mehr Liquidität in der Wirtschaft – bis Ende September. (Zwischenruf des Abg. Einwallner.) Das ist na­türlich momentan noch nicht budgetwirksam, aber wenn die Stundungen in das neue Jahr rübergehen, weil es notwendig ist, dann wird das natürlich budgetwirksam. Das ist aber heute, und das sagt jeder Wirtschaftsforscher, nicht seriös abschätzbar. (Ruf bei der SPÖ: ... Stundungen!)

Drittes Beispiel, Garantien und Haftungen: Das ist ganz, ganz wichtig für die österrei­chische Wirtschaft, für einzelne Unternehmen: Der Staat hat Garantien gegeben. Jeder, der das Instrument ein bisschen versteht, weiß aber: Das bedeutet noch keine Liquidität, sondern wird erst dann schlagend, wenn der Haftungsfall eintritt – und das kann man seriös derzeit nicht einschätzen. Die Ausgabensituation ist also ganz klar nicht ein­schätzbar. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.)

Wichtig im Zusammenhang mit den 28 Milliarden Euro sind all diese wichtigen Program­me, diese sind umzusetzen. Das will ich jetzt nicht länger aufzählen.

Ein Gedanke ist mir auch noch sehr wichtig, bevor ich dann zur Einnahmenseite komme: Spannend finde ich, dass das Budget, das Mitte März ins Parlament eingebracht worden ist, gar nicht diskutiert wird. Da sind ganz, ganz wichtige Ausgaben drinnen. Offensicht­lich ist auch dort die Ausgabenstruktur eine sehr, sehr gute und wird breit mitgetragen.

Dann kommt immer das Argument: Na ja, die Einnahmen können wir ja zumindest zu­rücknehmen. – Auch da gilt aber: Es gibt keinen seriösen Wirtschaftsforscher, der derzeit in der Lage ist, das tatsächliche Wachstum (Zwischenruf des Abg. Vogl) – es wird ein Minuswachstum werden – zu prognostizieren. Jeder, der nur ein bisschen einen wirt­schaftlichen Hausverstand hat, weiß: Wenn man die Prognosen nicht kennt, kann man auch nicht prognostizieren, um wie viel weniger Steuereinnahmen wir haben werden. (Präsident Hofer übernimmt den Vorsitz.)

Das heißt, die gewählte Vorgangsweise ist eine sehr gute, sehr richtige. Wir haben den Rettungsschirm über die österreichische Volkswirtschaft gespannt. Wir haben die tech­nischen Möglichkeiten, diese Hilfe auch zu den Menschen zu bringen. Und ganz ehrlich: Bei aller technischen Diskussion über Globalbudgets und Detailbudgets bleibt das Wich­tigste immer noch, dass die Hilfe bei den Menschen ankommt (Abg. Greiner: Wo ist sie?) und dass wir die technischen Grundlagen dafür haben. Die Programme sind längst da. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)


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Abschließend zu den Einnahmen, ich sage es Ihnen ganz ehrlich – und ich glaube, das habe ich erläutern können, und ich denke, da kann man zustimmen –: Es ist seriös nicht prognostizierbar, aber, bitte, das Wichtigste ist, dass wir die Maßnahmen finanzieren können, die da auf uns zukommen. Entscheidend wird sein, zu welchen Zinssätzen wird das Fremdkapital auf internationalen Märkten aufgenommen werden können. Da bin ich schon sehr stolz, dass man kurzfristige Anleihen nach wie vor mit Minuszinsen finan­zieren kann, auch langfristige Anleihen zu einem sensationellen Zinssatz. Das zeigt die Stärke der österreichischen Volkswirtschaft.

Wir haben eine gute Grundlage dafür, die Krise zu bewältigen, und wir haben auch das technische Instrument dafür geschaffen, es zu tun. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – (Abg. Leichtfried: ... das sehe ich schon ein ...!)

13.00

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Gabriel Obernosterer, Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA,

Kolleginnen und Kollegen

zum Entwurf eines Bundesgesetzes über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2020 einschließlich COVID-19-Krisenbewältigungsmaßnahmen (Bundesfinanz­gesetz 2020 – BFG 2020) samt Anlagen (55 d. B) unter Berücksichtigung der dem Aus­schussbericht angeschlossenen Änderungen (183 d.B.)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Antrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der oben bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

1. In Artikel I lautet die Tabelle wie folgt:

 

„Allgemeine Gebarung

Geldfluss aus der Finanzierungstätigkeit

Auszahlungen

102 389,239

118 495,269

Einzahlungen

 81 790,776

139 093,732

Nettofinanzierungsbedarf

 20 598,463

 

Finanzierungsüberschuss

 

 20 598,463“

2. Der Artikel V. Z 4 lautet wie folgt:

„4. in allen Fällen von Mittelverwendungsüberschreitungen aufgrund der Coronavirus­krise bis zur Höhe der tatsächlichen Mehreinzahlungen und Mehrerträge aus dem COVID-19 Krisenbewältigungsfonds innerhalb der

a. Rubrik 0,1 bis zu 1 Milliarde Euro;

b. Rubrik 2 bis zu 11,5 Milliarden Euro;

c. Rubrik 3 bis zu 1,2 Milliarden Euro;

d. Rubrik 4 bis zu 14,3 Milliarden;


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wobei diese Mehreinzahlungen nicht dem Verfahren zur Bildung von Rücklagen gemäß § 55 Abs. 1 BHG 2013 unterliegen, sondern gemäß Artikel IX Abs. 1 jedenfalls vor Ende des Finanzjahres 2020 einer Rücklage zuzuführen sind.““

3. Im Artikel VI. Z 4 wird die Wortfolge „bis zu einem Betrag von 28 Milliarden Euro“ durch die Wortfolge „bis zu einem Betrag von 8 Milliarden Euro“ ersetzt.

4. In der Anlage I der im Titel bezeichneten Regierungsvorlage wird in der Untergliede­rung 45 – Bundesvermögen im Globalbudget 45.02. das Detailbudget 45.02.06 COVID-19-Fonds wie folgt dotiert:

„Detail-budget

Mittelverwendungsgruppe/ Mittelaufbringungsgruppe

 

von

abzuändern

um

Millionen Euro

 

auf

45.02.06

Transferaufwand

-

20.000,000

20.000,000

45.02.06

Auszahlungen aus Transfers

-

20.000,000

20.000,000“

5. In der Anlage I der im Titel bezeichneten Regierungsvorlage sind in der Untergliede­rung 58 – Finanzierungen, Währungstauschverträge die Beträge des folgenden Detail­budgets wie folgt zu ändern:

 

 

 

Abzuändern

„Detailbudget

Mittelverwendungs-/Aufbringungsgruppe

 

von

um

auf

 

 

 

Millionen Euro

58.01.01.

Einzahlungen aus der Aufnahme von Finanzschulden

 

38.152,409

20.000,000

58.152,409“

6. Die Betragsänderungen sind auch in den entsprechenden Globalbudgets, in der Über­sicht Globalbudgets sowie bei den von den Änderungen jeweils betroffenen Summen­beträgen der Anlagen I, I.a, I.b, I.c, I.d, I.e und III zu berücksichtigen.“

Begründung

Die Coronavirus-Pandemie stellt die wohl schwerwiegendste Krisensituation dar, die sich der Österreichische Staat sowie seine Bevölkerung in der Geschichte der zweiten Republik je ausgesetzt sahen. Diese noch nie dagewesene Ausnahmesituation mani­festiert sich auch in verschiedensten wirtschaftspolitischen Kennzahlen. So hat die Re­publik Österreich neben einer enormen Inanspruchnahme der Kurzarbeit mit der höchs­ten Arbeitslosenquote seit 1946 zu kämpfen und steuert voraussichtlich auf das höchste budgetäre Defizit aller Zeiten zu. Gerade in einer derartigen schweren Krise sind gezielte staatliche Eingriffe und Unterstützungsmaßnahmen von entscheidender Bedeutung und unerlässlich, um die Krise bestmöglich zu überstehen. Die Bundesregierung hat sich schnellstmöglich auf die neuartige Situation eingestellt und war von Anfang an bestrebt, die negativen Folgen der COVID-19-Krise – auch budgetär - bestmöglich abzufedern. Mit dem bereits beschlossenen und im Budget vorgesehenen Schutzschirm von bis zu 38 Milliarden Euro wurde ein noch nie dagewesenes finanzielles Volumen aufgestellt, um damit die Gesundheit sowie den Wohlstand der Österreichischen Bevölkerung zu schützen und zu bewahren, die Unternehmerinnen und Unternehmer bestmöglich durch die schwerwiegende Krise zu geleiten und die negativen Folgen auf die Gesamtwirt­schaft so gut wie möglich abzufedern. In einer derartigen Ausnahmesituation darf der Fokus staatlichen Handelns daher nicht bloß auf strengen Defizit- oder Schuldenregeln, sondern auf schnellstmöglicher finanzieller Hilfe für die Krisenbetroffenen liegen.

Allerdings können auch zum derzeitigen Zeitpunkt trotz Einbeziehung zahlreicher Exper­tinnen und Experten die konkreten Auswirkungen dieser Krisensituation nicht umfassend


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abgeschätzt werden, was auch im vorgelegten Bundesfinanzgesetz 2020 sowie dem Bundesvoranschlag 2020 Niederschlag findet. Während bei den Budgetverhandlungen zu Beginn des Jahres für Österreich noch von einem Wirtschaftswachstum von 1,2 Pro­zent ausgegangen wurde, bewegen sich die derzeitigen Prognosen der Wirtschafts­forscher von einem Minus von 3,2 Prozent (OeNB) bis zu einem Minus von 9 Prozent (Bank Austria). Anhand dieser enormen Bandbreite wird eindeutig, dass valide Schät­zungen in der derzeitigen Situation nicht möglich sind. Die volatile Lage ist vor allem bei den Steuereinnahmen gegeben und lässt sich im Hinblick auf die für 2020 erwartbaren Auswirkungen insbesondere bei den Steuerstundungen noch nicht konkretisieren. Die Unsicherheiten werden aber auch bei den Auszahlungen wie etwa bei der Corona-Kurzarbeit und dem damit verbundenen Budgetbedarf deutlich. Während nach Verhand­lungen mit den Sozialpartnern zunächst ein Volumen von 400 Millionen Euro beschlos­sen wurde, war mit dem Voranschreiten der Krise eindeutig, dass dieser Betrag niemals ausreichen wird. Bislang wurden die notwendigen budgetären Mittel für die Corona-Kurarbeit mehrfach aufgestockt und zum jetzigen Zeitpunkt bereits auf 12 Milliarden Euro erhöht. Bereits anhand dieser einen Unterstützungsmaßnahme wird deutlich, dass sich ein etwaiger budgetärer Bedarf in einer derartigen Krisensituation tagtäglich verändert.

Dennoch besteht die Absicht, durch vorliegenden Abänderungsantrag im Bundesvoran­schlag 2020 jene Zahlen zu aktualisieren beziehungsweise zu ergänzen, die aus heu­tiger Sicht erforderlich sein werden. In diesem Sinn soll auch die Überschreitungser­mächtigung im Artikel V Z. 4 entsprechend spezifiziert und inhaltlich den einzelnen - nach sachlichen Gesichtspunkten gegliederte - Rubriken zugeordnet werden. Die Auftei­lung spiegelt den aktuellen Wissenstand, in welchen Bereichen die Fondsmittel voraus­sichtlich zum Einsatz kommen werden, auf Basis der bisherigen Auszahlungen sowie der derzeit geplanten weiteren Maßnahmen wider.

In der Rubrik 0,1 sollen bis zu 1 Milliarde COVID-19-Fondsmittel eingesetzt werden dür­fen. Es wird für Bedarfe der öffentlichen Ordnung und Sicherheit insbesondere für ent­sprechende Schutzausrüstungen, für die Unterstützung von Österreicherinnen und Ös­terreichern im Ausland, die mit Schwierigkeiten bei der Rückkehr konfrontiert waren so­wie für Bedarf des NPO-Fonds vorgesorgt In der Rubrik 2 wird für die die bereits ein­gegangenen Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Corona Kurzarbeit sowie ins­besondere für Mehrbedarfe im Bereich der Pflege und Familien sowie für Auszahlungen im Zusammenhang mit dem EpidemieG mit bis zu 11,5 Mrd. vorgesorgt. In der Rubrik 3 wird für Auszahlungen für Bedarf des Fonds für Künstlerinnen und Künstler, Auszahlun­gen im Bereich der Forschung sowie für krisenbedingte Mehraufwände im Bereich Bil­dung mit bis zu 1,2 Mrd. vorgesorgt. Die größte Vorsorge wird mit 14,3 Mrd. in der Rub­rik 4 getroffen, was auf Bedarfe der COFAG für Garantien und Fixkostenzuschuss sowie auf Bedarfe des Härtefallfonds, spezielle Fördermaßnahmen im Bereich Wirtschaft, Aus­zahlungen für Notvergabe Fernverkehr Weststrecke, Anpassung Verkehrsdienstever­trag und das Gemeindepaket, mit ökologischen Schwerpunkten zurückzuführen ist.

Des Weiteren soll eine Dotierung des COVID-19-Krisenbewältigungsfonds auf Basis des aktuellen Informationsstandes im erwartbaren Ausmaß konkret erfolgen. In diesem Sin­ne erfolgt ein transparenter Ausweis des COVID-19-Krisenbewältigungsfonds auch als eigene Voranschlagsstelle in der Anlage I sowie die Veranschlagung eines aus heutiger Sicht jedenfalls als erforderlich betrachteten Anteils des Fondsvolumens. Dieser Betrag setzt sich aus den zum Stichtag 15.05.2020 bereits tatsächlich geflossenen Zahlungen an einzelne Ressorts, zuzüglich der Mittel für den Härtefallfonds, 30% der zum Stichtag 15.05.2020 zugesagten Haftungen und den lt. WFA im Jahr 2020 voraussichtlich erforderlichen Mittel für Fixkostenzuschüsse der COFAG sowie die Kurzarbeit zusam­men. Darüber hinaus soll entsprechend der materiell-rechtlichen Grundlage im COVID-19-Fondsgesetz, wonach der Fonds eine Dotierung von bis zu 28 Milliarden Euro erhält, für aus heutiger Sicht noch nicht zu beziffernde Auszahlungen im Zusammenhang mit der


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Bewältigung der COVID-Krise in Österreich insbesondere für die Handlungsfelder ge­mäß § 3 Abs 1 COVID-19-FondsG die Überschreitungsermächtigung beibehalten wer­den.

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Abänderungsantrag wurde verteilt und in den Grund­zügen erläutert. Er ist ordnungsgemäß eingebracht, weil er auch ausreichend unterstützt ist.

Zur Geschäftsbehandlung zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Dr. Dagmar Belako­witsch. – Bitte, Frau Abgeordnete.

*****


13.00.37

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Abgeord­neter Hanger hat soeben in seiner Rede davon gesprochen, dass diese Debatte hier „lächerlich“ ist. Diese Wortwahl ist von Abgeordneten der ÖVP jetzt schon zum x-ten Mal getroffen worden, um konstruktive Kritik der Opposition als lächerlich zu bezeichnen. Herr Präsident, da würde ich Sie bitten, zu überprüfen: Entspricht das tatsächlich der Würde des Hauses?

Wenn die Antwort Nein lautet, würde ich Sie bitten, die Abgeordneten der ÖVP darauf hinzuweisen, dass eine Debatte hier herinnen nicht lächerlich ist und auch Kritik in kei­nen Fall als lächerlich zu bezeichnen ist. (Beifall bei FPÖ, SPÖ und NEOS.)

13.01

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich gehe da­von aus, dass die Umstände insgesamt dazu verleiten, dass man sehr emotional in die Debatte hineingeht. Vielleicht gelingt es uns ja im Laufe der nächsten Stunden wieder ein bisschen Luft herauszunehmen.

Mir liegen nun keine Wortmeldungen mehr vor. Die Beratungen zu diesem Themenbe­reich sind somit beendet.

13.01.43UG 21: Soziales

UG 22: Pensionsversicherung

UG 21: Konsumentenschutz


Präsident Ing. Norbert Hofer: Weiters kommen wir zu den Untergliederungen 21: So­ziales, 22: Pensionsversicherung sowie 21: Konsumentenschutz.

Hierüber findet eine gemeinsame Debatte statt.

Als erster Redner zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Alois Stöger. – Bitte, Herr Abgeord­neter.


13.01.58

Abgeordneter Alois Stöger, diplômé (SPÖ): Herr Präsident! Liebe Mitglieder der Bun­desregierung! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir in Österreich einen Finanzminister hätten, der den § 28 Abs. 3 des Bundeshaushaltsgesetzes einmal gele­sen hätte (Abg. Leichtfried: Haben wir aber nicht!), wenn er das getan hätte – und die­ses Bundeshaushaltsgesetz beruht direkt auf Artikel 51 der Bundesverfassung –, dann


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hätte er gelesen, dass alle Einnahmen und Ausgaben auf der Ebene eines Detailbudgets abzulegen sind. Was macht die ÖVP? – Sie gibt sie uns in einer einzigen Rubrik. Alle Dinge werden vermanscht, und damit wird die Klarheit des Budgets nicht sichergestellt. (Beifall bei der SPÖ.)

Zum Zweiten: Ich bedanke mich bei Abgeordneter Zopf von der ÖVP. Danke dafür – besser geht es nicht; besser kann man nicht zeigen, wie doppelzüngig man handelt –, einerseits zu sagen, wir tun eh alles, und es zum anderen schlechtzumachen, wenn die Opposition kritisiert und deutlich macht, wie man handelt.

Wer das Budget genau gelesen hat, meine sehr verehrten Damen und Herren, wird im Strategiebericht gelesen haben, dass man gerade im Bereich der Pensionen vorbereitet, einzusparen. Wir kommen jetzt zur Pensionsdebatte. Es ist gut, dass es gelungen ist, und zwar dem Parlament und der Mehrheit gelungen ist, diese Einsparungsfantasien gerade bei der gesetzlichen Pensionsversicherung hintanzuhalten. Die ÖVP hat es im­mer probiert. Es ist gelungen, und das möchte ich deutlich sagen. Im letzten Jahr wurden um 600 Millionen Euro weniger für die gesetzlichen Pensionen ausgegeben, als geplant war. Das heißt, die Pensionen sind gesichert, sie sind finanzierbar. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben sichergestellt, dass junge Menschen wieder in Arbeit kommen, weil wir gesagt haben: 45 Jahre sind genug. Dieses Prinzip muss auch umgesetzt werden.

Wir haben zum Dritten Folgendes sichergestellt – und nun, meine sehr verehrten Öster­reicherinnen und Österreicher, horchen Sie genau hin! –: 2,5 Millionen Menschen haben jetzt in Österreich mit der gesetzlichen Pension eine Einkommenssicherung. Das ist der Stabilisator für die Kaufkraft, für die Konjunktur, und das setzen wir um. Insofern: Die Pensionen sind gesichert. (Beifall bei der SPÖ.)

Abschließend in Richtung ÖVP: Wenn ein Finanzminister - - Nein, ich frage andershe­rum –: Haben Sie in dieser Woche schon Sekt getrunken? (Zwischenruf des Abg. Eßl.) Sind Sie, liebe Österreicherinnen und Österreicher, in dieser Woche schon zu einem Geschäftsessen eingeladen worden? (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Eßl.) Wenn nicht: Sie werden das in Zukunft bezahlen, weil die ÖVP und die Regierung jetzt die Steuer für Sekt aufheben und das Geschäftsessen steuerfrei machen wird. Das werden Sie bezahlen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Eßl: Den Sekt hat nur die Frau Hammer­schmid mit im Parlament! – Rufe bei der SPÖ: Franz, die Maske rauftun! Also das war ein ausgesprochen seichter Schmäh!)

13.05


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Bedrana Ribo. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


13.05.42

Abgeordnete Bedrana Ribo, MA (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich spreche jetzt zum Punkt UG 21, der Soziales, Pflege und Menschen mit Behinderung beinhaltet.

UG 21 beläuft sich auf rund 3,85 Milliarden Euro, das sind knapp 5 Prozent des gesam­ten Budgethaushaltes. Rund 90 Prozent von diesen 3,85 Milliarden Euro entfallen auf Pflegeleistungen. Der Bund ist an einer Reihe anderer Leistungen beteiligt, wie zum Bei­spiel am Pflegekarenzgeld, an den Zweckzuschüssen an die Länder wegen des Entfalls des Pflegeregresses und an vielen anderen.

Das Budget des Bundes spiegelt eines im Bereich Pflege wider, nämlich das Finanzie­rungsgeflecht in diesem Bereich. Mit dem Pflegegeld und anderen Leistungen leistet der Bund natürlich einen wichtigen Beitrag zur Pflegefinanzierung, aber die überwiegende Zuständigkeit liegt bei den Ländern. Da geht es zum Beispiel um die mobile oder sta­tionäre Pflege.


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Weiters gibt es noch einen Teil, der mir persönlich wichtig ist, den ich auch hervorheben möchte, nämlich jene Kosten im Budget, die unsichtbar sind, also diese informellen Kos­ten. Ein Großteil der Pflegegeldleistungen wird in Österreich informell erbracht, und das zu 73 Prozent von Frauen. Es gibt in Österreich eine Million pflegende Angehörige. 700 000 davon sind Frauen, die unbezahlt Pflegedienste leisten.

Wenn wir über Pflege reden – und das tun wir eben bei diesem Punkt der Unterglie­derung –, dann müssen wir auch über andere Personengruppen in der Pflege sprechen, nämlich über die Menschen, die in der Pflege arbeiten, und dabei auch über die 24-Stun­den-BetreuerInnen, denn gerade diese waren ja in den letzten Tagen und Wochen sehr prominent in den Medien. Gerade dieses Beispiel zeigt aber auch die Versäumnisse der Vergangenheit im Bereich der Pflege. Das ist ein guter Hinweis darauf, dass in diesem Bereich einiges zu tun ist. Es ist auch ein guter Hinweis darauf, dass die Pflege eine Reform braucht.

Wie oft haben wir in den letzten Sitzungen, sei es hier im Plenum des Parlaments oder in den zuständigen Ausschüssen, gehört, und das über alle Parteigrenzen hinweg: Pfle­gende Angehörige müssen besser unterstützt werden, die Arbeitsbedingungen für die Menschen in der Pflege müssen verbessert werden, die Pflege als Beruf braucht mehr Anerkennung! – Das sind alles Dinge, über die wir alle hier uns einig sind. Das freut mich natürlich, weil man sich bei fast keinem anderen Thema so einig ist.

Noch dazu gibt es einen Gesundheitsminister, Herrn Anschober, dem dieses Thema auch sehr wichtig ist, der sich auch dieses Themas angenommen hat, der schon von Anfang seiner Amtszeit an gesagt hat, er möchte in der Pflege etwas voranbringen. (Abg. Belakowitsch: Und dann?) Er hat mit der Pflegereform begonnen. (Zwischenruf des Abg. Kucher.) Durch Corona wurde diese natürlich unterbrochen (Abg. Loacker: ... Es ist nichts passiert!), und im Herbst wird es weitergehen. Er hat auch hier und in den Ausschüssen Sie und euch alle immer wieder eingeladen, ihn bei diesem Vorhaben zu unterstützen, und angeboten, uns bei diesem Vorhaben zu unterstützen.

Noch einmal: Wir alle wollen Verbesserungen. Was hält uns auf? Die Finanzierung? – Ja, es wird teuer, aber wenn wir nichts tun, wird es noch teurer. (Abg. Belakowitsch: Ja, dann tut etwas!) – Ja dann tun wir gemeinsam etwas, dann tun wir gemeinsam – und ich wiederhole dieses „gemeinsam“ – etwas für die pflegenden Angehörigen, gemein­sam etwas für die Menschen in der Pflege, gemeinsam etwas für die 24-Stunden-Be­treuerInnen! Kämpfen wir gemeinsam für sie!

Wir alle werden älter, und die eine oder der andere von uns wird ja auch irgendwann einmal in die Lage kommen und Pflege benötigen. Deswegen auch dieser Klassiker: Pflege geht uns alle an, packen wir es gemeinsam an! – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.10


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Kollege Mag. Andreas Hanger gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.10.21

Abgeordneter Mag. Andreas Hanger (ÖVP): Herr Kollege Stöger hat in seinen Ausfüh­rungen gesagt: Zukünftig sind Geschäftsessen steuerfrei.

Ich berichtige tatsächlich: Ausgaben können einmal grundsätzlich nicht steuerfrei sein – das ist so das Einmaleins –, und Geschäftsessen sind zukünftig zu 75 Prozent von der Steuer absetzbar. Das dient dazu, die Wirte zu unterstützen, die das dringend brau­chen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Ruf: Ja, ge­nau! – Abg. Keck: Kann auch eine normale Familie das Essen von der Steuer absetzen?)

13.10



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 586

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Dagmar Belako­witsch. – Bitte, Frau Abgeordnete. (Abg. Obernosterer: Ihr versteht’s das nicht!)


13.11.00

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ja, manches versteht auch wirklich nur die ÖVP, das ist ganz klar. Da haben Sie recht, Herr Kollege Obernosterer! (Beifall bei der FPÖ sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.) Nicht einmal die Bevölkerung draußen versteht, was Sie hier von sich geben. Das ist allerdings ein wahres Wort von Ihnen gewesen. Das ist nämlich die Parallelwelt, in der diese ÖVP lebt, das haben Sie jetzt wieder eindeutig bewiesen. – Ich wollte aber gar nicht zu Ihnen sprechen, sondern mich eigentlich kurz mit dem auseinandersetzen, was meine Vorrednerin gesagt hat.

Offensichtlich ist eh alles auf Schiene in der Pflege, woran hapert es dann? – Es ist ja sehr schön, wenn Sie hier anpreisen, was der Herr Minister nicht schon alles gesagt hätte – wenn keine Reformen kommen, kann er einladen, wie er will.

Ich weiß nicht, das war ganz offenbar eine Anklage in Richtung Minister, dass er nichts in Umsetzung bringt. Das ist natürlich bitter für den Herrn Minister, von der eigenen Fraktion hier so angegriffen zu werden, aber das werden wir jetzt auch nicht lösen, denn wir haben hier eine Budgetdebatte abzuführen, und zwar eine Budgetdebatte, die sich jetzt vor allem mit den Themen Soziales, Konsumentenschutz, Pflege und Pensionen auseinanderzusetzen hat.

Da komme ich gleich zu etwas, was mir am Herzen liegt: Herr Bundesminister, ich habe Ihnen das schon sehr oft gesagt, und es gibt keine Lösung. Der Bundesrat hat einen Mehrheitsbeschluss über Arbeitnehmer, die im gleichen Haushalt Angehörige haben, die zu einer Risikogruppe gehören, gefasst. Ich sage das jetzt zu einem ganz konkreten Beispiel: Beispielsweise ist bei einem Elternpaar mit einem schwer kranken Kind, wobei wahrscheinlich bei der Mehrheit ein Elternteil ohnehin schon seine Berufstätigkeit auf­geben musste, um das Kind in ein Krankenhaus zu einer schweren Therapie zu be­gleiten, der zweite Elternteil jetzt sozusagen als Alleinerhalter vor die Situation gestellt, entweder jeden Tag sein schwer krankes Kind zu gefährden oder aber seinen Job zu kündigen. Dafür findet diese Bundesregierung schlicht und einfach keine Lösung. Es ist eine ganz geringe Anzahl von Personen, die hiervon betroffen ist, aber es gibt keine Lösung.

Wir haben gestern eine Sitzung des Sozialausschusses gehabt, in dem dieses Thema wieder gekommen ist, weil es im Bundesrat dazu einen Mehrheitsbeschluss gegeben hat. Was haben die beiden Regierungsfraktionen mit diesem beschlossenen Antrag des Bundesrates, mit dem beschlossenen Antrag der Länderkammer gemacht? – Sie haben ihn beinhart vertagt, an den Interessen der Bevölkerung vorbei, an den Interessen von Eltern oder auch von Ehepartnern vorbei, die nicht wissen, ob sie, wenn sie ihrer Be­rufstätigkeit nachgehen, um ihre Familie zu erhalten, einen Liebsten in ihrem Haushalt vielleicht gefährden. Herr Bundesminister, da frage ich mich langsam, was diese ganzen Covid-Maßnahmen sollen, wenn man wirklich jene Leute im Stich lässt, für die sie not­wendig wären, wo es wirklich dringend wäre. Da passiert von dieser Bundesregierung nichts, überhaupt nichts. (Beifall bei der FPÖ.)

Alle Kinder in der Schule müssen mit einer Maske herumlaufen. Das ist für die Kleinsten teilweise wirklich eine Zumutung. Herr Bundesminister, es wird heiß, niemand will das mehr, niemand hält das aus. Selbst Lehrer – selbst Lehrer im Übrigen, die Ihrer Fraktion (in Richtung ÖVP) sehr nahestehen – finden diese Masken unerträglich, weil sie völlig sinnlos sind, weil sie keinen Schutz bieten. Das sagen zahlreiche Studien, erst kürzlich eine neue Studie der TU aus München, die genau beschreibt, dass sie eben keinen Schutz bringen. Das ist Quälerei für die Kinder, für die Jüngsten! Da aber, wo Sie Kinder


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schützen könnten, finden Sie schlicht und einfach keine Lösung, meine Damen und Her­ren, und das finde ich fürchterlich.

Ich möchte nun noch ein Wort zur Kollegin Zopf sagen, die jetzt leider nicht mehr hier ist, die aber heute etwas gesagt hat, als es um die Erhöhung des Arbeitslosengeldes ging. Sie hat sich ganz furchtbar darüber aufgeregt, dass die SPÖ es gewagt hat, diesen Antrag wieder einzubringen. Meine Damen und Herren von der ÖVP, diesen Antrag ha­ben wir schon öfter gehabt. Wir werden ihn auch wieder öfter haben, nämlich so lange, bis Sie Folgendes verstehen: wenn Sie es jetzt nicht schaffen, den Konsum anzukurbeln, wird die Wirtschaft auch nicht anspringen.

Warum erwähne ich das noch einmal? – Ich habe es heute schon einmal gesagt: Ges­tern im Sozialausschuss haben Sie gesagt, Sie vertagen den Antrag mit der Begrün­dung: Ja, Sie verstehen das alles und da wird jetzt noch darüber verhandelt und disku­tiert und man kann ja nicht so schnell und überhaupt und außerdem. – Heute, keine 24 Stunden später, sagt die ÖVP: Das kommt für uns nicht infrage, weil wir wollen, dass die Leute arbeiten gehen, und dass sie nicht schnell in die Arbeit kommen, das gibt es nicht!

Da frage ich mich: Ist Kollege Koza herinnen gewesen? – Leider nicht, er hat es nicht gehört. Er war nämlich gestern im Sozialausschuss derjenige, der versucht hat, da eine Brücke zu bauen. Was sagen Sie jetzt dazu? – Vielleicht könnten Sie auch noch irgend­etwas dazu beitragen und einmal mit Ihrem Koalitionspartner so reden, dass er uns im Sozialausschuss zukünftig nicht mehr anschmiert, denn das ist ehrlich gesagt schon eine ziemliche Unverfrorenheit von Ihnen, uns da wirklich Geschichten zu erzählen, die in Wahrheit niemals auf Ihrer Agenda gestanden sind.

Wir werden weiterhin darum kämpfen, dass die Leute, die jetzt aufgrund Ihres Nichthan­delns, aufgrund der Tatsache, dass Sie keine Gelder auszahlen, unverschuldet arbeits­los geworden sind – denn Sie haben das ja zu verantworten, weil Ihre Hilfsgelder nicht fließen –, jetzt auch ordentlich Arbeitslosengeld bekommen, damit sie sich ihren Lebens­standard leisten können und damit sie auch in den Konsum investieren können. Nur so werden wir es gemeinsam schaffen, die österreichische Wirtschaft wieder hinaufzubrin­gen. (Beifall bei der FPÖ.)

13.16


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Michael Hammer. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.16.36

Abgeordneter Mag. Michael Hammer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren! Ich möchte den Beginn meiner Rede dazu nutzen, besonders den Klubobmann der Freiheit­lichen Partei Herbert Kickl zu begrüßen. Er hat jetzt zweieinhalb Tage nicht an dieser Budgetdebatte teilgenommen (Abg. Keck: Der Herr Finanzminister auch nicht!), außer gestern Abend mit einer Presseaussendung. (Abg. Belakowitsch: Er war krank!) Da sieht man auch, wie ernsthaft diese Debatte geführt wird. (Beifall bei der ÖVP. – Zwi­schenrufe der Abgeordneten Hafenecker und Loacker.)

Für den Bereich Soziales und Konsumentenschutz sieht der Budgetentwurf Ausgaben in der Höhe von 3,84 Milliarden Euro vor, das sind um rund 5,6 Prozent mehr als in den vergangenen Jahren aufgewendet wurde. Das Geld wird vor allem im Pflegebereich für die Valorisierung des Pflegegeldes und für die Aufstockung des Pflegegeldes eingesetzt.

Nicht im Voranschlag enthalten sind die Maßnahmen, die wir für die Sonderdotierung des Pflegefonds und die Freiwilligenentschädigung, 600 000 Euro für freiwilliges Enga­gement, aufsetzen.


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Ein wesentlicher Schwerpunkt für die Bundesregierung ist der Pflegebereich – das wur­de von der Vorrednerin schon angesprochen –, und dementsprechend gibt es ein ge­meinsames Konzept betreffend die Sicherstellung des Pflegepersonals und die Finan­zierung. Wir wollen da eine ordentliche Lösung zusammenbringen. In Summe ist es ein gutes Sozialbudget, und ich bitte, diesem zuzustimmen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

13.18


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Dr. Dagmar Belakowitsch gemeldet. – Bitte, Frau Abgeordnete.


13.18.06

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Herr Präsident! Herr Abgeordneter Hammer hat behauptet, Herr Kickl hätte in den letzten Tagen an den Budgetdebatten nicht teilgenommen, weil es ihn nicht interessiert hat.

Ich berichtige tatsächlich, Herr Abgeordneter Hammer – Niveau kann man sich halt nicht kaufen –: Herr Abgeordneter Kickl war für die letzten Tage entschuldigt, und ich sage Ihnen auch dazu, dass er aus Krankheitsgründen entschuldigt war. Ich würde Sie wirklich bitten, dass Sie sich jetzt bei Kollegen Kickl für diese Unterstellung entschuldigen. (Bei­fall bei der FPÖ sowie der Abgeordneten Eypeltauer und Schellhorn. – Abg. Keck: Keine ..., der Hammer! – Zwischenruf des Abg. Hafenecker.)

13.18


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Gerald Loa­cker. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.18.39

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bun­desminister! Untergliederung 22, die Pensionen. Es ist schon bemerkenswert, wenn die ÖVP, so wie Kollege Hammer, in diesem Debattenteil zum größten Block, zu den 10 Mil­liarden Euro Pensionen, nichts sagt. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das ist ein peinlich berührtes Schweigen, das Sie hier als größte Fraktion kollektiv machen, aber mir wäre das auch peinlich, wenn ich die ÖVP wäre.

Das ist nämlich ein Desaster, was sich da abzeichnet: Nur bei den Sozialversicherungs­pensionen müssen Sie 710 Millionen Euro mehr an Ausgaben einstellen, als im Budget­erfolg im Vorjahr ausgewiesen wird, und das ist erst der Anfang, weil viele Effekte der Beschlüsse vom 19. September des Vorjahres sich aufsummieren werden. Zum Beispiel kostet die erste Pensionserhöhung im ersten Jahr 50 Millionen Euro – aber jedes Jahr, weil der erste Pensionsjahrgang das mitnimmt. Der zweite kriegt auch 50, sind 100, im dritten Jahr sind es 150. Im Schnitt sind die Österreicher ja 23 Jahre in Pension – Sie können selbst ausrechnen, was das langfristig heißt.

Bei der abschlagsfreien Frühpension wirkt das ähnlich, und da hat mir Ihr Ministerium eine Budgetanfrage mit einem gigantischen Rechenfehler beantwortet. Es war ein Schönrechnen, wie es zu den schönen Worten passt.

Die Menschen, die sich abschlagfrei in die Frühpension verabschieden, bekommen im Schnitt mehr als 2 800 Euro im Monat, also ungefähr 40 000 Euro im Jahr. Diese 35 000 Menschen, die damit in Pension gehen, haben keine 4 000 Euro Abschlag. Das wären dann aber 140 Millionen Euro im Jahr und nicht die 33 Millionen Euro, die Sie mir geschrieben haben. Dass man Mathematik in Ihrem Ministerium kleinschreibt, haben wir schon bei anderen Themen erkannt.

Der Chef der Alterssicherungskommission, Walter Pöltner, hat gesagt, dass diese ab­schlagsfreie Frühpension wieder weggehört, weil sie einen falschen Anreiz setzt, weil sie nur jene mit großen Pensionen belohnt und weil sie vor allem Männer belohnt und Frauen nicht. Ihnen ist das aber egal, Sie warten auf einen Bericht. Der Chef der


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Kommission hat gesprochen, aber der Herr Minister wartet. Ihnen ist immer wichtig, dass es lange dauert – anschauen, nachschauen, zuschauen, weiterschauen, wir sind in gu­ten Gesprächen mit der Alterssicherungskommission. Sie sind immer in guten Ge­sprächen, aber es passiert nichts. Was Sie machen, nenne ich Anschobern: immer nur schauen und nichts machen. (Beifall bei den NEOS.)

Während nämlich die junge Generation aufgrund dieses ganzen Dramas jetzt ihre Jobs verliert oder keine Jobs bekommt, wenn sie aus der Ausbildung kommt, machen Sie den gut bedienten Alten teure Wahlgeschenke – nicht den kleinen Pensionisten, sondern den gut bedienten Alten mit 2 800 Euro Pension im Monat. Sie machen jenen die Mauer, die es haben, und die Jungen, die alles zahlen müssen, lassen Sie weiter zahlen. Da schau­en Sie weg, das ist Ihnen egal. Ich stelle daher den folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Retten wir unser Pensionssystem und die Zukunftschancen unserer Kinder“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, schnellstmöglich eine Regierungsvorlage vor­zulegen, die zum Ziel hat, die langfristige Finanzierbarkeit unseres Pensionssystems wiederherzustellen und die in der Antragsbegründung erwähnten Pensionswahlge­schenke vom 19.9.2019 wieder rückgängig zu machen.“

*****

Danke schön. (Beifall bei den NEOS.)

13.22

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Retten wir unser Pensionssystem und die Zukunftschancen unserer Kinder

eingebracht im Zuge der Debatte in der 32. Sitzung des Nationalrats über den Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (55 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2020 (Bundesfinanzgesetz 2020 – BFG 2020) samt Anlagen (183 d.B.) - TOP 7, UG 22

Änderung bei ASVG/BSVG/ASVG, bezüglich Pensionsabschlägen und Wartefrist bei erster Pensionsanpassung

Am 19.9.2019 wurden im NR-Plenum teure pensionsrechtliche Änderungen im ASVG, GSVG und BSVG beschlossen (siehe unten), die von zahlreichen Expert_innen kritisiert wurden, zuletzt vom Vorsitzenden der neu konstituierten Alterssicherungskommission (https://www.derstandard.at/story/2000110800687/neuer-chef-der-pensionskommission-
kritisiert-politik-scharf). Speziell die abschlagsfreie Frühpension und die Nicht-Anwen­dung der Wartefrist für die erste Pensionsanpassung wirken sich langfristig auf der Bud­getausgabenseite (Pensionssteuerzuschuss) massiv aus. Damit sind a) die Finanzier­barkeit des Pensionssystems und b) die Investitionen in Zukunftsbereiche (Bildung, Schulen, Universitäten, Wissenschaft, Forschung, Umwelt, etc.) massiv gefährdet, wo­runter die Chancen der Folgegenerationen stark leiden. Durch die unten genannten Be­schlüsse sinkt die ohnehin schon niedrige Beitragsdeckung der Pensionsformen bzw.


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Frühpensionsformen noch weiter. Jeder Jahrgang, der einen mit diesen Beschlüssen eingeräumten Vorteil erhält, nimmt diesen ein Pensionsleben lang mit, das sind im Schnitt 25 Jahre. Dieser Vorteil, der aus den Beschlüssen vom Sommer 2019 entsteht, wird in diesen Jahren jeweils noch aufgewertet.

Wenn die Politik das selbstgesteckte Ziel ernst nimmt, "das tatsächliche Pensionsalter an das gesetzliche heranzuführen", läuft eine abschlagsfreie Frühpension diesem Ziel diametral entgegen. Vorzeitige Alterspensionen mit 62 nach 45 Beitragsjahren sind ein reines Männerprogramm, weil Frauen noch länger mit 60 abschlagsfrei in Pension ge­hen. Weil diese Langzeitversicherten bereits jetzt im Schnitt mit brutto 2.500 Euro in Pension gehen, wird die Abschlagsfreiheit der Frühpension diese guten Pensionen noch weiter erhöhen. Der Abstand zwischen Frauen- und Männerpensionen wird damit ver­größert.

Die Kosten für die Pensionswahlgeschenke vom 19.9.2019 sind in jedem Fall enorm. Die abschlagsfreie Frühpension (2050: 1,604 Mrd. Euro), das abschlagsfreie Sonder­ruhegeld (2050: 68 Mio. Euro) und das Aufheben der einjährigen Wartefrist für die erste Pensionsanpassung (1,078 Mrd. Euro) verursachen laut Budgetdienst längerfristig knapp 2,8 Mrd. Euro zusätzliche jährliche Ausgaben. EcoAustria berechnet zudem, dass die alte abschlagsfreie Variante der "Hacklerregelung" eine Deckungsquote von deutlich unter 60% hatte. Ähnlich wird es sich mit der abschlagsfreien Frühpension verhalten.

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Budgetdienst: "Fiskalische Wirkung der Pensionsbeschlüsse 2017 bis 2019"

https://www.parlament.gv.at/PAKT/BUDG/ANFRAGEN/PENSIONSBESCHLUESSE/index.shtml

EcoAustria: "Verteilungswirkung der Steuermittel in der gesetzlichen Pensionsversi­cherung"

https://www.jungeindustrie.at/media/filer_public/4d/57/4d578cb5-35d9-4d4a-9de9-8b42ae1aab12/ecoaustria_studie_verteilungpensionen_pub_po.pdf

Mit diesem Antrag sollen die folgenden am 19.9.2019 beschlossenen Anträge wieder rückgängig gemacht werden:

Änderung des BSVG/GSVG – Abschlagsfreie Frühpension (AA-125 XXVI. GP)

https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/AA/AA_00125/imfname_767347.pdf

Änderung des BSVG/GSVG – Ende der Wartefrist für die erste Penisonsanpassung
(AA-127 XXVI. GP)

https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/AA/AA_00127/imfname_767349.pdf

Änderung des ASVG – Abschlagsfreie Frühpension (AA-130 XXVI. GP)

https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/AA/AA_00130/imfname_767357.pdf

Änderung des ASVG – Ende der Wartefrist für die erste Pensionsanpassung (AA-131 XXVI. GP)

https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/AA/AA_00131/imfname_767358.pdf


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Änderung des ASVG - Abschlagsfreies Sonderruhegeld (AA-132 XXVI. GP)

https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/AA/AA_00132/imfname_767359.pdf

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, schnellstmöglich eine Regierungsvorlage vor­zulegen, die zum Ziel hat, die langfristige Finanzierbarkeit unseres Pensionssystems wiederherzustellen und die in der Antragsbegründung erwähnten Pensionswahlge­schenke vom 19.9.2019 wieder rückgängig zu machen."

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, er ist ordnungsgemäß eingebracht und steht somit auch in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Mag. Markus Koza. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.22.23

Abgeordneter Mag. Markus Koza (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, es passt ganz gut, dass ich jetzt nach Kollegen Loacker reden darf (Abg. Loacker: Das passt wirklich, ja!), weil es auch bei mir um das Thema Pensionen geht. Es war eine interessante Rede vor mir, die mir den Einstieg beinahe erspart, denn ich hätte gesagt, dass das Thema Pensionen und Budget ja sehr oft im Zusammenhang mit diesen Fragen besprochen wird: Ist unser Pensionssystem in Zukunft finanzierbar? Ist es nicht unfinanzierbar? Ist es nicht ein Pen­sionssystem, das auf Kosten unserer Jungen und Jüngsten, auf Kosten kommender Ge­nerationen geht? (Abg. Loacker: Klar, Sie sagen es!) Müssen wir nicht drastisch einspa­ren und drastisch kürzen, wo es nur geht, damit wir uns das Leben im Alter – welches das dann auch immer ist – noch irgendwie leisten können? Das ist immer wieder die Begleitmusik von Pensionsdebatten, und so ist es auch heute.

Es war ja auch insbesondere zu erwarten, dass die Beschlüsse von September 2019 wieder einmal infrage gestellt werden, und ja, man kann durchaus infrage stellen, ob alle wirklich so intelligent und verteilungsgerecht waren – da gebe ich Ihnen durchaus recht. Ich denke, man muss sich wirklich überlegen, ob das alles so gescheit war. (Abg. Sche­rak: Dann ändert’s es!)

Auf der anderen Seite hat es schon ein paar Maßnahmen gegeben, die gar nicht so blöd waren. Ich möchte schon an jene Beschlüsse – ich glaube, das war im Herbst 2008 –, die im Rahmen des freien Spiels der Kräfte hier im Parlament beschlossen worden sind, erinnern, bei denen es am Anfang auch geheißen hat, sie seien nicht leistbar, unfinan­zierbar und ganz furchtbar. Auch da waren Pensionserhöhungen im Spiel. Interessan­terweise wurden diese Beschlüsse 2008 danach zum ersten Konjunkturpaket umgedeu­tet, weil sie nämlich wesentliche Folgen mit sich gebracht haben. – Da können Sie schnaufen, so viel Sie wollen, Herr Loacker! (Abg. Loacker: Milliarden hinausgeblasen an einem Tag!) Sie haben nämlich die Nachfrage stabilisiert und in jenen Zeiten, 2008, in denen auch in Österreich die Krise geschlagen worden ist, die Massenkaufkraft ge­stärkt – auch die Massenkaufkraft von PensionistInnen, die, wie bereits erwähnt, mit über 2 Millionen ja nicht so wenige sind. (Abg. Loacker: Die Beiträge der Steuerzah­ler geraubt und die Kaufkraft vernichtet!) Ich vergönne der älteren Generation – mei­nem Vater, meiner Mutter und auch allen Omas und Opas der Welt – eine möglichst


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anständige Pension, von der sie gut leben können. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)

Wenn die Frage ist, ob die Pensionen in Zukunft noch finanzierbar sind, ist der Bericht des Budgetdienstes sehr interessant. (Abg. Loacker: Schauen Sie ihn sich an!) Ich mag ihn wirklich sehr, da sind wunderbare Zahlen drinnen: Da steht zum Beispiel, dass die Pensionsausgaben im Jahr 2020 13,5 Prozent des BIPs ausmachen, und schauen wir, wie viel sie 2040 ausmachen: 15,1 Prozent den BIPs. Eine Katastrophe? – Die sehe ich nicht. 2060 sind es 15,2 Prozent. (Abg. Loacker: Wie viele Milliarden sind das?) Wenn Sie wissen, wie viele Milliarden das 2060 sind, bekommen Sie von mir jetzt 100 Punkte. (Beifall bei den Grünen.)

15,2 Prozent des BIPs im Jahr 2060 heißt, dass wir über die nächsten 40 Jahre ein Wachstum bei den Ausgaben für die Pensionen von 1,7 Prozent des BIPs haben – welche Katastrophe, welche Unfinanzierbarkeit! (Abg. Loacker: Nehmen Sie das aus den Budgetzahlen, nicht aus dem BIP! Was ist das für eine Mathematik? – Abg. Matz­netter: Das BIP ist keine Mathematik? Das ist schon fast Blümel!)

Wenn man sich den Budgetbericht anschaut und ihn auch liest, erkennt man, dass wir tatsächlich ein Problem haben, und zwar aufgrund der steigenden Arbeitslosigkeit. Die Einnahmenseite gerät aufgrund der steigenden Arbeitslosigkeit, der Stundungen und der drohenden Insolvenzen unter Druck, und darum ist es so wichtig, dass wir in Zeiten der Krise und in den nächsten Monaten eine sehr offensive und sehr gescheite Arbeitsmarkt­politik machen, damit viele Menschen in Beschäftigung kommen, denn Beschäftigung ist das beste Mittel, um Pensionen zu sichern und zu finanzieren. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Schellhorn: Das kannst jetzt garan­tieren?)

13.26


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Bundesminister Anschober zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.


13.26.33

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich wollte mich kurz jetzt in die Debatte einmengen, weil Sozialpolitik natürlich gerade in Zeiten von Corona eine ganz entscheidende politische Funktion hat, und die sollten wir sehr, sehr ernst nehmen, denn die Dinge werden schwieriger. Wir wissen, dass die Coronasituation viele Bereiche und das Leben vieler Menschen, die ohnedies bereits in schwierigen Lebenssi­tuationen gewesen sind, noch einmal akut erschwert hat, dass Teile dieser Bevölkerung in noch schwierigeren Lebenssituationen sind – Menschen mit Behinderungen zum Bei­spiel. Das heißt, wir müssen gemeinsam – und das ist mein Appell: gemeinsam zu arbei­ten – sehr, sehr sorgsam und sehr aktiv damit umgehen, damit aus dieser Gesundheits­krise keine schwere soziale Krise wird. Das ist unsere Aufgabe und unsere Verantwor­tung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, vielleicht haben es manche von Ihnen regis­triert: Heute Früh wurde der EU-Statistikbericht Einkommen und Lebensbedingun­gen 2019 präsentiert. Das ist ein ganz wichtiger Bericht, der gezeigt hat, dass sich die Dinge in Europa insgesamt, auf einem so reichen und weitgehend so wohlhabenden Kontinent, nicht so entwickeln, wie es faire und gerechte Lebensbedingungen erwarten lassen würden. Wir haben europaweit die Situation, dass 21,8 Prozent der europäischen Bürgerinnen und Bürger derzeit armuts- oder ausgrenzungsgefährdet sind. Stellen Sie sich diese Zahlen einmal vor! Mehr als ein Fünftel Europas ist nach dieser EU-Statistik, die unbestritten ist, derzeit armuts- oder ausgrenzungsgefährdet.


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Österreich liegt deutlich besser, und das ist gut so. Wir sind derzeit bei 16,9 Prozent, aber ich sage, dass wir mit diesen 16,9 Prozent nicht zufrieden sein können – ganz im Gegenteil. Es muss unser Anspruch sein, gemeinsam daran zu arbeiten, dass Menschen in dieser Risikosituation, die eine deutliche Verringerung der Möglichkeiten bedeutet, soziale Teilhabe in allen gesellschaftlichen Bereichen erleben können. Dazu müssen wir aktiv werden. Nach diesen Zahlen sind in Österreich immerhin fast 1,5 Millionen Men­schen betroffen. Ihnen muss die Hauptkonzentration gelten. In einem reichen Land muss das veränderbar sein. In einem reichen Land muss es mehr Gerechtigkeit geben. In einem reichen Land müssen wir schauen, dass wir fairer miteinander umgehen und dass wir gerade in Situationen, in denen die Krise die schwierigsten Lebenssituationen noch einmal erschwert, extrem aufpassen und gegensteuern, damit das nicht zu dieser so­zialen Krise führt, an deren Beginn wir mittlerweile bereits stehen.

Ich bin froh, dass wir in vielen Bereichen erste Schritte verankert haben – die Hilfs- und Unterstützungsfonds sind ein Teil davon.

Ich bin froh darüber, dass daran gearbeitet wird, dass die Zugangsmöglichkeiten verein­facht werden, dass wir da auch schneller werden, und ich bin froh darüber, dass wir auch sozialpolitische Absicherungsmaßnahmen etwa aus dem Familienbereich verankert haben, die direkt in Richtung Bekämpfung der Notsituation von Betroffenen gehen, etwa auch die Frage der Notstandshilfe und ihrer entsprechenden Anhebung.

Das alles sind erste wichtige Schritte, aber es dürfen nicht die endgültigen Schritte sein. Wir müssen und wir werden da zulegen und in diesem Bereich konsequent weiterar­beiten. – Das ist das eine.

Was ich betreffend Corona ja schon sehr spannend finde, ist: In vielen Detailbereichen zeigt uns diese Krise auf, wo die sozialen Probleme tatsächlich zu Hause sind. Wir wis­sen aufgrund unterschiedlichster Berichte, dass in manchen Teilbereichen prekäre Ar­beitssituationen in Österreich zugenommen haben. Ich bin jetzt kein Schlechtredner von Leiharbeit generell, aber dass wir dabei auch Problembereiche haben, das ist, glaube ich, unbestritten.

Wenn wir uns diesen aktuellen Ausbreitungscluster in Niederösterreich und Wien anse­hen, dann merken wir ganz klar: Die Dinge hängen zusammen! Ich habe derzeit dort die Akutprobleme, wo die prekärsten Lebenssituationen, Wohnsituationen und Arbeitssitua­tionen vorhanden sind. Deswegen werden wir in Österreich in den nächsten Wochen ein großes, breites, umfassendes Screeningprogramm realisieren, mit dem genau in diesen Bereichen getestet wird. Wir dürfen es nämlich nicht zulassen, dass die Decke dort drü­bergebreitet wird, sondern wir müssen aufklären und wir müssen dafür sorgen, dass das Mindeste, was soziale Absicherung bedeutet, nämlich gesundheitliche Sicherheit, garan­tiert wird – auch in diesen bedrohten und riskanten Lebensbereichen, die da sichtbar geworden sind. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist gerade eine Gruppe, bei der das be­sonders sichtbar wird, was Corona auch bedeutet und wie sehr sie eine Zuspitzung trifft, das sind Menschen mit Behinderungen. – Ja, ich sage es ganz offen und ehrlich: Auch wir waren in den letzten Wochen, am Beginn der Krise, was die Einbindung dieser Be­völkerungsgruppe betrifft, nicht so offensiv, wie es notwendig gewesen wäre. Ja, das ist so. – Wir haben dazugelernt, binden nun Menschen mit Behinderungen auch in den Kri­senstab mit ein, damit dort immer eine direkte Vertretung gegeben ist und damit die Anliegen, die sehr spezifischen Themenfelder und die spezifische Betroffenheit jeweils auch sehr schnell Teil der Gesamtstrategie sind und wir nicht im Nachhinein etwas repa­rieren müssen. Das ist mir ganz, ganz wichtig.

Das Zweite ist, wir arbeiten bereits am Nationalen Aktionsplan für Menschen mit Behin­derungen, in dem nun erstmals alle Regierungsressorts miteingebunden sind. Das ist


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kein Thema des Sozialministeriums allein, das ist ein Wirtschaftsthema, das ist ein Bil­dungsthema, das ist ein Familienthema, das ist ein Jugendthema, das ist ein Thema unserer Gesellschaft, also ein Thema von uns allen. Darum wird es gehen: dass wir spätestens 2021 mit diesem Gesamtpaket dann in Richtung faire Chancen auch für Men­schen mit Behinderungen in unserer Gesellschaft durchstarten.(Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Um zu Kollegen Stöger zu kommen: Er hat mit den Pensionen begonnen, und einen Satz habe ich wirklich für hervorragend erachtet. Dem kann auch ich zustimmen, nämlich der Aussage, dass wir tatsächlich auf ein wirklich solides System aufbauen, das über Jahrzehnte hindurch erarbeitet wurde, das in Teilbereichen für ganz bestimmte Bevölke­rungsgruppen noch Schwächen hat, aber auf das wir im Wesentlichen stolz sein können und das nicht schlechtgeredet werden soll.

Herr Kollege Loacker! Ja, ich bin keiner, der schnell schießt, weil ich dabei keine ideo­logischen Motive habe; das unterscheidet uns zwei vielleicht in dieser Frage. (Beifall und Bravoruf bei den Grünen sowie Beifall bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Ich will mich nicht mit sehr, sehr unterschiedlichen Prognosen ab­speisen lassen in der von Ihnen angezogenen Frage, die tatsächlich ein Thema ist, die sensibel ist, sondern ich will Fakten am Tisch haben – und Fakten am Tisch haben heißt, dass die tatsächlichen Zahlen auf den Tisch gehören. (Zwischenrufe der Abgeordneten Loacker und Schnedlitz.) Die können wir aber nicht nach zwei, drei Monaten haben, sondern die können wir erst dann haben, wenn es tatsächlich Zahlungen und Zahlen gibt. Dann werden wir bewerten und dann werden wir entscheiden. – So geht das einfach bei uns, und ich stehe dazu, dass das ein guter Weg ist. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Zuletzt von meiner Seite noch ein Punkt, der mir persönlich ein großes Anliegen ist. Es ist natürlich nur ein Symbol, wenn eine Regierung den Namen eines Spezialprojektes direkt in den Titel des zuständigen Ministeriums gibt, nämlich die Pflege. Das ist ein Symbol – und es muss mehr werden als ein Symbol, und ich verspreche und garantiere Ihnen, dass es mehr wird als ein Symbol.

Wir haben im Jänner sehr, sehr schnell mit den Vorbereitungsarbeiten für die große Pfle­gereform begonnen. Ich weiß, dass mittlerweile – ich nenne es einmal so – der Lei­densdruck auch für die Bundesländer so groß ist, dass wir erstmals, glaube ich, in dieser Frage wirklich an einem Strang ziehen. Man kann eine Pflegereform nur realisieren, wenn gesamthaft agiert wird und wenn alle miteinander dieses Reformprojekt unterstüt­zen. Deswegen muss man vorher reden, deswegen muss man die Menschen ernst neh­men, deswegen muss man Institutionen, Betroffene miteinbeziehen und daraus einen gemeinsamen Prozess machen, sonst bleibt das wieder Stückwerk, und das will ich nicht und das können wir uns auch nicht mehr leisten.

Uns fehlen in relativ kurzer Zeit 75 000 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Wer soll die herbeizaubern, wenn wir nicht jetzt die Weichen dafür stellen, dass wir diese Problem­felder im Bereich der Pflege tatsächlich in Angriff nehmen? Das ist die zentrale Aufgabe. Deswegen haben wir unseren Fahrplan für die Pflegereform neu aufgesetzt. Er wird im September noch einmal neu gestartet – in der Hoffnung, dass wir ein Themenfeld, das Sie genau kennen, das uns in den letzten Wochen und Monaten ziemlich beschäftigt hat, bis dorthin so weit unter Kontrolle bringen können, dass wir uns tatsächlich wieder stärker den offensiven, den vorwärtsorientierten Aufgabenstellungen widmen können. Das ist das eigentliche Ziel.

In der Zwischenzeit war es auch nicht einfach, denn wir kennen die Lebenssituation von 24-Stunden-Betreuerinnen, wir kennen die Lebenssituation von pflegenden Angehöri­gen, und wir wissen, dass das unfassbar schwierige Arbeits- und Lebenssituationen sind – und ja, die sind durch Corona noch einmal schwieriger geworden. Auch da hat das System gezeigt, wo die Schwächen sind.


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Deswegen arbeiten wir zum Beispiel mit den Bundesländern ganz intensiv daran, dass wir diese Bedrohungen des Systems, die vorhanden waren und vorhanden sind, gut ab­fangen. Dafür hat dieses Haus 100 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Dafür bedanke ich mich. Das ist extrem gut investiertes Geld, damit wir die Betroffenen gerade in einer derartigen Krisenlage und Krisensituation eben nicht alleine lassen. (Beifall bei den Grü­nen, bei Abgeordneten von ÖVP und NEOS sowie des Abg. Köllner.)

Mir ist noch ein Punkt wichtig. Wir haben viele stationäre Einrichtungen. Wir haben zwar selbstverständlich einen Vorrang für den häuslichen Bereich, für den mobilen Bereich, aber auch der stationäre Bereich ist sehr, sehr wichtig, und wir wissen von unseren Nachbarländern, dass das betroffene Menschen waren und sind, die extrem unter Druck gekommen sind, weil sie die Verletzlichsten in dieser Coronakrise waren und sind.

Wenn Sie mit mir nach Italien, Frankreich, Spanien und in andere Länder schauen und wir uns gemeinsam ansehen, welches Ausmaß diese Bedrohung hatte und hat, wie viele Todesfälle es in diesem Bereich der Bewohner und Bewohnerinnen von Einrichtungen etwa gegeben hat, dann, glaube ich, erkennen wir, dass es gut, richtig und klug war, dass wir von Beginn an diese Institutionen sehr, sehr gut geschützt haben.

Das hat aber auch dazu geführt, dass es für Betroffene und von Betroffenen auch soziale Schwierigkeiten gegeben hat, und wir sind deswegen derzeit dabei, dass wir von den Institutionen für Menschen mit Behinderungen über die Alten- und Pflegeheime bis zu den Krankenanstalten einen Öffnungsprozess verwirklichen, der dafür sorgt, dass wir schrittweise wieder in Richtung der Alltagssituation des Lebens kommen. Dafür arbeiten wir gerade. Die ersten entsprechenden Empfehlungen werden am Wochenende für die Krankenanstalten präsentiert und veröffentlicht, und ich gehe davon aus, dass wir in etwa zehn Tagen so weit sind, die Öffnungsmaßnahmen für den gesamten Bereich prä­sentieren zu können, damit wir wieder eine Balance zwischen den sozialen Notwendig­keiten und Möglichkeiten und dem Schutz der Betroffenen finden. – Das ist das Ziel. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.39


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nun gelangt Frau Mag.a Verena Nussbaum zu Wort. – Bitte, Frau Abgeordnete.


13.39.47

Abgeordnete Mag. Verena Nussbaum (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Herr Minister, auch ich möchte jetzt gleich zu Beginn meiner Rede auf die Pflege zu sprechen kommen.

Sie haben das schon so dargestellt: Es ist richtig, wir brauchen rasch eine Neustruktu­rierung der Pflege, unseres Pflegesystems. Wir haben in der Coronakrise gesehen, wie wacklig die Beine sind, auf denen die Pflege bei uns in Österreich steht.

Wir haben akuten Personalmangel in der Pflege. Wir müssen die Anzahl der Ausbil­dungsplätze deutlich erhöhen. Wir müssen dem Pflegepersonal Qualifizierungsprogram­me zur Verfügung stellen. Wir brauchen – das ist ganz wesentlich – attraktivere Arbeits­bedingungen, wie zum Beispiel kürzere Arbeitszeiten und höhere Löhne. (Beifall bei der SPÖ.) Sie sagen, Sie wollen im September damit beginnen. Ich bin der Meinung, wir warten schon viel zu lange, Sie müssten eigentlich gleich heute damit beginnen.

In zweiten Teil meiner Rede möchte ich auf Menschen mit Behinderungen zu sprechen kommen. Es ist schön, dass Sie nun auch Menschen mit Behinderungen und ihre Vertre­tungen in den Krisenstab aufgenommen haben, weil für lange Zeit diese Menschen für die Bundesregierung einfach unsichtbar waren – auf sie wurde einfach vergessen. Echte Integration bedeutet aber natürlich auch, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, und da möchte ich wieder daran erinnern, dass es dafür wesentlich ist, finanziell unabhängig zu


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sein. Wir müssen schauen, dass Menschen mit Behinderungen, die in den Tagesstruktu­ren arbeiten, einen gerechten Lohn statt ein Taschengeld und eine vollwertige Sozialver­sicherung bekommen, damit sie auch im Alter eine Pension erhalten können. Dazu fehlt uns auch einiges im Budget.

Ich möchte Ihnen jetzt gleich behilflich sein, damit die soziale Teilhabe dieser Gruppe möglich wird oder verbessert wird, und im Zusammenhang mit der Barrierefreiheit einen Entschließungsantrag einbringen.

An sich sollte es seit Jänner 2020 nach dem Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz in Österreich möglich sein, dass alle öffentlichen Gebäude und Verkehrsanlagen bar­rierefrei zugänglich sind; das ist jedoch leider nicht gelungen. Auch in großen Einkaufs­straßen und Lokalen sind nur 50 Prozent barrierefrei zugänglich.

Dazu möchte ich ausführen, dass es für uns bei der Gewährung von Bundesförderungen nach den allgemeinen Rahmenrichtlinien, aber auch nach dem Bundesvergabegesetz notwendig ist, dass Mittel des Bundes nur eingesetzt werden, wenn die Vorhaben bar­rierefrei sind oder barrierefrei gemacht werden. Es ist sicher super, den Konjunkturmotor dahin gehend wieder anzuwerfen, denn es geht dabei um die Schaffung beziehungs­weise Sicherung vieler Arbeitsplätze, weil diese Umbaumaßnahmen meistens sehr per­sonalintensiv sind.

Ich bringe daher folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Verena Nussbaum, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ver­pflichtende Barrierefreiheit bei der Gewährung von Bundesförderungen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, Förderungen aus Bundesmitteln nur zu gewäh­ren, wenn das geförderte oder vergebene Vorhaben barrierefrei ist oder barrierefrei ge­macht wird. Zur Beurteilung der Barrierefreiheit sind ExpertInnen aus dem Kreis der In­teressenvertretungen der Menschen mit Behinderungen beizuziehen.“

*****

Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

13.43

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Verena Nussbaum,

Genossinnen und Genossen

betreffend verpflichtende Barrierefreiheit bei der Gewährung von Bundesförderungen

eingebracht im Zuge der Debatte zu UG 21

Die Allgemeinen Rahmenrichtlinien für die Gewährung von Förderungen aus Bundesmit­teln (ARR 2014) legen die Grundlagen der Vergabe von Geldern des Bundes im Förde­rungsbereich dar. Im Hinblick darauf, dass ein Konjunkturpaket zur Sicherung und Schaf­fung von Arbeitsplätzen nach der akuten Krise dringend notwendig ist, wäre dies eine große Chance, auch die umfassende Barrierefreiheit voranzubringen.


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Nach dem Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz müssten eigentlich alle öffentlich zugänglichen Gebäude und Verkehrsanlagen spätestens seit 1.1.2020 barrierefrei sein, ein kurzer Blick in die Realität zeigt, dass dies nicht der Fall ist. Eine Erhebung einer großen Interessenvertretung ergab vor kurzem, dass in wichtigen Einkaufsstraßen gro­ßer österreichischer Städte knapp 50 % der (Geschäfts)Lokale nicht barrierefrei zugäng­lich sind.

Über den Hebel der Allgemeinen Rahmenrichtlinien, aber auch des Bundesvergabege­setzes könnte dieser – bedenkliche – Befund deutlich verbessert werden. Es sollten da­her Mittel des Bundes nur eingesetzt werden dürfen, wenn das geförderte oder verge­bene Vorhaben barrierefrei ist oder barrierefrei gemacht wird. Darüber hinaus sollten die im Bundesvergabegesetz bereits aufgestellten Anforderungen zur Barrierefreiheit bei Prüfung und Prüfungsdokumentation des Angebots sowie beim Zuschlag nochmals aus­drücklich zwingend angewendet werden. Zur Beurteilung der Barrierefreiheit sind Exper­tInnen aus dem Kreis der Interessenvertretungen der Menschen mit Behinderungen bei­zuziehen.

Maßnahmen zur Herbeiführung der Barrierefreiheit sind in der Regel weniger maschi­nen- als personalintensiv. Sie eignen sich somit sehr gut um Arbeitsplätze zu sichern bzw. neue zu schaffen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, Förderungen aus Bundesmitteln nur zu gewäh­ren, wenn das geförderte oder vergebene Vorhaben barrierefrei ist oder barrierefrei gemacht wird. Zur Beurteilung der Barrierefreiheit sind ExpertInnen aus dem Kreis der Interessenvertretungen der Menschen mit Behinderungen beizuziehen.“

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, ist ordnungsgemäß eingebracht und steht somit auch in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Mag. Peter Weidinger. – Bitte, Herr Abgeord­neter.


13.43.34

Abgeordneter Mag. Peter Weidinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätz­ter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Liebe Österreicherinnen, liebe Österreicher! Ich möchte meinen Redebeitrag dem Konsumentenschutz widmen. Ich bin davon über­zeugt, dass die beste Form des Konsumentenschutzes darin besteht, unser erfolgrei­ches Gesellschaftsmodell zu schützen.

Vorhin hat eine Kollegin der SPÖ an Bruno Kreisky erinnert. Bruno Kreisky hat als mar­kante Persönlichkeit in der Geschichte Österreichs ja dann wohlverdient einen Namen bekommen, auch im Bundeskanzleramt, nämlich in einem Arbeitszimmer. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Ich bin sehr froh, dass dort nun Bundeskanzler Sebastian Kurz (Ruf bei der SPÖ: Sehr witzig! – weitere Zwischenrufe bei der SPÖ) gemeinsam mit dem Team der Grünen daran arbeitet, dieses Gesellschaftsmodell für Österreich positiv wei­terzuentwickeln. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Litschauer.)

Meine Damen und Herren, unser Staat lebt eine erfolgreiche Symbiose mit dem Markt (Zwischenruf bei der SPÖ) – ohne Markt, ohne unternehmerisches Risiko, ohne grenz­überschreitenden Handel keine Arbeitsplätze, keine Sozialabgaben und auch keine


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Steuern! Das sind für uns Finanzierungsquellen, um den Menschen Freiheit zu geben, um Konsumentinnen und Konsumenten auch die Möglichkeit zu geben, Dienstleistungen bei uns in Österreich gut konsumieren zu können, und mitzuhelfen, neue zu entwickeln.

Deswegen hat diese Bundesregierung in diesem Budget unserem Haus eine Erhöhung der Mittel für den Konsumentenschutz, ein Plus von 21,1 Prozent oder 6,2 Millionen Eu­ro, und auch mehr Geld für einen wichtigen Partner für uns vorgeschlagen, nämlich für den Verein für Konsumenteninformation, den wir auch benötigen, um den nächsten Schritt in der Weiterentwicklung unseres Gesellschaftsmodells der sozialen Marktwirt­schaft zu setzen.

Unser Ziel ist es nämlich, die digitale ökosoziale Marktwirtschaft in Österreich einzufüh­ren, und dazu brauchen wir Konsumentinnen und Konsumenten, die mithelfen, in Frei­heit Entscheidungen zu treffen. Dazu braucht es wichtige Einrichtungen wie die Schuld­nerberatung. Dazu braucht es den Internetombudsmann. Dazu braucht es auch Partner, zum Beispiel Energiegemeinschaften, die entstehen werden – bei denen Konsumentin­nen und Konsumenten auch als Produzenten tätig sind –, die mithelfen, dass wir den Green New Deal gemeinsam mit der Europäischen Union umsetzen.

Deswegen, meine Damen und Herren, freue ich mich – und ich bedanke mich für die ausgezeichnete Zusammenarbeit mit meiner Kollegin von den Grünen, mit Ulli Fischer ‑, dass wir hier gemeinsam einen Prozess aufsetzen – mit Begleitung und unter Führung des Herrn Bundesministers –, um unseren Beitrag zu leisten (Zwischenruf des Abg. Vogl), dass die Konsumentinnen und Konsumenten gemeinsam im Team Österreich das Comeback Österreichs schaffen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

13.46


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Peter Wurm. – Bitte schön.


13.46.35

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister Angstschober! (Zwi­schenruf der Abg. Maurer. – Weitere Zwischenrufe bei den Grünen.) Ein Sozialmi­nister - -


Präsident Ing. Norbert Hofer: Herr Abgeordneter, ich muss Sie darauf aufmerksam machen, dass wir uns im Hohen Haus darauf geeinigt haben, mit der Änderung von Namen keine Redebeiträge zu gestalten. – Bitte schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)


Abgeordneter Peter Wurm (fortsetzend): Das nehme ich gerne zur Kenntnis. (Zwi­schenruf bei der SPÖ.) Dieser Spitzname wurde ihm in seinem Heimatbundesland, in Oberösterreich, verpasst. (Rufe bei der ÖVP: Von wem?) Er wird sich halt dann sonst verbreiten; ich habe ihn aber recht treffend gefunden.

Herr Minister, aber trotz allem sind Sie Sozialminister. Wir haben zurzeit 1,9 Millionen Menschen in Österreich mit Familien, mit Kindern, die entweder arbeitslos oder in Kurz­arbeit sind, die massive Gehaltseinbußen haben. Eine größere Krise im Sozialbereich hatten wir noch nie, und ich sehe nicht – so empfinde ich das – den Angstschweiß auf Ihrer Stirn. Sie sitzen recht locker da, Sie machen also weiter wie gehabt. Sie spielen das Spiel weiter, mit Ihrer Maske, aber was das sozial bedeutet, Herr Minister, das spüre ich nicht, auch nicht in Ausschüssen, wenn Sie da sind.

Sie machen das sehr professionell – da kann man nichts sagen –, aber ich spüre da keine Emotion. Ich habe ja doch einige Sozialminister erlebt, auch einen mittlerweile verstorbenen Sozialminister Hundstorfer – um den auch zu erwähnen –, da hatte ich das Gefühl, er war mit Herz dabei. (Zwischenruf des Abg. Vogl.) Ihn hat jeder Arbeitslose, jeder Sozialfall, alles an Problemen geärgert – das damals waren ja noch relativ gute


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Zeiten –, Sie aber scheinen die 1,9 Millionen Menschen nicht sehr zu tangieren, und das finde ich eigentlich schockierend.

Vielleicht noch einmal ganz kurz zu den Pensionen: Unsere Position ist sehr klar. Auch wir sind der Meinung, 45 Jahre sind genug. Ich glaube auch, dass die Pensionen fi­nanzierbar sein werden – natürlich sind das große Ausgaben. Was wir, glaube ich, wer­den angehen müssen, ist das Thema Luxuspensionen. Gerade in dieser Krise wird man das wieder angreifen, wieder aufgreifen müssen, und da haben die Grünen eine histori­sche Chance, ihr Waterloo von der letzten Beteiligung auszubügeln.

Was man auch sagen sollte: Jene Menschen, die in Kurzarbeit oder arbeitslos sind, zah­len natürlich auch entsprechend weniger auf ihr Pensionskonto ein. Das heißt, das wird auch langfristig dementsprechend die Pensionen für diese Menschen reduzieren.

Ich habe es mitgebracht, damit man es einfach einmal sieht (eine Tafel mit der Aufschrift „EU-Budget 2017-2021: € 1.850.000.000.000“ auf das Rednerpult stellend), diese Zahl mit den vielen Nullen, das EU-Budget jetzt in der Coronakrise. Ich weiß nicht, ob sich da jemand etwas darunter vorstellen kann; es war auch für mich sehr schwer: 1,8 Billionen Euro. Ich habe googeln müssen, wie es dann weitergeht. (Abg. Maurer: Das wundert mich auch nicht! – Heiterkeit bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen.)

Ich wollte das nur sagen, dass man sieht, wohin das Geld auch der Steuerzahler aus Österreich fließt. Das verteilt dann Brüssel in Europa – wohin genau, wissen wir nicht.

Wir hätten vorgeschlagen, auch – und vor allem – für jene in Österreich (ein Schild mit der Aufschrift „Österreich 1000er“ auf das Rednerpult stellend), die zurzeit wirklich lei­den - - Hoppala! (Das Schild des Redners fällt vor das Rednerpult. – Oje-Rufe bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei den NEOS. – Abg. Leichtfried: Das ist gestern dem Kollegen Zanger auch schon passiert!)

Es ist wichtig genug, um es raufzuholen. Ich zeige es noch einmal her: der Österreichtau­sender. Das wäre eine Maßnahme, mit der man der breiten Bevölkerung in Österreich helfen könnte und sollte und mit der man die Konjunktur dementsprechend beleben könnte. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich bringe folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen

betreffend „Ausführungsgesetze zum Sozialhilfe-Grundsatzgesetz und Adaptierung des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes in COVID-19-Zeiten“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pfle­ge und Konsumentenschutz und der Bundeskanzler, werden ersucht, mit den einzelnen Landesregierungen unverzüglich Kontakt aufzunehmen und diese auf die sofortige Um­setzung des § 10 des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes in allen nicht durch das VfGH-Er­kenntnis (G 164/2019) behobenen Teilen hinzuweisen sowie deren Einhaltung einzu­mahnen.

Die Bundesregierung, wird ersucht, hinsichtlich der durch den VfGH beanstandeten de­gressiven Staffelung für Kinderzuschläge, des Arbeitsqualifizierungsbonus und der So­zialhilfe-Statistik eine der ständigen Spruchpraxis des VfGH entsprechende, verfas­sungskonforme Regierungsvorlage dem Nationalrat zuzuleiten.“

*****

Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

13.51


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 600

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abg. Dr. Dagmar Belakowitsch, Peter Wurm

und weiterer Abgeordneter

betreffend Ausführungsgesetze zum Sozialhilfe-Grundsatzgesetz und Adaptierung des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes in COVID-19-Zeiten

eingebracht im Zuge der Debatte zu Top 7: Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (55 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvor­anschlages für das Jahr 2020 (Bundesfinanzgesetz 2020-BFG 2020) samt Beila­gen (183 d.B.) – UG 21(Soziales) in der 32.Sitzung des Nationalrates am 28. Mai 2020

Einzelne Bundesländer wie insbesondere das rot-grün regierte Bundesland Wien haben die Nichtumsetzung der Bestimmungen des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes (SH-GG) seit dessen Inkrafttreten damit begründet, dass man ein Erkenntnis des Verfassungs­gerichtshofs zu diesem Gesetz abwarten müsse und erst dann eine Ausführungsgesetz­gebung entsprechend umsetzen werden.

Im diesbezüglichen VfGH-Erkenntnis vom Dezember 2019 wurden lediglich 3 von 13 angefochtenen Gesetzespassagen teilweise aufgehoben. Alle anderen 10 angefochte­nen Gesetzespassagen und insbesondere auch die nicht angefochtenen Gesetzespas­sagen blieben vom VfGH-Erkenntnis ausdrücklich unangetastet und damit weiterhin in Kraft.

Zum VfGH-Erkenntnis (G 164/2019) ist inhaltlich darüber hinaus folgendes anzuführen:

1.          Der VfGH widerspricht sich selbst. Noch vor einem Jahr wurde zur oberösterrei­chischen Mindestsicherung (VfGH 11.12.2018, G 156/2018 ua) eine funktions­gleiche degressive Staffelung von Sozialleistungen bei einer hohen Kinderan­zahl, die ja zusätzlich zur ohnehin bestehenden Familienbeihilfe ausbezahlt wer­den, als zulässig anerkannt.

2.          Der VfGH negiert den klaren sachlichen Zusammenhang zwischen Spracher­werb und Berufsqualifikation. Das ist eine weltfremde Botschaft aus dem Elfen­beinturm.

3.          Für die aufgehobenen Regelungen können funktionsgleiche Ersatzregelungen getroffen werden, die den Spruch des VfGH berücksichtigen.

Das SH-GG ist ein Auftrag an die Landesgesetzgebung. Demzufolge werden Oberös­terreich und Niederösterreich ihre bereits erlassenen Ausführungsgesetze in puncto „Kinderzuschläge“ und „Arbeitsqualifizierungsbonus“ anzupassen haben, wobei eine Er­satzregelung in Bezug auf die Kinderzuschläge relativ leicht umzusetzen ist. Sämtliche anderen Bundesländer sind und bleiben aber verpflichtet, alle übrigen Regelungen des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes durch Ausführungsgesetze umzusetzen.

Zahlreiche Regelungen des SH-GG, die der ÖVP/FPÖ-Bundesregierung im Gesetzwer­dungsprozess ein Anliegen waren, wurden gar nicht angefochten, darunter etwa:

•             Die Unzulässigkeit der gleichzeitigen Auszahlung von Mindestsicherung und Wohnbeihilfe, wie bisher etwa in Wien üblich (§ 2 Abs. 5 SH-GG).

•             Die Unzulässigkeit, Sperren des AlVG-Arbeitslosengeldes, die durch das Arbeits­marktservice (AMS) veranlasst werden, zu 100 Prozent durch Mindestsicherung auszugleichen, wie es in Wien oft vorkam (zur Vermeidung von Härtefällen bleibt ein Ausgleich von bis zu 50 Prozent zulässig, § 7 Abs. 3 SH-GG).


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 601

•             Die Verpflichtung des Landesgesetzgebers, ein wirksames Kontroll- und Sanktio­nensystem zu schaffen und aufrechtzuerhalten (§ 9 Abs. 1 und 2 SH-GG).

Darüber hinaus sind die vor dem VfGH angefochtenen, aber verfassungskonformen Re­gelungen des SH-GG anzuführen:

•             Fremdenrecht

o            Der Ausschluss von Fremden vor Ablauf von fünf Jahren tatsächlichem und rechtmäßigem Aufenthalt in Österreich (mit Ausnahme von Asylberechtigten und erwerbstätigen Unionsbürgern, wobei hier aber erstmals die Fremdenbehörde im Verfahren anzuhören ist). Subsidiär Schutzberechtigte werden österreichweit auf das Niveau der Grundversorgung beschränkt. Ausreisepflichtige bzw. bloß ge­duldete Fremde sind überhaupt von jeder Leistung auszuschließen (§ 4 SH-GG). Hier sieht etwa das Land Wien derzeit großzügigere Regelungen vor, die nun entsprechend anzupassen sein werden.

o            In Voraussicht einer möglichen späteren Aufhebung des Arbeitsqualifizierungs­bonus wurde die Pflicht zur Absolvierung einer B1-Integrationsprüfung des ÖIF sowie zur vollständigen Teilnahme, zur gehörigen Mitwirkung und zum Abschluss eines Werte- und Orientierungskurses auch in § 16c Abs. 1 IntG verankert. Eine schuldhafte Verletzung von Integrationspflichten gemäß § 6c Abs. 1 IntG ist mit Leistungskürzungen im Ausmaß von zumindest 25 Prozent über einen Zeitraum von mindestens drei Monaten zu sanktionieren (§ 9 Abs. 3 SH-GG). Das be­deutet, dass etwa ein alleinlebender Asylwerber, der 900 Euro Mindestsicherung beziehen will, sich aber fahrlässig oder vorsätzlich weigert, Deutsch bis auf B1-Niveau zu lernen oder Wertekurse zu besuchen, mit einer Anzeige des ÖIF an die Sozialbehörden der Länder und sodann mit einem Abzug auf zumindest 625 Euro für mindestens drei Monate zu rechnen hat.

•             Sachleistungen

o            Der grundsätzliche Vorrang von Sachleistungen ist verfassungskonform (§ 3 Abs. 5 SH-GG), ebenso die Wohnkostenpauschalregelung (§ 5 Abs. 5 SH-GG).

o            Die zwangsweise Befristung von Bescheiden mit 12 Monaten (zur effektiven Ver­meidung mehrjähriger Fortzahlungen ohne jedweder neuerlichen Prüfung) ist verfassungskonform (§ 3 Abs. 6 SH-GG).

o            Auch der Grundsatz der verpflichtend degressiven Staffelung von Sozialhilfeleis­tungen je nach Größe der Haushaltsgemeinschaft, aber auch diesbezügliche Höchstgrenzen für Erwachsene bleiben bestehen (100 % / 70 % / 45 %). Gleiches gilt für die strenge Definition, welche Formen des wirtschaftlichen Zusammenle­bens bereits als Haushaltsgemeinschaft einzustufen sind sowie für die Haus­haltsdeckelung an Geldleistungen, die Erwachsenen-Wohngemeinschaften be­ziehen, auf dzt. ca. 1.575 Euro (§ 5 SH-GG).

Für die durch den VfGH beanstandeten und aufgehobenen Regelungen im Sozialhilfe-Grundsatzgesetz bestehen auf der Ebene der Bundesgesetzgebung ebenfalls rasch um­setzende Varianten einer verfassungskonformen Sanierung:

•             Die degressive Staffelung für Kinderzuschläge: Eine mögliche jedenfalls verfas­sungskonforme Variante ist bereits vorgezeichnet: Da die von den Anfechtungs­werbern behauptete Überdeterminierung des Grundsatzgesetzes letztlich in kei­nem Punkt beanstandet wurde, dürfte wohl auch die vollinhaltliche Übernahme der Haushaltsdeckelregelung des Oö. MSG nicht zu beanstanden sein. Ebenso könnte etwa ein einheitlicher prozentueller Zuschlag pro Kind vorgesehen wer­den.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 602

•             Arbeitsqualifizierungsbonus: Eine mögliche jedenfalls verfassungskonforme Variante könnte darin bestehen, dass die Pflichten nach dem Arbeitslosenversi­cherungsgesetz (AlVG) und/oder dem Integrationsgesetz (IntG) weiter präzisiert und engmaschig verschärft werden, sodass im Ergebnis nur jene Asylberech­tigten eine volle Leistungshöhe beanspruchen können, die in Vollzeit mit der Ver­besserung ihrer Sprachkenntnisse bzw. weiterer Arbeitsqualifizierung beschäftigt sind. Ebenso ist es durchaus denkbar, für die Inanspruchnahme von ÖIF-Kurs­angeboten des Staates einen direkten Selbstbehalt vorzusehen.

•             § 1 Abs. 1 Sozialhilfe-Statistikgesetz: Dieses technische Detail ist durch die gefor­derte nähere Konkretisierung problemlos zu reparieren. Eine Reparatur könnte aber entbehrlich sein, da die Länder ohnehin in ihren Ausführungsgesetzen ent­sprechende Verpflichtungen zur zwischenbehördlichen Datenweitergabe vorzu­sehen haben (§ 8 SH-GG).

Die Tageszeitung „Der Standard“ hat eine interessante Studie der Princeton University an die Öffentlichkeit gebracht, die einen nachhaltigen Einblick in die innerösterreichische Migrationswanderung von den Bundesländern in die Bundeshauptstadt Wien offenlegt:

https://www.derstandard.at/story/2000114779084/wien-zieht-mit-hoeherer-sozialhilfe-fluechtlinge-an

Dazu kommentiert Redakteur Andreas Schnauder unter dem Titel „Pull-Effekt der So­zialhilfe: Falsche Anreize“:

Dass ein kleines Land derartige Unterschiede aufrechterhält, mag typisch österreichisch sein, macht es aber auch nicht besser. Die unterschiedlichen Leistungen sorgen nicht nur dafür, dass Asylberechtigte wandern. Es gibt auch – abseits der Studie – einen Pull-Effekt aus der Beschäftigung in die Mindestsicherung. Das ist der Fall, wenn Jobs schlecht bezahlt sind – man denke nur an Küchengehilfen. Für geflüchtete Familien kann es attraktiver sein, in Wien von Sozialleistungen zu leben, als in Tirol von Arbeit.

Die FPÖ hat dazu einen klaren Standpunkt, den Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch so formulierte:

https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20200220_OTS0035/fpoe-belakowitsch-neue-studie-zeigt-wiener-mindestsicherung-zieht-asylberechtigte-an

Diese Langzeitstudie zweier unabhängiger Wissenschaftler zeigt eindeutig, dass die Reise in Sachen Mindestsicherung in die falsche Richtung gegangen ist. Deshalb ist es unbedingt notwendig, dass das unter Türkis-Blau 2019 beschlossene Sozialhilfe-Grund­satzgesetz in allen österreichischen Bundesländern umgesetzt werden muss. Die vom VfGH monierten Änderungen sind in einer Novelle leicht durchzuführen und insbeson­dere das rot-grün geführte Wien hätte keine Ausrede mehr, die Ausführungsgesetzge­bung vorzulegen.

Dazu ist aber insbesondere die ÖVP auf Bundesebene aufgerufen, hier endlich gemein­sam mit ihrem Koalitionspartner dieses Projekt auch weiter zu verfolgen und umzuset­zen. Als FPÖ würden wir im ‚koalitionsfreien Raum‘ hier auch sachpolitisch unterstützend dazu beitragen, dass das sinnhafte und notwendige Sozialhilfe-Grundsatzgesetz endlich bundesweit inklusive Ausführungsgesetzen in Kraft treten kann. Verschweigt sich die ÖVP hier weiterhin und verabschiedet sie sich von diesem Reformschritt, dann würde das wieder einmal zeigen, dass hier nach hinlänglich bekannter ÖVP-Methode wieder nur Wasser gepredigt und Wein getrunken wird.

-             Für Sozialhilfebezieher und -bezieherinnen wurde auch ein neues Leistungsrecht etabliert, das Zuschläge für besonders schützenswerte Personengruppen (Allein­erziehende und Menschen mit Behinderung) vorsieht.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 603

-             Auch die Abdeckung nachweislich höherer Wohnkosten (Wohnkostenpauschale) wurde zusätzlich möglich gemacht, ebenso die Gewährung von Zusatzleistungen im Härtefall für Sonderbedarfe.

Alle diese sinnvollen und notwendigen Maßnahmen wurden durch die Nichtumsetzung der Ausführungsgesetzgebung in einzelnen Bundesländern verhindert. Gerade in Kon­frontation mit den Auswirkungen der COVID-19-Krise und ihren sozialen Folgen sollte daher im Interesse jener, die unverschuldet in Not geraten sind und die ihren Beitrag ins Sozialsystem über viele Jahre geleistet haben, eine rasche Adaptierung des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes und Umsetzung in den Ausführungsgesetzen erfolgen.

Daher stellen die unterzeichnenden Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pfle­ge und Konsumentenschutz und der Bundeskanzler, werden ersucht, mit den einzelnen Landesregierungen unverzüglich Kontakt aufzunehmen und diese auf die sofortige Um­setzung des § 10 des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes in allen nicht durch das VfGH-Er­kenntnis (G 164/2019) behobenen Teilen hinzuweisen sowie deren Einhaltung einzu­mahnen.

Die Bundesregierung, wird ersucht, hinsichtlich der durch den VfGH beanstandeten de­gressiven Staffelung für Kinderzuschläge, des Arbeitsqualifizierungsbonus und der So­zialhilfe-Statistik eine der ständigen Spruchpraxis des VfGH entsprechende, verfas­sungskonforme Regierungsvorlage dem Nationalrat zuzuleiten.“

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht somit mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag.a Ulrike Fischer. – Bitte schön, Frau Abge­ordnete.


13.51.43

Abgeordnete Mag. Ulrike Fischer (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Werte Damen und Herren! Konsumentenschutz geht uns alle an. Insofern freut es mich sehr, dass ich diesem wichtigen Thema einmal nicht um 22 Uhr am Abend, sondern in der sogenannten Primetime Gehör verschaffen darf.

Unser Budget in der UG 21 wurde heuer deutlich höher dotiert, weil das VKI-Finanzie­rungsgesetz Einfluss gefunden hat und die Finanzierung des Vereins für Konsumenten­information für das Jahr 2020 damit sichergestellt ist.

Ein wichtiges Mittel, um an Konsumentinnen, an Konsumenten heranzukommen, sind oft Hotlines. Ihr alle habt in eurem Freundeskreis, Bekanntenkreis Leute, die diese Er­fahrung gemacht haben oder ihr habt sie selber gemacht, dass Urlaube nicht angetreten werden können, dass Reisen storniert werden müssen. In dieser Hinsicht konnte die Hotline, die der VKI betreibt, so ausgebaut werden, dass bisher 35 000 Anfragen einge­langt sind. Sie wurde budgetmäßig mit 228 000 Euro dotiert, und somit konnten viele Anfragen von besorgten Konsumentinnen und Konsumenten gut beantwortet werden.

Im Verbraucherschutz ist es wichtig, dass wir über den Tellerrand schauen, dass wir global denken und lokal handeln. Unser Handeln und unser Konsum können dazu füh­ren, dass wir unsere Welt besser und nachhaltiger machen. Ich glaube, das ist wichtig und darauf kommt es an.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 604

In unserem Budget und im Regierungsprogramm haben wir uns dafür eingesetzt, dass es nicht nur Schlagworte gibt, sondern dass wichtige Anliegen zur Umsetzung kommen werden. Sei es die Förderung langlebiger Produkte, die Reparaturfreundlichkeit, Müllver­meidung, Verschwendung von Lebensmitteln – all diesen Punkten wird ein großer Stel­lenwert eingeräumt. Das von der Europäischen Kommission strapazierte, aber so wich­tige Green-Deal-Programm wird natürlich auch in Österreich gemeinsam mit dem Minis­terium umgesetzt. Nachhaltigkeit bekommt einen noch höheren Stellenwert.

Ich freue mich, dass die Aufmerksamkeit heute größer ist und komme jetzt zu einem wichtigen Punkt, der uns, glaube ich, alle betrifft, das ist die geplante Obsoleszenz oder der programmierte Selbstmord. Ihr alle kennt das: Die Frist ist gerade einmal abgelau­fen – zwei Jahre dauert die Gewährleistungsfrist –, und dann geht etwas kaputt. Beson­ders wichtig ist, dass wir die Regelungen betreffend Reparaturfreundlichkeit und Ver­schleißteile so ändern, dass das rechtlich gesehen besser festgesetzt wird. – Okay, ich merke schon, ich muss mich ein bisschen beeilen mit meinem Redebeitrag. (Heiterkeit der Abgeordneten Vogl und Scherak.)

Ich komme noch zu zwei, drei wichtigen Sachen: Ein starker Konsumentenschutz hilft fairen Unternehmen, stärkt den Anreiz zum Konsum und stärkt somit auch den Wirt­schaftsstandort Österreich.

Wirtschaften ist aber in dieser Zeit, in dieser Krise nicht immer leicht. Oft werden Schulden gemacht, die abgebaut werden können, wenn eine entsprechende Schuldner­beratung gut ausgebaut ist. Es ist ganz wichtig, dass wir den Dachverband, der derzeit 40 000 Euro bekommt, entsprechend ausbauen und die Schuldnerberatung, die um Hilfe ersucht, auch entsprechend unterstützen.

Ich greife noch einen Punkt heraus: Der wichtige Lebensmittelcheck wird ausgebaut. Lebensmittelcheck und Scan4Chem, das sind nicht nur Schlagworte; im Gegenteil, in Österreich gibt es gelebten Konsumentenschutz, und dafür herzlichen Dank unserem Minister! – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.56


Präsident Ing. Norbert Hofer: Die nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Fiona Fied­ler. – Bitte, Frau Abgeordnete.


13.56.18

Abgeordnete Fiona Fiedler, BEd (NEOS): Herr Präsident! Hohes Haus! Werter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer und Zuschauerinnen! Wir haben in den vergangenen Tagen viel über den amtierenden Finanzminister und über die mangelnde Fähigkeit, ein ordentliches Budget zu erstellen, gehört. Unser Kanz­ler versteht den Unmut eines jeden, der noch kein Geld aus den verschiedenen Fonds auf dem Konto hat. – Wie einfühlsam! Wir haben über die Gleichstellung der Frau und das verschobene Rollenbild, das uns Corona – oder die Regierung – beschert hat, disku­tiert. Der Kanzler hat den Bürgerinnen und Bürgern wiederholt Dank ausgesprochen, dass sie sich in der Krise so vorbildlich verhalten haben, damit sich das Virus nicht weiter ausbreitet. Er hat sogar das Kleinwalsertal besucht, um sich persönlich zu bedanken. Zusammengefasst: viele Kritikpunkte der Opposition, viel Eigenlob der Regierungspar­teien.

Was aber wie immer fehlt, ist die Aufmerksamkeit und Bedachtnahme bezüglich Men­schen mit Behinderung. Diese Gruppe von Menschen – es sind immer noch nicht weni­ger als 1,4 Millionen Menschen in unserem Land – wird einfach verleugnet. Im Budget sind Maßnahmen und Mittel für ein selbstbestimmtes Leben der Menschen mit Behinde­rung zwar angeblich integriert, aber genau aufgeschlüsselt sind sie nicht.

Im Gießkannenprinzip fährt man über alles drüber, aber ob das Geld für – beispiels­weise – barrierefreie Schulen oder barrierefreie Ämter verwendet wird, scheint nicht auf.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 605

Schlimmer noch: Auf die Frage, wie viel für die Förderung inklusiver Kindergärten und Schulen budgetiert sei, kam eine knappe Antwort von Bildungsminister Faßmann: Kin­dergärten seien Ländersache, das gehe ihn nichts an. – Na, das ist auch eine Antwort! Ich finde, Inklusion geht uns alle an; auch den Bildungsminister sollte Inklusion etwas angehen. – Denken Sie darüber nach, Herr Minister!

Während der Sitzungen des Budgetausschusses wurde versprochen, dass man nach der Krise an diese Menschen denken und sie dann einbinden wird. Menschen mit Behinderung sind aber jetzt auch da. Sie leben auch in der Zeit der Coronakrise und sie werden jetzt noch mehr isoliert als sonst – sie sind aber Menschen aus unserer Mitte, sie sind Teil unserer Gesellschaft, das müssen wir endlich begreifen! Deshalb habe ich einige Fragen.

Vizekanzler Kogler meinte am Dienstag zum Thema Sport: Wir waren die Ersten, die verschiedene Sportarten wieder zugelassen haben. – Warum wollen wir denn nicht die Ersten sein, wenn es um Inklusion in Österreich geht? Warum sind wir bei Menschen mit Behinderung nicht die Ersten und lassen sie gleichwertig an unserer Gesellschaft teilha­ben?

Jemand hat auch noch gesagt: Die Einfühlsamkeit der Volksanwaltschaft ist so wichtig bei den zahlreichen Fällen, die sie bearbeiten muss. – Richtig! Warum ist aber die Re­gierung nicht einfühlsam, wenn es um zahlreiche Belange und Schicksale von Menschen mit Behinderung geht? Warum ist man nicht einfühlsam, wenn sechsjährige Kinder in Pflegeeinrichtungen ohne ihre Eltern auskommen müssen, weil keine Coronatests durchgeführt werden, obwohl man dadurch vielleicht eventuell doch ein Besuchsrecht erhält? Warum ist man nicht einfühlsam, wenn es um Menschen in Betreuungseinrich­tungen geht, die nicht nur keinen Besuch empfangen dürfen, sondern nicht einmal an die frische Luft gehen dürfen? Warum? Weil sie keine Möglichkeit haben, sich auszudrü­cken, sich zu beschweren, weil es ein Leichtes ist, sie wegzusperren und die Probleme zuzudecken?

Ich denke, es ist längst an der Zeit, Menschen mit Behinderung einzubinden. Eine Ein­bindung der Selbstvertretung bei allen Entscheidungsfindungen muss selbstverständlich sein.

Ich erwarte mir für das Budget 2021 ein ausführliches Paket für Inklusion in Österreich. Ich erwarte mir ein umfassendes Paket für inklusive Bildung, für einen inklusiven Ar­beitsmarkt und für umfassende Barrierefreiheit.

Ich erwarte mir nicht nur drei leere Worte aus dem Regierungsprogramm – Lohn statt Taschengeld –, auf die mehrfach verwiesen wird, ich erwarte mir konkrete Mittel und Maßnahmen, um einen Lohn statt eines Taschengeldes an betroffene Menschen auszu­zahlen. Dazu, wie dies gelingen kann, gibt es mehrfach Vorlagen und auch Studien, also gibt es keine Ausflüchte mehr, es nicht anzugehen.

Ich habe ja Verständnis dafür, dass ein Budget in Zeiten einer Krise nicht leicht zu er­stellen ist, aber wenn man sein Geschäft versteht, ist es machbar. (Beifall bei den NEOS.)

14.00

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Fiona Fiedler, Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Abrechnungskatalog für die Primärversorgungspflege mit der Sozialversiche­rung


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 606

eingebracht im Zuge der Debatte in der 32. Sitzung des Nationalrats über den Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (55 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2020 (Bundesfinanzgesetz 2020 – BFG 2020) samt Anlagen (183 d.B.) - TOP 7 / UG 21

Mit der Etablierung der Primärversorgungszentren und -netzwerke (Gesundheitsre­form 2013) wurde die Pflege in der niedergelassenen medizinischen Versorgung deut­lich aufgewertet. Was jedoch immer noch fehlt ist ein Abrechnungskatalog mit der Kran­kenversicherung, wie es diesen in ärztlichen Versorgung bereits gibt. Durch den feh­lenden Abrechnungskatalog wird nicht nur die Etablierung der Pflege in der Primärver­sorgung erheblich erschwert, sondern auch die Verbreitung der selbständigen, niederge­lassenen Pflege. Gerade in Zeiten des niedergelassenen Ärztemangels macht es des­halb Sinn darüber nachzudenken, welche nicht klassisch pflegerischen Leistungen die niedergelassene Pflege im niedergelassenen Bereich übernehmen könnte. Die Meduni Graz hat sich diesbezüglich die Mühe gemacht, das Leistungsspektrum der Primärver­sorgungspflege im internationalen Umfeld zusammenzutragen. Der Umfang der durch Pflegekräfte übernommenen Tätigkeiten in der Primärversorgung ist dabei international sehr groß. Das Leistungsspektrum umfasst so einfache Leistungen bis hin zu umfassen­dem Management, inklusive Diagnostik, Therapie, Patientenschulungen und Beratun­gen. International spricht man hierbei von „Practice Nurses“, deren primäre Aufgabe in der Unterstützung des Allgemeinmediziners liegt, und andererseits die „Advanced Nurse Practitioners“, die auf der Grundlage einer vertieften Ausbildung einen erweiterten Kom­petenzbereich haben. Diese sind mitunter auch in Hausarzt substituierender Position tätig.

Die Ergebnisse aus den Übersichtsarbeiten konnten insgesamt 17 unterschiedliche Tä­tigkeitsbereiche der Primärversorgungspflege zuordnen:

•             Management von Patient_innen mit chronischen Erkrankungen

•             Management von Patient_innen mit Diabetes mellitus

•             Management von Patient_innen mit Asthma bronchiale

•             Inkontinenzmanagement

•             Management von Patient_innen mit rheumatoider Arthritis

•             Management von Patient_innen mit Parkinson-Syndrom

•             Risikofaktorenmanagement von Patient_innen mit kardiovaskulären Erkran­kungen

•             HIV-/AIDS-Management

•             Wundmanagement

•             Management von Patient_innen mit Hauterkrankungen

•             Management von Patient_innen mit malignen Erkrankungen und Strahlenthe­rapie

•             Untersuchung und Beratung von Personen mit allgemeinen und akuten, nicht-kritischen Gesundheitsbeschwerden

•             Patient_innenerstkontakt und weiterführende Betreuung

•             Erstkontakt bei Personen mit dringlichem Konsultationswunsch

•             Alkoholberatung

•             HIV-Screening

•             Koloskopie-Screening


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 607

Quelle: https://pflegewissenschaft.medunigraz.at/forschung/pflegefachkraefte-in-der-haus­arztpraxis/

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird auf­gefordert, anhand von internationalen best-practice-Beispielen den Tätigkeitsbereich der Primärversorgungspflege zu definieren und einen Abrechnungskatalog der Primärver­sorgungspflege mit Sozialversicherung voranzutreiben."

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Ich darf mitteilen, dass der Entschließungsantrag aus­reichend unterstützt und ordnungsgemäß eingebracht ist und somit mit in Verhandlung steht.

Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Ernst Gödl. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.00.37

Abgeordneter Mag. Ernst Gödl (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesmi­nister! Meine geschätzten Damen und Herren! Hohes Haus! Die Pflege ist neben den Pensionen und der Gesundheit einer jener Politikbereiche, die in der Zukunft, in den nächsten Jahrzehnten ganz massiv von der demografischen Entwicklung beeinflusst werden. Die Pflege ist insgesamt auch ein Risiko des Lebens, gleich wie Krankheit, Un­fall oder vielleicht auch Arbeitslosigkeit.

Mit diesem Pflegerisiko sind in Österreich derzeit etwa 470 000 Menschen konfrontiert, nämlich jene 470 000 Menschen, die Pflegegeld in einer der sieben Stufen beziehen. Das bedeutet, dass diese Menschen einen Bedarf haben, in der täglichen Alltagsbewälti­gung unterstützt zu werden, und da gilt es natürlich, ganz genau hinzusehen. Ganz be­sonders gilt es aber, Danke zu sagen. Es gilt vorwiegend einmal jenen 950 000 Männern und Frauen – und da vorwiegend Frauen – zu danken, die zu Hause ihre Angehöri­gen pflegen – das sind 950 000 Menschen in Österreich. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Litschauer.)

Es gilt auch, den vielen Institutionen, Vereinen, Einrichtungen Danke zu sagen – und ich nenne exemplarisch vier große, nämlich die Caritas, die Volkshilfe, das Hilfswerk und das Rote Kreuz –, die mit ihren mobilen Diensten – in den mobilen Diensten sind auch wieder vorwiegend Frauen aktiv – viele Tausende Menschen zu Hause bei der Alltags­bewältigung in der Pflege, in der Betreuung unterstützen. Es gilt auch, dem Personal in den Tagesbetreuungseinrichtungen, dem Personal in den Pflegeheimen, den etwa 60 000 Menschen, die vorwiegend aus Nachbarländern, aus europäischen Nachbar­staaten kommen, um die 24-Stunden-Betreuung in Österreich zu gewährleisten, Danke zu sagen. All diesen Einrichtungen müssen wir ein ganz großes Danke sagen!

Schauen wir uns jetzt das Budget an: Wie bildet sich denn dieser Bereich der Pflege in dem heute hier zu diskutierenden Budget ab? Wie ist der Status quo? – Wir haben im Vorjahr beschlossen, dass wir ab 2020 das Pflegegeld jährlich valorisieren. Das bildet sich jetzt natürlich in diesem Budget richtigerweise ab, konkret bedeutet das eine Er­höhung von 154 Millionen Euro oder eine Zunahme von 6,2 Prozent. Insgesamt, das sei auch angemerkt, machen die Auszahlungen des Pflegegeldes 2,66 Milliarden Euro aus.

Wir haben hier im Hohen Haus vor circa einem Jahr auch den Rechtsanspruch auf Pfle­gekarenz beschlossen, und natürlich muss auch das finanziell dargestellt werden; da


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 608

gibt es auch eine Erhöhung um 63 Prozent auf insgesamt 18 Millionen Euro. Und na­türlich wird auch der Pflegefonds für die Gemeinden und für die Länder in der Höhe von 399 Millionen Euro und ebenso der Rückersatz für den Entfall des Vermögensregresses in der Höhe von 300 Millionen Euro wieder dotiert.

Der Pflegebereich ist in der nächsten Zeit – der Herr Bundesminister hat es angespro­chen – einer jener zentralen Politikbereiche, mit denen wir uns intensiv auseinanderset­zen müssen, und wir haben im Regierungsprogramm auch schon entsprechend viele, viele Vorhaben abgebildet. Dazu zählen die Konzentrierung der gesamten Finanzie­rungsströme, auch ein neuer Impuls für die Ausbildung von Personal und Fachkräften und die Unterstützung der pflegenden Angehörigen. Genauso wichtig wird es aber auch sein, einen starken Fokus auf präventive Maßnahmen zu setzen.

Das vorliegende Budget sichert nun einmal den derzeitigen Pflegeaufwand ab, aber, wie gesagt, es braucht in den nächsten Monaten eine ganz große gemeinsame Anstren­gung, um das Pflegekonzept für ganz Österreich zu entwickeln, um da eine besser ab­gestimmte Vorgangsweise für unsere neun Bundesländer gemeinsam mit dem Bund zu finden, und das wird unsere gemeinsame Aufgabe sein. Jetzt können wir einmal das Budget für heuer auch so beschließen, wie wir es hier vorgelegt haben. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

14.04


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Ing. Markus Vogl. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.04.46

Abgeordneter Ing. Markus Vogl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Es gibt den Spruch: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. Von daher ist es vielleicht gar kein Fehler, wenn der Herr Bundesminister kein Wort zum Konsumentenschutz verliert, denn von Worten haben wir eh nichts. Ich denke, die Handlungen sind wichtiger. Zum Konsumentenschutz gibt es ein Budget von 6,5 Millionen Euro, also nicht wirklich viel Geld, aber trotzdem viele Aufgaben, die zu erledigen sind.

Zuerst einmal ein Dank an die Grünen, dass sie es tatsächlich geschafft haben, die Fi­nanzierung des VKI für dieses Jahr abzusichern! Es kommt aber im Herbst der Lack­mustest, denn gleichzeitig seid auch ihr da mitverantwortlich, dass die langfristige Finan­zierung des VKI, die wir ja schon auf den Weg gebracht hätten, bisher nicht gelungen ist.

Herr Minister, es gibt viele Themen in Ihrem Bereich, die man auch ohne Geld erledigen kann. Wir werden derzeit von vielen besorgten Eltern angerufen und gefragt, wie es mit den Stornokosten bei den Maturareisen weitergeht. Da wäre für die Familien natürlich eine richtige Regelung erforderlich, denn wir es haben geschafft, dass, wenn Schulver­anstaltungen gewesen wären, die Kosten übernommen werden, aber die Maturantinnen und Maturanten bleiben derzeit auf den Stornokosten sitzen. Es gibt da zum Teil nicht nachvollziehbare Angebote, Stornokosten zu reduzieren. Da wären Sie gefragt.

Es gibt weitere Themen, und ich darf deshalb auch Entschließungsanträge einbringen. Zu einen einmal: Ich glaube, es werden im Bereich der Schuldnerberatung deutlich mehr Mittel notwendig werden, dazu wird sich meine Kollegin noch äußern.

Ich darf aber folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ing. Markus Vogl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erhöhung der Treuhandfondsrückerstattung für die ASB Schuldnerberatungen GmbH, Dachorganisa­tion der staatlich anerkannten Schuldenberatungen in Österreich“


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 609

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird auf­gefordert, dem Nationalrat einen Gesetzesvorschlag vorzulegen, mit dem die Treuhand­rückerstattung von derzeit 10 Euro/Monat auf 15 Euro/Monat erhöht und dieser Betrag im Zweijahresrhythmus evaluiert wird.“

*****

Ich glaube, das ist wichtig, damit diese bedeutsame Aufgabe der Schuldnerberatung auch in Zukunft funktionieren kann. Sie wird nach der Krise sehr, sehr wichtig sein.

Was auch wichtig ist – und wir merken, dass die Krise bei den Menschen ankommt –: Was macht man, wenn man kein Geld hat? – Man geht zur Bank! Viele ersparen sich aber den Weg zur Bank, weil man heute ja auch vieles elektronisch machen kann, und überziehen ihr Konto.

Ich darf daher auch folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Ing. Markus Vogl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Überzie­hungszinsen Deckelung“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird auf­gefordert, dem Nationalrat einen Gesetzesvorschlag vorzulegen, mit dem die Deckelung der Überzugszinsen bei Bankkonten mit einer Höchstverzinsung geregelt wird, die ident mit dem niedrigsten Effektivzinssatz des Quartals sein soll.“

*****

Das sind viele Dinge, die in der Praxis sofort wirken und die die Menschen, die jetzt keinen Job und wenig Geld haben, entlasten würden.

Es geht auch um das wichtige Thema der Inkassokosten, und es geht auch darum – und ich glaube, das wird uns noch in einem großen Ausmaß treffen –, den Privatkonkurs weiter zu reformieren. Wir werden viele Unternehmerinnen und Unternehmer erleben, die unter einer Schuldenlast leiden, die sie selbst nicht mehr stemmen können, denen man rasch die Möglichkeit geben muss, sich zu entschulden, damit sie eine neue Exis­tenz starten können. – Herr Minister, wie gesagt: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. Wir warten auf Ihre Antworten. (Beifall bei der SPÖ.)

14.07

Die Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Ing. Markus Vogl,

Genossinnen und Genossen

betreffend Erhöhung der Treuhandfondsrückerstattung für die ASB Schuldnerbera­tungen GmbH, Dachorganisation der staatlich anerkannten Schuldenberatungen in Ös­terreich


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 610

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 7, Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (55 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvor­anschlages für das Jahr 2020 (Bundesfinanzgesetz 2020 – BGF 2020) samt Anla­gen (183 d.B.) zur Untergliederung 21 Konsumentenschutz

In den Budgetausschussdebatten wurde von Herrn Bundesminister für Soziales, Ge­sundheit, Pflege und Konsumentenschutz mehrmals die Bedeutung der Institution der österreichischen Schuldnerberatung, gerade in Zeiten der Krise, betont. Diese verbale Wertschätzung geht allerdings mit keiner politischen Maßnahme zur finanziellen Absi­cherung der Schuldnerberatungsvereine und ihrer Dachorganisation Hand in Hand.

Vereine und Institutionen, die einen wesentlichen Beitrag zur Abfederung der sozialen Krise leisten, müssen sicher sein, dass sie die entsprechende Hilfestellung von Seiten der Bundesministerien erhalten.

Die ASB Schuldnerberatungen GmbH, Dachorganisation der staatlich anerkannten Schuldenberatungen in Österreich, ist seit Jahren die zentrale Anlaufstelle für Schuld­nerInnen und Beratung im Falle des Privatkonkurses. Bei letzterem tritt sie auch als Treuhänder auf, d.h. sie verwaltet die Zahlungen der SchuldnerInnen und leitet sie an die MasseverwalterInnen weiter. Für diesen Aufwand erhält die ASB Schuldnerberatun­gen GmbH mindestens 10 €/Monat. Es liegt in der Natur der Sache, dass in den al­lermeisten Fällen, kein höherer als der Mindestbetrag erzielt werden kann. Die Höhe dieses Betrages ist seit rund 18 Jahren unverändert geblieben, was dazu führt, dass die ASB Schuldnerberatungen GmbH mit diesem Betrag kaum mehr ihre Aufwendungen abdecken kann.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird auf­gefordert, dem Nationalrat einen Gesetzesvorschlag vorzulegen, mit dem die Treuhand­rückerstattung von derzeit 10 Euro/Monat auf 15 Euro/Monat erhöht und dieser Betrag im Zweijahresrhythmus evaluiert wird.“

*****

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Ing. Markus Vogl,

Genossinnen und Genossen

betreffend Überziehungszinsen Deckelung

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 7, Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (55 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvor­anschlages für das Jahr 2020 (Bundesfinanzgesetz 2020 – BGF 2020) samt Anla­gen (183 d.B.) zur Untergliederung 21 Konsumentenschutz

In Österreich ist es für die meisten BankkundInnen möglich, Ihr Bankkonto bis zu einem gewissen Rahmen überziehen zu können. Dies bequeme Kreditvariante hat jedoch den Nachteil, dass damit unverhältnismäßig hohe Überziehungszinsen fällig werden. Im Jah­re 2018 ergab eine Untersuchung der AK, dass „bei den 47 untersuchten neuen Giro­konten bei 21 Banken“ die Überzugszinsen „zwischen 5,375 Prozent und 13,5 Prozent,


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im Schnitt bei 10,25 Prozent“1 lagen. Nicht zu vergessen ist, dass bei einer Überziehung über den Kontorahmen im Schnitt noch fünf Prozent an Zinsen zusätzlich veranschlagt werden.

In Zeiten der Niedrigzinspolitik, in der die Banken, aber auch die BankkundInnen „billiges Geld“, d.h. Kredite mit sehr niedriger Verzinsung, erhalten, ist es nicht einzusehen, dass ausschließlich im Bereich der Kontoüberziehung, derart hohe Beträge angesetzt wer­den. Aufgrund der Tatsache, dass vor allem jene Bevölkerungsgruppen, die ohnehin fi­nanziell schwächer sind und nicht über die Möglichkeiten eines Kreditzuganges verfü­gen, diese Variante wählen, ist die Deckelung gerade in der aktuellen Krise von sozialer Bedeutung.

Eine Deckelung der Zinsspannen ist daher unbedingt einzufordern, wobei der niedrigste Effektivzinssatz des Quartals, der bei Schalterkrediten vergeben wird, hier anzupeilen ist.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird aufgefordert, dem Nationalrat einen Gesetzesvorschlag vorzulegen, mit dem die Decke­lung der Überzugszinsen bei Bankkonten mit einer Höchstverzinsung geregelt wird, die ident mit dem niedrigsten Effektivzinssatz des Quartals sein soll.“

1             https://www.derstandard.at/story/2000078254585/arbeiterkammer-kritisiert-geschmalzene-zinsen-bei-kontoueberziehung

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Beide Entschließungsanträge sind ausreichend unter­stützt, ordnungsgemäß eingebracht und stehen mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Ing. Martin Litschauer. – Bitte, Herr Abge­ordneter.


14.07.55

Abgeordneter Ing. Martin Litschauer (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Mi­nister! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren vor dem Fernseher und via Live­stream! Ja, es freut mich auch, heute über Konsumentenschutz sprechen zu können, und ich möchte vielleicht auch gleich mit einem persönlichen Beispiel beginnen.

Ich bin Elektrotechniker und ich bin es durchaus gewohnt, Geräte zu reparieren, wenn sie kaputt werden. Vor einiger Zeit war mein Tintenstrahldrucker defekt, und die Analyse hat ergeben, dass der Druckkopf, kurz nach der Garantie, kaputt war. An und für sich ist das eine einfache Reparatur. Dieses Teil bekommt man natürlich in keinem Geschäft, jetzt wollte ich es beim Hersteller bestellen. Es hat sich herausgestellt, dass der Druck­kopf 59 Euro kostet, das ganze Gerät aber mit neuen Tintenpatronen und so weiter be­reits um 69 Euro zu erhalten ist. – Daran sieht man, dass vom Hersteller die Reparatur von solchen Teilen, obwohl sie ganz einfach möglich wäre, gar nicht gewünscht und betriebswirtschaftlich eigentlich unmöglich gemacht wird.

Ich denke, das ist schon auch ein Ansatz, bei dem man nachbohren muss, genauso wie bei dem Umstand, dass bei den Geräten sehr oft bereits ihr Ablaufdatum kurz nach Ab­lauf der Garantie miteingebaut ist. Da freut es mich schon, dass vor allem auch der VKI


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in diesem Bereich tätig ist und den Herstellern auf die Finger schaut, denn ich glaube, es kann nicht Strategie sein, dass die Produkte für die Müllhalde designt werden, also kurz nach der Garantie kaputt werden, um danach die neuen Geräte wieder verkaufen zu können.

Der Verbraucherschutzkommissar Reynders hat sich für mehr Nachhaltigkeit und Kreis­laufwirtschaft ausgesprochen. Ich denke, genau diese Initiativen wird es auch brauchen, damit wir in Zukunft unser Müllproblem ein bisschen runterbekommen, aber auch damit der Konsument mehr von den Produkten hat.

In diesem Bereich müssen wir, glaube ich, aber auch sehr, sehr viel mehr über Standar­disierungen sprechen, denn die Ersatzteilpolitik vieler Konzerne ist nicht unbedingt kon­sumentenfreundlich. Wenn Sie mit dem Auto in die Werkstatt fahren und der Ölwechsel steht an, stellt man sich schon die Frage, warum man für fast jedes Auto einen eigenen Ölfilter braucht, obwohl es im Grunde genommen reichen würde, wenn es vier, fünf Ty­pen gäbe, die man dann für den Austausch verwenden könnte. Das wäre ein Bereich der Standardisierung, der dem Konsumenten nämlich auch bei den Ersatzteilkosten ent­gegenkommen würde, weil das die Kosten nach unten bringen würde.

Besonders aktiv und erfolgreich, glaube ich, war der VKI im Bereich des Energieanbieter­wechsels, und zwar nicht nur weil er gute Ergebnisse bei der Ausschreibung für die Ver­träge erzielt hat, sondern weil sich herausgestellt hat, dass die Stromkunden sehr oft Probleme haben, die Rechnung überhaupt zu lesen. Ich denke, da muss man schon ansetzen, denn auch wenn jetzt Smartmeter kommen und noch mehr Daten produzieren, nützt uns das relativ wenig, wenn der Konsument diese Daten nicht entsprechend auf­bereitet bekommt und damit auch zu keiner Energieeinsparung kommt, weil er es nicht versteht. Wir brauchen da neue Schnittstellen, die auch bei den Smarthomes wirken, die wirklich helfen, online und zeitnah die Daten verwalten zu können und auch Energiema­nagement zu betreiben. In vielen Bereichen der Digitalisierung und so weiter werden wir den VKI noch brauchen, weil er da auch bei der Normung unterstützt.

Deswegen bin ich sehr froh, dass wir hier die Finanzierung für den VKI geschafft haben, und bedanke mich auch noch einmal sehr herzlich für die viele, viele Arbeit, die dort geleistet wird, und auch für die finanzielle Ausstattung des Konsumentenschutzes. Ich freue mich darauf, dass wir viele, viele andere Themen, die es in diesem Zusammen­hang noch braucht, auf den Weg bringen werden. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.12


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Peter Schmied­lechner. – Bitte schön.


14.12.15

Abgeordneter Peter Schmiedlechner (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minis­ter! Sehr geehrte Zuseher! Wir diskutieren jetzt schon den dritten Tag ein Budget, das so nicht stimmt – bei uns am Land würde man sagen: ein Budget für den Misthaufen. (Ruf: Na sauber!) Wir befinden uns in einer Wirtschaftskrise, die von der ÖVP und ihrer Politik der Angst ausgelöst wurde. Das kennen wir aber von der ÖVP, die ÖVP macht das immer: ein Problem selbst verschulden und sich dann als Retter inszenieren. (Beifall bei der FPÖ.)

Viele Milliarden Euro Unterstützung wurden angekündigt. „Koste es, was es wolle“, je­dem wird geholfen, das hat der Bundeskanzler versprochen. Herr Minister, Sie werden mir zustimmen: Regionale, gesunde Lebensmittel sind ein wichtiger Bestandteil unseres Lebens und wirken unmittelbar auf die Gesundheit. Die Coronazeit hat gezeigt, wie wich­tig die regionale Versorgung ist. Landwirtschaft ist systemrelevant. Koste es den Bauern, was es wolle, sie dürfen liefern – so die Werbung der AMA –; sie dürfen liefern, aber


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nichts verdienen. Bauernhöfe sind die Sicherheitsinseln der Zukunft, die wir auch zu­künftig brauchen. Die österreichische Landwirtschaft befindet sich in einer großen Krise. Bauernsterben ist nicht nur ein Schlagwort, es ist Realität, und somit werden Tausende Arbeitsplätze im ländlichen Raum gefährdet und vernichtet.

Die ÖVP und ihre Abgeordneten, die Bauernbundabgeordneten, können jetzt zeigen, was ihnen die Bauern wert sind. Trotz Corona wurden die österreichischen Landwirte nur mit einem ungenügenden Covid-19-Hilfspaket abgespeist. In diesem Zusammen­hang schmerzt es vor allem, dass es bei den Sozialversicherungsbeiträgen keine Re­duktion beziehungsweise keinen Erlass insbesondere für kleine und mittlere landwirt­schaftliche Betriebe in der Krise gegeben hat, sondern es gibt lediglich sogenannte So­zialversicherungserleichterungen, sprich, pauschalierte und Optionsbetriebe können ihre Beiträge stunden lassen oder die Möglichkeit einer Ratenzahlung nützen und müs­sen sie dann ohnehin später wieder bezahlen.

Um den Bauern in ihrer bereits ansonsten schwierigen ökonomischen Situation durch die Covid-19-Krise zu helfen, braucht es nicht nur eine Stundung der Beiträge bezie­hungsweise eine Ratenzahlung der Beiträge für 2020, nein, es braucht eine Reduktion beziehungsweise einen vollständigen Erlass der Sozialversicherungsbeiträge für das Wirtschaftsjahr 2020. Deshalb bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Reduk­tion bzw. Erlass von Sozialversicherungsbeiträgen für kleine und mittlere landwirtschaft­liche Betriebe in der COVID-19-Krise“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, wird aufgefordert dafür Sorge zu tragen, dass aus Gründen der COVID-19-Krise

1) ein vollständiger Erlass der Sozialversicherungsbeiträge für alle kleinen und mittleren landwirtschaftlichen Betriebe für das Wirtschaftsjahr 2020 erfolgt

2) bisher bereits erfolgten Stundungen und Ratenzahlungen von Sozialversicherungs­beiträgen für alle kleinen und mittleren landwirtschaftlichen Betriebe für das Wirtschafts­jahr 2020 in einen Erlass dieser Beiträge umgewandelt wird.“

*****

Herr Minister! Geschätzte Kollegen! Ich hoffe auf Ihre breite Unterstützung für den Fort­bestand der heimischen Landwirtschaft. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

14.16

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Peter Schmiedlechner

und weiterer Abgeordneter

betreffend Reduktion bzw. Erlass von Sozialversicherungsbeiträgen für kleine und mitt­lere landwirtschaftliche Betriebe in der COVID-19-Kris


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e

eingebracht im Zuge der Debatte zu Top 7: Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (55 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvor­anschlages für das Jahr 2020 (Bundesfinanzgesetz 2020-BFG 2020) samt Beila­gen (183 d.B.) –UG 22 (Pensionsversicherung) in der 32.Sitzung des Nationalrates am 28. Mai 2020

Unsere heimische Landwirtschaft ist in der Corona-Krise besonders wichtig. Trotzdem sinken die Erzeugerpreise für landwirtschaftliche Produkte und die finanzielle Situation der Bauernfamilien ist prekär. Wir dürfen nicht vergessen, wer für uns in den Wochen der Krise da war. Gerade die Bauernschaft, die trotz COVID-19-Gesundheitskrise wei­terhin normal im Einsatz war, wird jetzt im Stich gelassen! Dabei stehen die Landwir­tinnen und Landwirte aktuell stark unter Druck – es fehlt oft an erfahrenen Erntehelfern, die Milch- und Rindfleischpreise sinken, der Borkenkäfer und andere Schädlingen breitet sich aus, und die Viehverkäufe sind eingebrochen.

Trotzdem wurden die österreichischen Landwirte nur mit einem ungenügenden COVID-19- Hilfspaket“ abgespeist. In diesem Zusammenhang schmerzt vor allem, dass es bei den Sozialversicherungsbeiträgen keine Reduktion bzw. einen Erlass, insbesondere für kleine und mittlere landwirtschaftliche Betriebe in der COVID-19-Krise gegeben hat, son­dern lediglich sogenannten „Sozialversicherungs-Erleichterungen“:

Sozialversicherung – Erleichterungen aus dem „ÖVP/Grünen-Hilfspaket“:

Landwirte, die vom Coronavirus wirtschaftlich betroffen ist, können folgende Erleichte­rung bei der Vorschreibung der Sozialversicherungsbeiträge durch die SVS beantragen:

Pauschalierte und Optionsbetriebe:

Stundung der Beiträge

Ratenzahlung der Beiträge

Um den durch die COVID-19-Krise in ihrer ansonsten bereits schwierigen ökonomischen Situation noch stärker unter Existenzsorgen geratenen kleinen und mittleren landwirt­schaftlichen Betrieben, sollte nicht nur eine Stundung der Beiträge bzw. eine Ratenzah­lung der Beiträge für 2020 als Alternativen angeboten werden, sondern insgesamt eine Reduktion bzw. den vollständigen Erlass der Sozialversicherungsbeiträge für das Wirt­schaftsjahr 2020 umgesetzt werden.

Daher stellen die unterzeichnenden Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, wird auf­gefordert dafür Sorge zu tragen, dass aus Gründen der COVID-19-Krise

1)          ein vollständiger Erlass der Sozialversicherungsbeiträge für alle kleinen und mitt­leren landwirtschaftlichen Betriebe für das Wirtschaftsjahr 2020 erfolgt

2)          bisher bereits erfolgten Stundungen und Ratenzahlungen von Sozialversiche­rungsbeiträgen für alle kleinen und mittleren landwirtschaftlichen Betriebe für das Wirtschaftsjahr 2020 in einen Erlass dieser Beiträge umgewandelt wird.

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht auch in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.



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14.16.22

Abgeordnete Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Aus der Sicht der Seniorinnen und Senioren ist natürlich die demografische Entwicklung sehr wichtig, und es ist auch ganz wichtig, diese Entwicklung in einer Budgeterstellung mit zu berücksichtigen. Es ist unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die ältere Generation in Würde, selbstbestimmt und bei guter Lebensqualität alt werden kann – ich denke, da sind wir uns alle einig –, und natürlich ist auch die Pflegereform, die wir jetzt vor uns haben, eine ganz wichtige. Herr Bundesminister, unsere Unterstützung ist Ihnen da si­cher. Ich lade alle ein, positiv an dieser Pflegereform mitzuwirken. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Rahmen der Budgeterstellung muss man natürlich den Blick auf alle Generationen richten. Wir sind derzeit in einer schwierigen Zeit – der Herr Bundesfinanzminister hat es gestern ja auch gesagt –, wir haben aber das große Glück, dass wir auf eine gute Budgetsituation zurückgreifen können und aufbauen können. Ich denke, es ist in diesem Budget gelungen, viele Perspektiven für die Jugend, aber auch viele Perspektiven für die ältere Generation sicherzustellen. Daher ist dieses Budget ein starkes Signal der Generationengerechtigkeit. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Grebien und Schallmeiner.)

Erlauben Sie mir aus der Sicht der Seniorenvertreterin einige Anmerkungen: Wir Senio­rinnen und Senioren sind bereit, in allen Bereichen der Gesellschaft Verantwortung zu übernehmen. Es gibt keinen Bereich, für den wir uns nicht auch verantwortlich fühlen, weil wir eben auch für unsere Enkelkinder und für unsere Kinder Verantwortung über­nehmen, daher sind uns ganz selbstverständlich auch ihre Zukunft und die Perspektiven für die Jugend ganz besonders wichtig. Daher sind Investitionen in die Bildung, Investi­tionen in die Forschung, in die Digitalisierung, aber auch in die Wirtschaft und in die Umwelt und den Klimaschutz auch für uns Ältere wichtig.

Wir Senioren haben hart gearbeitet. Wir können selbstbewusst sagen, dass wir sehr viel dazu beigetragen haben, dass Österreich heute in vielen Bereichen – es wurde ja vieles heute schon erwähnt – sehr hohe Standards hat, und ich denke, es ist wichtig, dass die Pensionen gesichert sind. Wir haben mit der Inflationsanpassung für niedrige Pensionen einen wichtigen Schritt gesetzt. Wir haben die Valorisierung des Pflegegeldes durchge­setzt. Es ist aber auch wichtig anzumerken, dass gerade wir Seniorinnen und Senioren ganz entscheidend zur Wertschöpfung in unserem Land beitragen. Wir stärken mit un­serer Kaufkraft vor allem die kleinen Betriebe, den Handel, den Gewerbetreibenden vor Ort, und wir haben jetzt in dieser Zeit der Pandemie gesehen, wie wichtig es ist, dass die Nahversorgung funktioniert. Kaufen wir auch weiter regional ein, meine Damen und Herren!

Der Platz der älteren Generation ist daher in der Mitte der Gesellschaft – für mich steht das außer Frage. Viele haben sich in den letzten Wochen manchmal ein bisschen an den Rand gedrängt gefühlt, ich sage aber noch einmal: Diese Regierung wollte alle schützen, die gefährdet sind (Abg. Schnedlitz: Weggesperrt habt ihr sie!), die Jungen und genauso auch die Älteren. Ich appelliere daher an die Seniorinnen und Senioren, selbstbewusst zu sein, aktiv zu sein, sich weiter einzubringen, die Gemeinschaft zu pfle­gen. – Ich denke, wir müssen zusammenhalten.

Wir sollten positiv und zuversichtlich nach vorne schauen und mit Hausverstand diese schwierige Phase, die noch vor uns liegt, bewältigen, aber auch aufeinander Rücksicht nehmen. Wenn wir das schaffen, dann werden wir die nächste Zeit gut bewältigen. Das wünsche ich uns allen. Ich denke, da sind wir uns einig. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

14.20



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 616

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Felix Eypel­tauer. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.20.21

Abgeordneter Mag. Felix Eypeltauer (NEOS): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Wir leben in einer verflixt komplizierten Welt. Der Komplexität unserer modernen, arbeitsteiligen, globalisierten und von Massengütern und Massenverträgen geprägten Welt kann sich niemand entziehen, deshalb ist es so wichtig, beim Start ins Erwachsenenleben gut darauf vorbereitet zu sein. Völlig egal, ob im Supermarkt, beim Onlineshopping oder beim Buchen eines Fluges: Wir konsumieren eigentlich permanent, wir sehen permanent Werbung, wir treffen Kaufentscheidungen und treten in komplexe und auch sehr weitreichende Vertragsbeziehungen ein – beim Abschließen von Abos für das Streamen von Filmen, von Serien, von Musik, beim Ab­schließen von Verträgen mit E-Mail-Providern, von Kreditverträgen et cetera.

Wie oft, meine sehr geehrten Damen und Herren – seien wir einmal ehrlich –, haben wir uns eingestehen müssen, dass wir relativ wenig von dem, was wir da unterschreiben oder anklicken, auch wirklich verstanden und durchschaut haben? Eigentlich fehlen der Einblick und der Durchblick.

Da sind wir bei einem wichtigen und ganz zentralen Anliegen des modernen Konsumen­tenschutzes, nämlich dem Ausgleich der Informationsasymmetrie zwischen Unterneh­men und Konsumenten. Alle Informations- und Hinweispflichten, alle Zutatenlisten und Kennzeichnungspflichten bringen aber nichts, wenn der Mensch sich nicht überlegen kann, was das eigentlich für ihn heißt, wenn er mit diesen Informationen nicht gut um­gehen und das nicht einschätzen kann.

Bevor man etwa in einen privaten Pensionsfonds investiert, bekommt man folgenden Hinweis – so gesehen bei einer österreichischen Bank –: Achtung! „Sie sind im Begriff, ein Produkt zu erwerben, das nicht einfach ist und schwer zu verstehen sein kann. Bevor Sie eine Anlageentscheidung treffen, empfehlen wir, die vollständigen Informationen zum jeweiligen Finanzprodukt durchzulesen“, und so weiter und so fort.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn jemand so einen Vertrag abschließt und zu diesem Zeitpunkt zum ersten Mal liest, dass ein Wertpapier auch Risiken birgt, dann gratuliere ich dieser Person. Da sehen wir, dass nicht der Konsumentenschutz etwas richtig gemacht hat, indem er für Informationen gesorgt hat, sondern dass unser Bil­dungssystem etwas falsch gemacht hat. – Willkommen im Schulsystem! (Beifall bei den NEOS.)

Diese Woche ist schriftliche Matura, ich drücke euch allen die Daumen! Ich bin viel in Schulen unterwegs, bei Schuldiskussionen, und wir NEOS erleben da ja sehr großen Zuspruch, weil wir die Debatte in der Bildungspolitik nachhaltig verändert haben. Flügel heben, Stärken stärken, autonome Schule: Davon hat vor sieben Jahren kaum jemand geredet. Wir NEOS wollen Schülerinnen und Schülern helfen, nicht nur mündige Bür­gerinnen und Bürger zu sein, sondern auch mündige Konsumentinnen und Konsumen­ten, die Dinge richtig beurteilen können, die man nicht hereinlegen kann, die man nicht mit Werbung und Marketing täuschen kann. Wer nämlich glaubt, dass man Zuckerl lut­schen soll für Vitamin C oder Kekse essen für Kalzium, glaubt auch die ständigen Mar­ketingschmähs dieser Bundesregierung. (Beifall bei den NEOS.)

Reden Sie bitte einmal mit den SchülerInnen, mit den Maturanten! Die haben das Gefühl, dass sie auf das Leben da draußen nicht vorbereitet sind. Man muss schon das Glück haben, einen engagierten Lehrer zu haben. Wir sind im Bereich Medienkompetenz, Quel­lenkritik recht gut. Wie aber funktioniert ein Finanzprodukt, ein Mietvertrag, Autoleasing, eine Versicherung, oder Volkswirtschaft? – Das alles ist schwierig. Ein Kollege hat vorhin


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behauptet, wir würden die Pensionen aus dem BIP und nicht aus dem Budget finanzie­ren. – Es ist schwierig.

Ich erinnere an die Forderung von uns NEOS nach mehr Wirtschaftsbildung bereits im Pflichtschulbereich. Das wird jetzt zum Teil angegangen, und genau das brauchen wir. Bildung ist der beste Konsumentenschutz! Ich appelliere an Sie, Herr Minister, den Kon­sumentenschutz viel breiter als Informationsveranstaltungen, als den zweifellos wichti­gen VKI zu denken. Der beste Konsumentenschutz ist eine gute Bildung für unsere Schülerinnen und Schüler. (Beifall bei den NEOS.)

14.24


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Heike Gre­bien. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


14.24.19

Abgeordnete Heike Grebien (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister, lieber Rudi! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen in diesem Hohen Haus! Sehr geehrte ZuseherInnen! Als Sprecherin für Menschen mit Behinderung der grünen Fraktion werde ich in meiner heutigen Rede einerseits darauf eingehen, wie wichtig es ist, Menschen mit Behinderung einzubinden, mitzudenken, und andererseits möchte ich sichtbar machen, welche Maßnahmen für Menschen mit Behinderung im Zu­sammenhang mit der Covid-19-Pandemie getroffen wurden.

Dazu scheint es mir aber wichtig, vorab Grundlegendes anzusprechen und klarzustellen. Das ist keine ganz einfache Materie, da es juristisch ist.

Die Anliegen der Gruppe der Menschen mit Behinderung und deren vielfältige Lebens­welten stellen ja eine sogenannte Querschnittsmaterie dar. Das haben wir heute schon mehrfach gehört, auch bei den Themen wie Frauen. Was bedeutet denn Querschnitts­materie?

„Die Frage [...] der Zuständigkeit des Bundes und des Landes für eine Querschnittsma­terie ist nur zu beantworten, wenn man die außerhalb der historischen Begriffswelt des B-VG“ – des Jahres 1920 – „stehenden meist neuen Begriffe“ – wie im Übrigen zum Bei­spiel auch Klima- und Umweltschutz – „in die Begriffswelt des Verfassungstexts über­setzt. Dann zeigt sich, dass die Querschnittsmaterie in keinem einzelnen Kompetenztat­bestand allein, sondern – ‚quer‘ über die gesamte Kompetenzverteilung – in verschiede­nen Kompetenztatbeständen des B-VG Deckung findet.“

In Österreich bedeutet das, dass Anliegen von Menschen mit Behinderungen sehr wohl in die Verantwortung des Bundes als auch in Länderkompetenzen aufgeteilt sind. Die Bearbeitung schaut folgendermaßen aus: Der Bund beziehungsweise die Länder regeln jeweils jene Ausschnitte der Querschnittsmaterie, für die er beziehungsweise sie nach den Sachbegriffen des B-VG in der Kompetenzverteilung zuständig ist beziehungsweise sind.

Diese Thematiken sind nie nur in Verantwortung einzelner Ministerien, einzelner Minis­terInnen. Das würde ja den Begriff „Querschnitt“ ad absurdum führen.

Ich kann unserem Bundesminister Anschober nur zustimmen, dass in den Nationalen Aktionsplan Behinderung alle Ministerien, Sektionen eingebunden werden. Das ist ja das, was die große Kritik am ersten NAP war. (Beifall bei den Grünen.)

Es sind aber natürlich auch wir Abgeordnete gefordert und gefragt, intersektional zu denken und zu arbeiten, das können auch nicht vier Abgeordnete, in unserem Fall vier SprecherInnen, für Menschen mit Behinderung richten.

Es stellt sich auch die Frage der Verantwortung der Wohneinrichtungen, der Leitungen in den Wohneinrichtungen, der Pflegeeinrichtungen, der Einrichtungen für Menschen mit


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Behinderung, der Tageswerkstätten. Da hat es nämlich sehr unterschiedliche Interpreta­tionen gegeben und leider dementsprechendes Leid. Es kann nicht oft genug gesagt und betont werden – ich empfehle das wirklich –, dass man intersektional arbeitet.

Ich wollte auch noch auf Maßnahmen, die der Bundesminister gesetzt hat, eingehen: Unter anderem wurden 6 Millionen Euro extra für die Sicherung bestehender Arbeitsplät­ze aufgebracht; keine Kosten für die Kurzarbeit begünstigter Behinderter – wenn Men­schen mit Behinderung in Kurzarbeit gehen, kostet das den Betrieb nichts, das AMS und das SMS teilen sich die Kosten –; die Erhöhung der bestehenden Arbeitsplatzsiche­rungszuschüsse um 50 Prozent; eine Förderung für selbstständige begünstigte Men­schen mit Behinderung – das sind immerhin 267 Euro pro Monat.

Weitere Maßnahmen – die sind gratis, wenn Sie so wollen – sind die Erarbeitung von Ausnahmen von der Maskenpflicht und der Abstandsregel, wenn man mit persönlicher Assistenz zu tun hat. Dort sind die Maskenpflicht und die Abstandsregel ja nicht ein­haltbar. Auch dort wurden aufgrund der Krise Regelungen für die jeweilige Situation der Betroffenen formuliert. Und warum? – Weil der Bundesminister für Soziales Betroffene eingebunden hat.

Auch wenn nicht alles gleich von Beginn an gelaufen ist, nehmen wir das mit. Sie können den Bundesminister und auch uns beim Wort nehmen, dass wir das für die Zukunft prüfen lassen wollen und Überlegungen bekannt geben werden, wie diese Einbindung dann gesichert ist und funktioniert. Ich darf auch rückmelden, dass das in den Krisen­stäben der Länder leider nicht funktioniert hat.

Querschnitt, Inklusion geht uns alle an. Vielleicht sprechen Sie, werte KollegInnen, mit den SozialreferentInnen der Länder. Wir telefonieren quer durch die Bank, das sind un­sichtbare, stundenlange, mühsame Gespräche mit Angehörigen, die schwer betroffen sind. Vielleicht unterstützen Sie uns dabei. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.29


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Philip Kucher. – Bitte schön.


14.29.16

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf Ihnen allen eine Frage stellen – wir sind mitten in einer Pandemie und haben in den letzten Monaten viel über Gesundheit dis­kutiert –: Wenn alle Ärztinnen und Ärzte in Österreich vor einer Operation warnen, wenn alle medizinischen Fachgesellschaften dringend davon abraten, wenn alle medizini­schen Universitäten von einer Operation abraten, würde dann irgendjemand im Parla­ment sagen, wir machen das trotzdem? – Das würde wahrscheinlich niemand machen.

In einer Berufsgruppe in Österreich, der jetzt alle ganz herzlich Danke sagen, vor allem die ÖVP – das sind ja die Weltmeister im Dankesagen, also in großen Worten, wo nichts dahinter ist (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von FPÖ und NEOS) –, in der Berufsgruppe der Pflege fängt auf einmal mitten in dieser Gesundheitskrise Ministerin Schramböck an, herumzufuhrwerken und hinterrücks eine Pflegelehre einzuführen, ob­wohl alle Fachgesellschaften, alle Menschen, die seit Jahren in diesem Bereich arbeiten, sagen: Es ist Quatsch, eine Pflegelehre einzuführen! Obwohl also alle davon überzeugt sind, dass das Quatsch ist, fährt man über diese Berufsgruppe drüber und sagt, dass das jeder machen kann, obwohl wir immer wieder sagen: Wir brauchen mehr Respekt vor der Pflege! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Weil hier der ehemalige Innenminister in der ersten Reihe sitzt, frage ich: Wer wäre denn auf die Idee gekommen, dann, wenn wir einen Personalmangel bei der Polizei haben,


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zu sagen: Stecken wir 15-, 16-jährige Burschen und Mädel in eine Polizeiuniform und sagen wir: Geht auf Verbrecherjagd!? – Das ist völlig absurd! Aber wenn es um schwer kranke Menschen geht, ist Frau Ministerin Schramböck die große Vordenkerin, und Sie, Herr Bundesminister, sagen, Sie haben im Moment andere Sachen zu tun, als sich um die Pflege als Schwerpunktprojekt zu kümmern. Ich bin da insofern kritisch, als Sebas­tian Kurz als Dauerbrenner immer verspricht, dass da etwas weitergeht, und dann gar nichts passiert.

Der Punkt ist: Während Sie jetzt sozusagen rund um Corona kämpfen, ist Ministerin Schramböck für den Wirtschaftsbereich scheinbar ohnehin sozusagen nicht zuständig. Wir alle merken ja jeden Tag, wie gut das läuft, wenn Frau Schramböck irgendetwas macht. Nein, sie fuhrwerkt jetzt im Bereich der Pflegelehre herum, obwohl alle sagen, das ist Quatsch, so kann man nicht arbeiten.

Was möchte ich Ihnen mitgeben? – Reden wir nicht nur in der Krise groß von Wertschät­zung in Richtung Pflegeberufe, sondern erfüllen wir das auch mit Leben! Wenn man nicht einmal so viel Respekt hat, Warnungen ernst zu nehmen, und die ÖVP sagt: In Wirk­lichkeit kann das ohnehin jeder machen! Wir wollen eine Pflegelehre haben, weil sie billiger ist, weil es Lohndumping ist und ein paar Leute beim Wirtschaftsbund sich das in den Kopf gesetzt haben!, muss ich sagen: Freunde, so kann man nicht arbeiten! Das ist nicht der Respekt, den sich die Menschen im Pflegebereich verdient haben, nachdem sie in der Pflegekrise und in dieser Coronazeit 24 Stunden am Tag für uns alle da waren. So geht es nicht! (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

14.32


Präsident Ing. Norbert Hofer: Herr Abgeordneter Norbert Sieber gelangt jetzt zu Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.32.09

Abgeordneter Norbert Sieber (ÖVP): Sehr geehrter Herr Minister! Herr Präsident! Hohes Haus! Ja, lieber Philip Kucher, es sind ziemlich starke Worte, wenn man vom Herumfuhrwerken redet.

Die Pflegelehre ist in der Schweiz die zweitbeliebteste aller Lehrformen, und sie ist ab­solut erfolgreich. (Zwischenruf des Abg. Kucher.) Auch in Vorarlberg haben wir beste Beispiele dafür, dass die Pflegelehre funktionieren kann. Ich lade dich ein, komm nach Vorarlberg, schauen wir uns das gemeinsam an und reden wir mit den jungen Menschen! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Kucher.)

Im Unterschied zu euch sind wir bei den Menschen, reden wir mit den Menschen, und wir werden es uns auch von euch nicht verbieten lassen, all diesen Leuten Danke zu sagen, lieber Philip Kucher.

Meine Damen und Herren! Wir diskutieren das Kapitel Soziales und auch das Kapitel Pflege – Kollege Gödl hat über dieses Thema bereits umfassend gesprochen. Ich möch­te einen Teil davon herauspicken, nämlich die 24-Stunden-Betreuung, denn da wird in der Diskussion immer mit Argumenten um sich geworfen, die ich so nicht stehen lassen kann, wie: prekäre Arbeitssituationen, ein Ausnutzen oder moderne Sklaverei; das wird hier mitunter vorgebracht.

Ich möchte das Thema hier nicht schönreden: Es gibt schwarze Schafe, und da müssen wir genau hinsehen – ich bin dankbar, Herr Minister, dass Sie da einen Fahrplan der Reform aufgezeigt haben –, es gibt aber auch, und für die möchte ich eine Lanze bre­chen, positive Beispiele, gute Agenturen, die das hervorragend machen. Eine davon ist zum Beispiel eine Agentur in Vorarlberg, nämlich Ländlebetreuung. An diese Agentur – ich habe hier (ein Schriftstück zeigend) eine Abrechnung von ihr – sind pro Monat 2 751 Euro zu überweisen. Mit diesen 2 751 Euro ist die Fahrt aber auch mit abgedeckt,


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und die 24-Stunden-Betreuerin erhält 2 200 Euro bis 2 300 Euro, je nach Ausbildungs­grad. Ich glaube, dass das ein durchaus gutes Gehalt ist. Die Pflegerin muss pro Quartal 550 Euro an Sozialversicherung bezahlen, Steuern fallen keine an, weil die Pflegerin in Summe unter der Grenze von 11 000 Euro bleibt.

Wenn man sich nun vor Augen führt, dass die Pflegerinnen dieser Agentur aus Serbien kommen und diese Damen zu Hause ein Durchschnittsgehalt über alle Berufsgruppen von 5 400 Euro pro Jahr haben, dann versteht man, warum sie gerne nach Österreich kommen.

Mir ist es aber auch wichtig, zu betonen, dass das Gütesiegel, das für diese Agenturen bereits besteht, leider nur freiwillig ist. Ich glaube, es wäre sehr wichtig, Herr Minister, dass dieses Gütesiegel – wir haben das in unserem Regierungsprogramm auch veran­kert – verpflichtend für alle Agenturen eingeführt und umgesetzt wird, damit eben schwar­ze Schafe, die diese Frauen, die eine unschätzbare Leistung in unserem Land erbringen, ausnutzen und über den Tisch ziehen, keine Chance haben.

Lieber Philip Kucher, weil du das angesprochen hast, möchte ich es noch einmal sagen: Ich sage jetzt all diesen PflegerInnen Danke, im Besonderen zwei Personen, nämlich Vesna und Mira, in persönlicher Betroffenheit, die meine Eltern auf das Allergroßartigste pflegen. Ich sage ihnen allen von ganzem Herzen Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

14.35


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Christian Ries. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.35.43

Abgeordneter Christian Ries (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Bun­desminister! Hohes Haus! Der Konsumentenschutz fristet in Österreich meiner Meinung nach immer noch ein stiefmütterliches Dasein, und obwohl wir mit dem VKI einen kom­petenten Partner an unserer Seite haben, ist es von Jahr zu Jahr immer wieder schwie­rig, ein ordentliches Budget aufzustellen.

Herr Bundesminister, beim gemeinsamen Antrag von FPÖ und SPÖ zur Fixierung einer gesetzlichen Dauerfinanzierung des VKI hätten wir uns schon Ihre Unterstützung erwar­tet. Aber reden wir nicht von Altpapier, reden wir von angewandtem oder nicht ange­wandtem Konsumentenschutz.

In Sachen der Stopp-Corona-App hätte sich die Bevölkerung aus Ihrem Hause auch mehr Informationen erwartet. Meiner Meinung nach hätten Sie sich kritisch zu den ÖVP-Plänen äußern müssen, durch die eine Zwangsbeglückung mit dieser App im Raum stand. (Bundesminister Anschober: Gibt es die jetzt noch?)

Unter anderen ist Präsident Sobotka wie Frau Mei-Pochtler da auf der völlig falschen Spur unterwegs gewesen, denn es kann und darf nicht sein, dass es eine Verpflichtung gibt, ein Ortungssystem auf sein Handy laden zu lassen, auch in einer Krise nicht. Wir wissen aus Australien, wo immerhin sechs Millionen Menschen – und das lässt sich mit Österreich insofern vergleichen, als circa 6,5 Millionen Österreicher ein Smartphone in Nutzung haben – diese App installiert haben, dass diese App nicht einmal annähernd hielt, was sie versprach. Laut der Zeitschrift „Der Spiegel“ war die App in genau einem Fall erfolgreich.

Die gespeicherte Datenmenge steht also in keinem Verhältnis zum Erfolg, und in Wirk­lichkeit lohnt es sich nicht einmal, weiter darüber zu diskutieren; aber genau diese Dis­kussion hätten Sie mit Information beenden können. (Bundesminister Anschober: Kommt schon!)

Herr Bundesminister, Sie hätten in einer weiteren Angelegenheit tätig werden müssen, und zwar im Zusammenhang mit der Preistreiberei anlässlich der Coronakrise. Anfänglich


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war eine gewisse Panik da, und plötzlich kosteten Masken, die je nach Schutzgrad zwi­schen 3 und 10 Euro kosten, ein Vielfaches. Handdesinfektionsmittel wurden teilweise wie flüssiges Gold gehandelt. Schaut man jetzt nach, sieht man: 1 Liter kostet circa 10 Euro, in Friedenszeiten. Es wurde sogar Toilettenpapier zum Zielobjekt des Wuchers, und in Deutschland wurden Preissteigerungen bei Lebensmitteln beobachtet.

In vielen Fällen, die vermutlich auch viele Abgeordnete hier im Haus mitbekommen ha­ben, wäre es angebracht gewesen, vonseiten des Konsumentenschutzes systematisch gegen diesen Sachwucher vorzugehen, denn es wurde zweifelsfrei mehrfach versucht, gewerbsmäßig und die Zwangslage vieler Bürger ausnützend, Waren anzubieten, deren Wert in keinem Verhältnis zum Preis stand.

Daher bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Preismonitoring und Inflationsstopp in COVID-19-Zeiten“

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzu­leiten, die Regelungen für ein Maßnahmenpaket zu einem Preismonitoring und einem Inflationsstopp in COVID-19-Zeiten beinhaltet:

1. Schaffung eines COVID-19-Warenkorbs, der die Preise für Waren und Dienstleistun­gen wie etwa Lebensmittelpreise, Hygieneartikelpreise, Mietpreise, Heizkostenpreise, Spritpreise, Fahrtkostenpreise im öffentlichen Verkehr usw. beinhaltet.

2. Bereitstellung der Daten zur Schaffung des COVID-19-Warenkorbs durch die Statistik Austria.

3. Schaffung eines COVID-19-Preisbandes, das beim Abweichen einzelner Endverbrau­cherpreise, d.h. mehr als zehn Prozent, beim zuständigen Konsumentenschutzminister eine Informationspflicht an den zuständigen Konsumentenschutzausschuss des Natio­nalrats auslöst.

4. Schaffung eines beschlussmäßigen Beauftragungsmechanismus durch den zuständi­gen Konsumentenschutzausschuss gegenüber dem zuständigen Konsumentenschutz­minister, die Erlassung eines Preisstopps für einzelne Waren und Dienstleistungen mit einer Befristung von 30, 60, 90 bzw. 120 Tagen je nach Anlassfall vorzunehmen.

*****

Meine Damen und Herren, verhindern Sie mit Ihrer Zustimmung die Preistreiberei in Krisenzeiten! – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

14.40

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abg. Peter Wurm, Dr. Dagmar Belakowitsch, Christian Ries

und weiterer Abgeordneter

betreffend Preismonitoring und Inflationsstopp in COVID-19-Zeiten


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eingebracht im Zuge der Debatte zu Top 7: Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (55 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvor­anschlages für das Jahr 2020 (Bundesfinanzgesetz 2020-BFG 2020) samt Beila­gen (183 d.B.) –UG 21 (Konsumentenschutz) in der 32.Sitzung des Nationalrates am 28. Mai 2020

Die COVID-19-Krise hat zu einer nachhaltigen Störung der österreichischen Wirtschaft geführt. Die COVID-19-Maßnahmen der österreichischen Bundesregierung haben zur Folge, dass 1,3 Millionen Arbeitnehmer sich mit Ende Mai 2020 in Kurzarbeit befinden, weit mehr als eine halbe Million Arbeitnehmer beim Arbeitsmarktservice als arbeitslos gemeldet sind und hunderttausende kleine und mittlere Unternehmer in ihrer Existenz massiv bedroht sind.

Zu den COVID-19-Maßnahmen und ihren Resultaten für Wirtschaft und Inflationsent­wicklung schreibt die Österreichische Nationalbank (OENB) in ihrer Quartalsanalyse auszugsweise:

Zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie wurden in Österreich – wie auch in anderen Ländern – Maßnahmen gesetzt, die das öffentliche und private Leben stark einschrän­ken: Ausgangsbeschränkungen, Absagen von Großveranstaltungen, das Schließen von Geschäften, Dienstleistungsunternehmen (Bars, Restaurants, Handelsbetrieben, Mu­seen, Theater) und Produktionsbetrieben (z. B. Magna Steyr, Teile der Voestalpine) bis hin zur Quarantäne ganzer Regionen. (OeNB)

Gleichzeitige Nachfrage- und Angebotsschocks beeinflussen Inflation in unterschiedli­che Richtungen

Der private Konsum wird auf das Notwendigste eingeschränkt, weshalb in vielen Bran­chen die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen deutlich zurückgeht. Am stärks­ten betroffen sind Tourismus, Freizeit, Gastronomie, Teile des Handels (z. B. Beklei­dung, Einrichtungsgegenstände, Elektronikgeräte), Verkehr, das Bildungswesen sowie andere Waren und Dienstleistungen (z. B. Friseurdienstleistungen). Diese Waren und Dienstleistungen belaufen sich auf rund 64 % des österreichischen HVPI-Warenkorbs (Tabelle K1). Von den Nachfragerückgängen nicht betroffen sind Nahrungsmittel ein­schließlich Tabak und Alkohol, Wohnung, Wasser und Energie, Post und Telekommuni­kation sowie das Gesundheitswesen, die zusammengenommen rund 36 % des HVPI-Warenkorbs ausmachen. In einigen dieser Bereiche (Gesundheitswesen, Telekommuni­kation und Nahrungsmittel) ist mit einer verstärkten Nachfrage zu rechnen, die unter Umständen an die Kapazitätsgrenze oder sogar darüber hinaus gehen kann. Preise für pharmazeutische Erzeugnisse, Medikamente oder Preise mancher Nahrungsmittel könnten als Konsequenz der Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus steigen. Insgesamt dürften die beschriebenen Nachfrageeffekt die Inflationsentwicklung jedoch dämpfen. (OeNB)

Neben den Nachfragerückgängen resultieren die Maßnahmen zur Bekämpfung der Vi­rusausbreitung in Angebotsausfällen. Arbeitsfreisetzungen und steigende Krankenstän­de im In-und Ausland führen in der Warenproduktion zu Einschränkungen. Diese Aus­fälle können mit Dauer der Pandemie und der Erkrankungsrate rasch ansteigen. Da­durch werden heimische und globale Wertschöpfungsketten empfindlich gestört, sodass das Angebot mancher Waren knapp werden kann. Diese Produktionseinschränkungen können in den betroffenen Branchen preistreibend wirken. (OeNB)

Schwierige Inflationsmessung aufgrund fehlender Preise und eines während der COVID-19-Krise unzutreffenden Warenkorbs

Die beschriebenen Maßnahmen, vor allem die angeordneten Geschäfts- und Betriebs­schließungen, haben aber auch Auswirkungen auf die Inflationsmessung. Viele der übli­cherweise lokal, in Geschäften in verschiedenen Städten in Österreich gemessenen


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Preise werden aufgrund der geschlossenen Geschäfte nicht mehr erhebbar sein. Dies kann, wie ausgeführt, bis zu zwei Drittel des gesamten Warenkorbs betreffen. Laut Handbuch zur Erstellung des HVPI2 werden vorübergehend nicht verfügbare Produkte in der Preiserhebung bis zu zwei Monate lang mit dem letzten erhobenen Preis dieser Produkte fortgeschrieben. Dies würde bedeuten, dass in den ersten beiden Monaten nach den Geschäftsschließungen bei den betroffenen Produkten weder ein preistreiben­der noch -dämpfender Effekt abgebildet wird.3 Wenn das Produkt im dritten Monat nach wie vor nicht verfügbar ist, müsste es laut Handbuch durch ein anderes, vergleichbares Produkt ersetzt werden. Wenn aber auch letzteres nicht verfügbar ist, muss der Preis geschätzt bzw. imputiert werden. Dies würde frühestens in der Inflationserhebung im Mai 2020 schlagend werden. Da es eine vergleichbare Situation nach dem 2. Weltkrieg noch nicht gab, ist aus heutiger Sicht unklar, wie die erhebenden Statistik-Institute auf diese Situation reagieren werden und wie sie zahlreiche fehlende Preisbeobachtungen imputieren werden. (OeNB)

Denkbar ist beispielsweise, dass verstärkt Online-Preise für die fehlenden lokalen Preis­beobachtungen herangezogen werden. Dies kann aber auch nur ein Teil der Lösung sein, denn viele der betroffenen Produkte und Dienstleistungen, beispielsweise perso­nenbezogene Dienstleistungen wie Friseur, Bewirtungsdienstleistungen (mit Ausnahme von Lieferservice), werden nicht online angeboten. Ein weiteres Problem der Inflations­messung in den kommenden Monaten ergibt sich aus der Verschiebung des Konsums von Dienstleistungen und langlebigen Konsumgütern zu Nahrungsmitteln und Drogerie- sowie Gesundheitsprodukten. Dies bedeutet, dass der bestehende Verbraucherpreis-Warenkorb, der auf den Konsumgewohnheiten in der Vergangenheit beruht, die erzwun­gene Substitution innerhalb des Konsums nicht abbildet. Teilweise Abhilfe könnte auch hier die stärkere Einbindung des Online-Handels bieten, aber dies wird nicht ausreichen, um der Veränderung der Konsumstruktur gerecht zu werden. Aus diesen beiden Grün­den – Preisimputationen auf breiter Basis und unzutreffender Warenkorb – wird die Infla­tionsmessung in den nächsten Monaten (und möglicherweise darüber hinaus) mit größ­ter Unsicherheit behaftet sein. (OeNB)

Die weitreichenden staatlichen Maßnahmen zur Verringerung der Sozialkontakte, insbe­sondere die angeordneten Geschäftsschließungen und die Beschränkungen des Frei­zeitverhaltens sowie im Verkehr, bewirken einen massiven Konsumeinbruch, der sich dämpfend auf Konsumgüter- und Dienstleistungspreise auswirken könnte. In wenigen Bereichen, wie beispielsweise im Nahrungsmittelhandel und bei Gesundheitsprodukten, ist ein Anstieg der Nachfrage denkbar. Der Nettoeffekt auf die Teuerung ist derzeit kaum abzuschätzen. (OeNB)

In diesem Zusammenhang könnten überfallsartig Teuerungssprünge kommen und gro­ße Teile der Bevölkerung, die durch Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit oder eine schwindende Existenzgrundlage ohnehin bereits unter Druck geraten sind, weiter in eine soziale Not­lage bringen.

Ein staatliches Preismonitoring und damit ein Inflationsstopp muss daher insbesondere zum Schutz von Konsumenten eingeführt werden. Damit gilt es zu verhindern, dass Preiserhöhungen und eine entsprechende Inflation diese Gruppen, die bedingt durch COVID-19-Maßnahmen mit fehlendem Teuerungsausgleich bei Lohnanpassungen, Lohn- und Gehaltsreduktionen durch Kurzarbeit oder Einkommenseinbußen in Folge von Arbeits- und Beschäftigungslosigkeit besonders benachteiligt und damit in soziale Existenzbedrohung gebracht werden.

Es soll daher ein Preismonitoring angeführt werden, angelehnt an die Lohn- und Preis­kommission (1957-1994), aber in einer modernen Art und Weise. Das heißt, der Aus­schuss Konsumentenschutz hat hier eine politische Agenda und die Sozialpartner ar­beiten auf Expertenebene mit.


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Grund für eine solche Maßnahmen ist, dass COVID-19-Maßnahmen zu Marktverzerrun­gen führen können, die zu Lasten von Arbeitnehmer und Konsumenten gehen. Aber auch Produzenten können Opfer sein, wenn etwa einige wenige Handelsunternehmen die Preise bestimmen. Wenn sie etwa der Landwirtschaft wenig für ein Produkt bezahlen, aber als Monopolisten oder Oligopolisten die Macht haben, den Konsumenten hohe End­verbraucherpreise zu diktieren.

Es braucht daher einen Maßnahmenmix, um einen Inflations- bzw. Teuerungsstopp zu gewährleisten. Das heißt, Maßnahmen des Staates, beschlossen vom Ausschuss für Konsumentenschutz, bei denen die Preise für ausgewählten Güter in einem bestimmten Zeitraum behördlich festgelegt und nicht erhöht werden dürfen.

Im Focus dieser Maßnahmen soll ein abzubildender COVID-19-Warenkorb sein, der die Preise für Waren und Dienstleistungen, wie etwa Lebensmittelpreise, Hygieneartikelprei­se, Mietpreise, Heizkostenpreise, Spritpreise, Fahrtkostenpreise im öffentlichen Verkehr usw. beinhaltet.

Die abzubildenden Daten für den COVID-19-Warenkorb liefert die Statistik Austria ein­mal pro Monat.

Ergeben sich hier deutliche Abweichen bei einzelnen Endverbraucherpreisen, das heißt mehr als zehn Prozent bei einzelnen Waren und Dienstleistungen, dann hat der zu­ständige Konsumentenschutzminister den Konsumentenschutzausschuss des National­rats damit zu befassen.

Der Konsumentenschutzausschuss des Nationalrats hat dann entsprechende Be­schlüsse zu fassen, um den Konsumentenschutzminister mit der Erlassung eines Preis­stopps zu beauftragen.

Als Varianten für diesen zu beschließenden Preisstopp soll eine Befristung von 30, 60, 90 bzw. 120 Tagen je nach Anlassfall möglich sein.

Im Zeitraum des befristeten Preisstopps sollen COVID-19-Maßnahmen, die in Österreich aber auch im Verhältnis zu anderen relevanten Handels- und Wirtschaftspartnern zur Inflation geführt haben, nach Maßgabe ausgesetzt bzw. gänzlich abgeschafft werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzu­leiten, die Regelungen für ein Maßnahmenpaket zu einem Preismonitoring und einem Inflationsstopp in COVID-19-Zeiten beinhaltet:

•             Schaffung eines COVID-19-Warenkorbs, der die Preise für Waren und Dienstleis­tungen wie etwa Lebensmittelpreise, Hygieneartikelpreise, Mietpreise, Heizkos­tenpreise, Spritpreise, Fahrtkostenpreise im öffentlichen Verkehr usw. beinhaltet.

•             Bereitstellung der Daten zur Schaffung des COVID-19-Warenkorbs durch die Statistik Austria.

•             Schaffung eines COVID-19-Preisbandes, das beim Abweichen einzelner Endver­braucherpreise, d.h. mehr als zehn Prozent, beim zuständigen Konsumenten­schutzminister eine Informationspflicht an den zuständigen Konsumentenschutz­ausschuss des Nationalrats auslöst.

•             Schaffung eines beschlussmäßigen Beauftragungsmechanismus durch den zu­ständigen Konsumentenschutzausschuss gegenüber dem zuständigen Konsu­mentenschutzminister, die Erlassung eines Preisstopps für einzelne Waren und


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Dienstleistungen mit einer Befristung von 30, 60, 90 bzw. 120 Tagen je nach An­lassfall vorzunehmen.“

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Herr Abgeordneter, darf ich Sie fragen: Sind auf Ihrem Exemplar Punkte als Aufzählungszeichen oder steht da 1., 2., 3., 4.? (Zwischenruf des Abg. Ries.) – Alles klar, dann haben wir denselben Antrag.

Der Antrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht somit mit in Verhandlung.

Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Bundesminister Rudolf Anschober zu Wort ge­meldet. – Bitte, Herr Bundesminister.


14.41.10

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Zu einigen Ausfüh­rungen nun ein paar Reaktionen, Klarstellungen und Antworten von meiner Seite. Es ist, glaube ich, für einen guten Diskurs im Nationalrat wichtig, dass wir aufeinander eingehen.

Kollege Kucher hat die Frage der Pflegelehre zum Thema gemacht; von meiner Seite gibt es da eine sehr deutliche Klarstellung: In dieser Legislaturperiode wird es in Öster­reich eine Pflegelehre, in der Jugendliche mit 15 Jahren mit Patienten und am Patienten arbeiten, eine Pflegelehre, bei der es sich um schlechte Qualifizierung und um schlech­ten Lohn handelt, nicht geben. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

Es wird hingegen an einem Modell gearbeitet, bei dem wir in Richtung einer guten Qua­lifikation, eines neuen Ausbildungsmodells für junge Menschen gehen. Wir bereiten das vor und arbeiten daran, damit es eine zusätzliche Zugangsmöglichkeit gibt. Das halte ich für richtig, aber unter den Bedingungen, die ich vorhin genannt habe, das ist ganz we­sentlich und zentral. (Abg. Kucher: Die Fachgesellschaften lehnen das also ab?) – Du weißt das so gut wie ich, um auf deinen Zwischenruf noch einzugehen: Die klassische Pflegelehre, die einer Lehre entsprechen würde und bei der man mit 15 Jahren beginnt, am Patienten und mit dem Patienten zu arbeiten, wird von den Fachgesellschaften ab­gelehnt, aber genau dieses Modell wird es nicht geben.

Wir wollen stattdessen ein neues Modell, das sich schon ein bisschen in Richtung Schweiz orientiert, für das wir aber neue Eckpfeiler erarbeiten wollen. Wir wollen bessere Zugangsmöglichkeiten für neue Interessentengruppen im Hinblick auf diese 75 000 Men­schen, die wir in Österreich im Bereich der Pflege zusätzlich brauchen. Das wollen wir erarbeiten, dieser Arbeitsprozess ist bereits im Laufen, und ich kann gerne im zustän­digen Ausschuss ein Gespräch mit euch führen. Mir ist es nämlich wichtig, dass wir da nicht aneinander vorbeireden, sondern ich glaube, wir haben ja ähnliche Interessenla­gen, die wir bestmöglich zusammenbringen sollten.

Das ist also das eine Thema, ein anderes ist das, was Kollege Ries in seinem Rede­beitrag angesprochen hat. Danke dafür, dass die Stopp-Corona-App zum Thema ge­macht wurde. Ich habe dadurch die Möglichkeit, auch dazu zu sprechen, ich mache das sehr, sehr gerne, denn wir brauchen das. Es wird Ihnen aufgefallen sein, dass sich die Positionierung der Bundesregierung sehr, sehr klar in jene Richtung bewegt hat, dass es eben keine Zwangsapp in Österreich geben wird, und mir ist das wichtig. Das ist ein wichtiger Schritt der Bundesregierung, dass es eine freiwillige App zur Ergänzung un­serer Contact-Tracing-Maßnahmen, die wir realisieren, geben wird.

Da wird es viele Informationen geben, denn, Sie haben völlig recht, da gibt es Informa­tionsbedarf. Viele Bürgerinnen und Bürger sind durch die Diskussion, ob die App jetzt


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Zwang ist oder nicht und was das für sie persönlich bedeutet, verunsichert – und da hilft nur Information, ich denke, da haben wir die gleiche Positionierung. Das wollen wir um­setzen, und Sie werden dazu schon nächste Woche einiges hören.

Das Rote Kreuz ist derzeit mit der Optimierung dieser App und dieses freiwilligen An­gebots in der Schlussphase, das sollte ab 15. Juni alles abgeschlossen und fertig sein. Auch dazu gibt es dann im Ausschuss gerne noch einmal eine Präsentation, damit wir uns gemeinsam die Details ansehen können.

Kollege Eypeltauer hat, wie ich finde, ein paar sehr wesentliche Maßnahmen ange­sprochen, unter anderem die Frage der Finanzbildung. Was wir brauchen, sind mündige Konsumentinnen und Konsumenten, die stark auftreten, und dafür braucht es Informa­tion, Bildung und Ausbildung. Ich gebe Ihnen da zu 100 Prozent recht, da stehen wir auf derselben Seite. Wir wollen das in den nächsten Jahren stark ausbauen, denn wir sind in Österreich sicher nicht dort, wo wir sein sollten. Die Stärkung des Konsumenten ge­schieht durch Information, dann kann er seine Macht auch tatsächlich einsetzen und benutzen, da gehen wir in eine ähnliche Richtung.

Was Kollege Vogl angesprochen hat – ich glaube, es war Kollege Vogl –, ist die Frage der Reisefreiheiten, nämlich welche Problemsituationen sich damit für Maturantinnen und Maturanten bei Maturareisen ergeben: Ja, die wird es geben, es sind in diesem Zusammenhang noch viele Fragen offen. Was wir sichergestellt und klargestellt haben, ist, dass sich der VKI auch um diese Gruppe unterstützend kümmern wird.

Ich glaube, der VKI ist in diesem Haus, das merke ich mit großer Freude, allseits als unsere wichtige Konsumentenschutzorganisation in Österreich geachtet und respektiert. Es ist mir deswegen auch sehr, sehr wichtig, festzuhalten, dass wir beim Absichern und Weiterentwickeln dieser wichtigen Organisation und dieser großartigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die dafür sorgen, dass der VKI stark ist, ganz gut unterwegs sind. Unser gemeinsames Anliegen wird die langfristige finanzielle Absicherung sein, daran arbeiten wir, das muss garantiert sein – alles andere wäre aus meiner Sicht eine Katastrophe, da würden wir den Konsumentenschutz schwächen.

Der VKI ist für mich in Österreich unersetzbar, den brauchen wir als starke Organisation, und dafür arbeiten wir. Es gibt mittlerweile einen neuen Geschäftsführer, und in der nächsten Sitzung des Ausschusses für Konsumentenschutz können wir uns gerne anse­hen, wie die Weiterentwicklung aussieht, was der Geschäftsführer vorhat et cetera. (Bei­fall bei Grünen und SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Mein vorletzter Punkt betrifft die Schuldnerberatung, die von dir, Kollege Vogl – wir kön­nen ja auch im Plenum Du sagen – thematisiert wurde, sie ist ganz, ganz wichtig. Die Schuldnerberatung ist ein zentraler Punkt, und in Zeiten wie diesen wird sie eine noch viel wichtigere Funktion haben. Wir sind derzeit mit der Schuldnerberatung im Gespräch, und ich will auf jeden Fall einen Beitrag dazu leisten, dass es in Zukunft eine korrekte Ausstattung geben wird, damit die Schuldnerberatung, die in allen Bundesländern und mit der Dachorganisation eine tolle Arbeit leistet, dieser Aufgabe gerecht werden kann. Das ist eine Budgetierungs- und Finanzierungsfrage.

Der letzte Punkt ist etwas, das uns noch ziemlich lange beschäftigen wird, es geht um den Umgang mit dem VW-Dieselskandal. Das ist eine Grundsatzfrage im Bereich des Konsumentenschutzes, denn ich finde, dass sich die Gesellschaft und die Konsumentin­nen und Konsumenten eine derartige Vorgangsweise nicht bieten lassen dürfen und nicht bieten lassen können, daher bin ich immer für eine sehr konsequente Vorgangs­weise gewesen.

Ich bin daher sehr froh darüber, dass es in Österreich durch den VKI in Kooperation mit und im Auftrag von meinem Ressort und der Arbeiterkammer – wir arbeiten da hervorra­gend zusammen – insgesamt mittlerweile 16 Sammelklagen gegen VW gibt, die derzeit


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anhängig sind. Nach meinem Informationsstand entscheidet der Europäische Gerichts­hof in Kürze, ob die Klagsführung in Österreich möglich sein wird, das wäre die ent­scheidende Frage. Der Generalanwalt hat diese Frage im Verfahren bereits bejaht und unterstützt dies, und wir wissen, dass im Regelfall das umgesetzt wird, was der General­anwalt oder die Generalanwältin jeweils vorschlägt.

Die Verfahren, die Sammelklagen sind also derzeit bis zur Entscheidung des EuGH weit­gehend unterbrochen, ich bin aber sehr optimistisch, dass wir diese Verfahren dann in Österreich zeitnah führen werden. Ihr alle habt gehört – ich glaube, vorgestern war es –, dass in Deutschland ein Grundsatzurteil gefällt wurde. Der deutsche Bundesgerichtshof hat erstmals in der Sache entschieden und mit äußerst klaren Formulierungen und Be­gründungen ausgesprochen, dass Schadenersatz zuerkannt wird.

Das könnte also für Zehntausende Konsumentinnen und Konsumenten ein Weg zum Recht werden, und das zeigt wiederum, dass Sammelklagen eine extrem wichtige Mög­lichkeit sind, Konsumentinnen und Konsumenten in dieser Situation zu stärken. Genau deswegen brauchen wir einen starken VKI, der das unterstützt, der das trägt, der die Beratung durchführt und der für die Konsumentinnen und Konsumenten das tut, was es braucht, damit der Einzelne zu seinem Recht kommt. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

14.49


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Christoph Za­rits. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.49.45

Abgeordneter Christoph Zarits (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um Danke zu sagen, obwohl Herr Kollege Kucher das nicht angebracht findet. Ich möch­te mich bei Ihnen bedanken, Herr Minister Anschober, auch im Namen vieler Menschen in meinem eigenen familiären Umfeld, im Namen vieler Menschen im Burgenland und in meinem Wahlkreis.

Sie haben den Menschen am Anfang der Krise Mitte März bei den Pressekonferenzen, bei Ihren öffentlichen Auftritten mit Ihrer ruhigen und besonnenen Art sehr, sehr viel Si­cherheit in einer sehr, sehr schwierigen Zeit gegeben, und dafür gebührt Ihnen wirklich Dank und Anerkennung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Meine geschätzten Damen und Herren, wir sind besser durch die Krise gekommen als andere Länder, das sieht man. Der Vergleich macht uns sicher. Wir haben die richtigen Maßnahmen zur richtigen Zeit gesetzt. Man hat gesehen, dass der Sozialstaat in Ös­terreich gut funktioniert. Wir haben gesehen, dass wir ein Gesundheitssystem haben, das zu den besten der Welt gehört. Wir haben gesehen, dass die Behörden und auch die Institutionen in Österreich funktionieren. Ich glaube, wir alle, die Österreicherinnen und Österreicher, können uns, alle Menschen, die in Österreich leben, können sich glücklich schätzen.

Wir haben viele Maßnahmen beschlossen, und es werden sicherlich noch viele Maßnah­men folgen, um gut durch die Krise zu kommen. Es wurde heute schon sehr, sehr viel angesprochen, auch die Coronakurzarbeit, die einzigartig ist, durch die wir über eine Million Jobs gesichert haben. Wir haben auch Maßnahmen für Menschen gesetzt, denen es im alltäglichen Leben nicht gut geht, für Menschen, die bereits arbeitslos waren, für Menschen, die in die Notstandshilfe abdriften würden. Wir haben es geschafft, die Not­standshilfe auf das Niveau der Arbeitslosenversicherung anzuheben.

Zu den Kollegen von den NEOS muss ich schon sagen, dass ich Gott sei Dank eine ganz andere Meinung zum Thema Pensionen habe: Ich bin der Meinung, dass Menschen, die ihr Leben lang hart gearbeitet haben, auch eine ordentliche Pension haben sollen, von der sie ordentlich leben können.


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Für uns ist auch klar: Die Menschen der Generation meiner Eltern und meiner Großeltern haben diesen Staat aufgebaut, diesen Sozialstaat, und darum sind wir so gut durch die Krise gekommen. Das muss auch einmal gesagt werden. Und was die Pflege betrifft, ist klar, dass diese Menschen, die diesen Staat aufgebaut haben, die den Wohlstand erar­beitet haben, wenn sie im Alter Hilfe und Pflege brauchen, diese auch bekommen wer­den – dafür steht die Bundesregierung, dafür steht Kollege Anschober.

Ich vertraue der Regierung, ich bin guter Dinge, dass wir das Comeback für Österreich schaffen. Ein herzliches Dankeschön für die bisherige Arbeit! Ich bin überzeugt davon, dass wir auch in den nächsten Wochen und Monaten die richtigen Schritte setzen wer­den. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

14.52


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Petra Wim­mer. – Bitte schön.


14.52.47

Abgeordnete Petra Wimmer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Viele verzweifelte Menschen haben sich in den letzten Wochen an uns gewendet, weil sie sich große Sorgen um ihre Zukunft machen. Kurzarbeit und Arbeitslo­sigkeit haben große finanzielle Einbußen für die Menschen gebracht. Die Ersparnisse, wenn vorhanden, sind schnell aufgebraucht, und finanzielle Engpässe können sich rasch zu Schulden aufbauen. Nicht alle Menschen schaffen es in so einer Situation, die Finan­zen selber in den Griff zu bekommen, und wenn man dann nicht mehr weiterweiß, wen­det man sich an die Schuldnerberatung. Kompetent, umfassend und unter Einbindung des sozialen Umfelds versucht man dort, die Schulden in den Griff zu bekommen und bestenfalls zu beseitigen.

Aufgrund der aktuellen Krisensituation ist zu befürchten, dass leider noch mehr Men­schen in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Viele Unterstützungsmaßnahmen, die als schnell und unbürokratisch angekündigt wurden – da denke ich zum Beispiel an den Familienhärteausgleich –, kommen nicht oder sehr spät bei den Menschen an. Dement­sprechend haben die Schuldnerberatungen größeren Zulauf und brauchen mehr Res­sourcen und finanzielle Ausstattung.

Eine Erhöhung der finanziellen Förderung des Dachverbands und der finanziellen Absi­cherung der Landesorganisationen ist also mehr als gerechtfertigt und notwendig (Beifall bei der SPÖ), und es freut mich, dass Sie, Herr Minister, auch die Bereitschaft dazu ausgesprochen haben. Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ing. Markus Vogl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „finanzielle Absicherung der Landesorganisationen der Schuldnerberatung“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird auf­gefordert, alles im Rahmen seiner politischen Möglichkeiten zu unternehmen, um inner­halb des Finanzausgleiches die Erhöhung der finanziellen Förderung der Schuldnerbe­ratungsvereine der ASB Schuldnerberatungen GmbH in den einzelnen Bundesländern um 1,5 Mio. Euro für das Jahr 2020 zu erhöhen.“

*****

Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

14.54


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 629

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Ing. Markus Vogl,

Genossinnen und Genossen

betreffend finanzielle Absicherung der Landesorganisationen der Schuldnerberatung

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 7, Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (55 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvor­anschlages für das Jahr 2020 (Bundesfinanzgesetz 2020 – BGF 2020) samt Anla­gen (183 d.B.) zur Untergliederung 21 Konsumentenschutz

Die Schuldnerberatungsvereine der einzelnen Bundesländer leisten im Bereich der Sen­sibilisierung und des Kompetenzerwerbs in Sachen der persönlichen Angelegenheiten einen ebenso großen Beitrag wie bei der Schuldnerberatung selbst. Die Finanzbildung steht seit Jahren auch im Fokus der Schulbildung, wobei hier insbesondere auf die ak­tuellen Anforderungen, mit denen junge Erwachsene konfrontiert sind, eingegangen wird. Hinzukommt, dass die Schuldnerberatung immer komplexer wird und auch die ak­tuelle Krise eine erhöhte Nachfrage leider befürchten lässt.

Die aktuellen Probleme, die viele Privatpersonen, aber auch Geschäftstreibende vor fi­nanzielle Herausforderungen stellen bzw. stellen werden, verdeutlichen, die Wichtigkeit einer flächendeckenden, funktionierenden Schuldnerberatung. Dazu bedarf es jedoch auch die notwendigen finanziellen Absicherungen, die derzeit nicht gegeben sind.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird auf­gefordert, alles im Rahmen seiner politischen Möglichkeiten zu unternehmen, um inner­halb des Finanzausgleiches die Erhöhung der finanziellen Förderung der Schuldnerbe­ratungsvereine der ASB Schuldnerberatungen GmbH in den einzelnen Bundesländern um 1,5 Mio. Euro für das Jahr 2020 zu erhöhen.“

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Herr Mag. Klaus Fürlinger. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.55.06

Abgeordneter Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Mi­nister! Ich möchte zum Anfang der Debatte zurückkommen, weil ich es schon als erheb­lich verstörend empfunden habe, was hier in Richtung der christlichsozialen ÖVP ange­zettelt worden ist, nämlich dass die Sozialpolitik nicht stimme. – Wir haben in dieser Si­tuation, in dieser wirklich veritablen Krise, gemeinsam mit unserem Regierungspartner auf vielen Ebenen dafür gesorgt, dass die Schwächsten unserer Gesellschaft versorgt werden. Ich erinnere nur an Maßnahmen wie den Familienhärtefonds mit zweimal 30 Mil­lionen Euro, ich erinnere an die Anhebung der Notstandshilfe auf Arbeitslosengeldni­veau – auch das bringt jenen, die betroffen sind, 110 Millionen Euro. Wir haben seit Mitte


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April alles dafür getan, dass jene, die von dieser Krise am meisten betroffen sind, nicht auf der Strecke bleiben und nicht überbleiben.

Ich glaube, meine Damen und Herren, wir haben das bis jetzt gut gemacht. Ich halte es für völlig verfehlt, zu glauben, dass zuerst nur die Symptome zu bekämpfen sind. Was wir natürlich bekämpfen müssen, sind die Ursachen, und die Ursache von Arbeitslosig­keit ist, dass es zu wenig Arbeitsplätze gibt.

Ein Leistungsnachweis dieser Bundesregierung ist ein ganz wesentlicher, meine Damen und Herren: Wir haben alleine in den letzten vier Wochen über 65 000 Menschen aus der Arbeitslosigkeit wieder in die Arbeit zurückgebracht, und das ist doch das Allerbeste! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Es gibt dem Menschenleben einen Sinn, wenn eine Beschäftigung da ist; dann brauchen wir uns auch nicht über Sozialhilfe oder andere Dinge zu unterhalten, denn das ist das Bedeutende, und, meine Damen und Herren, das ist das einzig Wahre. Der alte Spruch: Sozial ist, was Arbeit schafft!, stimmt immer noch. (Zwischenruf des Abg. Loacker.) – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

14.56


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dietmar Keck. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


14.57.01

Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Wir haben heute schon viel über die ältere Generation gehört, über unsere Pensionistinnen und Pensionisten, wir haben viel über die Pflege gesprochen, und wir haben auch gehört, wir sollen fairer miteinander umgehen, auch mit unserer älteren Generation.

Ich lese wieder ein Mail vor, das ich erhalten habe, das mich wirklich sehr, sehr betroffen gemacht hat:

Sehr geehrte Damen und Herren, es ist mir ein großes Anliegen, Sie darauf aufmerksam zu machen, dass bei allen Lockerungsmaßnahmen, die derzeit wöchentlich bekannt ge­geben werden, nicht auf die Bewohner in den Pflegeheimen vergessen werden darf. Sie sind die zu schützenden Personen, das stimmt, aber dazu gehört auch der Schutz vor Einsamkeit, Depression, Verzweiflung und Selbstaufgabe. Wie viel Zeit bleibt so man­chem altem Menschen überhaupt noch, auch ohne Coronavirus, die Tage sinnvoll im Kreis seiner Angehörigen verbringen zu dürfen? 15 Minuten oder 30 Minuten einem sei­ner Angehörigen vorgeführt zu werden wie ein Häftling? Da gilt es, auf Hausverstand und Eigenverantwortung aller Betroffenen zu setzen. So mancher möchte seine ihm noch verbleibende Zeit im Garten seiner Kinder an so manchem sonnigen Nachmittag verbringen oder in einem Gastgarten sitzen mit seinen Angehörigen. Aber alle Pfleger und Pflegerinnen in den Heimen und das Reinigungspersonal stellen die gleiche Gefahr für die Bewohner dar wie die Angehörigen, die ihre Leute besuchen wollen. Ich erwarte mir daher mehr Freiheit für die Bewohner. Sie haben es sich verdient, ein würdiges Da­sein zu führen, solange sie es noch erleben dürfen, und ihren Angehörigen muss die Möglichkeit zurückgegeben werden, mit ihren Lieben die gemeinsame noch verbleiben­de Zeit in vernünftiger Weise verbringen zu dürfen. So wie jetzt ist das unerträglich und unwürdig. Ich bin persönlich betroffen. Wir wissen nicht, wie viel Zeit unserem Vater noch bleibt, der an einem Blasenkarzinom erkrankte, nun wegen seiner körperlichen Schwä­che nach einigen Stürzen im Heim lebt, aber geistig kerngesund ist. Wir können viel Zeit gemeinsam verbringen, da ich nahe dem Heim wohne, und wir alle wollen ihm noch eine halbwegs lebenswerte Zeit schenken. Da werden Schwimmbäder, Fitnesscenter, Lan­desgrenzen geöffnet, Fußballspiele ermöglicht, aber die alten Menschen lassen wir wie Verbrecher eingesperrt in ihren Zimmern oder in dieser Anstalt ihre wertvolle vielleicht noch sehr geringe Lebenszeit fristen. (Beifall bei der SPÖ.) Was ist das geringere Übel?


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Eine schöne Zeit zu genießen, dann vielleicht an Corona zu sterben, oder vor Corona geschützt noch einige Jahre in Einzelhaft leben zu müssen? Mit freundlichen Grüßen – Zitatende. Dieses Schreiben haben viele unterzeichnet.

Rudi, ich habe schon öfter solche Mails vorgelesen. Dieses Mail hat auch deine Bürger­servicestelle erhalten. Dieses Mail ist auch an die Landeshauptfrau von Niederösterreich gegangen. Die Absender haben keine Antworten bekommen.

Ich habe wirklich die Bitte: Handeln wir sofort! Es ist notwendig, gerade den Menschen dieser Generation, die, wir haben es vorhin gehört, Österreich aufgebaut haben, wieder Menschenwürde zu geben und es zu ermöglichen, dass sie sich mit ihren Angehörigen treffen. (Beifall bei der SPÖ.)

14.59


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Andreas Kühber­ger. – Bitte, Herr Abgeordneter.


15.00.03

Abgeordneter Andreas Kühberger (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Österreicherinnen und Ös­terreicher! Ja, Herr Kollege Keck, wir schätzen unsere ältere Generation auch. Ich bin selber Bürgermeister, und es sind viele Senioren der SPÖ und der Freiheitlichen Partei, die zu mir kommen und sagen: Du, wir sind sehr stolz auf das, was euer Kanzler macht. (Zwischenruf des Abg. Zanger.) Der macht gute Arbeit in diesem Land! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Keck. – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Jetzt aber möchte ich zu meiner Konsumentenschutzrede kommen. Ich habe ja gestern hier auch über die Wichtigkeit unserer heimischen, österreichischen Lebensmittel spre­chen dürfen, darüber, wie wichtig sie für die Versorgungssicherheit in Österreich sind. Sie sind aber auch wichtig für unseren Wirtschaftsstandort Österreich.

Meine Damen und Herren, wenn wir alle um 20 Prozent mehr heimische Lebensmittel kaufen würden, würde das 46 000 neue Arbeitsplätze schaffen. Ich denke da an die Ar­beitslosenzahlen, ich denke aber auch an das BIP: plus 4,6 Milliarden Euro! (Zwischen­ruf des Abg. Vogl.) In Wahrheit haben wir alle hier herinnen und hier in Österreich das in der Hand, wo wir beim Einkaufen hingreifen, ob wir zu heimischen Lebensmitteln grei­fen oder zu solchen von Megafarmen aus Amerika, vielleicht Fleisch aus Brasilien ein­kaufen oder unser Sojaprodukt aus dem Regenwald (Abg. Vogl: ... ’tschuldigung! ...!), wo ja Tausende Hektar gerodet, verbrannt werden. Wir haben das in der Hand. (Präsi­dent Sobotka übernimmt den Vorsitz.)

In Wahrheit sind diese Lebensmittel aber nicht günstig, denn sie kommen uns später dann teuer, wenn sich die Transportwege und die Umweltvernichtung in der Klimaverän­derung und in der Gesundheit niederschlagen. Als sechsfacher Familienvater bin ich mir auch bewusst, was es für die nächsten Generationen bedeutet, dass die diesen Preis womöglich doppelt oder dreifach zurückzahlen müssen. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Ernst-Dziedzic und Rössler.)

Wir als Politiker sind natürlich gefordert, da Kostenwahrheit sicherzustellen, und wir ha­ben auch viele Lösungen: Wir setzen uns dafür ein, dass wir auf EU-Ebene CO2-Zölle und die Herkunftskennzeichnung auf Lebensmittel einführen. Die Bundesregierung ar­beitet gerade auch einen Regionalbonus aus, bei dem es darum geht, regionale Lebens­mittel steuerlich zu begünstigen.

Meine Damen und Herren, das wäre nicht nur für die Landwirtschaft wichtig, sondern, wie gesagt, auch für den Wirtschaftsstandort. Wer billig einkauft, kauft oft wirklich teuer ein. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

15.02



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 632

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Hechenber­ger. – Bitte.


15.02.54

Abgeordneter Ing. Josef Hechenberger (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Ge­schätzter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherin­nen und Zuseher! Ganz besonders im Bereich Konsumentenschutz aber: Geschätzte Konsumentinnen und Konsumenten! Vorab, bevor ich starten darf, darf ich einmal – ich habe das zu Hause selbst miterlebt – den angehenden Maturantinnen und Maturanten alles Gute wünschen. Sie durchleben momentan harte Zeiten und harte Stunden, und ich hoffe, dass viele von ihnen dieser Tage die Matura erfolgreich schaffen. (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten der Grünen sowie des Abg. Leichtfried.)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, die Krise hat eindeutig aufgezeigt, wo es Schwä­chen gibt. Eine Schwäche, die wir erkennen müssen, ist die totale Abhängigkeit im Be­reich der Medikamente. Medikamente kommen zum Teil aus Ländern außerhalb Euro­pas, und somit, das denke ich schon, müssen wir auch darüber nachdenken, wie wir uns da zukünftig aufstellen.

Ich bin sehr froh, dass in meinem Umfeld ein großer internationaler Pharmakonzern tätig ist und dieser letztendlich jetzt auch bereit ist, wieder zu investieren. – Danke dafür! Viele meiner Freunde haben dort ihr Lebenseinkommen, arbeiten dort, haben dort einen si­cheren Arbeitsplatz.

Zum anderen ist die hundertprozentige Sicherheit der Versorgung mit regionalen, hoch­qualitativen Lebensmitteln positiv aufgefallen. Aus diesem Grund ist für mich eines klar: Wir brauchen eine verpflichtende, nachvollziehbare Herkunftskennzeichnung, wenn wir auch zukünftig die Gewissheit haben wollen, Lebensmittel aus der Region konsumieren zu können.

Was mich ein bisschen nachdenklich stimmt: Wir haben im Gesundheitsausschuss die­ses Thema sehr intensiv diskutiert. Viele Parteien haben mitgestimmt, leider Gottes war die SPÖ nicht bereit, die verpflichtende Herkunftskennzeichnung mitzutragen. Ich hoffe, dass das Tarnen und Täuschen im Bereich der Lebensmittel ein Ende hat und wir mit der verpflichtenden Herkunftskennzeichnung wirklich Transparenz für unsere Konsu­mentinnen und Konsumenten schaffen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Ernst-Dziedzic.)

15.05


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Mir liegen zu den Untergliederungen 21 und 22 keinerlei Wortmeldungen mehr vor. Daher sind die Beratungen zu diesem Thema be­endet.

15.05.20UG 24: Gesundheit


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur Untergliederung 24: Gesundheit.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Kucher. Ich erteile ihm das Wort.


15.05.28

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Herr Präsident, ich danke für die freundliche Ein­begleitung! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Finanzminister Blümel hat uns ja ein Budget vorgelegt – wir diskutieren es heute –, zu dem er uns allen erklärt hat, er habe das ohnehin schon selbst in den Mistkübel geworfen, denn wir seien ja mitten in der Coronakrise, deswegen sei es nicht aktuell. Gestern Nacht ist er munter geworden, ist über Nacht draufgekommen, dass er es doch ändern muss, weil es nicht ver­fassungskonform ist. So ist aber Finanzminister Blümel – das wissen alle Unterneh­merinnen und Unternehmer –, anscheinend kann er es nicht besser. (Zwischenruf des Abg. Wöginger.)


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Warum ist es aber trotzdem spannend, dass wir heute das Gesundheitsbudget disku­tieren? (Zwischenruf des Abg. Lopatka.) – Dieses Gesundheitsbudget, das wir heute diskutieren, ist noch vor Corona zusammengebastelt worden, und wisst ihr, was span­nend ist? Heute werden ja alle groß erzählen, Gesundheit sei uns allen sehr, sehr wich­tig, wenn man sich aber anschaut, was unter Sebastian Kurz bei Gesundheit unterm Strich wirklich herauskommt, dann ist das: nichts. Es ist heiße Luft!

100 Milliarden Euro hat es als reine Umdotierung gegeben. Zu all den Dingen aber, die Sebastian Kurz im Wahlkampf versprochen hat, zu gleich guten Leistungen für alle – ich habe mich ja gewundert, als Sebastian Kurz zumindest im Wahlkampf gesagt hat, wir bräuchten gleich gute Leistungen; auch Minister Anschober hat gesagt, wir bräuchten gleich gute Leistungen für alle Menschen in Österreich –, war im Regierungsprogramm dann kein Wort mehr zu lesen. Man hat sich gedacht, das wird vielleicht ein Irrtum ge­wesen sein, aber im Budget haben wir dann auch nichts gefunden. Zu allem, was ver­sprochen worden ist, was man heute anders sieht, hat es im Budget keine Verbesse­rungen gegeben: keine gleich guten Leistungen für alle, zu Gratisimpfungen ist gar nichts drinnen, zur Verbesserung psychotherapeutischer Versorgung ist nicht ein einziger Euro drinnen, zur Weiterentwicklung des Berufsbildes von Gesundheitsberufen ist auch nichts drinnen.

Ich sage es ganz offen, ich möchte warnen und bitte wirklich alle Parteien: Wenn wir nicht von einer Gesundheitskrise in die nächste schlittern möchten, bitte ich wirklich, dass wir alle auch die Finanzierung unserer Krankenhäuser und der Sozialversicherung sicherstellen, denn es kann nicht sein, dass im Endeffekt dann, wie schon Wirtschafts­bundvertreter angekündigt haben, entweder die Ärzteschaft die Rechnung zahlen soll oder dass wir Leistungskürzungen haben und vielleicht Krankenhausstandorte schließen müssen. Für alle Bereiche gibt es jetzt ein Budget. Wo ist das zusätzliche Budget für den Gesundheitsbereich? – Da passiert gar nichts! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine letzte Warnung: Wenn es im Hintergrund schon jetzt Leute wie Frau Mei-Pochtler gibt, die, während der Gesundheitsminister und alle anderen noch daran arbeiten, dass wir alle miteinander die Gesundheitskrise meistern, den Auftrag bekommen, in einem neoliberalen Thinktank für Sebastian Kurz die Gesundheitsversorgung der Zukunft auf die Beine zu stellen – diese Menschen, die uns allen jahrelang erklärt haben, Gesundheit sei nur ein Kostenfaktor: Tun wir einsparen, Patienten, das alles kostet nur viel Geld! –, dann müssen wir alle vorsichtig sein. Während wir hier kämpfen, arbeiten nämlich die im Hintergrund schon ganz fleißig an ihrer neoliberalen Agenda. Seien wir also vorsichtig! (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Sehr berechtigte ...!)

15.08


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schallmei­ner. – Bitte.


15.08.39

Abgeordneter Ralph Schallmeiner (Grüne): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause! Zual­lererst möchte ich dem Minister zu einer Personalentscheidung gratulieren, die, glaube ich, erst vor einer oder zwei Stunden offiziell geworden ist: Kollegin Ines Stilling, ehema­lige Übergangsministerin und hohe Beamtin im Ministerium, wird neue Generalsekre­tärin. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP, SPÖ und NEOS.) Kom­petenz sticht Parteipolitik – auch das ist grünes Arbeiten. – So viel dazu.

Gleich anschließend an das, was Kollege Kucher gesagt hat: So wenig! – Stimmt, ja, der gesamte Topf in Österreich beinhaltet in etwa 42 Milliarden Euro, so viel macht das Ge­sundheitswesen eben aus. 42 Milliarden Euro: Das ist es, was wir in Österreich für Medi­kamente, Behandlungen, Operationen, Präventionsmaßnahmen et cetera ausgeben.


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42 Milliarden Euro, davon sind 11 Milliarden Euro privat veranschlagt, und circa 31 Mil­liarden Euro – so lautet in etwa die Berechnung – kommen von der öffentlichen Hand, sei es jetzt über Transferleistungen, Steuern oder über irgendwelche Versicherungsleis­tungen. Aber: Nur 1,2 Milliarden Euro stehen in diesem Budget. Wir haben ja beide heu­te schon darüber diskutiert, woran das liegt: daran, was ich am Dienstag auch schon einmal erwähnt habe. In Österreich haben wir ein massiv kleinteiliges System, in dem irrsinnig viele Akteure mitspielen, und der Bund ist einer davon. Der Bund schlägt sich mit 1,2 Milliarden Euro nieder. Gemessen an den 42 Milliarden Euro sind das 3 Prozent des gesamten Kuchens.

Das erklärt übrigens auch, Kollege Loacker, warum der Minister in Wirklichkeit in erster Linie ein Moderator und nicht derjenige ist, der einfach nur anschafft und sagt: Spring, hüpf und mach! – Auch das gehört dazu, denn wer zahlt, schafft an, das wissen wir alle miteinander.

Reden wir über die 1,2 Milliarden Euro, reden wir darüber, worum es hierbei geht! – Es geht darum, dass in dieses Budget, wie Kollege Kucher auch richtig gesagt hat, die Kos­ten für Corona, für Covid-19 noch nicht eingerechnet sind. Das heißt, die 400 Millionen Euro, die wir in etwa für die Anschaffung von Desinfektionsmitteln, von Schutzbekleidun­gen et cetera brauchen werden, sind noch nicht enthalten. Es ist natürlich auch der Be­darf an Geld, den wir in Zukunft brauchen werden, um die Einnahmenausfälle, die sich aufgrund dieser Krise ergeben, zu kompensieren, noch nicht drinnen.

Worüber wir in diesem Zusammenhang auch reden müssen, ist: Was muss das Ziel unseres Gesundheitswesens sein, wohin soll die Reise mit dem Gesundheitswesen, wie wir es hier in Österreich haben, gehen? – Aus meiner Sicht, aus Sicht der Grünen ist das Ziel, dass wir ein solidarisch finanziertes Gesundheitswesen haben, das für alle zugäng­lich ist; soll heißen: keine Aufteilung in Arm, Reich, Land, Stadt, sondern ein Gesund­heitswesen, das für alle zugänglich und greifbar ist. (Abg. Kucher: Jetzt muss die ÖVP zuhören ...! – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Das heißt, wir brauchen entsprechende Maßnahmen, wie wir sie auch im Regierungs­programm festgeschrieben haben. Dazu gehören die Primärversorgungszentren, die Communitynurses, die Aufwertung der nicht ärztlichen Berufe, der Ausbau des Angebots von Psychotherapie und klinischer Psychologie – ganz wichtig! – und auch der Ausbau der Präventionsmedizin. Dazu haben wir uns bekannt, dazu stehen wir auch. Das sind aber Dinge, die nicht unbedingt immer sofort budgetrelevant werden, weil sie, wie ich zuerst gesagt habe, über all die kleinteiligen Organisationen, die mit dranhängen, umge­setzt und mitfinanziert werden. Über die Maßnahmen entscheiden werden wir hier herin­nen aber alle gemeinsam müssen.

Wir müssen auch die Frage klären, wie wir die Kosten, die jetzt im Zuge der Pandemie­bekämpfung aufgetaucht sind, die jetzt eben entstanden sind, und die Defizite ausglei­chen werden.

Ich möchte mich Kollegen Koza anschließen, der am Dienstag gemeint hat, wir müssen tabulos diskutieren, was wir einnahmenseitig machen. Da gebe ich Kollegen Koza recht, wir werden tabulos über neue Einnahmequellen reden müssen. Wir werden auch da­rüber diskutieren müssen, wie es sein kann, dass das Gesundheitswesen momentan nur durch Einnahmen aus Arbeit finanziert wird und zum Beispiel Kapitalerträge keinen An­teil daran leisten. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

Das werden wir ändern müssen. Dieser Diskussion stelle ich mich, da gehe ich auch mutig hinein, denn wie heißt es so schön bei uns Grünen: Zukunft wird aus Mut ge­macht!? Gehen wir mutig in die Zukunft! (Beifall bei den Grünen.)


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15.13


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kaniak. – Bitte.


15.13.26

Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bun­desminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Schallmeiner hat gemeint, es gibt noch sehr viele Dinge, über die wir im Gesundheitsbereich diskutieren müssen, darüber, wie wir die Einnahmen- und Ausgabensituation verbessern und auch die Struk­tur unseres Gesundheitswesens in Zukunft gestalten und finanzieren können.

Herr Kollege Schallmeiner, wir haben jetzt eineinhalb Wochen intensive Budgetdiskus­sionen hinter uns, leider Gottes über vollkommen falsche Zahlen, wie uns der Herr Fi­nanzminister gesagt hat. Nichtsdestotrotz hätten wir diese Diskussion in den letzten ein­einhalb Wochen führen und sie nicht in die Zukunft verschieben sollen.

Herr Bundesminister Anschober hat gemeint, er möchte faktenbasiert arbeiten, zuerst Zahlen sehen und dann Entscheidungen treffen. – Herr Bundesminister, ich nenne Ihnen ein paar Zahlen, die für Sie relevant sind, und auf Basis dieser Zahlen müssen Sie poli­tisch agieren, denn es ist Ihr Budget.

Im aktuellen Budgetvoranschlag für 2020 steht für das Gesundheitsministerium, für Sie, ein Betrag von 1 231,6 Millionen Euro zur Verfügung. Das hört sich auf den ersten Blick gar nicht so wenig an, nur lassen Sie mich dem gegenüberstellen, was in den ersten drei Monaten des heurigen Jahres in Ihrem Ressort bereits ausgegeben wurde, und da hat die Coronakrise noch kaum zugeschlagen: Das waren 343,4 Millionen Euro für das erste Quartal.

Jetzt brauchen wir keine hohen mathematischen Kenntnisse, um sich auszurechnen, dass man, wenn man diese Kosten einfach nur linear hochrechnet, ohne weitere Son­derbelastungen, auf einen Finanzierungsbedarf für das Jahr 2020 in der Größenordnung von 1 373,6 Millionen Euro kommt. Fällt Ihnen da etwas auf, Herr Minister? – Da fehlen Ihnen 142 Millionen Euro im aktuellen Budget, selbst bei konservativster linearer Hoch­rechnung des ersten Quartals.

In einem Punkt muss ich Sie leider enttäuschen: Ich habe mir den Abänderungsantrag der ÖVP zum aktuellen Budget angesehen. Ihr Ressort, das Gesundheitsministerium, die UG 24, wird mit keinem einzigen Euro bedacht. Das heißt, Sie werden kein zusätz­liches Geld kriegen, also frage ich Sie: Wie wollen Sie diese 142 Millionen Euro bis zum Ende des aktuellen Finanzjahres eintreiben? Welche Leistungen wollen Sie kürzen, da­mit Sie mit 142 Millionen Euro weniger auskommen?

Wie wollen Sie die Kosten für die ganzen Coronatests, für die Schutzausrüstung und die medizinische Ausstattung, die bestellt wurden, die Kollege Schallmeiner gerade mit gut 400 Millionen Euro beziffert hat, denn bezahlen? Wie wollen Sie die notwendigen zu­sätzlichen Mittel für die Ages finanzieren? Wie wollen Sie die bereits bestellten Impfstoffe bezahlen? Wie wollen Sie die zusätzlichen Präventionsmaßnahmen und Informations­kampagnen, die Sie angekündigt haben, finanzieren?

Da rede ich gar nicht von den möglicherweise erforderlichen Kostendeckungen für die Sozialversicherungen oder für die Krankenkassen; da rede ich noch gar nicht von den zusätzlichen Kosten durch den Behandlungsrückstau, der wegen des Lockdown im Ge­sundheitswesen passiert ist; da spreche ich noch gar nicht von den notwendigen Inves­titionsanreizen, damit wir unser Gesundheitssystem so umformen, dass die nächste Krise noch besser bestanden wird; und da rede ich noch gar nicht von den Kosten, die zur Absicherung der Arzneimittelversorgung und der Versorgung mit Medizinprodukten notwendig sind.

Sehr geehrter Herr Bundesminister, wenn ich an Ihrer Stelle wäre, würde ich nicht mehr so ruhig hier sitzen, ich würde mir große Sorgen machen, wie das alles zu finanzieren ist. (Beifall bei der FPÖ.)


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Um dem Ganzen etwas Nachdruck zu verleihen und Sie vielleicht auch etwas mehr zum Nachdenken aufzufordern, bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Maßnah­menpaket zum österreichischen Gesundheitssystem nach COVID-19“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, wird aufgefordert dafür Sorge zu tragen, dass ein Maßnahmenpaket zum österreichischen Gesundheitssystem nach COVID-19 mit folgenden Eckpunkten ausgearbeitet und dem Nationalrat bis zum 30. Juni 2020 zugewiesen wird:

- Statusbericht über den Behandlungsrückstau in den Krankenanstalten und im nieder­gelassenen Bereich

- Statusbericht über die finanziellen, personellen und organisatorischen Konsequenzen der COVID-19-Krise für das österreichische Gesundheitswesen

- Statusbericht über die Versorgung mit Arzneimitteln und Medizinprodukten in Folge der COVID-19-Krise

- Statusbericht über die finanziellen Auswirkungen der COVID-19-Krise auf die öffentli­chen Krankenversicherungsträger

- Finanzielle, personelle und organisatorische Maßnahmen für einen raschen Abbau des Behandlungsrückstaus in den Krankenanstalten und im niedergelassenen Bereich

- Budgetäre Maßnahmen für eine rasche finanzielle Bedeckung des Finanzbedarfs im österreichischen Gesundheitssystems inklusive der öffentlichen Krankenversicherungs­träger“

*****

Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

15.18

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abg. Mag. Gerhard Kaniak, Dr. Dagmar Belakowitsch, Peter Wurm

und weiterer Abgeordneter

betreffend Maßnahmenpaket zum österreichischen Gesundheitssystem nach COVID-19

eingebracht im Zuge der Debatte zu Top 7: Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (55 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvor­anschlages für das Jahr 2020 (Bundesfinanzgesetz 2020-BFG 2020) samt Beila­gen (183 d.B.) –UG 24 (Gesundheit) in der 32.Sitzung des Nationalrates am 28. Mai 2020

Aktuelle Medienberichte berichten über weitreichende Folgen für das österreichische Gesundheitssystem in Folge der COVID-19-Krise:

CoV: Klagen über fehlende Behandlungen

Viele Patientinnen und Patienten in Wien beklagen, dass sie wegen des Coronavirus in den Ordinationen wie auch Spitälern nicht behandelt worden seien und sich ihr Zustand


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dadurch verschlechtert hätte. Bei Patientenanwältin Sigrid Pilz häufen sich deshalb Be­schwerden.

Auch jetzt, wo die Spitalsambulanzen wieder öffnen, sei die Situation noch immer nicht eindeutig, kritisierte Patientenanwältin Sigrid Pilz. So hat sich diese Woche unter ande­rem ein Diabetiker bei ihr gemeldet, der eine nicht heilende Wunde am Fuß hat und weggeschickt wurde. „Das hat mich veranlasst, dort sofort zu intervenieren, denn diese Dinge dürfen nicht sein, denn wenn jemand eine unversorgte diabetische Wunde hat, dann kann das leicht in einer Amputation münden.“

KAV will Operationsrückstau abarbeiten

Dieser Fall sei keine Seltenheit. Viele würden beklagen, dass sich ihr Zustand ver­schlechtert habe, weil sie wegen des Coronavirus nicht behandelt oder Untersuchungen nicht durchgeführt worden seien. „Wir gehen in jedem einzelnen Fall der Sache nach, ob es hier nachweislich gesundheitliche Nachteile gibt“, sagte die Patientenanwältin. Der Krankenanstaltenverbund versicherte, den Rückstau an Operationen und Untersuchun­gen zügig abzuarbeiten.

Wichtig sei laut Pilz, die Angst bei den Personen abzubauen, denn es gebe auch Fälle, wo Personen aus Furcht vor dem Coronavirus keinen Arzt aufgesucht hätten. „Eine äl­tere Dame wollte nicht einmal die mobilen Dienste ins Haus lassen aus Angst. Die Pfle­gekräfte wissen, dass wenn die Frau nicht versorgt wird, ist das Risiko größer als ein allfälliges Infektionsrisiko durch das Coronavirus.“ (ORF Wien 22. Mai 2020)

Auswirkungen der Coronakrise auf die Österreichische Gesundheitskasse

Starker Einbruch der Beitragseinnahmen durch Rekordarbeitslosigkeit

Wien (OTS) - Die durch die Coronavirus-Pandemie bedingte Rekordarbeitslosigkeit im April 2020 macht sich auch in den Finanzen der Sozialversicherungsträger bemerkbar. Die Vorschreibungen für die Beiträge sind im Vergleich zum Vorjahr um 5,31 Prozent gesunken, es werden um 187,8 Millionen Euro weniger als im April des Vorjahres ein­genommen.

Im Voranschlag für 2020 hat die ÖGK im Jahresdurchschnitt noch mit einer Steigerung um 4,2 % im Vergleich zum Vorjahr gerechnet. Das bedeutet gegenüber dem bud­getierten Wert ein Minus von 335 Millionen Euro. Der Anteil der ÖGK beträgt dabei rund 19 Prozent.

Der starke Einbruch hängt vor allem mit dem Shutdown zusammen. Zusätzlich verstärkt wird der Effekt der sinkenden Beitragseinnahmen durch die automatische Stundung von nicht geleisteten Beitragseinnahmen der Unternehmen in Österreich. Die ausstehen­den Beitragseinnahmen summieren sich im Jahr 2020 insgesamt bereits auf mehr als 2,5 Mrd. Euro.

Aufgrund der Lockerungen der Bestimmungen durch die Bundesregierung rechnet die ÖGK mit einer Entspannung für Mai, da es bereits wieder mehr Anmeldungen gibt als im Vormonat. (APA 26. Mai 2020)

Ärztekammer: ÖGK droht an Hauptaufgabe zu scheitern

Teilweise Entschädigungen in Darlehensform sind zu wenig, um die niedergelassene Infrastruktur zu sichern, betont die Österreichische Ärztekammer.

Wien (OTS) - „Die Coronakrise hat die strukturellen Schwächen der Österreichischen Gesundheitskasse schonungslos offen gelegt“, kommentiert Johannes Steinhart, Vize­präsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundeskurienobmann der niederge­lassenen Ärzte, die jüngsten Medienberichte um die wirtschaftliche Situation der ÖGK. Nun droht die ÖGK bei ihrer Hauptaufgabe, der Versorgungssicherung, zu scheitern. Denn eines ist sicher: „Den Ärzten 80 Prozent der Vorjahreseinnahmen als rückzahl­bares Darlehen zu acontieren, wird nicht reichen, um sicherzustellen, dass die niederge­lassene Infrastruktur auch bei einer möglichen zweiten Welle an Coronavirus-Infektionen


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ihre Versorgungsleistung aufrechterhalten kann“, betont Steinhart. Wie ÖGK-Vizeob­mann Andreas Huss richtig festgestellt hat, sind die Patientenkontakte während der Krise bedingt durch die Pandemievorschriften teilweise auf ein Minimum gesunken. „Das bedeutet für Ärztinnen und Ärzte teilweise existenzbedrohende Situationen“, unter­streicht Steinhart: „Man darf ja auch die Funktion der Ärzte als Arbeitgeber nicht verges­sen – über 25.000 Jobs hängen am niedergelassenen Bereich. Dieser ganze Bereich muss aufgefangen werden, das steht außer Frage. Ohne Geld auszugeben, wird das nicht funktionieren.“

Kassenärztinnen und -ärzte haben zu über 90 Prozent ihre Ordinationen während der Krise offengehalten, um die wohnortnahe Versorgung in Notfällen zu garantieren und damit die dringend notwendige Entlastung der Spitäler zu ermöglichen. „All das haben unsere Ärztinnen und Ärzte trotz Gefährdung ihrer persönlichen Gesundheit und unter wegen des kassenseitig verstärkten Mangels an Schutzausrüstung zusätzlich verschärf­ten Bedingungen verlässlich erfüllt. Auch wenn diesen bewundernswerten Einsatz ein Leistungskatalog nicht abbilden kann, muss diese Leistung ohne Wenn und Aber ho­noriert werden“, so Steinhart.

Rasche finanzielle Sicherstellung für alle niedergelassenen Ärzte

„Während die Patientenkontakte gesunken sind, sind die Kosten zu mehr als 100% weitergelaufen“, sagt Thomas Szekeres, Präsident der Österreichischen Ärztekammer. Gearbeitet wird noch immer unter sehr erschwerten Rahmenbedingungen. „Wir bedan­ken uns bei den niedergelassenen Ärzten für die Aufrechterhaltung der Gesundheitsver­sorgung. Sollte sich die Situation verschärfen, werden sich aber viele der niedergelasse­nen Ärzte es sich nicht leisten können, ihre Angestellten und den Betrieb weiter zu fi­nanzieren. Daher müssen ÖGK und Regierung eine rasche finanzielle Sicherstellung für alle niedergelassenen Ärzte leisten, um die Gesundheitsversorgung zu garantieren“, for­dert Szekeres.

Dachverbandschef Peter Lehner hat erst kürzlich öffentlich „volle Unterstützung“ beim Bund für die Ärzte bei ihrer Forderung nach vollem Verlustausgleich versprochen. „Wir gehen davon aus, dass das auch die Stoßrichtung der ÖGK sein wird“, sagt Steinhart. (APA 9. Mai 2020)

Insgesamt ist das österreichische Gesundheitssystem durch COVID-19-Maßnahmen an seine finanziellen, personellen und organisatorischen Grenzen angelangt. Darüber hi­naus sind auch dringend notwendige Reformschritte im österreichischen Gesundheits­system nicht eingeleitet worden und mit der Umsetzung des Regierungsprogramms ist noch gar nicht begonnen worden. Auch das aktuell vorgelegte Gesundheitsbudget unter der UG 24 des Bundesfinanzgesetzes 2020 (BFG-2020) bietet keine finanzielle Grundla­ge, um die Folgen von COVID-19, deren finanziellen, personellen und organisatorischen Konsequenzen und den seit Regierungsantritt bestehenden Reformstau zu überwinden.

Deshalb braucht es für das österreichische Gesundheitssystem dringend ein Maßnah­menpaket, das die Folgen der COVID-19-Krise beseitigt, auf die finanziellen, personellen und organisatorischen Konsequenzen reagiert und den seit Regierungsantritt bestehen­den Reformstau auflöst.

Daher stellen die unterzeichnenden Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, wird auf­gefordert dafür Sorge zu tragen, dass ein Maßnahmenpaket zum österreichischen Ge­sundheitssystem nach COVID-19 mit folgenden Eckpunkten ausgearbeitet und dem Na­tionalrat bis zum 30. Juni 2020 zugewiesen wird:


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-             Statusbericht über den Behandlungsrückstau in den Krankenanstalten und im niedergelassenen Bereich

-             Statusbericht über die finanziellen, personellen und organisatorischen Konse­quenzen der COVID-19-Krise für das österreichische Gesundheitswesen

-             Statusbericht über die Versorgung mit Arzneimitteln und Medizinprodukten in Folge der COVID-19-Krise

-             Statusbericht über die finanziellen Auswirkungen der COVID-19-Krise auf die öf­fentlichen Krankenversicherungsträger

-             Finanzielle, personelle und organisatorische Maßnahmen für einen raschen Ab­bau des Behandlungsrückstaus in den Krankenanstalten und im niedergelas­senen Bereich

-             Budgetäre Maßnahmen für eine rasche finanzielle Bedeckung des Finanzbedarfs im österreichischen Gesundheitssystems inklusive der öffentlichen Krankenversi­cherungsträger

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Schwarz. – Bitte.


15.18.25

Abgeordnete Gabriela Schwarz (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Sehr verehrte Zuseherinnen und Zuseher! Zu Beginn gleich einmal eine Klarstellung gegenüber Herrn Kollegen Kaniak: Du hast gesagt, du würdest, wenn du hier sitzen würdest, nicht mehr so ruhig sein. Ich kann nur eines sagen: Wir alle sind sehr froh, dass Rudolf Anschober als Minister hier sitzt. Das freut mich sehr, denn die Zusammenarbeit mit ihm ist äußerst konstruktiv, wie du ja auch im Gesundheitsausschuss mitbekommen hast, wo sehr wohl auch deine Anregungen und Ideen aufgenommen werden. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Belakowitsch: Wo genau? Wo genau, welche Anregungen?!)

Auch wenn Kollege Kucher meint, wir bedanken uns zu viel, denke ich (Zwischenruf des Abg. Kucher): Für gewisse Dinge kann man sich nicht zu oft bedanken, Philip; ich glaube, dass es notwendig ist, dass wir uns gerade in diesen Zeiten bei den Menschen bedanken, die dieses solidarische Gesundheitssystem aufrechterhalten. Da stimmst du mir sicherlich zu. Man kann nur all jenen Menschen Danke sagen – und nicht oft genug ‑, die in den vergangenen Wochen bewiesen haben, wie wertvoll und solidarisch unser Gesundheitssystem ist: Ich rede von der Ärzteschaft sowohl im niedergelassenen als auch im Spitalsbereich, ich rede von allen in den Pflegeberufen, aber auch von den pfle­genden Angehörigen, die ebenfalls unheimlich viel übernommen haben, von den Ret­tungsorganisationen, Sozialversicherungen und so weiter.

Ich möchte heute, am Tag der Frauengesundheit, besonders den Frauen danken, denn wir wissen, ein großer Anteil in der Medizin ist weiblich. Frauen übernehmen wahnsinnig viel Verantwortung, auch als alleinerziehende Mütter, für ihre Familien, für ihre Kinder, zum Beispiel gerade was das Thema Prävention betrifft.

Ja, es ist richtig, wir haben uns in den Koalitionsverhandlungen sehr mit dem Thema Prävention – das beginnt bei Ernährung und geht bis Bewegung – auseinandergesetzt. Ich glaube schon, dass jede und jeder Einzelne von uns da auch aufgefordert ist, in Eigenverantwortung etwas beizutragen, nämlich nicht erst zum Arzt zu gehen, wenn es


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notwendig ist, sondern vielleicht durchaus einmal in Erwägung zu ziehen, eine Vorsorge­untersuchung zu machen, die Stiegen statt den Lift zu nehmen, eine tägliche Bewe­gungseinheit zu machen – das beginnt in der Kindheit und endet im Alter –, denn unser aller Ziel muss es sein, dass wir gesund alt werden.

Ein weiteres Thema, das Philip Kucher angesprochen hat – Philip?; jetzt ist er gerade beschäftigt, aber es ist trotzdem wichtig –, ist die psychische Gesundheit. Ja, du hast vollkommen recht, wir werden versuchen, alle Berufsgruppen, die mit der psychischen Gesundheit zu tun haben – das geht von der Psychiatrie über die Psychologie bis zur Psychotherapie; wir wissen zum Beispiel, dass Kinder- und Jugendpsychiatrie ein Man­gelfach ist, dieser Zustand gehört dringend behoben –, an einen Tisch zu bekommen. (Abg. Kucher: Aber wann?) – Noch vor dem Sommer; ich lade dich herzlich ein, in einer ersten Gesprächsrunde mit dabei zu sein, in der es darum geht: Wie können wir alle gemeinsam dieses Thema angehen?

Wir brauchen selbstverständlich mehr kassenfinanzierte Therapieplätze, das wissen wir. Es darf auch kein Tabu sein, wenn man eine psychische Krankheit hat oder beeinträch­tigt ist, ich halte das für enorm wichtig. Da bedarf es aller Berufsgruppen, da bedarf es auch unseres Zuspruchs und unserer Mitwirkung: Wie können wir das wirklich tauglich aufstellen, dass jeder und jede – egal welchen Alters, welchen Einkommens, welchen Geschlechts – in Österreich zu der Betreuung und der Behandlung kommt, die ihm oder ihr zusteht? Wie gesagt, du bist herzlich eingeladen, das mit uns gemeinsam zu machen, denn uns allen ist auch die psychische Gesundheit in Österreich ganz wichtig.

Ich freue mich, dass sich der Minister da wirklich committet hat, dass er das mit uns gemeinsam möglichst zeitnahe angehen wird. – Vielen herzlichen Dank dafür und schon jetzt vielen herzlichen Dank für deine (in Richtung Abg. Kucher) Mitarbeit. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

15.22


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Loacker. – Bitte.


15.22.09

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bun­desminister! Das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit und Pressekonferenzen – dafür steht wohl dieses „PK“ am Ende des Kürzels – hat bis jetzt 60 Pressekonferenzen abgehalten, sonst ist die Erfolgsbilanz eher bescheiden. Ihre Vorgängerin hätte man für das, was Sie geliefert haben, durch Sonne und Mond geschossen, hätte sie dasselbe getan. (Beifall bei Abgeordneten der NEOS und bei der FPÖ.)

Es ist immer noch nichts getan, um die Daten für den niedergelassenen und den Spi­talsbereich so zusammenzuführen, dass man daraus etwas über den Patienten ablesen kann, deswegen war die Risikogruppendefinition so ein Theater. Wir haben wochenlang gebraucht – falls es überhaupt schon passiert ist –, eine Anfrage der Charité in Berlin in Bezug auf eine Zusammenarbeit in Sachen Corona zu beantworten. Sie lehnen Regio­nalstrategien für das Hochfahren des Landes ab, wollen alle über einen Kamm scheren. Natürlich verstehen die Menschen Ihre Maßnahmen nicht, wenn in einem Bezirk, in dem es seit Wochen keine Coronaerkrankten gibt, dasselbe wie in Hotspots gilt. Die 15 000 täglichen PCR-Tests, die versprochen wurden, finden auch nicht statt, von den flächen­deckenden Antikörpertests möchte ich lieber – zu Ihrem Schutz – nicht sprechen, denn sonst müsste ich darauf eingehen, was Sie da in China bestellt haben.

Nun zum Budget: Kollegin Schwarz hat die Prävention erwähnt. Prävention macht genau 1 Prozent Ihres Budgets aus, damit könnte man gut steuern, aber das spielt offensicht­lich keine Rolle, da Sie nicht gern steuern; Sie schauen lieber zu. Ich habe das in der vorigen Rede „Anschobern“ genannt, und ich glaube, das ist es auch.


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Man könnte auch über die Gesundheit Österreich GmbH steuern, denn dort wird der österreichweite Gesundheitsstrukturplan erarbeitet, dort werden zusammen mit den Län­dern und den Kassen die regionalen Gesundheitsstrukturpläne erarbeitet, aber bei der GÖG werden die Mittel sogar zurückgefahren.

Dann gäbe es noch einen Steuerungshebel – würden Sie ihn nutzen wollen, könnten Sie das, aber Sie schauen gerne hin und schauen gerne zu, wie Sie mir das auch in Anfra­gebeantwortungen schreiben –: die Bundesgesundheitsagentur. Dort wird nämlich an die Landesgesundheitsfonds verteilt, und zwar seit 1997 unverändert mit fixen Schlüs­seln, da wird nichts gesteuert, an Zielerreichung, an Qualitätsziele geknüpft, gar nichts, es wird einfach auf Überweisen gedrückt – wie es immer war. Es wird zugeschaut, nachgeschaut, weitergeschaut.

Der Gesundheitsminister könnte steuern, er sollte steuern, und in diesem Sinne bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Veröf­fentlichung der KH-Qualitätsindikatoren (A-IQI) auf KH-Standortebene“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird auf­gefordert, die A-IQI-Qualitätsindikatoren in Absprache mit der Bundes-Zielsteuerungs­kommission auf KH-Standortebene zu veröffentlichen.“

*****

Danke schön. (Beifall bei den NEOS.)

15.24

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Veröffentlichung der KH-Qualitätsindikatoren (A-IQI) auf KH-Standortebene

eingebracht im Zuge der Debatte in der 32. Sitzung des Nationalrats über den Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (55 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2020 (Bundesfinanzgesetz 2020 – BFG 2020) samt Anlagen (183 d.B.) - TOP 7, UG 24

Regierungsprogramm zu Behandlungsqualität und Transparenz

Im Regierungsprogramm 2017-2022 stand noch, dass es bezüglich Behandlungen und Operationen mehr Transparenz geben soll. Dieses Ziel wurde auch im aktuellen Regie­rungsprogramm niedergeschrieben: "Transparenz und Qualität ausbauen: Für Patien­tenentscheidungen relevante Informationen sollen niederschwellig zugänglich sein". Das ist zu begrüßen, da in den A-IQI-Berichten keine Standort-bezogenen Werte veröffent­licht werden. Auch aus den Aufenthaltszahlen von www.kliniksuche.at lässt sich nur sehr indirekt auf die Behandlungsqualität in den einzelnen Spitälern schließen.

Schweiz: Mut zur Qualitäts-Transparenz

Die IQIs (Inpatient Quality-Indicators; Spitalsstationäre Qualitätsindikatoren) sind ein Vorzeigeprojekt des Gesundheitsministeriums bzw. der Spitäler. Es umfasst derzeit


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mehr als 100 Qualitätsindikatoren. Innerhalb der Spitäler schafft man mit den QIs Bench­marks für Ärzt_innen, die sich dadurch besser bewusst werden, wo Verbesserungs­potential besteht. Die QI-Ergebnisse werden zudem in Form von sogenannten Peer-Reviews (regionale Qualitätsbesprechungen einer entsprechenden Fachärztegruppe) besprochen. Außerhalb der Spitäler bekommt die Bevölkerung durch die standortbezo­gene Veröffentlichung der QIs Info darüber, wo die beste Behandlungsqualität geboten wird. Das Gesundheitsministerium veröffentlicht die QIs laufend in über 1800-seitigen Qualitätsberichten. Zusätzlich kann man auf der Homepage des Gesundheitsministe­riums mit Hilfe eines Vergleichssystems benutzerfreundlich die QI-Ergebnisse einzelner Krankenhäuser miteinander vergleichen. Das Gesundheitsministerium schreibt, dass es anfänglich von vielen Spitälern Widerstände gegeben hat, die QI auf Krankenhausebene zu veröffentlichen, mittlerweile ist die Veröffentlichung aber allgemein anerkannt. Alles in allem ein voller Erfolg des Gesundheitsministeriums und des gesamten Gesundheits­systems. Zumindest des Schweizer Gesundheitsministeriums und des Schweizer Ge­sundheitssystems…

Österreich: A-IQI-Berichte werden nicht auf KH-Standortebene veröffentlicht

Bezogen auf Österreich verschließt man sich nach wie vor gegenüber einer transpa­renten Qualitätsberichterstattung. Die A-IQI-Berichte sind aus Patient_innensicht un­brauchbar. Peer-Reviews sind zwar groß im Kommen und sehr hilfreich für die Qualitäts­arbeit in den Spitälern, aber aus Sicht der Patient_innen ist uns die Schweiz weit voraus. So werden im A-IQI-Qualitätsbericht der Bundes-Zielsteuerungskommission QI nur in Form von Bundesdurchschnittswerten angeführt. Als Zusatzinformation bekommt man lediglich die Anzahl der Standorte, an denen es “statistische Auffälligkeiten” (Qualitäts­probleme) gibt. Diese Vorgehensweise schafft aber eher Verunsicherung, weil man nicht weiß, um welche Standorte es sich dabei handelt. Vereinfacht lautet die zynische Aussa­ge der Bundes-Zielsteuerungskommission derzeit: “Es gibt an einigen Standorten Quali­tätsprobleme, wir wissen sogar wo, aber wir sagen es euch nicht!”

Schnellstmögliche Veröffentlichung der A-IQI-Qualitätsindikatoren auf KH-Standort­ebene

Mittlerweile wurden acht A-IQI-Berichte veröffentlicht. Dabei sollte genug Erfahrung ge­sammelt worden sein, um die Berichte auch auf Standortebene zu veröffentlichen. Des­halb sollen die Qualitätsindikatoren schnellstmöglich in Absprache mit der Bundes-Ziel­steuerungskommission auf Standortebene veröffentlicht werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird auf­gefordert, die A-IQI-Qualitätsindikatoren in Absprache mit der Bundes-Zielsteuerungs­kommission auf KH-Standortebene zu veröffentlichen."

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht somit in Verhand­lung.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete El-Nagashi. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 643

15.25.06

Abgeordnete Mag. Faika El-Nagashi (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Mi­nister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, Zuseherinnen und Zuseher! „The End of Meat Is Here“, das Ende von Fleisch, jetzt – so schreibt die „New York Times“ dieser Tage angesichts der massiven Erschütterung durch diese Pandemie, die Covid-19 mit sich gebracht hat, und angesichts des Systemwandels, des grundlegenden Systemwan­dels, der Gebot der Stunde ist: das Ende von Fleisch, das Ende des Fleischkonsums, der Massentierhaltung, der Regenwaldrodungen für Futtermittel, der Antibiotikaresisten­zen, der Übertragung von Bakterien und Krankheiten von Tieren auf Menschen und Zoo­nosen wie Covid-19.

Die Massentierhaltung und ihre gigantischen Mengen an CO2-Emissionen sind einer der Hauptgründe für den Klimawandel. Eine pflanzliche Ernährung ist ein Beitrag, den jeder und jede Einzelne für den Kampf gegen den Klimawandel leisten kann, sie ist aber auch ein Beitrag, der durch entsprechende Unterstützung auf politischer Ebene geleistet wer­den kann – das bedeutet die Förderung pflanzlicher Ernährung. (Beifall bei den Grünen.)

Die Fleischproduktion institutionalisiert prekärste Arbeitsbedingungen in den Schlacht­höfen, wie wir es gerade wieder aus den Diskussionen dazu in Deutschland sehen, in den Schlachthöfen, in denen im Minuten-, wenn nicht im Sekundentakt getötet werden muss, eine Arbeit, die von Migranten, von Wanderarbeitern durchgeführt wird. Das ist Teil des alten Normal: die systemische und systematische Misshandlung, Ausbeutung und Tötung von Tieren, die Zerstörung von Umwelt, Klima und Biodiversität, Wasserver­nichtung und Grundwasserverschmutzung, Schweinegrippe, Vogelgrippe, Ebola, Co­rona.

„If you care about the working poor, about racial justice, and about climate change, you have to stop eating animals.“ – So schreibt die „New York Times“. Oder anders: Es braucht eine Politisierung der Tierfrage. Das Tierschutzvolksbegehren von 1996 zählt bis heute zu einem der erfolgreichsten Volksbegehren in Österreich. Fast eine halbe Million Menschen hat die Politik dazu aufgefordert, nicht menschliches Leben ernst zu nehmen. Die Politik hat darauf reagiert, das bundeseinheitliche Tierschutzgesetz 2005 ist dem nachgekommen: Pelzfarmverbot, Käfighaltungsverbot von Legehennen, Verbot von Wildtieren in Zirkussen sind Beispiele für die gesetzliche Verankerung von Tier­schutzpolitik, vorbildhaft in Europa und möglich durch die engagierte politische Zivilge­sellschaft.

Die letzten Schritte in diese Richtung sind aber viel zu lange her, liegen in der Vergan­genheit. Seitdem ist viel stagniert, und es gab sogar Verschlechterungen im Bereich des Tierschutzes bei den Tiertransporten, beim Kükenschreddern für die Eierindustrie, der betäubungslosen Ferkelkastration, bei übervollen Masthallen, den Vollspaltenböden in der Schweinehaltung, der Anbindehaltung in der Rinderhaltung, bei der Putenqualzucht, beim Treiben von Tieren mit Elektroschockern in Schlachthöfen. Es gibt fünf Millionen geschlachtete Schweine pro Jahr in einem Land mit neun Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern – unvorstellbare fünf Millionen! Mästen, Melken, Schlachten in abgeriegel­ten Gebäuden, millionenfach jedes Jahr: Wir wissen, warum wir das nicht sehen, was wir nicht sehen wollen.

2013 wurde der Tierschutz als übergeordnetes Staatsziel verfassungsrechtlich veran­kert. Der Tierschutz ist kein Spezialthema für Tierliebhaberinnen und Tierliebhaber, er ist ein feministisches Thema ebenso wie ein menschenrechtliches, ein Klimaschutz- und ein Umweltschutzthema, ein Teil der Ernährungswende und der Agrarwende, eine Frage der Gesundheit und der globalen Gerechtigkeit, Bedingung für das gute Leben für wirk­lich alle.

In diesem Sinne wird die Herausforderung darin liegen, nicht nur das Tierschutzbudget für Tiergesundheit, Tierwohl und Tierrechte einzusetzen, sondern in allen Bereichen


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ganzheitlich und für alle an einer sozial gerechten, nachhaltigen und solidarischen Welt zu arbeiten. (Beifall bei den Grünen.)

15.30


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Anscho­ber. – Bitte.


15.30.17

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Geschätzter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Danke für diese sehr konstruktive Gesundheitsdebatte, die wir hier führen, die wir größtenteils schon geführt haben. Ich möchte mich stellvertretend bei den letzten drei Rednern und Rednerinnen konkret bedanken: Kollegin Schwarz – der Inbegriff des Miteinanders in der Gesundheitspolitik –, danke für eine sehr angenehme und kooperative Zusammen­arbeit; Kollege Loacker, an ihm schätze ich immer seinen Wortwitz. Das eint uns ein bisschen, denke ich. (Abg. Meinl-Reisinger: Auch seine Expertise!)  Auch seine Exper­tise, ich reduziere ihn nicht auf den Wortwitz, absolut, alles klar! – Mit seinen Positionie­rungen bin ich nicht immer einverstanden, aber das ist eine völlig normale Situation, der normale politische Diskurs. Faika, danke, du zeigst uns Zusammenhänge auf. Das ist in so einer Debatte, bei der wir oft im Detail sind, extrem wichtig und gut. – Danke dafür.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben wahrscheinlich noch nie zuvor eine Situation wie in diesen letzten Monaten gehabt, in der einer breiten Bevölkerungsgruppe in Österreich und in der Politik selbst so klar war, welchen Stellenwert die Gesundheit hat, dass es nichts Wichtigeres als die Gesundheit gibt. Es war wirklich sehr, sehr positiv, dass wir im März, April Diskussionen geführt haben, bei denen eigentlich für alle klar war: Es gibt eine Priorität, das ist der Schutz der Gesundheit.

Es ist gut, dass wir das gelernt haben, dass wir gemeinsam diese Grundüberzeugung hatten. Ich denke, das sollten wir im Geist für die nächsten Jahre mitnehmen, denn vor uns steht vieles, auch an Schwierigkeiten, was die finanzielle Absicherung dieses solida­rischen Gesundheitssystems betrifft. Das muss unsere erste Priorität sein: die Absiche­rung eines hochqualitativen Gesundheitssystems, die Absicherung eines Systems, in dem alle einen gleichen Zugang haben, niemand diskriminiert wird und es keine Zwei-, Drei- oder Vierklassenmedizin gibt. Gerade in der Krise haben wir gelernt, wie wichtig dieser gleichberechtigte Zugang und wie wichtig dieses solidarische Gesundheitssystem in höchster Qualität tatsächlich ist. Das heißt, für die Zukunft wird die finanzielle Absiche­rung die Hauptanforderung für uns sein.

Für die Zukunft wird für uns auch etwas eine Hauptanforderung sein, was wahrscheinlich jeder Vorgänger und jede Vorgängerin von mir auch gesagt hat. Unser Ziel ist, dass wir es jetzt leben, dass wir es umsetzen, nämlich die Prävention sehr, sehr offensiv anzuge­hen, die Vorsorge offensiv anzugehen. Ich glaube, auch dafür gibt es mittlerweile – auch aufgerüttelt durch die jetzige Gesundheitskrise – viele Partnerinnen und Partner auf den unterschiedlichsten Ebenen.

Ich finde es sehr, sehr gut, dass in diesem Haus anscheinend mittlerweile ein Grundkon­sens vorhanden ist, dass wir im Bereich der psychischen Gesundheit große zentrale Schwerpunkte setzen müssen. Natürlich war und ist es so, dass etwa durch Corona auch in diesem Bereich sichtbar wurde, wie viele Menschen in schwierigen Situationen sind, die es sich nicht leisten können, dass sie sich privat Psychotherapie finanzieren, die es sich nicht leisten können, dass sie das tun können, was sie brauchen würden. Sie spüren noch immer, dass es Tabus in diesem Land gibt und dass es keine Gleichstellung mit herkömmlichen Erkrankungen gibt. Ich kann einfach normal darüber reden, wenn ich mir den Fuß breche, aber für viele ist es eine Schwierigkeit, über psychische Erkrankungen zu reden, dazu zu stehen und die Behandlung zu beanspruchen, die er oder sie verdient.


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Das brauchen wir, dafür wollen wir kämpfen, das wollen wir gemeinsam erreichen. (Bei­fall bei Grünen und ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Noch ist es mit dem Coronavirus absolut nicht vorbei. Wir sind nach wie vor mitten in der Pandemie. Wir haben weltweit derzeit 5,6 bis 5,7 Millionen Erkrankte. Wir haben tagtäg­lich Tausende Todesfälle auf der Welt zu verzeichnen. Wir haben die erfreuliche Situa­tion, dass wir bei uns derzeit das Virus tatsächlich weitgehend unter Kontrolle haben. Aber Vorsicht, das heißt nicht, dass das automatisch so ist. Das Virus ist nicht aus Ös­terreich ausgezogen, ist nicht auf Urlaub gefahren, sondern es ist nach wie vor hier. Durch einzelne Clusterbildungen merken wir das, wie in den letzten Tagen beim Cluster in Wien und Niederösterreich, wobei wir jetzt einen sehr, sehr guten Arbeitsprozess zwischen den Behörden der beiden Länder auf der einen Seite und der Ages haben, die jetzt erstmals im Rahmen der Novellierung des Epidemiegesetzes, die von euch be­schlossen wurde, bei bundesländerübergreifenden Ausbrüchen eine zentrale Funktion hat.

Dies geschieht auch unter Einbeziehung des Innenministeriums. Ich bin sehr froh, dass in der realen Arbeit nicht die Vorwahlscharmützel praktiziert werden, sondern dass das Thema, nämlich die Eingrenzung der Pandemie, im Mittelpunkt steht. Daran halten sich alle und das setzen alle um.

Es wurde über die Frage der Regionalisierung gesprochen. Ich nehme es sehr, sehr ernst, was die Landeshauptleute uns – so hoffe ich – in den nächsten Tagen vorschlagen werden. Es wurde zugesagt, und wir werden selbstverständlich sehr konsequent auch darauf eingehen und prüfen, was Sinn macht. Wir müssen nur vermeiden, dass es einen Wirrwarr an unterschiedlichen Maßnahmen und unterschiedlichen Regelungen gibt, weil es für den einzelnen Betroffenen derzeit ohnedies schon sehr schwierig ist, durch die konkreten Regelungen durchzufinden. Deswegen prüfen wir im Augenblick auch, wo wir vereinfachen können, wo wir auch die Maßnahmen noch besser so gestalten können, dass es für den einzelnen Betroffenen einfacher nachvollziehbar und auch akzeptabler wird. Dazu werden wir in Kürze auch die Arbeitsergebnisse vorlegen können.

Ganz wichtig ist aus meiner Sicht, dass wir diesen Kurs der schrittweisen Öffnungen, der gesicherten kontrollierten Öffnungen weiter fortsetzen. Die nächste Stufe wird ja morgen mit einer breiten Palette von betroffenen Bereichen – von der Kultur über den Sport bis zu allen anderen Veranstaltungen – Realität werden. Ich hoffe, es funktioniert genauso gut wie bisher, denn wir hatten bisher durch keinen einzigen Öffnungsschritt nennens­werte Erhöhungen der Infektionszahlen. Ziel muss es ja sein, das schrittweise Zurück­kehren zu unserer Normalität, zur gesellschaftlichen Normalität gut mit der Sicherheit vor einer Virusausbreitung zu verbinden. Dazu brauchen wir Contacttracing, dazu brauchen wir unsere Strategie des Containments. Auch dabei werden die österreichischen Be­hörden in allen Bereichen – gerade auch in den Bezirken, die machen ja die Arbeit ganz konkret vor Ort – immer professioneller und auch schneller.

Wir haben heute im Übrigen eine Modellierung des Prognoseexperten Dr. Popper, der in Österreich anerkannt und akzeptiert ist, präsentieren dürfen. Dr. Popper hat sich ange­sehen – so wie das in Deutschland vergangene Woche von einem angesehenen Institut, nämlich dem Max-Planck-Institut, präsentiert wurde –, wie sich der Zeitpunkt der Festle­gung und die Umsetzung der konkreten gravierenden Maßnahmen, die wir Mitte März verankert haben, ausgewirkt haben. So wie in Deutschland geht die Analyse genau in die Richtung, dass es der richtige Zeitpunkt war. Wenn wir auch nur eine Woche länger gewartet hätten – das muss man sich einmal im Detail vorstellen –, wenn wir eine Woche später reagiert hätten, hätten wir bis zu einer Vervierfachung positiver Testergebnisse von Coronafällen gehabt, und die Auslastung der Intensivstationen in Österreich wäre dann durchaus an ihre Grenzen gelangt.


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Das heißt, es geht immer um diesen Dreischritt: richtige Maßnahme, richtiger Zeitpunkt und das Commitment mit der Bevölkerung, die diese Maßnahmen großartig getragen hat. Nur deswegen waren diese Maßnahmen am Ende des Tages so erfolgreich, wie sie es waren. Wir haben diese Phase eins sehr, sehr gut geschafft. Wir sind jetzt auf einem guten Weg, und ich hoffe, es bleibt dabei, dass wir so erfolgreich und positiv durch die Krise durchfinden, damit wir einerseits die Bevölkerung schützen und gleichzeitig die Freiheiten und diese Normalitäten unseres Lebens, die wir in unserer Gesellschaft ge­nießen, die zu uns gehören, uns möglichst rasch wieder zurückerarbeiten können. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

15.39


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Keck. – Bitte.


15.39.12

Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Kollegin El-Nagashi, es stimmt alles, was du gesagt hast. Wir werden deine Worte aber auch daran messen, ob auch Taten folgen. Wir haben Anträge im Gesundheitsausschuss, die im Juni ins Plenum kommen werden, die sich massiv mit dem Tierschutz befassen. Ich er­warte mir dann natürlich auch von deiner Fraktion, dass sie diesen Anträgen zustimmen wird, dass sie diese Anträge auch positiv behandeln wird und dass nicht Vertagungsan­träge gestellt werden oder sie hier im Plenum abgelehnt werden. Da sind Anträge dabei, die das Verbot des Kükenschredderns beinhalten, da sind Anträge dabei, mit denen die betäubungslose Ferkelkastration abgeschafft werden soll, und, und, und. Wir haben in diesem Bereich wirklich viel getan. Wir werden sehen, ob diesen Worten auch Taten folgen.

Tierschutz ist wie gesagt ein Herzblutthema von mir, und ich weiß, dass es auch ein Herzblutthema des Ministers Anschober ist. Ich habe mir natürlich das Tierschutzbudget angeschaut. Es hat sich leider im Gegensatz zu den Vorjahren nicht viel getan. Die ein­zige Verschiebung ist, dass die Beträge des Tierschutzpreises herangezogen werden, um durch die Coronakrise notleidenden Vereinen über die Runden zu helfen. Das sind 65 000 Euro, und diese 65 000 Euro, lieber Rudi, die habe ich jetzt auf 300 Vereine hochgerechnet – wir haben bedeutend mehr in Österreich, die in Not geraten sind – und die machen nicht einmal eine Tagesration Futter aus, die sie brauchen, um über die Runden zu kommen. Weil es diese Vereine ungeheuer nötig haben, dass ihnen geholfen wird, bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dietmar Keck, Kolleginnen und Kollegen betreffend „höchstnotwen­dige Unterstützung von Gnadenhöfen und privaten Vereinen, die sich um Tiere in Not kümmern“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird auf­gefordert, umgehend an jene Gnadenhöfe und privaten Vereine, die sich um alte oder sonst unversorgte Tiere kümmern, eine ausreichend hohe Fördersumme auszuzahlen, bis sich ihre finanzielle Lage entspannt hat, die ausreicht, damit diese Tiere weder Hun­ger leiden müssen, noch tierärztlich und medikamentös unterversorgt bleiben oder not­getötet werden müssen.“

*****


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Ich kann dir sagen, Rudi, es gibt viele Vereine, die sich an mich gewandt haben, die mir gesagt haben: Wenn sie nicht bald Unterstützung bekommen, werden sie Tiere töten müssen, weil es nicht mehr anders geht. In einem Staat wie Österreich, in dem wirklich viel Geld ausgegeben wird, in dem es Steuernachlässe für Geschäftsessen gibt, und, und, und, kann es nicht sein, dass wir für diese Tiere keine Mittel zur Verfügung haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Außerdem ist das Budget ja so und so nicht sicher, weil es einen Abänderungsantrag der Regierungsfraktionen gibt. Ich nehme also an, dass dort auch der Tierschutz berück­sichtigt wird, dass wir mehr Mittel von diesen 28 Milliarden Euro für den Tierschutz zur Verfügung haben, um Tiere, die wirklich in Not sind, retten zu können. (Beifall bei der SPÖ.)

15.42

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dietmar Keck,

Kolleginnen und Kollegen

betreffend höchstnotwendige Unterstützung von Gnadenhöfen und privaten Vereinen, die sich um Tiere in Not kümmern

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 7, Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (55 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoran­schlages für das Jahr 2020 (Bundesfinanzgesetz 2020 – BGF 2020) samt

Anlagen (183 d.B.) zur Untergliederung 24

Die Covid 19 – Krise hat durch den rigorosen Lockdown zu großer Not bei Vereinen geführt, die sich um Tiere kümmern, die sonst keine Chance mehr auf ein tierwohlge­rechtes Leben gehabt hätten. Einnahmen von Besuchern und bei Veranstaltungen zum Sammeln von Geldern, welche dringend zum Ankauf von Futter oder zur Bezahlung tierärztlicher und medikamentöser Versorgung notwendig gewesen wären, konnten nicht stattfinden und werden auch in absehbarer Zeit nicht in dem erforderlichen Umfang ab­gehalten werden können. Dies bringt die Betreiber dieser Einrichtungen in die unglückli­che Situation, ernsthaft Nottötungen in Erwägung ziehen zu müssen.

Die gefertigten Abgeordneten stellen daher den

Antrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird auf­gefordert, umgehend an jene Gnadenhöfe und privaten Vereine, die sich um alte oder sonst unversorgte Tiere kümmern, eine ausreichend hohe Fördersumme auszuzahlen, bis sich ihre finanzielle Lage entspannt hat, die ausreicht, damit diese Tiere weder Hunger leiden müssen, noch tierärztlich und medikamentös unterversorgt bleiben oder notgetötet werden müssen.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unter­stützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Smolle. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 648

15.42.24

Abgeordneter Dr. Josef Smolle (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gesundheit als ganz wesentlicher Aspekt ist uns wahrscheinlich nie so bewusst geworden wie gerade in den letzten Wochen und Monaten. Das Gesundheitsbudget ist auch gesteigert worden, und ich möchte jetzt kurz auf ein Globalbudget daraus einge­hen, das nicht das größte ist. Es zeigt aber vielleicht, dass die Wichtigkeit eines Bereichs nicht unbedingt eins zu eins mit der Größe der budgetären Bedeckung zusammenhängt. Da meine ich die Steuerung des Gesundheitssystems.

In unserem Gesundheitswesen sind es eigentlich drei Netze, die uns auffangen und schützen, wenn sich eine Infektion heranpirscht und ausbreitet. Ich beginne mit dem letzten Netz, dem dritten Netz. Das sind unsere Gesundheitsdiensteanbieter, der nieder­gelassene Bereich, die Spitäler. Die fangen die Menschen auf, die wirklich erkranken, die Behandlung bis hin zur Intensivbetreuung brauchen.

Das zweite Netz, das darüber gespannt ist, ist das Netz der Gesundheitsbehörden. Das sind jene Menschen, die gerade jetzt besonders wichtig werden und darauf achten, dass sich Cluster nicht ausbreiten, dass sie gut identifiziert werden sowie rasch eingegrenzt werden können und dass die nötigen Schutzmaßnahmen ergriffen werden. Diese wiede­rum hängen ganz eng mit der zentralen Steuerung zusammen. Bei aller Subsidiarität, die wir im Gesundheitswesen haben, hat sich gerade in letzter Zeit herausgestellt, wie wichtig diese zentrale Koordination ist.

Das erste Netz, das oberste und wichtigste, ist das, was wir alle, alle Menschen, die wir in diesem Land leben, beitragen, indem wir aufeinander achten, die eigene Gesundheit und die Gesundheit des anderen schützen. Wir haben das ganz deutlich bewiesen, in­dem wir uns an die Vorgaben gehalten und damit wirklich ein ganz dichtes Netz ge­sponnen haben.

Ich möchte ganz besonders darauf hinweisen, dass es gerade jetzt, wenn wir in die Lo­ckerungen gehen, was ein ganz erfreulicher Schritt ist, sehr stark auf dieses zweite Netz der Gesundheitsbehörden auch in Zusammenarbeit mit der Exekutive ankommen wird. Ich sage den Menschen, die dort tätig sind und von denen wir noch fast nie gesprochen haben, ein ganz herzliches Dankeschön. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Zuletzt noch ein kurzer Blick auf die Wirkungsziele: Da gibt es ein Wirkungsziel Nummer eins, nämlich ein solidarisches, für alle zugängliches Gesundheitssystem. Das ist ein wichtiges Ziel für uns alle, zu dem wir uns bekennen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

15.45


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Ecker. – Bitte.


15.45.29

Abgeordnete Rosa Ecker, MBA (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geschätzter Herr Minister! Liebe Damen und Herren hier im Saal und zu Hause! Frauen haben auch ein Recht auf gesundheitliche Chancengerechtigkeit. Darum habe ich Ihnen jetzt einige Themen zum Gesundheitsbudget mitgebracht, die besonders Frauen betreffen.

Gewalt in den Spitälern – ein Tabuthema. Da vermissen die stillen Heldinnen Ihre lauten Signale, Herr Minister. Es gibt verbale, aber auch körperliche Gewalt sowie sexuelle Be­lästigungen. Die Opfer sind zum überwiegenden Teil Frauen. Dazu gibt es Studien und Erhebungen, die Sie, Herr Minister, sicherlich kennen. Wo sind die Maßnahmen im Bud­get, die im Gesundheitsbereich davor schützen?

Viele Mitarbeiter in der Pflege und im Gesundheitssystem leisten jeden Tag im Jahr höchst kompetent und sehr herzlich einen großen Anteil zur Gesundung der Patienten, und dafür möchte ich an dieser Stelle Danke sagen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 649

Nur ein kleiner Teil des Gesundheitsbudgets betrifft explizit die Frauengesundheit. Wich­tig ist da natürlich der Aktionsplan Frauengesundheit. Dazu haben wir heute ja schon einen Entschließungsantrag eingebracht. Die Umsetzungsziele, sie sind für heuer mit 20 Prozent angesetzt, sollen erreicht werden. Die Umsetzungsziele im Vorjahr betrugen 15 Prozent, und das macht schon nachdenklich.

Die häufigste Krebserkrankung bei Frauen ist Brustkrebs. Jährlich sind davon 5 000 Frau­en betroffen. Daher ist die freiwillige und kostenlose Mammografie ein unverzichtbares Angebot, das aber noch viel mehr beworben werden muss, damit wirklich jede Frau da­von Gebrauch macht. Wir hinken da noch nach.

Als präventive Maßnahme ist die HPV-Impfung im Kampf gegen den Gebärmutterhals­krebs gerade für jüngere Frauen eine wesentliche Errungenschaft. Wie schaut es sonst mit Vorsorgeprogrammen aus? Zum Beispiel mit einer Osteoporoseuntersuchung für un­ter 50-Jährige?

Sehr geehrter Herr Gesundheitsminister! Wie wichtig ist Ihnen die Gesundheit der Frau­en, die unser Land auch in dieser Krise am Laufen hielten und halten, wirklich? Gerade für Frauen braucht es andere Medikamente oder Behandlungsmethoden, andere Dia­gnostiken. In unserem Gesundheitssystem wird sehr viel an Männern getestet. Spezielle Auswirkungen auf Frauen sind zu wenig erforscht. Frauen haben aber auch ein Recht auf gesundheitliche Chancengerechtigkeit. Es braucht zusätzliche Projekte, um die ei­gene Gesundheitskompetenz zu stärken.

Ich habe im Ausschuss auch angesprochen, dass wir einen aussagekräftigen Überblick über den Gesundheitszustand der jungen Frauen brauchen, ähnlich wie wir ihn bei den jungen Männern durch die Bundesheeruntersuchung haben. Wie sollen Sie, Herr Minis­ter, sonst wissen, welche präventiven Maßnahmen nötig sind, um die Frauengesundheit zu stärken oder bei Projekten zielgerecht nachzubessern?

Es braucht eine abgestimmte Strategie, die Gesundheitsversorgung wieder ins Laufen zu bringen, und zwar schnell. Wie ist das mit den Terminen für geplante und verscho­bene Operationen? Ziel muss sein, dass alle Menschen in unserem Land trotz und mit Corona in den Ambulanzen, in den Ordinationen, in den Spitälern gesundheitlich gut versorgt werden. Durch den Lockdown wird es einen großen Kollateralschaden geben, finanziell und gesundheitlich.

Besonders Frauen kümmern sich immer zuerst um die anderen, und erst, wenn wieder alles läuft, denken sie an sich selbst. Es ist zu befürchten, dass gerade sie die gesund­heitlichen Alarmzeichen übersehen und dadurch am meisten unter den gesundheitlichen Folgen zu leiden haben.

„Die schlimmste Herrschaft ist die der Gewohnheit“, schrieb Publilius Syrus. (Abg. Leichtfried: Wer hat das gesagt?) Damit spreche ich die Maskenpflicht im Handel und überall an. (Abg. Leichtfried: Wer hat das gesagt?) Die Herrschaft der Maske darf nicht Gewohnheit werden.

Sie als Gesundheitsminister konnten mir im Ausschuss zu den Gesundheitsbedingun­gen zum Schutz der Arbeitnehmer keine ausreichende Antwort geben. Sie bestätigten aber die Bilder von Gesichtern mit Abdrücken von Masken, die Belastung der Brillenträ­ger durch die Ausatemluft sowie Ausschläge und Allergien von den Keimen rund um den Mundbereich, die sich an der Maske halten und im Gesicht verbleiben.

Gibt es keine Maskenrichtlinie zum Gesundheitsschutz der Mitarbeiter? Offensicht­lich nicht, nur Maskenpflicht. – Schluss damit, Herr Minister, zum Wohle unserer Ge­sundheit, endlich Schluss mit der Maskenpflicht! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Leichtfried.)

15.50



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 650

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gelangt Abgeordnete Diesner-Wais. – Bitte.


15.50.31

Abgeordnete Martina Diesner-Wais (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Meine Damen und Herren im Nationalrat! Die Coronakrise hat uns eindeu­tig gezeigt, wie wichtig ein gut funktionierendes und stabiles Gesundheitssystem für ein Land ist. (Zwischenruf des Abg. Amesbauer.) Unser Gesundheitssystem in Öster­reich hat sich bestens bewährt. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.) Es wurde ja oft kriti­siert, dass wir eine zu hohe Bettenzahl haben, aber das war in diesem Fall gut. (Abg. Loacker: ... 10 Prozent!)

Ich möchte darum besonders einen herzlichen Dank allen Mitarbeiterinnen und Mitarbei­tern aussprechen, die während der Krise im Gesundheitssystem gearbeitet haben, aber nicht nur während der Krise, sondern Tag für Tag. Ein herzliches Dankeschön! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von Grünen und SPÖ.)

Durch die Covid-19-Pandemie wird es in der Untergliederung Gesundheit zu Verände­rungen kommen. Wir haben ja heute schon gehört, dass wir aufgrund des Ankaufs von Schutzausrüstungen, aufgrund von Testungen Mehrausgaben haben, dass wir aber auch Mindereinnahmen durch ein geringeres Steueraufkommen haben und sich das auf den Krankenanstaltenbeitrag auswirkt.

Vorgesehen ist eine Erhöhung im Budget um 10,2 Prozent. Da gilt es vor allem, die Steuerreform umzusetzen. Durch die Reduktion der SV-Beiträge, die im Budget steht, kommt es zu einer Entlastung der bäuerlichen und gewerblichen Betriebe, die ja schon seit Jahren sinkende Einkommen haben. Gerade der Sozialversicherungsbeitrag ist ein wichtiger Faktor, dass Familienbetriebe auch für die Zukunft eine Perspektive haben, und unsere Bauernhöfe und Gewerbebetriebe fortbestehen können, das ist etwas ganz Wichtiges. (Zwischenruf des Abg. Angerer.)

Aus diesem Grund sind seit 1.1. die Krankenversicherungsbeiträge von 7,65 Prozent auf 6,8 Prozent gesenkt worden. Davon profitieren in der Landwirtschaft circa 130 000 Be­triebe. Im Waldviertel heißt das: Wenn ein Betrieb einen Einheitswert von 20 000 hat, so sind das 331 Euro im Jahr, die er weniger an Sozialversicherung zahlen muss.

Ich möchte Ihnen, Herr Minister, aber auch mitgeben, dass es wichtig ist, dass wir die Senkung der Mindestbeitragsgrundlage in der Krankenversicherung möglichst bald um­setzen, damit auch kleine Betriebe, die sich im Grünland, in Berg- und in benachteiligten Gebieten befinden, eine Möglichkeit haben, weiter zu wirtschaften; denn sie erwirtschaf­ten oft nicht einmal so viel, wie die Sozialversicherungsbeiträge ausmachen.

Ein zweites Anliegen: Wir brauchen gute Rahmenbedingungen für unsere Ärzte vor al­lem im ländlichen Raum, damit wir dort weiterhin genügend Ärzte vorfinden und eine gute Gesundheitsvorsorge auch für die Zukunft gewährleistet ist. (Beifall bei der ÖVP.)

15.53


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Fiedler. – Bitte.


15.53.48

Abgeordnete Fiona Fiedler, BEd (NEOS): Herr Präsident! Hohes Haus! Werter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Gesundheit kommt ohne Pflege nicht aus. Pflegeberufe sind Gesundheitsberufe, und daher erlaube ich mir, nochmals die Pflege zu thematisieren.

In den vergangenen Ausschusssitzungen habe ich vernommen, dass ein umfassendes Pflegekonzept nach der Coronakrise an oberster Stelle der To-do-Liste von Minister An­schober steht. Ich freue mich jetzt schon auf die Präsentation dieses Konzepts, aller­dings möchte ich bis dahin noch ein paar Dinge mit auf den Weg geben.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 651

Das Thema Pflege betrifft nicht nur alte Menschen, es betrifft ganz oft auch Kinder und Menschen mit Behinderung. Wir dürfen hier nicht auf pflegende Angehörige vergessen. Es handelt sich dabei um rund 960 000 Menschen. Mich erreichen zahlreiche Zuschrif­ten von verzweifelten Eltern, Pflegern, Betreuungspersonen, die um Hilfe bitten, weil sie jetzt in der Krise wieder einmal nicht bedacht werden. Sie fühlen sich von der Regierung alleingelassen, obwohl das eine Regierung sein sollte, die alle Menschen bedenkt. Da­her bitte ich darum, Menschen mit Behinderung bei ihren wichtigen Belangen nicht im­mer auf bessere Zeiten zu vertrösten, denn das scheint die Strategie dieser Regierung zu sein.

Nun aber von der großen Gruppe der pflegenden Angehörigen zu den niedergelassenen Pflegeberufen, die von der Politik ebenfalls gerne vergessen werden: Wir reden gerade über das Budgetkapitel Gesundheit. Die meisten Menschen verstehen darunter Kran­kenhäuser und niedergelassene Ärzte. Die Welt hört aber nicht nach dem medizinischen Gartenzaun auf. Es wird immer wieder vergessen, dass Therapeuten, Apotheker und die Pflege einen großen Teil der niedergelassenen Versorgung übernehmen.

Während Apotheker noch einigermaßen gut von der Sozialversicherung vergütet werden und Therapeuten halbwegs, schaut die Pflege fast komplett durch die Finger. Die Ver­sorgung von Wunden findet daher fast ausschließlich in Krankenhäusern statt, weil im niedergelassenen Bereich die Vergütung fehlt. Dabei könnte man gerade in Zeiten des Mangels an niedergelassenen Ärzten sehr viel über eine flächendeckende diplomierte Pflege im niedergelassenen Bereich hervorragend kompensieren. Was dazu fehlt, ist ein Leistungsabrechnungskatalog der Pflege mit der Sozialversicherung.

Die Med Uni Graz hat sich diesbezüglich die Mühe gemacht, das Leistungsspektrum der Primärversorgungspflege im internationalen Umfeld zusammenzutragen. Die Ergebnis­se aus den Übersichtsarbeiten haben insgesamt 17 unterschiedliche Tätigkeitsbereiche der Primärversorgungspflege ergeben. Das sind Wundmanagement, Management von Patienten mit chronischen Erkrankungen, Diabetes mellitus, Asthma bronchiale, Hauter­krankungen und so weiter und so fort.

Sie sehen, es gibt international genügend Beispiele, wie die Pflege im niedergelassenen Bereich zum Wohle der betroffenen Patienten übernommen werden könnte, gerade in Zeiten des Ärztemangels. Was dazu fehlt, ist lediglich der Abrechnungskatalog mit der Sozialversicherung. Wir haben daher in der UG 21 den Entschließungsantrag betreffend „Abrechnungskatalog für die Primärversorgungspflege mit der Sozialversicherung“ ein­gebracht. – Danke. (Beifall bei den NEOS.)

15.56


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Pöttinger. – Bitte.


15.56.52

Abgeordneter Laurenz Pöttinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Es ist schon gesagt worden, aber es stimmt absolut: Gerade in diesen Wochen und Monaten zeigt sich, wie wichtig ein gut funktionierendes Gesundheitssystem ist, und das haben wir allemal hier in Österreich.

Die Finanzrahmenperiode 2020 bis 2023 wird sicher durch die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie deutliche Veränderungen erfahren, die mittelfristige Perspektive wird aber be­stehen bleiben. Dazu zählen die Weiterentwicklung und Umsetzung des partnerschaftli­chen Zielsteuerungssystems, die zielgerichtete Gesundheitsförderung und Prävention gemäß den Gesundheitszielen, die Maßnahmen zur Optimierung der Durchimpfungs­raten, das Vorantreiben der Digitalisierung im Gesundheitswesen und der Ausbau und die Etablierung von Primärversorgungseinheiten sowie die Attraktivierung der Allgemein­medizin.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 652

Durch die geänderten Bedürfnisse wurde in den letzten Jahren ein spezieller Fokus auf Primärversorgungszentren gelegt. Speziell in Oberösterreich wurden verschiedene Ar­ten von Primärversorgungszentren erprobt. Hier gilt es in Folge die besten Modelle auch österreichweit umzusetzen. Die Lehrpraxen im niedergelassenen Bereich sind ebenso ein wichtiger Baustein zur Absicherung der österreichweiten Gesundheitsversorgung. Die Weiterentwicklung unseres Gesundheitssystems ist unser aller Aufgabe. Die Finan­zierung stellt uns immer wieder vor besondere Herausforderungen. Deshalb wird es auch in Zukunft wichtig sein, ein möglichst effizientes und wirkungsvolles Gesundheits­system in unserem Land zu etablieren.

Danke an all jene, die dieses System auch in schwierigen Zeiten so großartig aufrecht­erhalten. Ich glaube, wir können alle froh sein, dass wir in diesem Land leben. Danke auch an all jene Abgeordneten, die durch ihren Beschluss am Dienstag für unsere Unter­nehmen die Möglichkeit der Stundungen der Beiträge bis ins Jahr 2021 geschaffen ha­ben. Das ist eine wirklich großartige Sache für unsere Betriebe und deren Liquidität. – Herzlichen Dank! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

15.59


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Nuss­baum. – Bitte.


16.00.01

Abgeordnete Mag. Verena Nussbaum (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Es freut mich, dass das solidarisch finanzierte Gesundheitssystem wieder als solches angesprochen wird und es dafür in diesem Haus wieder eine hohe Wertschätzung gibt. In den letzten Jahren hat man das Gefühl gehabt, dass die Prioritäten ganz woandershin verschoben wurden.

Jetzt geht es aber darum, dass die Krise der Wirtschaft auch die Krankenversicherung tief ins Minus zieht. Aufgrund der gestiegenen Arbeitslosigkeit fehlen der gesamten So­zialversicherung 2020 rund 400 Millionen Euro an Einnahmen. Sie, Herr Minister, blei­ben aber bei den Beitragssenkungen für die Selbstständigen und der beitragsfreien Ver­sicherung für die Bauern bis zum 24. Lebensjahr. Das macht schon allein Kosten von 100 Millionen Euro aus.

Für die sieben Millionen Versicherten der ÖGK sieht die Situation aber völlig anders aus, denn die durch die Fusion zur ÖGK entstandenen Kosten sind noch immer nirgends abgebildet. Ebenso fehlen die Kosten für die Leistungsharmonisierung und die Kosten, die sich aufgrund der neuen Herausforderungen durch die Pandemie ergeben haben.

Die Unsicherheit in Bezug auf die Beitragsstundungen ist schon groß genug. Wenn man damit rechnen kann, dass die Beiträge einmal fließen, dann ist es ja okay, aber was ist, wenn sie uneinbringlich werden oder abgeschrieben werden müssen? – Dann würde die ÖGK tatsächlich in ein Desaster schlittern.

Diese Beitragsausfälle dürfen nicht auf dem Rücken der ArbeitnehmerInnen erfolgen. Wir werden weiterhin eine solidarisch finanzierte ÖGK fordern, ohne Selbstbehalte, ohne Leistungskürzungen und ohne Beitragserhöhungen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir fordern daher die Sicherstellung der Handlungsfähigkeit mit einer Ausfallshaftung des Bundes bis Ende 2022.

Ich bringe daher den folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ausfallshaftung des Bundes für die Krankenversicherung“


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 653

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pfle­ge und Konsumentenschutz sowie der Bundesminister für Finanzen werden aufgefor­dert, eine Ausfallshaftung des Bundes für nicht einbringliche Beiträge und Beitragsmin­dereinnahmen aufgrund der COVID-19-Krise im Vergleich zum Beitragsaufkommen vor Beginn der COVID-19-Krise zu garantieren und dem Nationalrat eine entsprechende Gesetzesvorlage zu übermitteln.

*****

Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

16.02

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Kucher Genossinnen und Genossen

betreffend Ausfallshaftung des Bundes für die Krankenversicherung

eingebracht im Zuge der Debatte zur UG 24

Die Corona-Krise zieht mit der Wirtschaft auch die Krankenversicherung tief ins Minus. Aufgrund der gestiegenen Arbeitslosigkeit fehlen der gesamten Sozialversicherung für 2020 rund 400 Mio. Euro wegen geringerer Beitragseinnahmen. Rund 80 Mio. entfallen davon auf die ÖGK.

Noch größer ist die Unsicherheit in Bezug auf die gesetzlich durchgeführten Beitrags­stundungen für die Betriebe. Rund 880 Mio. Euro wurden bisher (März und April) an Beiträge gestundet. Davon entfallen auf die ÖGK rund 170 Mio. Euro. Dies wird sich in den kommenden Monaten voraussichtlich fortsetzen.

Gestundete Beiträge sind solange kein Problem, solange damit zu rechnen ist, dass diese auch irgendwann geleistet werden. Wenn aber durch viele Insolvenzen, diese ge­stundeten Beiträge nicht mehr geleistet werden können und abgeschrieben werden müs­sen, bekommt die ÖGK ein wirklich großes Problem.

Die Finanzierung dieser Wirtschaftskrise und der damit verbundenen Beitragsausfälle kann nicht auf dem Rücken der ArbeitnehmerInnen erfolgen. Es darf weder zu Leis­tungskürzungen, noch zu weiteren Selbstbehalten oder Beitragserhöhungen kommen. Ansonsten droht aus der Corona-Krise eine zweite Gesundheitskrise zu werden, mit massiven Folgenkosten und Unterversorgung von PatientInnen.

Gerade die letzten Wochen und Monate haben gezeigt, wie wichtig ein gut funktionie­rendes Gesundheitssystem ist. Die Krankenversicherung leistet dabei einen unverzicht­baren Beitrag, der sicherstellt, dass alle Versicherten gleichermaßen ihre erforderlichen Leistungen erhalten. Das muss auch in Zukunft gewährleistet sein. Die Versäumnisse der Corona-bedingten Minderangebote der Gesundheitsdienste müssen jetzt rasch und ausschließlich aufgrund ihrer Dringlichkeit aufgeholt werden.

Die Aussage von Bundeskanzler Kurz: „Koste es was es wolle!“ muss gerade bei der Gesundheitsversorgung mit Leben erfüllt werden. Der Staat muss daher seine Verant­wortung wahrnehmen und eine Ausfallshaftung für die Krankenversicherung garantie­ren.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachfolgenden


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 654

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pfle­ge und Konsumentenschutz sowie der Bundesminister für Finanzen werden aufgefor­dert, eine Ausfallshaftung des Bundes für nicht einbringliche Beiträge und Beitragsmin­dereinnahmen aufgrund der COVID-19-Krise im Vergleich zum Beitragsaufkommen vor Beginn der COVID-19-Krise zu garantieren und dem Nationalrat eine entsprechende Gesetzesvorlage zu übermitteln.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, aus­reichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Tanda. – Bitte.


16.02.46

Abgeordnete Ing. Mag. (FH) Alexandra Tanda (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Au­genscheinlich ist, dass diese Krise besonders unser Gesundheitssystem auf die Probe gestellt hat. Es zeigt sich aber, dass wir zu Recht stolz darauf sein können, in diesem Land zu leben und dieses zuverlässige Gesundheitssystem zu haben. Es sucht jeden­falls weltweit seinesgleichen. Ich habe Verwandte in Amerika, die berichten von ganz anderen Zuständen.

Weil der Dank heute so oft in Misskredit gekommen ist: In meiner Kinderstube hat man gelernt: Danke ist nie genug. Ich danke daher der Bundesregierung und insbesondere dem Herrn Finanzminister für diese herausragenden Leistungen, dass dieses System im Budgetvoranschlag Niederschlag findet. So ist es erfreulich, dass neben vielen Berei­chen auch die Gesundheit mehr Budget zur Verfügung bekommt.

Am Tag der Frauengesundheit möchte ich persönlich noch besonders auf das Wirkungs­ziel 2 in der UG Gesundheit eingehen, ein Gleichstellungsziel: „Gewährleistung des glei­chen Zugangs von Frauen und Männern zur Gesundheitsversorgung mit speziellem Fo­kus auf genderspezifische Vorsorge- und Präventionsprogramme. Prioritär ist die Ver­besserung der Gesundheit beider Geschlechter unter Berücksichtigung geschlechtsspe­zifischer Unterschiede“.

Dieses Wirkungsziel soll mit den folgenden drei Maßnahmen erreicht werden: „Berück­sichtigung von Genderaspekten im Rahmen der Arbeiten zu den Qualitätssystemen“, „Berücksichtigung der genderspezifischen Aspekte im Rahmen des nationalen Krebs­programmes“ und auch „Genderdifferenzierte und“ vor allem „altersdifferenzierte Daten­aufbereitung, damit eine verstärkte Ausrichtung“ dementsprechend „erfolgen kann.“

Unser Ziel ist es, das gesundheitliche Wohlbefinden der Bevölkerung zu stärken. Aktuell nützen 14,6 Prozent der Frauen, aber nur 13,3 Prozent der Männer das Angebot der Gesundenuntersuchung. Nachdem die Frauen in den vergangenen Jahren den Zielwert immer überschritten haben, soll nun eine Erhöhung der Teilnahme der Männer das Ziel sein. Ziel bis 2024 sind eine generelle Erhöhung der Teilnahme und eine Angleichung des Wertes beider Geschlechter.

Ich möchte noch einmal betonen: Es ist ein Privileg, in unserem Land ab dem 18. Le­bensjahr eine solche Untersuchung vornehmen lassen zu können. Dass dafür Geld benötigt wird, liegt auf der Hand. Dieser enormen Krise etwas Positives abzugewinnen,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 655

fällt jedem in diesem Saal schwer. Ein positiver Aspekt ist sicherlich der Vertrauenszu­wachs in unser Gesundheitssystem. – Danke vielmals. (Beifall bei der ÖVP und bei Ab­geordneten der Grünen.)

16.05


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Silvan. – Bitte.


16.05.45

Abgeordneter Rudolf Silvan (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause vor den Bildschirmen! Ein 34-jähriger Maurer, der sich bei einem Arbeitsunfall beide Beine mehrfach gebrochen hatte, wurde mit dem Hubschrauber ins Lorenz-Böh­ler-Krankenhaus geflogen, im Rehazentrum Weißer Hof in Klosterneuburg rehabilitiert, kann heute wieder voll arbeiten und seinen Lebensunterhalt voll verdienen und somit wieder Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge bezahlen.

Eine selbstständige 43-jährige Friseurmeisterin erlitt auf dem Weg nach Hause bei ei­nem schweren Autounfall ein Schädel-Hirn-Trauma, wurde im Unfallkrankenhaus Meid­ling operiert, wurde im Weißen Hof in Klosterneuburg rehabilitiert und steht heute wieder voll im Geschäft. An dieser Stelle vielen Dank an die fast 6 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der AUVA. Herzlichen Dank dafür! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Am 1.1.2019 wurden die Beiträge zur AUVA von 1,3 Prozent auf 1,2 Prozent gesenkt: 110 Millionen Euro pro Jahr weniger Beitragseinnahmen für die AUVA. Weiters sind jetzt die Selbstständigen nicht mehr in der AUVA unfallversichert, sondern in der SVS: weitere 30 Millionen Euro Beitragseinnahmenverlust; insgesamt 140 Millionen Euro an Beitrags­einnahmenverlust.

Wenn man mit Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP über das Dilemma der AUVA spricht, dann heißt es immer: Nein, nein, das waren nicht wir; das war Frau Ministe­rin a. D. Hartinger-Klein. – Das stimmt vielleicht formal, aber wenn man sich anschaut, wer denn von den Beitragssenkungen profitiert hat, dann sieht man, dass das nicht der kleine Tischlermeister mit fünf Mitarbeitern oder die Frisörin mit drei Mitarbeitern ist. Wenn man sich die Liste der Firmen anschaut, die von dieser Beitragssenkung voll pro­fitiert haben, dann sieht man, das sind fast dieselben Firmen wie die Spenderinnen und Spender des Sebastian Kurz und der ÖVP. Die sind fast ident, liebe Kolleginnen und Kollegen, und dann weiß man, wo der Druck hergekommen ist: nicht von der FPÖ. (Bei­fall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Haubner.)

Das zweite Husarenstück des Kanzlers war die Fusionierung der neun Gebietskranken­kassen zur ÖGK. Eine Patientenmilliarde wurde versprochen. Alle neun Gebietskranken­kassen zusammen hatten ein Plus von 111 Millionen Euro.

Die ÖGK hat mittlerweile, nach zwei Jahren Fusion, ein Minus von 175 Millionen Euro und prognostiziert für 2024 ein Minus von 1,7 Milliarden Euro. (Der Redner zeigt eine Tafel mit der Aufschrift „9 Gebietskrankenkassen +111 Millionen Euro; 1 Österreichische Gesundheitskasse -1,7 Milliarden Euro“) Dabei ist der Beitragsausfall durch die Covid-Maßnahmen noch gar nicht mit einberechnet.

Kollegin Kirchbaumer hat uns gestern sehr emotional mitgeteilt, dass wir von der SPÖ vom Wirtschaften „keine Ahnung“ hätten. Wenn das die Art der Wirtschaft der ÖVP ist, dann können wir gern darauf verzichten. (Beifall bei der SPÖ.)

Von der Kassenfusion profitiert nur eine Gruppe; und das sind Parteifunktionäre der ÖVP: Generaldirektor, Direktoren in den Landesstellen, Abteilungsleiterinnen, Abtei­lungsleiter, die Landesstellenvorsitzende – man könnte diese Liste lang fortsetzen –,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 656

alles Parteifunktionäre der ÖVP. Die Patientinnen und Patienten gehen angesichts der Patientenmilliarde, die es nicht gibt, leer aus.

Es ist zu befürchten, dass der niederschwellige Zugang für alle in unserem Gesund­heitssystem in Gefahr ist (Abg. Gabriela Schwarz: ... besser geworden!), und deswegen stellen wir den folgenden Entschließungsantrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Rudolf Silvan, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Abdeckung der KV-Fusionsdefizite durch den Bund“

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pfle­ge und Konsumentenschutz und der Bundesminister für Finanzen werden aufgefordert, der Österreichischen Gesundheitskasse die durch die Fusion der Gebietskrankenkassen entstandenen Kosten in den kommenden fünf Jahren mit jährlich jeweils 200 Mio. Euro zu ersetzen, dafür budgetär Vorsorge zu treffen und dem Nationalrat eine entsprechende Regierungsvorlage zu übermitteln.“

*****

Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

16.09

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Silvan, Kucher,

Genossinnen und Genossen

betreffend Abdeckung der KV-Fusionsdefizite durch den Bund

eingebracht im Zuge der Debatte zu UG 24

In nur 2 Jahren hat es Sebastian Kurz geschafft, die Gebietskrankenkassen von einem 111 Millionen Euro Plus in ein 175 Millionen Euro schweres Defizit zu steuern. Eigentlich hat er eine Patientenmilliarde versprochen – doch die Kassenreform hat einen Verlust gebracht. Bis 2024 wird es gar ein Minus von 1,7 Milliarden Euro geben. Das Geld fehlt jetzt bei der neu geschaffenen Österreichischen Gesundheitskassa (ÖGK) und damit bei den PatientInnen und Vertragspartnern.

Der ÖVP Chef kündigte in seiner ersten Amtszeit groß an: Die Zusammenlegung der Krankenkassen wird 1 Milliarde Euro an Einsparungen bringen, die für die PatientInnen verwendet werden kann. Das Gegenteil ist der Fall. Es hat keine Einsparungen gegeben, sondern Hunderte Millionen an Mehrkosten. Das musste Sozialminister Rudolf Anscho­ber nach einer parlamentarischen Anfrage der SPÖ bekannt geben.

Vor der Zusammenlegung machten die einzelnen Gebietskrankenkassen im Jahr 2018 noch ein Plus von 111 Millionen Euro. Abgesehen von den massiven Beitragsverlusten durch die COVID-19-Krise, die ExpertInnen mit rund 500 Millionen Euro angesetzt ha­ben, entsteht der ÖGK heuer ein Minus von 175,3 Millionen Euro aufgrund von Maßnah­men im Zuge der Fusion. Auch nächstes Jahr wird aus diesem Titel mit einem Minus von rund 160 Millionen gerechnet. Bis 2024 summiert sich das Minus gar auf 1,7 Milliarden Euro. Dieses Geld fehlt jetzt für die PatientInnen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 657

2006, nach dem Ende einer schwarz-blauen Regierung unter Schüssel, waren die öster­reichischen Gebietskrankenkassen tief in den roten Zahlen. Eine Milliarde fehlte – doch die nachfolgenden Regierungen schafften es, die Versicherungsträger zu sanieren. 2018 schrieben dann die Gebietskrankenkassen ein sattes Plus von 111 Millionen Euro. Die Gebietskrankenkassen arbeiteten effizient und gingen sparsam mit dem Geld der Versi­cherten um. Dann kam Sebastian Kurz. Er kündigte an, mit einer Zusammenlegung der Länderkassen eine Milliarde an Verwaltungskosten einzusparen. Doch dieses Verspre­chen konnte er nicht ansatzweise erfüllen.

Schwarz-blau verpfuschte die Fusion ordentlich. Die Zahlen sprechen für sich: Heute hat die neu geschaffene Österreichische Gesundheitskassa – ohne die COVID-19-Krise – ein Defizit von 175,3 Millionen Euro. Die Bilanzverluste setzen sich aber weiter fort. So wird es

•             2021 einen Bilanzverlust von 178,1 Mio. Euro,

•             2022 einen Bilanzverlust von 295,0 Mio. Euro,

•             2023 einen Bilanzverlust von 507,9 Mio. Euro,

•             2024 einen Bilanzverlust von 544,0 Mio. Euro

geben. Insgesamt brachte die Reform also statt einer Milliarde für die PatientInnen – ein Minus von 1,7 Milliarden, das dann den PatientInnen fehlt.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pfle­ge und Konsumentenschutz und der Bundesminister für Finanzen werden aufgefordert, der Österreichischen Gesundheitskasse die durch die Fusion der Gebietskrankenkassen entstandenen Kosten in den kommenden fünf Jahren mit jährlich jeweils 200 Mio. Euro zu ersetzen, dafür budgetär Vorsorge zu treffen und dem Nationalrat eine entsprechende Regierungsvorlage zu übermitteln.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ausreichend unterstützt, ordnungs­gemäß eingebracht und steht somit mit in Verhandlung.

Als Letzter ist Abgeordneter Saxinger zu diesem Tagesordnungspunkt zu Wort gemel­det. – Bitte.


16.10.25

Abgeordneter Dr. Werner Saxinger, MSc (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Her­ren! Corona hat die Stärken, aber auch die Schwächen unseres Gesundheitssystems schonungslos aufgezeigt, aber zur Beruhigung von uns allen: Unser Gesundheitssystem ist in der Krise stark und hat die bisherigen Herausforderungen gut gemeistert. Unsere Ressourcen wurden glücklicherweise bei Weitem nicht gebraucht und wir wissen jetzt, dass wir auch solch eine Krise durch eine ausreichende Anzahl an Intensivbetten, statio­nären Betten und auch durch eine gute Zusammenarbeit meistern können.

In unseren Spitälern wurden Ressourcen für mögliche Infizierte geschaffen und nicht unbedingt nötige Operationen und Behandlungen verschoben, aber die Abteilungen, Ambulanzen und Ordinationen waren stets geöffnet. Es fand eine Zusammenarbeit des


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Bundes, der Spitäler, der Abteilungen, der Länder statt, und auch im niedergelassenen extramuralen Bereich wurde koordiniert. Es wurden Patienten untersucht und behandelt, um die Spitalsambulanzen zu entlasten.

Ein großer Gewinner dieser Krise ist die Telefonhotline 1450, weil sie nun jeder kennt. Es hätte jahrelanger Bemühungen und Werbekampagnen bedurft, um diese Telefon­hotline so unter die Leute zu bringen und bekanntzumachen. Der ursprüngliche Sinn und Zweck von 1450 wurde perfekt erfüllt, nämlich eine verpflichtende Information für Pa­tienten zu schaffen, ob sie nun eine medizinische Behandlung brauchen, und wenn ja, wo die idealen Bedingungen für diese Behandlung zu finden sind. Diese sogenannte Patientensteuerung, diese Triagierung, die wir alle so dringend brauchen, um die vor­handenen Strukturen perfekt im Sinne und zum Wohle der Patienten umzusetzen, hat funktioniert. Ich hoffe, dass allen klar ist, dass eine hochspezialisierte Spitalsambulanz nicht primär zum Entfernen einer Zecke aufgesucht werden soll.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es haben sich aber auch Schwächen offenbart: Wir hatten zu wenig Handschuhe, Masken, Schutzmäntel, Desinfektionsmittel. Corona zeigt uns recht deutlich: Wenn wir eine gute Gesundheitsversorgung haben wollen, dann dürfen wir nicht nur auf die Effizienz und die Kosten schauen, sondern auch darauf, was die Systeme leisten, was sie leisten sollen und wie die Zusammenarbeit erfolgt. Das wird aber mehr Geld kosten und auch mehr Personal brauchen; aber das wissen wir.

Ich verstehe unter einer verantwortungsvollen Gesundheitspolitik, den Österreicherinnen und Österreichern ihr gutes Gesundheitssystem zu bewahren, die Lehren aus dieser Krise zu ziehen und eine sinnvolle Weiterentwicklung zu forcieren. Da geht es zum Bei­spiel um eine Aufwertung des kassenärztlichen Bereichs, um eine bessere Zusammen­arbeit mit den Spitälern, um neue Versorgungsformen, um die Behebung des Ärzteman­gels, um den Facharzt für Allgemeinmedizin, um die Digitalisierung, um den Ausbau der Prävention und, und, und.

Sie sehen, es mangelt nicht an Ideen, wir haben viele davon. Packen wir es doch ge­meinsam an! Natürlich gilt zum Wohle unserer Gesundheit auch weiter die AHA-Formel: A für Abstand, H für Hygiene und das zweite A für Alltagsmasken in besonderen Situa­tionen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

16.13


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Mir liegen keinerlei Wortmeldungen mehr zur Un­tergliederung 24 vor, und daher sind die Beratungen zu diesem Themenbereich be­endet.

Ich bedanke mich bei Minister Anschober für seine Anwesenheit.

16.14.09UG 15: Finanzverwaltung

UG 16: Öffentliche Abgaben

UG 23: Pensionen – Beamtinnen und Beamte

UG 44: Finanzausgleich

UG 45: Bundesvermögen

UG 46: Finanzmarktstabilität

UG 51: Kassenverwaltung

UG 58: Finanzierungen, Währungstauschverträge sowie

Text des Bundesfinanzgesetzes und restliche Teile der Anlage I einschließlich An­lagen II bis IV


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nunmehr zu den Untergliederun­gen 15, 16, 23, 44, 45, 46, 51, 58 sowie Text des Bundesfinanzgesetzes und restliche


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Teile der Anlage I einschließlich Anlagen II bis IV. Hierüber findet die Debatte gemein­sam statt.

Ich begrüße den Herrn Finanzminister.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Krainer. – Bitte.


16.15.02

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute in der Früh hat Kollege Angerer – er war es, glaube ich – angekündigt, dass es einen Misstrauensantrag der Freiheitlichen gegenüber Noch-Minister Blümel geben wird. (Hei­terkeit bei der FPÖ.)

Ich habe mir überlegt, ob ich ihm vertrauen kann oder nicht, und die erste Frage, die ich mir gestellt habe, ist: Kann er Verfassung? – Verfassung legt einfach gewisse Regeln fest. Das muss man sich so vorstellen wie die Autobahn, und die Verfassung sind die Leitplanken. Man darf also, ohne die Verfassung zu brechen, Schlangenlinien fahren, Geisterfahrer sein, alles, das Einzige, was man nicht darf, ist, quasi durch die Leitplanken in den Straßengraben zu fahren.

Was wir ja in der Zwischenzeit alle wissen, ist, dass Minister Blümel bereit war und noch immer bereit ist, einfach durch die Leitplanken in den Straßengraben zu fahren. Er hat zwar einiges in diesem Abänderungsantrag korrigiert, aber bei Weitem noch nicht alles, was verfassungswidrig in diesem Budget drin ist, vor allem die Einnahmenseite. Das heißt: Kann Minister Blümel Verfassung? – Nein, kann er nicht! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Die zweite Frage, die ich mir gestellt habe, ist: Kann Minister Blümel Budget? – Ich meine, er hat sich hergestellt und gesagt, sein Budget ist falsch, er hat es ins Altpapier geworfen. Alle Zahlen im Budget sind falsch, und wenn er andere sagt, sind sie auch falsch. Das ist also nicht besonders vertrauenserweckend. Als man dann aber gemerkt hat, dass die allerwichtigste Position im Budget – die allerwichtigste! –, nämlich die Hilfe für Betriebe, für Arbeitslose, für Kurzarbeiter, nämlich die Covid-19-Maßnahmen, diese berühmten 28 Milliarden Euro Überschreitungsermächtigung, auf einem Konto gebucht ist, das es gar nicht gibt, muss man sagen: Nein, Herr Blümel kann nicht Budget! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Fuchs und Reifenberger.)

Die dritte Frage, die ich mir gestellt habe, ist: Können Sie Hilfe? – Da muss man sagen: Wir wissen, zum Beispiel beim Härtefallfonds für die Klein- und Mittelbetriebe, für die EPUs wurden groß in Inszenierungen 1 Milliarde Euro, 2 Milliarden Euro angekündigt, und jetzt wissen wir, dass bisher nicht einmal 200 Millionen Euro ausbezahlt worden sind. Es gibt jetzt natürlich die Möglichkeit, dass es den Betrieben supergut geht und sie diese Hilfe nicht brauchen. Ganz ehrlich, jeder kann rausgehen und in die Betriebe gehen und fragen, ob es ihnen supergut geht und ob sie die Hilfe nicht brauchen, oder ob die Hilfe einfach nur nicht ankommt. Ganz ehrlich, ob das nur die Bürokratie ist oder ob das nur die Frage ist, dass man die falschen Abwickler genommen hat, am Ende des Tages, Herr Minister, ist es so: Sie können auch nicht Hilfe! (Beifall bei der SPÖ.)

Insofern, wenn die FPÖ diese Frage stellt, nämlich: Haben wir Vertrauen?, dann muss ich sagen: Nein, ich habe kein Vertrauen in Sie. Sie können das nicht und es ist besser, wenn Sie für jemanden Platz machen, der es kann. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

16.18


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Kopf. – Bitte.


16.18.53

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätz­te Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich jetzt bei der Rede des Kollegen Krainer


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gerade gefragt: Kann Krainer Straßenverkehrsordnung? (Rufe bei der ÖVP: Nein!) – Wenn du sagst, man darf auf der Autobahn Schlangenlinien fahren, man darf auf der Autobahn sogar Geisterfahrer spielen, dann hast du, ich weiß nicht, vielleicht deine Rede von vorhin gemeint, aber auf der Autobahn machst du das bitte dann doch nicht! Insofern muss ich also leider meine gestellte Frage wohl damit beantworten: Straßenverkehrs­ordnung kannst du nicht! (Beifall bei der ÖVP.)

Die Straßenverkehrsordnung ist aber nicht unser heutiges Thema, wir kommen langsam in die Zielgerade der Budgetdebatte. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.)

Sowohl diese Budgetdebatte als auch und vor allem das zugrunde liegende Budget passieren in einer außergewöhnlichen Zeit. Wir erleben eine noch nie da gewesene ge­sundheitliche Krise, die die Bevölkerung getroffen hat, und zwar nicht nur in Österreich, sondern weltweit. Wir in Österreich haben sie gesundheitspolitisch hervorragend bewäl­tigt, wir sind dabei, sie auch in ihren gleichfalls dramatischen wirtschaftlichen Auswirkun­gen zu bewältigen und den Menschen dabei zu helfen, aber diese Krise hat natürlich auch enorme Auswirkungen auf das Budget.

Auf der Einnahmenseite werden wir damit rechnen müssen, x Milliarden Euro weniger an Einnahmen zu haben, aber es kann uns zum heutigen Zeitpunkt – bei so divergie­renden Wirtschaftsprognosen der Experten, derzeit schwankend zwischen 3,5 und 9 Prozent – kein Mensch seriös sagen, wie hoch die Steuereinnahmen dieses Jahres für den Herrn Finanzminister sein können. Wer behauptet, das sagen zu können, der sagt mit Sicherheit nicht die Wahrheit. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Maurer.)

Gleichzeitig hat diese Krise natürlich auch ihre Auswirkungen auf der Ausgabenseite, keine Frage! Es muss alles getan werden, was irgendwie vertretbar und machbar ist, um diese Krise und ihre Auswirkungen wirtschaftlich so zu lindern, dass sie die Menschen möglichst wenig belastet. Das heißt, es sind Hilfspakete notwendig; viele davon sind auch schon geschnürt worden. Es werden wohl noch weitere Maßnahmen nötig sein, in der zweiten Phase natürlich dann vor allem auch noch in Richtung Konjunkturstärkung, Konjunkturbelebung, aber auch da kann im Moment ganz, ganz schwer vorhergesagt werden, was denn da alles noch notwendig sein wird. Auch derjenige, der jetzt behaup­tet, das schon exakt beziffern zu können, besitzt entweder eine Glaskugel oder hellsehe­rische Fähigkeiten. Das ist jedenfalls ganz, ganz schwer.

Was man sagen kann, ist, dass man all das, was sich diese Bundesregierung, was sich diese Koalition im Regierungsprogramm vorgenommen hat, was sie sich auch für das heurige Jahr vorgenommen hat – und das Budget betrifft nun einmal das Jahr 2020 –, selbstverständlich im Budget abbilden kann, und das findet sich auch alles in unserem vorliegenden Budget. Insofern ist dieses Budget das in Zahlen gegossene Programm dieser Bundesregierung und dieser Koalition für dieses Jahr, abseits der Krisenbewäl­tigung, und insofern ist dieses Budget seriös, politisch legitimiert so wie diese Regierung und diese Koalition.

Da, meine Damen und Herren, hat man jetzt zu einer Technik gegriffen, und über die kann man kleinlich diskutieren, wenn man will. Ist es legitim, zu sagen, für all diese Un­wägbarkeiten auf der Einnahmen-, aber vor allem auf der Ausgabenseite, bedient man sich einer Technik, indem man dem Herrn Finanzminister für diese noch sehr schwer abschätzbaren Rahmenbedingungen eine Ermächtigung, eine Überschreitungsermäch­tigung beim Budget einräumt – natürlich gegen regelmäßigen monatlichen Bericht an das Hohe Haus, mit dem der Herr Finanzminister über jeden Cent, der da ausgegeben wird, selbstverständlich Rechenschaft schuldig ist, überhaupt keine Frage –, oder macht man es so, wie es jetzt im Abänderungsantrag gemacht wird, nämlich dass man diese 28 Milliarden Euro, um die es hier geht, doch auf die Untergliederungen dieses Budgets aufteilt, aber grob aufteilt, soweit man das halt beurteilen kann, um etwas mehr Struktur hineinzubringen?


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Auch das, meine Damen und Herren, wird am Ende des Jahres aber mit Sicherheit nicht die Realität abbilden können – aber sei’s drum. Das ist meines Erachtens ein Streit um des Kaisers Bart: Es geht immer um diese 28 Milliarden Euro an Mehrausgaben, mit denen wir zu rechnen haben.

Deswegen, meine Damen und Herren – wegen dieser Diskussion, ob man es jetzt auf diese Art und Weise oder auf die inzwischen korrigierte Art und Weise durchführt –, ei­nen Misstrauensantrag im Parlament zu stellen, einen Misstrauensantrag gegen den Finanzminister zu richten, hat sich dieser Finanzminister, den ich selber jetzt wochen­lang, monatelang erlebt habe, Tag und Nacht an Hilfsprogrammen arbeitend (Abg. Kickl: Ist eh alles ausgelagert!), mit den betroffenen Personengruppen ihre Probleme besprechend, mit Intervenienten die Probleme besprechend, mit Banken, mit allem, was dazugehört, an einem Budget hart arbeitend, an Hilfsmaßnahmen, um die Krise zu be­wältigen, hart arbeitend – natürlich mit uns gemeinsam –, nicht verdient.

Meine Damen und Herren, diesem Finanzminister gehört das Vertrauen ausgesprochen, aber mit Sicherheit nicht das Misstrauen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

16.25


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Nun ist Herr Klubobmann Kickl zu Wort gemel­det. – Bitte.


16.25.40

Abgeordneter Herbert Kickl (FPÖ): Herr Präsident! Herr Finanzminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, ja, so unterschiedlich ist die Wahrnehmung, so un­terschiedlich kann die Wahrnehmung sein. Herr Abgeordneter Kopf, ich glaube, Ihre Ausführungen, die Sie gerade im Zusammenhang mit dem Budget getätigt haben, sind nicht der einzige Irrtum, dem die Volkspartei in den letzten Wochen erlegen ist, und wir werden dafür sorgen, dass das auch bei den Österreicherinnen und Österreichern nicht in Vergessenheit gerät.

Ich vergleiche nur die Zahl der von Ihnen angekündigten Toten mit dem tatsächlichen Ergebnis, und ich sehe eine gleiche Diskrepanz im Zusammenhang mit der Coronakrise, wie wir jetzt eine Diskrepanz mit Ihrem Budgetsalat haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Es haben sich ja manche aus dem inzwischen nur mehr halb vermummten Sektor der Österreichischen Volkspartei vorhin zu Wort gemeldet, weil sie schon Sehnsucht nach einer Wortmeldung von mir gehabt haben. Offenbar besteht ein gewisses Bedürfnis danach, dass man Ihnen den Spiegel vorhält. Diesen Wunsch kann ich gerne erfüllen, auch wenn man an und für sich am Ende einer Debatte, wenn es ums Resümee geht, normalerweise etwas gnädiger an die Dinge herangeht.

Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, ich hätte gerne gesagt: Ende gut, alles gut!, aber Sie geben mir keinen Anlass dazu, denn was dieses Budget betrifft, kann man nur sagen, genau das Gegenteil ist der Fall: Der Anfang war vermurkst, die Mitte war vermurkst und das Ende ist erst recht vermurkst. – Das, was Sie, Herr Finanzminister, hier geliefert haben, ist ein budgetpolitischer Offenbarungseid. Um es in Anlehnung an Sebastian Kant, ah, Immanuel Kant zu sagen (allgemeine Heiterkeit und Beifall der Abg. Belako­witsch) – so weit bin ich schon; so weit ist es in diesem Land schon gekommen! –, um es also in Anlehnung an Immanuel Kant zu sagen: Das budgetäre Ding an sich ist Ihrem Erkenntnishorizont verborgen geblieben.

Meine Damen und Herren, wer bisher geglaubt hat und davon ausgegangen ist, dass die grottenschlechte – die grottenschlechte! – Performance beziehungsweise Nichtper­formance – das können Sie sich jetzt aussuchen – der Ex-Staatssekretärin Lunacek – Sie wissen, das ist der abgestürzte kulturpolitische Trabant des Herrn Vizekanzlers – der bisherige traurige Höhepunkt dieser Bundesregierung gewesen ist, der liegt daneben. (Zwischenruf des Abg. Höfinger.)


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Sie liegen auch daneben, wenn Sie die größte Fehlleistung der Bundesregierung bisher beim – nennen wir es einmal so – rechtsstaatlichen Amoklauf des Gesundheitsministers in Form seines Verordnungschaos verorten – auch da liegen Sie daneben! Und Sie lie­gen ein drittes Mal daneben, wenn Sie davon ausgehen, dass dieses Verdienst Innen­minister Nehammer in seiner Rasterfahndung jenseits der Rechtsstaatlichkeit nach so­genannten Lebensgefährdern, mit der er sich selbst ins Abseits geflext hat, zukommt.

Nein, meine sehr geehrten Damen und Herren, seit dieser Budgetdebatte und seit die­sem ganzen Prozess der Entstehung des Budgets wissen wir eines ganz genau: Der Pokal für die verantwortungsloseste Vorgangsweise im Zusammenhang mit der bishe­rigen Regierungsperformance geht eindeutig an Sie, Herr Finanzminister! Den haben Sie sich mit ihrem budgetpolitischen Bauchfleck hart erarbeitet. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir hätten eine überirdische Leistung eines Finanzministers gebraucht, und bekommen haben wir eine unterirdische. (Heiterkeit bei Abgeordneten der FPÖ.) Ihr Stapel Altpapier namens Budget ist eine Verhöhnung des österreichischen Parlaments.

Jetzt werden Sie vonseiten der Regierungsfraktionen sich wahrscheinlich denken: Ist ja egal, die Opposition hat es gar nicht besser verdient!, aber Sie sollten einmal nachden­ken, denn der, der in Wahrheit verhöhnt wird, sind Sie! Das sind die Abgeordneten der Regierungsfraktionen, denn stärker kann man seitens einer Bundesregierung seine Missachtung seinen eigenen Abgeordneten gegenüber ja gar nicht zum Ausdruck brin­gen, als von ihnen zu verlangen, dieses Machwerk zu verteidigen und am Ende auch noch im Nationalrat abzusegnen. Das ist die größte Form der Missachtung, die Ihnen die eigenen Regierungsmitglieder zum Ausdruck bringen können. (Beifall bei der FPÖ.)

Was glaubt denn diese Bundesregierung eigentlich, was dieses Parlament ist?! Das ist kein lästiger Nebenschauplatz, dessen eigentliche Hauptaufgabe es wäre, diese – nen­nen wir es einmal so – neue postdemokratische Normalität durchzuwinken und abzufei­ern. Das ist es nicht. Dieses Parlament, das ist das Herz-Kreislauf-System der ge­wohnten, der bewährten Normalität, der parlamentarisch-demokratischen Normalität, und dieses Herz-Kreislauf-System wird nicht in die Knie gehen, nur weil Sie glauben, sich in einer leichtfertigen Art und Weise zuerst in Sammelgesetzen und nun mit diesem Murksbudget darüber hinwegzusetzen. Wir werden Sie noch disziplinieren, nicht mit einem Schlag, aber Schritt für Schritt, das kann ich Ihnen versprechen! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ihr Fakebudget, Ihr seltsames Rechenwerk, das sein Ablaufdatum schon überschritten hatte, bevor es überhaupt erschienen ist, ist natürlich auch eine provokante Missachtung sämtlicher gesetzlicher Vorgaben. Das gilt für die einfachgesetzlichen Regelungen, Stichwort Bundeshaushaltsgesetz – der schon oft zitierte § 28, der mit Füßen getreten wird –, das gilt aber insbesondere auch für die österreichische Bundesverfassung.

Einmal mehr treten Sie Verfassungsprinzipien mit den Füßen, im konkreten Fall ist es das Prinzip der budgetären Klarheit, der budgetären Wahrheit und der budgetären Transparenz. Ich muss sagen, ich bin der SPÖ sehr, sehr dankbar dafür, dass sie auch ein entsprechendes Gutachten organisiert hat, aus dem eindeutig hervorgeht – bei dem es wasserdicht ist –, dass Ihr Treiben hier verfassungsrechtlich durch nichts gedeckt ist, meine sehr geehrten Damen und Herren. So geht man mit diesem Hohen Haus nicht um, Herr Finanzminister! (Beifall bei FPÖ und SPÖ sowie bei Abgeordneten der NEOS.)

Eine budgetäre Bankrotterklärung und eine rechtsstaatliche Bankrotterklärung; Ihr Bud­getwahnsinn ist aber vor allem eines, er ist eine unglaubliche Verhöhnung der österrei­chischen Bevölkerung. Ich meine, auf die Idee muss man auch erst einmal kommen, angesichts der Coronakrise, die sich ja aufgrund Ihres täglich spürbaren Herumge­murkses namens Krisenmanagement und Hochfahren mehr und mehr zur größten Wirt­schafts- und Arbeitsmarktkrise der Zweiten Republik auswächst – mit ganz massiven


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Folgewirkungen auf die Einnahmen- und Ausgabenstruktur der Republik, bei der es eine Kettenreaktion des Negativen gibt, die Sie Tag für Tag mehr befeuern –, angesichts dieser Situation ein Zahlenwerk vorzulegen, in dem die massiven wirtschaftlichen und budgetären Auswirkungen bestenfalls am Rande gestreift werden, aber nicht im Zentrum der gesamten Überlegungen stehen. Das ist wirklich eine Meisterleistung der ganz be­sonderen Art, ein Affront der Sonderklasse, möchte ich sagen.

Die Menschen wollen wissen, wie groß das Loch ist, das Sie jeden Tag mehr mit Ihrem Coronawahnsinn aufreißen. Die Menschen wollen wissen, wer in welchem Ausmaß zur Kasse gebeten wird, um dieses Loch zu stopfen. Sie wollen wissen, wer denn am Ende diesen Schaden, den Sie jeden Tag vermehren, haben wird, wer denn diesen Schaden zu begleichen haben wird. Die Menschen wollen wissen, wie Sie mit den Gewinnern der Krise, die es ja auch in den verschiedenen Bereichen gibt, umgehen. Und Sie wollen vor allem wissen, wie Sie denn den Arbeitsmarkt wieder in Gang setzen wollen und wie Sie entsprechende Wirtschaftsimpulse erzielen wollen, um aus dieser Talsohle herauszu­kommen. Antworten sind verzweifelt gesucht!

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Klarheit, Wahrheit und Transparenz, das ist das, was von der Bevölkerung und aufgrund der gesetzlichen Vorgaben gefordert wird. Das, was Sie liefern, ist ein Dreierpack aus Täuschung, Unwahrheit und Intransparenz. Im Normallfall ist eine solche Falschlieferung ein Grund dafür, das ganze Paket retour zu schicken, aber dazu sind Sie ja nicht bereit. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich frage mich: Was ist es? Ist es Unfähigkeit? – Möglicherweise. Ist es vielleicht aber auch etwas anderes, eine schon fast unglaublich anmutende Hybris der Macht, eine un­glaubliche Überheblichkeit, die aus Ihrem Handeln spricht, eine Art Gefühl der politi­schen Unverletzbarkeit, die von Ihnen irgendwie in den letzten Wochen und Monaten Besitz ergriffen hat? – Ich glaube, es ist eine Kombination aus beidem, und es ist eine gemeingefährliche Kombination, möchte ich sagen. (Zwischenruf bei den Grünen.)

Jedenfalls gilt auch im Zusammenhang mit diesem Budget das Prinzip der schwarz-grü­nen politischen Eliten in diesem Land in Sachen Corona, und dieses Prinzip lautet: Was wir von euch, liebe Österreicherinnen und Österreicher, verlangen, das könnt ihr von uns auf keinen Fall verlangen! – Das ist das Prinzip, nach dem die schwarz-grünen Eliten auch in Sache Budget und in vielen anderen Bereichen betreffend Corona vorgehen. Sie verlangen von den Unternehmern eine exakte, eine gewissenhafte, eine vorausschau­ende Planung und sind nicht bereit, diesen Maßstab an sich selbst zu legen. Für den Herrn des Budgets gelten also die Budgetgesetze nicht, für alle anderen haben sie zu gelten.

Wir kennen das. Wir kennen das von anderen Ereignissen. Wir kennen das von der türkisen Politwallfahrt im Kleinwalsertal, vom Bad in der Menge des Bundeskanzlers, wo er sich selbst wie eine Art Berührungsreliquie unter die Menschenmassen gemengt und alles außer Kraft gesetzt hat. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.) Er hat alles außer Kraft gesetzt, was er selbst für alle anderen eingefordert hat. Der Erlöser vom Coronamassensterben ist also derjenige, für den diese Coronaerlösungsregelungen selbst nicht gelten.

Es gibt einen dritten Fall der Politelite aus Schwarz-Grün. Diesmal trifft es dann die Grünen, bei denen wir das gleich Prinzip erleben. Ich spreche jetzt in diesem Fall von der nachsperrstündlichen Sitzblockade des Staatsoberhauptes beim Nobelitaliener, mei­ne sehr geehrten Damen und Herren! (Heiterkeit bei FPÖ, SPÖ und NEOS.) Ja bitte, selbst für die selbsternannte moralische Autorität in diesem Lande gelten doch keine Sperrstundenregelungen! (Zwischenruf der Abg. Maurer.) Für die oberste und höchste politische Instanz, wenn es um die Frage der Rechtmäßigkeit des Zustandekommens


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der Gesetze geht – der erhobene Zeigefinger inklusive –, gelten diese Gesetze nicht! Sehen Sie, was damit gemeint und zum Ausdruck gebracht wird? – Ein jämmerliches Bild, das diese schwarz-grüne Politelite abgibt, nach dem Motto: Alle sind gleich, nur sie sind gleicher! (Beifall bei der FPÖ.)

Zum letztgenannten Beispiel merke ich nur an, das schon wegen ganz anderer Kleinig­keiten Personen, die sich nichts zuschulden haben kommen lassen, weil sie gegen keine gesetzlichen Regelungen verstoßen haben, als sogenannte Coronadeppen durch die Öffentlichkeit gezerrt und dann an den öffentlichen Pranger gestellt wurden. Das muss auch einmal gesagt sein. Bis heute hat es kein Wort der Entschuldigung gegeben.

Und jetzt bin ich bei Ihnen, Herr Finanzminister! Sie sind ja ein studierter Philosoph, und das ist auch der Grund, warum ich Ihnen auch eines in aller Klarheit sage: Wenn Sie den legendären, den wohl berühmtesten Satz des Sokrates, der da lautet: „Ich weiß, dass ich nichts weiß“, zum Prinzip Ihrer Budgetpolitik machen (Heiterkeit bei Abgeordneten von FPÖ und NEOS), dann sind Sie fehl am Platz. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich glaube, dass das etwas ist, das in diesen Bereichen keine Anwendung finden sollte. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Kucher.)

Ihre Vorgangsweise zeigt jedenfalls nicht, dass man in herausfordernden Zeiten kein vernünftiges Budget zustande bringen kann, es zeigt nur, dass Sie es nicht können. Das ist ein feiner, aber ganz, ganz wesentlicher Unterschied. (Heiterkeit bei Abgeordneten der FPÖ.) Wir können nun einen kleinen Syllogismus machen: Ihre Zahlen sind falsch, ihre Ausreden sind falsch, also, Herr Finanzminister, was schließen wir daraus? – Sie sind falsch an dieser Stelle. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ sowie Beifall bei Abge­ordneten der SPÖ.)

Das ist irgendwie eine logische Erkenntnis, die sich aus diesen beiden Prämissen heraus ergibt. Die Beweisführung haben Sie selbst in den letzten Wochen geliefert. Da hilft auch dieses dreiseitige Machwerk, das Sie da über Nacht aus dem Hut gezaubert haben, nicht im Mindesten, und da hilft auch Ihre Ankündigung nicht, dass Sie dann im Herbst einen Kassasturz nachreichen wollen.

Liebe Österreicherinnen und Österreicher, das ist kein Ausdruck von Gescheitheit, wenn man im Herbst dann nachjustiert, sondern das ist ein Ausdruck von Wählerbetrug, ein­fach deswegen, weil der Herbst so terminisiert ist, dass er nach wesentlichen Wahlgän­gen für die Österreichische Volkspartei terminisiert worden ist – dann ist in der Steier­mark gewählt worden, dann ist in Vorarlberg gewählt worden und dann ist dort gewählt worden, wo Sie selber Spitzenkandidat sein werden, nämlich in Wien, und dann wird der Kassasturz kommen und dann kommen die Grauslichkeiten.

Das ist auch ein Zug dieser neuen Normalität, dass die parteipolitischen Überlegungen an erster Stelle stehen und die staatspolitische Verantwortung bei Ihnen ganz hinten angestellt ist. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Haubner.)

Aus all diesen Gründen bleibt mir überhaupt gar nichts anders übrig, als zusammenfas­send zu sagen: Ja, Ihnen kann ich nicht mehr vertrauen (Zwischenruf des Abg. Höfin­ger), Ihnen können wir vonseiten der freiheitlichen Fraktion nicht mehr vertrauen! (Zwi­schenruf des Abg. Haubner. – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich stelle daher folgenden Antrag:

Misstrauensantrag

der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Versagen des Vertrauens gegenüber dem Bundesminister für Finanzen“


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 665

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Dem Bundesminister für Finanzen wird gemäß Art. 74 Abs 1 B-VG durch ausdrückliche Entschließung des Nationalrates das Vertrauen versagt.“

*****

Ich sehe das als meine staatsbürgerliche Pflicht und als meine oppositionelle Pflicht an, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Eines noch, weil ja die Parteigänger der ÖVP so gerne das Bild vom Wiederaufbau des zerstörten Österreichs aus den Trümmern des Zweiten Weltkriegs strapazieren, um ihr Herumgewurschtle namens Comeback für Österreich in irgendeiner Art und Weise zu glorifizieren: Ich persönlich halte das ja für eine unglaublich anmaßende Überhöhung, aber lassen wir uns einmal eine Sekunde auf dieses Gedankenspiel ein.

Dazu sage ich Ihnen eines: Die Finanzminister dieser Aufbauzeit hätten sich eher die Zunge abgebissen oder ihr Amt verantwortungsbewusst in kompetentere Hände gelegt, anstatt sich hierherzustellen und im Brustton der Staatsräson zu verkünden: Liebe Leute, ich bin zwar nicht in der Lage, ein vernünftiges Budget zu liefern, aber genau deshalb bitte ich um eure Zustimmung und euer Vertrauen! Absurder geht es nicht mehr. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.)

Die echten Krisenfinanzminister – das waren sie damals nämlich wirklich – drehen sich bei dem, was da gegenwärtig aufgeführt wird, im Grab um.

Herr Finanzminister Blümel, ich muss Ihnen eines sagen: Die Art und Weise, wie Sie an die Dinge herangehen – und das trifft auch die Volkspartei, die dabei sozusagen ein Auswahlverschulden auch auf sich zu nehmen hat (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPÖ) –, eignet sich für die Rolle eines Kassiers in einem ÖVP-nahen Verein namens Pro Patria – das sind Sie eine Zeit lang gewesen. Dort ist das ausreichend, für das Amt des Finanzministers aber auf keinen Fall. (Anhaltender Beifall bei der FPÖ und Beifall bei Abgeordneten der SPÖ sowie des Abg. Loacker.)

16.42

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Misstrauensantrag

§ 26 iVm § 55 GOG-NR

Der Abgeordneten KO Herbert Kickl, MMag. DDr. Hubert Fuchs

und weiterer Abgeordneter

betreffend Versagen des Vertrauens gegenüber dem Bundesminister für Finanzen

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 7, Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (55 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvor­anschlages für das Jahr 2020 (Bundesfinanzgesetz 2020 – BFG 2020) samt Anla­gen (183 d.B.)

in der 32. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 28. Mai 2020

Die Bewilligung und Kontrolle des Staatshaushalts gehören in Demokratien zu den zen­tralen, wichtigsten und ältesten Rechten der Parlamente. Das vorgelegte Bundesfinanz­gesetz 2020 ist wissentlich ein falsches Budget, denn es wurde bereits vor der Coro­nakrise erstellt. Erst in der Nacht vor der geplanten Beschlussfassung wurde ein Abän­derungsantrag mit dem eine Anpassung versucht wird den Klubs inoffiziell zur Kenntnis gebracht.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 666

Dieses Budget samt Budgetrede hat der Finanzminister laut eigenen Angaben bereits am 18. März 2020 „in den Mistkübel“ geworfen. Bislang fand es der Finanzminister nicht der Mühe wert, ein Budget mit aktuellen Budgetzahlen vorzulegen. Laut Finanzminister „ist jede Zahl, die wir heute kennen, schlussendlich falsch“ und weil dem so sei, „habe es keinen Sinn gemacht, das Budget zu aktualisieren“.

Laut einem Rechtsgutachten des Verfassungsrechtlers Karl Stöger von der Karl-Fran­zens-Universität Graz zur Regierungsvorlage zu den Budgetgesetzen ist das Bud­get 2020 aber aus folgenden Gründen verfassungswidrig:

1.          Das von Finanzminister Blümel vorgelegte Budget verstößt gegen den Verfas­sungsgrundsatz der Budgetwahrheit: Nachdem sich Blümel seit Wochen weigert, dem Parlament aktuelle Zahlen und Prognosen vorzulegen, verletzt er seine Pflichten gegenüber dem Nationalrat. Nur mit den aktuellen Zahlen kann ein or­dentliches Budget erstellt werden. Dafür ist keine Kristallkugel nötig, sondern nur das, was auch das Gesetz fordert: jene Zahlen in das Budget aufzunehmen, die bereits feststehen (wie das Volumen der verschiedenen Hilfsprogramme) oder plausibel prognostizierbar sind (wie Steuerstundungen).

2.          Mit der unsachlichen Ermächtigung an Finanzminister Blümel, bis zu 28 Mrd. Eu­ro quer über das Budget nach Gutdünken zu verteilen, verstößt der Entwurf ge­gen den Verfassungsgrundsatz der Budgetklarheit und -transparenz. Der Finanz­minister verfügt damit über ein Budget im Budget: Es ist weder dem Parlament noch informierten Personen mehr möglich, die tatsächliche finanzielle Lage der Republik zu beurteilen. Das Geld kann zwar, muss aber nicht ausbezahlt werden und es ist Blümel freigestellt zu entscheiden, in welchem Budgetposten – gar in welchem Ministerium – das Geld zur Verfügung gestellt wird.

3.          Die im Budget vorgesehenen Auszahlungen sind immer noch mit rund 82 Mrd. angesetzt, obwohl durch Überschreitungsermächtigungen bis zu 110 Mrd. Euro zur Verfügung stehen. Die Regierung kündigt gleichzeitig nahezu täglich zahlen­mäßig genau festgelegte Hilfsprogramme an, die sich jedoch nicht im Budget finden. Wenn es diese Programme tatsächlich geben soll, müssen sie auf Grund des Verfassungsgrundsatzes der Budgetwahrheit in den jeweils richtigen Bud­getposten aufgenommen und die Auszahlungsobergrenze entsprechend erhöht werden.

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Antrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Dem Bundesminister für Finanzen wird gemäß Art. 74 Abs 1 B-VG durch ausdrückliche Entschließung des Nationalrates das Vertrauen versagt.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unter­stützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schwarz. – Bitte.


16.42.23

Abgeordneter Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA (Grüne): Herr Präsident! Geschätzte Kol­leginnen und Kollegen! Sehr geehrte Herren Minister! Ich finde es ja sehr unterhaltsam, dass Sie in einer Zeit zum Scherzen aufgelegt sind, in der wir in einer der größten Krisen


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seit Jahrzehnten stecken – in einer gesundheitspolitischen und einer wirtschaftspoliti­schen Krise. Ich finde es vollkommen unangebracht, dass Sie da herumscherzen. (Bei­fall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Das einzig Passende an Ihrer Rede - - (Abg. Martin Graf: Nicht so viel im Gesicht he­rumfahren!) – Danke. Von Ihnen gesundheitspolitische Empfehlungen anzunehmen wird, glaube ich, nicht besonders ratsam sein. (Heiterkeit und Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Zu Ihrer Rede, Herr Kickl: Das einzig Passende an Ihrer Rede war das Sokrateszitat, allerdings kennen Sie den Hintergrund des Zitats nicht. Sie sagen nämlich, dass Sokra­tes sagt, er weiß, dass er nichts weiß – im Sinne von: Er weiß gar nichts. Der Hintergrund des Zitats ist ein ganz anderer. Sokrates sagt, er weiß, wenn er etwas nicht weiß. Er ist sich also dessen bewusst, wenn Unsicherheit und Ungewissheit da sind. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Heiterkeit und Zwischenrufe bei der FPÖ.) Darum geht es in diesem Budgeterstellungsprozess: dass man nicht so tut, als würde man wissen, wenn man nicht weiß. (Abg. Kickl: Das ist noch schlimmer! – Weitere Zwi­schenrufe bei der FPÖ.) Wir haben zwischen 3,5 und 9 Prozent Verlust im BIP, und wir wissen nicht, wo dazwischen wir liegen werden. (Präsident Sobotka gibt das Glocken­zeichen.) Das ist genau der Punkt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zu meinem Vorredner, aber auch zu Kollegen Krainer – ich sehe ihn jetzt gerade nicht (Rufe bei der SPÖ: Er ist da!) –: Seit dem ersten Ausschusstag sagen Sie, der Finanzmi­nister ist angehalten (Zwischenrufe bei der FPÖ), diese Schätzungen ins Budget ein­zupreisen und zu budgetieren. In den Sitzungen im Budgetausschuss haben Sie uns laufend geraten, einen Abänderungsantrag einzubringen – das war Ihre Empfehlung. Dann holen Sie sich noch ein Gutachten, um diese Ansicht zu untermauern, und dann kommt der Abänderungsantrag – etwas spät, zugegeben, aber er kommt (Abg. Loacker: Aber was für einer?!) –, und dann regen Sie sich wieder auf. Irgendetwas muss Ihnen recht sein! (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Loacker: Dem Antrag sieht man an, dass man ihn in der Nacht um elf geschrieben hat!)

Kollege Klubobmann Kickl fällt jetzt, in einer Phase, in der der Finanzminister Tag und Nacht daran arbeitet (Zwischenruf des Abg. Kassegger), für Wirtschaftshilfen zu sorgen und zu schauen, dass die Wirtschaft sich stabilisiert und diese Krise irgendwie über­wunden werden kann, nichts Besseres ein, als ein Rücktrittsersuchen an den Minister zu richten, einen Misstrauensantrag zu stellen. (Zwischenruf des Abg. Kickl.) Das ist genau das Letzte, was wir in dieser Situation brauchen, wenn, glaube ich, gerade die Arbeitskraft und die Tatkraft des Ministers gefordert sind, damit wir aus dieser Krise herauskommen. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Dementsprechend ist der Misstrauensantrag aus meiner Sicht unangebracht. (Abg. Leichtfried: Das Letzte, was wir brauchen, ist ein schlechter Finanzminister!)

Es stimmt schon, das Budget hat große Unsicherheiten, insbesondere auf der Einnah­menseite. Um zum Thema zu kommen: Gerade die in Verhandlung stehenden UGs zei­gen ja, wie groß die Unsicherheiten in diesem Bereich sind. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Bei den öffentlichen Abgaben, UG 16, haben wir schon gesehen, dass wahrscheinlich zwischen 3,5 und 9 Prozent des BIPs an Verlust zu erwarten sind, und entsprechend sind die Einnahmen dramatisch niedriger, als wir das ursprünglich erwartet haben. Wie niedrig sie sein werden, kann man aber nicht sagen – die Schwankungsbreite ist im Be­reich von Milliarden. Es ist unseriös, da konkrete Zahlen zu liefern. (Abg. Meinl-Reisin­ger: Aber ihr müsst!)

Ähnlich ist es in der UG 44, in der wir die Ertragsanteile, die die Gemeinden und Länder verlieren, nicht abschätzen können. Auch da gibt es eine Schwankungsbreite im Bereich von Milliarden. Gleichzeitig wird in diesem Bereich sichtbar, wie die Regierung versucht,


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dort Sicherheit zu geben, wo aufgrund dieser Krise hohe Unsicherheit herrscht – und zwar mit den 20 Milliarden Euro für die Krisenbewältigung im Covid-19-Krisenbewälti­gungsfonds.

Diese 20 Milliarden Euro gemeinsam mit den 8 Milliarden Euro signalisieren, dass die Regierung darauf vorbereitet ist, in dieser Phase zu tun, was notwendig ist, die Kata­strophe abzufedern und für stabile wirtschaftliche Verhältnisse zu sorgen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Kassegger.)

Dieses Geld soll zum Beispiel für das Gemeindepaket verwendet werden, das quasi ausverhandelt ist, durch das 1 Milliarde Euro für Investitionen zur Verfügung gestellt wird, davon unter anderem 300 Millionen Euro für den öffentlichen Verkehr, der beson­ders beschäftigungswirksam ist. Das sind die Dinge, die zum Beispiel der Finanzmi­nister, aber auch die anderen Mitglieder der Bundesregierung machen und die sie um­treiben.

Außerdem gibt es natürlich die vielen anderen Instrumente wie den Härtefallfonds und – jetzt frisch – den Fonds für die freischaffenden Künstlerinnen und Künstler, durch den unbürokratisch 1 000 Euro im Monat zur Verfügung stehen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich weiß nicht, wie Sie das sehen, aber meine Ansicht ist, dass das die zentralen An­liegen der österreichischen Bevölkerung in dieser Phase sind. Das sind auch die zen­tralen Anliegen dieser Bundesregierung, und ich glaube, wir sollten sie jetzt arbeiten lassen und nicht mit solchen Witzeleien beschäftigen. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Martin Graf: Bei der Rede sehe ich schwarz! – Heiterkeit bei Abgeordneten der FPÖ.)

16.47


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Doppel­bauer. – Bitte.


16.47.45

Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Meine Damen und Herren, bevor ich auf dieses Budgetchaos eingehe, das der Herr Finanzminister angerichtet hat, möchte ich noch kurz einen Antrag im Interesse der österreichischen Wirtschaft einbrin­gen, und zwar geht es dabei um die österreichischen Kreditversicherer. Die können näm­lich rechnen und haben angesichts der Krise begonnen, Kreditlimits zu kürzen bezie­hungsweise auch schon zu streichen. Das trifft natürlich die Unternehmer sehr, sehr hart, weil sie gerade jetzt diese Kreditversicherungen brauchen.

Deswegen bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Absicherung des Warenverkehrs in der Krise“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen, wird ersucht, rückwirkend zum März 2020 bis zum Jahresende eine Garantie für Entschädigungszah­lungen der Kreditversicherer zu übernehmen, wobei sich die Kreditversicherer substan­tiell beteiligen- und dem Bund 65 Prozent der Prämieneinnahmen im Jahr 2020 überlas­sen sollen. Zudem sollen Verluste bis zu einem Sechzigstel der Gesamtsumme des Schutzschirmes (nach deutschem Vorbild) selbst getragen, und Ausfallrisiken, die über


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die Garantie des Bundes hinausgehen, von den Kreditversicherern selbst übernommen werden.“

*****

Ich ersuche Sie im Sinne unserer Unternehmerinnen und Unternehmer um Ihre Zustim­mung.

Jetzt komme ich aber zum Budget und zu diesem absoluten Chaos, das Sie uns dabei hinterlassen haben. Herr Finanzminister, als Finanzminister haben Sie diesem Hohen Haus ein ordentliches Budget vorzulegen. Offenbar haben Ihnen Ihre Strategen oder zumindest hat irgendein Generalgenie aus Ihrem Team gesagt: Ich hab’s, das sparen wir uns heuer einfach, das brauchen wir nicht zu machen, das zahlt sich ja gar nicht aus, das geht schon durch, wir geben denen ein Altpapier! – Ich zitiere Sie, denn Sie haben das mit dem Altpapier gesagt. Seit Wochen – seit Wochen! – sagen wir Budgetspreche­rInnen der Oppositionsparteien Ihnen: Das geht so nicht! Die Budgethoheit liegt im Par­lament und das ist Arbeitsverweigerung.

Dann, als klar wurde, dass diese Arbeitsverweigerung, dieses Altpapier, das Sie vorge­legt haben, auch verfassungsrechtlich nicht in Ordnung ist, dass es verfassungswidrig ist, kriegen Sie offenbar doch noch die Panik und schicken uns gestern um 23 Uhr am Abend dieses Papierl daher, nämlich einen Abänderungsantrag, der wieder nichts kann, in dem nichts drinsteht. Ganz im Ernst, Herr Finanzminister: Was ist mit Ihnen? (Heiter­keit und Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ich muss das ein bisschen erklären, denn wenn man hier nicht sozusagen tagtäglich mitarbeitet, dann versteht man wahrscheinlich auch nicht, warum wir das hier so beurteilen. Prinzipiell aber gelten ein paar Grundsätze, wenn man ein Budget macht: Es soll klar sein, es soll transparent sein und es soll wahr sein.

Zur Klarheit: Seit gestern Abend sitzen die Experten und überlegen, wie man das jetzt alles interpretieren sollte, was da drinsteht. Zum Beispiel gibt es da Geschichten bei den Rücklagen. Was geschieht jetzt mit Rücklagen, falls Gelder nicht ausgegeben werden? Was passiert dann mit dem Geld? Kann man sich das dann in Ihrem Ressort im Finanz­ministerium behalten und nächstes Jahr damit das Budget behübschen, oder auch nicht? – Also klar ist jedenfalls etwas anderes.

Transparenz: In diesem dreiseitigen türkis-grünen Papierl von gestern Abend, das Sie uns geschickt haben, steht drinnen, dass diese berühmten 28 Milliarden Euro einzelnen Rubriken zugeordnet werden – Rubriken, also nicht irgendwie einem Ministerium oder vielleicht sogar einer Untergliederung oder vielleicht sogar einem Detailbudget, damit wir wirklich wissen, was passiert, nein, es wird Rubriken zugeordnet. Das sind riesige Blan­koschecks, die hier ausgestellt werden. Es ist eine Augenauswischerei. Der Finanzminis­ter kann mit diesem Budget wirklich nach wie vor tun und lassen, was er will. Es ist nicht transparent und es wird am Parlament vorbeischlawinert.

Herr Wöginger ist, glaube ich, gerade nicht da. Er ist gestern ja sofort aufgesprungen und hat eine tatsächliche Berichtigung gemacht. Da möchte ich ihm auch noch einmal sagen: Daran ändern auch die Berichtspflichten des Finanzministers nichts, das gehört sich nämlich einfach so.

Noch einmal zur Budgetwahrheit: Was immer noch fehlt, ist eben diese Einnahmensi­tuation. Es wird nichts über die Mindereinnahmen gesagt, die ja kommen werden, und um die wir ja auch wissen. Herr Finanzminister, Sie stellen sich hierher und sagen, das kann man jetzt nicht abschätzen und es ist sehr schwierig; minus 3 Prozent, minus 9 Pro­zent, das ist eine große Bandbreite. Ja, das ist eine große Bandbreite. Da möchte ich aber auch kurz auf Herrn Schwarz eingehen. Ich meine, Sie waren Unternehmensbera­ter. Sie haben Ihren Unternehmern sicher nicht gesagt: Wenn es zwischen minus 3 oder


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minus 9 Prozent ist, ja, dann rechnet halt gar nichts aus!, oder? Ganz im Ernst, haben Sie das Ihren Unternehmern empfohlen? (Heiterkeit und Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Jakob Schwarz.)

Herr Finanzminister, wenn Sie einmal in der Wirtschaft gearbeitet hätten, dann wüssten Sie auch, dass das durchaus üblich ist, dass man eben so etwas macht und dass man das durchaus berechnen kann, denn dann macht man nämlich Szenarien. Was macht man, wenn man ein Szenario macht? – Ganz klar, man stellt sich hin und sagt, man rechnet das aus. Wenn man ein vorsichtiger Kaufmann wäre, dann würde man – und das würde ich in dieser Situation auch empfehlen – ein konservatives Szenario machen. Wenn man ein schlechter Kaufmann wäre, dann würde man sagen: Machen wir ein sehr positives. Das Schlechteste aber, was man wirklich tun kann, ist, dass man gar nichts tut.

Ich verstehe Sie nicht, Herr Finanzminister, dass Sie sich da weigern, das einfach durch­zurechnen. Das geht so nicht. Was bleibt, ist, dass wir seit 8. Mai ein Budget mit falschen Zahlen diskutieren. Meine Damen und Herren Abgeordnete von den Grünen, aber auch von der ÖVP! Sie stimmen hier zu. Sie machen da einfach mit. Sie machen sich hier zu Mittätern des Finanzministers. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ. Zwischenruf des Abg. Höfinger.)

Was ich wirklich auch noch sagen will, meine Damen und Herren, ist Folgendes: Das Finanzministerium ist kein Vorbereitungscamp für den Wien-Wahlkampf! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Nur weil Sie Messagecontrol beherrschen und tägliche Pressekonferenzen abhalten, heißt das nicht, dass Sie das Handwerk können. Es fehlt Ihnen offenbar die Expertise. Das muss man ganz einfach sagen. Wir sind im Augenblick in einer Ausnahmesituation, und ja, es ist wahnsinnig schwierig, es ist richtig schwierig. Was aber Ihnen und Ihrem Team einfach abgeht, ist eben dieses Handwerk. Sie kriegen nichts auf den Boden. Sie kriegen kein Budget auf den Boden und Sie schaffen es auch nicht, die Hilfen auszuzah­len. So geht es halt nicht! (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.)

Ausbaden müssen es leider die Menschen, und ich bleibe ich hier bei meiner Einschät­zung: Ich bin mir ganz sicher, Sie haben Ihre Stärken, aber Finanzminister können Sie nicht! (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.)

16.54

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Absicherung des Warenverkehrs in der Krise

eingebracht im Zuge der Debatte in der 32. Sitzung des Nationalrats über ein Bundesge­setz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2020 (Bundesfinanzge­setz 2020 –BFG 2020) samt Anlagen (55/183 d.B.) TOP 7, UG 45

Die Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus haben viele Unternehmen nahezu zum wirtschaftlichen Stillstand gebracht. Die Insolvenzzahlen werden voraussichtlich stark ansteigen.

Für viele Unternehmen ist diese Krise bedrohlich, weil sie keine Aufträge mehr erhalten. Und wenn noch Aufträge da sind, ist ungewiss, ob der Kunde am Ende zahlen kann, denn auch Kreditversicherungen, die Lieferanten vor Zahlungsausfällen schützen, wenn


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ein Abnehmer im In- oder Ausland die Rechnung nicht bezahlen kann oder will, geraten zunehmend unter Druck.

Aus diesem Grund braucht es gemeinsam mit den Kreditversicherern einen eigenen Schutzschirm, damit diese weiter für etwaige Zahlungsausfälle einstehen- und so dazu beitragen können, die Lieferketten in Österreich und weltweit aufrechtzuerhalten.

Es gilt, den Warenverkehr abzusichern und für einen reibungslosen Warenstrom zu sor­gen. Kreditversicherer könnten mit Hilfe des Schutzschirms bestehende Deckungszusa­gen weiter aufrechterhalten und auch neue übernehmen - trotz erheblich gestiegener Ausfallrisiken. Das schützt solvente Unternehmen, die durch die Corona-Krise plötzlich und unverschuldet in Zahlungsschwierigkeiten geraten. Damit würde der schon extrem nervöse Markt der Kreditversicherung mit einem Schlag beruhigt.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen, wird ersucht, rückwirkend zum März 2020 bis zum Jahresende eine Garantie für Entschädigungszah­lungen der Kreditversicherer zu übernehmen, wobei sich die Kreditversicherer substan­tiell beteiligen- und dem Bund 65 Prozent der Prämieneinnahmen im Jahr 2020 überlas­sen sollen. Zudem sollen Verluste bis zu einem Sechzigstel der Gesamtsumme des Schutzschirmes (nach deutschem Vorbild) selbst getragen, und Ausfallrisiken, die über die Garantie des Bundes hinausgehen, von den Kreditversicherern selbst übernommen werden.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Lesen Sie bitte den Antrag noch im Wortlaut vor, Frau Abgeordnete! (Abg. Doppelbauer: Habe ich schon, ganz am Anfang!) – Okay.

Der Antrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Hanger. – Bitte.


16.54.41

Abgeordneter Mag. Andreas Hanger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kol­legen! Hohes Haus! Wir stehen am Ende einer dreitägigen Budgetdebatte. Das ist natur­gemäß ein guter Zeitpunkt, ein bisschen ein Resümee zu ziehen. Ich habe bereits am ersten Tag gesagt – und die Opposition wiederholt ja gebetsmühlenartig ihre Argumen­te –, dass die Argumente der Opposition substanzlos sind. (Abg. Lausch: Ah!) Und wenn ich mir die Debatte anhöre, dann bin ich immer mehr davon überzeugt, dass diese Argumente substanzlos sind. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. Zwischenrufe der Abgeordneten Loacker und Meinl-Reisinger.)

Ich darf das auch mit sachlichen Argumenten begründen. (Zwischenruf des Abg. Matz­netter.) Zuallererst ein ganz kurzer Blick in die Vergangenheit: Nach wie vor gilt ja ein Budgetprovisorium. Wir hatten einen sehr erfolgreichen Budgetvollzug im Jänner, Feb­ruar und auch noch in den März hinein mit deutlichen Überschüssen. Wir hatten gesamt­staatlich einen Überschuss 2018 und gesamtstaatlich einen Überschuss 2019 in allen Gebietskörperschaften – Gemeinden, Länder und Bund – und Sozialversicherungsträ­gern. Wieso ist das so wichtig? – Das gibt uns die Grundlage, dass wir jetzt trotz dieser


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Krise investieren können, und das ist eben ausdrücklich zu betonen: Österreich ist fi­nanzpolitisch sehr gut aufgestellt, und darauf können wir durchaus auch stolz sein! (Bei­fall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Nächster Schritt: Da 2019 Wahlen waren, kam es zu keinem Budget. Mitte März wurde dann das Budget vor der Coronakrise – das muss man ausdrücklich betonen – dem Nationalrat übermittelt. Ganz wichtig, das geht in der Debatte immer unter: In diesem neuen Budget sind ganz viele wichtige Maßnahmen verankert. Da es ganz wenig Kritik zu diesen Maßnahmen gegeben hat, dürften es offensichtlich sehr gute Maßnahmen sein – in der Justiz, in der Sicherheit, in der Mobilität, im Klimaschutz. Das ist als sehr positiv festzuhalten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Gut, dann kam Corona, und natürlich hat Corona die Welt verändert, natürlich auch bud­getär, auf der Einnahmenseite genauso wie auf der Ausgabenseite. Ich finde es aber nach wie vor wirklich beeindruckend, mit welcher Geschwindigkeit da die Programme seitens des Finanzministeriums aufgesetzt worden sind. (Zwischenrufe der Abgeordne­ten Belakowitsch und Kickl.) Da kann man jetzt eine lange, lange Liste aufzählen. Ich möchte schon auch einmal betonen: Ein wirklich großes Danke gebührt auch den Mitar­beiterinnen und Mitarbeitern im Finanzministerium, in den Kabinetten, in den Sektionen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Es kommt immer die Kritik: Na ja, das ist alles zu bürokratisch, das ist alles zu langsam!, aber Hand aufs Herz: Wenn dann Gelder ausbezahlt werden und da irgendetwas nicht passen würde, was wäre die erste Reaktion der Opposition? – Scharfe Kritik daran: Wo sind denn die Richtlinien? Wo sind denn die Grundlagen? – Da hat man einen Mittelweg zu gehen, auf der einen Seite klare Grundlagen zu schaffen, aber auf der anderen Seite natürlich auch möglichst unbürokratisch zu agieren. Es wird da hervorragende Arbeit geleistet; mir ist wichtig, das noch einmal ausdrücklich zu betonen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wichtig ist mir am Ende einer Budgetdebatte auch, einen kleinen Blick in die Zukunft zu versuchen. Wir haben es schon gesagt: Das ist einnahmenseitig ganz schwierig zu prog­nostizieren (Abg. Lausch: ... gar nichts prognostiziert!), ausgabenseitig ganz schwierig zu prognostizieren. Jeder Wirtschaftsforscher, jeder Experte betont das immer wieder, da könnte ich jetzt x Zitate aufzählen. Was aber zeigt der Blick in die Zukunft? – Es wird die Phase der Konsolidierung kommen müssen, denn ganz ehrlich, wie es am Ende des Tages aussieht, werden wir dann am Ende des Jahres wissen. (Zwischenrufe der Abge­ordneten Lausch und Leichtfried.) Wir werden aber sehr viele neue Schulden finanzie­ren müssen. Eigentlich müsste die SPÖ zustimmen, denn das ist ja genau das, was ihr immer haben wollt: Schulden machen. (Beifall bei der ÖVP. Abg. Lausch: Ihr habt doch die ganzen Maßnahmen gesetzt!) Heuer machen wir sie, weil wir aus der Krise heraus investieren müssen.

Es gibt quasi drei Möglichkeiten zu konsolidieren. Da wären zum einen neue Steuern, aber gerade vonseiten der SPÖ höre ich dann permanent: Nein, diese Steuer, diese und diese Steuer sind absolut das falsche Signal für den Wirtschaftsstandort. – Wir könnten die Ausgaben senken, gar keine Frage. Das würden wir auch nicht machen, weil wir derzeit eine expansive Budgetpolitik brauchen. Der richtige Weg ist – und der wurde auch vom Finanzminister schon skizziert –, aus der Krise heraus zu investieren, mit ei­nem Wirtschaftswachstum das Budget wieder zu konsolidieren. Das ist der einzig rich­tige Weg. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. Abg. Meinl-Rei­singer: Genau das steht nicht im Budget!)

Abschließend noch ein kleines technisches Bonmot in Richtung Kollege Krainer, der im­mer wieder betont: Abänderungsantrag, große Katastrophe, die Ausgaben wurden im Detailbudget nicht dargestellt! – Das hat er in den anderen Reden schon betont. Gott sei


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Dank haben wir keine anderen Probleme. Herr Kollege Krainer, ich würde Sie schon wirklich bitten, auch die Berichte des Finanzministeriums an das Parlament zu lesen. Ich zitiere aus dem Bericht Mittelverwendungsüberschreitungen und Vorbelastungen im 1. Quartal 2020: Da wurden sehr wohl diese Ausgaben dokumentiert und ans Parlament übermittelt. Das heißt, dieses Konto ist in der Vollziehung natürlich auch da; da wird sehr sauber gearbeitet. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

In diesem Sinne würde ich abschließend wirklich meinen: Wir brauchen einen bestimm­ten Optimismus in unserer Republik. Zugegeben, es ist eine wirklich schwierige Situa­tion – gesundheitspolitisch, auch finanzpolitisch –, aber es braucht Optimismus. Mit ei­nem gesunden Optimismus werden wir auch diese Krise bewältigen! – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

17.00


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist der Bundesminister für Fi­nanzen. – Bitte.


17.00.24

Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel, MBA: Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Zunächst ein paar grundsätzliche Anmerkungen, um dann auf die Kritik eingehen zu können: Die Coronakrise stellt uns alle weltweit vor große Herausforderungen – das ist natürlich auch in Österreich der Fall. Aufgrund der gesundheitspolitischen Herausforderungen war es wichtig, dass die Bun­desregierung rasch, früh und entschieden gehandelt hat. Das versetzt uns jetzt auch in die Lage, schneller wieder aufsperren zu können und weniger Tote beklagen zu müssen, als das in anderen Ländern leider Gottes der Fall ist.

Die Coronakrise hat aber natürlich nicht nur gesundheitliche Auswirkungen, sondern auch wirtschaftliche – gerade für ein Land wie Österreich, das sehr exportorientiert ist. Wenn zwei der drei wichtigsten Exportpartner, nämlich Italien und die Vereinigten Staa­ten, massiv vom Coronavirus betroffen sind, dann bedeutet das natürlich auch einiges für die österreichische Wirtschaft. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Das Bruttoinlandsprodukt wird dieses Jahr – je nachdem, welchen Wirtschaftsforschern man Glauben schenken darf – zwischen 3 und 9 Prozent schrumpfen. Wir leben also in Zeiten höchster wirtschaftlicher Volatilität. Dieser von vielen am Anfang noch beschwo­rene V-förmige Einbruch der Wirtschaft – also ein scharfes Herunterfahren und dann ein schnelles Wiederhochkommen – wird in dieser Form wohl nicht stattfinden.

Die Bundesregierung hat deswegen viele Maßnahmen beschlossen und vorgelegt, um den Unternehmen zu helfen, besser durch die Krise zu kommen, und um möglichst viele Arbeitsplätze in dieser Situation zu retten. Ich darf Ihnen dazu ein paar Zahlen liefern. (Abg. Greiner: Richtige?!)

Bisher wurden 260 000 Anträge auf Steuerstundungen gestellt. Diese sind alle geneh­migt worden – das macht ein Volumen von 6 Milliarden Euro aus, das zusätzlich an Li­quidität in den Unternehmen verbleibt. Übrigens betreffen 75 Prozent der Anträge bezie­hungsweise des Volumens Betriebe, die unter 700 000 Euro Umsatz pro Jahr haben, das heißt, es sind vor allem kleinere Betriebe, die davon Gebrauch gemacht haben.

Was die Garantien und Kredite betrifft, sind 20 000 Anträge eingegangen und genehmigt worden. Insgesamt sind Garantien im Rahmen von 4 Milliarden Euro seitens der Repu­blik übernommen worden. Wenn man zum Beispiel ein Kreditprodukt hernimmt – näm­lich das, das die Republik zu 100 Prozent garantiert –, dann stellt man fest: Wir sind eines von nur vier Ländern der gesamten Europäischen Union, das dieses Angebot macht, und im Vergleich zu Deutschland sind wir in diesem Bereich extrem gut. In Deutschland gibt es circa 8 000 Anträge und in Österreich etwa 7 000, die bereits fast alle genehmigt sind.


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Zur Kurzarbeit: Über 110 000 Anträge auf Kurzarbeit sind genehmigt worden, das macht ein Volumen von über 10 Milliarden Euro aus, und über 40 000 dieser Anträge sind be­reits abgerechnet. – Sie wissen, die Abrechnung ist seit Anfang Mai möglich. (Zwi­schenruf des Abg. Vogl.)

Ich könnte Ihnen noch viele dieser Zahlen liefern. Wenn man den Prognosen der Euro­päischen Kommission und der OECD Glauben schenkt (Zwischenruf des Abg. Deimek), dann würde das heißen, dass Österreich trotz dieser schwierigen Situation besser durch die Krise kommt als andere Länder.

Für niemanden ist das eine leichte Situation. Ich darf mich dem vorhin geäußerten Dank anschließen, nicht nur, was den Zusammenhalt der Österreicherinnen und Österreicher in dieser schwierigen Situation betrifft, sondern auch an alle Mitarbeiterinnen und Mitar­beiter in den Ministerien, in den anderen Körperschaften und darüber hinaus auch hier im Parlament, die Großartiges in den letzten Wochen und Monaten geleistet haben – ein herzliches Danke dafür von meiner Seite! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Auch in dieser Krise spielt die Opposition eine sehr wichtige Rolle. Ich möchte ausdrück­lich feststellen, dass ich tiefsten Respekt für die Oppositionsarbeit an sich empfinde (Ruf: Na! – Abg. Meinl-Reisinger: Sie sollten vor allem Respekt vor dem Parlament empfin­den! – Abg. Greiner: Auf alle Fälle berechtigt!), aber in den letzten Tagen war es nicht immer leicht, sachliche Kritik von prinzipieller Ablehnung zu unterscheiden.

Lassen Sie mich eine Analogie zu Herrn Klubobmann Kickl und Immanuel Kant ziehen: Ein wenig hatte man manchmal den Eindruck, dass Kritik Selbstzweck, nicht Mittel zum Zweck gewesen ist. Wenn man Kritik im kantischen Sinne verstehen möchte, dann bin ich gerne bereit, sie zu akzeptieren, denn als Kant seine „Kritik der reinen Vernunft“ ge­schrieben hat, hat er nicht eine Ablehnung der reinen Vernunft gemeint, sondern eine Erforschung der reinen Vernunft. In diesem Sinn lasse ich mich gerne kritisieren, um in der Folge genau dort hinzusehen, wo es substanzielle Herausforderungen gibt, die man ändern müsste, Herr Klubobmann. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grü­nen. – Abg. Kickl: Das ist aber ein bisschen spät! – Abg. Vogl: ... heißt nicht verste­hen! – Abg. Kickl: ... ein bisschen spät!)

Im Sinne dieser forschenden Kritik haben wir uns intensiv mit den Vorwürfen auseinan­dergesetzt, die von der Opposition erhoben worden sind – nicht nur mit den Experten im Finanzministerium, sondern auch darüber hinaus. Ich darf Ihnen ein paar Zitate von ex­ternen Experten zur aktuellen Situation und zum Budget vorlesen.

Der Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts, Christoph Badelt, hat am 26.5. im „Kurier“ gesagt – ich zitiere –: „Jetzt ein Budget mit konkreten Zahlen abzugeben, wäre fast ein Selbstbetrug. Ein Kassasturz fürs Budget macht erst im Herbst Sinn.“ – Und weiter: „Ein Teil des Budgets ist regulär, was die Umweltmaßnahmen betrifft. Aber coronabedingt lassen sich die Einnahmen nicht abschätzen und auch die Kosten für die Kurzarbeit nicht.“ – Christoph Badelt. (Abg. Kickl: Sperrt der zu jetzt derweil?! – Weiterer Ruf bei der FPÖ: Da bin ich gespannt!)

Ein weiterer Experte, Ex-Budgetchef Gerhard Steger, der vielen von Ihnen noch bekannt ist, hat gemeint: Der Kassasturz „muss dann her, wenn er seriös gemacht wird“, und nicht, wenn „ein optimistisches Bild“ vermittelt werden soll. Ein Kassasturz muss her, „wenn er realistisch ist und nicht, wenn er geschönt ist“.

Ich darf den Budgetexperten Mag. Manfred Claus Lödl zitieren: Mit der gewählten Lö­sung wird den Grundsätzen der Budgettransparenz und -effizienz in vertretbarer Weise Rechnung getragen. Ein Verstoß gegen verfassungsrechtliche und sonstige Haushalts­vorschriften liegt nicht vor. Sämtliche vorgelegte Gesetzesvorschläge entsprechen den Haushaltsverfassungsrichtlinien. – Zitatende. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)


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Ein weiteres Zitat noch: Es gibt ein weiteres Gutachten der Professoren Heinrich und Poier, die ebenso sehen, dass die gewählte Vorgangsweise verfassungsrechtlich zuläs­sig ist. (Abg. Leichtfried: Herr Finanzminister, was ist denn das für ein Gutachten?! Ich glaube, es gibt kein Gutachten! Es gibt höchstens Meinungen! Oder täusche ich mich da?! – Weiterer Zwischenruf bei der SPÖ.)

Dennoch gibt es einen Punkt, bei dem nicht alle Experten einer Meinung sind, und zwar bei der Frage, in welcher Weise, in welchem Detaillierungsgrad die Überschreitungs­möglichkeit von 28 Milliarden Euro, die bisher bereits im Budgetvorschlag stand, ausge­wiesen wird. – Im Sinne einer forschenden Kritik darf ich diesen sachlichen Punkt gerne aufgreifen. Diesen sachlichen Punkt nehmen wir auf und ergänzen daher die davon be­troffenen Rubriken sowie die aus heutiger Sicht anzunehmenden tatsächlichen Auszah­lungen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Wir haben zu dieser Vorgangsweise auf diese Kritik bereits ein weiteres Gutachten an­gefordert. Die Universitätsprofessoren Janko und Mayrhofer: Mit diesen Änderungen würden die aufgekommenen Bedenken gegen die Vereinbarkeit des zu beschließenden BFG 2020 mit den haushaltsverfassungsrechtlichen Grundsätzen, insbesondere den Grundsätzen der Budgetwahrheit sowie der Budgetklarheit und -transparenz, ausge­räumt. – Zitatende. (Abg. Kickl: Das widerspricht aber jetzt dem Erstzitierten!) Ich denke also, wir sind auf dem richtigen Weg, auf diese Kritik einzugehen.

Wenn hier jetzt Zwischenrufe kommen und es nicht genug ist, wenn man auf die Kritik reagiert, dann sagt das vielleicht auch ein wenig über die Kritikfähigkeit der Kritiker aus. (Abg. Kickl: Ist aber so!) In diesem Sinne, glaube ich, haben wir alles getan, um Ihnen entgegenzukommen, sehr geehrte Damen und Herren von der Opposition. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich darf mich abschließend für die gute Zusammenarbeit in schwierigen Zeiten bedan­ken – nicht nur, aber vor allem bei den Abgeordneten der Regierungsfraktionen, aber auch bei vielen Abgeordneten der Opposition. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

17.08


Präsidentin Doris Bures: Als nächster Rednerin erteile ich Frau Abgeordneter Karin Greiner das Wort. – Bitte.


17.09.09

Abgeordnete Mag. Karin Greiner (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Bundesminister, wir erwarten nicht, dass Sie uns über Gebühr entgegen­kommen; wir erwarten, dass Sie uns ernst nehmen, aber offensichtlich sind Sie be­schäftigt, überhaupt einmal einen Gutachter zu finden, der ein Gutachten in Ihrem Sinne erstellt. (Beifall bei der SPÖ.)

Lieber Kollege Hanger! Jetzt sehe ich ihn gerade nicht. (Rufe bei der ÖVP: Dort sitzt er! – Zwischenruf des Abg. Sobotka.) – Ah, da hinten sitzt er! Lieber Kollege, weißt du, was substanzlos ist? – Das ist die treffendste Beschreibung für das Budget, das wir vom Herrn Bundesminister vorgelegt bekommen haben, das ist die richtige Bezeichnung für diesen Murks, den wir ansehen mussten! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Hanger: Dann müssen Sie es lesen!)

Zur Sache: Sie alle wissen, zahlreiche Experten haben sich auch in den letzten Tagen verstärkt geäußert und betont, wie wichtig es ist, dass wir uns jetzt aus der Krise he­rausinvestieren. Eine Krisenbewältigung mit Austeritätspolitik, mit Sparpolitik wird nicht funktionieren. (Zwischenruf des Abg. Hanger. – Abg. Schmuckenschlager: Es schaut eh nicht so aus!)


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Ja wo ist zu investieren? – Zu investieren ist vor allem in soziale Dienstleistungen – das können Sie lernen, Herr Kollege von der ÖVP (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Meinl-Reisinger) –, in Gesundheit, in Pflege, in Bildung. Es braucht genau ein Stärken dieser Dienstleistungen, die bei uns im Übrigen hervorragend funktionieren, und das ist auch ein Indikator für den Sozialstaat (Abg. Weidinger nickt zustimmend) – diese Dinge ma­chen unseren Sozialstaat aus.

Wo werden all diese Dienstleistungen erbracht? – Die werden in den Gemeinden er­bracht, und wir alle wissen (Heiterkeit und Zwischenruf des Abg. Hanger) – na ja, uns sind die Gemeinden schon ein Anliegen, im Gegensatz zu Ihnen möglicherweise –, die Gemeinden müssen mit massiven Einnahmenverlusten rechnen – es fehlen Steuerein­nahmen, die Ertragsanteile gehen drastisch zurück –, und die kommunalen Dienstleis­tungen sind gefährdet. Diese müssen aber aufrechterhalten werden – die Schulen, die Betreuungseinrichtungen für Kinder, für ältere Personen, die Abwasserentsorgung et cetera, et cetera –, und deshalb brauchen jetzt genau die Gemeinden unsere Unterstüt­zung. (Beifall bei der SPÖ.)

Jetzt haben wir von Ihnen einen Vorschlag bekommen: 1 Milliarde Euro. Ja wie soll die fließen? – In Form einer 50-prozentigen Kofinanzierung durch den Bund. Wie schaut das aus? Wer profitiert davon? – Davon profitieren doch in erster Linie die ohnedies finanz­starken Gemeinden, die Städte, aber wie ist es mit den finanzschwächeren Gemein­den? – Na ja, die schauen dabei nicht so gut aus. Die kriegen da fast nichts ab und tun sich generell schwer, weil sie wenig Eigenmittel haben. Gerade die finanzschwachen Gemeinden brauchen unsere Hilfe, und wir haben dazu auch einen konkreten Vorschlag. Dieser lautet: 250 Euro pro Einwohner in jeder Gemeinde. Das ist kalkulierbar, das ist transparent, durchschaubar – da gibt es eine Liste, da kann jede Gemeinde schauen, wie viel sie erhalten wird. Was ist der entscheidende Vorteil dieser Variante? – Dieses Geld fließt sofort und direkt vom Bund an die Gemeinden. Diese kriegen die Hilfe jetzt und nicht irgendwann! (Beifall bei der SPÖ.)

Eigentlich sollte auch der Herr Finanzminister aus dem Fehler, den wir jetzt alle spüren, gelernt haben. Jetzt sehen wir bei den Unternehmen, wie es ausschaut, wenn Unterstüt­zungsgelder langsam, möglicherweise gar nicht, spärlich über 100 bürokratische Hürden fließen. Das sollte Ihnen eine Lehre sein.

Ich bringe jetzt zu unserem Vorschlag folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Karin Greiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sicherung der Gemeindefinanzen in der Krise“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen, wird aufgefor­dert, dem Nationalrat ehestmöglich, spätestens bis 30.6.2020, einen Gesetzesvorschlag vorzulegen, mit dem der Bund den Gemeinden die sinkenden Ertragsanteile sowie die reduzierten Einnahmen aus der Kommunalsteuer abgilt, und zusätzlich ein Konjunk­turpaket für Gemeinden zur Umsetzung von Projekten für die Ankurbelung der örtlichen Wirtschaft finanziert wird, für welches die Gemeinden die Mittel bis 30.8.2020 direkt vom Bund ausgezahlt erhalten, damit die vollständige Aufrechterhaltung der Gemeindeleis­tungen für die ÖsterreicherInnen und Österreicher in der Krise und der anschließenden Phase der wirtschaftlichen Erholung finanziert werden kann.“

*****


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Herr Finanzminister, zum Abschluss eine dringliche Aufforderung an Sie: Gehen Sie weg von dieser neoliberalen ÖVP-Austeritätspolitik (Zwischenruf des Abg. Loacker), die Sie schon in Europa gegen Griechenland gefahren sind, und hören Sie auf, mit einer derar­tigen Politik unsere Gemeinden zu schädigen! – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haubner: Eine schlechte Argumentation!)

17.14

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Maga. Karin Greiner, Alois Stöger, diplômé, Andreas Kollross,

Maga. Drin. Petra Oberrauner, Petra Wimmer, Alois Schroll, Klaus Köchl

Genossinnen und Genossen

betreffend Sicherung der Gemeindefinanzen in der Krise

eingebracht im Zuge der Debatte zu Top 7 Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (55 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvor­anschlages für das Jahr 2020 (Bundesfinanzgesetz 2020 – BFG 2020) samt Anla­gen (183 d.B.), in der 32. Sitzung des Nationalrates, zur Untergliederung 44

Begründung

Die aktuell größte Gesundheitskrise unserer Zeit hat gravierende Auswirkungen auf das Leben der Österreicherinnen und Österreicher, weder sind derzeit die gesundheitlichen noch die wirtschaftlichen Folgen abschätzbar. Bedingt durch die Maßnahmen der ÖVP/Grüne-Bundesregierung, insbesondere Betretungsverbote für Betriebe, die die Ein­nahmen der Unternehmen wegbrechen lassen, stieg die Zahl die Arbeitslosenzahlen dra­matisch an, innerhalb von vierzehn Tagen wurden in der zweiten Märzhälfte 200.000 Men­schen arbeitslos. Diese Entwicklungen haben auch massive Auswirkungen auf die Ge­meindefinanzen und treffen die Bevölkerung daher doppelt.

Der letzte Gemeindefinanzbericht des KDZ unterstreicht die Wichtigkeit der Steuerein­nahmen für die Gemeinden. Fast ein Drittel machen die Ertragsanteile aus den gemein­schaftlichen Bundesabgaben aus (30,6%), weitere 11 % die Kommunalsteuer.1 Die Er­tragsanteile sind die wichtigste Einnahmequelle für Gemeinden und hängen wesentlich von der wirtschaftlichen Gesamtlage ab. Nicht einmal das Wifo kann momentan die Schwere der heurigen Rezession vorhersagen. Im von der Bundesregierung vorgelegten Paket sind steuerliche Maßnahmen von 10 Mrd. € vorgesehen. Zusätzlich zu den er­wartbaren Minderungen des Steueraufkommens und damit der Ertragsanteile für die Ge­meinden, ist mit einem erheblich reduzierten Aufkommen der von der Lohnsumme ab­hängenden Kommunalsteuer zu rechnen. Die Finanzierung zahlreicher kommunaler Dienstleistungen ist gefährdet, diese müssen aber aufrecht erhalten werden, insbeson­dere jene, welche die Menschen zur leichteren Bewältigung der Krise benötigen. Ge­meinden können sich nicht mit jenen Möglichkeiten, die den Ländern und dem Bund zur Verfügung stehen finanzieren, Banken und Sparkassen sind die häufigsten Finanzierer kommunaler Vorhaben. Gemeinden können sich auch nicht an die Bundesfinanzierungs­agentur wenden, um wie Bund oder Länder günstigere Kredite zu erhalten. Aus diesem Grund ist, trotz zu befürchtenden hohen Einnahmenausfälle, eine rechtzeitige finanzielle Planungssicherheit für Gemeinden notwendig.

Nicht nur der gut ausgebaute Sozialstaat, sondern auch die Leistungen der Gemeinden und deren Angebote für die Bürgerinnen und Bürger haben in der Krise eine wesentliche


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stabilisierenden Funktionen. Gemeinden und Städte brauchen eine 100%ige Abgeltung des finanziellen Ausfalls der Coronakrise. Kommunen sind für Kinderbetreuung, Ret­tungs- und Feuerwehrwesen, Schulerhaltung, Spitalsfinanzierung, Abwasser- und Was­serversorgung und vieles mehr zuständig. Diese Dienstleistungen sind bei nicht ent­sprechender Abgeltung in Gefahr. Gemeinden und Städte sind aber auch wichtiger Auf­traggeber für kleine und mittlere regionale Betriebe. Um die Wirtschaft wieder hochzu­fahren und Arbeitsplätze zu sichern, braucht es neben der 100%igen Abgeltung des Ein­nahmenentfalls (Kommunalsteuer, Ertragsanteile) auch ein Konjunkturpaket für Gemein­den, damit Projekte zur Ankurbelung der örtlichen Wirtschaft umgesetzt werden können.

Aus diesen Gründen stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen, wird aufgefor­dert, dem Nationalrat ehestmöglich, spätestens bis 30.6.2020, einen Gesetzesvorschlag vorzulegen, mit dem der Bund den Gemeinden die sinkenden Ertragsanteile sowie die reduzierten Einnahmen aus der Kommunalsteuer abgilt, und zusätzlich ein Konjunk­turpaket für Gemeinden zur Umsetzung von Projekten für die Ankurbelung der örtlichen Wirtschaft finanziert wird, für welches die Gemeinden die Mittel bis 30.8.2020 direkt vom Bund ausgezahlt erhalten, damit die vollständige Aufrechterhaltung der Gemeindeleis­tungen für die ÖsterreicherInnen und Österreicher in der Krise und der anschließenden Phase der wirtschaftlichen Erholung finanziert werden kann.“

1 https:/Iwww.kdz.eu/de/content/gemeindefinanzbericht-2020. Abbildung 8, S. 12

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Gödl zu Wort gemel­det. – Herr Abgeordneter, ich erteile Ihnen das Wort. Sie kennen die Bestimmungen der Geschäftsordnung.


17.14.40

Abgeordneter Mag. Ernst Gödl (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Meine geschätzten Damen und Herren! Frau Kollegin Karin Greiner hat behauptet, dass nur die wohlhabenden, reichen Gemeinden vom Gemeindepaket profitieren würden. (Abg. Leichtfried: Das hat sie auch zu Recht behauptet!) – Das ist absolut unrichtig.

Tatsächlich richtig ist, dass alle Gemeinden im gleichen Ausmaß profitieren, und dei­ne Gemeinde, die Gemeinde Gratwein-Straßengel, wird aus diesem Gemeindepaket 1 377 796,90 Euro erhalten. – Das ist richtig. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Ah-Rufe bei der ÖVP.)

17.15


Präsidentin Doris Bures: Jetzt ist Frau Abgeordnete Eva Blimlinger zu Wort gemel­det. – Bitte.


17.15.28

Abgeordnete Mag. Eva Blimlinger (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Bundesminister! Ich möchte an die Ausführungen meiner Vorrednerin eine Zwischenkorrektur anschließen:


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Dieser Vorschlag mit den 250 Euro pro Person ist doch ein bisschen - - – wie soll ich sagen? Wir wissen, welche Gemeinde die größte Gemeinde in Österreich ist: Das ist die Gemeinde Wien. Und die steht – oh Wunder – vor einem Wahlkampf, und da macht es sich natürlich großartig, wenn man das pro Person berechnet.

Sie haben gerade gesagt, es geht um die kleinen Gemeinden. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Nein, es geht Ihnen um die größte Gemeinde, und die soll sozusagen die Fi­nanzierung kriegen. Also irgendetwas kann da nicht stimmen. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie Bravoruf bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Matznetter.)

Noch ein Wort zum Abgeordneten Kickl, der sich darüber aufregt: Ja, es war ein Fehler, in der Nacht in der Annagasse zu sitzen und sich mit der eigenen Frau zu verplaudern – keine Frage –, aber wissen Sie, ich lebe gerne in einem Land und in einer Stadt, wo der Bundespräsident mit seiner Frau um halb eins in der Nacht ohne Security dort sitzen kann (Zwischenruf des Abg. Kickl) und keine berittene Polizei, die das Budget belastet, durch die Annagasse trabt. So ist es nämlich! Ja, so ist es! Das sind Budgetausgaben, die unnötig sind! (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Kickl: ...! Ha, ha, ha! – Zwi­schenruf des Abg. Amesbauer.)

Er wird seine Strafe zahlen, wenn es eine gibt, keine Frage (Abg. Kickl: Das glauben Sie ja selber nicht! Ha, ha, ha!), aber so ein Setting ist mir wirklich bei Weitem lieber als pferdebelastete Budgets. (Abg. Kickl: Das glauben Sie ja selber nicht!)

Ich komme jetzt zu einem Punkt, nämlich zu den Entwicklungen bei den Beamtenpen­sionen: Sie wissen, Beamte bekommen ja gar keine Pension, sondern einen sogenann­ten Ruhegenuss, und diese UG 23 ist von Corona unberührt. Es gibt eine leichte Stei­gerung (Abg. Loacker: Leichte Steigerung?!), die aber eigentlich nur der Inflation zu verdanken ist (Abg. Loacker: 700 Millionen Euro: Leichte Steigerung?!), und es gibt eine Erhöhung des Pflegegeldes, weil das Pflegegeld ausgezahlt wird.

Herr Kollege Loacker, Sie können sich aber gleich darauf vorbereiten: Das wird massiv steigen, wenn meine Generation in den Ruhestand tritt. Es dauert noch ein bisschen – fünf, sechs Jahre. Wer weiß, ob Sie oder ich dann noch im Parlament sind, aber dann gibt es eine Kostenexplosion für jene, die im Ruhestand sind und einen Ruhegenuss kriegen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.18


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Erwin Angerer. – Bitte.


17.18.05

Abgeordneter Erwin Angerer (FPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Geschätzte Da­men und Herren! Herren Minister! Frau Minister! Vielleicht zuerst ein paar Worte zur UG 44: Finanzausgleich und zum Kommunalinvestitionspaket, das Sie von den Regie­rungsparteien aufgelegt haben oder eingebracht haben.

Es ist ja grundsätzlich positiv zu sehen – es war ja eine wochenlange Forderung von unserer Seite –, mir kommt nur vor, ihr denkt manchmal etwas nicht zu Ende. Jetzt weiß ich nicht, ob das an dem Sauerstoffentzug durch die Masken liegt, denn dieser ist auf jeden Fall gegeben – sie bieten keinen Schutz, aber es fehlt der Sauerstoff –, und des­halb sollte man sie vielleicht herunternehmen und einmal tiefer in die Dinge hineingehen, weil sie ja wahrscheinlich wieder nicht so funktionieren, wie man es meint. Also: Es ist gut gemeint, aber es gehört noch ein bisschen geändert, und wir können ja im Ausschuss noch darüber reden.

Ich hätte ein paar Vorschläge: Sie haben zum Beispiel den wirtschaftlichen Aspekt fast gar nicht berücksichtigt. Es sind durchwegs hoheitliche Projekte angeführt: Schulen, Kin­dergärten sanieren, Kirche sanieren. Damit wird kein Arbeitsplatz geschaffen und ge­sichert. Es gehört ein bisschen ein wirtschaftlicher Aspekt auch hinein. Man sollte viel­leicht auch Projekte im Tourismus unterstützen – dieser ist durch die ganzen Verordnungen


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von Herrn Minister Anschober eh gebeutelt –, sodass man dort auch etwas tun kann. Man sollte das also ein bisschen aufmachen für die Gemeinden und dafür sorgen, dass sie leichter zu dem Geld kommen, sonst passiert das Gleiche wie beim Härtefallfonds.

Das Zweite, was man auch noch bedenken muss, ist Folgendes: Es gibt eine 15a-Ver­einbarung aus dem Jahr 2016 – das ist auch ein Hinweis von mir, und vielleicht passen auch die Gemeindemandatare, wie ja Sie, Herr Wöginger, selber auch einer sind, und die Bürgermeister auf –, die die Haftungsobergrenze für Gemeinden festlegt. Diese wur­de damals von 120 Prozent der Einnahmen auf 75 Prozent gesenkt. Die Schere wird natürlich jetzt in der Krise noch mehr auseinandergehen, weil die Einnahmen der Ge­meinden massiv sinken und sie dann Zwischenfinanzierungen, die für Projekte notwen­dig sein werden, nicht aufnehmen können.

Wir bringen deshalb einen entsprechenden Antrag ein, dass man diese Haftungsober­grenze wieder aufmacht und sie, zumindest für die Zeit bis ins Jahr 2022, wieder auf 120 Prozent erhöht:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Haftungsober­grenze für Gemeinden“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG vom 16. August 2017 betreffend die Regelungen zu den Haftungsobergrenzen auszusetzen und den Berechnungsfaktor für die Haftungsobergrenze von Gemeinden zumindest bis zum 31.12.2022 wieder mit 120% festzulegen.“

*****

Sonst werden gewisse Projekte oder viele Projekte nicht zur Umsetzung kommen, weil die Gemeinden sie einfach nicht zwischenfinanzieren können.

Jetzt noch ein paar generelle Worte zum Budget, das Sie, Herr Finanzminister, uns vor­gelegt haben und mit dem wir uns hier im Parlament drei Wochen sinnloserweise be­schäftigen durften. Sie kommen heute mit einem einseitigen Abänderungsantrag. Auf diesem Abänderungsantrag steht beim Ausgabenbereich die veränderte Zahl 102 Mil­liarden Euro. Sie ist um 20 Milliarden Euro verändert worden. Beim Einnahmenbereich steht das Gleiche wie im Budget vom März, obwohl Sie selber x-mal gesagt haben, die Wirtschaft wird um 3 bis 9 Prozent einbrechen, das BIP wird um 3 bis 9 Prozent ein­brechen. Das hat natürlich massive Auswirkungen auf die Einnahmen.

Wenn man jetzt vorsichtig, wie ein Unternehmer das machen würde, in eine Budgetpla­nung hineinginge, würde man 9 Prozent ansetzen. Man würde sagen: Okay, verstehen wir; wenn es besser wird, freuen wir uns alle! Sie aber schreiben dieselbe Zahl hin und verändern vier Gruppen im Ausgabenbereich.

Kollege Hanger hat uns heute vorgeworfen, wir würden substanzlose Debattenbeiträge liefern. Frau Karin Greiner hat gesagt: Wenn etwas substanzlos ist, dann ist es dieses Papier! – Das ist wirklich substanzlos. (Beifall bei der FPÖ.)

Was das Vertrauen in Sie betrifft, Herr Minister – dazu habe ich heute in der Früh schon etwas gesagt –, kann ich mich gut an einen Spruch von einem ÖVP-Abgeordneten erin­nern, der mittlerweile in der Volksanwaltschaft sitzt. Der hat damals zu unserem Minister gesagt: „Vertrauen wird dadurch erschöpft, dass es in Anspruch genommen wird.“ – Das Vertrauen in Sie ist erschöpft, Herr Minister! (Beifall bei der FPÖ.)

17.22


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Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Erwin Angerer

und weiterer Abgeordneter

betreffend Haftungsobergrenze für Gemeinden

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 7, Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (55 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvor­anschlages für das Jahr 2020 (Bundesfinanzgesetz 2020 – BFG 2020) samt Anla­gen (183 d.B.) – UG 44

in der 32. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 28. Mai 2020

Mit der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG vom 16. August 2017 haben Bund und Län­der die Regelungen zu den Haftungsobergrenzen vereinheitlicht. Der Berechnungsfaktor für die Haftungsobergrenze von Gemeinden wurde dabei von 120% auf 75% der Bemes­sungsgrundlage verringert.

Die Haftungsobergrenze orientiert sich an den Einnahmen der Gemeinden. Da der über­wiegende Teil der Gemeinden coronabedingt mit Einnahmenausfällen konfrontiert ist, die zudem in vielen Fällen signifikant ausfallen, ist zu befürchten, dass viele Gemeinden die derzeit festgelegten 75% überschreiten und somit keine Zwischenfinanzierungen mehr aufnehmen können, die aber vor allem bei der Finanzierung von Projekten und deren Umsetzung oft erforderlich sind.

Zumindest für die nächsten Jahre soll daher die Haftungsobergrenze wieder auf die ur­sprünglichen 120% angehoben werden, da ansonsten zu befürchtet ist, dass das in Aus­sicht gestellte Kommunalinvestitionspaket seine Wirkung verfehlt, da die Gesamtfinan­zierung von Projekten nicht dargestellt werden kann.

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG vom 16. August 2017 betreffend die Regelungen zu den Haftungsobergrenzen auszusetzen und den Berechnungsfaktor für die Haftungsobergrenze von Gemeinden zumindest bis zum 31.12.2022 wieder mit 120% festzulegen.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher auch mit in Verhandlung.

Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Angela Baumgartner. – Bitte.


17.22.42

Abgeordnete Angela Baumgartner (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Liebe Kolleginnen und Kolle­gen! Die Opposition glaubt, mit dem Budget einen Angriffspunkt gefunden zu haben. (Abg. Leichtfried: Was heißt glauben?! – Abg. Kickl: Das ist eine Breitseite! – Zwi­schenruf des Abg. Loacker.) Alle anderen Maßnahmen der Regierung kann sie nicht


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kritisieren. Die Österreicherinnen und Österreicher sind froh, eine Regierung zu haben, die rasch, richtig und effizient handelt, in Krisenzeiten und auch danach. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wie auch immer wir den Budgetprozess aufgesetzt hätten, die Opposition, vor allem die SPÖ, hätte künstliche Empörung geäußert. Anscheinend fürchtet die SPÖ Verluste in Wien. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.) Selbst Gerhard Steger – unser Herr Finanz­minister hat Gerhard Steger erwähnt (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger) –, der nicht im Verdacht steht, unserer Fraktion nahezustehen, stellt klar – Herr Klubobmann Kickl, hören Sie gut zu –: Wenn nicht seriös abgeschätzt werden kann, um welche Beträ­ge es sich infolge der Krise handeln wird, dann ist eine Überschreitungsermächtigung möglich und auch haushaltsrechtlich gedeckt. – Zitatende. (Abg. Bernhard: Schön ge­lesen!) – Danke! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Meinl-Reisinger: Dann schätzen Sie es gleich gar nicht ab!)

Die Regierung hat gestern die Lockerungen im Kulturbereich präsentiert. Kultur war das zwar nicht, Herr Klubobmann Kickl und Herr Kollege Krainer, aber Sie haben gut Theater gespielt. Wir können uns das nicht leisten (Abg. Hoyos-Trauttmansdorff: Das ist die hunderttausendste Pressekonferenz!), wir tragen Verantwortung für Österreich und beschließen das Budget zur Sicherung der Handlungsfähigkeit. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

17.24


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Klubvorsitzende Beate Meinl-Reisinger. – Bitte.


17.24.38

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Frau Präsidentin! Werte Mit­glieder der Bundesregierung! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe alle, von wo auch immer Sie zuschauen! Ich möchte zunächst ganz kurz auf etwas eingehen, was Frau Kollegin Blimlinger betreffend Beamtenpensionen gesagt hat. Das ist schon ein bisschen bemerkenswert. Wir wissen, dass die Erhöhung der Beamtenpensionen natürlich viel früher, noch in der Zeit der Beamtenregierung – wie passend der Name – oder Experten­regierung beschlossen wurde. Da geht es um 700 Millionen Euro. Das als leichte Er­höhung zu bezeichnen finde ich bemerkenswert. Das schafft jetzt nicht gerade Vertrauen in Bezug auf konsolidierte Budgets unter grüner Regierungsbeteiligung in der Zukunft, das muss ich ganz klar sagen. (Beifall bei den NEOS.)

Das ist natürlich ein Punkt, den man einmal ansprechen könnte, in einer Zeit, in der wir sehen, dass es ein zunehmend großes Gap geben wird: zwischen denen, die vor den Scherben ihrer Existenz stehen – die teilweise in den letzten Jahrzehnten die Leistungs­träger dieser Gesellschaft waren, die dieses Land mit Hundertausenden Euro Steuergeld und Sozialversicherungsbeiträgen aufrechterhalten haben und sich dann um 400 Euro, um 36 Euro anstellen konnten und sich jetzt um einen Bonus und um noch einmal 500 Euro aus dem Härtefallfonds anstellen können –, und dem geschützten Bereich auf der anderen Seite. Es ist gut, dass es den gibt, aber über diese Diskrepanz und dieses Gap werden wir uns selbstverständlich unterhalten müssen. (Beifall bei den NEOS.)

Meine Vorrednerin hat gesagt, die ganze Kritik der Opposition sei vom Tisch zu wischen, weil die Österreicherinnen und Österreicher so stolz und dankbar seien. Dankbarkeit kommt überhaupt sehr oft: Alle sollen dieser Regierung hübsch dankbar sein, da sie diese Krise so gut managt. Ich muss ja auch sagen – und das haben wir alle hier mit einem Schulterschluss bewerkstelligt, da können wir uns eigentlich alle, vor allem die Österreicherinnen und Österreicher, auf die Schulter klopfen –, es hat im Bereich Ge­sundheit funktioniert. Unser Gesundheitssystem ist nicht an seine Kapazitätsgrenze ge­stoßen, wir haben, auch im internationalen Vergleich, tatsächlich gute Zahlen. Es schaut


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jetzt überall, also fast überall so aus (Abg. Gabriela Schwarz: In Südamerika ster­ben ...!), trotzdem erzählt man weiter, dass wir überall besser und schneller waren. Das soll so sein, das ist ja auch in Ordnung, das ist gut gelungen.

Wo es aber gar nicht gut gelungen ist, ist im Bereich der Wirtschaftshilfen. Es wurde im Krisenmanagement keine Balance gefunden zwischen der sozusagen sehr singulären Betrachtungsweise des Gesundheitsbereiches und allen anderen Bereichen. Wenn Sie diesbezüglich anderes behaupten, kann ich das nicht nachvollziehen. Wir haben ganz zu Beginn dieser Krise gesagt: Jetzt geht es um Gesundheit und gleich danach geht es um alles andere – um Existenzen, um Arbeitsplätze, um Jobs, um Wachstum, um Wohl­stand, um Bildung, um psychische Gesundheit! In diesem Bereich, das tut mir ganz ehr­lich leid, stellen Ihnen die Österreicherinnen und Österreicher und insbesondere die Un­ternehmerinnen und Unternehmer kein gutes Zeugnis aus. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Lausch.)

Sie sagen, Sie lernen und machen immer wieder etwas besser. Gestern haben Sie wie­der eine Korrektur der Korrektur präsentiert – ein bisschen komplizierter wird es dann auch immer –: Gestern wurde gesagt, es gibt mindestens 1 000 Euro, eigentlich ist es aber jetzt ein Bonus von noch einmal 500 Euro. Das ist ja auch wurscht, es wird nicht einfacher. Der Punkt ist, es ist vermurkst. Es ist einfach vermurkst.

Das, was Sie mit der großen Geste: „Koste es, was es wolle“, rasche und unbürokrati­sche Hilfe!, versprochen haben, das suchen die Österreicherinnen und Österreicher ver­gebens. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Schon allein deswegen ist kein Vertrauen da, das muss ich klar sagen. Wie soll man vertrauen, wenn der Finanzminister und übrigens auch die Wirtschaftsministerin diese schnellen, raschen und unbürokratischen Hilfen nicht auf die Reihe bringen? Letztlich verspielen Sie damit auch die Zeit, die so dringend genutzt werden muss, damit die Un­ternehmen ja nicht vor die Hunde gehen und krachen gehen. Wir haben vor einigen Monaten gesagt, es geht um jeden Tag.

Ich weiß, dass Sie stolz sind, dass jetzt Gelder für die Kurzarbeit geflossen sind, aber es ist eine Liquiditätsfalle, und genau davor haben wir gewarnt. Wenn das keine Betriebe sind, die durch Zufall über eine gute, solide Eigenkapitaldecke verfügen (Zwischenruf des Abg. Haubner) – nein, es ist nicht immer Zufall, aber es gibt natürlich auch manches Mal Zufälle, gerade in saisonalen Bereichen, das wissen Sie ganz genauso –, sondern kleine Familienbetriebe, dann geht sich das für die nicht aus. Sie wissen, das wird kom­men, und das liegt natürlich auch an diesen schlechten Wirtschaftshilfen. Das geht dann auf Ihr Konto!

Jetzt komme ich auf das Budget zu sprechen: Was soll man da sagen? Wenn solche Kritik geäußert wird – und das ist nicht die Kritik der Opposition; ich nehme mir hier wieder heraus, nicht aus Sicht der Opposition zu sprechen, sondern als Abgeordnete des Nationalrates, des Parlaments, und der Nationalrat hat das Haushaltsrecht – und wenn ein derartiges Altpapier, wie Sie es selbst bezeichnet haben, vorgelegt wird, wo die Zahlen nicht stimmen, was unseriös ist, dann können Sie diese Kritik der Opposition nicht als substanzlos vom Tisch wischen.

Ich habe heute wieder den Satz gehört, es wäre doch unseriös, jetzt Schätzungen vorzu­nehmen, wo alles so volatil ist. Und dann bleiben Sie auf dem Standpunkt: wenn schon unseriös, dann gescheit unseriös!, und bleiben bei den Zahlen vom Februar? (Beifall bei NEOS, SPÖ und FPÖ.)

Ich kann es nicht nachvollziehen! Sie haben die gesetzliche Verpflichtung, es zu rechnen oder, wenn das nicht möglich ist, zu schätzen. Und wenn es eine Bandbreite gibt, dann nehmen Sie eben eine Zahl an und legen halt noch zusätzlich Szenarien vor! Was hindert Sie denn daran?


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Ich habe ja große Hoffnung darauf gesetzt, dass sich nach der substanziellen Kritik hier im Haus, aber wahrscheinlich noch ein bisschen mehr nach der medialen Kritik – die Kritik hier im Haus ist Ihnen eigentlich wurscht, die tangiert Sie nicht, das Parlament ist Ihnen egal, das ist der Eindruck, der entsteht; wie das die Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsfraktionen mit ihrem Selbstbewusstsein vereinbaren können, ist mir nicht ganz klar – etwas ändert. Wir wissen, nichts ist giftiger für die ÖVP, aber zunehmend auch für die Grünen, als wenn jetzt auch die Ihnen so nahestehenden Journalisten auf einmal Kritik äußern und sagen, dass das keine geeignete Vorgangsweise ist.

Es gab dankenswerterweise – auch da möchte ich mich bedanken – von der SPÖ das Gutachten, das zum Schluss kommt, dass das, was Sie hier vorgelegt haben, verfas­sungswidrig ist. Also so ganz ungerührt hat Sie das nicht gelassen, daher haben Sie gesagt, Sie machen jetzt einen Abänderungsantrag. Als ich das gestern gehört habe, habe ich mir gedacht: Na gut, fein, man lernt dazu, das ist Fehlerkultur, das finde ich in Ordnung, und da wird man ja jetzt in irgendeiner Weise etwas vorlegen, diese Schätzun­gen vornehmen!, aber - - (Eine resignierende Geste machend:) Hhhh! (Allgemeine Hei­terkeit.)

Das, was Sie gestern um 23 Uhr geschickt haben, ist eigentlich eine weitere Verhöh­nung. Sie haben das in grobe Rubriken runtergebrochen und einnahmenseitig überhaupt nichts gemacht. Und jetzt erwarten Sie, dass das Vertrauen des Parlaments gestiegen ist?

Es ist die ureigenste und eigentlich edelste Aufgabe eines Finanzministers, dem Hohen Haus ein ordentliches Budget vorzulegen. Wenn Sie es nicht wollen oder wenn Sie es nicht können, ist Ihnen das Vertrauen zu versagen. – Danke sehr. (Beifall bei NEOS, SPÖ und FPÖ.)

17.32


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hans Stefan Hintner. – Bitte.


17.32.55

Abgeordneter Hans Stefan Hintner (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Vize­kanzler! Herr Finanzminister! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Unser Klubobmann Gust Wöginger hat vor einigen Tagen in der Presse gemeint, dass die Opposition ihren täglichen Aufreger braucht, um zu einem gewissen Höhepunkt in der Debatte zu kommen. Es freut mich, dass das auch heute mehrmals der Fall war, dass Sie zufrieden sind. Für mich und für uns würde das nicht reichen.

Dieselben, die das Budget dahin gehend kritisieren, dass es nicht aktuellere Zahlen ent­hält – die Zahlen sind nicht prognostizierbar –, senden auch Budgetwünsche an das Christ­kind.

Erstaunlich ist auch die Fülle von Entschließungsanträgen der Opposition – man glaubt, wir sind nicht in einer Krise, sondern das Geld ist abgeschafft. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Aufgrund der Entschließungsanträge, die wir da hereinbekommen haben, geht ja die Tür nicht zu!

Nicht Kollege Krainer und Kollege Kickl und die Opposition stellen fest, ob etwas ver­fassungswidrig ist, sondern der Verfassungsgerichtshof!

Ein Blick auf die Gemeindebudgets – und wir haben eine ähnliche Situation –: Bei uns sind im April die Ertragsanteile um 13 Prozent eingebrochen, im Mai um etwa 30 Pro­zent, und es wäre genauso unseriös, jetzt ein Budget für die laufende Zeit zu erstellen. Auch da wird ein Kassasturz im Herbst die Folge sein, dass wir weiterarbeiten können.

Umso mehr auch ein herzliches Dankeschön dafür, dass wir mit dieser Milliarde für die Gemeinden Investitionen auslösen können, die nicht an den Betrag, den wir bekommen,


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gebunden sind, sondern das Doppelte ausmachen werden, weil natürlich die Gemeinden und die Länder da mitfinanzieren werden.

Lieber Gernot, in diesem Sinne: Wir vertrauen dir! (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Grünen.)

17.34


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Maximilian Lercher. – Bitte, Herr Abgeordneter.


17.35.16

Abgeordneter Maximilian Lercher (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ge­schätzter Kollege, Sie haben behauptet, wir wären zufrieden angesichts dieses Budgets, weil es jetzt einen Aufreger gibt. Ich möchte das mit aller Vehemenz zurückweisen! Wir sind, glaube ich, alle zu Recht besorgt (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Scherak), und zwar besorgt, weil Sie selbst ganz genau wissen, dass Sie aufgrund von Gründen, die wir nicht erkannt haben – ich gehe einmal davon aus, aufgrund von Eitelkeit –, uns nicht das geliefert haben, was diesem Parlament zusteht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Kollege Kopf hier von kleinlichem Dis­kutieren spricht und Kollege Schwarz von Witzeleien, dann möchte ich das auch auf das Schärfste zurückweisen, denn es ist unsere parlamentarische, unsere demokratische Pflicht, aufzuzeigen, wo Fehler passieren – und das ist ein gewaltiger! (Beifall bei SPÖ und NEOS.) Das ist ein gewaltiger Fehler, Herr Bundesminister!

Drei Punkte – ganz nüchtern analysiert –: Erstens: Ihr Budget enthält falsche Zahlen. Sie haben andere Zahlen trotz mehrmaliger Nachfrage, trotz Bitten und Flehen nicht gelie­fert.

Zweitens: Das Budget enthält keinen wirklichen Plan zur Krisenbewältigung.

Und drittens, meine sehr verehrten Damen und Herren: Trotz Ihres kurzfristigen Abände­rungsantrages ist und bleibt das Budget verfassungswidrig! (Beifall bei SPÖ und NEOS sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

Kollege Schwarz hat dann gesagt: Ihr habt eh einen tollen Abänderungsantrag bekom­men! – Was hilft uns denn das, wenn er falsch ist? (Beifall bei der SPÖ.)

Wir wollen hier gemeinsam mit Ihnen Schaden von der Republik abwenden, und Sie verhöhnen die Opposition wegen Kleinkrämerei. Meine sehr verehrten Damen und Her­ren, ich glaube, es ist jetzt an der Zeit – ein paar Minuten haben wir ja noch Zeit –, zu erkennen, dass wir Parteitaktik nicht vor die Interessen dieser Republik zu stellen haben! (Beifall bei der SPÖ. – Rufe bei der ÖVP: Richtig! – Ruf bei der ÖVP: Da musst du selber lachen!) Das sind wir von der ÖVP da und dort ohnehin gewohnt, das überrascht uns nicht, aber dass die Grünen, die selbsternannte moralische Instanz dieser Republik, da mitmachen, das ist ein wahrer Skandal, liebe Kolleginnen und Kollegen! (Beifall bei SPÖ und NEOS sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

Ihr, die ihr bei jeder Gelegenheit belehrt, lasst das eurem Koalitionspartner durchgehen! Wenn das zu Oppositionszeiten eines Werner Kogler passiert wäre, hätte er uns in Dauerrede in diesem Hause zermürbt, und jetzt nehmt ihr es achselzuckend zur Kennt­nis! (Zwischenrufe der Abgeordneten Matznetter und Meinl-Reisinger.) Was ist aus der grünen Partei angesichts dieser Diskussion geworden? (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Scherak.)

Herr Minister, wir waren bereit, Ihnen Vertrauen zu geben, Sie tragen leider selbst die Schuld, dass es nun nicht mehr besteht. (Beifall bei der SPÖ. – Oh-Rufe bei der ÖVP.)

17.38



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 686

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Michael Schnedlitz. – Bitte.


17.38.41

Abgeordneter Michael Schnedlitz (FPÖ): Frau Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist Zeit für ein Resümee, und wenn wir damit beginnen, wie es mit dem gesundheitlichen Schutz der Bevölkerung aussieht, dann muss ich sagen, es bleibt ein glattes Nicht genügend übrig. Der Auftrag sollte nämlich lauten, die Bevölke­rung zu schützen, zum Beispiel mittels Schutzausrüstung, aber – ich habe das diese Woche bereits einmal gesagt – Sie haben nichts anderes gemacht, als unsere Eltern, Großeltern und Urgroßeltern wegzusperren. Das ist im Jahr 2020 eines Landes nicht würdig, das haben unsere Eltern, Großeltern und Urgroßeltern nicht verdient. – Schä­men Sie sich! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Gehen wir weiter zum nächsten Baustein: soziale Hilfe und Maßnahmen für die Bevöl­kerung. Auch dafür gibt es ein glattes Nicht genügend, nämlich nicht nur, dass Sie nicht helfen und nicht geholfen haben, Sie haben es allen Ernstes bereits jetzt geschafft, sich auf dem besten Weg zu befinden, unser Land von einer Gesundheitskrise in eine aus­gewachsene Sozialkrise überzuführen, nämlich genau wegen des Chaos bei Ihren Ver­ordnungen und bei dem Chaos beim Hochfahren unseres Landes. (Beifall bei der FPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren, was ist das Gefährlichste, das dazu führt, dass es nach den sozialen Problemen zu einer ausgewachsenen Finanzkrise kommt? – Das Ge­fährlichste sind Schlampigkeit beim Budget und ein unfähiger Finanzminister.

Was glauben Sie, Herr Finanzminister Blümel, würde ein Maturant bei der Mathematik­matura bekommen, wenn er seine Arbeit abgibt und zum Lehrer sagt, es stimmt keine einzige Zahl? – Ein krachendes Nicht genügend würde er bekommen, Herr Finanzminis­ter! (Beifall bei der FPÖ sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS. – Heiterkeit bei den NEOS.)

Genau das haben Sie aber mit dem Budget gemacht, und während Sie hier hinter Ihrer Maske lachen, schaut die Sache für unser Land ganz traurig aus: Sie spielen nämlich nicht mit Ihrem Schulabschluss, Sie spielen mit der Zukunft von Millionen Österreicherin­nen und Österreichern, und das ist nicht zum Lachen, Herr Minister! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ihre Aufgabe wäre es gewesen, ein Konvolut, eine Arbeit abzugeben, deren Zahlen der Richtigkeit entsprechen – da haben Sie versagt! Da Sie dieser Aufgabe nicht nachge­kommen sind, ist dieser Misstrauensantrag so wichtig und das einzig Richtige, das wir in diesen Tagen machen können. (Beifall bei der FPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Eines kann ich Ihnen beim abschließenden Resümee auch nicht ersparen: Die Betragensnote dürfen Sie sich selbst geben dafür, dass Sie sich an Ihre eigenen Verordnungen nicht halten, siehe Kleinwalsertal, und anscheinend lieber mit dem Kollegen Ho um die Häuser ziehen, anstatt an einem anständigen Budget zu arbeiten. (Beifall bei der FPÖ.)

17.41


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Josef Schellhorn. – Bitte, Herr Abgeordneter.


17.41.44

Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Frau Präsidentin! Geschätzte Minister! Frau Minister! Lieber Herr Finanzminister! Viele Menschen zu Hause, viele Unternehmer fra­gen sich in diesen Stunden wahrscheinlich: Wie läuft das jetzt, wie geht das weiter? Wie verhalten wir uns gegenüber den Banken? Sie müssen jetzt diese Diskussion miterleben,


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bei der von einer Seite alles verteidigt wird, es sei eh alles super – gerade dass nicht noch einmal Danke gesagt worden ist. Eines muss ich aber schon festhalten: Bis heute sind nicht 14 Milliarden, sondern nur 500 Millionen Euro geflossen!

Herr Finanzminister, wir nehmen auch zur Kenntnis, dass diese Wirtschaftshilfe Kredite sind, die sich die Unternehmer selber bezahlen. Wir nehmen weiter zur Kenntnis, dass die Kurzarbeit, die Sie so großartig versprochen haben, zwar funktioniert, aber die Gel­der nicht wie angekündigt fließen. Wir nehmen auch zur Kenntnis, dass vor allem auch die Hilfen für die EPUs und Kleinstunternehmen noch nicht so fließen, wie Sie es in zahlreichen Pressekonferenzen angekündigt haben.

Wir nehmen als Drittes zur Kenntnis: Obwohl Sie schon vor vier Wochen versprochen haben, dass die Banken jetzt wissen, worum es geht, halten sich die Banken nicht daran, was Sie mit ihnen vereinbart haben! Das, obwohl die Förderstellen ÖHT und AWS her­vorragende Arbeit leisten, das muss ich sagen.

Wir Steuerzahlerinnen und Steuerzahler bekommen dann von der Finanzverwaltung einen Werbebrief für die Stundungszinsen. Bei dem, was darin steht – das ist echt (der Redner hält ein Schriftstück in die Höhe) –, habe ich mir wirklich gedacht, der Finanz­minister kennt keinen Genierer, es ist der Wahlkampf ausgebrochen! In einem Schreiben von 18. Mai steht da:

„Finanzminister Gernot Blümel hat das klare Ziel, unsere Wirtschaft zu stärken und si­cher durch die Krise zu bringen. Dazu braucht es unter anderem schnelle und unbüro­kratische Hilfsmittel.“

Gerade, dass Sie nicht noch ein Passbild mitgeschickt haben, damit sich die Leute das daheim ins Marterl stecken und dafür danken können, wie großartig Sie sind! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das erinnert an Sowjetzeiten, dass Sie auch noch das, was nicht passiert, loben und wir noch dankbar sein müssen! Was die anderen Redner hier immer alle sagen, seid dank­bar, seid dankbar: Es funktioniert nicht, und das ist der springende Punkt! (Beifall bei NEOS und SPÖ sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

Jetzt kommen wir zum Budget: Als Minister haben Sie, glaube ich, das Gelöbnis abge­legt, mit Sorgfalt, Transparenz und Gerechtigkeit zu agieren. Wo ist die Sorgfalt? Wo ist die Transparenz und wo ist die Gerechtigkeit bei diesem Abänderungsantrag? Da geben Sie nur bekannt, was Sie ausgeben – und die Einnahmen bleiben gleich, das kann nicht Ihr Ernst sein! Wenn ich mit dem zur Bank gehe, dann sagen mir die: Drah um auf der Fersn und schleich di! – So ist das für mich. (Heiterkeit und Beifall bei den NEOS sowie Beifall bei der SPÖ.)

Eines muss ich Ihnen aber auch sagen: Ja, die Wirtschaftsforscher sagen, das BIP werde um 3 bis 9 Prozent zurückgehen – aber dazu hätten Sie drei Szenarien liefern können! Wir haben 60 Stunden in den Sitzungen des Budgetausschusses gearbeitet, aber das ist nicht geschehen – warum nicht?

Eines möchte ich jetzt sagen: Wenn Sie da jetzt dafür stimmen, liebe Grüne (Abg. Zan­ger: Die sind nicht lieb!) und liebe Türkise, dann möchte ich Ludwig Thoma zitieren, der gesagt hat: Die Mehrer’n samma – aber die Bleder’n samma a. (Heiterkeit und Beifall bei NEOS und SPÖ sowie Beifall bei der FPÖ.)

17.45


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Chris­toph Matznetter. – Bitte.


17.45.45

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Das waren jetzt hier ja einige heftige Worte – wir


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haben ja gesagt, wir wollen uns ernsthaft mit dem Thema auseinandersetzen, und ich fange einmal damit an, Abbitte zu leisten. (Ruf bei der ÖVP: Das wird sich mit der Rede­zeit nicht ausgehen!)

Ich bin schon eine Weile in der Politik und ich habe doch schon einige Finanzminister und Finanzministerinnen heftig kritisiert. (Ruf bei der FPÖ: Weiter! Weiter!)

Ich habe einen Jakob Auer, der als Budgetsprecher das Budget des Karl-Heinz Grasser als „Punktlandung“ bezeichnet hat, tatsächlich berichtigt und gesagt: „Ich darf tatsächlich berichtigen: Ein Punkt ist eine geometrische Figur ohne Ausdehnung.“ (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Das habe ich alles gemacht, aber ich ziehe das zurück, denn was ich hier erlebe, ist ja unfassbar – die einzige Wahrheit ist, was „Die Tagespresse“ heute schreibt: Blümel gibt einen leeren Budgetentwurf ab und geht feiern. – Wie die Maturanten, aber bei denen schreitet der Minister Faßmann ein – bei ihm schreitet niemand ein, das ist unser Pro­blem! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ sowie Beifall bei FPÖ und NEOS.)

Meine Damen und Herren, er gibt uns als Parlament, das die Hoheit über das Budget hat, nicht die richtigen Daten – aber derselbe Finanzminister Gernot Blümel verlangt von den Unternehmerinnen und Unternehmern, die einen Fixkostenzuschuss beantragen, dass sie zustimmen, dass ihre Daten an die MMM Multi-Media-Marketing Austria GmbH weitergegeben werden – eine Firma, die einem ÖVP-Wirtschaftsbundfunktionär aus Oberösterreich gehört! Sag einmal, wo sind wir denn, meine Damen und Herren, für das Parlament keine Daten, und die Unternehmer sollen ihre abliefern? (Beifall bei SPÖ, FPÖ und NEOS.)

Herr Klubobmann Wöginger, ich rate Ihnen: Reden Sie mit Ihrem Parteiobmann Sebas­tian Kurz! Das ist doch eine Schwachstelle, die auf ihn zurückfällt. (Heiterkeit bei der SPÖ.)

Die Kompetenz des Finanzministers kann nicht aus der Nähe zum Bundeskanzler be­stehen, es ist schon ein bisschen mehr notwendig. Sie haben ja eine Personalreserve, ich habe eh oft genug darüber gescherzt – aber bei diesem Benchmark gelten alle an­deren als Personalreserve, da sollten Sie nachbessern, Herr Klubobmann! Ich setze mein Vertrauen ins Nachbessern, aber nicht in Gernot Blümel als Finanzminister. (Beifall bei SPÖ, FPÖ und NEOS.)

17.48


Präsidentin Doris Bures: Nun ist Herr Klubobmann August Wöginger zu Wort ge­meldet. – Bitte, Herr Klubobmann. (Ruf bei der FPÖ: Au weh! – Ruf bei der SPÖ: Danke!)


17.48.32

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Standort bestimmt den Standpunkt, das kommt insbesondere bei Budgetdebatten zum Ausdruck. Das ist für mich auch nichts Neues, ich habe das in den letzten 18 Jahren in diesem Haus sehr, sehr oft erlebt.

Ich habe noch kein Budget erlebt, bei dem die Opposition mitgestimmt oder dieses mit­getragen hätte, egal, in welcher Regierungskonstellation wir uns befunden haben, ob wir mit den Freiheitlichen oder mit der SPÖ regiert haben. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.)

Jetzt, in einer Koalition mit den Grünen, wird es auch nicht anders sein, weil es eben so ist, dass der Standort den Standpunkt bestimmt. Es werden unterschiedliche Positionen dargelegt, und das Budget ist die Grundlage für die Politik der Regierungsfraktionen, daher ist es durchaus verständlich, dass es da eine kontroversielle Debatte gibt. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenruf des Abg. Matznetter. – Ruf bei der SPÖ: Danke!)


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Es ist auch durchaus der Ort, wo ausgeteilt wird, Kollege Kickl war da heute sehr ausführ­lich unterwegs. Bei uns im Innviertel sagt man: Wer austeilt, muss auch einstecken kön­nen!

Und, Herr Kollege Kickl, es ist schön, dass Sie am dritten Tag dieser Budgetdebatte einmal zu uns gestoßen sind (Oh-Rufe bei der FPÖ), denn zwei Tage haben wir bereits hinter uns, und gestern in der Nacht haben Sie uns dann per OTS-Aussendung mitge­teilt, dass Sie einen Misstrauensantrag gegen den Finanzminister stellen werden. Nun, mit Misstrauensanträgen haben Sie Erfahrung, Herr Klubobmann Kickl, denn als Sie Innenminister waren, haben Sie sechs an der Zahl in nicht einmal einem Jahr durchge­standen (Abg. Kickl: Ungerechtfertigt! – Zwischenrufe der Abgeordneten Lausch und Amesbauer), mit uns niedergestimmt, wie es in einer Koalition ist, aber sechs Misstrau­ensanträge in einem Jahr, damit gehen Sie in der Statistik als absoluter Sieger hervor, Herr Kollege Kickl! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich kann mich noch gut daran erinnern, bei den FPÖ-Rednern wurde am Schluss immer gesagt: der beste Innenminister aller Zeiten! (Ruf bei der FPÖ: So ist es auch! – Weitere Zwischenrufe und Bravorufe bei der FPÖ. – Heiterkeit bei Abgeordneten der ÖVP.) Aber es ist ja schön: Wenigstens das ist euch nach Ibiza geblieben (Abg. Stefan: ... der beste Finanzminister!), diese Einigkeit, wenn es um euren ehemaligen Innenminister geht.

Wenn man es sich genau anschaut, könnte man sagen, es ist die größte Verunsicherung im Verfassungsschutz, im BVT, geblieben. (Abg. Wurm: Na geh!)

Noch eines ist sicher geblieben: Das sind die Pferdln. Die Pferdln sind geblieben – d’Ross sagt man bei uns daheim –; zwei haben wir wieder zurückgeben können (Abg. Meinl-Reisinger: Du warst dabei! ... Einstimmigkeit! ... spinnt ja!), und die anderen – um den budgetären Zusammenhang darzustellen – kosten uns immer noch Geld, neun ha­ben wird noch. D‘Ross können nichts dafür, aber die sind aus Ihrer Ära sicher geblieben, Herr Kollege Kickl, das kann man mit Fug und Recht behaupten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Kickl: August! August! Du warst dabei! – Beifall und Heiterkeit bei FPÖ, SPÖ und NEOS. – Heiterkeit des Abg. Obernosterer.) – Schau, Herbert, das war damals schon so: Du hast ja immer den Stachel im Fleisch gesucht und mit die Polizei-Ross hättest du dich selber bald übertrumpft. Auch in der Regierungsbildung - - (Abg. Kickl: Du warst dabei! Du warst Steigbügelhalter! – Zwi­schenrufe der Abgeordneten Amesbauer und Vogl.)

Aber sie sind dir geblieben. Kein Mensch braucht eine berittene Polizei. Die armen Ross können nichts dafür, aber sie sind noch da und auch im Budget immer noch abgebildet. (Zwischenrufe der Abgeordneten Matznetter und Steger.)

Meine Damen und Herren! Ein Wort zur gesamten Budgetdebatte (Ruf: Lass es gut sein! – weitere Zwischenrufe): Natürlich ist es eine besondere Situation, diese Pandemie stellt für uns alle eine Herausforderung dar, und ebenso die daran anschließende Wirt­schaftskrise, in der wir uns befinden. Und, ja, wir beschließen ein Budget, ohne dass es eine valide Datenprognose für die Einnahmensituation gibt. Wir haben sie auch in weiten Bereichen bei den Ausgaben nicht. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.) Wir wissen nicht, wie viel die Endabrechnung bei der Kurzarbeit bringt, wir wissen nicht, wie viel die Endabrechnung bei den Fixkostenzuschüssen bringt, beim Härtefallfonds, bei den Un­terstützungsmaßnahmen, die jetzt hier aufgestellt werden. (Abg. Stefan: Was wisst ihr überhaupt?)

Das bestätigen ja auch alle Expertinnen und Experten. Christoph Badelt bestätigt, dass der Kassasturz erst im Herbst sinnvoll ist, dass es derzeit - - (Abg. Meinl-Reisinger: Ein Budget ist kein Kassasturz! Entschuldigung, das ist ja ...!) – Frau Kollegin, Sie müssen sich ja nicht so aufregen, aber der Kassasturz bringt natürlich ans Tageslicht, wo man genau steht (neuerlicher Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger), und das können wir


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jetzt noch nicht sagen. Daher können wir derzeit keine validen Einnahmendaten bekannt geben, weil zwischen minus 3,2 Prozent und 9 Prozent alles möglich ist. Ja wie hätten Sie es denn gerne? Was sollen wir denn da ins Budget hineinschreiben? (Zwischenrufe der Abgeordneten Loacker und Doppelbauer.) In wenigen Tagen wären diese Daten überholt, und das wissen Sie genau, meine Damen und Herren, und das würden Sie uns dann auch zum Vorwurf machen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grü­nen.)

Warum beschließen wir dieses Budget noch? (Abg. Vogl: Das fragen wir uns auch!) – Weil wir gemeinsam in der Koalition viele Projekte vereinbart haben. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Die wollen wir auch umsetzen, im Bereich von Polizei und Bundesheer. Ich habe in der Debatte wenig davon bemerkt, auch von den Oppositionspolitikern, dass jemals irgendwo darauf eingegangen worden wäre. Man hat sich gar nicht damit be­schäftigt (Abg. Meinl-Reisinger: Das stimmt doch gar nicht!), dass es mehr Mittel für Polizei und Bundesheer gibt, dass es mehr Mittel für die Justiz gibt, dass es mehr Mittel für den ländlichen Raum gibt, dass Klima- und Umweltschutz ganz besonders in den Vordergrund gestellt werden. (Abg. Meinl-Reisinger: Wo waren Sie die letzten Tage?) Das wurde de facto nur am Rande, wenn überhaupt, erwähnt, und ich sage Ihnen schon eines: Für uns sind das wichtige Maßnahmen (neuerlicher Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger), und deshalb beschließen wir auch dieses Budget, weil wir diese Punkte zur Umsetzung bringen wollen. Die haben wir gemeinsam vereinbart, dazu stehen wir, und sie sind auch wichtig für die österreichische Bevölkerung. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Parallel dazu gibt es die gesamten Maßnahmen rund um Corona, rund um Covid, und wir haben eine Vielzahl an Unterstützungspaketen: von den Wirten über die Vereine bis hin zu den Gemeinden.

Ein Wort noch zum Gemeindepaket, weil das jetzt zerpflückt und zerackert wird: Ich weiß nicht, was Sie daran noch schlecht finden können. Es fördert mit bis zu 50 Prozent In­vestitionskosten auf der kommunalen Ebene bei bestehenden Projekten, die seit 1. Juni 2019 begonnen wurden und aufgrund der Coronakrise jetzt nicht ausfinanziert werden können, und auch alle neuen Projekte, sowohl im Bereich von Schule und Kindergarten, bei allen gemeindeeigenen Einrichtungen, bis hin zu Ortskernbelebung, Museen, Kir­chensanierung, Sportplätzen, allen Freizeiteinrichtungen in einer Kommune. In meiner kleinen Heimatgemeinde Sigharting mit 800 Einwohnern kriegen wir 86 000 Euro aus diesem Topf. Ja wenn das keine tolle Unterstützung für die Kommunen und für unseren ländlichen Raum ist, dann weiß ich auch nicht, meine Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Nun noch ein Wort zum Abänderungsantrag, weil der wieder so ein Hallo ausgelöst hat, was mich nicht wundert, weil es bei Budgetdebatten immer so ist (Zwischenruf des Abg. Matznetter), aber eines sage ich schon dazu: Wir nehmen Ihre Anregungen ernst. Ein bissl komisch war der Ausdruck organisiertes Gutachten, das haben Sie gesagt, Herr Kollege Kickl. Was ist ein organisiertes Gutachten? – Ein Gutachten kann man in Auftrag geben, von dem man hoffentlich noch nicht weiß, was am Ende des Tages heraus­kommt, aber ein organisiertes Gutachten ist ein bisschen eine zwiespältige Formulie­rung. Ich hoffe, Sie haben gemeint, dass es die SPÖ in Auftrag gegeben hat, aber nicht mit einem entsprechenden Ausgang organisiert hat. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Es gibt nämlich auch Gutachten, die sagen etwas ganz anderes aus, aber wir nehmen Ihre Kritik auf, wir nehmen sie auch ernst, und deshalb werden diese 28 Milliarden Euro auf diese vier Rubriken aufgeteilt, was das gesamte Covid-Maßnahmenpaket anbelangt. Ich weiß nicht, woher da jetzt die große Aufregung kommt, weil wir damit eigentlich einem Wunsch der Opposition nachkommen. Ich finde, das ist gelebter Parlamentarismus, meine Damen und Herren, dass wir das hier aufnehmen und mit in die Beschlussfassung nehmen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)


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Zu guter Letzt, meine Damen und Herren, weil es jetzt wieder diese rot-blaue Eintracht beim Misstrauensantrag gegenüber einem erfolgreichen und beliebten Finanzminister gibt (Ruf bei der SPÖ: Der ist gut!  Zwischenruf der Abg. Belakowitsch): Es ist gestern genau ein Jahr gewesen, dass es diese Eintracht in diesem Hause schon einmal gegeben hat. Damals war es ein Misstrauensantrag nicht nur gegen den erfolgreichen Bundeskanzler Sebastian Kurz, nein, man hat gleich die gesamte Regierung aus dem Parlament und aus ihren Ämtern gejagt.(Abg. Vogl: Wir haben sie abgewählt, das ist schon ein Unterschied!) Ich sage Ihnen eines: Überdenken Sie gut, was Sie tun, denn der Finanzminister ist erfolgreich in dieser Situation der Krise (Abg. Belakowitsch: Wobei?), er macht einen tollen Job.(Abg. Belakowitsch: Wobei?) Österreich kann stolz sein auf diese Bundesregierung (Abg. Belakowitsch: Wobei?) und insbesondere auch auf diesen Finanzminister! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Wenn Sie ihm heute hier wieder das Misstrauen aussprechen, was keine Mehrheit finden wird, das hoffe ich auch mit Blick auf den Koalitionspartner - - (Heiterkeit bei den NEOS sowie der Abg. Belakowitsch – Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.) – Ich weiß es, aber ich bevormunde niemanden, Frau Kollegin Meinl-Reisinger, im Gegensatz zu Ih­nen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich sage Ihnen: Sie begehen wiederum einen schweren Fehler! Sie begehen wiederum einen schweren Fehler, denn nach der Abwahl der Regierung Kurz I wurden Sie hier in diesem Haus schwer reduziert: minus 16 Prozent für diese beiden Parteien. Herr Pilz ist jetzt wieder auf der Journalistenebene unterwegs. Minus 16 Prozent! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich würde es mir an Ihrer Stelle gut überlegen, diesem Misstrauensantrag wirklich die Zustimmung zu geben (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch – Zwischenrufe bei der SPÖ), denn es könnte auch noch weiter nach unten gehen. (Abg. Belakowitsch: Für Sie auch! – Zwischenruf des Abg. Stefan.) Es ist nicht gesagt, dass 21 Prozent und 16 Prozent schon das Ende der Fahnenstange sind.

Ein Allerletztes noch, Herr Kollege Kickl, weil das Kleinwalsertal in dieser Diskussion auch herhalten muss: Wissen Sie, was der wirkliche Unterschied zwischen Ihnen und einem Sebastian Kurz ist? (Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Wenn Sebastian Kurz ins Kleinwalsertal kommt, dann kommen die Menschen voller Freude aus den Häusern, bei Ihnen bleiben sie drinnen! (Lang anhaltender Beifall bei der ÖVP sowie Beifall der Abge­ordneten Maurer und Jakob Schwarz. – Zwischenruf des Abg. Matznetter.)

18.00


Präsidentin Doris Bures: Nun erteile ich Frau Abgeordneter Philippa Strache das Wort. – Bitte, Frau Abgeordnete. (Abg. Matznetter: So viel Applaus für Sie, Kollegin Strache!)


18.01.25

Abgeordnete Pia Philippa Strache (ohne Klubzugehörigkeit): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Sehr geehrte Regierungsmitglieder! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zu­seherinnen und Zuseher! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Schön, dass Sie nun da sind!

Ich habe langsam schon den Eindruck gehabt, dass wir nicht nur kein Budget haben, sondern auch keinen Finanzminister, der sich dieser Debatte stellt (Beifall bei der SPÖ – Zwischenruf bei der ÖVP), der dafür aber in einer Nacht-und-Nebel-Aktion ganz plötzlich einen neuen Budgetentwurf hervorzaubert, den wir alle nicht im Detail kennen.

Über Nacht gab es eine Scheinkorrektur, plötzlich werden von einem Tag auf den ande­ren die Budgetausgaben von 82 Milliarden Euro auf über 100 Milliarden Euro angeho­ben, und man findet es nicht einmal der Mühe wert, darauf im Detail einzugehen. Nein,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 692

man ist auch noch völlig schockiert darüber, dass Kolleginnen und Kollegen hier im Ho­hen Haus diese Debatte gerne führen würden. (Beifall bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen.)

Weder ist diese Korrektur seriös gewesen, noch ist die Vorgangsweise seriös, denn – da muss ich mich einigen Vorrednern anschließen – das ist nichts anderes als eine Ver­höhnung des Parlaments: Bei keinem Tagesordnungspunkt ist es möglich, ehrlich über diese Zahlen zu debattieren, egal, wie man ansetzt.

Lassen Sie es mich ein wenig veranschaulichen, denn ich denke, auch die Österreiche­rinnen und Österreicher haben ein Recht darauf, deutlich zu hören, was in den letzten Tagen hier im Parlament für derartige Verärgerung der Oppositionsparteien gesorgt hat.

Der Budgetvorschlag – wenn man ihn so nennen kann – ist in Wahrheit eine Art von Blackbox. Wir diskutieren hier jetzt seit drei Tagen über Zahlen, die es nicht gibt, Zahlen, die falsch sind, die nachgereicht oder irgendwie getauscht werden oder in einer Art Herbstprogramm wieder nachgereicht werden. Das ist, als würde man sich über eine Box unterhalten, deren Inhalt man nicht kennt, ohne zu wissen, ob die Box eigentlich einen Boden hat oder ob sie ein maßloses Fass ohne Boden ist.

Bei den Einnahmen haben wir ein großes Fragezeichen, bei den Ausgaben haben wir ein großes Fragezeichen. Das ergibt in Summe – die Rechnung ist relativ simpel – auch nichts anderes als Fragezeichen. Das verstehe ich nicht, und das verstehen viele andere Kolleginnen und Kollegen hier im Parlament ebenfalls nicht. Das verstehen vor allem aber auch die Österreicherinnen und Österreicher nicht, die mit diesen Konsequenzen leben müssen. Das Parlament wird erneut vorgeführt, oder es ist – ich weiß es nicht – vielleicht auch eine Art Beschäftigungstherapie, um unangenehmen Fragen ausweichen zu können.

Obwohl ich den Nachtrag jetzt gehört habe, sehe ich es dennoch anders, denn eigentlich geht jeder von uns davon aus, dass Sie als zuständiges Regierungsmitglied das Bun­deshaushaltsrecht inklusive der zugehörigen Verfassungsbestimmungen kennen. Falls nicht, darf ich Ihnen diese Lektüre dringend empfehlen.

Sie, Herr Finanzminister, sind auf diese Verfassung vereidigt, auf eine Verfassung, von deren Schönheit und Perfektion auch der Bundespräsident spricht, und sie ist perfekt – perfekt auch für eine Krise, weil der verfassungsmäßige Bundesvoranschlag in Ausnah­mefällen auch geschätzt werden darf.

Unser Finanzminister aber tut nicht einmal das! Das ist nicht nur verantwortungslos, son­dern eben auch verfassungswidrig. Ich bin froh darüber, dass die Kolleginnen und Kolle­gen hier im Hohen Haus Ihren sogenannten Budgetvoranschlag auch entsprechend un­ter die Lupe genommen haben.

Es wurde ja nachgebessert, noch immer aber kann man keine seriös berechneten oder geschätzten Budgetzahlen vorlegen, und das, obwohl Sie ein Heer an fähigen, speziali­sierten Mitarbeitern – eine eigene Sektion – haben, die sich nur mit dem Budget be­schäftigt. Kann es wirklich sein, dass Ihre Budgetisten, die seit Jahren nur Budget als Aufgabe haben, nicht einmal ein Budget schätzen können? Oder läuft das im Finanzmi­nisterium inzwischen wie im Gesundheitskrisenstab ab, dass die Spezialisten die fun­dierten Expertisen zwar abliefern, die Politik aber etwas völlig anderes daraus macht, dass Ihre Experten sehr wohl eine seriöse Budgetschätzung gemacht haben, Sie aber einfach dastehen und sagen: Die können es halt nicht!? – Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, denn die Expertinnen und Experten in den Ministerien leisten hervorragende Arbeit.

Ganz egal aber, woran es liegt: Ja, es ist eine schwierige, eine herausfordernde Zeit, trotzdem verdient jeder Bereich ausreichend Budget, ausreichend Respekt und ausreichend


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Ressourcen, nicht nur ein aufgefettetes Medien- und PR-Budget. Da ist nämlich wirklich mehr als ausreichend investiert worden.

Eigentlich sollte jeder Einzelne von uns allen hier im Parlament zu diesem Schluss kom­men. Wir sind Volksvertreter, wir müssen die Interessen der Menschen im Auge haben. Bei dem, was wir heute hier beschließen, geht es um die Steuerlast der Menschen von morgen, und da finde ich es mehr als unangebracht, den Oppositionsparteien, die Kritik üben, anzubieten: Wenn Sie doch noch Wünsche oder Nachfragen haben, dann können Sie diese gerne vorbringen. – Das Problem dabei ist halt nur: Es passiert nach der Ab­stimmung.


Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete, Sie müssen zum Schlusssatz kommen!


Abgeordnete Pia Philippa Strache (fortsetzend): Ich sage Ihnen, wer hier nachfragen wird, nämlich die Bevölkerung. Die sieht das zu Recht anders. Folgendes hätte ich ge­macht, wenn ich die Möglichkeit dazu gehabt hätte – als fraktionslose Abgeordnete bin ich aber zu klein –: Transparenz geht anders, und ich denke, für euch Grüne wäre es eine dankbare Option gewesen, wenn man eine namentliche Abstimmung verlangt hätte. Dann müsstet ihr nämlich für das, was heute hier beschlossen wird, bei eurer Basis ge­radestehen. – Danke. (Beifall bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.)

18.07


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Niko­laus Scherak. – Bitte.


18.07.51

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Re­gierungsmitglieder! Kollege Wöginger hat mich dazu motiviert, noch einmal ans Redner­pult zu treten. Er hat sinngemäß davon gesprochen, dass der Standort den Standpunkt bestimmt und dass, seit er im Parlament ist – er ist ein bisschen länger hier als ich –, die Opposition einem Budget niemals zugestimmt und es immer scharf kritisiert hat.

Seitdem ich hier bin, war das auch wirklich immer so. Man hat das immer sehr scharf kritisiert und hat auch versucht, konstruktiv etwas einzubringen. Und eine Partei, die in der langen Zeit, von der August Wöginger gesprochen hat, glaube ich, auch nie einem Budget zugestimmt hat, waren die Grünen. Das war die Partei, die immer gesagt hat, dass sie in Zukunft Dinge anders machen will – das war eines der wesentlichen Dinge, die sie immer vorangestellt hat (Abg. Schellhorn: ... Anstand!) –, das war die Partei, die über die letzten Jahre immer Transparenz versprochen hat, die immer von lebendigem Parlamentarismus gesprochen hat, die sich jedes Mal, wenn ein Abänderungsantrag zu spät gekommen ist, zu Recht entsprechend und vehement aufgeregt hat und die immer auch ernst zu nehmende Budgetdebatten eingefordert hat.

Ich erinnere mich an die Zeit, als ich noch Justizsprecher war und gemeinsam mit dem ehemaligen Justizsprecher der Grünen, Albert Steinhauser, beim Justizbudget jedes Mal eingemahnt habe, dass den Grundsätzen der Budgetwahrheit, der Budgettransparenz und der Budgetklarheit entsprochen werde. Da ging es vergleichsweise um Kleinig­keiten.

Es ging darum, dass immer das Personal in der Justizbetreuungsagentur versteckt wird, und Kollege Steinhauser und ich haben da stundenlang mit dem Justizminister diskutiert, dass er in diesen Kleinigkeiten die Grundregeln des Budgets schon einmal nicht ernst nimmt und sie missachtet.

Ich sage Ihnen etwas: Der ehemalige Justizsprecher der Grünen, Albert Steinhauser, würde sich für diese Fraktion, die jetzt in allen Bereichen diesen Grundsätzen nicht ent­spricht, schämen! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)


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Und: Das ist nicht der Einzige. Sie müssen bei den Altvorderen, die damals aus dem Parlament geflogen sind, einfach einmal nachfragen: was Daniela Musiol sagen würde oder Harald Walser, der immer für einen lebendigen Parlamentarismus gekämpft hat, was Dieter Brosz sagen würde, der jetzt Kabinettschef beim Herrn Vizekanzler ist – zu­mindest noch, wie ich gelesen habe, oder jetzt nicht mehr – und jedes Mal, wenn ein Abänderungsantrag irgendwie ein paar Minuten zu spät gekommen ist, Geschäftsord­nungsdebatten angezettelt hat (Zwischenruf des Abg. Lausch) – zu Recht, weil er ein lebendiges Parlament eingemahnt hat. (Rufe: Pirklhuber, Schwentner ...!) All die ande­ren brauche ich gar nicht aufzuzählen, Judith Schwentner, Wolfgang Pirklhuber  es gibt ganz, ganz viele. Einer aber hätte sich für diese grüne Fraktion ganz besonders ge­schämt, und das ist der ehemalige grüne Budgetsprecher, der jetzt Vizekanzler ist und spannenderweise da sitzt. Ich habe zugesehen, er ist eigentlich da, aber er hört sich diese Debatte nicht an. (Heiterkeit bei Abgeordneten von NEOS, SPÖ und FPÖ.) Das könnte daran liegen, dass er sich für diese grüne Fraktion und für sich selbst schämt. (Beifall bei NEOS, SPÖ und FPÖ.)

Werner Kogler hätte als Budgetsprecher wieder gefilibustert, in dieser Situation vielleicht nicht 12 Stunden, sondern 24 oder vielleicht auch 36 Stunden. Er hätte den Budgetaus­schuss in Grund und Boden geredet. Er hätte eine Bundesregierung, die so ein Budget vorlegt, durch Sonne und Mond geschossen, und jetzt muss er miterleben, wie seine eigene Partei mit ihm gemeinsam all diese Grundsätze, die die Grünen offensichtlich einmal hatten – denn jetzt haben sie sie nicht mehr – über Bord wirft.

Liebe Grüne, ihr habt im Wahlkampf plakatiert: „Wen würde der Anstand wählen?“ Ihr habt euren Wählern und Wählerinnen ein Versprechen gegeben, und dieses Verspre­chen habt ihr gebrochen. Ich sage euch etwas: Der Anstand, der wird euch nie wieder wählen. (Beifall bei NEOS, SPÖ und FPÖ.)

18.12


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hannes Amesbauer. – Bitte.


18.12.07

Abgeordneter Mag. Hannes Amesbauer, BA (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren! Das Schauspiel, das uns Klubobmann Wöginger hier am Ende dieser dreitägigen Budgetdebatte noch bereitet hat, ist ja wirklich bemerkens­wert. Er hat ja nicht nur veranlasst, dass uns die ÖVP mit einem nächtlichen Abände­rungsantrag beglückt, sondern er beendet diese Debatte für seine Fraktion mit einem Ablenkungsmanöver.

Er hat nichts Besseres zu tun, und das in Zeiten, in denen es um sehr viele Milliarden und um wirtschaftliche Schäden geht, die noch gar nicht in all ihren Dimensionen erfasst sind, zu denen noch Langzeitschäden kommen werden. In Zeiten, in denen es um per­sönliche Schicksale, um soziale Krisen und um Zigtausende menschliche Existenzen geht, die vor der Zerstörung stehen, kommt er daher und macht sich über die Polizei­pferderl, wie er gesagt hat, des Herrn Kickl lustig. Es sei angeblich das Einzige, was aus unserer Regierungsbeteiligung übrig geblieben ist. (Zwischenrufe bei ÖVP und Grünen.) Mich wundert es ja, dass du die Regierungsarbeit der Periode Kurz I so dermaßen schlecht siehst: die historische Reform der Sozialversicherungsträger, der Familienbo­nus, alles ein Blödsinn? – Aber diese ach so schlimmen Pferderl!

Es würde mich nur interessieren – weil du ja auch gesagt hast, diese Pferderl braucht überhaupt kein Mensch –, warum zum Beispiel Delegationen von Polizeireiterstaffeln aus den Niederlanden, aus Bosnien und aus Serbien gerade hier sind, sich das ansehen (Zwischenruf bei der FPÖ) und hohes Interesse an diesen Pferden haben. So schlecht kann es also nicht gewesen sein, meine Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)


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Schlecht und unvernünftig an dieser ganzen Geschichte war, dass man dieses Projekt, das auf Schiene war, bevor es überhaupt getestet wird und in den Einsatz kommt, ein­fach abdreht, weil es einem politisch nicht in den Kram passt. – Aber sei’s drum! Es geht eigentlich um etwas ganz anderes, meine sehr geehrten Damen und Herren. Es geht darum, dass uns Herr Blümel ein Budget vorlegt, von dem er selbst gesagt hat, das sei für den Mistkübel.

Dann kommt nach tagelangen, wochenlangen Budgetberatungen in den Ausschüssen und nach zwei Tagen Budgetberatungen hier im Parlament, wo Ihnen von allen Parteien und auch von externen Experten gesagt wurde, dass es ein Wahnsinn ist, so ein Budget zur Beschlussfassung vorzulegen, dass das ganze Machwerk, das Sie hier jetzt mit grü­ner Hilfe beschließen wollen, höchstwahrscheinlich verfassungswidrig ist, ein mitter­nächtlicher oder nachmitternächtlicher Abänderungsantrag daher, zweieinhalb Seiten, aber auch Milliarden stark. Wir diskutieren den ganzen Tag aber noch über die vorhe­rigen Zahlen weiter, und Sie wollen, dass wir das einfach beschließen. Meine Damen und Herren, so geht es wirklich nicht. (Beifall bei der FPÖ.)

Das ist ja nicht nur verfassungswidrig, das ist nicht nur eine Verhöhnung des Parlaments, sondern das ist auch eine Verhöhnung der Menschen, die um ihre Existenz bangen. Das ist ja wirklich unfassbar, was Sie da machen. Lieber Kollege Wöginger, du hast dich auch lustig darüber gemacht, dass wir Herbert Kickl als besten Innenminister aller Zeiten bezeichnen. Ja, das machen wir, wir bleiben dabei, Herbert Kickl war der beste Innen­minister aller Zeiten! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich bin neugierig, ob du, lieber Gust Wöginger (Zwischenruf des Abg. Stögmüller), dich jemals trauen wirst zu sagen, dass Gernot Blümel der beste Finanzminister der Republik war, dass er überhaupt ein guter Finanzminister dieser Republik war. Lieber Gust, ich glaube, diese Aussage werden wir nie von dir hören. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Stögmüller.)

Sehr geehrte Damen und Herren, vor allem auch Kolleginnen und Kollegen der grünen Fraktion, helfen wir doch Gernot Blümel! (Heiterkeit bei der FPÖ.) Ich glaube, der freut sich, wenn er dieses Amt nicht mehr ausüben kann, das er anscheinend nicht wirklich will, weil er in Gedanken schon im Wienwahlkampf und geistig vielleicht schon – maxi­mal, zu mehr wird es nicht reichen – Vizebürgermeister in Wien ist. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Es wird der Vizebürgermeister schon sehr, sehr schwer werden. (Ruf: Du kannst den Leichtfried wählen, weil der steht eh schon da!) Aber erlösen wir ihn, bitte! Befreien wir ihn von dieser Bürde des Amtes des Finanzministers! Wir tun ihm unter Umständen einen persönlichen Gefallen. Wir tun aber vor allem uns als Parlamentariern und den Bürgerinnen und Bürgern in diesem Land, den Steuerzahlern einen Gefallen, die sich die Frechheit dieses Finanzministers nicht mehr bieten zu lassen brauchen. (Beifall bei der FPÖ.)

18.16


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Jörg Leicht­fried. – Bitte.


18.16.31

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren der Bundesregierung! Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Her­ren, ich habe es nicht vorgehabt, das gebe ich offen zu, aber jetzt, als ich Kollegen Amesbauer und vorher Kollegen Wöginger zugehört habe, habe ich mir gedacht, ich werde auch etwas zur Pferdedebatte beitragen. (Heiterkeit bei SPÖ, FPÖ und NEOS.)

Ich kann mich gut erinnern, es war in der Zeit vor dieser Koalition, da bin ich hier herau­ßen am Pult gestanden und Herr Kickl ist nicht vor mir gesessen, sondern links von mir, was vom Gefühl her sowieso sehr eigenartig war. (Abg. Kickl: Von da aus war’s rechts! –


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Heiterkeit bei der FPÖ.) Es ist in der Debatte um diese Pferde gegangen. Ich habe es gewagt, die Anschaffung, die Verwendung und den Einsatz dieser Pferde – aus guten Gründen, und ja, vielleicht vehement – zu kritisieren. Wer, glauben Sie, hat mir da aus den Reihen der Regierung am vehementesten widersprochen und hat am vehemen­testen zwischengerufen? – Es war die ÖVP. Ich muss eines sagen: Ihr mögt vieles sein, aber Team Haltung seid ihr sicher nicht. (Beifall bei SPÖ und FPÖ sowie des Abg. Loacker.)

Wenn wir schon bei Haltung, Standort und Standpunkt sind (Abg. Sobotka: Gutes Schauspiel!), möchte ich noch eines sagen: Das hat mich jetzt etwas enttäuscht. (Oh-Rufe bei der ÖVP.) – Ja, es hat mich enttäuscht. Ich bin schon davon ausgegangen, dass es gewisse parlamentarische Grundwerte gibt, die uns alle in unseren Gedanken, in unserem Geiste einen. Dann sagt August Wöginger – hier am Pult steht er und sagt es –: Ja, und ihr habt Sebastian Kurz und seine Regierung davongejagt.

Ich meine: Was für ein Verständnis ist das? (Ruf: Genau!) Wenn eine Regierung auf­grund ihrer eigenen Präpotenz und ihrer eigenen Überheblichkeit die Mehrheit in diesem Hause verliert, dann ist das nicht Davonjagen (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeord­neten von FPÖ und SPÖ), sondern dann geschieht ihr das recht, und es ist gut, dass sie weg ist. Das sieht man als Parlamentarier so. (Beifall bei der SPÖ.)

Jetzt aber zum Budget, zur Budgetdebatte und zur Performance unseres Finanzminis­ters, der gerade wieder bei den ÖVP Open im Candy Crush mittut. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Man kann über die ÖVP viel sagen (Zwischenruf bei der ÖVP Abg. Sobotka: Das ist richtig!), man kann wahrscheinlich auch viel sagen, mit dem ich nicht einverstan­den bin. Ich glaube aber schon: Was die ÖVP immer hat, ist in der Regel ein Plan, was sie tut. (Ruf bei der ÖVP: Im Gegensatz zur SPÖ! – Zwischenrufe bei der FPÖ.) Ich habe mich die ganze Zeit gefragt: Was ist dieser Plan jetzt beim Budget? Wieso lassen sie den Blümel so schlecht ausschauen? Warum nehmen sie das in Kauf? Irgendjemand hat jetzt gesagt, der Herr Kickl war derjenige mit den meisten Misstrauensanträgen und es wird immer so bleiben. – Wenn Blümel bleibt, glaube ich nicht, dass Kickl der Super­star bleibt. (Beifall bei der SPÖ.)

Warum tun die das? Ich habe vor Kurzem mit Hannes Androsch telefoniert (Heiterkeit und Zwischenrufe bei Abgeordneten der ÖVP), und der hat Folgendes gesagt  jetzt lachen Sie (in Richtung ÖVP) noch darüber –, der Plan der ÖVP ist es eigentlich, mit ihrem Vorgehen das Budgetbewilligungsrecht des Parlaments mittelfristig außer Kraft zu setzen, und dass Herr Blümel wie der Sonnenkönig mit seiner 38-Milliarden-Generalbe­willigung quasi sagen kann: Das Budget bin ich. (Abg. Lopatka: Na geh!) Das Blöde ist: Er kann es nicht. Das hat man dann nachher gemerkt. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von FPÖ und NEOS.)

Als wir dann draufgekommen sind und vor allem als die Öffentlichkeit draufgekommen ist, dass er mit diesem Plan quasi ein verfassungswidriges Budget und ein verfassungs­widriges Gesetz vorgeschlagen hat, da ist ihm auf einmal die Muffn gegangen. Er hat dann geglaubt, mitten in der Nacht kann man das mit einem Antrag sanieren. Nein, das kann man nicht mitten in der Nacht mit einem Antrag sanieren, der genauso schlecht ist wie das Budget selbst.

Was mir aber Sorgen macht, und da bin ich mit Kollegen Scherak einer Meinung: Der ÖVP traut man das zu, dass sie diesen Plan ausführen möchte, aber dass die Grünen da mitmachen, dass die Grünen dabei mitmachen (Zwischenruf des Abg. Sobotka), eine der Kernkompetenzen unseres Nationalrates, unseres Parlaments einzuschränken, das ist wirklich eine große Enttäuschung, geschätzte Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

Jetzt möchte ich zu Ihnen, Herr Finanzminister, kommen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Gernot Blümel ist ja ein bisschen wie Karl-Heinz Grasser, nur noch schlimmer. Er ist


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ähnlich inkompetent, aber dafür noch abgehobener und sich selbst noch mehr über­schätzend. (Rufe bei der ÖVP: Na, na!) Daraus ergibt sich natürlich das, was Sie tun. Das erklärt, warum Sie – während unzählige Menschen Angst um ihre wirtschaftliche Existenz haben, während notwendige Förderungen nicht ankommen, während Hundert­tausende Menschen arbeitslos oder in Kurzarbeit sind, während Menschen in der Nacht nicht mehr schlafen können, weil sie Sorgen haben, wie es weitergeht – hier ein Budget vorlegen, das aber nichts, überhaupt nichts an dieser Situation verbessert. Das erklärt Ihre Eigenschaft, wie ich sie eben vorher geschildert habe, Herr Bundesminister. Sie sind mit dieser Situation heillos überfordert. (Abg. Wöginger  in Richtung SPÖ : Ap­plaus? Ruf bei der ÖVP: Und Sie mit dieser Rede! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das Schlimme ist, in dieser Krise muss  ich begebe mich jetzt in das Feld des Gastgewerbes, da Kollege Obernosterer vor einem Tag das Thema angerissen hat (Ruf bei der ÖVP: Keine Beleidigungen!)  jede Konditorei, ja, jeder Liftbetreiber (in Richtung Abg. Hörl) auch, stimmt, ja (Beifall bei der SPÖ), jede Konditorei, jeder Würstelstand, jedes Hotel in der Lage sein, und ist es auch, zumindest ansatzweise zu kalkulieren und ansatzweise abzuschätzen, was die nächsten Wochen, die nächsten Monate bringen werden. Und das geht.

Das hat uns Kollege Obernosterer gut erzählt, und Kollege Matznetter hat ja die Anre­gung – ich glaube, das war gestern – von sich gegeben, dass Kollege Obernosterer viel­leicht deshalb qualifizierter wäre als Kollege Blümel. Ich weiß nicht, ob Kollege Obernos­terer ein guter Finanzminister wäre, ein besserer wäre er auf jeden Fall. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS. Zwischenrufe bei der ÖVP. Zwischenruf des Abg. Lausch.)

Geschätzte Damen und Herren! Es zeigt sich also die ÖVP ist ausgesprochen unruhig heute, muss man sagen , dass der Finanzminister mit dieser Situation überfordert ist. (Anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP.) Es zeigt sich, dass ein Fakebudget vorgelegt wurde. Es zeigt sich, dass die Situation auch durch mitternächtliche Anträge nicht ver­bessert wurde. Herr Blümel, deshalb sind wir auch der Meinung, dass Sie für dieses Amt nicht geeignet sind. Wir sind auch deshalb der Meinung, dass Sie für dieses Amt nicht geeignet sind, weil Ihnen das geringste Einsehen fehlt. Deshalb, meine ich, wäre es gut, wenn Sie von selber gehen würden. Wenn Sie es nicht tun, werden wir heute diesem Misstrauensantrag zustimmen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS. Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich möchte zum Schluss wieder zur Wöginger’schen Standpunkt-und-Standort-Diskus­sion zurückkommen. (Ruf bei der ÖVP: Na bravo! – Zwischenruf des Abg. Sobotka.) Herr Wöginger hat auch in einer anderen Debatte behauptet, wir sagen das, weil wir in der Opposition sind und weil wir das eben so tun müssen. Es gibt aber auch andere Leute, die das ähnlich sehen. Ein sicherlich nicht sozialdemokratischer Journalist, Peter Michael Lingens, hat Folgendes dazu geschrieben: „Wenn man seine Performance be­trachtet, müsste auch Gernot Blümel zurücktreten. Alles was er versprochen hat schnelle, unbürokratische Hilfe für kleine und mittlere Unternehmen ‑, traf so wenig zu, dass die Betroffenen es in ihrer Mehrheit zu recht mit ‚Nicht Genügend‘ bewertet haben.“

Es war nicht genügend, Herr Bundesminister. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

18.25


18.26.04

Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist nun niemand mehr gemeldet. Damit ist die De­batte geschlossen.

Wünscht einer der Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Bevor wir nun zu einer Reihe von Abstimmungen kommen, frage ich die Klubvorsitzen­den, ob sie eine Sitzungsunterbrechung möchten. Wir haben das in der Präsidialkonferenz


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so vereinbart, dass diese Frage immer an Sie zu richten ist, bevor wir abstimmen. – Es ist keine Sitzungsunterbrechung erforderlich.

Dann komme ich zu den Abstimmungen.

Zunächst komme ich zur Abstimmung über die vorliegenden Rückverweisungs­anträge.

Zum Tagesordnungspunkt 6 liegt ein Rückverweisungsantrag der Abgeordneten Krai­ner, Kolleginnen und Kollegen vor.

Ich lasse daher zunächst darüber abstimmen, den Entwurf betreffend BFRG 2020 bis 2023 in 182 der Beilagen nochmals an den Budgetausschuss zu verweisen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Zu Tagesordnungspunkt 7 liegt ebenfalls ein Rückverweisungsantrag vor, und zwar der Abgeordneten Dipl.-Ing. Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen.

Ich lasse daher darüber abstimmen, den Entwurf betreffend Bundesfinanzgesetz 2020 samt Anlagen in 55 der Beilagen unter Berücksichtigung der dem Ausschussbericht 183 der Beilagen angeschlossenen Änderungen nochmals an den Budgetausschuss zu verwei­sen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 6: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzrahmengesetz 2020 bis 2023 erlassen wird, samt Titel und Eingang in 182 der Beilagen.

Wer sich für den Gesetzentwurf ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen der Zustim­mung. – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Wer in dritter Lesung die Zustimmung gibt, den ersuche ich um ein Zeichen. – Der Ge­setzentwurf ist in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über die zum Tagesordnungspunkt 6 eingebrachten Ent­schließungsanträge in der Reihenfolge ihrer Einbringung.

Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Forschungsfi­nanzierungsgesetz mit Wachstumspfad jetzt!“

Wer ist für diesen Entschließungsantrag? – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Christian Hafenecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend „keine flächendeckende Autofahrerschikane durch Beschränkung der Geschwindigkeiten im Ortsgebiet auf 30 km/h, auf Freilandstraßen auf 80 km/h und auf Autobahnen auf 100 km/h:

Wer ist für diesen Entschließungsantrag? – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Christian Hafenecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs – Umset­zung ‚Nahverkehrsmilliarde‘ jetzt!“:

Wer sich für diesen Entschließungsantrag ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 699

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Her­mann Brückl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „sofortige Rückkehr zum regulären Unterricht ohne Maskenzwang“.

Wer ist für diesen Entschließungsantrag? – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Entschließungsantrag der Abgeordneten Martin Graf, Kolleginnen und Kollegen betref­fend „Erhöhung der Fachhochschul-Fördersätze jetzt!“:

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir kommen nun zu den Abstimmungen über Tagesordnungspunkt 7: Bundesfinanz­gesetz 2020 samt Anlagen in 55 der Beilagen unter Berücksichtigung der sich aus dem Ausschussbericht 183 der Beilagen ergebenden Änderungen.

Hiezu haben die Abgeordneten Obernosterer, Jakob Schwarz, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.

Weiters liegen zwei Verlangen auf getrennte Abstimmung vor.

Ich werde daher zuerst über die Anlagen I bis IV und dann über den Text des Bundesfi­nanzgesetzes 2020 abstimmen lassen und dabei – entsprechend dieser Systematik – die vom erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag sowie von den Verlan­gen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile zur Abstimmung bringen.

Die zum Entwurf des Bundesfinanzgesetzes 2020 samt Anlagen eingebrachten Ent­schließungsanträge werde ich im Anschluss an die dritte Lesung in der Reihenfolge ihrer Einbringung abstimmen lassen.

Anlagen I bis IV

Zunächst kommen wir zur getrennten Abstimmung über Untergliederung 01 der Anlage I in der Fassung der Regierungsvorlage.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

Wir gelangen zur getrennten Abstimmung über die Untergliederung 02 der Anlage I in der Fassung der Regierungsvorlage.

Wer sich für 02 ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit so ange­nommen.

Die Abgeordneten Obernosterer, Jakob Schwarz, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag betreffend Anlage I, Untergliederun­gen 45 und 58 sowie Änderungen in den Anlagen I, I.a bis I.e sowie III eingebracht.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile der Anlage I sowie über die Anlagen II und III in der Fassung der Regierungsvorlage unter Berücksichtigung der soeben angenommen Teile des Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrages.

Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit so an­genommen.

Wir kommen nun zur getrennten Abstimmung über Untergliederung 02 der Anlage IV in der Fassung der Regierungsvorlage.

Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit so an­genommen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 700

Wir gelangen zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile der Anlage IV in der Fassung der Regierungsvorlage.

Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Auch das ist mit Mehrheit so angenommen.

Text des Bundesfinanzgesetzes 2020

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Text des Bundesfinanzgesetzes 2020.

Die Abgeordneten Obernosterer, Jakob Schwarz, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag betreffend die Artikel I, V und VI eingebracht.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen noch nicht abgestimmten Teile des Textes des Bundesfinanzgesetzes 2020 samt Eingang in der Fassung der Regierungsvorlage in 55 der Beilagen unter Berücksichtigung der dem Ausschussbe­richt 183 der Beilagen angeschlossenen Änderungen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

Damit ist die zweite Lesung des Bundesfinanzgesetzes 2020 samt Anlagen beendet. (Abg. Krainer: Zur Geschäftsbehandlung! – Abg. Wöginger: Es ist Abstimmung! – Abg. Krainer: Nein! Das ist ausdrücklich erlaubt!)

Eine Sekunde, Herr Abgeordneter! Bevor wir zur Abstimmung in dritter Lesung kommen, liegt mir eine Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung vor. Ich erteile Herrn Abgeordne­ten Krainer das Wort. – Bitte.

18.34.58*****


18.34.59

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Frau Präsidentin! Ich weiß, dass es jetzt natürlich eine Aufregung gibt, weil das ein ungewöhnlicher Zeit­punkt ist, aber ich glaube, dass sowohl ÖVP als auch Grüne mir für diese Wortmeldung noch dankbar sein werden.

Der Finanzminister, der jetzt wieder ins Handy schaut, glaubt wahrscheinlich, dass ge­rade in zweiter Lesung beschlossen wurde, dass die Auszahlungsgrenze für das Budget 102 389 239 000 Euro beträgt. Ich habe eine schlechte Nachricht – auch für die Kolle­gen auf der Regierungsbank –: Durch seinen Abänderungsantrag ist jetzt gerade be­schlossen worden, dass die Auszahlungsobergrenze für das Budget 102 389,24 Euro ist. (Rufe bei der SPÖ: Oh, oh! – Heiterkeit bei Abgeordneten von SPÖ, FPÖ und NEOS.)

Ich habe auch eine gute Nachricht: Ich weiß, wie man das für die dritte Lesung noch reparieren kann. Insofern darf ich gemäß § 74 GOG-NR den Antrag einbringen, die dritte Lesung auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben, und ich verlange auch gemäß § 59 Abs. 2 GOG-NR eine Debatte darüber.

Ich würde vorschlagen, diese Abstimmung in dritter Lesung morgen um 9 Uhr in der Früh zu machen. Mein Team und ich stehen morgen ab 8 Uhr zur Verfügung, um diesen not­wendigen Antrag einzubringen oder zu formulieren (Ruf bei der FPÖ: Was kostet es?) – einbringen müsst ihr ihn selber –, damit die Auszahlungsobergrenze nicht 102 000 Euro, sondern wirklich 102 Milliarden Euro ist. (Heiterkeit bei der FPÖ.)

Wer es mir nicht glaubt: Dieser Abänderungsantrag wurde verteilt und jeder kann die Zahl dort lesen. Dort fehlt nämlich ein Hinweis, der im BFG gestanden ist, nämlich „Be­träge in Millionen Euro“. Das steht leider nicht dort. Deswegen ist es einfach die Zahl, die da steht, und das sind 102 000 Euro und nicht 102 Milliarden Euro. Insofern ersuche


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ich, die Sitzung zu unterbrechen, damit wir das bitte lösen können. – Vielen Dank. (An­haltender Beifall bei SPÖ, FPÖ und NEOS. – Ruf bei der SPÖ: Der Wöginger ist jetzt sehr blass! – Unruhe im Saal.)

18.37


Präsidentin Doris Bures: Bitte, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich gehe jetzt so vor, wie das unsere Geschäftsordnung vorsieht, indem ich nämlich frage, ob es noch Wortmeldungen zur Geschäftsbehandlung gibt. Herr Klubobmann Wöginger. – Bitte.


18.38.24

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Frau Präsidentin! Ich ersuche, die Sitzung kurz zu unterbrechen. (Heiterkeit, Beifall und Bravorufe bei SPÖ, FPÖ und NEOS.)

18.38


Präsidentin Doris Bures: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Sitzung ist aber erst unterbrochen, wenn ich als vorsitzführende Präsidentin die Sitzung unterbreche. Das ist jetzt noch nicht der Fall. (Unruhe im Saal.)

Es gibt keine Anwesenheitspflicht, aber wir sind in laufender Sitzung. Ich frage die an­deren Klubs, ob es noch eine Wortmeldung zur Geschäftsordnung gibt. – Wenn das nicht der Fall ist, werde ich jetzt die Sitzung unterbrechen. Ich ersuche die Mitglieder der Prä­sidialkonferenz, zu einer Besprechung zusammenzukommen.

Die Sitzung ist unterbrochen.

*****

(Die Sitzung wird um 18.39 Uhr unterbrochen und um 19.18 Uhr wieder aufge­nommen.)

*****


Präsidentin Doris Bures: Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Es liegt mir eine Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung vor. – Bitte, Herr Abgeordneter Krainer.

*****


19.19.17

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Frau Präsidentin! Nur eine Frage: Kommt der Finanzminister noch? (Ruf: Man weiß es nicht!) – Aber wir brauchen ihn jetzt auch nicht mehr, das ist in Ordnung. (Heiterkeit bei der SPÖ.)

Ich ziehe aufgrund der Vereinbarungen in der Präsidiale beide von mir gestellten Anträge zurück, das war gemäß § 74 GOG-NR und gemäß § 59 Abs. 2 GOG-NR, weil es jetzt eh eine vernünftige Lösung gibt, die in diesem Sinne ist. – Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie der Abgeordneten Pfurtscheller und Meinl-Reisinger.)

19.19


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr Klubobmann Wöginger.


19.19.57

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir tragen diese Lösung mit, ich möchte aber


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schon eines dazu sagen: Es geht aus unserer Sicht um einen formalen Fehler, der passiert ist, und daher wäre es auch möglich gewesen, das in kurzer Zeit zu reparieren. Wir haben uns aber jetzt in der Präsidiale darauf verständigt, dass die dritte Lesung samt ihren Abstimmungen morgen stattfinden wird, damit dieser formale Fehler, der da eben passiert ist, mit einem eigenen Antrag betreffend diesen Bereich behoben werden kann. Dann kann dieses Budget beschlossen werden.

Ich möchte nur betonen, dass es zeitlich auch heute möglich gewesen wäre (Zwischen­rufe bei der SPÖ), aber die Einigung hat dann eben so stattgefunden, dass morgen da­rüber abgestimmt wird. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

19.20

*****


Präsidentin Doris Bures: Herr Klubobmann, es ist ein bisschen schwierig, in einer Ge­schäftsordnungsdebatte jetzt schon über eine Einigung zu sprechen, die ich aber noch nicht allen Mitgliedern des Hohen Hauses mitgeteilt habe. (Heiterkeit bei SPÖ, FPÖ und NEOS.)

Ich habe Herrn Abgeordneten Krainer eben ersucht, seine Anträge zurückzuziehen, weil diese sonst zur Abstimmung gelangt wären.

Wenn es nun keine Wortmeldung zur Geschäftsordnung mehr gibt – das ist so –, möchte ich Ihnen mitteilen, dass wir uns in der Präsidialkonferenz ausführlich über den Sach­verhalt unterhalten und diesen erläutert haben und einvernehmlich zu der Auffassung gekommen sind, dass es gemäß § 74 Abs. 2 ein Erfordernis gibt, einen Antrag auf Behe­bung von Widersprüchen einzubringen, damit selbiges, wie das die Geschäftsordnung vorsieht, vor der dritten Lesung erfolgen kann.

Um diesen Antrag vorzubereiten und dieses Verfahren auch ordnungsgemäß durchzu­führen, haben wir uns darauf geeinigt, die Sitzung zu unterbrechen, sie morgen um 8.30 Uhr wieder aufzunehmen und in der Tagesordnung fortzufahren. Im Anschluss an die Tagesordnung der Sitzung wird es dann wie geplant eine Zuweisungssitzung geben, die nicht vor 9 Uhr zum Aufruf gelangen wird, und wir werden in der Folge mit der Ta­gesordnung der 34. Sitzung des Nationalrates weitermachen.

In diesem Sinne, meine sehr geehrten Damen und Herren, unterbreche ich nun diese Sitzung bis morgen, 8.30 Uhr.

Die Sitzung ist unterbrochen.

19.22.56*****

(Die Sitzung wird am Donnerstag, dem 28. Mai 2020, um 19.22 Uhr unterbrochen und am Freitag, dem 29. Mai 2020, um 8.34 Uhr wieder aufgenommen.)

*****


 


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08.34.56Fortsetzung der Sitzung: 8.34 Uhr

08.34.59


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeord­neten! Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und darf Sie recht herzlich zur Fortsetzung der 32. Sitzung des Nationalrates begrüßen – diesmal etwas früher als sonst. Ebenso begrüßen darf ich die Journalisten und die Zuseher zu Hause vor den Fernsehgeräten.

Zuerst noch zum Prozedere:

Wir sitzen wieder in der gelockerten Sitzordnung.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Kira Grünberg und Mag. Christian Ragger.

Der ORF überträgt diese Sitzung seit 8.30 Uhr auf ORF III und ab 9.05 Uhr auf ORF 2 live.

*****

Wir kommen zur dritten Lesung betreffend Tagesordnungspunkt 7: Es liegt ein Antrag der Abgeordneten Gabriel Obernosterer, Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 74 Abs. 2 der Geschäftsordnung auf Behebung von Widersprüchen, die sich bei der Beschlussfassung in der zweiten Lesung ergeben haben, in der dritten Lesung vor.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

„1. Im Artikel I im Text des Bundesfinanzgesetzes wird in der Tabelle nach den Spal­tenüberschriften ‚Allgemeine Gebarung‘ sowie ‚Geldfluss aus der Finanzierungstätigkeit‘ mittig der Klammerausdruck ‚(Beträge in Millionen Euro)‘ eingefügt.

2. Im Artikel V Ziffer 4 im Text des Bundesfinanzgesetzes wird in lit. d betreffend Rubrik 4 nach dem Wort ‚Milliarden‘ das Wort ‚Euro‘ eingefügt.“

*****

Zur Geschäftsbehandlung zu Wort gemeldet hat sich Frau Klubobfrau Meinl-Reisinger. – Bitte.


8.36.24

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ich stelle den Antrag gemäß § 74 Abs. 3 der Geschäftsordnung, dass eine Debatte über den in dritter Lesung des Entwurfes des Bundesfinanzgesetzes ge­stellten Antrag auf Behebung von Widersprüchen durchgeführt wird.

8.36


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur Abstimmung darüber.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein dementsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

08.36.42Debatte gemäß § 74 Abs. 3 GOG


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir haben in der Präsidiale eine Einigung über die Redezeit erzielt. Die Redezeit ist gemäß § 74 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf 5 Minu­ten beschränkt. Darüber hinaus wurde zwischen den Klubs folgende Redeordnung ver­einbart: eine Rednerrunde mit 5 Minuten pro Klub, jeweils contra und pro.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Krainer. – Bitte.



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8.37.54

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist gut, dass wir das reparieren, damit wir ein Bundesverfassungsgesetz haben, das funktioniert. Weniger gut ist – das muss ich offen sagen –: Wir halten es noch immer für verfassungswidrig, weil die Einnahmenseite nicht dargestellt ist.

Ich verstehe ehrlich gesagt auch nicht, wieso ÖVP und Grüne nicht bereit sind, das so zu ändern, dass die Budgetwahrheit eingehalten wird. Wir sind aber froh, wenn das funktioniert, weil für uns entscheidend ist, dass die Hilfen ankommen. Das ist bis jetzt nicht passiert. Wir wollen jedenfalls nicht im Weg stehen, wenn die Regierung das macht, was sie machen muss, nämlich die Klein- und Mittelbetriebe, das Arbeitslosengeld, die Kurzarbeit und so weiter zu finanzieren. Ich glaube, es ist das alles Entscheidende, dass der Staat gerade in einer Krisensituation funktioniert. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei Abgeordneten von Grünen und NEOS.)

Ich glaube, wir müssen uns auch überlegen, wie wir eine qualitativ gute Gesetzgebung machen. Dass bei den Abänderungsanträgen, die um Mitternacht geschrieben werden, Fehler passieren können, ist klar. Diese Fehler haben aber in der Praxis gravierende Auswirkungen. Wenn wir das nicht sehen und das erst entdeckt wird, wenn es einmal im Bundesgesetzblatt drinnen steht, dann steht die Republik möglicherweise vor einer tech­nischen Zahlungsunfähigkeit, und es könnte – selbst wenn alle zusammenhalten – dann mehrere Tage dauern, um das zu reparieren und hinzukriegen. So etwas darf nicht pas­sieren und so etwas ist, ganz ehrlich, nicht notwendig!

Wir haben Ende April darauf hingewiesen, dass das Budget aktualisiert werden muss. Dass das erst in letzter Minute passiert ist, hat zu diesen Fehlern, die katastrophale Aus­wirkungen hätten haben können, geführt. In diesem Fall haben 8 Stunden, wie Kollege Wöginger gestern gesagt hat, gereicht, um das zu sehen. Es muss aber nicht immer sein, dass man das sieht. Es gibt in allen Klubs Abgeordnete und Klubmitarbeiter, die genau schauen, und es hätte auch jemand anderer sehen können; es ist gut, dass es gesehen wurde. Oft sind 8 Stunden zu wenig, um solche Fehler zu sehen, und insofern plädiere ich wirklich dafür, nachzudenken, damit wir qualitativ hochwertigere Gesetze machen.

Ich will mich nicht mit fremden Federn schmücken: Von den fünf schweren Fehlern, die wir in diesem Prozess aufgedeckt haben – das Konto, das nicht existiert, und so weiter ‑, habe ich nur einen gesehen. Wir sind ein Team, wir sind im Budgetausschuss ein Abge­ordnetenteam, und wir haben ganz hervorragende Mitarbeiter im Klub. Ich will mich nicht mit fremden Federn schmücken: Das hat unser Chefjurist gesehen. – Danke schön. (Bei­fall bei SPÖ und NEOS sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

8.41


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Hanger. – Bitte.


8.41.17

Abgeordneter Mag. Andreas Hanger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Mit­glieder der Bundesregierung! Werte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! „Beträge in Millionen Euro“ – vier Wörter, die in einem 1 500-seitigen Budget naturgemäß entspre­chende Auswirkungen haben. Ich darf mich bei Kollegen Krainer für seinen sehr kons­truktiven Redebeitrag bedanken. (Beifall bei ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS.)

Es ist einfach notwendig, diese Korrektur vorzunehmen, damit auch formell alles seine Richtigkeit hat. Mir ist wichtig zu betonen – da darf ich mich durchaus dem, was Kollege Krainer gesagt hat, anschließen –, dass es wirklich ganz wichtig ist, dass wir dieses Bundesbudget 2020 und den mittelfristigen Finanzrahmen beschließen. Er bringt näm­lich mehr Geld für die Justiz, er bringt mehr Geld für die Sicherheit in Österreich und er


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bringt mehr Geld für die ländlichen Regionen. Das alles wurde schon vor der Coronakrise beschlossen, das sind Investitionen, die wir dringend brauchen. – Das ist der eine As­pekt.

Der zweite Aspekt: Dieses neue Budget schafft auch den technischen Rahmen, damit wir bestmöglich durch die Coronakrise kommen. Es beinhaltet ein 28-Milliarden-Euro-Programm, das jetzt in vier Rubriken aufgeteilt wurde; auch da ist man der Opposition entgegengekommen.

Die Programme, die wir dringend brauchen, sind damit technisch abgesichert: Härtefall­fonds, Coronahilfsfonds, Gemeindepaket – ich bin selber Finanzreferent in einer Ge­meinde; es ist enorm wichtig, dass wir in den Kommunen Investitionen tätigen können –, Wirtepaket, Künstlerpaket und das Paket für die gemeinnützigen Organisationen, das gerade intensiv verhandelt wird. Das sind viele, viele wichtige Maßnahmen, um entspre­chend durch die Krise zu kommen.

Abschließend darf ich festhalten: Ich glaube, wir haben eine sehr intensive Budgetde­batte hinter uns, drei Tage mit manchmal sehr guten Debattenbeiträgen, mit manchmal – in meiner Wahrnehmung – weniger guten Debattenbeiträgen. Jedenfalls glaube ich, es ist höchst an der Zeit, dass wir das Budget 2020 beschließen, weil es ein gutes Budget für Österreich ist. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

8.43


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Fuchs. – Bitte.


8.43.54

Abgeordneter MMag. DDr. Hubert Fuchs (FPÖ): Herr Präsident! Herr Finanzminister! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Ich möchte kurz ein Resümee über den gesamten Budgetprozess ziehen, auch betreffend die Hilfsmaßnahmen, die wir gemein­sam zu Beginn der Coronakrise beschlossen haben, und möchte eines festhalten: Die Regierungsparteien reden zwar mit der Opposition, sie hören uns aber nicht zu. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.)

Man hat wirklich sehr oft das Gefühl, dass Dinge ins Lächerliche gezogen werden. Ich kann mich an ein Erlebnis erinnern – ohne Namen zu nennen –, als wir im Mai den ersten „Coronabericht“ – unter Anführungszeichen; ich würde ihn nicht als Bericht bezeichnen – kurz im Ausschuss diskutiert haben. Der Stichtag dieses Berichts war der 31.3., und ich habe mir erlaubt zu sagen, dass dieser Bericht sehr, sehr verbesserungswürdig sei, dass da viele Dinge nicht passen.

Wenn ich im Mai Hilfsmaßnahmen diskutiere, muss der Diskussion ein aktueller Bericht zugrunde liegen, nicht ein Stichtagsbericht, der zwei Monate alt ist. Um ein Beispiel da­raus zu zitieren: Wir wissen, wie wichtig die Kurzarbeit ist, wir wissen auch, dass wir mittlerweile sagenhafte 12 Milliarden Euro für die Kurzarbeit reserviert haben, wir wis­sen, dass 1,3 Millionen Arbeitnehmer betroffen sind. Was ist in diesem Covid-Bericht drinnen gestanden? – 10 000 Unternehmer haben Kurzarbeit beantragt. Das ist für mich keine Information! Aus jeder Tageszeitung, selbst aus den Boulevardblättern, kann man mehr Informationen herausholen als aus diesem Bericht.

Als ich mir erlaubt habe, das zu sagen, ist von einem ÖVP-Abgeordneten die Anmerkung gekommen: Na frag ihn, was du wissen willst! – Das kann es nicht sein. Der Bundes­minister ist verpflichtet, uns entsprechende Berichte zu legen, und diese Berichte müs­sen aktuell sein. Und wenn der Bericht zu einem Stichtag fertig ist – wenn wir ihn im Mai diskutieren, kann das nicht der 31. März sein; Sie schreiben ja selbst in der Begründung Ihrer Abänderungsanträge, dass sich täglich etwas ändert – und sich wesentliche Dinge geändert haben, dann darf ich mir erwarten, dass zumindest im Ausschuss ein Infoblatt mit den aktuellsten Zahlen aufliegt und das mit uns diskutiert wird  und nicht irgendein


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alter Bericht, der noch dazu nichtssagend ist. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Abgeord­neten von SPÖ und NEOS.)

Ich bin daher der Meinung, dass es unbedingt eines Covid-19-Unterausschusses bedarf, weil diese Dinge einfach tagesaktuell diskutiert werden müssen und nicht quasi als An­hang zu einem Bericht, wo die Steuereinnahmen und Steuerausgaben des entsprechen­den Monats – Stichwort Monatserfolg – diskutiert werden.

Der Herr Finanzminister hat gemeint, er habe das Budget am 18. März gekübelt. Am 20.3. hatten wir die Debatte zur Budgeterklärung des Bundesministers, am 8. Mai hatten wir das Hearing. Gestern war der 28. Mai, heute ist der 29. Wir haben sechs Tage im Budgetausschuss über ein Budget beraten, das nicht stimmt. Heute ist der vierte Sit­zungstag der Plenarwoche. Wir haben wirklich zigmal sehr, sehr freundlich darauf hinge­wiesen, wir möchten aktuelle Zahlen diskutieren. Das wurde uns verweigert, weil der Finanzminister gebetsmühlenartig gemeint hat, dass sich jede Zahl, die er reinschreiben würde, als falsch erweisen würde. Hätte er rechtzeitig gehandelt, dann wäre dieser Lap­sus, der gestern passiert ist, wahrscheinlich nicht passiert. (Beifall bei der FPÖ, bei Ab­geordneten der NEOS sowie des Abg. Krainer.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Den Schlusssatz bitte!


Abgeordneter MMag. DDr. Hubert Fuchs (fortsetzend): Der Schlusssatz: Es ist eines Parlaments unwürdig, ein Budget zu beschließen, welches die Einnahmen nicht berücksichtigt. Uns muss bewusst sein – und wir werden auch bewusst dagegen stimmen –, dass die Bundesregierung, die Regierungsparteien heute ein Budget beschließen, welches inhaltlich falsch ist, weil die Einnahmen immer noch die Einnahmen sind, die vor der Coronazeit geschätzt wurden. Das ist einfach falsch, Sie wollten diesen Fehler aber nicht beheben, das heißt, auch dieser Abänderungsantrag ist im Prinzip eine Frechheit! – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der SPÖ.)

8.49


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Klubobfrau Maurer. – Bitte.


8.49.54

Abgeordnete Sigrid Maurer, BA (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Minis­terinnen und Minister! Werte KollegInnen! Ich bin jetzt recht froh darüber, dass diese Debatte so sachlich und ohne Häme über die Bühne geht. Ich möchte mich an dieser Stelle explizit bei Flo Steininger bedanken, dem Juristen, der das offensichtlich gefunden hat (Ruf bei der SPÖ: Chefjurist!) – der Chefjurist des SPÖ-Klubs. Er ist tatsächlich ein exzellenter Jurist und jemand, der auch immer sehr sachlich arbeitet. (Beifall bei Grünen und SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP, FPÖ und NEOS.)

Man muss auch ohne Neid zugestehen: Die Aufdeckung dieses Fehlers war gestern von Jan Krainer perfekt inszeniert. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

Aber ich möchte auf einen anderen Punkt hinweisen – Flo Steininger hat diesen Fehler gefunden –: Wir haben ganz, ganz viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Kabinet­ten, in unseren Klubs, die an den Gesetzen arbeiten, und solch ein Fehler wie der, dass versehentlich eine Zeile gelöscht wird, kann immer einmal passieren. Es ist gut, dass er gefunden wurde, dafür bin ich sehr dankbar, und ich finde, das unterstreicht auch wieder einmal, wie wir es auch in dieser extrem herausfordernden Coronazeit hatten, dass die Zusammenarbeit im Parlament auch gut funktionieren kann.

Ich möchte mich hier dafür bedanken und auch dafür, dass diese Debatte jetzt so kons­truktiv verläuft. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

8.51



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 707

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Klubob­frau Meinl-Reisinger. – Bitte.


8.51.37

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Mitglieder der Bundesregierung! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Damen und Herren, die Sie heute zuschauen! Ja, Fehler können passieren, das ist überhaupt keine Frage. In diesem Fall ist es kein Formalfehler, sondern das wäre ein ganz massiver inhaltlicher Fehler, muss man leider sagen, der schon inhaltliche Auswirkungen gehabt hätte. Deshalb ist es auch völlig klar, dass wir heute diese Möglichkeit geschaffen be­ziehungsweise uns gemeinsam darauf verständigt haben, dass dieser Antrag auf Be­hebung von Widersprüchlichkeiten gemacht wird, weil das der einzige gute Weg ist, wie man aus diesem Schlamassel herauskommt.

Das reiht sich aber schon in eine ganze Reihe ein und führt zu der Frage, wie es über­haupt zu diesem Budget gekommen ist und wie der Budgetprozess gelaufen ist. Es ist auch von meinen Vorrednern schon gesagt worden: Sie, Herr Finanzminister, haben selbst gesagt, das ist ein Budget zum Kübeln. Es ist vielleicht nicht einmal das Papier wert, auf dem die Zahlen stehen.

Bereits am 30. April, ich weiß es nicht genau, aber Ende April haben Sie sozusagen korrigierte Zahlen – ja, ich weiß, das ist etwas anderes, aber trotzdem –, korrigierte Zah­len von Einnahmen und Ausgaben nach Brüssel gemeldet, und seit dem 30. April weisen wir im Zuge der wirklich wochenlangen Budgetdebatte darauf hin, dass das, was hier vorliegt, nicht dem Prinzip der Budgetwahrheit entspricht, dass es eine Missachtung des Parlaments ist, diese Zahlen nicht zu korrigieren.

Es ist völlig klar – und ich sage es jetzt zum dritten Mal – und jeder versteht, dass das in einer solch schwierigen Situation nicht auf Punkt und Beistrich halten wird, aber es ist auch völlig klar, dass Sie die gesetzliche Verantwortung und Verpflichtung hätten, eine Schätzung vorzunehmen. Sie haben es jetzt für die Ausgaben gemacht, schlampig ge­macht, aber Sie haben es nicht für die Einnahmen gemacht, und das ist nicht nachvoll­ziehbar. Diesem Budget fehlen Ernsthaftigkeit und auch Verantwortungsgefühl.

Warum das so wichtig ist, ist auch klar – wir haben ja aus diesem Grund sehr intensiv darüber debattiert, was jetzt diese Mehrausgaben betrifft –: Es geht um die dringend notwendigen Wirtschaftshilfen. Ich denke manchmal, vielleicht wollten Sie die Einnah­men und Ausgaben gar nicht korrigieren, keine Festlegung treffen, weil die wirtschaftli­che Entwicklung natürlich immer sehr viel mit Psychologie zu tun hat. Und wenn einmal eine Zahl festgeschrieben ist, beispielsweise dass man mit einem Steuereinnahmen­entfall von einigen Zehn Milliarden rechnet, dann steht das schwarz auf weiß da, dass es keine optimistische Schätzung für dieses Jahr gibt. Es geht aber trotzdem nicht, Sie sind trotzdem gesetzlich verpflichtet, das zu tun.

Weil Wirtschaft und weil auch die Erholung von diesem Einbruch so viel mit Psychologie und Zuversicht zu tun hat, wäre es so wichtig, rasche, unbürokratische, treffsichere, ge­scheite Hilfsmaßnahmen auf den Weg zu bringen, die wirklich bei den Betrieben, bei den Unternehmerinnen und Unternehmern ankommen – und davon ist nichts zu sehen.

Ich möchte in diesem Zusammenhang noch ein anderes Thema ansprechen, denn die­ser Fehler, diese Schlampigkeit reiht sich in eine Reihe von Schlampigkeiten in der Ge­setzgebung ein, die wir in den letzten Monaten, ja Jahren erlebt haben. Ich erinnere daran, wie viele Gesetze aus der vorigen Ära unter Türkis-Blau vom Verfassungsge­richtshof aufgehoben wurden. – Das ist schlecht gemacht. Es fehlt die Ernsthaftigkeit, es fehlt die Verantwortung gegenüber der österreichischen Bundesverfassung.

Ich erinnere an die allererste Verordnung des Herrn Gesundheitsministers, wo dann auch klar geworden ist, dass sie gesetz-, wenn nicht sogar verfassungswidrig ist. Ich


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 708

erinnere an den dann Gott sei Dank recht rasch zurückgezogenen Ostererlass des Herrn Bundesministers Anschober, der klar verfassungswidrig gewesen wäre.

Wir brauchen Ernsthaftigkeit in der Legistik. Wir müssen die besten Gesetze schaffen und nicht die schnellsten Gesetze schaffen. Das ist ganz wesentlich. Und dazu braucht es die besten Beamtinnen und Beamten mit langjähriger Erfahrung. Was aber machen Sie – und da schaue ich ganz bewusst in Richtung der ÖVP, weil Sie Großmeister darin sind –, was machen Sie? – Sie setzen primär aufgrund von parteipolitischer Zugehörig­keit Menschen aus den Kabinetten auf wesentliche Posten in den Ministerien. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

Sie schaden damit langfristig der hohen Qualität der Arbeit der Beamtenschaft in der Verwaltung und auch der Gesetzgebung. Nehmen Sie sich wirklich an der Nase! Wenn demnächst die Budgetsektion im Finanzministerium zu besetzen ist, werden wir genau darauf schauen, ob es ein Mann oder eine Frau, ein Beamter/eine Beamtin mit lang­jähriger Erfahrung ist oder jemand, der aus dem Kabinett dorthin gesetzt wird. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

8.56


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die Debatte ist geschlossen.

08.56.37Fortsetzung der Abstimmung über Tagesordnungspunkt 7


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bevor wir nun zum Abstimmungsvorgang kom­men, frage ich die Klubs, ob eine Sitzungsunterbrechung gewünscht wird? – Nein.

Wir kommen zur Abstimmung.

Es liegt ein Antrag der Abgeordneten Obernosterer, Schwarz auf Behebung von Wi­dersprüchen in dritter Lesung gemäß § 74 Abs. 2 der Geschäftsordnung vor, die sich durch die Beschlussfassung in zweiter Lesung ergeben haben.

Wer hiefür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in dritter Lesung unter Be­rücksichtigung des soeben beschlossenen Antrages auf Behebung von Widersprüchen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit an­genommen. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen nun zu den Abstimmungen über die zum Tagesordnungspunkt 7 einge­brachten Entschließungsanträge in der Reihenfolge ihrer Einbringung.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Lausch, Kolleginnen und Kollegen betreffend UG 17, „ein freiheitliches Maßnahmenpa­ket für öffentlich-rechtlich Bedienstete im Sicherheitsbereich“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Entschließungsantrag der Abgeordneten Scherak, Kolleginnen und Kollegen betref­fend UG 03, „zusätzliche finanzielle Mittelausstattung des Verfassungsgerichtshofs“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Scherak, Kolleginnen und Kollegen betreffend UG 04, „zusätzliche finanzielle Mit­telausstattung des Verwaltungsgerichtshofs“.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 709

Wer ist dafür? – Wieder das gleiche Stimmverhalten, das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend UG 10, „Einsparung der Insze­nierungsmillion des Bundeskanzlers“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Entschließungsantrag der Abgeordneten Zanger, Kolleginnen und Kollegen betreffend UG 06, „Ausweitung der Prüfkompetenz des Rechnungshofes“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir gelangen zum Entschließungsantrag der Abgeordneten Steger, Kolleginnen und Kollegen betreffend UG 17, „Turnunterricht ermöglichen und Sportstätten öffnen“.

Wer ist dafür? – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Ste­ger, Kolleginnen und Kollegen betreffend UG 17, „finanzielle Soforthilfe für den Sport“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist ebenfalls die Minderheit, abge­lehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Shet­ty, Kolleginnen und Kollegen betreffend UG 17, „Breitensport retten! Maßgeschneiderte Lösungen für KMUs und EPUs jetzt umsetzen“.

Wer ist dafür? – Das ist ebenfalls die Minderheit, abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Ha­fenecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend UG 10, „Covid-19-Transparenzpaket“.

Wer ist dafür? – Ebenfalls die Minderheit, der Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Vol­ker Reifenberger, Kolleginnen und Kollegen betreffend UG 32, „Maskenzwang been­den – Kunst und Kultur beleben“.

Wer ist dafür? – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Volker Reifenberger, Kolleginnen und Kollegen betreffend UG 32, „Insolvenzsi­cherung für auf Grundlage des Kunst-, Kultur- und Sportsicherungsgesetzes ausgege­bene Gutscheine“.

Wer ist dafür? – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Drozda, Kolleginnen und Kollegen betreffend UG 32, „langfristiges Investitionspro­gramm von einer Milliarde Euro für die Kultur- und Kreativwirtschaft“.

Wer ist dafür? – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Brückl, Kolleginnen und Kollegen betreffend UG 32, „rasche Einigung auf einen Kollek­tivvertrag für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Bundesmuseen und der Ös­terreichischen Nationalbibliothek“.

Wer ist dafür? – Das ist die Minderheit.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend UG 12, „Österreichs internationale COVID-19 Hilfe“.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 710

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Lausch, Kolleginnen und Kollegen betreffend UG 13, „bessere budgetäre und per­sonelle Ausstattung der Justizwache“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Kris­per, Kolleginnen und Kollegen betreffend UG 13, „Das einzige, was bei einem zu interve­nieren hat, ist das gesatzte Recht“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Amesbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend UG 18, „Aussetzen des Asylrechts“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Amesbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend UG 11, „finanzielle Besserstel­lung der Exekutive“.

Wer ist dafür? – Das ist die Minderheit.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Rauch, Kolleginnen und Kollegen betreffend UG 43, „Einführung eines Pfandsystems für Einweggetränkeverpackungen“.

Wer ist dafür? – Das ist die Minderheit.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Michael Hammer, David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend UG 14, „Stärkung der Miliz durch Wegfall sozialrechtlicher Nachteile“.

Wer ist dafür? – Das ist einstimmig. (37/E)

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Reinhard Eugen Bösch, Robert Laimer, Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kollegin­nen und Kollegen betreffend UG 14, „dringend notwendige Erhöhung des Bundesheer-Budgets“.

Wer ist dafür? – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten David Stögmüller, Michael Hammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend UG 14, „Stärkung der Autarkie von Kasernen“.

Wer ist dafür? – Einstimmig. (38/E)

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Bösch, Kolleginnen und Kollegen betreffend UG 14, „Wiedereinführung der 8 Mo­nate Grundwehrdienst im Modell 6 + 2 Monate“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend UG 40, „Maskenzwang been­den – Handel und Gastronomie beleben“.

Wer ist dafür? – Das ist die Minderheit.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 711

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Kas­segger, Kolleginnen und Kollegen betreffend UG 40, „Auflösung von Rücklagen der Wirt­schaftskammern zur Unterstützung der heimischen Unternehmen“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Unterstützung. – Das ist die Minderheit.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Rauch, Kolleginnen und Kollegen betreffend UG 40, „unbürokratische Soforthilfe für die Unternehmen durch vollständige Entschädigung für den durch erzwungene Schließun­gen entstandenen finanziellen Schaden“.

Wer ist dafür? – Das ist die Minderheit.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen betreffend UG 42, „Aussetzen der Agrarmarketingbeiträge zur Entlastung der heimischen Landwirte“.

Wer dafür ist, den bitte ich um Zustimmung. – Das ist die Minderheit.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Hau­ser, Kolleginnen und Kollegen betreffend UG 42, „dringende Miteinbeziehung der priva­ten Vermieter von Ferienwohnungen im Rahmen des häuslichen Zu- und Nebenerwerbs mit maximal zehn Betten in den Coronavirus-Härtefallfonds“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Shetty, Kolleginnen und Kollegen betreffend UG 42, „Abberufung automatisch verlänger­ter außerordentlicher Zivildiener“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten An­gerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend UG 42, „sofortigen Importstopp von Billig­holz“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Hammerschmid, Kolleginnen und Kollegen betreffend UG 30, „Bildungsmilliarde: die Zu­kunft unserer Kinder ist systemrelevant“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Künsberg Sarre, Hammerschmid, Brückl, Kolleginnen und Kollegen betreffend UG 30, „Sprachförderung“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mar­tina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen betreffend UG 31, „Erhöhung des Bud­gets des Wissenschaftsfonds“.

Wer dafür ist, den bitte ich um Zustimmung. – Das ist die Minderheit.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Hei­nisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend UG 10, „Erhöhung des Budgets für Frauenangelegenheiten und Gleichstellung“.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 712

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Ecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend UG 10, „Aktionsplan Frauengesundheit“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Schatz, Kolleginnen und Kollegen betreffend UG 10, „den Schutz von intergeschlechtli­chen und Trans*-Personen in Ungarn“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend UG 10, „Echte Gewalt­schutzmaßnahmen statt Rückschritte zu Lasten gewaltbetroffener Frauen und Kinder“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Shet­ty, Kolleginnen und Kollegen betreffend UG 10, „Sichtbare Anerkennung der LGBTIQ-Community anlässlich der Pride Week“.

Wer dafür ist, den bitte ich um Zustimmung. – Das ist die Minderheit.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend UG 10, „Beauftragung und budgetäre Vorkehrung einer Zeitverwendungsstudie“.

Wer dafür ist, den bitte ich um Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend UG 20, „sofortige Erhöhung des Ar­beitslosengeldes“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Be­lakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend UG 20, „Maßnahmenpaket gegen die sektorale Arbeitslosigkeit in Österreich“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Petra Wimmer, Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend UG 25, „Unverzügliche Hilfe für Familien aus dem Familienhärtefonds, Klarheit und Chancenge­rechtigkeit für alle Kinder!“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Petra Wimmer, Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend UG 25, „Mehr Budget für Familienberatungen!“

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend UG 25, „Verdoppelung der Fami­lienbeihilfe in Monaten mit coronabedingter Schulschließung“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 713

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mu­chitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend UG 20, „arbeitsmarktpolitische Sofortmaß­nahmen zur Beschäftigungsförderung“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Holzleitner, Kolleginnen und Kollegen betreffend UG 25, „jährliche Valorisierung der Bundesjugendförderung“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend UG 22, „Retten wir unser Pensions­system und die Zukunftschancen unserer Kinder“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Verena Nussbaum, Kolleginnen und Kollegen betreffend UG 21, „verpflichtende Barrierefreiheit bei der Gewährung von Bundesförderungen“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Be­lakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend UG 21, „Ausführungsgesetze zum So­zialhilfe-Grundsatzgesetz und Adaptierung des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes in COVID-19-Zeiten“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Fiedler, Kolleginnen und Kollegen betreffend UG 21, „Abrechnungskatalog für die Primärversorgungspflege mit der Sozialversicherung“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Vogl, Kolleginnen und Kollegen betreffend UG 21, „Erhöhung der Treuhandfonds­rückerstattung für die ASB Schuldnerberatungen GmbH, Dachorganisation der staatlich anerkannten Schuldenberatungen in Österreich“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Vogl, Kolleginnen und Kollegen betreffend UG 21, „Überziehungszinsen Deckelung“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Auch das ist die Minder­heit, abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen betreffend UG 22, „Reduktion bzw. Erlass von Sozialversicherungsbeiträgen für kleine und mittlere landwirtschaftliche Betriebe in der COVID-19-Krise“.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 714

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend UG 21, „Preismonitoring und Inflationsstopp in COVID-19-Zeiten“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Vogl, Kolleginnen und Kollegen betreffend UG 21, „finanzielle Absicherung der Landesorgani­sationen der Schuldnerberatung“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Kaniak, Kolleginnen und Kollegen betreffend UG 24, „Maßnahmenpaket zum ös­terreichischen Gesundheitssystem nach COVID-19“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Loa­cker, Kolleginnen und Kollegen betreffend UG 24, „Veröffentlichung der KH-Qualitätsin­dikatoren (A-IQI) auf KH-Standortebene“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Dietmar Keck, Kolleginnen und Kollegen betreffend UG 24, „höchstnotwendige Unterstützung von Gnadenhöfen und privaten Vereinen, die sich um Tiere in Not küm­mern“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Kucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend UG 24, „Ausfallshaftung des Bundes für die Krankenversicherung“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Silvan, Kolleginnen und Kollegen betreffend UG 24, „Abdeckung der KV-Fusions­defizite durch den Bund“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Versagen des Vertrauens gegenüber dem Bundesminister für Finanzen“ gemäß Art. 74 Abs. 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes.

Da zu einem solchen Beschluss gemäß Absatz 2 der zitierten Verfassungsbestimmung die Anwesenheit der Hälfte der Abgeordneten erforderlich ist, stelle ich diese ausdrück­lich fest.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich für den gegenständlichen Misstrauensantrag aussprechen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 715

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend UG 45, „Absicherung des Wa­renverkehrs in der Krise“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Grei­ner, Kolleginnen und Kollegen betreffend UG 44, „Sicherung der Gemeindefinanzen in der Krise“.

Wer dafür ist, den bitte ich um Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, ab­gelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend UG 44, „Haftungsobergrenze für Gemeinden“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

09.14.30Verlesung eines Teiles des Amtlichen Protokolls


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Es liegt mir das schriftliche Verlangen von 20 Ab­geordneten vor, die vorgesehene Fassung des Amtlichen Protokolls hinsichtlich der Ge­setzesbeschlüsse der Tagesordnungspunkte 1 bis 4 sowie 6 und 7 zu verlesen, damit diese Teile mit Schluss der Sitzung als genehmigt gelten.

Ich komme zur Verlesung.

Tagesordnungspunkt 1:

„Der Gesetzentwurf wird gemäß dem Ausschussantrag in 175 der Beilagen unter Be­rücksichtigung des Abänderungsantrages Beilage 1/2 in zweiter Lesung in getrennter Abstimmung [...] und in dritter Lesung [...] angenommen.“

(Unruhe im Saal.) – Wenn Sie die Verlesung schon fordern, dann würde ich Sie bitten, wenigstens zuzuhören.

Tagesordnungspunkt 2:

„Der Gesetzentwurf wird gemäß dem Ausschussantrag in 184 der Beilagen in zweiter und dritter Lesung [...] angenommen.“

Tagesordnungspunkt 3:

„Der Gesetzentwurf wird gemäß dem Ausschussantrag in 185 der Beilagen in zweiter und dritter Lesung [...] angenommen.“

Tagesordnungspunkt 4:

„Der Gesetzentwurf wird gemäß dem Ausschussantrag in 173 der Beilagen unter Be­rücksichtigung des Abänderungsantrages Beilage 4/1 in zweiter Lesung [..] und in dritter Lesung [...] angenommen.“

Tagesordnungspunkt 6:

„Der Rückverweisungsantrag Beilage 6/I wird abgelehnt“.

„Der Gesetzentwurf wird gemäß dem Ausschussantrag in 182 der Beilagen in zweiter und dritter Lesung [...] angenommen.“


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll32. Sitzung, 26. bis 29. Mai 2020 / Seite 716

Tagesordnungspunkt 7:

„Der Rückverweisungsantrag Beilage 7/I wird abgelehnt“.

„Der Entwurf des Bundesfinanzgesetzes 2020 sowie dessen Anlage I – Bundesvoran­schlag 2020 einschließlich Gesamtübersichten (Anlagen I.a. bis I.e.) und Anlagen II bis IV werden gemäß dem Ausschussantrag in 183 der Beilagen unter Berücksichtigung der dem Ausschussbericht angeschlossenen Abänderungen und des Abänderungsan­trages Beilage 7/47 in zweiter Lesung in getrennter Abstimmung [...] angenommen.“

„Der Antrag auf Behebung von Widersprüchen Beilage 7/IV wird [...] angenommen.

Der Gesetzentwurf wird in dritter Lesung unter Berücksichtigung des beschlossenen An­trags auf Behebung von Widersprüchen [...] angenommen.“

*****

Erheben sich Einwendungen gegen die Fassung oder den Inhalt dieser Teile des Amtli­chen Protokolls? – Das ist nicht der Fall.

Diese Teile des Amtlichen Protokolls gelten daher gemäß § 51 Abs. 6 der Geschäftsord­nung mit Schluss dieser Sitzung als genehmigt.

09.17.09Einlauf


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf bekannt geben, dass in der heutigen Sit­zung die Selbständigen Anträge 539/A(E) bis 590/A(E) eingebracht worden sind.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates berufe ich für 9.18 Uhr ein.

Die Tagesordnung ist auf schriftlichem Wege ergangen.

Diese Sitzung ist geschlossen.

09.17.36Schluss der Sitzung: 9.17 Uhr

Impressum:

Parlamentsdirektion

1017 Wien