Stenographisches Protokoll
59. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich
XXV. Gesetzgebungsperiode
Mittwoch, 21. Jänner 2015
59. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich
XXV. Gesetzgebungsperiode Mittwoch, 21. Jänner 2015
Dauer der Sitzung
Mittwoch, 21. Jänner 2015: 9.06 – 23.09 Uhr
*****
Tagesordnung
1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Fortpflanzungsmedizingesetz, das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Gentechnikgesetz und das IVF-Fonds-Gesetz geändert werden (Fortpflanzungsmedizinrechts-Änderungsgesetz 2015 – FMedRÄG 2015)
2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetz, das MTD-Gesetz und das Medizinische Assistenzberufe-Gesetz geändert werden
3. Punkt: Bericht über den Antrag 805/A(E) der Abgeordneten Angela Lueger, Angela Fichtinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „verbesserte Kommunikation zu lebensmittel- und verbrauchsgüterbedingten Risiken“
4. Punkt: Bericht über das Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union gemäß Art. 23e B-VG betreffend 10972/14 – Standpunkt des Rates in erster Lesung im Hinblick auf den Erlass der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2001/18/EG betreffend die den Mitgliedstaaten eingeräumte Möglichkeit, den Anbau von genetisch veränderten Organismen (GVO) auf ihrem Hoheitsgebiet zu beschränken oder zu untersagen (32809/EU XXV. GP)
5. Punkt: Bericht über den Antrag 444/A(E) der Abgeordneten Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen zur Abschaffung des Binnen-I
6. Punkt: Bericht über den Antrag 730/A der Abgeordneten Carmen Gartelgruber, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Bundeshymne der Republik Österreich, BGBl. I Nr. 127/2011, geändert wird
7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Landesvertragslehrpersonengesetz 1966, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrpersonengesetz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundesbahngesetz, das Bundes-Bedienstetenschutzgesetz und das Finanzprokuraturgesetz geändert werden
8. Punkt: Sammelbericht über die Petitionen Nr. 14, 21 und 24 sowie über die Bürgerinitiativen Nr. 22, 46 und 52
9. Punkt: Bericht betreffend Erstattung eines Gesamtvorschlages für die Wahl der Vorsitzenden der Parlamentarischen Bundesheerkommission gemäß § 4 Abs. 9 des Wehrgesetzes 2001
10. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Judith Schwentner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 20. März 1975, mit dem die Beschäftigung von Ausländern geregelt wird (Ausländerbeschäftigungsgesetz – AuslBG), in der Fassung des BGBl. I 72/2013, geändert wird (693/A)
11. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Michael Pock, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird (842/A)
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Inhalt
Personalien
Verhinderungen .............................................................................................................. 17
Ordnungsrufe .................................................................................................. 78, 79, 128
Geschäftsbehandlung
Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 2864/AB gemäß § 92 Abs. 1 der Geschäftsordnung ........................................................................................ 65
Durchführung einer kurzen Debatte gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung 176
Redner/Rednerinnen:
Ing. Waltraud Dietrich ................................................................................................ 176
Bundesministerin Mag. Johanna Mikl-Leitner .............................................. 178, 185
Rudolf Plessl ............................................................................................................... 179
Werner Amon, MBA ................................................................................................... 180
Dr. Walter Rosenkranz ............................................................................................... 181
Mag. Alev Korun ......................................................................................................... 183
Martina Schenk ........................................................................................................... 184
Dr. Nikolaus Scherak ................................................................................................. 186
Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z 2 der Geschäftsordnung .......................................................................................................... 65
Verlangen auf Durchführung einer namentlichen Abstimmung ......................... 110, 264
Unterbrechung der Sitzung ............................................................................... 110, 265
Antrag der Abgeordneten Mag. Albert Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen, den Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (454 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Landesvertragslehrpersonengesetz 1966, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrpersonengesetz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundesbahngesetz, das Bundes-Bedienstetenschutzgesetz und das Finanzprokuraturgesetz geändert werden (457 d.B.), gemäß § 53 Abs. 6 Z 2 der Geschäftsordnung an den Verfassungsausschuss rückzuverweisen – Ablehnung ................................................................................... 264, 264
Antrag der Abgeordneten Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen, den Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (454 d.B.): Bundes-
gesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Landesvertragslehrpersonengesetz 1966, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrpersonengesetz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundesbahngesetz, das Bundes-Bedienstetenschutzgesetz und das Finanzprokuraturgesetz geändert werden (457 d.B.), gemäß § 53 Abs. 6 Z 2 der Geschäftsordnung an den Verfassungsausschuss rückzuverweisen – Ablehnung 264, 264
Aktuelle Stunde (16.)
Thema: „Vom Spendierföderalismus zum Verantwortungsföderalismus“ .......... 17
Redner/Rednerinnen:
Mag. Gerald Loacker .................................................................................................... 17
Bundesminister Dr. Johann Georg Schelling .......................................................... 19
Dr. Christoph Matznetter ............................................................................................. 22
Nikolaus Prinz ............................................................................................................... 24
Dr. Walter Rosenkranz ................................................................................................. 25
Mag. Bruno Rossmann ............................................................................................... 27
Dr. Kathrin Nachbaur ................................................................................................... 28
Mag. Dr. Matthias Strolz .............................................................................................. 29
Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger ................................................................................. 31
Mag. Michael Hammer ................................................................................................. 33
MMag. DDr. Hubert Fuchs .......................................................................................... 34
Mag. Daniela Musiol ..................................................................................................... 35
Ing. Robert Lugar ......................................................................................................... 37
Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES .............................................................................. 38
Aktuelle Stunde – Aktuelle Europastunde (17.)
Thema: „TTIP-Verhandlungen: Doppelspiel der Bundesregierung beenden – Nationalratsbeschluss umsetzen“ ..................................................................................................................... 40
Redner/Rednerinnen:
Mag. Werner Kogler ..................................................................................................... 40
Bundeskanzler Werner Faymann ............................................................................... 43
Dr. Josef Cap ................................................................................................................ 46
Jakob Auer .................................................................................................................... 47
Dr. Johannes Hübner ................................................................................................... 49
Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber ............................................................................. 51
Rouven Ertlschweiger, MSc ....................................................................................... 52
Dr. Rainer Hable ........................................................................................................... 54
Mag. Christine Muttonen ............................................................................................. 55
Dr. Angelika Winzig ...................................................................................................... 56
MMMag. Dr. Axel Kassegger ...................................................................................... 58
Mag. Judith Schwentner ............................................................................................. 59
Ulrike Weigerstorfer ..................................................................................................... 61
Michael Pock ................................................................................................................. 62
Bundesregierung
Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 17
Ausschüsse
Zuweisungen .................................................................................................. 64, 280, 280
Dringlicher Antrag
der Abgeordneten Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen betreffend Offensivpaket „Unternehmerisches Österreich“ (855/A)(E) .................................................................................................. 121
Begründung: Josef Schellhorn ................................................................................... 125
Bundeskanzler Werner Faymann ............................................................................. 130
Debatte:
Mag. Dr. Matthias Strolz ............................................................................................ 133
Dr. Christoph Matznetter ........................................................................................... 135
Peter Haubner ............................................................................................................. 137
MMMag. Dr. Axel Kassegger .................................................................................... 138
Dr. Ruperta Lichtenecker .......................................................................................... 141
Dr. Kathrin Nachbaur ................................................................................................. 143
Mag. Nikolaus Alm ..................................................................................................... 145
Mag. Elisabeth Grossmann ...................................................................................... 147
Ing. Hermann Schultes .............................................................................................. 149
Mag. Roman Haider ................................................................................................... 150
Matthias Köchl ............................................................................................................ 153
Dr. Jessi Lintl .............................................................................................................. 155
Dr. Rainer Hable ......................................................................................................... 156
Cornelia Ecker ............................................................................................................ 158
August Wöginger ....................................................................................................... 160
Erwin Angerer ............................................................................................................ 162
Mag. Bruno Rossmann ............................................................................................. 163
Leopold Steinbichler .................................................................................................. 165
Mag. Gerald Loacker .................................................................................................. 169
Wolfgang Katzian ....................................................................................................... 171
Mag. Dr. Maria Theresia Fekter ................................................................................ 173
Dr. Marcus Franz ........................................................................................................ 174
Entschließungsantrag der Abgeordneten MMMag. Dr. Axel Kassegger, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Dringlichkeit der Abschaffung der Mehrfach-Pflichtmitgliedschaften in den Wirtschaftskammern – Ablehnung ...................................................................... 152, 175
Entschließungsantrag der Abgeordneten Leopold Steinbichler, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Qualitätsgütesiegel-Gesetz“ – Ablehnung ......................................................... 167, 176
Ablehnung des Selbständigen Entschließungsantrages (855/A)(E) ............................ 175
Verhandlungen
1. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (445 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Fortpflanzungsmedizingesetz, das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Gentechnikgesetz und das IVF-Fonds-Gesetz geändert werden (Fortpflanzungsmedizinrechts-Änderungsgesetz 2015 – FMedRÄG 2015) (450 d.B.) ............................................................................................ 65
Redner/Rednerinnen:
Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein ......................................................................... 65
Mag. Andreas Schieder ............................................................................................... 69
Dr. Marcus Franz .......................................................................................................... 70
Mag. Michaela Steinacker ........................................................................................... 74
Herbert Kickl ................................................................................................................. 76
Mag. Daniela Musiol ..................................................................................................... 79
Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein (tatsächliche Berichtigung) ............................. 83
Anneliese Kitzmüller .................................................................................................... 84
Dr. Nikolaus Scherak ................................................................................................... 85
Bundesminister Dr. Wolfgang Brandstetter ............................................................. 87
Erwin Spindelberger .................................................................................................... 90
Dr. Erwin Rasinger ....................................................................................................... 94
Dr. Eva Mückstein ........................................................................................................ 95
Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES .............................................................................. 97
Ulrike Königsberger-Ludwig ...................................................................................... 99
Dorothea Schittenhelm ............................................................................................. 100
Michael Ehmann ......................................................................................................... 102
Dr. Franz-Joseph Huainigg ....................................................................................... 103
Bundesministerin Dr. Sabine Oberhauser, MAS ................................................... 104
Claudia Durchschlag ................................................................................................. 105
Dipl.-Ing. Georg Strasser ........................................................................................... 107
Barbara Rosenkranz .................................................................................................. 107
Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Marcus Franz, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Definition des Embryo ab dem Zeitpunkt der Befruchtung der Eizelle“ – Ablehnung ........... 73, 112
Entschließungsantrag der Abgeordneten Erwin Spindelberger, Dorothea Schittenhelm, Dr. Eva Mückstein, Kolleginnen und Kollegen betreffend vereinfachte Auskunftsmöglichkeiten der Kinder – Annahme (E 62) ..................................................................................................................... 82, 112
Annahme des Gesetzentwurfes in 450 d.B. (namentliche Abstimmung) .................... 109
2. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (444 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetz, das MTD-Gesetz und das Medizinische Assistenzberufe-Gesetz geändert werden (451 d.B.) ................................................. 112
Redner/Rednerinnen:
Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein ....................................................................... 112
Johann Hechtl ............................................................................................................. 113
Martina Diesner-Wais ................................................................................................ 114
Dr. Eva Mückstein ...................................................................................................... 114
Mag. Gerald Loacker .................................................................................................. 117
Bundesministerin Dr. Sabine Oberhauser, MAS ................................................... 119
Ing. Markus Vogl ......................................................................................................... 119
Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Ruperta Lichtenecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Harmonisierung der Masseurberufe – Ablehnung 116, 120
Annahme des Gesetzentwurfes in 451 d.B. ................................................................ 119
3. Punkt: Bericht des Ausschusses für Konsumentenschutz über den Antrag 805/A(E) der Abgeordneten Angela Lueger, Angela Fichtinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „verbesserte Kommunikation zu lebensmittel- und verbrauchsgüterbedingten Risiken“ (388 d.B.) ................................ 186
Redner/Rednerinnen:
Peter Wurm ................................................................................................................. 187
Angela Lueger ............................................................................................................ 190
Angela Fichtinger ....................................................................................................... 191
Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber ........................................................................... 192
Ing. Waltraud Dietrich ................................................................................................ 193
Daniela Holzinger, BA ................................................................................................ 194
Mag. Gertrude Aubauer ............................................................................................. 195
Leopold Steinbichler .................................................................................................. 195
Konrad Antoni ............................................................................................................ 197
Martina Diesner-Wais ................................................................................................ 198
Entschließungsantrag der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend Evaluierung und Abänderung der bürokratischen Lebensmittelinformationsverordnung – Ablehnung 188, 199
Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 388 d.B. beigedruckten Entschließung betreffend „verbesserte Kommunikation zu lebensmittel- und verbrauchsgüterbedingten Risiken“ (E 63) 199
4. Punkt: Bericht des Ständigen Unterausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union über das Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union gemäß Art. 23e B-VG betreffend 10972/14 – Standpunkt des Rates in erster Lesung im Hinblick auf den Erlass der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2001/18/EG betreffend die den Mitgliedstaaten eingeräumte Möglichkeit, den Anbau von genetisch veränderten Organismen (GVO) auf ihrem Hoheitsgebiet zu beschränken oder zu untersagen (32809/EU XXV. GP) (443 d.B.) ................................................................ 199
Redner/Rednerinnen:
Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich ................................................................................ 199
Mag. Christine Muttonen ........................................................................................... 200
Mag. Philipp Schrangl ............................................................................................... 201
Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber ........................................................................... 203
Rouven Ertlschweiger, MSc ..................................................................................... 204
Michael Pock ............................................................................................................... 206
Bundesministerin Dr. Sabine Oberhauser, MAS ................................................... 207
Franz Leonhard Eßl .................................................................................................... 207
Michael Ehmann ......................................................................................................... 208
Dipl.-Ing. Georg Strasser ........................................................................................... 209
Mag. Elisabeth Grossmann ...................................................................................... 210
Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Philipp Schrangl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein generelles GVO-Anbauverbot in der Europäischen Union – Ablehnung ............. 202, 211
Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 443 d.B. ..................................................... 211
5. Punkt: Bericht des Gleichbehandlungsausschusses über den Antrag 444/A(E) der Abgeordneten Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen zur Abschaffung des Binnen-I (392 d.B.) ............................................................................................................................. 211
Redner/Rednerinnen:
Wolfgang Zanger ........................................................................................................ 211
Mag. Elisabeth Grossmann ...................................................................................... 213
Martina Schenk .................................................................................................. 213, 216
Claudia Durchschlag ................................................................................................. 214
Mag. Aygül Berivan Aslan ......................................................................................... 215
Michael Pock ............................................................................................................... 216
Katharina Kucharowits .............................................................................................. 217
Asdin El Habbassi, BA .............................................................................................. 218
Wolfgang Knes ........................................................................................................... 219
Barbara Rosenkranz .................................................................................................. 220
Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 392 d.B. ..................................................... 221
6. Punkt: Bericht des Gleichbehandlungsausschusses über den Antrag 730/A der Abgeordneten Carmen Gartelgruber, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Bundeshymne der Republik Österreich, BGBl. I Nr. 127/2011, geändert wird (393 d.B.) 221
Redner/Rednerinnen:
Carmen Schimanek ................................................................................................... 221
Mag. Gisela Wurm ...................................................................................................... 222
Petra Steger ................................................................................................................ 223
Dorothea Schittenhelm ............................................................................................. 225
Mag. Judith Schwentner ........................................................................................... 226
Nurten Yilmaz ............................................................................................................. 227
Herbert Kickl ............................................................................................................... 228
Michael Pock ............................................................................................................... 228
Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 393 d.B. ..................................................... 229
7. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (454 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Landesvertragslehrpersonengesetz 1966, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrpersonengesetz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundesbahngesetz, das Bundes-Bedienstetenschutzgesetz und das Finanzprokuraturgesetz geändert werden (457 d.B.) .................................................. 229
Redner/Rednerinnen:
Mag. Harald Stefan ..................................................................................................... 229
Otto Pendl ................................................................................................................... 231
Mag. Albert Steinhauser ............................................................................................ 250
Mag. Dr. Beatrix Karl ................................................................................................. 251
Ing. Robert Lugar .............................................................................................. 252, 262
Dr. Peter Wittmann .................................................................................................... 253
Dr. Nikolaus Scherak ................................................................................................. 254
Staatssekretärin Mag. Sonja Steßl ........................................................................... 255
Mag. Wolfgang Gerstl ................................................................................................ 258
Christian Lausch ........................................................................................................ 260
Angela Lueger ............................................................................................................ 261
Dieter Brosz, MSc ...................................................................................................... 263
Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Peter Wittmann, Mag. Wolfgang Gerstl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Reformen des Dienst- und Besoldungsrechtes – Annahme (E 64) 259, 266
Annahme des Gesetzentwurfes in 457 d.B. (namentliche Abstimmung) .................... 264
8. Punkt:
Sammelbericht des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen über die Petitionen Nr. 14, 21 und 24
sowie über die Bürgerinitiativen Nr. 22, 46
und 52 (375 d.B.) .......................................................................................................... 266
Redner/Rednerinnen:
Edith Mühlberghuber ................................................................................................. 267
Johann Hechtl ............................................................................................................. 267
Hermann Gahr ............................................................................................................ 268
Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber ........................................................................... 269
Martina Schenk ........................................................................................................... 270
Michael Pock ............................................................................................................... 271
Hannes Weninger ....................................................................................................... 272
Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich ................................................................................ 272
Erwin Preiner .............................................................................................................. 273
Mag. Johannes Rauch ............................................................................................... 273
Johann Hell ................................................................................................................. 274
Mag. Friedrich Ofenauer ........................................................................................... 274
Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 375 d.B. ..................................................... 275
9. Punkt: Bericht des Hauptausschusses betreffend Erstattung eines Gesamtvorschlages für die Wahl der Vorsitzenden der Parlamentarischen Bundesheerkommission gemäß § 4 Abs. 9 des Wehrgesetzes 2001 (449 d.B.) ...................................................................................................................... 275
Redner:
Mag. Christoph Vavrik ............................................................................................... 275
Annahme des Ausschussantrages in 449 d.B. ............................................................ 277
10. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Judith Schwentner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 20. März 1975, mit dem die Beschäftigung von Ausländern geregelt wird (Ausländerbeschäftigungsgesetz – AuslBG), in der Fassung des BGBl. I 72/2013, geändert wird (693/A) ................................................................................................... 277
Redner/Rednerinnen:
Mag. Judith Schwentner ........................................................................................... 277
Rainer Wimmer .......................................................................................................... 278
Dr. Karlheinz Töchterle .............................................................................................. 278
MMMag. Dr. Axel Kassegger .................................................................................... 279
Dr. Nikolaus Scherak ................................................................................................. 279
Zuweisung des Antrages 693/A an den Ausschuss für Arbeit und Soziales ............... 280
11. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Michael Pock, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird (842/A) ................. 280
Zurückziehung des Verlangens auf Durchführung einer ersten Lesung ..................... 213
Zuweisung des Antrages 842/A an den Verkehrsausschuss ...................................... 280
Eingebracht wurden
Regierungsvorlagen ................................................................................................... 64
455: Protokoll zur Änderung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Volksrepublik China über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen
456: Übereinkommen über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut
458: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Neuordnung der Rechtsverhältnisse der Österreichischen Industrieholding Aktiengesellschaft und der Post und Telekombeteiligungsverwaltungsgesellschaft (ÖIAG-Gesetz 2000) und das Bundesgesetz über Maßnahmen zur Sicherung der Stabilität des Finanzmarktes (Finanzmarktstabilitätsgesetz – FinStaG) geändert werden (ÖBIB-Gesetz 2015)
Berichte ......................................................................................................................... 64
Vorlage 51 BA: Bericht über die Genehmigung von Vorbelastungen für das 4. Quartal 2014; BM f. Finanzen
III-137: Bericht betreffend Jahresvorschau des BMJ auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission für 2015 sowie des Achtzehnmonatsprogramms des italienischen, lettischen und luxemburgischen Ratsvorsitzes; BM f. Justiz
Anträge der Abgeordneten
Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen betreffend Offensivpaket „Unternehmerisches Österreich“ (855/A)(E)
Dr. Marcus Franz, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Vollkommene Neuorganisation des Spitalwesens in der Hand des Bundes“ (856/A)(E)
Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schaumweinsteuergesetz 1995 geändert wird (857/A)
Mag. Nikolaus Alm, Kolleginnen und Kollegen betreffend Grundrechte verteidigen (858/A)(E)
Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen betreffend diskriminierungsfreie Blutspende (859/A)(E)
Michael Pock, Kolleginnen und Kollegen betreffend Diskriminierungsfreie Blutspende (860/A)(E)
Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Möglichkeit zur Zusammenlegung von Krankenversicherungen in Reform-Bundesländern (861/A)(E)
Mag. Nikolaus Alm, Kolleginnen und Kollegen betreffend Realwirtschaftsinvestitionsfreibetrag von Euro 100.000 (862/A)(E)
Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einführung Teilarbeitsfähigkeit (863/A)(E)
Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erwerbstätigkeitsanreize in der Bedarfsorientierten Mindestsicherung (864/A)(E)
Mag. Judith Schwentner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird (865/A)
Dr. Eva Mückstein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung eines generellen Rauchverbots in der Gastronomie (866/A)(E)
Mag. Judith Schwentner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gewerberechtliche Trennung von Vermittlungsagenturen und PersonenbetreuerInnen in der 24-h-Betreuung (867/A)(E)
Mag. Albert Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend psychologischer Beratung für SchöffInnen und Geschworene (868/A)(E)
Mag. Daniela Musiol, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl Nr 1/1930, geändert wird (869/A)
Mag. Birgit Schatz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sichtbarmachen von LeiharbeiterInnen im Jahresabschluss (870/A)(E)
Mag. Alev Korun, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kündigung der Abkommen mit dem König Abdullah Zentrum (871/A)(E)
Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend Wiederholungen von Teilprüfungen bzw. von Prüfungsgebieten der abschließenden Prüfung (Matura) (872/A)(E)
Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend Evaluierung und Abänderung der bürokratischen Lebensmittelinformationsverordnung (873/A)(E)
Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die österreichische Staatsbürgerschaft (Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 – StbG), BGBl. Nr. 311/1985, geändert wird (874/A)
Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Potentialanalyse in den Sozialversicherungen (875/A)(E)
Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Potentialanalyse in den Sozialversicherungen (876/A)(E)
Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Transparenz von Beiträgen und Leistungen in der Arbeitslosenversicherung (877/A)(E)
Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zusammenlegung der Sozialversicherungen (878/A)(E)
Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zusammenlegung der Sozialversicherungen (879/A)(E)
Dr. Eva Mückstein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung eines generellen Rauchverbots in der Gastronomie (880/A)(E)
Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmenpaket gegen die sektorale Arbeitslosigkeit in Österreich (881/A)(E)
Harry Buchmayr, Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bewahrung der Vorreiterrolle Österreichs zur Abschaffung der Todesstrafe (882/A)(E)
Zurückgezogen wurde das Verlangen auf erste Lesung binnen drei Monaten über den Antrag der Abgeordneten
Michael Pock, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird (842/A) (Zu 842/A)
Anfragen der Abgeordneten
Dr. Erwin Rasinger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit betreffend Nichtraucherschutz-Initiativen in Österreich (3475/J)
Ing. Markus Vogl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Radfahren auf Forststraßen der Österreichischen Bundesforste AG (3476/J)
Eva-Maria Himmelbauer, BSc, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend barrierefreie Telekommunikation (3477/J)
Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien betreffend Redimensionierung des Weltmuseums (3478/J)
Dr. Kathrin Nachbaur, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft betreffend „Wirtschaftsstandort: Nachholbedarf bei der Hightech-Industrie in Österreich“ (3479/J)
Dietmar Keck, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft betreffend der Handelsabkommen CETA, TTIP, TiSA die vorliegen bzw. in Verhandlung sind (3480/J)
Jakob Auer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit betreffend den durch die existenzielle Gefährdung der heimischen Geflügelproduktion bedingten Rückgang der Inlandsversorgung (3481/J)
Ulrike Königsberger-Ludwig, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Verpartnerung am Standesamt (3482/J)
Ulrike Königsberger-Ludwig, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Familien und Jugend betreffend Verpartnerung am Standesamt (3483/J)
Ulrike Königsberger-Ludwig, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Verpartnerung am Standesamt (3484/J)
Dr. Peter Pilz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend neue Hubschrauber für die Polizei (3485/J)
Mag. Albert Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Häftlingszahlen, bedingte Entlassungen, Entlassungen gem. § 133a StVG, gemeinnützige Leistung, sowie elektronisch überwachter Hausarrest im Jahr 2014 (3486/J)
Daniela Holzinger, BA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Familien und Jugend betreffend „TOP-Jugendticket für alle unter 26 Jahren“ (3487/J)
Mag. Bernd Schönegger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidigung und Sport betreffend Verkauf von Rüstungsgütern ins Ausland (3488/J)
Mag. Bernd Schönegger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidigung und Sport betreffend die geplanten Einsparungen von 200 Millionen Euro (3489/J)
Dorothea Schittenhelm, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit betreffend „Mammographie“ und Brustkrebsvorsorge (3490/J)
Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Werner Faymann vermeintlich als Privatperson bei den Bilderbergern (3491/J)
Hannes Weninger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Zustand österreichischer Grundwasserkörper (3492/J)
Zurückgezogen wurden die Anfragen der Abgeordneten
Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidigung und Sport betreffend „Crowdfunding“ im Sport (3451/J) (Zu 3451/J)
Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidigung und Sport betreffend Verbesserung des Trainerberufs (3452/J) (Zu 3452/J)
Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidigung und Sport betreffend Neugestaltung des Eislaufvereins am Wiener Heumarkt (3453/J) (Zu 3453/J)
Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidigung und Sport betreffend sportliche Aktivität in Verbindung mit dem Ausbildungsgrad (3454/J) (Zu 3454/J)
Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidigung und Sport betreffend des vergangenen Sportministerrates in Brüssel und im speziellen über das dort behandelte Hauptthema „Sport und körperliche Aktivität im Schulalter“ (3462/J) (Zu 3462/J)
Anfragebeantwortungen
der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen (2907/AB zu 3057/J)
der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Wendelin Mölzer, Kolleginnen und Kollegen (2908/AB zu 3061/J)
der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen (2909/AB zu 3066/J)
der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Susanne Winter, Kolleginnen und Kollegen (2910/AB zu 3060/J)
des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen (2911/AB zu 3240/J)
des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen (2912/AB zu 3063/J)
des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Susanne Winter, Kolleginnen und Kollegen (2913/AB zu 3058/J)
des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen (2914/AB zu 3079/J)
des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen (2915/AB zu 3155/J)
des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Martina Schenk, Kolleginnen und Kollegen (2916/AB zu 3246/J)
des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Roman Haider, Kolleginnen und Kollegen (2917/AB zu 3059/J)
des Bundesministers für Europa, Integration und Äußeres auf die Anfrage der Abgeordneten Tanja Windbüchler-Souschill, Kolleginnen und Kollegen (2918/AB zu 3054/J)
der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Tanja Windbüchler-Souschill, Kolleginnen und Kollegen (2919/AB zu 3055/J)
der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen (2920/AB zu 3073/J)
der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen (2921/AB zu 3074/J)
des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Rainer Hable, Kolleginnen und Kollegen (2922/AB zu 3064/J)
des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Tanja Windbüchler-Souschill, Kolleginnen und Kollegen (2923/AB zu 3056/J)
der Bundesministerin für Bildung und Frauen auf die Anfrage der Abgeordneten Michael Pock, Kolleginnen und Kollegen (2924/AB zu 3071/J)
des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen (2925/AB zu 3115/J)
des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen (2926/AB zu 3093/J)
der Bundesministerin für Familien und Jugend auf die Anfrage der Abgeordneten Michael Pock, Kolleginnen und Kollegen (2927/AB zu 3072/J)
des Bundesministers für Europa, Integration und Äußeres auf die Anfrage der Abgeordneten Petra Bayr, MA, Kolleginnen und Kollegen (2928/AB zu 3080/J)
der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen (2929/AB zu 3084/J)
der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen (2930/AB zu 3089/J)
der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen (2931/AB zu 3098/J)
der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen (2932/AB zu 3105/J)
der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen (2933/AB zu 3107/J)
der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen (2934/AB zu 3116/J)
der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Albert Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen (2935/AB zu 3119/J)
der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Rudolf Plessl, Kolleginnen und Kollegen (2936/AB zu 3125/J)
der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Rudolf Plessl, Kolleginnen und Kollegen (2937/AB zu 3126/J)
der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Philipp Schrangl, Kolleginnen und Kollegen (2938/AB zu 3128/J)
der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Harald Troch, Kolleginnen und Kollegen (2939/AB zu 3131/J)
der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Christoph Hagen, Kolleginnen und Kollegen (2940/AB zu 3135/J)
des Bundesministers für Europa, Integration und Äußeres auf die Anfrage der Abgeordneten Elisabeth Hakel, Kolleginnen und Kollegen (2941/AB zu 3077/J)
des Bundesministers für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen (2942/AB zu 3075/J)
des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen (2943/AB zu 3078/J)
des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen (2944/AB zu 3103/J)
des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen (2945/AB zu 3113/J)
des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Christiane Brunner, Kolleginnen und Kollegen (2946/AB zu 3121/J)
des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Josef A. Riemer, Kolleginnen und Kollegen (2947/AB zu 3110/J)
des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen (2948/AB zu 3127/J)
des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Christiane Brunner, Kolleginnen und Kollegen (2949/AB zu 3129/J)
des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Leopold Steinbichler, Kolleginnen und Kollegen (2950/AB zu 3153/J)
des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Erwin Spindelberger, Kolleginnen und Kollegen (2951/AB zu 3069/J)
der Bundesministerin für Bildung und Frauen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen (2952/AB zu 3114/J)
der Bundesministerin für Bildung und Frauen auf die Anfrage der Abgeordneten Brigitte Jank, Kolleginnen und Kollegen (2953/AB zu 3132/J)
der Bundesministerin für Bildung und Frauen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen (2954/AB zu 3094/J)
der Bundesministerin für Gesundheit auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller, Kolleginnen und Kollegen (2955/AB zu 3118/J)
der Bundesministerin für Gesundheit auf die Anfrage der Abgeordneten Josef A. Riemer, Kolleginnen und Kollegen (2956/AB zu 3108/J)
der Bundesministerin für Gesundheit auf die Anfrage der Abgeordneten Josef A. Riemer, Kolleginnen und Kollegen (2957/AB zu 3106/J)
der Bundesministerin für Gesundheit auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Philipp Schrangl, Kolleginnen und Kollegen (2958/AB zu 3088/J)
der Bundesministerin für Gesundheit auf die Anfrage der Abgeordneten Josef A. Riemer, Kolleginnen und Kollegen (2959/AB zu 3109/J)
der Bundesministerin für Gesundheit auf die Anfrage der Abgeordneten Josef A. Riemer, Kolleginnen und Kollegen (2960/AB zu 3111/J)
der Bundesministerin für Gesundheit auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen (2961/AB zu 3097/J)
des Bundesministers für Europa, Integration und Äußeres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen (2962/AB zu 3092/J)
des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen (2963/AB zu 3099/J)
der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen (2964/AB zu 3141/J)
der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen (2965/AB zu 3142/J)
der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen (2966/AB zu 3143/J)
der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen (2967/AB zu 3144/J)
der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen (2968/AB zu 3145/J)
der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen (2969/AB zu 3146/J)
der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen (2970/AB zu 3147/J)
der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen (2971/AB zu 3148/J)
der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen (2972/AB zu 3149/J)
des Bundesministers für Landesverteidigung und Sport auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Roman Haider, Kolleginnen und Kollegen (2973/AB zu 3083/J)
des Bundesministers für Landesverteidigung und Sport auf die Anfrage der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen (2974/AB zu 3086/J)
der Bundesministerin für Gesundheit auf die Anfrage der Abgeordneten Josef A. Riemer, Kolleginnen und Kollegen (2975/AB zu 3085/J)
des Bundesministers für Landesverteidigung und Sport auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen (2976/AB zu 3100/J)
des Bundesministers für Europa, Integration und Äußeres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen (2977/AB zu 3117/J)
des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen (2978/AB zu 3102/J)
des Bundesministers für Europa, Integration und Äußeres auf die Anfrage der Abgeordneten Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen (2979/AB zu 3140/J)
des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen (2980/AB zu 3104/J)
des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Julian Schmid, BA, Kolleginnen und Kollegen (2981/AB zu 3120/J)
des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Reinhold Lopatka, Kolleginnen und Kollegen (2982/AB zu 3133/J)
des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen (2983/AB zu 3137/J)
des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen (2984/AB zu 3138/J)
des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen (2985/AB zu 3090/J)
des Bundesministers für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen (2986/AB zu 3091/J)
der Bundesministerin für Familien und Jugend auf die Anfrage der Abgeordneten Anneliese Kitzmüller, Kolleginnen und Kollegen (2987/AB zu 3124/J)
der Bundesministerin für Familien und Jugend auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen (2988/AB zu 3095/J)
der Bundesministerin für Bildung und Frauen auf die Anfrage der Abgeordneten Ing. Robert Lugar, Kolleginnen und Kollegen (2989/AB zu 3123/J)
der Bundesministerin für Bildung und Frauen auf die Anfrage der Abgeordneten Ing. Robert Lugar, Kolleginnen und Kollegen (2990/AB zu 3122/J)
des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen (2991/AB zu 3081/J)
des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen (2992/AB zu 3096/J)
des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Philipp Schrangl, Kolleginnen und Kollegen (2993/AB zu 3082/J)
des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Christoph Hagen, Kolleginnen und Kollegen (2994/AB zu 3134/J)
des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Werner Amon, MBA, Kolleginnen und Kollegen (2995/AB zu 3150/J)
des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kollegen (2996/AB zu 3139/J)
Beginn der Sitzung: 9.06 Uhr
Vorsitzende: Zweiter Präsident Karlheinz Kopf, Dritter Präsident Ing. Norbert Hofer.
*****
Präsident Karlheinz Kopf: Guten Morgen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 59. Sitzung des Nationalrates.
Die Amtlichen Protokolle der 57. und 58. Sitzung vom 14. Jänner 2015 sind in der Parlamentsdirektion aufgelegen und unbeanstandet geblieben.
Als verhindert gemeldet ist unsere leider erkrankte Frau Präsidentin Doris Bures, weiters auch die Abgeordneten Keck, Kirchgatterer, Kucher, Lipitsch, Höfinger, Dipl.-Kffr. (FH) Pfurtscheller, Dr. Bösch, Doppler, Mag. Hauser, Ing. Höbart, Dr. Karlsböck, Themessl, Hagen und Dr. Vetter.
Ich wünsche der Frau Präsidentin sowie auch allenfalls anderen erkrankten Kolleginnen und Kollegen von dieser Stelle aus rasche Genesung.
Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung
Präsident Karlheinz Kopf: Für diese Sitzung hat das Bundeskanzleramt über Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung folgende Mitteilung gemacht:
Der Vizekanzler Dr. Reinhold Mitterlehner wird durch den Staatssekretär im Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Dr. Harald Mahrer sowie der Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres Sebastian Kurz durch die Bundesministerin für Familien und Jugend Dr. Sophie Karmasin vertreten.
*****
Ich gebe bekannt, dass diese Sitzung von ORF 2 bis 13 Uhr und von ORF III in voller Länge übertragen wird.
Präsident Karlheinz Kopf: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde mit dem Thema:
„Vom Spendierföderalismus zum Verantwortungsföderalismus“
Als Erster zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Mag. Loacker. Ich erteile Ihnen das Wort und mache Sie darauf aufmerksam, dass die Redezeit 10 Minuten nicht überschreiten darf. – Bitte.
9.08
Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister Schelling! Hohes Haus! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie und vor den Fernsehschirmen! Vom Spendierföderalismus zum Verantwortungsföderalismus: 2015 ... (Unruhe im Sitzungssaal.) – Man merkt, die Schulklasse hat sich eine Woche nicht gesehen, es ist noch etwas Unruhe im Saal. – 2015 wird ein arbeitsreiches Jahr für die Bundesregierung, insbesondere für den Finanzminister: zum einen, weil die Steuerreform ansteht, und zum anderen, weil die Finanzausgleichsverhandlungen anstehen. Nicht einleuchtend ist die Tatsache, dass diese beiden Reformen ge-
trennt voneinander betrachtet und behandelt werden, denn in Wirklichkeit greifen sie inhaltlich wie Zahnräder ineinander und können eben nicht voneinander getrennt beurteilt werden. (Abg. Rädler: Oberlehrer!)
Wenn man eine Entlastung der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler erreichen will, dann muss man für einen sorgfältigen Umgang mit den Steuergeldern sorgen, und ich bin schwer in Sorge, ob man mit den geplanten Reformen dieses Ziel erreichen kann. Der Finanzausgleich, der die Beziehungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden auf finanzieller Ebene regelt, wäre das Steuerinstrument, um zielgerichtet zu steuern, welche konkreten Aufgaben mit welchem Geld auf welcher Ebene erledigt werden und inwiefern die Entscheidungsträger dafür dann auch zur Verantwortung gezogen werden.
An einem einfachen Beispiel aus einem Nachbarland erklärt: Wenn in der Schweiz ein Hallenbad gebaut wird, dann bekommen die Bürger die Fakten geliefert: die Dimensionen, die Kosten und was es für die Gemeindesteuer bedeutet, wenn dieses Hallenbad gebaut wird, und in weiterer Folge wird darüber entschieden. Und es ist völlig klar, dass derjenige, der für die Ausgaben verantwortlich ist, auch für die Einnahmen zu sorgen hat und am Schluss politisch dafür geradesteht.
In Österreich würde ein solcher Bau eines Hallenbads zu einer Kostenüberschreitung von 50 bis 100 Prozent führen, eine Zeitverzögerung würde eintreten, und alles, was übrig bliebe, wäre ein riesengroßes Denkmal für die Misswirtschaft, die ihresgleichen sucht. Aber der Bürgermeister würde Glück haben, weil er der Bevölkerung ein Hallenbad verschafft hätte, und für die Schulden, die er damit fabriziert hätte, würde er nicht geradestehen müssen.
Das können wir auch jetzt beobachten, 2015, wo wir Gemeindewahlen haben – in Kärnten, Niederösterreich, Vorarlberg, Oberösterreich und der Steiermark –, dort werden jetzt wieder Gemeindesäle renoviert, Schulen erneuert, Feuerwehrautos angeschafft. Das Auftragsbuch von Rosenbauer möchte ich einmal hinsichtlich eines Zusammenhangs mit den Gemeindewahlen untersuchen.
Und wenn ... (Zwischenruf des Abg. Rädler.) – Ja, Herr Bürgermeister Rädler, das weiß ich schon, dass Sie Politik danach machen, wie Sie gewählt werden, aber es wäre auch gut, Politik im Sinne der Steuerzahler zu machen. (Abg. Rädler: ! Herr Oberlehrer!) Dass hier jede Möglichkeit fehlt, die Verantwortungsträger heranzuziehen, wenn sie Misswirtschaft betreiben, zeigen uns zum Beispiel die Städte Linz und Wien mit ihren Frankengeschäften. Das bleibt ohne jede Konsequenz für die Verantwortlichen.
Es gibt auch nach wie vor kein Insolvenzrecht für Gebietskörperschaften, obwohl uns die Bundesländer Kärnten und Salzburg ebenso wie die Stadt Linz Symbole der Misswirtschaft vor Augen führen, die jeden Unternehmer schon längst in den Konkurs gezwungen hätten.
Und gleichzeitig – das darf man nicht vergessen – gibt es Gemeinden, die sorgfältig wirtschaften, wo die Bürgermeister auf die Gemeindekassen schauen, nur mit der Konsequenz, dass die Bürger der sparsamen Gemeinden nichts davon haben, weil die verschwenderischen das Gesamtbudget so belasten.
Die Ortskaiser, Herr Abgeordneter Rädler, und die Landesfürsten haben subjektiv ja gar nicht das Gefühl, dass sie das Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler ausgeben, weil der Prozess ein ganz anderer ist. Der Bund presst die Bürger aus wie Zitronen, und die Landesfürsten pressen den Bund aus und freuen sich, dass sie dem Finanzminister einen ordentlichen Batzen Geld abgejagt haben, denken aber nicht daran, dass dieser Batzen Geld von ihren Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern beglichen werden muss, von ihren Wählern zu Hause. Stattdessen stimmen sie sie mit Wahlgeschenken gnädig. (Abg. Wöginger: So ein Blödsinn!)
Wie wir schon mehrmals betont haben, gibt es hier natürlich vonseiten der NEOS ganz klare Lösungsansätze, die nicht wir erfunden haben, sondern die die Experten immer wieder empfehlen, nämlich die Koppelung von Aufgaben, Einnahmen und Ausgaben. Daher ist erhöhte Steuerautonomie für Länder und Gemeinden essenziell, wenn wir dem politischen Opportunismus entgegenwirken und wenn wir für einen verantwortungsvollen Umgang mit Steuergeld sorgen wollen.
Der beste Schutz der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler vor Schröpfung ist immer noch die regionale Steuerautonomie, weil dann auch verglichen werden kann, wie das denn die Nachbargemeinde und das Nachbarbundesland löst. Dann müsste sich zum Beispiel ein Landeshauptmann dafür rechtfertigen, warum die Einkommensteuer in Oberösterreich einen Prozentpunkt niedriger ist als im Nachbarbundesland oder es in Mittersill günstiger geht als in Kufstein oder umgekehrt.
Diese Vergleichbarkeit von Gebietskörperschaften, Herr Bundesminister, können Sie persönlich auch noch verbessern, indem endlich die schon zugesagten einheitlichen Rechnungslegungsvorschriften für alle Bundesländer kommen; denn was die Republik von fast jedem Unternehmer verlangt, das muss für eine Gebietskörperschaft eine Selbstverständlichkeit sein.
Die Finanzausgleichsverhandlungen stehen in den Startlöchern, Herr Minister, und da würde ich gerne von Ihnen hören, wie Sie sich positionieren. Die Mehrheit der Landeshauptleute spricht sich klar für eine Steuerautonomie der Länder aus. Erwin Pröll hat erst kürzlich im „Standard“ verlauten lassen, dass er sich eine Diskussion über die Abgabenautonomie wünscht, weil damit der langwährenden Diskussion darüber, dass die Länder Geld lediglich ausgeben, entgegengetreten werden könne, und hier wolle er einen wesentlichen ersten Schritt in diese Richtung sehen. Damit steht er nicht allein da, die Landeshauptleute Platter, Haslauer, Wallner und Häupl argumentieren ebenfalls in diese Richtung.
Da bin ich allerdings skeptisch, ob das auch gelingen wird. Von SPÖ und ÖVP sind wir es gewohnt, dass eher lauwarme Kompromisse das Ergebnis der Verhandlungen sind, und ich möchte Sie deswegen daran erinnern, dass der Umgang mit Steuergeld ebenso wichtig, ja in unseren Augen noch wichtiger ist als die Kompromisse innerhalb der Regierungsfraktionen. Es müssen die Haushalte offengelegt werden – einheitlich, standardisiert und vollständig – und es darf kein Geld mehr zwischen Bund, Ländern und Gemeinden versickern, nur weil wir es in den Finanzausgleichsverhandlungen, und da muss ich eigentlich sagen, weil Sie es in den Finanzausgleichsverhandlungen nicht schaffen, den Finanzdschungel zu lichten.
Daher unsere Aufforderung an Sie, Herr Bundesminister: Schützen Sie nicht länger die Verschwender in den Gemeinden und vor allem in den Ländern, schützen Sie die Steuerzahler und Steuerzahlerinnen! Werden Sie aktiv und geben Sie den Ländern und Gemeinden die Macht in die Hand, selbst Steuern einzuheben – mehr Steuern und weniger Steuern –, und geben Sie damit den Bürgerinnen und Bürgern die Macht, ihre Verantwortungsträger heranzuziehen, wenn Misswirtschaft betrieben wird, und diese zu belohnen, wenn sie gut wirtschaften! – Danke. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten des Teams Stronach.)
9.16
Präsident Karlheinz Kopf: Zu einer einleitenden Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich nun Herr Finanzminister Dr. Schelling. – Bitte, Herr Minister.
9.16
Bundesminister für Finanzen Dr. Johann Georg Schelling: Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich zuerst dafür bedanken, dass dies Thema in der Aktuellen Stunde ist, weil es ein Thema ist, das uns seit
Langem bewegt. Es ist kein neues Thema, es gibt auch viele Fragen, die schon vielfach gestellt und von mir schon vielfach beantwortet wurden – auch wenn man es nicht überall gehört hat –, und ich möchte einige einleitende Positionen dazu beziehen.
Als Erstes würde ich doch darum bitten, dass es zu keinen Pauschalverurteilungen kommt. Es gibt Kommunen – das wissen alle, auch Matthias Strolz, der aus einer kleinen Gemeinde kommt –, die durchaus hochökonomisch und effizient agieren. Deswegen sollte es keine Pauschalverurteilungen dahin gehend geben, dass alle Gemeinden, wie Sie gemeint haben, verschwenderisch seien. Die Gemeinden haben große Verantwortung in ihrer Nähe zum Bürger, in ihrer Leistung für die Bürgerinnen und Bürger.
Daher möchte ich gleich zum zweiten Grundsatz überleiten: Ich glaube, dass das Thema Föderalismus in der Form, wie Sie es präsentiert haben, zu kurz greift. Wir müssen, wie ich meine, das Grundprinzip der Subsidiarität diskutieren, also die Frage stellen, auf welcher Ebene der Körperschaften welche Leistung wie erbracht werden soll und wie sie effizient und verantwortungsvoll ausgeführt werden kann. Die Frage „zentral oder dezentral“ greift hier, glaube ich, zu kurz.
Ich bin der Meinung, dass wir in aller Breite eine Diskussion hinsichtlich der Frage führen sollten, was auf der kommunalen, der Bezirks-, Landes- und Bundesebene passiert, immer unter Berücksichtigung dessen, was von der übergeordneten supranationalen Ebene, der Europäischen Union, noch dazukommt. Daher glaube ich, dass es richtig ist, diese Diskussion jetzt auch in dieser Öffentlichkeit zu führen, denn es gibt dazu verschiedene Lösungsansätze und Anmerkungen, die wichtig sind.
Erster Punkt: Sie kritisieren, dass die Steuerreform und der Finanzausgleich nicht gleichzeitig gemacht werden. Sie wissen – es ist ja hier beschlossen worden –, dass der gültige Finanzausgleich bis Ende 2016 verlängert wurde. Wenn wir nun im März dieses Jahres eine Steuerreform beschließen, dann wirkt sich das auf den laufenden Finanzausgleich aus. Daher ist es wichtig, für die budgetäre Planung der Länder für das Jahr 2016 sicherzustellen, dass sie die Auswirkungen der Steuerreform kennen. Dass das natürlich ein anderes langfristiges Projekt in der Frage des Finanzausgleichs ist, ist überhaupt kein Thema.
Zweiter Punkt: Der Finanzausgleich ist nur ein Teil dieser Diskussion. Das ist keine Grundsatzdiskussion über die Frage „Föderalismus oder Nichtföderalismus“, denn der Finanzausgleich ist nur ein Steuerungsinstrument in diesem System. Und daher glaube ich, dass wir gut daran getan haben, diese Frage über viele Jahre zu klären. Auch der Österreich-Konvent hat hier hervorragende Arbeit geleistet.
Worum es jetzt gehen wird, ist, zu Einigungen darüber zu kommen, wie wir in Zukunft mit der Verantwortlichkeit umgehen. Hier habe ich im Rahmen der Diskussionen über den Finanzausgleich etliche Dinge schon gesagt. Eines davon ist, dass, so glaube ich, wenn man das Subsidiaritätsprinzip ernst nimmt, die erste Stufe die Vornahme einer Aufgabenkritik ist: Wer hat zurzeit welche Aufgaben, und wie werden sie wahrgenommen? Wir werden dann vielleicht merken, dass nicht alles so läuft, wie wir es uns wünschen. Nach dieser Aufgabenkritik sollten wir uns gemeinsam dazu entschließen, einen aufgabenorientierten Finanzausgleich mit dem Ziel zu machen, die Zuständigkeit und Verantwortlichkeit in eine Hand zu bekommen.
Ich halte auch in der jetzigen Diskussion betreffend die verschiedensten Bereiche der Ressorts nichts davon, dass einer bestellt und der andere bezahlt. Daher bin ich für diese Diskussion durchaus offen. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP, FPÖ, Team Stronach und NEOS. – Zwischenruf des Abg. Walter Rosenkranz.)
Ich habe daher angekündigt, dass wir uns im Rahmen des Finanzausgleichs in einer Arbeitsgruppe selbstverständlich auch die Frage von autonomen Steuern anschauen werden. Wir wollen dort – Start ist die Einladung der Schweizer Finanzministerin – ein-
mal aufzeigen, welche Probleme und Chancen solche Möglichkeiten bergen. Ich möchte Ihnen, Herr Loacker, aber aus meinem Kenntnisstand sagen: Die Einigkeit betreffend diese Frage ist innerhalb der Länder nicht sehr groß. Es ist genauso, wie Sie gesagt haben: Es gibt welche, die das befürworten, und es gibt auch welche, die das völlig ablehnen. Ich bitte doch, zu beachten, dass eine Diskussion am Schluss so verläuft, dass wir eine Frage, die von so entscheidender Bedeutung ist, mehrheitsfähig aufbereiten, und in diesem Fall – darf ich dazusagen – wird die Entscheidung einstimmig sein müssen. Daher werde ich diese Arbeitsgruppe im Rahmen des Finanzausgleichs einberufen, um diesen Weg zu beschreiten.
Der dritte entscheidende Punkt – und das haben Sie zu Recht angesprochen – ist die Frage der Finanzströme, die dann weiterlaufen. Die Finanzströme von den Ländern zu den Kommunen – das habe ich immer erklärt und bleibe dabei – müssen transparenter werden. Das ist überhaupt keine Frage! Daraus resultierend habe ich hier gesagt, wir werden die Harmonisierung des Haushaltsrechts vornehmen. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP, Grünen und NEOS sowie der Abg. Nachbaur.)
Die Harmonisierung des Haushaltsrechts ist so gut wie ausverhandelt, aber Sie alle hier im Hause wissen, dass es interessanterweise keine alleinige Entscheidung des Finanzministers ist, diese Verordnung zu erlassen, sondern ich brauche die Zustimmung des Präsidenten des Rechnungshofes. Daran arbeiten wir zurzeit intensivst, und ich habe selbst mehrere Gespräche mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Rechnungshofes, aber auch mit dem Präsidenten des Rechnungshofes geführt, damit wir da zu einer Lösung kommen.
Ich bitte Sie, einen Punkt, der damit im Zusammenhang steht, auch mitzunehmen: Es geht nicht um die Harmonisierung des Haushaltsrechts auf der Länderebene – das ist ein entscheidender Punkt! –, sondern wir brauchen dieselbe Harmonisierung auch auf der kommunalen Ebene, damit eben die Transferströme, die im Rahmen des Finanzausgleichs vorgenommen werden, sichtbar und transparent sind. Ziel ist es, dass wir durch diese Harmonisierung und die vergleichbaren Daten, die zur Verfügung stehen, Benchmarks setzen können, Best-Practice-Beispiele erkennen können und auch klar aufzeigen können, in welchen einzelnen Strukturen es bessere Modelle beziehungsweise schlechte Modelle gibt. Dann sollten wir diesen Finanzausgleich in diese Richtung bringen.
Ich glaube daher, dass es wichtig ist, dass das neben der Harmonisierung des Haushaltsrechts im ersten Quartal, also bis März, abgeschlossen ist, und ich gehe davon aus, dass das auch gelingt. Wir haben daher die Diskussionen zu intensivieren, vor allem was die Ebene der Kommunen anbelangt. Ich denke, dass wir schon Verständnis dafür haben müssen, dass bestimmte Kleinstkommunen das nicht unbedingt nach demselben weitgehenden Prinzip des Bundeshaushaltsrechts machen können – aber vergleichbar, in dieselbe Richtung gehend.
Ich erinnere mich an die Diskussion im Budgetausschuss: Als der Rechnungshofpräsident den Rechnungsabschluss 2013 präsentiert hat, diesen erstmals nach den neuen Regeln dargestellt hat, haben die einen gesagt: Ja ist denn das nicht verrückt, dass wir 19 000 Seiten Unterlagen bekommen?!, und die anderen haben gesagt: Das ist uns alles noch viel zu wenig! Daher sollten wir da einen Ausgleich finden. Wir sind auf einem guten Weg, dass wir das gleichzeitig durchbringen, auch wenn es möglicherweise zeitversetzt in Kraft treten wird.
Es wird auch von großer Bedeutung sein, die Frage zu beantworten, wie der Prozess weitergeht, denn dieser Prozess ist ein Teilprozess dessen. Ich meine, eine Erkenntnis bei den verantwortlichen Verhandlern auf Ebene der Länder und Kommunen gesehen zu haben. Auch wenn man seit 20 Jahren über die Frage der Kompetenzen trefflich streitet und zu keinen Einigungen kommt – obwohl es viele Lösungsansätze gibt –, könn-
te es ja durchaus gelingen, dass wir über den Umweg des Geldes zu einer Ordnung der Kompetenzen kommen. Das muss auch ein Ziel des Finanzausgleichs sein.
Noch einmal zum Prozess Finanzausgleich: Wir starten im April mit einer Kick-off-Veranstaltung mit den Ländern und Gemeinden. Wir werden im Mai die Schweizer Finanzministerin zu einem Vortrag zum Thema Chancen und Risken kommunaler Steuern einladen.
Ich möchte aber auch dazusagen, dass sie mir zwei Botschaften mitgegeben hat: Erstens, in der Schweiz ist das alles mit der direkten Demokratie gekoppelt, und da müssen wir auch die Kultur in diesem Bereich ändern. Ich habe immer folgendes Beispiel gebracht: Wenn in der Schweiz darüber abgestimmt wird, ob die Urlaubswochen verlängert werden sollen, dann stimmen die Schweizer mit Nein; bei uns würde man noch eine Woche drauflegen, und das neben dem, was gefordert wird. (Abg. Kickl: Testen wir’s einmal!) Das heißt, wir brauchen eine Kultur, in der jeder begreift, dass das, was wir entscheiden, auch etwas kostet. Wenn wir das schaffen, ist es gut so. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP, Team Stronach und NEOS sowie der Abg. Moser. – Abg. Kickl: Die ÖVP muss nicht !)
Zweitens: Ich habe immer gesagt und bleibe dabei: Die Quelle allen Geldes sind die Bürgerinnen und Bürger. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Kickl.) Wir in der Politik haben die Verantwortung, mit dem Geld sorgsam umzugehen. Das trifft nicht nur für den Bund zu, das trifft auch für die Länder und die Gemeinden zu.
Ein weiterer Punkt ist ganz entscheidend. – Die Schweizer Finanzministerin hat zu mir gesagt, was nicht passieren soll, nämlich: dass es auf der Länderebene einen ruinösen Steuerwettbewerb gibt, der dann dazu führt, dass die Länder, wenn ihnen das Geld ausgeht, zum Bund kommen und sagen: Bitte gib mir etwas! Diesen Weg wollen wir nicht beschreiten, daher braucht es also klare Spielregeln.
Ich gehe davon aus, dass wir im Rahmen der Verhandlungen, die wir im April beginnen werden, zu einem Ergebnis kommen werden, dass wir das Richtige entscheiden und nicht nur das Populistische weiterverfolgen werden. (Abg. Moser: So soll es sein!) Unsere Aufgabe als Politiker ist es, das Richtige populär zu machen und nicht das Populistische zum Richtigen zu erklären. (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten von Team Stronach und NEOS sowie der Abgeordneten Moser und Weninger.)
9.26
Präsident Karlheinz Kopf: Wir gehen in die Debatte ein.
Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Teilnehmer an dieser Aktuellen Stunde 5 Minuten nicht übersteigen darf.
Zu Wort gemeldet hat sich nun Herr Abgeordneter Dr. Matznetter. – Bitte.
9.26
Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren, die schon zu früher Morgenstunde der Plenarsitzung folgen! Herr Mag. Loacker, in der Medizin ist es so, dass ein Grundsatz nicht vergessen werden sollte, nämlich: Anamnese, Diagnose, dann Therapie, eventuell Rehabilitation, dann ist der Patient gesund. (Zwischenruf der Abg. Moser.) Vertauschen Sie diese Reihenfolge, ist das maximal Kurpfuscherei, wahrscheinlich Scharlatanerie und am Ende schädlich.
Das sollten Sie auch bei der Gründung neuer Parteien beachten – also: erstens eine Idee haben, zweitens ein Programm haben, dann erst die Leute aufstellen und dann kandidieren. Die umgekehrte Reihenfolge, wie es die NEOS machen – ohne Inhalt anzutreten, dann mit Aktionismus anzufangen (Abg. Strolz: Das ist ein Blödsinn ! – Zwi-
schenruf des Abg. Brosz), um populär zu werden –, ist zu wenig. Da wird diese Reihenfolge nicht eingehalten. (Abg. Strolz: Das ist ein völliger Topfen!) Daher müssen wir hier gemeinsam daran arbeiten, dass sich etwas entwickelt. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)
Der Herr Bundesminister hat darauf hingewiesen, dass das Thema durchaus okay ist, denn wir müssen das angehen, dass die Effizienz in einem relativ komplizierten Gebilde auch bei uns im Land stimmt – keine Frage! Wir haben fünf Verwaltungsebenen: die Europäische Union, eine Bundesebene, eine Landesebene, eine Bezirksebene und eine Gemeindeebene. Die Frage ist, ob wir wirklich fünf Ebenen brauchen. Das ist eine Frage, die man sich immer wieder stellen kann und die auch schon gestellt wurde, mit wechselhaftem Erfolg. Ich erinnere an diverse Vorstöße: In der Steiermark hat es einen Landespolitiker gegeben, der vor 20 Jahren plötzlich drei Bundesländer machen wollte. – Er ist gleich öffentlich „hingerichtet“ worden.
Es gab auch den Vorschlag – ich glaube, es war Bundeskanzler Gusenbauer, der das einmal gesagt hat –, man solle die Bezirksebene weglassen. – Er wurde auch dafür angegriffen, obwohl das genau jene Ebene wäre, die nicht demokratisch legitimiert ist (Abg. Kickl: Schauen Sie einmal, wie man mit denen umgeht, die Europa hinterfragen!) und wo wir praktische Erfahrung haben. Die österreichischen Statutarstädte verwalten viel besser als die mittelbare Bundesverwaltung oder die Bundesverwaltung.
Ich bin Wiener, ich habe den Unterschied selbst erlebt. Lassen Sie sich heute in Wien einen Pass ausstellen! – Tausend zu eins, und nicht, weil bei der Polizei, die das früher gemacht hat, alle unfähig gewesen wären! Ich glaube, dass die österreichischen Gemeinden, wenn sie eine ausreichende Größe haben, eine sehr gute, fast perfekte Form im Verhältnis Bürger/öffentliche Hand haben und dass wir uns zumuten können – das sehen wir gerade bei den städtischen Strukturen –, ihnen mehr Verantwortung zu übertragen. (Zwischenruf des Abg. Walter Rosenkranz.)
Jetzt komme ich zur Frage der Bezahlung: Natürlich kommt dauernd das Argument, die sollen sich das gefälligst selbst einheben. Das wird lustigerweise oft von denselben Politikern vertreten, die hier kritisieren, wie stark die Gebührenerhöhungen sind, beim Wasser, beim Müll oder sonst wo. (Zwischenruf des Abg. Strolz.) Sie kritisieren genau dort, wo die Autonomie besteht, und sagen gleichzeitig: Jetzt sollen sie die Einkommensteuer und womöglich die Körperschaftsteuer auch noch selber einheben! (Abg. Kickl: Häupl könnte die Reichensteuer !)
Liebe Freunde! Europa hat ein Problem, nämlich leere Kassen in zehn von achtundzwanzig Staaten. Warum? – Weil die internationalen Konzerne keinen Cent mehr auf dem Kontinent zahlen. (Zwischenrufe der Abgeordneten Podgorschek, Loacker und Strolz.) Wieso ist das so? Wieso gibt es LuxLeaks? – Weil in Luxemburg niemals der Sitz des größten Onlinehändlers wäre, wenn man ihn mit Vereinbarungen nicht künstlich hingeholt hätte. (Abg. Kickl: Wer hat diesen Mann im Amt bestätigt?) Ist das effizient? – Nein! Ist das der optimale Standard? – Nein! Es ist nur ein Nutzen von Steueroasen. (Abg. Strolz: Sie haben das entschieden! – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Kickl.)
Jetzt gibt es Personen, die nicht nachdenken, kein Programm haben, die gewählt werden, weil sie neu sind, die sich hier hersetzen und das in Österreich einrichten wollen. (Abg. Strolz: Sie wollten das so!) Zu Recht verweist Bundesminister Schelling darauf, dass ein ruinöser Steuerwettbewerb am Ende allen schadet. Schauen Sie sich den Kontinent an! – Kein Griechenland, kein Spanien, kein Irland ohne den! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)
Meine Dame und Herren von den NEOS, wenn Sie Marktwirtschaft wollen, brauchen Sie ein einheitliches Spielfeld (Zwischenruf des Abg. Neubauer), so dass nicht jeder Einzelne tricksen und sagen kann: Bei mir kriegst du in 48 Stunden die Steuer zurück!, sondern: gleiches Recht, gleiche Verhältnisse, einheitlicher Standort. Dann gewinnt der,
der die am besten ausgebildeten Leute und den besten Standort hat, und dann funktioniert die Marktwirtschaft. Das sei Ihnen ins Stammbuch geschrieben. Holen Sie die Programmatik nach, vielleicht ist es das nächste Mal besser! Ich wünsche viel Glück, meine Damen und Herren! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)
9.31
Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Prinz. – Bitte.
9.31
Abgeordneter Nikolaus Prinz (ÖVP): Sehr geehrter Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Entscheidungen sollen dort fallen, wo die Menschen betroffen sind, oder – wie unser Finanzminister Hans-Jörg Schelling es einmal im Parlament ausdrückte –: Wir müssen es schaffen, die Zuständigkeiten und die Verantwortlichkeiten zusammenzubringen.
Was uns die NEOS heute als Aktuelle Stunde verkaufen wollen, ist der Versuch, ihre Ideen einmal einer größeren Menschengruppe näherzubringen. Das ist ihr gutes Recht, neu ist das allerdings nicht. (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.) Denken wir an den Landtagswahlkampf in Vorarlberg, wo Matthias Strolz mit dem Sager aus der heutigen Aktuellen Stunde durchaus schon durch die Lande gezogen ist! Mit welchem Ergebnis? – Wahlziel klar verfehlt!
Kommen wir aber zurück zum Thema, das durchaus spannend ist. Natürlich ist es notwendig, offen über Kompetenzbereinigungen zu diskutieren, aber mit Augenmaß und ganz sicher nicht mit der Brechstange, wie etwa nach dem Motto der NEOS: Liebe Landesparlamente, wenn ihr nicht tut, was wir wollen, schaffen wir euch einfach ab! – Das kann nicht der Weisheit letzter Schluss sein. (Abg. Strolz: Oh ja, abschaffen!)
Für einen aufgabenorientierten Finanzausgleich, wie wir ihn uns vorstellen, braucht es aber zuerst eine Aufgabenreform. In einem ersten Schritt müssen wirklich alle Pflichtaufgaben, Pflichtbereiche der einzelnen Kommunen definiert werden – was können die Gemeinden erledigen? –, und als nächsten Schritt gilt es natürlich, die Aufgaben und Kompetenzen der einzelnen Gebietskörperschaften entsprechend festzulegen. Erst dann kann man über Prozentsätze oder Ähnliches weiterdiskutieren.
Eine Grundvoraussetzung ist natürlich – darum geht es auch mir persönlich –, dass im Finanzausgleich möglichst jeder Bürger gleich viel wert ist, egal, wo er wohnt. Der abgestufte Bevölkerungsschlüssel muss endlich fallen. Ich denke, es geht auch darum, dass wir den ländlichen Raum nicht durch eine ungerechte Verteilung der Finanzmittel in der zukünftigen Entwicklung behindern.
Ich komme selber aus einer kleinen Gemeinde, einer Mühlviertler Gemeinde, und bin dort Bürgermeister. Daher ist es mir auch wichtig, den ländlichen Raum entsprechend zu unterstützen. Wir müssen uns von der Philosophie, dass der ländliche Raum der Ausgleichsraum für Ballungsräume ist, verabschieden. Wir müssen von Bürgern gleichen Ranges und gleicher Wertigkeit reden und ausgehen. (Beifall bei der ÖVP.)
Meine Damen und Herren! Es wird gerne darüber diskutiert, dass die Städte überörtliche Aufgaben wahrzunehmen haben. – Ja, das ist so. Man soll aber auch dazusagen, dass sie im Verhältnis überproportional profitieren und auch höhere Steuereinnahmen durch ihre Standortvorteile haben.
Kommen wir aber zurück zu dem von den NEOS sprichwörtlich kreierten Verantwortungsföderalismus: Ich denke, es ist auch an der Zeit, über eine gerechte Verteilung der Kommunalsteuer nachzudenken. Wo wohnen die Menschen? Wo arbeiten sie? Für die Zukunft wäre eine gerechte Verteilung der Kommunalsteuer zwischen Arbeitsort und Wohnort durchaus zu diskutieren. – Da darf man durchaus applaudieren, weil es wirklich ein ganz wichtiger Punkt ist: Gerechtigkeit für die Bürger! (Beifall bei der ÖVP.)
Weiters gilt es natürlich, im Rahmen des Finanzausgleichs über die demografische Entwicklung nachzudenken. Denken wir an Regionen, die mit Abwanderung kämpfen, denken wir an die zukünftige Entwicklung im Gesundheits- und Pflegebereich! Denken wir auch an die Niederlassung von Ärzten auf dem Land! In diesen Bereichen gilt es weiterzuarbeiten, nachzudenken, auch im Bereich der gemeindeübergreifenden Zusammenarbeit und der Betriebsgebietsentwicklung. Ich denke, das sind wertvolle Ansätze.
Als Oberösterreicher bin ich in der glücklichen Lage, Ihnen einige positive Beispiele für Zusammenarbeit nennen zu können, die in meinem Bundesland bereits erfolgreich umgesetzt sind. Wir sind uns der Verantwortung, die wir im Umgang mit öffentlichen Geldern haben, durchaus bewusst und versuchen, diese Verantwortung auch entsprechend zu leben.
In Oberösterreich funktioniert zum Beispiel die Gemeindezusammenarbeit im Bereich der Bezirksabfallverbände hervorragend. Denken wir auch an die Zusammenarbeit im Bereich Wasser und Kanal oder an gemeindeübergreifende Bauhöfe! Als Vorzeigeprojekt in Österreich gilt die oberösterreichische Lösung beim Erhalten des ländlichen Wegenetzes. Die Güterwege sind die Lebensadern des ländlichen Raumes. In Oberösterreich geschieht das gemeindeübergreifend in den Verbänden mit Unterstützung des Landes. Wie Sie sehen, sind wir bei der Ausnützung von Synergien bereits sehr weit, und ich finde, das ist auch gut so.
Oberösterreich hat als eines der Bundesländer bewiesen, dass nicht nur Reformeifer gegeben ist, sondern auch etwas umgesetzt wird. Denken wir an die Spitalsreform oder an andere Umsetzungen im Bereich der Verwaltungsvereinfachung! (Zwischenruf des Abg. Pirklhuber.) Während sich die NEOS noch mit Überschriften beschäftigen, setzen Oberösterreich und andere Bundesländer konkrete Schritte, was den verantwortungsvollen Umgang mit Steuergeld betrifft. Auf dieser Ebene gilt es weiterzuarbeiten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)
9.36
Präsident Karlheinz Kopf: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Rosenkranz zu Wort gemeldet. – Bitte.
9.36
Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Nach der letzten Rede könnte man fast den Verdacht haben, dass in Oberösterreich vielleicht bald Landtagswahlen sein werden. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Abgeordneten von Grünen und NEOS.)
Meine Vorredner von SPÖ und ÖVP und auch der Herr Bundesminister haben vom Rednerpult aus Worte verkündet, bei denen ich gedacht habe: Bumm, die kennen sich aber gut aus, die wissen, wie es geht! – Sie sind echte Ankündigungsriesen, aber seit Jahrzehnten Umsetzungszwerge. Herr Bundesminister, Sie sind von großer Statur, auch das, was Sie heute hier gesagt haben, ist wichtig, Sie haben nur ein Problem: Sie sind eingebettet in eine Koalition von SPÖ und ÖVP, in einem Land, in dem genau diejenigen, um die es jetzt geht, nämlich die Bundesländer und die dort Verantwortlichen, kein Interesse daran haben, auch nur irgendetwas zu ändern.
Natürlich haben wir die föderale Struktur in unserer Verfassung, und aus freiheitlicher Sicht ist das auch gut so, denn es wurde schon gesagt, Verantwortung, Kompetenz, Entscheidung gehören auch dorthin, wo man näher beim Menschen ist. Das ist die Gemeinde, das ist das Land, und letztlich ist es der Bund; das muss man hier machen.
Herr Bundesminister, Sie haben den Verfassungskonvent zitiert. – Wir sind hier nicht in einer historischen Abhandlung, der Verfassungskonvent ist jetzt mittlerweile zehn Jahre her. Wo bleibt jegliche Umsetzung dessen, was Herr Kollege Matznetter oder auch
Sie heute genannt haben? Wo ist die Umsetzung? (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Loacker.)
Heute haben wir gehört, das ist ein guter Weg, aber vielleicht gibt es eine Zeitverzögerung. – Also Entschuldigung, Zeitverzögerung, das sind vielleicht wenige Bruchteile von Minuten, Stunden oder Tagen, aber das, was Sie hier betreiben, ist in Wirklichkeit Verweigerung. Und eines steht nicht in der Bundesverfassung: blockieren, behindern, betonieren, Macht, Machterhalt, Machtausbau und Machtmissbrauch auf Geheiß von Parteisekretariaten.
An die Redner von SPÖ und ÖVP gerichtet: Herr Kollege Matznetter – ich sehe ihn jetzt gerade nicht, ich weiß nicht, von wem er sich einen Rüffel oder eine Weisung holen muss –, die Macht Ihrer Partei in Fragen des Föderalismus, das, was Sie hier erzählen, reicht in Wirklichkeit nur einen Steinwurf weit bis ins Wiener Rathaus, wo Sie mit 180 gegen die Betonmauer fahren. Und für Sie, Kollegen aus der ÖVP, endet sie bereits in St. Pölten, wo Sie ebenfalls mit 180 gegen die Betonmauer fahren. Alles, was hier für einen konstruktiven Föderalismus geschehen soll, geschieht in Wirklichkeit nicht. (Beifall bei der FPÖ sowie der Abgeordneten Loacker und Vavrik. – Zwischenruf des Abg. Prinz.)
Kollege Prinz, Ihr Professionalismus hat sich eigentlich nur darin gezeigt, dass Sie in Ihrer Rede hundertmal das wunderschöne Bundesland Oberösterreich angeführt haben. Da hat offensichtlich ein Ghostwriter gesagt: Das muss einmal hinein! (Ruf bei der ÖVP: Das ist der Neid!) In jedem Bundesland wird gute Arbeit geleistet, und in sehr vielen Gemeinden wird gute Arbeit geleistet.
Und zur Ansicht der NEOS, dass so verschwendet wird: Es kann in den österreichischen Gemeinden und auch in vielen niederösterreichischen Gemeinden – sogar in Niederösterreich ist eine Wahl – gar nicht mehr verschwendet werden, weil kein Geld mehr dafür da ist. Es geht einfach nicht mehr. Es werden nicht mehr die Bauprojekte eröffnet, sondern nur mehr die Styropormodelle in irgendwelchen Gemeindestuben, für etwas anderes reicht es nicht mehr, Hauptsache ist, die lokalen Medien berichten darüber. (Zwischenruf des Abg. Prinz.) Aber es gibt auch verschiedenste Beispiele, zu denen man sagen muss: Diejenigen, die Zentralismus haben wollen, sind eindeutig auch auf dem falschen Weg. Ich möchte da ein Beispiel aus der jüngsten Vergangenheit zitieren.
Die Frau Bundesministerin für Unterricht Heinisch-Hosek hat gesagt: Man muss jetzt bei den Schulen schauen, dass man anstatt der Kleinschulen eine Struktur schafft, die dahin geht, dass 300 Kinder in jede Schule gehen. Was hat es gegeben? – Natürlich föderal zu Recht den Aufschrei der Bundesländer, denn wenn man so einen Zentralismus hat, bei dem man in einem Elfenbeinturm im Ministerium am Reißbrett irgendetwas machen will, und dies ohne Kenntnis der wahren Struktur, dann hat es zu Recht einen entsprechenden Aufschrei unter den Bundesländern gegeben, dass man wahnsinnig viele Schulen schließen müsste.
Dann lautet die Überschrift wieder: Ministerin Heinisch-Hosek rudert zurück. Meine Damen und Herren, das, was Sie in Fragen der Föderalismusreform machen, ist nichts anderes als Stillstand, und wenn nicht, dann wird nur zurückgerudert, aber auch diese Sache ist nichts anderes als das, was die schwarz-rote oder rot-schwarze – man kann die Farben austauschen, wie man will – Koalition überall praktiziert. In jeder Reformbestrebung herrscht Stillstand, und das haben sich die Österreicher, egal, ob zentral oder föderal, wirklich nicht verdient. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)
9.41
Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Rossmann. – Bitte.
9.41
Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Beispiel, das mein Vorredner zur Föderalismusdebatte zitiert hat, das Heinisch-Hosek jüngst gebracht hat, ist ein Beispiel, das ich inhaltlich nicht teile, aber es ist ein gutes Beispiel dafür, wie Föderalismusdebatten in Österreich seit Jahrzehnten ablaufen.
Ein Minister, eine Ministerin macht einen Vorschlag, postwendend melden sich einige Landeshauptleute und sagen: Nein! (Abg. Wöginger: Logischerweise! – Ruf: Warum nicht?!) Es gilt aber auch das Umgekehrte: Kommt einmal ein Vorschlag von den Ländern, dann wird er häufig vom Bund abgelehnt. (Zwischenruf des Abg. Wöginger.)
Eine konstruktive Debatte kommt jedenfalls nicht zustande, und das zeigt auch dieses Beispiel der Schulen. Was hat Landeshauptmann Platter gesagt? – Er hat gesagt: Das ist nicht ernst zu nehmen. (Abg. Wöginger: Eh nicht!) Die Wortwahl alleine zeigt und sagt schon alles. Platter hat gesagt: Na so nicht!, und hat einen Gegenvorschlag gebracht, von dem er genau gewusst hat, dass er für den Bund nicht akzeptierbar ist. Mit dieser Haltung und dieser Form der Debatte in Föderalismusfragen, die wir seit Jahrzehnten erleben, werden wir in Österreich keinen Schritt weiterkommen. Und wir wissen ganz genau, dass es im Rahmen des Finanzausgleichs und des Föderalismus erhebliche Systemmängel und finanzpolitische Schieflagen gibt – das ist ja nichts Neues.
Das beginnt bei der mangelnden Steuerhoheit von Ländern und Gemeinden, und ich bin nicht für einen, möchte ich auch einmal an dieser Stelle sagen, ruinösen Wettbewerb, aber, Herr Kollege Matznetter, für einen dosierten Wettbewerb und für mehr Verantwortung in dieser Frage bin ich jedenfalls. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der NEOS.)
Es fehlt das Definieren von strategischen Zielen. Wir haben es mit einem Transferchaos zu tun. Es fehlt ein sparsamer Umgang mit Steuermitteln. Es fehlt ein aufgabenorientierter Finanzausgleich und vieles mehr. Es wird in der Debatte schlicht und einfach ignoriert, dass Finanzausgleich und Föderalismus untrennbar miteinander verknüpft sind, und was wir in Österreich erleben, ist, dass allein in Finanzausgleichsdebatten das Ziel der Verteilung der Mittel dominiert, Stichwort: Die Knete muss stimmen.
Es dominieren Besitzstandsdenken, es dominieren überholte Denkmuster, es dominieren Machtspiele von Landesfürsten auf Basis überholter Föderalismusmodelle aus den 1920er-Jahren, die einfach nicht mehr in die heutige Zeit passen, und diese Machtspiele werden auf dem Rücken der Bürgerinnen und Bürger ausgetragen. (Beifall bei den Grünen.)
Die Folge ist, dass wir komplexe, ineffiziente, das heißt teure Strukturen haben, dass wir es mit einer Verschwendung öffentlicher Mittel in föderalen Fragen zu tun haben, und damit muss Schluss gemacht werden. Das heißt, wir brauchen ein Föderalismusmodell neu, und ich glaube längst nicht mehr an Totalreformen im Bundesstaat. Als gelernter Österreicher weiß ich – und habe das viele Jahre lang verfolgt –, dass das nicht funktionieren wird. Davon, glaube ich, müssen wir uns verabschieden. Aber was Zukunft hat und Zukunft haben muss, das sind flexible, differenzierte, partnerschaftliche Lösungen, bei denen es ein Miteinander geben muss, nicht ein Gegeneinander, wie wir es in den letzten Jahrzehnten erlebt haben.
Es müssen Einzelprojekte definiert werden, in verschiedensten Funktionsbereichen, im Schulbereich, im Bildungsbereich, im Bereich Gesundheit, im Bereich des öffentlichen Verkehrs, im Bereich der Kinderbetreuung und in vielen anderen Bereichen, und natürlich müssen dabei bestimmte Strukturen und Grundprinzipien berücksichtigt werden. Natürlich brauchen wir ein einheitliches Haushaltsrecht, um endlich miteinander vergleichen zu können.
Wir müssen sparsam mit öffentlichen Mitteln umgehen, das heißt, das Prinzip der Effizienz muss eines der zielführenden und tragenden Elemente sein. Es müssen strategische Ziele definiert werden, und es müssen auch die Bürger an diesem Prozess stärker beteiligt werden. Die Kernfrage, die sich stellt, ist: Wie kommen wir von diesem teuren, verschwenderischen Föderalismus – ich nenne ihn Vollzugsföderalismus – zu einem neuen Reformprozess?
Eines der zentralen Elemente, und da gebe ich Ihnen, Herr Minister Schelling, recht, muss sein, dass wir zu einer verbesserten Gesprächsbasis in diesem Land kommen, dass wir gemeinsame strategische Ziele definieren, dass wir nicht mehr aus dem hohlen Bauch heraus argumentieren, sondern auf Basis von Daten und Datengrundlagen, dass wir voneinander lernen, dass wir von den Besten lernen, dass wir Bürger stärker beteiligen und dass wir Partnerschaft leben. Auch die Gemeinden müssen als gleichwertiger Partner im Finanzausgleichsprozess Berücksichtigung finden, das war bisher nicht der Fall, und am Beginn müssen Leitprojekte stehen und definiert werden, die spätestens 2017 beginnen sollten. Was nicht sein darf, ist, dass dieser Finanzausgleich von 2008 noch einmal verlängert wird. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Pock.)
9.47
Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Nachbaur. – Bitte.
9.47
Abgeordnete Dr. Kathrin Nachbaur (STRONACH): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Hohes Haus! (Abg. Kickl: Sehr geehrte Steuerzahler!) Sehr geehrte Steuerzahler! Wir haben von Herrn Finanzminister Schelling schon einiges Erfreuliche gehört, aber dennoch bleibt viel zu sagen.
Die „NZZ“ schreibt, der österreichische „Wohlfahrtsstaat frisst die Zukunft seiner Kinder“. Wir wissen, wir haben diese weltrekordverdächtige Steuer- und Abgabenlast von über 45 Prozent. Die Schweiz hat im Übrigen eine Abgabenlast von 35 Prozent, und dort macht die Armut bekannterweise keine Schlagzeilen. In Deutschland gibt es eine Steuer- und Abgabenquote von 40 Prozent, und dort gibt es sogar einen milliardenschweren Überschuss.
Gäbe es in Österreich dieselbe Steuer- und Abgabenlast wie in Deutschland, blieben jedem Österreicher jedes Jahr rund 1 700 € mehr im Geldbörsel, aber der Staat Österreich müsste mit 23 Milliarden € weniger auskommen, und das tut weh, wenn der Staat einmal selbst sparen muss, bei sich und nicht bei den Bürgern. (Beifall beim Team Stronach und bei Abgeordneten der NEOS.)
Die Deutschen hatten außerdem letztes Jahr einen saftigen Reallohnzuwachs. Auch wenn Bundeskanzler Faymann immer wieder betont, er sei stolz darauf, dass wir Deutschland sehr nahestehen und in manchen Bereichen sogar besser seien als die Deutschen – davon kann man in Österreich nur träumen, denn in Österreich sinken die Reallöhne kontinuierlich seit sechs Jahren.
Schuld daran ist natürlich der gefräßige Staat, wie mein Kollege Vetter immer zu sagen pflegt, vertreten durch die Sozialdemokratie und die gemäßigte Sozialdemokratie, weil wir die höchste Inflationsrate im Euroraum haben, nämlich durch vom Staat gemachte hohe Kosten, hohe Gebühren, hohe Tarife und hohe Steuern, sodass die Leute oft gar nicht genug zum Leben haben.
Außerdem ist der gefräßige Staat auch schuld, weil er den Leuten durch die kalte Progression fast 3 Milliarden € jährlich an Geld wegnimmt. Das ist eine nicht demokratisch legitimierte jährliche Steuererhöhung. Diese gehört selbstverständlich sofort abgeschafft. (Beifall beim Team Stronach.)
Der Staat bedient sich gnadenlos bei den Steuer zahlenden Bürgern, um seine Rolle als machtbewusster Umverteiler auszuüben, machtbewusst deshalb, weil Umverteilung Macht bedeutet. Er bedient sich am Geld der Bürger, um alle möglichen ineffizienten Staatsstrukturen finanzieren zu können. Dazu gehört insbesondere auch die österreichische Ausprägung des Föderalismus. Wir haben in unserem Land nämlich die allerteuerste Form der Staatsstruktur: einen Einnahmenzentralismus im Wasserkopf Wien und einen Ausgabenföderalismus bei den Ländern.
Die Verantwortung für das Geldeinnehmen und -ausgeben gehört aber selbstverständlich zusammen, denn die Bürger brauchen einen unmittelbaren Bezug: Wofür wird ihr hart erarbeitetes Steuergeld ausgegeben? – Wenn es für etwas Sinnvolles ausgegeben wird, dann steigt natürlich auch die Steuermoral. Sehr geehrter Herr Finanzminister Schelling, Sie haben es schon angesprochen, die Schweiz ist ein gutes Vorbild, die Verwaltungskosten sind dort um ein Drittel niedriger als in Österreich. Aber Sie bezweifeln, dass die Österreicher reif für mehr Eigenverantwortung sind, und da widerspreche ich Ihnen. Trauen wir den Österreichern mehr zu! (Beifall beim Team Stronach sowie des Abg. Hable.)
Wichtig ist auch das Thema Transparenz. Es gibt unzählige Landeshaftungen und ausgelagerte Schulden, und ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrem Plan der Konsolidierung. Dass sich beispielsweise diverse Bundesländer mit Steuergeldern an Währungsspekulationen mit dem Franken-Kredit beteiligen, ist ein Riesenskandal. Mit Steuergeldern dürfen selbstverständlich keine riskanten Spekulationsgeschäfte betrieben werden! Stellen Sie sich vor, die Stadt Wien hat mit einem Schlag seit ein paar Tagen 300 Millionen € mehr an Schulden. Und dem hätten die Wiener sicher nicht zugestimmt, hätte man sie gefragt.
Das Gleiche gilt für das Hypo-Alpe-Adria-Desaster und die damit verbundenen horrenden Landeshaftungen, die es nicht nur in Kärnten durch diesen Vier-Parteien-Beschluss, sondern auch in vielen anderen Bundesländern gibt. Da komme ich wiederum zur Stadt Wien: 2001 betrugen die Haftungen der Stadt Wien für die damalige Zentralsparkasse 122 Milliarden €. Und trotz des Verkaufs der Bank Austria an die HVB 2006 haftet die Stadt Wien heute noch mit rund 6 Milliarden €. Auch dem hätten die Wiener sicher nicht zugestimmt. (Beifall beim Team Stronach und bei Abgeordneten der NEOS.)
Was wir brauchen, ist ein Insolvenzrecht für Gebietskörperschaften und Transparenz für alle Haftungen und Schulden. Es geht nicht, dass Bereiche ausgelagert werden und dann aus den Büchern verschwinden. Wir brauchen natürlich Steuerhoheit für gewisse Einnahmen bei den Ländern, Steuerwettbewerb ist immer gut. Da gibt es einen klaren Gewinner, nämlich den Bürger.
Und letztlich: Trauen wir den Bürgern mehr zu! Diese würden sicher nicht so viel Geld für diverse Unsinnigkeiten ausgeben wie Politiker, die wiedergewählt werden wollen. – Danke. (Beifall beim Team Stronach und bei Abgeordneten der NEOS.)
9.52
Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Strolz. – Bitte.
9.53
Abgeordneter Mag. Dr. Matthias Strolz (NEOS): Herr Präsident! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Bürgerinnen und Bürger auf der Galerie, zu Hause und an den Bildschirmen! Die Aktuelle Stunde befasst sich mit dem Thema „Vom Spendierföderalismus zum Verantwortungsföderalismus“. Ja, Herr Kollege Prinz, wir NEOS kommen nicht mit einem neuen Thema, aber wir werden immer wieder mit diesem Thema kommen, wir werden eine neue Verantwortungskultur in diesem Land reklamieren. Und die wird es brauchen. (Beifall bei den NEOS.)
Österreich braucht eine Mentalitätsreform, sonst wird es das nicht spielen, dass wir den Wohlstand, den wir heute haben, an unsere Kinder weitergeben können. Wenn wir nicht zu mehr Verantwortung kommen, zu mehr Rechenschaftspflicht, Herr Prinz, dann wird der Wohlstand Schritt für Schritt abnehmen. Dahin sind wir schon unterwegs. Die heute unter 30-Jährigen verdienen im Vergleich bereits jetzt mehr als 10 Prozent weniger als jene Anfang der nuller Jahre. Sie haben mehr als 10 Prozent weniger für ihr Leben zur Verfügung. Das äußert sich dann darin, dass zwei junge Menschen mitunter doppelt verdienen, sich aber nicht einmal ein Eigenheim leisten können. Das ist die Richtung, in die wir unterwegs sind, während die Herren Pröll und Häupl munter dahinspekulieren.
Damit wechsle ich vom Herrn Prinzen zu einem König, nämlich zu Ihnen, Herr Matznetter. Sie sind der König der Ignoranz. Ich habe es Ihnen schon mehrfach erklärt, wie das bei NEOS funktioniert. Sie meinen, wir haben kein Programm. Sie beleidigen Tausende von Menschen. Wir sind mit zwei Menschen gestartet. Innerhalb von drei Jahren sind wir auf über 13 000 Menschen angewachsen. Wir haben österreichweit aktuell 120 Themengruppen, die an Inhalten arbeiten. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.) Die SPÖ hat ihr Programm zuletzt 1998 präsentiert. Sie könnten (Abg. Kickl: Der Blecha arbeitet eh!) – Blecha arbeitet am neuen Programm, wunderbar. Da wünsche ich Herrn Blecha und Herrn Cap alles Gute, in diesem Privatissimum zu zweit! Bei uns arbeiten aktuell wieder über tausend Menschen. (Beifall bei den NEOS.)
Wir haben allein vor dem Nationalratswahltag über 250 000 ehrenamtliche Stunden investiert. (Abg. Matznetter: Da ist wenig herausgekommen!) – Herr Matznetter, ich habe Ihnen ein Starterkit, so eine Beginnertüte, von NEOS zusammengestellt, damit Sie das einmal studieren können, damit Sie hier draußen nicht immer dieselben Unwahrheiten verbreiten müssen. Das übergebe ich Ihnen anschließend.
Vom Prinzen zum König zum Minister (Zwischenruf des Abg. Matznetter): Herr Minister Schelling, haben Sie gemerkt, dass Sie mehr Applaus von den Grünen, von den NEOS und vom Team Stronach bekommen als von der eigenen Partei? (Abg. Obernosterer: Ja ha ha ha! – Allgemeine Heiterkeit.) – Von der eigenen Partei werden Sie offensichtlich ausgelacht, das ist besonders bitter. (Zwischenrufe der Abgeordneten Podgorschek und Obernosterer.)
Wissen Sie, mir taugt das, Ihre Ankündigungen sind sehr gut. Auch Ihre Analysen sind sehr gut. Sie haben nur die falschen Regierungsparteien hinter sich. Von der SPÖ gab es zu keiner Sekunde Applaus, und die ÖVP war noch nicht ganz bei der Sache, oder jedenfalls glaubt sie selbst nicht daran, was Sie hier vorhaben. (Beifall bei den NEOS.)
Das Problem ist, Sie haben mit diesen zwei Regierungsparteien zwei Klötze an Ihren Beinen, mit denen Sie nicht weiterkommen werden. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das ist das Problem. Unsere Unterstützung werden Sie für diese Pläne, die Sie auftischen, haben, denn natürlich, Herr Matznetter, Steuerwettbewerb ist etwas Gutes.
Nur, Sie haben recht. Sie wollen alles über einen Kamm scheren, Herr Matznetter, das haben wir schon einmal probiert. (Abg. Matznetter: Hans Peter Haselsteiner ! Das ist eine Millionärspartei!) Alle sind gleich, nur ein paar sind ein bisschen gleicher. Das haben wir tausendfach auf diesem Planeten probiert. Das nennt man Kommunismus, was Sie wollen! (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Matznetter.) Das ist aber nicht Marktwirtschaft. Marktwirtschaft braucht klare Regeln, da bin ich bei Ihnen – klare Regeln! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten des Teams Stronach.)
Und das haben Sie verabsäumt. Das haben die Konservativen und die Sozialdemokraten verabsäumt, die Europa regieren. Sie haben das verabsäumt. Sie haben diese Krise Europas hervorgerufen, nicht wir. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenrufe der Abgeordneten Matznetter und Weninger.)
Wissen Sie, hätten die Liberalen und die Demokraten die Mehrheit in Europa, dann hätten wir klare Spielregeln. Für Spekulation in dieser Form wäre kein Platz mehr. Einer der größten Spekulanten in Österreich ist Michael Häupl. (Beifall bei den NEOS.) Er hat die Straßenbahngarnituren „vercheckt“, er hat sie privatisiert und wieder zurückgeleast. Herr Häupl hat derzeit einen Schuldenstand von 2 Milliarden € in Schweizer Franken.
Einer der größten Spekulanten in Österreich ist Herr Pröll. Er hat am 9. Oktober letzten Jahres noch einmal 300 Millionen € in Franken beliehen. Zu einem Zeitpunkt, da wir es Privaten in Österreich schon verboten haben, spekuliert Herr Pröll munter weiter, und auch Herr Häupl. (Abg. Neubauer: Das glaub’ ich nicht! – Abg. Stefan: Das gibt’s ja nicht!) Das muss man geißeln! Das muss man ankreiden!
Natürlich braucht ein Verantwortungsföderalismus auch bei Steuern eine Wettbewerbssituation. Herr Minister Schelling, wir haben das auf den Tisch gelegt, zum ersten Mal ein durchgerechnetes Steuerreformkonzept. Sie können es nachlesen. Zum ersten Mal haben wir Steuerverantwortung für Bundesländer und Gemeinden in den Einkommensteuertarif integriert. Wir können damit die Lohnsummenabgaben abschaffen, Kommunalsteuer nach Schweizer Vorbild. Es soll niemand sagen, das geht nicht, es geht über der Grenze. (Zwischenruf des Abg. Weninger.)
Ich weiß, dass Sie es schon Ihrem Sektionschef zum Nachrechnen gegeben haben, aber ich gebe Ihnen das noch einmal mit, die Kurzfassung für Sie ganz persönlich. Es ist möglich, wenn wir wollen. (Beifall bei den NEOS.)
9.58
Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Feichtinger. – Bitte.
9.58
Abgeordneter Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Geschätzte Steuerzahlerinnen und Steuerzahler! Angesichts der Ausführungen von Herrn Dr. Strolz möchte ich Folgendes meinen Ausführungen voranstellen: Im Vorfeld der jetzigen Thematik habe ich mir erlaubt, auf der Homepage der NEOS unter den Suchbegriffen „Föderalismus“, „Spendierföderalismus“, „Verantwortungsföderalismus“ zu recherchieren, was vonseiten der NEOS mit den Begrifflichkeiten eigentlich gemeint ist. Wissen Sie, was das Ergebnis ist? – Dreimal nichts gefunden. (Abg. Meinl-Reisinger: Vielleicht sollten Sie im PDF suchen, aber wir geben Ihnen gern digitale Nachhilfe!)
Eine APA-Recherche lässt einen ebenfalls etwas ratlos zurück, und die bisherigen Ausführungen von Herrn Strolz und von Herrn Loacker sind ebenfalls nicht sonderlich erhellend (Abg. Strolz: Sie kriegen auch ein Starterkit! Sie haben es nicht verstanden!), was die Thematik der Weiterentwicklung oder Umgestaltung des Föderalismus in Österreich betrifft, außer dass die sogenannten Landesfürsten und Ortskaiser pauschal angegriffen und verurteilt werden. (Abg. Strolz: sogar durchgerechnet!)
Also greifen wir jetzt auf das zurück, was seitens der NEOS in letzter Zeit veröffentlicht und propagiert wurde, nämlich ihr eigenes Steuerkonzept. (Abg. Strolz: Ja!) Das lässt einen in gewissen Bereichen schon fündig werden! (Abg. Strolz: Sie haben das nicht verstanden!)
Unter dem Titel „Faktor Arbeit entlasten“ findet sich neben der Abschaffung des Wohnbauförderungsbeitrages mit einem Volumen 940 Millionen €, der in Zukunft, wenn es nach der NEOS geht, nicht mehr in Form einer Lohnsummenabgabe finanziert werden soll, sondern aus allgemeinen Steuermitteln, auch die Abschaffung der Kommunalsteuer in Höhe von 2,7 Milliarden €. Die Kommunalsteuer entrichten ArbeitgeberInnen auf-
grund der Bruttolohnsumme, wie Ihnen bekannt ist. Wenn es nach den NEOS geht, dann werden sich die Gemeinden nach dem Ausfall der Kommunalsteuer durch Zuschläge auf die Einkommensteuer von den ArbeitnehmerInnen die entsprechenden Mittel holen. Also zahlen im Endeffekt die ArbeitnehmerInnen die Entlastung der Wirtschaft! (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.)
Daneben ist im Bereich der Einkommensteuer die Einführung eines Steuerwettbewerbes zwischen Ländern und Gemeinden geplant. (Zwischenruf des Abg. Strolz.) Dies soll dadurch erfolgen, dass vom Bund ein Einkommensteuertarif festgelegt wird und sowohl die Länder als auch die Gemeinden Zuschläge erheben dürfen. – Korrigieren Sie mich, wenn ich Sie falsch zitiere! – Diese Zuschläge dürfen für Gemeinden maximal 5 Prozent und für Länder maximal 6 Prozent betragen. (Abg. Strolz: Umgekehrt!) Das liegt also insgesamt maximal 11 Prozent über dem Bundestarif. Durch die Gemeindezuschläge soll die Abschaffung der Kommunalsteuer kompensiert werden, und die Länderzuschläge sollen dazu dienen, den Ländern mehr Steuerautonomie zu geben, damit man ihnen folglich weniger über den Finanzausgleich zukommen lassen muss. – So weit die steuerliche Sicht der NEOS auf das Thema Föderalismus.
Dabei stechen einem bei diesem Steuerkonzept schon mehrere Punkte unmittelbar ins Auge: Erstens kann man angesichts der Summe der vorgeschlagenen Maßnahmen nicht davon sprechen, dass der Faktor Arbeit nennenswert entlastet werden würde. (Abg. Strolz: Um 2,8 Milliarden! Es geht um 150 000 Arbeitsplätze!) Der Großteil davon, nämlich die Kommunalsteuer, ist lediglich eine Umschichtung von den Arbeitgebern zu den Arbeitnehmern. Im Lichte der derzeit bereits bestehenden steuerlichen Belastung der ArbeitnehmerInnen in diesem Land und der dazu laufenden Diskussion ist das eine Position, die von uns sicherlich nicht geteilt wird! (Zwischenruf des Abg. Matznetter.)
Zweitens ist Steuerwettbewerb bei direkten Steuern wie Einkommensteuer und Lohnsteuer nicht ganz unproblematisch. Wir haben heute schon vom ruinösen Wettlauf zwischen den Gebietskörperschaften gehört. Die Gefahr, dass es sich diesfalls reichere Gemeinden leisten können, niedrigere Steuern zu verlangen, womit sich die Unterschiede zwischen den Gemeinden noch weiter vergrößern können, ist wohl in diesem Zusammenhang nicht ganz von der Hand zu weisen. Neben den unmittelbaren Folgen für das Gesamtsteueraufkommen der Kommunen wäre wohl ein gewisser Kannibalisierungseffekt zwischen den Gemeinden mit weiteren negativen Auswirkungen auf die ohnehin strapazierten Finanzen der Kommunen nicht das vom Gesetzgeber zu wünschende Ergebnis.
Daher abschließend aus der Sicht der Kommunen ein paar Anmerkungen zum Thema Föderalismus: Im Rahmen des neu zu verhandelnden Finanzausgleichs geht es nicht um die Spendierfreudigkeit des Bundes oder der Länder, sondern um gerechte Lastenverteilung im Hinblick auf Aufgabenausstattung und Aufgabenerfüllung. Und im Hinblick auf die ihnen anvertrauten Gelder – das hat Herr Mag. Loacker heute schon sozusagen sehr angespannt dargestellt – können Sie sicher sein, dass die Kommunen die zur Verfügung stehenden Mittel so unmittelbar wie sonst niemand im öffentlichen Bereich dafür verwenden, gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern das Lebens- und Arbeitsumfeld so zu gestalten, dass Letztere sehr gerne Bewohner ihrer Heimatgemeinden bleiben und dort auch weiterhin wohnen möchten.
Das ist tagtäglich gelebte Verantwortung der MandatarInnen in den Gemeinden und damit eine Form von Verantwortungsföderalismus, wie wir ihn verstehen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)
10.03
Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Hammer. – Bitte.
10.04
Abgeordneter Mag. Michael Hammer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Finanzminister! Die heutige Aktuelle Stunde der NEOS zeigt wieder einmal – das hat auch mein Vorredner Nikolaus Prinz schon zum Ausdruck gebracht – den zentralistischen Grundkern und damit den bürgerferneren Zugang der NEOS, der sich in diesen Debatten stets manifestiert.
Das Thema an sich betreffend Staatsaufbau, Kompetenzverteilung zwischen den einzelnen Gebietskörperschaften und vor allem auch den Abbau von Bürokratie sowie Regulierung und Vereinfachung von Verfahren ist natürlich sehr wichtig. Gerade die ÖVP ist die Partei, die auf allen Ebenen von den Gemeinden über die Länder bis zum Bund stark verankert ist und in diesem Zusammenhang glaubwürdig arbeitet. Sie sind hingegen sehr stark im Bund verankert, in anderen Gremien scheitert es ein bisschen, was auch aktuelle Umfragewerte bei den Landtagswahlen zeigen!
Ich darf aber gleich vorweg sagen, dass natürlich ein gewisser Handlungsbedarf und ein permanenter Optimierungsbedarf bestehen und die Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern immer wieder hinterfragt und auch abgeändert werden muss. Diesfalls sind aber auch entsprechende Initiativen und Umsetzungen geplant.
Es ist aber absolut nicht zulässig – das tun jedoch die NEOS, seit es sie gibt –, zu behaupten, dass das bisherige System nur um seiner eigenen Daseinsberechtigung willen irgendwie gerechtfertigt ist, und es als total ineffizient und vor allem die Länder sozusagen als Verschwender und Spendierer darzustellen, denn gerade die Arbeit der Landesregierungen der Länder wird von den Bürgerinnen und Bürgern sehr geschätzt. Solche Behauptungen sind daher absolut nicht zulässig. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Strolz.)
Für uns als ÖVP – das habe ich schon gesagt – sind permanente Verbesserungen und Optimierungen ein wichtiges Ziel, und es besteht auch mit den Ländern totale Übereinkunft, dass man an der Kompetenzverteilung und an der Deregulierung arbeiten wird. Der Herr Finanzminister ist ein glaubwürdiger Kämpfer dafür, dass diesbezüglich in den nächsten Monaten auch Initiativen gesetzt werden.
Ich darf aber doch mit der Behauptung aufräumen, dass die Länder gewisse Politikbereiche verantwortungslos betreiben und nur Geld hinausschmeißen, denn gerade die Länder haben ganz wichtige gesetzliche Pflichtausgaben zu bestreiten, ich denke jetzt zum Beispiel an den gesamten Krankenanstaltenbereich, an den Bereich Pflege und Betreuung wie etwa Betreuung von Menschen mit Beeinträchtigungen, die gesamte Kinder- und Jugendhilfe, aber auch an die Bereiche Wohnbau sowie Natur- und Umweltschutz, vor allem aber auch an den wesentlichen Bereich der Bildung, diesfalls der Pflichtschulen. In all diesen Bereichen wird von den Ländern viel vollbracht, und ich glaube, dass die Länder in diesen Bereichen sehr verantwortungsvoll handeln. – Im Zusammenhang mit der Bildung ist natürlich der Vorschlag, Schulen im sekundären Bereich unter 300 Schülern zu schließen, absolut abzulehnen, denn dann gäbe es in Oberösterreich Bezirke, in denen es nur mehr eine Schule gäbe! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Ich möchte jetzt noch zu einem Bereich kommen, den Sie auch immer wieder für politische Diskussionen missbrauchen, nämlich zum Förderbereich: Sie tun oftmals so, als wären Förderungen von Grund auf etwas Schlechtes. Die Grundidee, dass mit Förderungen gewisse Anreize gegeben werden, damit die Menschen gewisse Aktivitäten setzen, ist jedoch grundsätzlich positiv. Sie ziehen für Ihre Argumentation allerdings irgendwelche Darstellungen des Rechnungshofs heran, der dem Grundfehler aufsitzt, alle Ausgaben, die nicht gesetzliche Pflichtausgaben, sondern Ermessensausgaben sind, als Förderungen zu titulieren. Das ist aber nur ein Teil der Wahrheit, weil nicht alle Ermessungsausgaben klassische Förderungen sind!
Ich möchte das an einem Beispiel aus meinem eigenen Bereich, dem Sozialbereich des Landes Oberösterreich, dingfest machen: Dort gibt es Förderungen, so wie Sie sie bezeichnen. Damit wird aber zum Beispiel auch die Beitragsstützung von Pflegestunden in der mobilen Betreuung gefördert, und es gibt eine Investitionsförderung für den Bau von Alten- und Pflegeheimen und Behinderteneinrichtungen. Außerdem werden Beschäftigungsprojekte gefördert, und es werden viele andere Maßnahmen in der sozialen Rehabilitation gesetzt. – All das als „Förderungen“ abzutun, ist nicht richtig, denn es sind in Wirklichkeit wichtige Pflichtaufgaben, die mit diesen Ermessensausgaben gefördert werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Es ist, wie gesagt, unverantwortlich, das als „Spendierföderalismus“ abzutun. Gerade in diesem Bereich wird sorgsam mit Steuergeldern umgegangen und werden gerade auch wichtige Initiativen gesetzt.
Zum Beispiel setzen wir auf die sogenannte Sunset-Klausel. Der Herr Minister hat das auch schon vorgestellt: Förderungen werden überprüft, ob sie wirklich noch notwendig sind, und dann lässt man sie eventuell auslaufen.
Weiters wird eine gesamtstaatliche Förderstrategie erarbeitet, und ich nenne in diesem Zusammenhang auch das Projekt der Transparenzdatenbank, das von der ÖVP initiiert wurde und sich ebenfalls in Umsetzung befindet. (Abg. Strolz: Das ist eine Totgeburt!) Dieses Projekt befindet sich in Umsetzung, das weiß ich, weil ich selbst auch an diesem mitwirke.
Die ÖVP steht für einen modernen Föderalismus, der sich ständig weiterentwickelt und verbessert wird. Hier wird verantwortungsvoll gearbeitet und werden entsprechende Maßnahmen im Sinn von Kompetenzbereinigung, Verwaltungsvereinfachung und Deregulierung gesetzt. Diesen Weg sollte man weitergehen, und Ihre Hysterie und generelle Verurteilung des Systems sind nicht angebracht! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)
10.08
Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Fuchs. – Bitte.
10.08
Abgeordneter MMag. DDr. Hubert Fuchs (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Sucht man nach einem roten Faden in den 599 Empfehlungen des Rechnungshofes zu einer Verwaltungsreform, so findet man immer wieder die Forderung nach einer Zusammenführung der Aufgaben-, der Ausgaben- und der Finanzierungsverantwortung.
Zum einen könnte durch die Zusammenführung der Einnahmen-, der Ausgaben- und der Aufgabenverantwortung auf die Präferenzen der Bürger einer Gebietskörperschaft näher eingegangen werden, zum anderen könnten dadurch auch eine größere Verantwortlichkeit der Politiker und ein effizienterer Einsatz der öffentlichen Finanzmittel erreicht werden.
Aus allokativer Sicht spielt das Prinzip der fiskalischen Äquivalenz eine zentrale Rolle für die Beantwortung der Frage nach dem geeigneten Ausmaß der Abgabenautonomie. Nach diesem Grundsatz sollen hinsichtlich der Bereitstellung öffentlicher Leistungen der Kreis der Wähler, der Nutzer und auch der Kostenträger übereinstimmen. Lokale öffentliche Leistungen sind daher ausschließlich aus lokalen Einnahmen zu finanzieren. So wird verhindert, dass Ausgaben – so wie derzeit – auf Kosten Dritter getätigt werden. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)
Bei einer höheren Abgabenautonomie der Länder beziehungsweise der Gemeinden müssen meines Erachtens insbesondere folgende Punkte sichergestellt sein:
In einem Hochsteuerland wie Österreich darf es dadurch nicht zu einer Erhöhung der Abgabenquote kommen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)
Die höhere Abgabenautonomie darf weder beim Staat noch beim Unternehmer zu einem höheren administrativen Aufwand führen. In diesem Sinne muss die Abgabenverwaltung im Zuständigkeitsbereich des Finanzministeriums bleiben beziehungsweise vom Ministerium übernommen werden.
Das Steuerrecht darf durch die höhere Abgabenautonomie nicht komplizierter werden. Daher sollen im Bereich des Ertragsteuerrechts ausschließlich gedeckelte Hebesätze zur Anwendung gelangen. Auch darf es nicht zu einer Zersplitterung des Steuerrechts kommen.
Leistungen der Regionen sind primär über Abgaben der Regionen zu finanzieren und nicht über eine Neuverschuldung der Regionen. Daher braucht es hier eine entsprechende Verschuldungsbremse. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)
Fünfter Punkt: Sollte es aufgrund der höheren Abgabenautonomie zu Verteilungsproblemen zwischen den Regionen kommen, so muss es hier einen solidarischen Ausgleich zwischen den Regionen geben.
Letzter Punkt: Einführung eines modernen und einheitlichen Haushaltsrechts der Gebietskörperschaften mit einer verstärkten Ziel- und Wirkungsorientierung – Stichwort „einheitliches Rechnungswesen“.
Als flankierende Maßnahme zur höheren Abgabenautonomie sollte es auch ein verbindliches Mitbestimmungsrecht der Bürger geben. Überschreitet ein öffentliches Investitionsprojekt, wie zum Beispiel ein neues Krankenhaus, ein bestimmtes Kostenvolumen, so wird automatisch eine Volksabstimmung einberufen. Direkte Demokratie hält nämlich den Staat schlank, wie eine Schweizer Studie beweist. In dieser Studie wurde die Entwicklung der Staatsfinanzen aller 25 Schweizer Kantone in den vergangenen 110 Jahren untersucht, und dabei wurde festgestellt: Je mehr die Einwohner in einem Kanton selbst bei den Staatsausgaben mitreden können, desto besser ist es dort um die öffentlichen Finanzen bestellt. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten von NEOS und Team Stronach.)
Die Studie zeigt, dass das direkte Mitspracherecht der Wähler die Verschwendungssucht der öffentlichen Hand erheblich bremst. Und noch etwas hat sich nach dieser Studie gezeigt: Je einfacher es ist, einen Volksentscheid herbeizuführen, zum Beispiel gegen ein besonders teures Projekt, umso langsamer wachsen die öffentlichen Ausgaben. Ein besserer Weg zu solideren Staatsfinanzen besteht eben darin, den Bürgern selbst mehr Entscheidungsgewalt über die Staatsausgaben zu geben.
Diese Studie bestätigt die freiheitliche Forderung nach einer Ausweitung der direkten Demokratie. Eine Ausweitung der direkten Demokratie ist nicht nur aus demokratiepolitischen Gründen zu begrüßen, sondern zeigt auch positive Auswirkungen auf den Staatshaushalt. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten von NEOS und Team Stronach.)
10.13
Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Daniela Musiol.
10.13
Abgeordnete Mag. Daniela Musiol (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Viele VorrednerInnen haben schon angesprochen, dass die Debatte rund um den Föderalismus natürlich zum einen eine Frage des Finanzausgleiches, aber zum anderen eine Frage der Kompetenzverteilung oder der Aufgabenverteilung ist. Übersetzt heißt das: Wer ist wofür zuständig? – Es ist durchaus zulässig,
zu fragen: Was macht Sinn, wenn es im Kleinen, sprich in der Kommune beziehungsweise in der Gemeinde, geregelt wird, und was soll sinnvollerweise im Land, österreichweit oder europaweit geregelt werden?
Wenn man sich jetzt aber die Aufgabenverteilung in Österreich anschaut, dann ist das Prinzip, ob etwas Sinn macht, nicht der rote Faden, der sich durch die Aufgabenverteilung beziehungsweise Kompetenzverteilung zieht, sondern hier geht es hauptsächlich darum, Macht zu erhalten und bestimmte Dinge nicht aus der Hand zu geben, damit man sich auf der anderen Seite dann auch an den anderen abputzen und sagen kann: Ich würde das eh tun, aber die anderen wollen nicht!
Die spannende Frage dabei ist: Warum ist das so? – Man könnte natürlich sagen, dass das halt in der Natur des Menschen liegt. Ich behaupte: Nein! Es liegt nicht in der Natur des Menschen, sondern in der Natur unseres politischen Systems. Ein Grund dafür ist vor allem die Art und Weise, wie wir in Österreich zu unseren gesetzgebenden Körperschaften kommen, wie zum Beispiel die Menschen hier ins Parlament einziehen können. Wir haben eine Bundesliste, auf der die Menschen erfasst sind, die kandidieren, wir haben aber auch Landeslisten, und diese Landeslisten werden in allen Parteien auf Landesebene erstellt, was dazu führt, dass im Nationalrat, aber dann auch in der Bundesregierung Personen sitzen, die nicht über die Bundesliste in diese Körperschaft oder in die Regierung gekommen sind, sondern über ihre Landeslisten und somit auch über die Abhängigkeit von den sogenannten Landesfürsten. – Das spüren wir ganz stark bei jeder einzelnen Diskussion, wenn es um Kompetenzverteilung geht.
Lassen Sie mich ein paar Beispiele aus meinem Kernbereich, der Sozialpolitik – Elementarpädagogik, Kindergartenwesen, Hortwesen – bringen. Ich habe schon mehrfach Anträge gestellt, um darauf hinzuweisen, dass es wichtig wäre, dass wir nicht neun verschiedene Landesgesetze haben, die dann auch noch in allen Gemeinden unterschiedlich gehandhabt werden, sondern dass alle Kinder in Österreich das Recht haben, die gleichen Bedingungen vorzufinden. – Die Kollegin von der SPÖ nickt. Mitglieder der SPÖ, der ÖVP beziehungsweise aller Parteien nicken, wenn wir das im Ausschuss besprechen. Aber dieser Antrag ist noch nie zur Abstimmung gekommen, weil wir dann genau an dieser Machtgrenze, die ich vorher beschrieben habe, stecken bleiben. Dann traut sich kein einzelner Familienminister und keine einzelne Staatssekretärin, wie ich sie hier in meiner politischen Karriere erlebt habe, das wirklich bis zum Letzten mit ihren Bundesländern auszustreiten. Und dann kommen eben 15a‑Vereinbarungen heraus, gemäß welchen bestimmte wichtige Teile wie zum Beispiel die Finanzierung zwar geklärt sind, die Qualität aber nur eine Zielvorgabe und keine verpflichtende Vorgabe ist, weil sich halt gewisse Länder dagegen gestellt haben. Und das ist im Sinne der Kinder sicherlich nicht sinnvoll! (Beifall bei den Grünen.)
Das Gleiche gilt für den Jugendschutz: Welchen Sinn soll es machen, dass ein Jugendlicher, der beispielsweise an der Grenze Steiermark/Burgenland, also etwa in Fürstenfeld, lebt, in einem Lokal im Burgenland Alkohol bekommt, jedoch in einem Lokal in der Steiermark keinen Alkohol bekommt beziehungsweise, wenn er dort wohnt, soundso lang ausgehen darf, wenn er aber nur 500 Meter weiter über der Grenze wohnt, eine andere Ausgehzeit hat? – Das ist doch für niemanden nachvollziehbar, das ist nicht erklärlich und macht keinen Sinn!
Das Gleiche betrifft die Kinder- und Jugendhilfe, also die Frage: Was tun wir mit Kindern, die nicht bei ihren Familien leben können, sondern die untergebracht sind? – In diesem Punkt kommen wir seit Jahren nicht zu qualitativen Gesetzen, weil sich die Länder querlegen. Sie tun das aber nicht nur aus bösem Willen, sondern dabei geht es einfach auch um die Frage: Hat man hier gemeinsame Ziele und entsprechende Kompetenzen?
Das heißt: Die Machtfrage ist in diesem Punkt entscheidend. Viele Vorredner und auch Sie, Herr Finanzminister, haben es schon angesprochen: Wichtig in diesem Zusammenhang ist auch die Frage, welche Bewegung BürgerInnen hereinbringen könnten, wenn sie beteiligt sind, Stichwort direkte Demokratie.
Bei einer Analyse gebe ich Ihnen nicht recht, Herr Minister! Sie haben angesprochen, dass wir hier in Österreich eine andere Kultur brauchen, damit direkte Demokratie möglich ist. – Das mag sein! Aber die entscheidende Frage ist doch: Was muss es zuerst geben? – Die Möglichkeit der direkten Demokratie, damit wir zu dieser Kultur kommen, oder die Kultur, damit wir dann die direkte Demokratie einführen können? – Ich behaupte einmal, dass Ersteres vonnöten ist: Wir brauchen entsprechende Rahmenbedingungen, damit wir alle gemeinsam, die Institutionen und die BürgerInnen, miteinander üben können, gemeinsame Entscheidungen zu treffen.
Wenn Sie das Beispiel Schweiz bringen, dann sage ich: Man weiß, dass die Schweizerinnen und Schweizer in großem Maß im Sinne ihrer Haushalte abstimmen. Die entscheidende Frage dabei ist: Warum? – Ich behaupte – und das behaupten auch viele Studien –, weil sie es gewohnt sind, im Wege der direkten Demokratie Verantwortung zu übernehmen. Und das wünsche ich mir auch für die ÖsterreicherInnen! (Beifall bei den Grünen.)
10.19
Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ing. Robert Lugar.
10.19
Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich glaube, wir sollten zum Kern des Problems zurückkehren. Es wurde heute schon viel darüber diskutiert, was besser gemacht werden soll, es wurde darüber diskutiert, wer welche Aufgaben wahrnehmen soll. Der Herr Finanzminister hat sogar gesagt: Wir müssen einmal schauen, wer überhaupt welche Aufgabe wahrnimmt, und dann schauen, ob das auch gut gemacht wird.
Herr Finanzminister! Wir wissen das seit Jahrzehnten, wer was macht, und wir wissen auch, dass es nicht funktioniert. Und wer sich die Rechnungshofberichte anschaut, der sieht, dass die drei wichtigsten Bereiche, nämlich Verwaltung, Gesundheit und Bildung, wo die Länder fest mitmischen, genau die Hauptprobleme in unserem Land darstellen. Wenn wir jetzt darüber sprechen wollen, was besser gemacht werden soll, dann braucht man gar nicht darüber zu reden, wer welche Aufgaben machen soll. Man muss einmal darüber reden – Frau Musiol hat es ja schon angerissen –, wer denn tatsächlich die Regierungsabgeordneten wählt.
Und da muss ich mich leider an die Fernsehzuschauer wenden und die Frage stellen: Glauben Sie allen Ernstes, dass Sie die Abgeordneten der Regierung gewählt haben? Wissen Sie, wer die Abgeordneten wählt? – Das sind die Landeshäuptlinge, denn die machen die Listen. Und Sie als Wähler entscheiden ja nicht darüber, wer auf diese Liste kommt, sondern Sie haben die Möglichkeit, die zu wählen, die auf dieser Liste stehen. Und genau das ist das Problem. (Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.)
Wenn wir endlich eine Reform machen wollen, dann müssen wir die Länder beschneiden. Und jetzt erklären Sie mir einmal, wie das funktionieren soll, wenn auf der einen Seite die Landeshäuptlinge alle Abgeordneten, bis auf zwei, drei, vier, fünf, je nachdem, wie viele auf der Bundesliste gestanden sind, wählen und die Abgeordneten denen verpflichtet sind, die sie gewählt haben – nicht dem Bürger, sondern ihrem Landeshauptmann, ihrem Parteiobmann im Land! –, und diese Abgeordneten hier eine Reform machen müssen, weil es notwendig ist! Der Rechnungshof sagt das ja, der Rechnungshof sagt, wir brauchen diese Reform. Wenn genau diese Abgeordneten, die
von ihren Landeshäuptlingen gewählt wurden, hier eine Reform zustande bringen sollen, na, glauben Sie, dass das funktioniert, noch dazu, wenn diese Reform auf Kosten der Länder geht? Das sagt ja der Rechnungshof auch, na, selbstverständlich: Die Länder schmeißen ja das Geld mit vollen Händen raus! (Beifall beim Team Stronach. – Zwischenruf des Abg. Rädler.) Den Ländern ist es ja egal, wie es dem Bund geht. Die Länder halten sich den Bund. Unsere Bundesländer halten sich den Bund!
Das heißt, wir alle, wie wir hier sitzen, vor allem die von der Regierung, sind ja letztlich Hampelmänner der Landeshäuptlinge. (Abg. Rädler: Und Sie vom Frank Stronach!) Aber nicht nur die Abgeordneten der Regierung machen das, was ihre Landeshäuptlinge wollen, nein, auch die Minister machen das. Machen Sie einen Blick zurück in die Geschichte! Schauen Sie sich einen Herrn Pröll an! Schauen Sie sich einen Herrn Spindelegger an! Schauen Sie sich eine Maria Fekter an! – Alle abhängig in ihrem Ressort!
Und jetzt haben wir – und da komme ich auch zu etwas Positivem – aus meiner Sicht eine einmalige Gelegenheit. Wir haben jetzt die Gelegenheit, etwas zu verändern. Warum? – Nicht weil die Abgeordneten vom Bürger gewählt wurden. Nein, das haben wir gerade besprochen. Nein, weil wir einen Finanzminister haben, der nicht abhängig ist. Das gab es meines Wissens überhaupt noch nie in dieser Republik: ein Finanzminister, der nicht abhängig ist. (Abg. Rädler: So ein Blödsinn!) Das muss ein Unfall gewesen sein bei der ÖVP. Ich glaube sogar, dass es ein Unfall war. Der Herr Pröll war ja damals gerade im Ausland, als er da über den Tisch gezogen wurde. Er war auch nicht allzu zufrieden, kann ich mich erinnern, hat er doch gleich die Innenministerin Mikl-Leitner ausgeschickt, um den Finanzminister zu kritisieren. Sie hat gesagt, sie hätte sich einen Experten gewünscht. Als wäre der Finanzminister, den wir jetzt haben, kein Experte. (Zwischenrufe der Abgeordneten Rädler und Prinz.)
Aber wie dem auch sei. Wir haben jetzt eine einmalige Chance, nämlich mit einem Finanzminister, der nicht abhängig ist von der ÖVP, endlich Druck auf die Länder auszuüben. Und wie geht das, Herr Finanzminister? Sie wissen das ja auch. – Über das Geld! Über das Geld! Der einzige Weg. (Abg. Rädler: Hoffentlich schaut Stronach nicht zu, sonst geht es dir wie der Nachbaur!)
Sie brauchen nicht mit irgendwelchen Vorschlägen zu kommen, wie wir es besser machen können. Das interessiert keinen Menschen, vor allem nicht die Landeshäuptlinge. Das Einzige, was die Landeshäuptlinge verstehen, ist, wenn man ihnen den Geldhahn zudreht, und zwar massiv! Und genau das geht. Das geht über den Finanzausgleich. Und wenn Sie jetzt diesen bis 2016 verlängern, hoffe ich, dass Sie das nur deshalb machen, weil Sie Energie sammeln wollen, eigene Courage aufbauen wollen, um dann 2016 den Ländern den Geldhahn zuzudrehen, und dass Sie über dieses Zudrehen endlich Reformen erzwingen. Erzwingen, um das geht es! (Beifall beim Team Stronach.)
Wir können nicht mit guten Vorschlägen zum Herrn Pröll gehen oder zum Herrn Häupl und wie sie alle heißen. Das ist eine Hydra! Da können Sie einen Kopf abschlagen, wächst der nächste nach! Das funktioniert nicht. Das heißt, Sie müssen mit Druck arbeiten. Es geht nur mit Druck. Und ich wünsche Ihnen dabei alles Gute, ich wünsche Ihnen viel Glück – Sie sind die letzte Chance, die wir haben. – Vielen Dank. (Beifall beim Team Stronach. – Abg. Rädler: Nachbaur, Lugar, !)
10.24
Präsident Karlheinz Kopf: Nun ist Frau Abgeordnete Mag. Meinl-Reisinger am Wort. – Bitte.
10.24
Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Vielen Dank für das Stichwort von der Frau Kollegin Musiol
beziehungsweise vom Herrn Kollegen Lugar hinsichtlich der Listenerstellungen und wie die innerparteiliche Demokratie so ausgestaltet ist. Mich hat nur gewundert, dass ausgerechnet dieser Hinweis vom Team Stronach gekommen ist. Das muss ich schon sagen. (Beifall bei Abgeordneten von SPÖ und ÖVP.) Aber es gibt mir natürlich Gelegenheit, dafür Werbung zu machen, dass bei uns in Wien jetzt bald, im Februar, die Online-Vorwahlen starten. Wir sind die einzige Partei in ganz Österreich, bei der alle Wienerinnen und Wiener die Liste in Wien mitbestimmen können und österreichweit alle Österreicherinnen und Österreicher. So viel zur Abhängigkeit von Landessprechern bei uns. (Beifall bei den NEOS.)
Herr Kollege Hammer! Wenn ein Abgeordneter rauskommt und die Rede beginnt mit: „Die NEOS haben heute wieder einmal gezeigt, dass sie !“, was auch immer, dann folgt meistens ein x-beliebiges Argument. Wenn Sie sagen, dass Sie für Zentralismus stehen, und das Ganze anlässlich einer Diskussion, wo wir eine Steuerhoheit, Steuerautonomie für die Bundesländer wollen, dann ist das schon ein sehr gewagtes Argument. Da würde ich Sie schon bitten, sich vorher mit dem Thema zu beschäftigen, bevor Sie herauskommen und so einen Unfug verzapfen. (Beifall bei den NEOS.)
An den Herrn Kollegen Feichtinger von der SPÖ: Ich danke Ihnen sehr herzlich, dass Sie unser Steuermodell hier referiert haben. Eine bessere Werbeeinschaltung hätte ich mir ja gar nicht wünschen können. – Danke vielmals dafür! (Zwischenruf des Abg. Feichtinger.)
Auf einen wesentlichen Punkt möchte ich aber schon noch einmal hinweisen, weil das auch in der Diskussion war: Ein Volumen von 19 Milliarden € wird in Österreich an Förderungen ausgegeben. Das ist doppelt so viel, glaube ich, wie im EU-Durchschnitt. Das ist eine ungehörige Menge. (Abg. Rossmann: Schauen Sie einmal den neuen Förderbericht an!) Ich weiß, man kann jede einzelne Förderung immer argumentieren, und es gibt da sehr viel, was ganz wesentlich ist. Aber Sie wissen auch, dass ganz viele dieser Förderungen nur einem einzigen Zweck dienen, nämlich Wahlzuckerl zu verteilen, Klientelpolitik zu machen und letztlich das zu machen, was wir als strukturelle Korruption bezeichnen. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenruf des Abg. Matznetter.)
Es gibt gerade ein Interview mit dem Schauspieler Cornelius Obonya, der sagt: Man müsste die Wahlzuckerl zurückweisen. Man müsste auf die Straße gehen und sagen: Nein, danke! Wir wollen das nicht! Weil ihr nehmt uns mit euren aufgeblähten Bürokratieapparaten dauernd das Geld aus der Tasche, damit ihr es dann gnädigst an uns verteilt. Da müssten die Menschen auf die Straße gehen und sagen: Nein, das wollen wir nicht! Das wäre auch ein Weg in Richtung einer Verantwortungskultur.
Ich möchte jetzt zum Thema Steuerautonomie der Länder kommen. Es gab da ja einige positive wie auch negative Rückmeldungen von Landeshauptleuten. Der Bürgermeister Häupl ist eher skeptisch. Er hat vorgeschlagen, die Vermögensteuer als bundesweit eingehobene Ländersteuer einzuheben. Das ist vielleicht überlegenswert, aber nicht das, was wir uns unter Steuerautonomie der Länder vorstellen. Dabei, muss ich sagen, ist ja die Bundeshauptstadt sehr beispielhaft für diese Verantwortungslosigkeit, die wir anprangern. Das bezieht sich einerseits auf die Intransparenz. Die Frankenkredite – ich komme noch darauf zu sprechen; es ist auch schon angesprochen worden – sind ein sehr mahnendes Beispiel dafür, wie intransparent hier Wien agiert, weil es eben keine ordentliche Bilanz legt, weil das in der Kameralistik versteckt ist. Und der zweite Punkt ist die Entwicklung des Schuldenstands.
Wenn man sich anschaut, wie der offizielle Schuldenstand der Stadt Wien in den letzten Jahren gestiegen ist, so stellt man eine Steigerung in der Zeit der Finanzstadträtin Brauner um 300 Prozent fest. Wir sind bei einem offiziellen Schuldenstand von 5 Milliarden € angelangt. Das ist allerdings nur die halbe Wahrheit, denn Wien hat insgesamt 133 ausgegliederte Gesellschaften; davon sind übrigens laut den neuen Maastricht-Kriterien 39 gar keine echten Unternehmungen, da sie fast ausschließlich die
Stadt als Auftragnehmer haben und ihre Kosten nicht einmal zur Hälfte aus Produktionserlösen decken. Wenn man dann die anderen ausgegliederten Unternehmungen wie Wiener Wohnen, Stadtwerke und so weiter hineinnimmt, dann kommen wir auf einen Schuldenstand von über 10 Milliarden €. Dazu kommen dann auch noch die Haftungen, die Frau Klubobfrau Nachbaur bereits angesprochen hat.
Zu den Frankenkrediten: 2 Milliarden € ist mittlerweile das Volumen, das die Stadt Wien an Frankenkrediten hat. Das sind 40 Prozent der offiziellen Schulden! Heute ist dazu ein Kommentar im „Falter“ zu lesen. Was tun wir jetzt? Jetzt aussteigen? – Schwierig. Verstehe ich auch. Es ist allerdings auch sehr unwahrscheinlich, dass in Bälde der Franken wieder so abwertet, dass er in einem Verhältnis zu 1,5 steht, was ungefähr einen Ausgleich dieser Verluste bedeuten würde.
Aber unsere große Kritik daran ist ja,
dass man einfach in dem Casino geblieben ist nach 2007, nach 2008, zu einem
Zeitpunkt, zu dem es Warnungen der Nationalbank gegeben hat, zu dem man
Privaten gesagt hat: Keine Frankenkredite mehr aufnehmen! (Präsident
Kopf gibt das Glockenzeichen.) Aber nein, man ist in diesem Casi-
no geblieben! Das ist verantwortungslos, und das ist das, was wir
geißeln. (Beifall des Abg. Stefan.)
Und ein letzter Appell, ich komme zum Schluss: Herr Finanzminister! Sie könnten die Doppik in allen Bundesländern umsetzen, indem Sie § 16 Finanzverfassungsgesetz implementieren, der die Berichtspflicht der Länder an den Bund regelt. Mein dringender Appell wäre, das zu machen. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS.)
10.30
Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.
Präsident Karlheinz Kopf: Wir kommen jetzt zur Aktuellen Europastunde mit dem Thema:
„TTIP-Verhandlungen: Doppelspiel der Bundesregierung beenden – Nationalratsbeschluss umsetzen“
Als Erster zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Mag. Kogler. Ich mache darauf aufmerksam, die Redezeit darf 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Herr Abgeordneter.
10.30
Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren! Aktuelle Europastunde – Anlässe hätte es mehrere gegeben. Gestern war ja, was grundsätzlich zu begrüßen ist, die zuständige EU-Kommissarin Cecilia Malmström hier in Österreich, mit mehreren Terminen, unter anderem hier im Parlament. Da haben wir uns ausgetauscht, das hat jetzt ohnehin schon eine gewisse Tradition, das ist in Ordnung, das wollen wir nicht wegleugnen. Ich sage nur, es ist gar nicht das der Anlass, obwohl es auch da einiges zum Nachdenken gibt, was die Frau Kommissarin gestern gesagt hat, dazu werden wir aber noch kommen.
Wir haben das ja angekündigt und der Bevölkerung versprochen, bei nächster Gelegenheit, das ist jetzt, auf einen Umstand hinzuweisen, der sehr beachtenswert ist, und zwar nicht nur für die Bevölkerung, sondern auch für Sie hier, jeden Einzelnen, jede
Einzelne im Besonderen. Es ist nicht so lange her, dass wir im September einen Beschluss des Nationalrats gefasst haben. Den können Sie ja selber nachlesen, den können Sie sich in Erinnerung rufen. Dieser beinhaltet eigentlich für die zugegeben schwierige diplomatische Angelegenheit – Österreich war immerhin bei den Mandatsgebern für diese TTIP-Verhandlungen dabei, seis drum –, wenn man das entkleidet, eine relativ ablehnende Haltung insbesondere zu einzelnen Punkten dieser angestrebten und zu erwartenden TTIP-Regelung.
Es handelt sich hier um einen Entschließungsantrag, der zuvorderst keine zwingende Bindungswirkung hat, aber es ist auch nicht nichts. Und darauf werden wir jetzt eingehen, weil – warum ist das jetzt so aktuell? – knapp vor Weihnachten ein Disput in der Regierung ausgebrochen ist, jener Regierung, die wir hier in Wahrheit gebunden haben – lesen Sie nach! –, ein Disput genau um diesen unseren Antrag hier, dem immerhin drei Viertel zugestimmt haben, auf Initiative von ÖVP und SPÖ.
Wie ist dieser Disput in der SPÖ/ÖVP-Bundesregierung entstanden? – Der Herr Bundeskanzler hat eigentlich etwas Selbstverständliches gemacht, man möchte fast sagen, eine Fleißaufgabe – und deshalb richten wir diese Aktuelle Europastunde auch an Sie –, nämlich zunächst einmal die Kooperation zu suchen, wenigstens in Österreich. Warum? – Damit wir in Brüssel endlich einmal einheitlich und klar auftreten, denn das ist ja bis heute zu vermissen. In Österreich hat man ja den Eindruck, dass sämtliche Landesregierungen, Landeshauptleute, sämtliche Bundesminister, bis auf den Herrn Mitterlehner – das ist aber der, der in Brüssel verhandelt –, also quasi alle, die in diesem Land irgendwie regieren, gegen TTIP sind. (Abg. Rädler: Regieren Sie auch?) Ja, eh, aber wir sind ja auch wirklich dagegen. Und da werden wir jetzt schauen, was da mit der ÖVP los ist. (Beifall bei den Grünen.)
Deshalb sprechen wir ja hier darüber. Aber folgen Sie mir weiter! Das nur als Einleitung zur Aktualität. Darum müssen wir uns kümmern, das kann uns nicht wurscht sein, und das wird auch Konsequenzen haben, denn die Aufträge des Nationalrats müssen gerade in so wichtigen und zwingenden Fragen erfüllt werden. Wir können uns sonst das ganze Gerede von Transparenz, neuer Demokratie und was weiß ich alles ersparen. 20 Enqueten können wir abhalten, das macht aber alles keinen Sinn, wenn wir hier nicht korrekt – zumindest korrekt! – vorgehen, unabhängig davon, wer welcher Meinung ist.
Apropos Meinung – man muss es, bei 10 Minuten geht sich das aus, immer vorausschicken, denn die Zwischenrufer bei der ÖVP haben sich schon wieder aufgewärmt –: Natürlich sind wir für Handel, das ist ja klar, in einer arbeitsteiligen Gesellschaft ist das ja Voraussetzung dafür, dass das, was gemeiniglich als Wohlstand bezeichnet wird, vermehrt wird. Aber die Frage ist, welcher Handel und unter welchen Bedingungen, zu wessen Vorteil und zu wessen Nachteil und für welche Güter.
Na selbstverständlich wäre es nützlich für Europa, speziell für Österreich, in Fragen der Zulassungsbestimmungen – da brauche ich nicht einmal ein Freihandelsabkommen, wie Sie das nennen – für Industriegüter, Anlagenbestandteile, Autobestandteile so etwas zu haben, selbstverständlich, denn es ist ja nicht einzusehen, dass wir für Karosserie, Blinker und sonstige Autoteile mehrere Zulassungsverfahren haben. Das ist doch völlig logisch und richtig. Also her damit! Aber das hat doch nichts damit zu tun, dass wir eine Landwirtschaftspolitik fördern, die so ausschaut, dass wir Hunderte Tonnen Lebensmittel am Tag, jetzt schon, über den Globus karren. Und das soll dann noch mehr werden, das ist ja das Ziel, das sagen ja alle, die Frau Kommissarin gestern auch, die im Übrigen eine einzige Enttäuschung war. (Beifall bei den Grünen.)
Was soll das Ziel sein? – Bei der Landwirtschaft sieht man das am besten: dass zusätzliche Hunderte Tonnen Lebensmittel und Futtermittel über den Globus gekarrt werden, und das nur deshalb, weil die Transportkosten überhaupt nicht stimmen. Wenn die
stimmten, würde sich dieser Unfug ja aufhören. Aber noch viel schlimmer: Halb Südamerika wird auf diese Art und Weise ruiniert. Die Leute haben dort nichts zu essen oder zu wenig, weil wir hier zu viel fressen! Es ist doch so! Und das wird weiter befördert! (Beifall bei den Grünen.)
Es ist so, und das muss man auseinanderklauben. Das müssen Sie einmal einsehen! Deshalb ist es so wichtig und richtig, dass wir vernünftige Produktionsbestimmungen, vernünftige marktwirtschaftliche Regelungen, vernünftige Handelsbeziehungen haben – ich sage immer „vernünftig“, in unserer Diktion auch „fair“, natürlich, Sie hören es ja –, dass wir das befördern und nicht das, was sich da bei TTIP und im Übrigen auch bei CETA anschleicht. Da werden wir jetzt hinkommen.
Der Herr Bundeskanzler hat das aus unserer Sicht völlig richtig erkannt. Wir debattieren heute nicht darüber, dass Österreich bei den Mandatsgebern dabei war, nicht nur bei CETA, sondern auch bei TTIP, schlimmer noch: Österreich war bei jenen, wir haben die Protokolle ausgehoben, die ausdrücklich – und das ist jetzt der nächste Punkt, der Dreh- und Angelpunkt momentan in der globalen Debatte – die Investitionsschutzbestimmungen, ein völliger Euphemismus, besonders fördern. Österreich war ein Einpeitscherland, was diese Forderung betroffen hat, noch im Jahr 2013! Da haben Sie das irgendwie verschlafen, wollen wir es einmal so annehmen.
Jetzt argumentieren Sie aus unserer Sicht völlig zu Recht, dass das nicht notwendig und nicht sinnvoll ist, insbesondere zwischen entwickelten Wirtschaftsräumen, Nordamerika und Europa, darum geht es ja. Und wenn dann immer der Hinweis kommt, gestern erst wieder – Mitterlehner, Malmström –, es gibt ja schon Tausende auf der Welt, auch in Europa, auch in Österreich: Ja, das hat doch immer den Zweck gehabt, dass man Investoren – ob das immer so gut ist, ist eine andere Frage, aus Gerechtigkeitsgründen – in weniger entwickelten Ländern schützt, damit die dort überhaupt investieren, sozusagen zum beiderseitigen Vorteil. Das mag man ja noch einsehen. Aber doch nicht zwischen zwei entwickelten Wirtschaftsräumen! Und da erkläre ich jetzt dem Bundeskanzler überhaupt nichts Neues. Ich sage es nur noch einmal, weil die ÖVP da offensichtlich wieder vom Kurs abkommen will. (Beifall bei den Grünen.)
Sie argumentieren ja genauso, manchmal sogar noch schärfer, manchmal sogar noch präziser. Wir können es ja in der „Kronen Zeitung“ lesen. Gut so, gut so!
Jetzt steht aber folgendes Problem an: Der Herr Bundeskanzler geht in die Ministerratssitzung im Dezember und sagt: Liebe Bundesregierungsmitglieder, eigentlich hat der Nationalrat etwas beschlossen, was unser Auftreten in Brüssel stärken sollte! Und ich habe auch Verständnis dafür, denn nachdem das 2013 schiefgegangen ist, haben wir uns das dauernd vorhalten lassen müssen. Da hat die Frau Kommissarin Malmström ja recht: Was regt ihr euch da so auf? 28 Mitgliedstaaten, alle sagen hopp auf, zuletzt wieder; ein kleiner Sidestep, Herr Bundeskanzler, da sind wir nicht zufrieden: Auch im Dezember wurde im Rat vorgegeben, 2015 die Verhandlungen zu beschleunigen. Sie werden sagen: Das hat ja nichts mit dem Inhalt zu tun! Sollen sie einmal verhandeln, schauen wir, was herauskommt! – Nein, bei CETA haben wir gesehen, was herauskommt, und bei CETA haben wir auch gesehen, wo die Reise hingehen soll, nämlich in die falsche Richtung, was den Investitionsschutz betrifft. Ja, er ist wesentlich verbessert worden. Das können wir dort lesen. Er ist verbessert worden, aber es ist das völlig falsche Prinzip und immer noch schlecht: keine zweite Instanz, eher Willenserklärungen. Nur die Transparenz ist verbessert worden. Trotzdem bleibt aber das Grundprinzip falsch.
Herr Mitterlehner behauptet aber jetzt als Replik auf Sie, unser Nationalratsbeschluss sei überholt. Ich meine, das ist doch der Gipfel. Wir haben seit sechs Wochen die CETA-Verhandlungsergebnisse hier im Haus – lesen Sie es halt nach, oder sagen Sie es Ihrem Herrn Vizekanzler und Bundesminister! Das ist doch die Wahrheit. Und da kann
man nicht sagen, das ist überholt. Ich halte das wirklich für problematisch, und wir werden das in den entsprechenden Ausschüssen noch diskutieren müssen. Wir als grüne Fraktion, aber auch andere, lassen uns das mit Sicherheit nicht gefallen, dass nämlich der Nationalratsbeschluss von einem Bundesregierungsmitglied auch noch falsch ausgelegt wird. So weit kommt es noch! Nur weil er „Django“ heißt. Das geht sich nicht aus. (Beifall bei den Grünen.)
Und jetzt kommt das Schlimme am Schluss: CETA zeigt es. Frau Malmström hat gestern – hoch aktuell! – gesagt, das können Sie heute im „Standard“ nachlesen, bei CETA soll es eine vorläufige Anwendung geben. Zuerst hat man lange gesagt, wartet ab, was herauskommt, regt euch nicht auf, CETA ist viel harmloser als TTIP, das ist die Blaupause.
Jetzt stellt sich heraus, das Ergebnis ist fertig. Die alte Kommission hat noch gesagt, stellt euch alle hinten an, das ist fertig verhandelt. Dann haben wir mit der neuen Kommission, mit Juncker und Malmström gerechnet. Die haben noch gesagt, na ja, das schauen wir uns an, vielleicht ändern wir etwas. Die gleiche Truppe fährt jetzt nach Österreich und erklärt Ihnen, Herr Bundeskanzler, Sie müssen unsere Bevölkerung jetzt von TTIP, aber auch von CETA überzeugen, besonders davon, dass es eine sogenannte vorläufige Anwendung gibt. (Abg. Pirklhuber: Unglaublich! Das ist ein Wahnsinn!)
Obwohl es ein gemischtes Abkommen sein wird, soll der Nationalrat gar nicht zustimmen, obwohl wir hier Kompetenz haben. Es soll für zwei, drei Jahre in Kraft treten, und wenn wir es dann ablehnen, dann ist es halt ein Pech. (Präsident Kopf gibt das Glockenzeichen.) Aber das schaue ich mir an, wo dann der Mut der ÖVP ist!
Das ist eine ganz perfide Taktik, deswegen haben wir das auch hier hereingebracht, und da müssen Sie auch dagegen auftreten. Das wird uns die nächsten Wochen und Monate beschäftigen. Diese vorläufige Anerkennung ist nämlich nur möglich, wenn die Mitgliedstaaten vorher zustimmen. Deshalb, Herr Bundeskanzler, wirken Sie auf den Herrn Wirtschaftsminister ein, damit er im Rat nicht zustimmt, dass das vorläufig anerkannt wird! Sonst wird mehrfach das Parlament umgangen, und alle sind jahrelang angelogen worden. Das kann niemand brauchen, nicht einmal die Befürworter, die sich immer blöder benehmen! (Beifall bei Grünen und FPÖ sowie bei Abgeordneten des Teams Stronach.)
10.41
Präsident Karlheinz Kopf: Zu einer einleitenden Stellungnahme gelangt nun der Herr Bundeskanzler zu Wort. Herr Bundeskanzler, Ihre Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte.
10.41
Bundeskanzler Werner Faymann: Sehr verehrter Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Sehr verehrte Mitglieder des Hohen Hauses! Meine Damen und Herren! Tatsächlich ist die Frage der wirtschaftlichen Zusammenarbeit nicht nur innerhalb Europas, sondern auch mit Kanada und mit den Vereinigten Staaten ein Thema, das man nicht vom Grundsatz her ablehnen kann, sondern im Gegenteil, eigentlich sind Handelsbeziehungen grundsätzlich zu fördern – die Zahl der Importe und Exporte ist ja derzeit schon groß – und in einigen Bereichen auch Normen miteinander abzustimmen. Das ist etwas völlig Richtiges, Normales und auch Anstrebenswertes. So sehe ich auch die Beauftragung, sowohl mit Kanada als auch mit den Vereinigten Staaten ein Freihandelsabkommen zu machen, um die Zusammenarbeit in einer Welt zu stärken, in der Freihandelsabkommen ja nichts Neues, aber etwas Notwendiges sind.
Nun stellt sich, wie immer im Leben, nicht nur die Frage, was außen draufsteht, sondern auch was drinnen ist. Da kommen wir zu den Verhandlungen. Die Verhandlungen
haben lange Zeit – und das hat ja die Kommission auch eingestanden – so stattgefunden, dass die Bevölkerung in Europa das Gefühl hatte, sie sind nicht transparent, sondern sie werden verdeckt geführt. Daher ist der erste und richtige Schluss, Verhandlungen müssen so transparent sein, dass die Bevölkerung weiß, in welche Richtung und mit welcher Zielsetzung das Freihandelsabkommen abgeschlossen werden soll. (Abg. Moser: Das Kleingedruckte ...!)
Der zweite Punkt ist: Welche Rolle spielt Österreich während dieser Verhandlungen? Wir wollen ja nicht erreichen, dass wir die Missstände und sozialen und umweltpolitischen Probleme, die es in Europa in Bereichen der Spekulation und der Umwelt ohnehin gibt – ich möchte nur die Stichworte Kernenergie und Schiefergas ansprechen –, auch noch verstärken, indem man Konzernrechte zulässt, die die Schutzbestimmungen Europas aushöhlen. Das ist eine ernste Angelegenheit.
Nicht ja oder nein zum Freihandel ist die Devise. Entscheidend ist, das Ergebnis von Verhandlungen so streng zu prüfen, dass es den sozialen und umweltpolitischen Standards – ich denke an die Nahrungsmittelsicherheit – entsprechen muss. Kriterium ist, dass die Rechte und Gesetze, die wir in Europa haben, gestärkt hervorgehen und nicht geschwächt.
Nun sehen wir das in der Bundesregierung nicht in ganz gleicher Weise, aber auch in Parteien gibt es Diskussionen, warum nicht auch in einer Regierung mit zwei verschiedenen Parteien. Aber meine Meinung ist hier sehr eindeutig: Ich messe der Frage, ob es Sondergerichte gibt, die in der Lage sind, mit Schadenersatzklagen in Millionenhöhe soziale, Umweltrechte und andere Rechte auszuhebeln, große Bedeutung zu. Ich sehe es als eine Gefahr, die ein solches Abkommen mit sich bringt, dass sich Europa nicht sozialer und umweltfreundlicher und positiv für biologische Nahrungsmittel weiterentwickelt, sondern dass die Konzernrechte auch noch gestärkt werden und Konzerne Regierungen, Behörden und öffentlich Verantwortlichen mit Klagen in der Höhe von Hunderten Millionen drohen können.
Und welche Auswirkung hat das, wenn Großkonzerne gegen Kleine vorgehen? – Es hat etwa im Bereich der Nahrungsmittelsicherheit, aber auch in anderen Bereichen eine Auswirkung, die völlig logisch ist: Es verschlechtert sich, es wird nicht biologischer, es wird nicht ökologischer und es wird nicht sozialer. (Abg. Pirklhuber: So ist es! Massiv! Es wird industrieller!) Nun kann man so wie vor der Wirtschaftskrise sagen: Na was ist denn schon passiert? – Man muss ja nicht darauf warten, dass das, was mit Vattenfall und in anderen Einzelbeispielen schon passiert ist, nämlich dass Konzerne ihr Recht wahrnehmen, um auf Gesetzgeber mit Schadenersatzklagen Druck auszuüben, da sie zu einem Zeitpunkt investiert hätten, zu dem sie eine andere gesetzliche Situation vorgefunden haben, zur Regel wird. Man muss ja nicht darauf warten, dass man hier durch den Druck der Konzerne und deren Klagsmöglichkeiten nachgeben muss, sondern man kann sagen, dass man ein Freihandelsabkommen will, das sozial, umweltfreundlich und fair ist, und dass wir ein Freihandelsabkommen nicht unterschreiben, das diesen Kriterien nicht genügt. Und da ist die Frage der Sondergerichte eine entscheidende. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Brosz: Das schau ich mir an!)
Nun hat das österreichische Parlament – wie ich meine, völlig zu Recht – einen Entschließungsantrag beschlossen, der an Deutlichkeit eigentlich nichts zu wünschen übrig lässt. Ich teile ihn zu hundert Prozent und habe auch öffentlich darum gebeten, dass sich auch alle Regierungsmitglieder daran halten. Er verneint keine Freihandelsabkommen, er unterschätzt nicht die Bedeutung des Handels, er hat auch nichts dagegen, dass etwas mit Regelwerken abgeschlossen wird, sondern er sagt, diese Regelwerke sind danach zu beurteilen, was sie bewirken und wie sie ausgestaltet sind. Und daher kann ich das zu hundert Prozent so unterschreiben.
Es ist die Frage der sozialen und ökologischen Mindeststandards, die in Ihrem Antrag angesprochen werden, genauso deutlich formuliert wie die Transparenz der Verhandlungen. Es ist genauso klar formuliert, dass dieses Freihandelsabkommen von den Parlamenten zu ratifizieren sein soll. Hier sind wir schon bei einem entscheidenden Punkt: Wird sich Österreich auf allen Ebenen dafür einsetzen, dass sowohl bei CETA als auch bei TTIP die Entscheidung über dieses Abkommen als gemischtes Abkommen in den nationalen Parlamenten zu treffen sein wird? – Ich bin dieser Überzeugung, Sie haben das beschlossen, und ich sehe das persönlich auch als Auftrag und wünsche mir, dass alle, die Österreich vertreten, das auch als Auftrag sehen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP, Grünen und Team Stronach.)
Der Beschluss von vier Parteien sagt:
„Die Sinnhaftigkeit der Aufnahme von ISDS-Klauseln bei Abkommen mit Staaten mit entwickelten Rechtssystemen (z. B. USA und Kanada) ist aus heutiger Sicht nicht erkennbar.“
Das gilt aus heutiger Sicht auch für mich, daran hat sich nichts geändert. Ich habe diesen Ihren Entschließungsantrag daher auch aus tiefer innerer Überzeugung – sonst hätte ich mich heute, was ja auch erlaubt wäre, der Diskussion hier gestellt (Abg. Schwentner: Nicht!), ich bin ja auch nicht immer mit den vier Parteien in allen Punkten einer Meinung – und aus Respekt vor diesem Beschluss unmittelbar danach an den damaligen und an den jetzigen Kommissionspräsidenten, an den damaligen und an den jetzigen Ratspräsidenten weitergeleitet, also an die politisch Verantwortlichen, natürlich auch an den Präsidenten des Europäischen Parlaments.
Das ist mir deshalb wichtig, weil ich persönlich davon überzeugt bin. Das habe ich auch im letzten Europäischen Rat klargemacht. Die Protokolle sind vertraulich, aber ich verrate ja nicht, was die anderen gesagt haben. Eines Tages werden diese Protokolle trotzdem veröffentlicht, und da wird nachzulesen sein, dass ich mich klar gegen die ISDS-Klauseln in CETA und TTIP ausgesprochen habe, weil ich der Meinung bin, die Rechtssysteme in den Vereinigten Staaten und in der EU sind stark genug.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, warum ist diese Diskussion jetzt so wichtig? Sie ist jetzt so wichtig, weil jetzt die Weichen gestellt werden, nach welchen Standards diese Freihandelsabkommen – zuerst CETA und später TTIP – ins Finale geführt werden. Also was soll dann zur Beschlussfassung vorliegen? Jetzt wird entschieden, ob Wege gefunden werden, diese Entscheidung an den nationalen Parlamenten vorbei zu treffen – und einige suchen jetzt danach. Es findet auch jetzt die politische Diskussion darüber statt, ob die landwirtschaftlichen Produkte genauso wie die umweltpolitischen und sozialen Standards berücksichtigt werden, an denen uns zu Recht nicht nur gelegen ist, sondern die wir auch zu verteidigen haben.
Kurz gefasst: Ob und in welcher Form es diese Klauseln und damit Sonderklagerechte gibt, entscheidet sich in der Debatte jetzt. Es entscheidet sich die Frage, ob die nationalen Parlamente das letzte Wort haben, und es entscheidet sich die Frage, um welche Standards es geht. Diese Fragen sind so wichtig, und deshalb appelliere ich an Sie, dass wir jetzt in der politischen Diskussion eine Rolle spielen und nicht erst zum Schluss, wenn dann der letzte Federstrich zu setzen ist oder wir uns gemeinsam über irgendeine Umgehung empören. Empören wir uns jetzt und sagen wir klar und deutlich, was wir wollen! Ich werde das tun. Wenn wir das gemeinsam tun, sind wir stärker. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP, Grünen und Team Stronach. – Abg. Darabos: Kollege Pirklhuber, da ist aber ein Lob angebracht! – Abg. Kogler – demonstrativ Beifall spendend –: Wir haben eh!)
10.53
Präsident Karlheinz Kopf: Wir gehen in die Debatte ein.
Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Teilnehmer an der Aktuellen Europastunde laut § 74b Abs. 2 in Verbindung mit § 97a Abs. 6 der Geschäftsordnung 5 Minuten nicht überschreiten darf.
Als Erster gelangt Herr Abgeordneter Dr. Cap zu Wort. – Bitte.
10.53
Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Wir sind natürlich mit einer Vermischungsstrategie konfrontiert. Auf der einen Seite ist es berechtigt, Hemmnisse abzubauen, auf der anderen aber ist die Frage der Definition, was sonst noch Hemmnisse sind, eine verborgene. Gemeint sind aber in Wirklichkeit Dinge wie Klima, Umweltschutz, nachhaltige Energiewirtschaft, gesunde Ernährung, bäuerliche Landwirtschaft, soziale Dienstleistungen, öffentliches Beschaffungswesen oder die großen amerikanischen Medienkonzerne, denen die Kultur- und Filmförderung und der audiovisuelle Bereich in Österreich und in Europa, speziell in Frankreich, ein besonderes Anliegen sind, um das alles aufzubrechen. Das heißt, die hohen Standards sind Handelshemmnisse. Das müssten Sie einmal aussprechen.
Obama schätze ich ansonsten sehr. Er hat ja jetzt gerade eine sehr gute Rede gehalten und zu Recht erkannt, man solle die Mittelschichten entlasten und die Superreichen weltweit, vor allem in Amerika, belasten. Aber da kommt er plötzlich mit dem Argument, es geht um China, es geht um die ökonomische Vorherrschaft der USA, um China entgegenzuwirken.
Wir alle wollen den freien Handel, ja, selbstverständlich, aber doch nicht mit dieser Perspektive und nicht, indem eine verdeckte Debatte geführt wird. Diese Vermischung gilt es auch wirklich zu verdeutlichen.
98 Prozent der österreichischen Unternehmer sind mittlere und kleinere Unternehmungen, das sind rund 370 000. Wenn man in dieser privaten Einrichtung so eine Klage einbringt, dann muss man mit an die 8 Millionen Dollar rechnen.
Es gibt eine ganze Klagsindustrie, Anwaltskanzleien, die sich dumm und dämlich verdienen, und Risikofonds, die das noch finanzieren und schauen, wo man da klagen und noch etwas herausholen kann. Damit werden Staaten unter Druck gesetzt. Australien und Südafrika war das schon zu viel, die haben das schon aufgekündigt. Es gibt immer mehr Staaten, die sagen, sie wollen das gar nicht, sie wollen so eine private Investorenschutzklausel nicht. Falls jemand nicht weiß, was das ist, das ist ganz einfach: Es soll damit das Justizwesen durch private Einrichtungen umgangen werden. Da werden Leute ausgesucht, die dann dort sitzen, bezahlt werden und sagen, dieser und jener Staat muss jetzt Milliarden bezahlen. Damit werden die Staaten unter Druck gesetzt. Sie sollen Standards beseitigen, weil die Investitionen dadurch gefährdet seien, dass die Standards so hoch seien und man nicht genug Gewinn machen könne. – Das ist der ganze Hintergrund dieser Auseinandersetzung!
Dazu muss ich ein interessantes Interview der Kommissarin Malmström im heutigen „Standard“ erwähnen, in dem sie ein bisschen beginnt, Spuren zu legen, etwa beim Investorenschutzabkommen, indem sie sagt, machen wir es eben transparenter, es gibt halt leider bei CETA kein Berufungsverfahren. – CETA sollten wir auch gleich nicht beschließen, weil das nämlich in Wirklichkeit die Blaupause für TTIP ist. Also: Malmström sagt, es gibt kein Berufungsverfahren, und bei den Schiedsrichtern könne man sich ja auch etwas überlegen, etwa bei deren Auswahl, so nach dem Motto: vielleicht einmal welche mit einem netteren Gesicht oder welche, die nicht so denken, wie wir alle vermuten, weil sie ja ökonomisch abhängig sind, wenn sie dort sitzen, und auch gewinnorientiert agieren (Abg. Pirklhuber: Das ist richtig!), gegen die Interessen derjenigen, die hier in Europa leben und um diese Standards gekämpft haben, die wir heute hier haben.
Da legt Malmström einmal die eine Schiene, aber sie geht noch weiter. Die andere Schiene ist: Wenn es um die Frage des Konsumentenschutzes geht, sagt sie, nein, nein, da werden wir hart bleiben, aber zugleich meint sie, es gebe „sehr starke Konsumentenschutzorganisationen in Europa, besonders in Österreich“, es gebe „große Unterstützung der wachsamen Konsumenten für Bioprodukte und Lebensmittel“. Was sagt sie damit? – Sie sagt: Wissts was, beschließen wir das, wie es ist, und die Konsumentenschützer werden sich schon zur Wehr setzen! Die sind ja stark genug! Wir haben volles Vertrauen, dass die sich auf die Hinterbeine stellen und einen Widerstand organisieren! – Das sagt die Kommissarin und lächelt dazu. (Abg. Kickl: Was tun wir jetzt?) Die ist die charmante Variante ihres Vorgängers und sonst gar nichts. In Wirklichkeit ist sie auf derselben Linie geblieben.
Aber der Höhepunkt kommt dann bei der nächsten Frage, ich zitiere wieder aus dem „Standard“: „Muss TTIP in allen EU-Staaten ratifiziert werden?“ Was antwortet die Frau Kommissarin? – „Erst wenn es eine Vereinbarung gibt (...), werden unsere Rechtsexperten sagen, ob es ein gemischtes Abkommen ist (...).“ – Auf gut Deutsch: Wissts was, lasst euch mit den Parlamenten alle runter, bei uns werden die Rechtsexperten entscheiden, ob es ein gemischtes Abkommen ist. Irgendwie liest man da schon zwischen den Zeilen heraus: Es ist natürlich kein gemischtes Abkommen, weil den Weg werden wir nicht einschlagen, dass man in den nationalen Parlamenten ... (Abg. Berlakovich: Lustig!) – Na Sie sollten dafür sein, dass es ins nationale Parlament kommt! Sie sitzen ja hier herinnen, eigentlich sollten Sie sagen, Sie wollen mitbestimmen. Da können Sie nicht dagegen sein. Da kann überhaupt niemand dagegen sein, dass wir das hier behandeln wollen. Das möchte ich schon einmal sagen! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von FPÖ, Grünen und Team Stronach.)
Das fällt unter Demokratie, würde ich sagen. Das fällt darunter, dass wir unsere Kultur, unsere Lebensstandards behalten! Generationen haben dafür gekämpft! Bevor Sie da gesessen sind, ist auf Ihrem Platz ein anderer gesessen, der dafür gekämpft hat, dass es diese Standards gibt – manchmal mit uns, manchmal ohne uns (Abg. Rädler: Sie können ja eh mitstimmen!), und vor allem manchmal ohne Sie, aber so war es! (Abg. Rädler: Sie stimmen ja eh mit!)
Ich finde, das gilt es zu verteidigen. Daher war dieser Entschließungsantrag völlig richtig, und er hat auch nach wie vor noch seine Richtigkeit und seine Bedeutung. Es gilt, von diesem Entschließungsantrag keinen Millimeter abzurücken. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von FPÖ, Grünen und Team Stronach. – Abg. Kickl: Das wird noch eine Hetz!)
10.59
Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Auer zu Wort. – Bitte.
10.59
Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Staatssekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zuerst noch eine Bemerkung zum vorigen Tagesordnungspunkt. Ich weiß nicht, ob Sie Folgendes wahrgenommen haben: Unter dem Titel „Verantwortungsföderalismus statt Spendierföderalismus“ hat Kollegin Meinl-Reisinger wörtlich ausgeführt, mit den Förderungen werde in Österreich „strukturelle Korruption“ betrieben.
Meine Damen und Herren, diese Behauptung weise ich auf das Entschiedenste zurück! Sie sollte sich schämen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Da sollte man einmal im Förderungsbericht nachsehen, was unter Förderungen zusammengefasst wird: Klimaschutz, Sozialbereiche, Nationalfonds für Opfer des Nationalsozialismus, Sonderbehandlung des 13. und 14. Gehalts und so weiter. Das reicht mir, meine Damen und Herren! (Präsident Hofer übernimmt den Vorsitz.)
Aber nun zum aktuellen Thema: Der Herr Bundeskanzler hat zu Recht ausgeführt, dass der Handel vom Grundsatz her richtig ist. Auf dem Land heißt es ganz einfach, dass der Handel dann ein Geschäft ist, wenn er für beide Seiten ein Geschäft ist. Wenn so gehandelt wird, ist das in Ordnung. Tatsache ist auch, dass die alte Kommission diese Vorgangsweise nicht verstanden hat – weder transparent noch offensiv, noch informativ, man könnte das ganz einfach als Kommunikationsdefizit bezeichnen.
Herr Kollege Cap, es ist unbestritten, dass an dem Entschließungsantrag nicht zu rütteln ist, und es ist unbestritten, dass das Parlament einzubinden ist. Daran wird auch nicht gerüttelt, meine Damen und Herren! (Zwischenruf des Abg. Pirklhuber. – Abg. Wöginger – in Richtung des Abg. Pirklhuber –: Mit was hast du jetzt ein Problem?) Dass ein derartiges Schiedsgerichtsmodell das Schlechteste sei, wage ich jedoch in Anbetracht amerikanischer Justiz und Rechtsprechung auch etwas zu bezweifeln, denn direkt möchte ich mich diesem System auch nicht ausgeliefert sehen. (Abg. Pirklhuber: Aber indirekt?!)
Meine Damen und Herren! Wie immer bei neuen Verhandlungen, bei Abschlüssen von derartigen Handelsabkommen ist Vorsicht geboten – keine Frage, selbstverständlich. Ich möchte wissen, was dahinter steht. Es ist interessant, wenn ich, wie vorgestern, im „Standard“ lese: „Schiedsgerichte stärken Europäer vor der US-Justiz“. Wenn ich heute in den „Oberösterreichischen Nachrichten“ von erstmals sachlichen Diskussionen über TTIP lese, dann könnte man da viele Dinge herauslesen und interpretieren.
Gerade aus der Sicht der Landwirtschaft – und das wird man verstehen – sind wir in diesem Zusammenhang sehr vorsichtig. Gar keine Frage! (Zwischenruf des Abg. Steinbichler.) Aber – und das sei auch hinzugefügt –, wie man weiß, Österreich generiert sechs von zehn Arbeitsplätzen aus dem Export. Sechs von zehn Beschäftigten sind in Österreich durch den Export abgesichert. Gerade in konjunkturell schwierigen Phasen sollten und müssen wir alles tun, damit Arbeitsplätze gesichert und geschaffen werden. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Moser.) Und wenn es dort Chancen gibt, dann muss man diese auch wahrnehmen – unter Wahrung der österreichischen Interessen.
Ich war auf der Internationalen Grünen Woche in Berlin und habe mir die Eröffnungsansprache des agrarischen Kommissars Phil Hogan angehört. Ich bin froh und dankbar, weil er wörtlich ausgeführt hat, dass er nicht bereit ist, europäische Standards auf dem Welthandelsmarkt zu opfern. Das war eine klare Ansage vor Tausenden von Leuten, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe der Abgeordneten Pirklhuber und Steinbichler.)
Und wenn dieses Freihandelsabkommen zustande kommt – was aus der Sicht der Wirtschaft legitimes Interesse ist, was unter Umständen auch aus der Sicht der Beschäftigung in Österreich legitimes Interesse ist –, dann wird man zu prüfen haben, unter welchen Bedingungen. Die Fakten müssen auf den Tisch, die positiven und die negativen, und wenn die positiven überwiegen, dann wird man zustimmen, wenn die negativen überwiegen, dann wird man sich das wohl gut überlegen müssen. Gar keine Frage, meine Damen und Herren!
Tatsache ist aber auch, dass wir mit Amerika allein ein Freihandelsabkommen hätten, das sozusagen über 800 Millionen Menschen umfasst. Gerade die Dienstleistungen und Waren, die täglich mit Amerika ausgetauscht werden, machen täglich rund 2 Milliarden € aus – in Europa insgesamt gesehen. (Abg. Moser: Und in Österreich?!) Aus österreichischer Sicht ist es auch nicht gerade wenig.
Man muss also die Kritiker des Abkommens, die fürchten, die hohen Verbraucherschutzstandards könnten sozusagen durch die Öffnung gefährdet werden, ernst nehmen. (Abg. Pirklhuber: Natürlich! Ja!) Na selbstverständlich, die muss man ernst nehmen.
Da sind wir dabei, gar keine Frage. Aber dass auch in Österreich 85 000 Jobs vom Export und von einer wirtschaftlichen Beziehung mit Amerika abhängen, das sollte man auch nicht vergessen. (Abg. Pirklhuber: Aber nicht in der Landwirtschaft!) Das ist ein entscheidender Punkt. (Abg. Strache: Und wie ist das mit Russland?!) – Ja, auch die Frage mit Russland, selbstverständlich. Und gerade weil wir mit Exporten nach Russland Schwierigkeiten haben, brauchen wir jede Exportmöglichkeit wie einen Bissen Brot. Ich plädiere auch dafür, dass man mit Russland vernünftig redet – gar keine Frage. (Beifall bei der ÖVP.)
Meine Damen und Herren! Dieses Mandat wurde erteilt. Der Herr Bundeskanzler hat zugestimmt. Das ist auch richtig so – ich nehme auch an, dass er selbstverständlich genau weiß, was er getan hat –, und man sollte dieses Mandat möglich machen. Wir sollten nicht von vornherein sagen, dass alles schlecht ist, aber wir sollten auch nicht von vornherein meinen, es sei das Beste, was es gibt. Das ist es nicht! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Rädler: Genau! – Abg. Schwentner: Das ist eine Nullaussage! – Präsident Hofer gibt das Glockenzeichen.)
Gerade aus der Sicht der Landwirtschaft plädiere ich für eine entsprechende Herkunftsbezeichnung, denn wir haben in Österreich (Präsident Hofer gibt neuerlich das Glockenzeichen – Abg. Belakowitsch-Jenewein: Aus ist’s!) 14 regionale Herkunftsbezeichnungen – viele Länder Europas ungleich mehr –, und da haben wir noch dringenden Handlungsbedarf (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Aus ist’s!), um diese nachvollziehbare österreichische Produktion (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Aus ist’s!)
11.05
Präsident Ing. Norbert Hofer: Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist leider abgelaufen.
(Beifall bei der ÖVP für den das Rednerpult verlassenden Abg. Auer.)
Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Hübner. – Bitte, Herr Abgeordneter.
11.05
Abgeordneter Dr. Johannes Hübner (FPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Zuschauer! Liebe Kollegen! (Abg. Rädler: Ein Wort zu Russland!) – Ja, ja.
Kollege Auer, Sie haben uns gesagt, dass wir uns in Zukunft genau überlegen werden, ob wir dem zustimmen können, dass man alles prüfen werde, und, falls es für Österreich gut ist, werden wir zustimmen, und falls es nicht gut ist, werden wir nicht zustimmen. Haben Sie die Zitate – Kollege Cap hat sie heute dankenswerterweise am Podium vorgelesen –, die Aussagen der Frau Malmström gelesen? Haben Sie verfolgt, was die Europäische Kommission zu dieser Frage gesagt hat? – Es ist höchst fraglich, ob es überhaupt ein gemischtes Abkommen ist und ob es hier eine Kompetenz der einzelnen nationalen Parlamente zur Zustimmung gibt.
Wenn Sie das, was Sie sagen – dass wir hier prüfen und dann zustimmen, ob es gut oder schlecht ist –, ernst meinen, dann müssen Sie das Verhandlungsmandat, das wir leider ohne Wenn und Aber der Kommission gegeben haben, jetzt klarstellen und/oder einschränken. (Beifall bei FPÖ und Team Stronach.) Das heißt, dass Österreich jetzt vor die europäischen Instanzen treten und sagen muss, dass wir, wenn das kommt, was jetzt verhandelt ist und was wir aus dem CETA-Abkommen, das ja weitgehend bekannt ist, herauslesen können, nicht zustimmen werden. Das heißt, wir erklären schon jetzt, dass unser Mandat für den Abschluss eines solchen Vertrages nicht besteht.
Als wir das Mandat erteilt haben, sind wir davon ausgegangen, dass völlig andere Dinge herauskommen – oder was auch immer. Aber zu sagen, dass wir hier sitzen, zuschauen, dann anschauen, was herauskommt, und dann erstaunt feststellen werden, dass es doch kein gemischtes Abkommen ist und man nichts machen kann, ist wohl unehrlich bis zum Gehtnichtmehr. (Beifall bei der FPÖ.)
Kollege Cap, dem ich in seinen Aussagen vollständig zustimmen muss, hat klargestellt, dass wir hier einen Beschluss gefasst haben, und wenn wir den ernst nehmen, dann müssen wir ihn in den zuständigen Gremien kommunizieren. Da reicht auch das nicht, was offenbar dankenswerterweise der Herr Bundeskanzler in den europäischen Institutionen schon getan hat, sondern da müssen wir klar sagen, unser Mandat erstreckt sich nicht auf ein solches Abkommen.
Lieber Kollege von der ÖVP! Was heißt denn Schutz der Arbeitsplätze? Was heißt 85 000, die vom amerikanischen Markt abhängig sind? Glauben Sie ehrlich, dass das Freihandelsabkommen für die österreichischen Exporteure ein Freibrief ist, nach Amerika zu liefern? – Da passiert gar nichts. Das ist eine Einbahn, zumindest nach dem, was Frau Malmström erzählt hat.
Frau Malmström hat ihre Erklärung damit eingeleitet, CETA und TTIP – wobei wir bei TTIP gar nicht wissen, was drinsteht – sind gut für Österreich und die Österreicher. Sie können sich erinnern? – Das war das Einleitungsstatement – ohne dass wir wissen, was drinsteht. Es wird jedenfalls gut sein für Österreich und die Österreicher. Das meint offenbar auch die ÖVP, weil sie sagt, dass man da ein bisschen mehr exportieren kann, wenn die nichttarifären Handelshemmnisse wegfallen und es mehr Arbeitsplätze gibt.
Schauen wir uns vergleichbare Abkommen an! Es gibt ja das NAFTA, das nordamerikanische Freihandelsabkommen aus dem Jahre 1994 – 20 Jahre alt! – zwischen Kanada, den USA und Mexiko. Damals hat es geheißen, dass Millionen Arbeitsplätze geschaffen werden – in Mexiko hat man es damit beworben –, dass die amerikanische Industrie nach Mexiko kommen und Mexiko wirtschaftlich sozusagen eine neue USA werden wird. 20 Jahre sind vergangen, und was ist passiert? – Hunderttausende Kleinbauern sind in Mexiko zugrunde gegangen, haben ihre Existenz aufgegeben, das Land verlassen und sind entweder über den Rio Bravo in die USA abgewandert oder sitzen in den Slums von Mexico City (Abg. Pirklhuber: Billiger Maisimport! Gentechnik-Mais!) – Kollege Pirklhuber weiß es –, weil die großen Konzerne durch Preise, für die in Mexiko nicht zu produzieren war, den Markt überschwemmt haben. Hunderttausende!
Arbeitsplätze sind in Mexiko überhaupt keine geschaffen worden. Es gibt nur sehr ungenaue Berechnungen, aber man geht davon aus, dass allein in Mexiko durch NAFTA eine halbe Million Arbeitsplätze vernichtet worden sind; übrigens in den USA auch.
Ein weiteres Beispiel – weil das Investitionsschutzabkommen ja so super ist –, das wir im Klub gerade vorhin besprochen haben: Die kanadische Provinz Quebec hat einen hochgiftigen Zusatzstoff im Benzin, nämlich MMT, verboten. Die Erzeugerin, eine US-amerikanische Firma, ist daraufhin vor das Schiedsgericht gezogen. Was ist herausgekommen? – Aufgrund der Entscheidung des Schiedsgerichtes, die dann in einen Vergleich gemündet hat, musste der Staat Kanada das MMT-Verbot aufheben und der betroffenen Firma eine Kompensationszahlung von 250 Millionen Dollar dafür zahlen, dass man eine Zeit lang daran gehindert war, in den Markt einzutreten. Das sind Fakten. (Beifall bei Abgeordneten der FPÖ.)
Das sind nur einige Beispiele, ich könnte Ihnen eine ganze Liste von ähnlichen Vorfällen geben. Das mit dem MMT ist besonders skurril und besonders hart, weil dieser Stoff krebsfördernd und gesundheitsschädlich ist. Das Schiedsgericht hat aber gemeint, dass das wissenschaftlich nicht so ganz erwiesen sei, dass eindeutige, langfristige Statistiken noch fehlen und daher das Handelshemmnis nach gemeinsamen Abkommen und Standards nicht zulässig sei. Daher wurde der Staat verurteilt.
Wollen wir so etwas haben oder nicht? – Ich glaube, da muss es ein ganz klares Nein geben. Solche Abkommen brauchen wir nicht und wollen wir nicht. (Beifall bei FPÖ und Team Stronach.) Das hat mit Handel und Freihandel nichts zu tun. (Präsident Hofer
gibt das Glockenzeichen.) Den Handel mit den USA gibt es, aber es gibt nicht die Unterwerfung unter private Schiedsgerichte, daher – schon mein Schlusssatz – mein Ersuchen an beide Regierungsparteien, hier bitte etwas Rückgrat zu zeigen und das, was wir hier beraten und beschließen, auch international durchzusetzen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)
11.11
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Pirklhuber gemeldet. – Bitte.
11.11
Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Galerie! Herr Bundeskanzler! Werte Kolleginnen und Kollegen! Eines, was Sie hier vom Rednerpult aus gesagt haben, Herr Bundeskanzler, möchte ich aufgreifen, nämlich dass es eigentlich darum ginge, ökologische und soziale Standards zu stärken.
Ja, das ist auch die Erwartungshaltung der europäischen Bürgerinnen und Bürger, aber was ist denn in den letzten Jahren die Realität gewesen? Woran sind denn die großen internationalen WTO-Verhandlungen gescheitert? – Genau an diesem Punkt, bei dem es nämlich um die Qualität der Arbeitsplätze, um die Qualität der Umwelt, um die Qualität der Lebenszusammenhänge in unseren Staaten geht. An diesem Punkt haben sich die Meinungen und die Interessenlagen gespalten. Das ist auch einer der Kernpunkte unserer Kritik an den derzeitigen Verhandlungen.
Ein Freihandelsabkommen ist kein Abkommen zur Erhöhung der Standards im Ökologiebereich, im Arbeitsrecht oder sonst wo. Ein Freihandelsabkommen dient zum Abbau von Zöllen oder auch von Hemmnissen, wie Kollege Kogler richtig gesagt hat. Wenn ein Autospiegel von einem Industriekonzern in Europa anders produziert werden muss als in den USA, das in der Sache aber nicht gerechtfertigt ist, dann macht das keinen Sinn. Das können wir auch verstehen und akzeptieren. Wenn aber Agrarkonzerne, ob das Monsanto, Cargill, ADM und alle anderen sind oder die größten Saatgutproduzenten wie DuPont, ein gemischter Chemiekonzern und Pharmakonzern, oder die Lebensmittelindustrie der amerikanischen Staaten, nämlich Walmart, um ein Beispiel zu nehmen, oder die großen Suppenhersteller ihre Produkte in Europa auf den Markt bringen wollen, was müssten sie dafür tun?! – Sie müssen auf amerikanischer Seite, bei ihrer Regierung, lobbyieren, und sie sind auch im Beraterstab von Präsidenten Obama. In diesem Beraterstab von knapp 600 ExpertInnen sind 80 Prozent Industrievertreterinnen und -vertreter, und die müssen lobbyieren, dass die Standards bei diesen Verhandlungen in Europa nach unten gehen. (Zwischenruf des Abg. Rädler.) Das ist ihr Ziel, ihr politisch-strategisches Ziel. Das ist doch vollkommen klar! Das wissen die Menschen in Europa, und das wissen auch die Menschen in Österreich.
Die Zahlen sprechen für sich. Wie sieht denn die Handelsbilanz zwischen den USA und Europa derzeit aus? – Wir importieren jährlich Güter im Wert von 200 Milliarden € aus den USA, und im Wert von knapp 300 Milliarden € – vorwiegend Industriegüter – exportieren wir. Das heißt, es gibt derzeit für Europa eine positive Bilanz des Handelsaustauschvolumens.
Jetzt kommen wir zu den europäischen Interessenvertretern. Natürlich, die europäische Industrie, nämlich vor allem die Automobilindustrie, ist ganz vorne bei TTIP, die will das unbedingt. Da verstehe ich Kollegen Auer nicht. Wenn ich weiß, dass der Agrargüter-Austausch mit den USA gerade einmal 6,5 Prozent beträgt, dann verstehe ich nicht, dass der Raiffeisenverband in Österreich und die europäischen Bauernverbände plötzlich anfangen, sich für TTIP auszusprechen, dass der Bauernbund jetzt hinter dem Wirtschaftsbund nachhechelt und sagt, dass das Chancen sind und man da etwas erreichen könnte, damit man auch Blauschimmelkäse in die USA exportieren könnte.
Meine Damen und Herren, das ist hanebüchen und völlig unverständlich. Es ist unglaubwürdig, Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP. Man kann sich bei solch einer Verhandlung nicht die Rosinen aus dem Kuchen picken. Das wird nicht funktionieren, das wird nicht aufgehen. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Steinbichler. – Zwischenruf des Abg. Rädler.)
Herr Bundeskanzler, der innereuropäische Handel ist das Zehnfache vom Austausch zwischen den USA und Europa, und ich meine, es wäre klug, eine europäische Arbeitsmarktpolitik voranzustellen, die wirtschaftliche Integration in Europa voranzutreiben, vor allem zur Stärkung von Arbeitsplätzen. Wir haben die größte Krise am Arbeitsmarkt in Europa nach 1945 – dafür brauchen wir Lösungen! Das ist die Aufgabe der Europäischen Kommission und nicht, sich von den Konzernen einspannen zu lassen, um die Standards runterzufahren – auf Kosten unserer Landwirtschaft, auf Kosten unserer Konsumentinnen und Konsumenten. (Beifall bei Grünen, FPÖ und Team Stronach.)
Nennen wir einige Beispiele, damit wir Klartext reden!
Die amerikanische Fleischindustrie: Man hat die Förderbänder so beschleunigt, dass im amerikanischen Fleischbereich tatsächlich eine Vielzahl von Desinfektionsmitteln angewandt werden muss, damit dieses Verfahren überhaupt technisch möglich ist. Die ArbeitnehmerInnen werden krank dabei. Das sind Peroxysäuren, die hoch aggressiv sind und die Atemwege massiv angreifen.
Sie verwenden Leistungsförderer wie Ractopamin (Präsident Hofer gibt das Glockenzeichen) – auch das nicht zugelassen.
Antibiotika, Klonfleisch, Gentechniklebensmittel ohne Kennzeichnung – das ist US-amerikanischer Markt, das wollen unsere KonsumentInnen nicht. Daher heißt es jetzt, TTIP stoppen, solange nicht klar ist, wohin der Weg geht, und für unsere Verbraucherinnen und Verbraucher einfach kämpfen! – Danke schön. (Beifall bei Grünen und FPÖ.)
11.16
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Ertlschweiger. – Bitte.
11.16
Abgeordneter Rouven Ertlschweiger, MSc (STRONACH): Geschätzter Herr Präsident! Werter Herr Bundeskanzler! Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Fernsehzuschauer! Heute ist schon vieles gesagt worden, vieles davon ist auch richtig. Nur eines ist noch nicht erwähnt worden, nämlich was TTIP in Wirklichkeit ist.
TTIP ist doch nichts anderes als ein Sittenbild. Dieses Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika wird sicher als klassisches Beispiel dafür, wie man es nicht macht, Einzug in den Lehrplan jedes Publizistikstudiums halten. Es ist ein kommunikationstechnischer Super-GAU.
Die gesamte Debatte sollte doch auf volkswirtschaftlichen Daten basieren. In Wirklichkeit ist sie doch längst aus dem Ruder gelaufen, und dieser Schaden ist hausgemacht. Warum? – Monatelang wurde zuerst einmal der Brüsseler Mantel des Schweigens über diese ganzen Verhandlungen ausgebreitet. Jetzt, weil der Gegenwind rauer wird, weil sich die Gegner formieren, rückt man sukzessive mit Informationen heraus. (Abg. Rädler: Schöner Aufsatz!) Das ist meiner Meinung nach nicht gerade vertrauenserweckend.
Warum rudert man jetzt zurück, meine sehr verehrten Damen und Herren? – Nur deshalb, weil der öffentliche Druck größer geworden ist, die Bürger auf die Barrikaden steigen und auch viele europäische Politiker endlich aus ihrem komatösen Zustand erwacht
sind und sagen, dass es so nicht geht und man hier entgegensteuern muss. (Abg. Rädler: Netter Aufsatz!) Nur deshalb – Herr Kollege Rädler, bitte auch zuhören – befindet sich die EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström auf Imagetour. Sie war gestern auch in Österreich; ich finde – wie Kollege Kogler schon gesagt hat –, das war gestern ein schwacher Auftritt von ihr.
Sie hat mit ihrem Amtsantritt – als sie das zwölf Seiten starke Verhandlungsmandat online gestellt hat – auch nicht retten können, was nicht mehr zu retten war. De facto wird hier hinter verschlossenen Türen gemauschelt, es wird nicht transparent agiert. Der mediale Schaden ist angerichtet. Dafür ist jetzt nicht in erster Linie Cecilia Malmström verantwortlich, aber dass sie in den Medien die Veröffentlichung dieser TTIP-Dokumente – ich zitiere – als „einen beispiellosen Schritt“ bezeichnet oder sagt, dass es „bei keinen Verhandlungen je so viel Transparenz gegeben hat wie jetzt bei TTIP“, das ist ja ein Wahnsinn. Da muss sich jeder denken, was die da oben in Brüssel mauscheln, was sich diese Leute ausschnapsen.
Was heißt „beispiellos“? Was heißt „so viel Transparenz wie noch nie“? – Da muss man als mündiger Bürger ja geradezu hellhörig und stutzig werden. Irgendwie wird man in dieser gesamten TTIP-Debatte das Gefühl nicht los, dass es ein Paradebeispiel für die kollektive Entmündigung von Bürgern und Politikern ist, meine Damen und Herren! (Beifall beim Team Stronach und bei Abgeordneten der FPÖ.)
Eine Gruppe von Puppenspielern – nennen wir sie Eliten, Konzerne, Lobbyisten – lässt den Rest Europas – nennen wir ihn die Normalsterblichen und die von ihnen gewählten Volksvertreter; Kollege Rädler, damit sind Sie angesprochen – wie die Marionetten tanzen. Tatsache ist doch, dass viele Menschen in Europa bis heute keinen blassen Schimmer davon haben, was nach dem Abschluss dieses Abkommens wirklich rauskommt. Vom Chlorhuhn bis zu den Schiedsgerichten, bei denen Firmen die Staaten klagen können, wenn diese nachträglich Regeln und Gesetze, die die Investitionen gefährden, beschließen, ist alles dabei.
Was die Menschen jedoch spüren, ist – und das ist ein Faktum –, dass hohe Umwelt-, Sozial- und Lebensmittelstandards gefährdet sind und dass Partikularinteressen eben dieser Eliten, dieser Konzerne und dieser Lobbyisten mehr zählen als Transparenz und Aufklärung für den Rest. Das kann es nicht sein, meine Damen und Herren. Das ist sehr gefährlich! (Beifall beim Team Stronach und bei Abgeordneten der FPÖ.)
Die Politik muss in erster Linie den Menschen dienen. Obwohl noch kein einziges Kapitel fertiggeschrieben ist – kein einziges Kapitel ist fertiggeschrieben! –, feilschen Juristen jetzt schon, ob es sich um ein reines oder ein gemischtes Abkommen handelt. Das ist ein gravierender Unterschied, denn wenn es ein reines Abkommen ist – es ist heute schon öfter kommuniziert worden –, dann reicht die Mehrheit der EU-Regierungen und die Zustimmung des Europaparlaments. Ist es jedoch ein gemischtes Abkommen, meine Damen und Herren, dann sind alle Abgeordneten hier im österreichischen Parlament in der Pflicht, abzustimmen und Farbe zu bekennen, ohne zu tarnen und zu täuschen. Hier muss man sich hinstellen und den Menschen einmal erklären, warum man für dieses Abkommen stimmt oder warum man dagegen stimmt.
Eines hat die gesamte Debatte gezeigt: Die Bürger in Europa lassen sich sehr viel erzählen, und sie glauben sehr viel, aber jeden Lavendel glauben sie auch nicht, denn wenn im Rahmen einer öffentlichen Konsultation zum Thema TTIP und Investorenschutz – das ist heute auch schon erwähnt worden – 97 Prozent von insgesamt 150 000 abgegebenen Stellungnahmen negativ sind, dann zeigt mir das, dass es sehr wohl mündige Bürger gibt, die auf die Barrikaden steigen. Und was das für das Ansehen Brüssels bedeutet, das brauche ich Ihnen nicht zu sagen. Das ist ein massiver Vertrauens- und Glaubwürdigkeitsverlust, woraus die Erkenntnis folgt, dass Politik nicht hinter verschlossenen Türen stattzufinden hat, sondern ein offener Dialog sein muss – auch wenn das
Konzerne, Eliten und Lobbyisten nicht gerne hören. Das ist ein Faktum! Das ist die Tatsache! – Danke sehr. (Beifall beim Team Stronach und bei Abgeordneten der FPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP. – Abg. Strache: Das ist keine Verschwörungstheorie! – Abg. Rädler: Was sagt Magna Kanada?)
11.22
Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Hable. – Bitte.
11.22
Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Bundeskanzler! Geschätzte Bürger und Bürgerinnen! TTIP – das Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten – steht wieder einmal auf der Tagesordnung. Es ist eine Diskussion, die unehrlich geführt wird. Es ist eine Diskussion, der Ehrlichkeit mangelt. Deswegen möchte ich versuchen, dieser Diskussion doch einen Schuss Ehrlichkeit einzuimpfen, und möchte schon auch mit der Kommunikation der Bundesregierung in dieser Sache beginnen.
Es war sehr erstaunlich, was Kollege Krainer – er ist jetzt im Moment nicht da – gestern in der Aussprache mit Kommissarin Malmström gesagt hat. (Abg. Pirklhuber: Allerdings!) Er hat nämlich gesagt, die SPÖ sei eigentlich gar nicht dabei gewesen, sondern es sei nur der Wirtschaftsminister der ÖVP gewesen, der der Kommission das Mandat für die Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten gegeben hat. (Abg. Kickl – in Richtung Saalausgang –: Da hinten steht er eh!) Also, Herr Bundeskanzler, Sie waren offensichtlich gar nicht involviert. Es war ein Alleingang der ÖVP, ein Alleingang des Wirtschaftsministers. – Diese Behauptung ist doch absurd! Sich dann in der Öffentlichkeit hinzustellen und das auch noch der Kommissarin ins Gesicht zu sagen, ist nur noch peinlich. (Abg. Strache – in Richtung des Abg. Krainer –: Da ist er!)
Die Wahrheit ist nämlich eine andere. Die Europäische Kommission verhandelt dieses Abkommen nicht aus Jux und Tollerei. Die Europäische Kommission ist nicht von selbst darauf gekommen, dass jetzt ein Freihandelsabkommen mit den USA notwendig wäre, sondern die Kommission verhandelt im Auftrag von 28 Mitgliedstaaten, die einstimmig diesen Auftrag erteilt haben, inklusive Österreich, der Auftrag ist also auch von der österreichischen Bundesregierung erteilt. Aber was macht die österreichische Bundesregierung? – Sie fährt nach Brüssel und sagt, Mandat erteilt pro TTIP, und dann kommt sie nach Österreich zurück und wettert gegen dasselbe Handelsabkommen, für das sie gerade das Verhandlungsmandat erteilt hat.
Genauso unehrlich ist die Diskussion, was die Investitionsschutzabkommen betrifft, denn es war gerade die österreichische Bundesregierung, die diese Investitionsschutzklausel in Brüssel vehement hineinreklamiert hat. Dann fährt dieselbe Bundesregierung nach Österreich zurück und behauptet hier in der Öffentlichkeit und in allen Medien, dass da Schindluder betrieben werde. In Wirklichkeit ist das alles nur noch unehrlich und unredlich. (Abg. Hübner: Und was wollen die NEOS?)
Neben mehr Ehrlichkeit, die wir einfordern, ist natürlich Transparenz überhaupt eine notwendige Grundvoraussetzung. Transparenz ist in einer Demokratie notwendig, sie ist einer der Pfeiler einer Demokratie und natürlich auch bei den Verhandlungen über ein solches Handelsabkommen notwendig. Transparenz liegt natürlich nicht nur in der Verantwortung der Kommission, sondern auch in der Verantwortung der österreichischen Bundesregierung, denn es waren wiederum die 28 Mitgliedstaaten, inklusive der österreichischen Bundesregierung, die das Verhandlungsmandat geheim gehalten haben. Es ist auch notwendig, das dazuzusagen. Also, es sind alle in der Verantwortung, hier mehr Transparenz zu zeigen. (Abg. Neubauer: Ja, aber ihr auch!)
Die Europäische Kommission hat sich diesbezüglich bewegt. Das ist positiv zu sehen. Es sind erstmals nicht nur Positionspapiere veröffentlicht worden, sondern auch Vor-
schläge für den Verhandlungstext veröffentlicht worden. Das reicht noch nicht aus, aber es ist ein positiver Beginn. Ich habe die Kommissarin gestern noch ausdrücklich nach den weiteren Schritten gefragt. Sie hat gesagt, es wird alles Weitere in die Wege geleitet, es wird noch viel mehr veröffentlicht werden, außer den ganz sensiblen Sachen, die man vor Verhandlungen nicht in der Öffentlichkeit breittreten sollte, um seine Verhandlungsposition nicht zu gefährden.
Wir werden jedenfalls auch vonseiten der NEOS sehr genau darauf schauen, dass die notwendige Transparenz vorhanden ist. Wenn Sie uns nach unserer Position fragen, dann muss man auch ehrlich sagen, man kann jetzt nicht pro oder kontra TTIP sein, wenn das Endverhandlungsergebnis noch nicht auf dem Tisch liegt. (Abg. Schwentner: Nein, bitte!) Aber wir sagen ganz klar: Wir sind pro Freihandel. Warum? – Weil Freihandel Wohlstand geschaffen hat, gerade in Österreich, das als kleines Land vom Export und vom Freihandel lebt. Wir sind auf diese Freihandelsabkommen angewiesen.
Ich erwarte mir (Präsident Hofer gibt das Glockenzeichen) – Herr Präsident, damit komme ich zum Schluss – insgesamt mehr Ehrlichkeit in dieser Diskussion, weniger Panikmache, mehr Orientierung an den Chancen, nicht nur den Fokus auf die Risiken und mehr Einsatz gerade von dieser Bundesregierung für Arbeitsplätze in diesem Land – das ist ganz dringend notwendig. – Danke. (Beifall bei den NEOS.)
11.27
Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Muttonen. – Bitte.
11.27
Abgeordnete Mag. Christine Muttonen (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren! Was heute eindeutig sichtbar und deutlich geworden ist: Das Parlament steht TTIP und insbesondere natürlich auch der Aufnahme von Sonderklagerechten in das Freihandelsabkommen mit den USA sehr skeptisch gegenüber, was ja schon in unserem gemeinsamen Antrag sehr deutlich geworden ist. Zwischen zwei Gesellschaften mit gut funktionierenden Rechtssystemen wie der amerikanischen und der europäischen Gesellschaft verbessern Sonderklagerechte nicht den Rechtsstandard, sondern sie verschlechtern ihn ganz sicherlich. Es ist und bleibt daher sinnlos, auch diese Sonderklagerechte, diese sogenannten ISDS-Klauseln, aufzunehmen. Im Klartext heißt das: Bleiben die Klauseln drinnen, stimmen wir TTIP auf keinen Fall zu. (Abg. Pirklhuber: Richtig!) An dieser Einstellung hat sich nichts geändert, weder beim Parlament noch in der Bundesregierung. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von FPÖ und Grünen.)
Unser Antrag behandelt aber auch unsere Sorge um die hohen Standards, die wir uns so mühsam erkämpft und erarbeitet haben, und zwar die Rechte der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die Standards bei den Rechten der VerbraucherInnen, bei unseren Sozialsystemen und auch beim Umweltschutz. Und diese Sorgen, meine Damen und Herren, sind berechtigt.
Ein Beispiel: Letztes Jahr gab es eine Nachricht aus Chattanooga in Tennessee, die für österreichische, ja, für europäische Ohren ziemlich merkwürdig klingt. Dort haben republikanische Politiker, wie der Gouverneur von Tennessee, erheblichen Druck auf VW und deren Mitarbeiter gemacht. Ziel der Kampagne war es, zu verhindern, dass sich die ArbeitnehmerInnen gewerkschaftlich organisieren. Warum? – Die Südstaaten in den USA werben nämlich damit, gewerkschaftsfrei zu sein. (Abg. Pirklhuber: Das ist ja unglaublich!)
Ein weiteres Beispiel, das auch sehr zu denken gibt, ist die Tochtergesellschaft der Deutschen Telekom T-Mobile USA. Diese versucht nämlich mit allen Mitteln zu verhindern, dass sich ihre Mitarbeiter gewerkschaftlich organisieren. Damit steht sie aber im Widerspruch zur Firmenpolitik in Europa.
Die sonderbare Wandlung dieser Deutschen Telekom von einem, wenn Sie wollen, Dr. Jekyll in Europa zu einem Mr. Hyde in den USA ist schon sehr eigenartig, kann aber auch bei anderen Unternehmen beobachtet werden. Möglich macht das allein der viel geringere Standard bei den ArbeitnehmerInnenrechten und bei den Gewerkschaftsrechten. Da kann Frau Kommissarin Malmström, wie sie das gestern hier im Parlament getan hat, noch so häufig erklären, bei TTIP würden keine Regeln verhandelt, die unsere Standards senken. Das mag schon sein, aber eines ist auch klar, meine Damen und Herren: TTIP würde den internationalen Wettbewerb zwischen den amerikanischen und europäischen Firmen so verschärfen, dass die österreichischen und die europäischen Firmen dann unter großen Druck geraten würden, denn wenn sich US-Unternehmen in diesem Wettbewerb durch Lohn-, Sozial- und Umweltdumping Vorteile verschaffen können, dann erhöht das doch automatisch den Druck auf uns, unsere Standards aufzuweichen.
Darum sind die anderen Punkte in unserem Antrag auch so wichtig. In ihnen fordern wir, dass unsere Freihandelspartner wenigstens soziale, arbeitsrechtliche und umweltpolitische Mindeststandards umsetzen müssen. Die USA haben das noch nicht gemacht.
Intensivere Handelsbeziehungen mit den USA sind – das ist heute schon erwähnt worden – per se weder gut noch schlecht. Aber wir müssen aufpassen und darauf achtgeben, wie sie gestaltet werden. Die Frage ist: Wessen Interessen spiegeln sie wider? Spiegeln sie nur die Wirtschafts- und Gewinninteressen von Firmen und Konzernen oder auch die Interessen von ArbeitnehmerInnen, von VerbraucherInnen und Interessen zum Schutz der Umwelt wider? Die Frage ist auch: Sind die Vorteile gerecht verteilt, oder geht es um Einzelinteressen zulasten von uns allen?
In diesem Zusammenhang möchte ich aber auch noch – das ist mir besonders wichtig – auf Kunst und Kultur hinweisen. Wir wollen keinen amerikanischen Mainstream. Daher müssen Film, audiovisuelle Medien und Kunst insgesamt von TTIP ausgenommen werden, um die Vielfalt unserer Kultur in Europa zu erhalten. Ich glaube, auch Kunst darf dem Spiel ökonomischer Kräfte nicht ausgesetzt werden. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Kickl: Das ist ja fast ein nationalistischer Ansatz! Nationalistische Töne! – Abg. Strache: Patriotische Töne!)
11.32
Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Winzig. – Bitte.
11.32
Abgeordnete Dr. Angelika Winzig (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der Zukunftsforscher Matthias Horx schreibt in seinem Buch „Zukunft wagen“:
Ängste zu schüren ist zu einem Geschäftsmodell der Medien geworden, weil sie wissen, dass wir aufgrund der Evolution auf Angst kalibriert sind und unser Angstsystem sich in der letzten Zeit nicht gewandelt hat. (Abg. Rädler: Der Herr Pirklhuber, der hat immer Angst!)
Wir suchen uns jetzt imaginäre Feinde: Der Säbelzahntiger von heute ist unter anderem das Handelsabkommen TTIP.
Ja, unsere Bürgerinnen und Bürger sind verunsichert. Daher ist es umso wichtiger, eine faktenbasierte, ernsthafte Diskussion zu führen (Abg. Schwentner: Ja, die hat es auch gegeben! Es gab auch einen Entschließungsantrag dazu!), denn immerhin verdanken wir unsere Lebensqualität der 60-prozentigen Exportquote und immerhin sind die USA unsere drittwichtigste Exportdestination. Im Klartext: Wir sichern dadurch 85 000 Arbeitsplätze in Österreich. Auch gestern in der Akademie der Wissenschaften
hat Frau Dr. Exner-Wöhrer als Unternehmerin, als CEO, bestätigt, dass sie ihre Forschungs- und Entwicklungsabteilung in Salzburg nur durch ihre Standorte in den USA aufrechterhalten kann. (Beifall bei der ÖVP.)
Da die europäischen Märkte schwächeln und Russland derzeit aufgrund von Völkerrechts- und Menschenrechtsverletzungen kein verlässlicher Partner ist, müssen wir uns auf Überseemärkte konzentrieren. Dies ist vor allem für Unternehmerinnen und Unternehmer durch ein qualitativ hochwertiges Handelsabkommen am einfachsten. (Abg. Pirklhuber: Was sind da regionalpolitisch ...? Haben Sie sich das schon einmal überlegt, wo die Arbeitsplätze tatsächlich sind?) Wie sich Frau Kommissarin Malmström gestern sowohl in der Aussprache hier im Parlament als auch in der Akademie der Wissenschaften präsentiert hat, kann man erkennen, dass jetzt auch die heiklen Themen angegangen werden.
Was das Thema Transparenz betrifft, so ist – Herr Hable hat es schon angeschnitten – jetzt auch die Hintergrundinformation online. Aber auch hinsichtlich dessen, was Herr Kogler so sehr kritisiert hat – er hat gesagt, dass es ja gar kein SME-Kapitel gibt; das hat er mir mit Zwischenrufen bei meiner letzten Rede mitgeteilt –, sei darauf hingewiesen: Mittlerweile gibt es das schon länger, und es steht auch bereits online.
Die Standards wurden schon angesprochen, und zum Investitionsschutz ist Folgendes zu sagen: Die Verhandlungen zum Investitionsschutz wurden ausgesetzt, da dieser Konsultationsmechanismus 150 000 Reaktionen gebracht hat. Ich denke, es ist der Kommission eine Lehre – und die Kommissare sind ja keine Realitätsverweigerer –, dass es jetzt heißt, im Bereich Investitionsschutz zurück an den Start zu gehen. Wir haben es auch gestern in der Akademie gehört: Es gibt gute Vorschläge, wie dieser Investitionsschutz lösbar ist, der ja auch im Verhandlungsmandat unserer 28 Regierungschefs enthalten war.
Herr Hable hat schon die eigenartige Kommunikation in den Parteien angesprochen. Ja, es war eine seltsame Frage des Kollegen Krainer, aber wenn in der Zeitung zu lesen ist, dass die Kollegin Holzinger eine Tafel, auf der „STOPP TTIP“ steht, zeigt, konterkariert das auch das Verhandlungsmandat unseres Bundeskanzlers. Auch innerhalb der FPÖ herrscht keine Einigkeit, denn hier sind Sie dagegen, aber in Brüssel stimmt Vizepräsident Matthias Krenn, Bürgermeister der FPÖ, bei EUROCHAMBRES – ich bin neben ihm gesessen – für TTIP. (Abg. Strache: Was, der Krenn ist in Brüssel?! Der Krenn ist EU-Abgeordneter?!)
Wir brauchen uns vor amerikanischen Konzernen nicht mehr zu fürchten (Abg. Kickl: Doch!), denn Apple, Nike, Microsoft, Google und Co sind hier bereits bestens verankert, und auch unsere Großkonzerne wissen, wie man in den USA Geschäfte macht. Ich bin überzeugt davon, dass gerade dieses Handelsabkommen der mittelständischen Wirtschaft zugutekommen wird, denn da geht es um den Abbau von bürokratischen Hürden, von komplizierten Einfuhrbestimmungen und von Doppelgleisigkeiten bei Prüfungen, was große Chancen bietet. (Zwischenrufe der Abgeordneten Pirklhuber und Steinbichler.) Herr Kollege Steinbichler, Sie vertrauen ja offensichtlich auch unserer Wirtschaftspolitik, denn Sie sind ja nach wie vor Mitglied des Wirtschaftsbundes. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)
Ein qualitativ gut ausgehandeltes TTIP kann zu einer erfolgreichen Konjunkturbelebung führen, Wachstum und Beschäftigung steigern. (Abg. Schwentner: Ihre Wirtschaftspolitik ist beängstigend!) Im Gegensatz zu Präsidenten Kaske traue ich unseren UnternehmerInnen und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu – sie haben es in der Vergangenheit bewiesen –, erfolgreich im Export zu sein. Wir sind es unseren arbeitslosen Bürgerinnen und Bürgern in dieser Republik schuldig, diese Chance auch ernsthaft zu nutzen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Pock.)
11.37
Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter MMMag. Dr. Kassegger. – Bitte.
11.37
Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die österreichische Bevölkerung hat immer weniger Vertrauen in Sie. Die österreichische Bevölkerung hat immer weniger Vertrauen in die Prozesse, die da in Brüssel in der Europäischen Union vonstattengehen. Sie hat immer mehr das Gefühl, dass ganz wesentliche, ihr Leben betreffende Dinge von ein paar Dutzend Verhandlern, Leuten, die von niemandem gewählt worden sind, in irgendwelchen Hinterkämmerchen in Brüssel oder Frankfurt beraten und beschlossen werden. Und die Österreicher haben auch Sorge – begründete Sorge, ich verstehe diese Sorge –, dass ihre Interessen, dass die Interessen Österreichs in diesem Turm zu Babel in Brüssel nicht wirklich gut vertreten werden.
Zu den betroffenen Themen zählen etwa Dinge, die sich ein paar Leute von der Europäischen Zentralbank ausdenken, dazu zählen Dinge, die sich ein paar Gouverneure im Rahmen des Europäischen Stabilitätsmechanismus ausdenken, und dazu zählen eben auch ein paar Dinge, die sich ein paar Verhandler im Rahmen dieser TTIP-Verhandlungen ausdenken. All das kostet unvorstellbar viel Geld – Milliarden! – und Tausende von Arbeitsplätzen.
Aber ich komme jetzt zu TTIP. Was ist dieses TTIP eigentlich? – Eine Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft – das sagt schon der Titel. Es ist ja immer wieder so getan worden, als ob diese Investitionsschutzbestimmungen nur ein unbedeutender Nebenteil auf Seite 57 dieses Abkommens wären. Nein, es gibt zwei wesentliche Komponenten: den Abbau von sogenannten Handelsbeschränkungen – wobei ich da durchaus bei Kollegen Cap bin: da muss man sehr kritisch beurteilen, inwieweit es nicht darum geht, Standards, die wir hier in Europa haben, abzubauen – und diese Investitionsschutzklauseln, uns zwar gleichberechtigt; sonst würde das Abkommen ja nicht TTIP heißen, sondern „TTP“ ohne „I“. „I“ steht ja für diese Investitionsschutzklauseln.
Wir fordern von SPÖ und ÖVP endlich einmal klare Standpunkte, und zwar zu beiden Bereichen: zum einen zu den Handelsbeschränkungen und zum anderen auch zu den Investitionsschutzklauseln.
Es reicht uns nicht, wenn man unreflektierte Jubelmeldungen von sich gibt, dass wieder soundso viele Tausende Arbeitsplätze geschaffen werden, das glaubt Ihnen sowieso keiner mehr. (Beifall bei der FPÖ.) Kollege Hübner ist bereits auf NAFTA eingegangen – genau das Gegenteil ist eingetreten. Da sind Hunderttausende Existenzen und Arbeitsplätze vernichtet worden.
Unsere freiheitlichen Standpunkte sind da ganz klar, was die Verhandlungen betrifft: Wir wollen keine Privatisierung des öffentlichen Beschaffungswesens, wir wollen keine Aushöhlung des Schutzes sozialer und ökologischer Aspekte bei der Auftragsvergabe, wir wollen das Bestbieterprinzip, wir wollen keinen Abbau von Arbeitnehmerrechten und Arbeitsstandards! Nur so nebenbei: Die Vereinigten Staaten haben die Standards der ILO, also die Standards der International Labour Organisation, nicht unterschrieben. Also was erwartet man sich von so einem Abkommen? Das wird doch wohl kaum zu einer Verbesserung dieser Standards beitragen.
Wir wollen keine Verschlechterung für bestehende und zukünftige Klima- und Umweltstandards. Nur so nebenbei: Die Amerikaner haben das Kyoto-Protokoll nicht unterschrieben. Also was erwartet man sich für eine Entwicklung? Wir wollen natürlich auch keine Aufweichung der Lebensmittelsicherheit, Stichwort gentechnisch veränderte Le-
bensmittel und ebensolches Saatgut und Ähnliches; Hormonfleisch, Chlorhuhn – das ist ja alles bekannt.
Wir fordern die Vertreter der Bundesregierung auf, dies auch endlich einmal in aller Deutlichkeit in Brüssel zu deponieren! (Beifall bei der FPÖ.) Nichts davon ist bisher geschehen.
Was ist offiziell in Brüssel deponiert? – Offiziell deponiert ist ein unbeschränktes Mandat ohne jede Einschränkungen, natürlich inklusive Investitionsschutzklauseln, das ist Fakt. Alles andere ist „Kronen Zeitung“-Marketing, geschätzter Herr Bundeskanzler. Dieses Mandat wurde auch mehrfach bekräftigt, zuletzt vor Weihnachten.
Auch bezüglich des zweiten Hauptbereichs haben wir einen klaren Standpunkt: Wir fordern ein sofortiges Aus für diese Investitionsschutzbestimmungen und Sonderklagsrechte der Konzerne sowie für die privaten Schiedsgerichte. Also kein Herumeiern wie jetzt. – Zurzeit ist das „frozen“, also es wird eingefroren, man wartet ab, bis sich die Aufregung legt, und bringt das dann wieder durch das Hintertürl. Wir fordern ein sofortiges Aus und ein diesbezügliches klares Nein unserer Bundesregierung in Brüssel! (Beifall bei der FPÖ.)
Ich möchte mit dem Interview der EU-Kommissarin Malmström, das heute im „Standard“ erschienen ist, schließen. Der „Standard“ fragt:
„Der österreichische Kanzler Werner Faymann scheint sehr TTIP-kritisch zu sein. Haben Sie Kontakte?“
Frau Malmström antwortet darauf: „Ich kann nur sagen, dass uns ein Mandat erteilt wurde, TTIP zu vereinbaren, auch von Österreich. Bei drei oder vier Gelegenheiten hat der Europäische Rat, also die Staats- und Regierungschefs, seine Unterstützung an uns einstimmig erneuert. Zuletzt hieß es in den Schlussfolgerungen des EU-Gipfels im Dezember 2014, dass die EU-Kommission TTIP schnellstmöglich fertigverhandeln soll.“
„Fühlen Sie sich von der Regierung in Wien noch unterstützt?“ (Präsident Hofer gibt das Glockenzeichen), lautet eine weitere Frage – letzter Satz, und es ist ein spannender Satz –, und die Antwort lautet:
„Die österreichische Regierung stand hinter diesen Schlussfolgerungen. Zumindest in Brüssel.“ (Beifall bei der FPÖ.)
11.43
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Schwentner. – Bitte.
11.43
Abgeordnete Mag. Judith Schwentner (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Staatssekretärin! Werte Zuschauerinnen und Zuschauer! Es wurden schon viele Bereiche angesprochen, die dieses TTIP-Abkommen in Zukunft betrifft. Ich möchte diese noch einmal erwähnen und zusammenfassen und vor allem einen ganz konkreten, für mich wesentlichen Punkt noch anführen.
Es geht um Lebensmittelstandards. Wir alle kennen die Chlorhendln auf den Plakaten, die die „Kronen Zeitung“ auch plakatiert hat, und das ist relativ eingängig und verständlich.
Wir kennen die Probleme aus der Landwirtschaft, die betroffen sein wird; das hat auch Kollege Pirklhuber sehr ausführlich erläutert. Es geht um Hormonfleisch und Genmais, das sind Dinge, die sehr anschaulich und schnell begreifbar sind.
Es geht aber auch um den Umweltschutz, es geht um den Verbraucherinnen- und Verbraucherschutz, und es geht um Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerrechte, die mir bislang und heute zu kurz gekommen sind.
Und ein wesentlicher Punkt: Es geht um Demokratie! – Herr Kanzler, das und auch die Schiedsgerichte haben Sie angesprochen, und wenn Sie sich in Brüssel klar und deutlich dagegen aussprechen und sich dafür einsetzen, dass es da zu Veränderungen kommt, dann freuen wir uns, dass Sie das so machen. Bitte beachten Sie dabei aber, dass eines Ihrer Regierungsmitglieder, nämlich der wesentliche und in allererster Linie verantwortliche Minister Mitterlehner, offensichtlich in eine andere Richtung galoppiert. Das zu verhindern wird wohl Ihre Aufgabe als Kanzler sein. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Steinbichler.)
Es kann nicht sein, dass Minister Mitterlehner jetzt hergeht und quasi diese vorläufige Anwendung akzeptiert. Darunter haben wir zu verstehen, dass es auf nationaler Ebene, also direkt in Österreich, vorher beschlossen und umgesetzt wird, bevor es eine internationale Einigung gibt. Das heißt, die nationalen Parlamente – so ist es gestern offensichtlich auch mit Kommissarin Malmström angedacht worden – sollen das also zuerst umsetzen, und wenn Ihre ganze Kraft in diese Richtung geht, Herr Kanzler, gilt es, das zu verhindern und diese vorläufige Anwendung auch wirklich zu unterbinden. (Beifall bei den Grünen.)
Ich möchte in diesem Zusammenhang auch das Demokratiepolitische auf nationaler Ebene ansprechen. Es ist jetzt knapp vier Monate her, dass wir hier im Parlament diesen Entschließungsantrag gefasst haben, und ich möchte vor allem die Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP daran erinnern, dass das auch auf ihre Initiative hin passiert ist. (Abg. Wöginger: Passt ja eh! Was haben Sie denn für ein Problem?) – Ja, passt ja eh, aber offensichtlich geht es jetzt in eine andere Richtung und passt offensichtlich nicht mehr. (Abg. Wöginger: Was haben Sie denn für ein Problem? – Zwischenruf des Abg. Pirklhuber.)
Erinnern Sie sich, was Sie initiiert haben, gemeinsam mit den KollegInnen aus der SPÖ, und was vom ganzen Parlament mitgetragen wurde, nämlich dass sich das Parlament einsetzen möge für hohe Mindeststandards im Umweltbereich und im ArbeitnehmerInnenbereich und diese auch schützen möge. (Abg. Wöginger: Passt ja eh!) Das Parlament solle sich einsetzen und von der Regierung fordern, dass es zu mehr Transparenz in den Verhandlungen kommt und dass wir bei Abkommen mit Staaten, in denen es entwickelte Rechtssysteme gibt, wie es auch im Antrag drinnen steht – wir verhandeln nämlich mit Kanada und den USA, und da würden wir davon ausgehen, dass es in diesen Staaten demokratische Rechtssysteme gibt –, keine internationalen Schiedsgerichte brauchen, da diese nämlich ganz weit abseits von demokratischen und transparenten Mechanismen verhandeln. (Beifall bei den Grünen.)
Dort wird verhandelt mit AnwältInnen, die stark sind, in die viel Geld von den Konzernen fließt, mit Interessen, die die Konzerne unterstützen. (Zwischenruf des Abg. Wöginger.) Erklären Sie uns, warum das im Zusammenhang mit Rechtssystemen wie jenen in Amerika und Kanada notwendig sein soll beziehungsweise warum, wenn das in unserem Antrag drinnen steht, Aufweichungen in eine ganz andere Richtung passieren.
Was das für ArbeitnehmerInnenrechte bedeutet, möchte ich auch noch einmal sagen. Wir haben sehr lange hier im Nationalrat diskutiert über Lohn- und Sozialdumping, Dinge, die im ArbeitnehmerInnenschutz, aber auch im Lohnbereich durch Nachbarländer geschehen. Was da passiert, geht noch viel weiter darüber hinaus: Gerade Amerika hat viele der Normen, was die ILO-Abkommen anbelangt, nicht unterschrieben. Es geht dabei um ILO-ArbeitnehmerInnenrechte, nämlich Gründung von Gewerkschaften, Lohngerechtigkeitsmaßnahmen, Mindestlohnmaßnahmen (Zwischenruf des Abg. Prinz) – viele Dinge, die wir nicht unterwandert haben wollen. Wir wollen nicht, dass ArbeitnehmerInnenrechte nach unten nivelliert werden, sondern wir wollen, dass sie
auf einem Standard bleiben, der angemessen und adäquat ist beziehungsweise angehoben wird.
In diesem Sinne, werte Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP: Legen Sie sich fest! Besinnen Sie sich auf diesen Antrag und setzen Sie sich dafür ein, dass Ihr Minister nicht in jene Richtung geht (Zwischenruf des Abg. Wöginger), die wir hier im Nationalrat nicht beschlossen haben! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Wöginger: ... nur Unterstellungen! – Abg. Schwentner – auf dem Weg zu ihrem Sitzplatz –: Keine einzige Unterstellung! – Abg. Wöginger: Da nennen sich die Grünen sachlich und objektiv! – Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)
11.48
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Weigerstorfer. – Bitte.
11.48
Abgeordnete Ulrike Weigerstorfer (STRONACH): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Hohes Haus! Wir haben in den vergangenen Minuten sehr viel über TTIP diskutiert und sehr, sehr viel gehört. Fakt ist, es geht um Spekulationen, um geleakte Verhandlungsdokumente, um Täuschungen, um konträre Aussagen.
Die Frage ist: Was und vor allem wem kann man eigentlich betreffend TTIP überhaupt noch glauben? (Ruf bei der ÖVP: Frank!) Die EU und die USA beschuldigen sich gegenseitig, gegen die Veröffentlichung von Verhandlungsinhalten zu sein. Jetzt hat man da ein bisschen gegengesteuert, immerhin sind schon 30 Dokumente veröffentlicht worden, aber das ist auch nur eine Pro-forma-Handlung. Von diesen 30 veröffentlichten Dokumenten sind de facto nur sechs tatsächliche Verhandlungsdokumente – auch hier an der Oberfläche eine Täuschung.
Kommen wir zur österreichischen Position zu TTIP. – Da gibt es auch einige konträre Aussagen. Zum einen sagt Faymann etwas anderes als Mitterlehner: Faymann braucht keine Investorenschutzklausel, Mitterlehner hingegen ist dafür, und auch bei den österreichischen Positionen zu GVO gibt es unterschiedliche Aussagen. Die Wirtschaftskammer spricht sich – nämlich im Namen Österreichs – für GVO aus. Sie sehen also, hier sind doch einige Sachen sehr, sehr zwiespältig, und ich glaube, es ist Zeit, hier endlich ein bisschen Licht in das Ganze zu bringen. (Beifall beim Team Stronach.)
Natürlich stellt sich diesbezüglich die Frage, ob wir das überhaupt können, denn nach wie vor werden die Verhandlungen über die meisten Inhalte nicht transparent geführt. Selbst der Marketingausflug von EU-Kommissarin Malmström gestern ist ein weiterer Beitrag zur allgemeinen Verwirrung. Auch da werden wieder nur Spekulationen geschürt.
Fakt ist, wir bekommen damit ein Geschenk, ein Packerl, das aber die Mehrheit der Österreicher gar nicht will. Und das, was die Regierung macht, ist, dass sie ein bisschen am Geschenkpapier, an den Mascherln herumverändert.
Kommen wir bitte zum Inhalt, und dieser Inhalt ist aus momentaner Sicht eigentlich sehr, sehr deprimierend und wirklich zu hinterfragen. Offiziell soll dieses TTIP sozusagen als „living agreement“ gestaltet werden. Das bedeutet nichts anderes, als dass ein ständiges Herumfeilen am Vertragstext auch nach der Ratifizierung möglich ist, also kleine Veränderungen können schleichend und permanent vollzogen werden.
Weiters befürwortet die EU-Kommission ein Fast-track-Verfahren. Wissen Sie eigentlich, was dieses Fast-track-Verfahren ist? – Dadurch können nämlich permanent Änderungen am Vertragstext, wie zum Beispiel das Hinzufügen von Anhängen – und das Ganze noch dazu ohne Zustimmung von nationalen Parlamenten –, vollzogen werden. (Ruf bei der SPÖ: Nein!) Das heißt alles in allem: Wer unterzeichnet einen Vertrag
(Zwischenruf des Abg. Krainer), dessen Inhalt wir zum einen nicht kennen, dessen Umfang ständig erweitert werden kann und wo bei dem Ganzen noch nicht einmal klar ist, ob wir überhaupt mitsprechen können?
Es ist toll, dass wir heute hier darüber reden, es ist ganz, ganz wichtig, dass wir informieren, aber letztendlich ist die Frage, ob wir hier auch mitreden können. Es ist nach wie vor nicht klar, ob es sich dabei tatsächlich um ein gemischtes Abkommen handelt. Es gibt zwar immer wieder Aussagen in die Richtung, aber ich möchte hier einen O-Ton von Kommissar Oettinger als kleine Rute ins Fenster stellen. Er sagte vor gar nicht allzu langer Zeit, nämlich vor wenigen Monaten, Folgendes:
Wir wären ja blöd, wenn wir ein Abkommen, nämlich TTIP, machen würden, dem alle 28 Mitgliedstaaten der EU noch zustimmen müssten. – Also dieser O-Ton spricht sehr gegen ein gemischtes Abkommen.
Ebenfalls oft angesprochen wurde die Investorenschutzklausel: Ich meine, da können wir überhaupt nicht mehr darüber reden, ob wir diese jetzt wollen oder nicht. Sie alle wissen, diese Klausel ist in CETA enthalten, CETA ist in der Ratifizierungsphase, das heißt, dieser Zug ist abgefahren.
Zwei Anliegen habe ich noch. Das eine ist: Reden wir weiter darüber! Es wird gut sein, ich fürchte nur, wir werden hier nicht mehr sehr viel verändern können. Das, worum ich aber bitte, ist Folgendes: Im Vergleich zu den Standards, die wir hier in Österreich haben – und hier auch ein kleiner Hinweis auf diese Entschließung des Nationalrates, die wir als Team Stronach damals nicht mitgetragen haben, weil sie einfach viel zu wenig weit geht (Präsident Hofer gibt das Glockenzeichen) –, sind diese Mindeststandards des Abkommens schon eine Absenkung.
TiSA wird derzeit nicht besprochen, das Abkommen geht in eine ähnliche Richtung wie CETA und TTIP. Ich bitte die Regierung, dort wenigstens nicht zu verschlafen (Präsident Hofer gibt neuerlich das Glockenzeichen) – einen Satz noch, Herr Präsident – und da rechtzeitig aktiv zu werden.
Zusätzlich fordere ich eine persönliche Haftung der Politiker, die hier federführend für TTIP sind, sie sollen dann auch dafür haftbar gemacht werden. – Danke schön. (Beifall beim Team Stronach.)
11.54
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Pock. – Bitte.
11.54
Abgeordneter Michael Pock (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Regierungsmitglieder! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie! Ich möchte anschließen an das, was mein Kollege Hable gesagt hat, nämlich betreffend die Transparenz, aber auch die Ehrlichkeit, mit der wir dieses Thema im österreichischen Parlament behandeln.
Wenn man hier der Debatte zuhört, hört man sehr viel Anti-Amerikanismus heraus, man hört sehr viel Unehrlichkeit heraus. Und was sehr überraschend ist – es war ja an sich ein Thema, das die Opposition stark betrieben hat –: Die tatsächlich inhaltlich qualitativsten Aussagen sind heute vonseiten der ÖVP, vom Kollegen Auer, wie auch vom Bundeskanzler gekommen und nicht von der Opposition. Das muss man schon ganz klar sagen. (Beifall des Abg. Scherak sowie bei der ÖVP.)
Hier wird tatsächlich mit der Unwahrheit Panik geschürt, zum Beispiel im Bereich der Konsumentenrechte, wo behauptet wird, dass plötzlich ganz andere Produkte da sein werden als bisher. Das wird nicht passieren! Im Freihandelsabkommen ist jetzt schon vereinbart – das ist einer der wenigen Pfeiler, der besteht –, dass die Konsumentenrechtsstandards auf beiden Seiten des Atlantiks weiterhin eingehalten werden müssen.
(Abg. Pirklhuber: Indirekt! Indirekt! Preisdumping!) Die Produkte werden nicht schlechter. Die Sorge der Landwirtschaft muss natürlich trotzdem sehr ernst genommen werden.
Der zweite Punkt: Sie reden jetzt betreffend die Landwirtschaft über die Gentechnik und über den Anbau von gentechnisch modifizierten Pflanzen in Österreich – das klappt keinesfalls. (Abg. Pirklhuber: Wir werden schauen!) Wir haben heute später auf der Tagesordnung einen Beschluss des Europäischen Parlaments, dass die Nationalstaaten das Selbstbestimmungsrecht haben. Wir bauen in Österreich an, was wir wollen! (Abg. Pirklhuber: Das ist ein bisschen blauäugig!) Das kann uns auch ein Freihandelsabkommen in Zukunft nicht mehr verderben, das klappt nicht. (Beifall bei NEOS und ÖVP.) – Das ist genauso ein Thema, das nicht stimmt.
Stichwort Kultur: Wir haben Sorge, dass uns plötzlich Hollywood überrollt. Gott bewahre! Irgendjemand hat vielleicht einmal „House of Cards“ gesehen und ist auf blöde Ideen gekommen. Tatsächlich ist es so, dass der Kulturbereich aus dem Freihandelsabkommen zur Gänze herausgenommen worden ist. Über diesen Bereich verhandeln wir gar nicht.
Das heißt, wir diskutieren, wir machen Panik bezüglich Chlorhühner, die niemals importiert werden dürfen, bezüglich Genmais, der nicht angebaut werden darf (Abg. Pirklhuber: 45 000 Tonnen Rinder!), betreffend den Kulturbereich, der ohnehin ausgenommen ist, und versuchen, darüber ein Freihandelsabkommen tatsächlich zu stürzen. (Beifall bei den NEOS.)
Wir haben aber natürlich auch sehr konstruktive Vorschläge gemacht. Wir sind nicht der Meinung, dass es diese Investorenschutzklausel braucht, die bisher Standard war. Was wir als Lösung für verfahrene Situationen vorgeschlagen haben, ist die Errichtung eines Internationalen Handelsgerichtshofs nach bereits bestehendem Vorbild, bei dem unter anderem auch ein Experte aus dem Bereich Umwelt und ein Experte oder eine Expertin aus dem Bereich Arbeitsrecht Teil der Richterschaft sein müssen. Das wäre ein konkreter Vorschlag, den man dem Herrn Bundeskanzler auch in einem Verhandlungsmandat nach Brüssel mitgeben kann.
Die Frage ist also: Warum Freihandel und welche Form von Freihandel? Wir NEOS haben eine sehr klare Vision von dem Freihandelsabkommen, das jetzt nicht unbedingt die Form von TTIP haben muss, wie wir es heute diskutiert haben.
Wir sehen einen gemeinsamen Wirtschaftsraum mit Nordamerika, insbesondere mit den Vereinigten Staaten, in diesem Abkommen. Wir sehen einen gemeinsamen Wirtschaftsraum von mehr als 800 Millionen Menschen, zwei Wirtschaftsräume, die beide zu den derzeit dominierenden in der Weltwirtschaft zählen und in einer Zusammenarbeit, in einer Kooperation, über die Wirtschaftsdaten hinaus dominierend sein können, indem wir über die Schaffung von Wohlstand im klein- und mittelständischen Unternehmensbereich und die Schaffung von Wohlstand bei Arbeitnehmerinnen und -nehmern international, in der Weltpolitik tatsächlich einen weit über den Wirtschaftsbereich hinausragenden Beitrag zu Demokratie und Transparenz leisten können. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)
11.58
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.
Präsident Ing. Norbert Hofer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.
Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:
A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:
1. Schriftliche Anfragen: 3475/J bis 3480/J
Zurückziehungen: 3451/J bis 3454/J sowie 3462/J
2. Anfragebeantwortungen: 2907/AB bis 2996/AB
3. Regierungsvorlagen:
Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Neuordnung der Rechtsverhältnisse der Österreichischen Industrieholding Aktiengesellschaft und der Post und Telekombeteiligungsverwaltungsgesellschaft (ÖIAG-Gesetz 2000) und das Bundesgesetz über Maßnahmen zur Sicherung der Stabilität des Finanzmarktes (Finanzmarktstabilitätsgesetz-FinStaG) geändert werden (ÖBIB-Gesetz 2015) (458 d.B.)
B. Zuweisungen:
1. Zuweisungen seit der letzten Sitzung gemäß §§ 32a Abs. 4, 74d Abs. 2, 74f Abs. 3, 80 Abs. 1, 100 Abs. 4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:
Budgetausschuss:
Bericht des Bundesministers für Finanzen über die Genehmigung von Vorbelastungen für das 4. Quartal 2014 (Vorlage 51 BA)
2. Zuweisungen in dieser Sitzung:
a) zur Vorberatung:
Finanzausschuss:
Protokoll zur Änderung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Volksrepublik China über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen (455 d.B.)
Kulturausschuss:
Übereinkommen über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut (456 d.B.)
b) zur Enderledigung im Sinne des § 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen Entscheidung des Ausschusses):
Justizausschuss:
Bericht des Bundesministers für Justiz betreffend Jahresvorschau des BMJ auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission für 2015 sowie des Achtzehnmonatsprogramms des italienischen, lettischen und luxemburgischen Ratsvorsitzes (III-137 d.B.)
*****
Ankündigung eines Dringlichen Antrages
Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Klub NEOS hat gemäß § 74a Abs. 2 der Geschäftsordnung vor Eingang in die Tagesordnung das Verlangen gestellt, den zum gleichen Zeitpunkt eingebrachten Selbständigen Antrag 855/A(E) der Abgeordneten Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen betreffend Offensivpaket „Unternehmerisches Österreich“ dringlich zu behandeln.
Gemäß der Geschäftsordnung wird der Dringliche Antrag um 15 Uhr behandelt werden.
Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 2864/AB
Präsident Ing. Norbert Hofer: Ebenso vor Eingang in die Tagesordnung teile ich mit, dass das gemäß § 92 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vorliegt, eine kurze Debatte über die Beantwortung 2864/AB der Anfrage 3026/J der Abgeordneten Hagen, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sicherheitsoffensive für Österreich: Aufgriffe von unrechtmäßigen Zuwanderern“ durch die Frau Bundesministerin für Inneres abzuhalten.
Da für die heutige Sitzung die Behandlung eines Dringlichen Antrages verlangt wurde, wird die kurze Debatte im Anschluss an diese stattfinden.
*****
Wir gehen in die Tagesordnung ein.
Redezeitbeschränkung
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zwischen den Mitgliedern der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer der Debatten erzielt. Demgemäß wurde eine Tagesblockzeit von 6 „Wiener Stunden“ vereinbart, sodass sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ und ÖVP je 81, FPÖ 75, Grüne 63 sowie Team Stronach und NEOS je 33 Minuten.
Wir kommen sogleich zu Abstimmung über die soeben dargestellten Redezeiten.
Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Vorschlag zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.
Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (445 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Fortpflanzungsmedizingesetz, das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Gentechnikgesetz und das IVF-Fonds-Gesetz geändert werden (Fortpflanzungsmedizinrechts-Änderungsgesetz 2015 – FMedRÄG 2015) (450 d.B.)
Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen zum 1. Punkt der Tagesordnung.
Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.
Zu Wort gemeldet hat sich als Erste Frau Abgeordnete Dr. Belakowitsch-Jenewein. Ich erteile es ihr.
12.00
Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein (FPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Damen und Herren hier im Haus und zu Hause an den Bildschirmen! Wir haben jetzt das neue Fortpflanzungsmedizinrechtsgesetz zu debattieren, und ich muss ehrlicherweise sagen, ich glaube, es ist ein sehr schwarzer Tag für diese Republik Österreich – ein schwarzer Tag für die Familien und die zukünftigen Kinder in dieser Republik Österreich! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten des Teams Stronach.)
Lassen Sie mich zunächst einmal auf Folgendes eingehen: Es gab ein Höchstgerichtsurteil, das festgestellt hat, dass es eine Ungleichbehandlung zwischen homosexuellen Menschen und heterosexuellen Menschen gibt. Es hat ein lesbisches Paar geklagt, und dann wurde das festgestellt. Als Reaktion darauf passiert nichts anderes, als dass
wir sofort wieder hinterherhoppeln und das Gesetz für homosexuelle Paare weiter aufmachen, nämlich in diesem Fall für lesbische Paare die künstliche Befruchtung beschließen.
Es ist dies ein Spiel der Politik, das hier gerade getrieben wird: Wir öffnen die Gesetze, wir liberalisieren im Bereich des Adoptionsrechts und auch im Bereich der künstlichen Befruchtung die Gesetze immer weiter. Das heißt, dass es Alleinstehenden immer mehr möglich ist, bestimmte Dinge zu tun, nämlich: Es dürfen Alleinstehende Kinder adoptieren, und es dürfen sich Unverheiratete einer künstlichen Befruchtung unterziehen. Dazu werden die Gesetze aufgemacht – auch mit den Stimmen der ÖVP, die gleichzeitig draußen sagt: Wir wollten das ohnehin nicht, aber das Gericht hat leider festgestellt, dass es eine Ungleichbehandlung ist!
Diese Ungleichbehandlung ist von Ihnen bewusst gemacht worden, denn Sie wissen ganz genau, dass Ihre Wähler, wenn Sie es draußen verkünden würden, wenn Sie es fordern würden, damit nicht einverstanden wären. (Beifall bei der FPÖ.) Daher versuchen Sie, die Verantwortung abzuschieben, die Verantwortung den Gerichten umzuhängen, die letzten Endes auf Basis der von Ihnen beschlossenen Gesetze ihre Urteile machen. Darüber sollten Sie einmal nachdenken – und vor allem die Wähler! (Beifall bei der FPÖ und des Abg. Franz.)
Jetzt zu etwas, was wirklich ein Novum ist: Dieses Gesetz lässt in Österreich keinen kalt. Wir haben – und es gibt viele Gesetzesmaterien, die eine bestimmte Berufsgruppe betreffen, wo wir als Abgeordnete viele E-Mails bekommen – über 700 000 E-Mails bekommen von Menschen aus Österreich, die sich gegen dieses Gesetz ausgesprochen haben, und das ist nicht der rechte Rand, das ist nicht der rechts-konservative Rand, sondern das sind Menschen aus der Mitte der Gesellschaft, die Angst haben vor diesem Gesetz, weil hier die Büchse der Pandora geöffnet wird, die wir dann überhaupt nicht mehr werden handeln können. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten des Teams Stronach.)
Ich möchte schon auch an das Gewissen jedes einzelnen Abgeordneten hier herinnen appellieren – wirklich an das Gewissen jedes einzelnen Abgeordneten! –, bei der Abstimmung nicht hinauszugehen und zu sagen: Na ja, ich war da eh nicht dabei!, sondern dagegen zu stimmen, denn nur dann ist es eine Stimme, die wirklich dagegen ist. Hinausgehen ist ein feiger Akt! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten des Teams Stronach.) Hinausgehen kann ich dann, wenn ich nicht genau weiß: Soll ich, soll ich nicht?
Jetzt zum Inhalt dessen, was wir hier kritisieren: Es wird mit diesem Gesetz ja nicht nur die künstliche Befruchtung für lesbische Paare erlaubt, da gibt es eben das entsprechende Urteil, wo man im Übrigen auch anders hätte handeln können, sondern es werden da auch noch weitere Punkte beschlossen.
Punkt eins: Eizellenspende. – Die Eizellenspende soll jetzt erlaubt werden. Man tut da geradewegs so, als wäre das mit einer Samenzellenspende vergleichbar. Das ist es natürlich nicht. Denn: Frauen müssen sich da einem ordentlichen Prozedere unterwerfen. So bekommen sie davor hohe Hormondosen. Das geht im Übrigen auch auf die Gesundheit der Frauen, und ich habe bereits im Gesundheitsausschuss angemerkt, was mich da massiv stört, und das stört mich vor allem in Bezug auf jene Frauenrechtlerinnen, die immer sagen, sie setzen sich so für die Frauen ein. Und zwar: Es gibt da keine Obergrenze! Jede Frau zwischen 18 und 30 Jahren kann eine Eizelle spenden, und zwar so oft sie möchte, nämlich einmal im Jahr, wenn es möglich ist, sogar zweimal im Jahr. Aber wir wissen alle – und wir haben es sogar vor einigen Jahren hier herinnen diskutiert –, dass die Hormonstimulierung eine massive Gesundheitsgefährdung darstellt, und zwar vor allem für hormoninduzierte Tumorerkrankungen. So wird das Brustkrebsrisiko bei Frauen durch genau diese Stimulation massiv erhöht.
Da hätte ich mir – Frau Bundesministerin, da bin ich jetzt bei Ihnen! – von Ihnen als Gesundheitsministerin erwartet, dass Sie, wenn Sie das alles schon zulassen, da zumindest eine Grenze einziehen, nämlich dass eine Frau maximal dreimal Eizellen spenden darf. Ich weiß schon, das wird nicht bezahlt, aber es gibt eine Aufwandsentschädigung. Kolportiert wird die Summe von 1 500 €, so viel wird wahrscheinlich in etwa bezahlt werden. Das ist natürlich für viele Frauen verlockend, vor allem für Frauen, die wenig Geld haben. (Ruf: Aufwand!)
Es ist schön, wenn Sie sagen, das wird nicht so sein. Nur: Sie bekommen Geld, wenn sie Plasma spenden, sie bekommen Geld, wenn sie Samenspenden abgeben. Und natürlich wird es auch für die Eizellenspende eine entsprechende Aufwandsentschädigung geben. Und natürlich ist das gerade für Frauen, die wenig Geld haben, eine interessante Einnahmequelle. Ich sage Ihnen ehrlich: Als ich studiert habe, hat es viele, viele Studenten gegeben – mich eingeschlossen –, die damals bei Medikamentenstudien mitgemacht haben, weil gesagt wurde, es sei ohnehin alles ungefährlich. Man hat damit relativ leicht Geld „verdient“ – unter Anführungszeichen!
Genauso wird das jetzt sein: Man wird den Frauen sagen, es sei eh alles sicher, denn unsere Ärzte arbeiten nach den höchsten medizinischen Standards. – Ja, tun sie, ich will das jetzt auch überhaupt nicht kritisieren oder gar behaupten, dass die Standards nicht eingehalten werden, die Frage ist nur die: Wie schaut es aus mit den Mittel- beziehungsweise Langzeitfolgen, die diese Frauen haben werden? – Dazu hätte ich mir schon etwas erwartet! (Beifall bei der FPÖ und des Abg. Franz.)
Bei der Eizellenspende ist ja noch ein zweiter Faktor ganz wesentlich, das ist nämlich die Überstimulierung. Das können Sie bei diesem Gesetz gar nicht ausschließen, Sie können überhaupt nicht sehen, wie weit Frauen stimuliert werden. Auch da hätte man eine Grenze einziehen können, indem man gesagt hätte: Pro Stimulierung dürfen einer Frau maximal fünf oder sechs Eizellen entnommen werden! Dann gibt es nämlich keinen Grund mehr, Frauen zu überstimulieren. All das ist unterblieben! Dazu hätte ich mir von Ihnen als Gesundheitsministerin schon etwas erwartet im Sinne der Frauen, die Eizellen spenden werden. Das muss ich Ihnen, Frau Bundesministerin, schon sagen! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten des Teams Stronach.)
Beim Punkt Eizellenspende möchte ich auch noch an die Gesundheitssprecher der Grünen appellieren: Sie haben vorgestern in einem Pressedienst geschrieben, in Bezug auf Auswirkungen auf Identitätsentwicklung, Bindungsprobleme, Beziehungsabbrüche, Probleme in der Pubertät hätten Sie gerne eine psychologische Beratung, und die kostenlos.
Wenn Sie wissen, welche Folgen das alles hat, dann sollten Sie doch einmal überlegen, ob es sinnvoll ist, ein solches Gesetz zu beschließen, wenn Sie jetzt schon sagen, diese Probleme werden auf uns zukommen! Also das ist doch bitte ein Widerspruch in sich! Ich kann doch nicht einem Gesetz die Zustimmung geben, wissend, dass es einerseits keine psychologische Beratung diesbezüglich gibt und andererseits die Probleme auf uns zukommen werden. Das ist meines Erachtens unverantwortlich, wenn Sie, Frau Kollegin Mückstein, sich dessen ohnehin bewusst sind. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten des Teams Stronach.)
Punkt zwei, der in diesem Gesetz jetzt mit beschlossen wird, ist die sogenannte Präimplantationsdiagnostik. Da gibt es natürlich unterschiedliche Aspekte, und ich versuche das jetzt ein bisschen aufzugliedern.
Frau Bundesminister, ich weiß, Sie werden sagen, Sie möchten keine Schwangerschaft auf Probe. – Ja, das verstehe ich, da gebe ich Ihnen recht. Und: Ja, es gibt bei der Präimplantationsdiagnostik unterschiedliche Ansätze.
Es gibt Eltern, die genetisch vorbelastet sind, die haben vielleicht schon ein behindertes Kind oder haben in der Familie viele Behinderte, die möchten schon vorher Be-
scheid wissen, denn sie möchten keine Schwangerschaft auf Probe, wo sie dann sagen: Okay, jetzt wissen wir, das Kind ist krank, wir treiben es ab! Da gebe ich Ihnen schon recht.
Aber: Auch da liegt es im Detail! Nämlich: Wir haben eine Präimplantationsdiagnostik, wo man teilweise nicht einmal weiß, wonach man sucht. Wenn es Punkte gibt, wo es heißt, dass man eventuell davon ausgeht, dass irgendwo ein genetischer Defekt ist, und es besser ist, dass die Frau nicht schwanger wird, so muss ich sagen: Das ist so schwammig geschrieben, dass man sagen kann, dass man eigentlich nicht weiß, wonach man sucht!
Also da, Frau Bundesminister, sage ich Ihnen ganz ehrlich: Da hätte ich mir schon eine Präzisierung gewünscht. Und die Frage wird auch sein: Wenn man eine Präimplantationsdiagnostik macht, was wird man denn dann noch alles finden, wonach man eigentlich gar nicht sucht? Wie schaut es denn da mit der Auskunftspflicht des Arztes aus? Was passiert denn dann?
Wir haben ja im Ausschuss beim Experten-Hearing gehört, die befruchteten Eizellen, die nicht eingepflanzt werden, weil sie möglicherweise eine genetische Disposition aufweisen oder auch weil sie zu viele sind, weil man sie nicht braucht, denn es soll ja der Transfer auf maximal zwei Embryonen beschränkt werden, werden nach fünf Jahren vernichtet.
Also ich muss Ihnen schon sagen, Frau Bundesminister: Das ist ein Umgang mit dem Leben, da wird einem schon ein bisschen schwummrig! Da gehen wir in eine Richtung, wo wir irgendwann das nicht mehr werden handeln können. Und wenn man nach England schaut, wo über eine Million Embryonen eingefroren liegen, die irgendwann vernichtet werden, muss man sich fragen: Wo endet denn das? Wollen wir das denn eigentlich wirklich? (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten des Teams Stronach.)
Einen Punkt, über den wir auch im Ausschuss eine Debatte ausgelöst haben, möchte ich noch kurz ansprechen. Wir hatten als Experten den Professor Hengstschläger im Ausschuss, der uns dort großartig erzählt hat, wie spitze das nicht jetzt alles sei, alles wäre super! Dieser Professor wurde ja auch durch die Medien gezerrt, und er betont überall, wie sicher diese Methode wäre und dass es das beste Gesetz überhaupt sei.
Sein Statement hat mich dennoch weiter in meiner Meinung bestärkt, dass dies genau der falsche Weg ist. Er hat nämlich einerseits vom Beginn einer Befruchtung, andererseits vom Ende einer Befruchtung gesprochen, und dazwischen können wir dann alles feststellen. Das sei völlig legal und werde in Österreich seit zehn Jahren gemacht. – Wenn das so ist, dann ist ja seit zehn Jahren etwas gemacht worden, wovon offensichtlich keiner etwas weiß! Es wurden hier genetische Dispositionen festgestellt und künstlich befruchtete Eizellen verworfen!
Unter anderem wurde auch ein erhöhtes Brustkrebsrisiko festgestellt! In diesem Zusammenhang sage ich schon: Seien wir froh, dass die Eltern der US-amerikanischen Schauspielerin Angelina Jolie sich nicht dieser PID unterzogen haben oder dieser Polkörperdiagnostik, sonst gäbe es sie auf dieser Welt nicht! Eine genetische Disposition kann doch kein Grund sein, eine befruchtete, ansonsten gesunde lebensfähige Eizelle zu verwerfen! Eine Disposition heißt auch noch nicht, dass eine Krankheit ausbricht! (Abg. Musiol: unmöglich!)
Daher würde ich schon meinen, man muss hier auch ein bisschen vorsichtiger sein, was man hier wirklich zulässt, was man hier erlaubt und was ein Grund sein kann, dass möglicherweise keine Schwangerschaft zustande kommt oder dass eine Eizelle sozusagen als „krankhaft“ gilt.
Meiner Meinung nach ist dieses Gesetz insgesamt – so, wie es ist – in vielen, vielen Punkten sehr mangelhaft, wirklich mangelhaft! Ich vermisse auch den Aufschrei von
Frauenrechtlerinnen, den vermisse ich wirklich! Denn dies geht in Richtung einer Ausbeutung von Frauen, vor allem von armen Frauen. In diesem Bereich hat es bis heute keine Nachschärfung gegeben, ich habe das auch bereits im Ausschuss moniert! Ich würde wirklich bitten, dass man sich das noch ernsthaft anschaut, sonst haben wir wahrscheinlich in einigen Jahren sehr, sehr viele Frauen, sehr viele Eizellenspenderinnen, die an Tumorerkrankungen erkranken. Das kann ja wohl nicht im Sinne des Erfinders sein! Aber auch im Bereich der PID sollte man sich genau überlegen und genau kontrollieren, inwieweit hier dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet werden.
Noch etwas möchte ich sagen, und zwar in Ihre Richtung, Herr Justizminister Brandstetter, und in Richtung der ÖVP: Jedes Gerichtsurteil eröffnet zwei Möglichkeiten. Wir können entweder alles öffnen – sowohl für Homosexuelle als auch alle anderen –, oder wir verschärfen die Gesetze für die Heterosexuellen. Ich sage das jetzt auch im Hinblick auf das Urteil zum Adoptionsrecht, das vorige Woche ergangen ist: Auch da muss man nicht sofort das Adoptionsrecht für alle öffnen, man könnte es auch für verheiratete Paare verschärfen. Überlegen Sie sich das gut! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten des Teams Stronach.)
12.12
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Klubobmann Mag. Schieder. – Bitte.
12.12
Abgeordneter Mag. Andreas Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Zuschauer an den Fernsehgeräten und auf der Besuchergalerie! Ein herzliches Willkommen an die PensionistInnengruppe aus St. Pölten! Es freut mich aber auch, dass sehr viele Aktivistinnen und Aktivisten aus dem Bereich der Homosexuellengleichstellung und Antidiskriminierung gekommen sind und heute dieser Debatte beiwohnen – vermutlich auch deshalb, weil sie sich über diesen Schritt freuen! (Abg. Kickl: Zu Hause sitzt die schweigende Mehrheit!)
Ganz besonders freut es mich auch, dass Dr. Helmut Graupner uns auf der Galerie zuhört: Er ist jener Rechtsanwalt, der es durch sein couragiertes Vorgehen vor den Höchstgerichten ermöglicht hat, dass wir jetzt ein höchstgerichtliches Urteil haben, welches es möglich macht, dass wir dieses Gesetz so sanieren, wie wir das schon seit Langem wollen. Auch dafür herzlichen Dank an ihn auf der Besuchergalerie! (Beifall bei SPÖ und Grünen und bei Abgeordneten der NEOS.)
Ich bin eigentlich nicht Mitglied des Gesundheitsausschusses und auch nicht des Justizausschusses. Dieses Gesetz stellt jedoch für mich als Klubobmann meiner Fraktion und für mich persönlich einen wichtigen Schritt dar. Ich habe mich daher gemeldet, um zu dokumentieren, dass uns diese Beseitigung von Diskriminierung, die es im Gesetz bisher gab, ein über die medizinischen und juristischen Fragen hinausgehendes gesellschaftliches Anliegen ist.
Es hat lange gedauert. Wir haben den Verfassungsgerichtshof beziehungsweise den Europäischen Gerichtshof als Hilfe gebraucht. Aber auch wenn es lange gedauert hat, muss man betonen, dass es ein wichtiger Schritt ist. Es bringt eine Verbesserung für viele Betroffene, auch in medizinischer Hinsicht. Denn die Realität bei Frauen, die keinen Partner haben oder in gleichgeschlechtlichen lesbischen Beziehungen leben und trotzdem einen Kinderwunsch haben, hat bisher dazu geführt, dass sie am Rande der Legalität, in der Illegalität, versucht haben, dies selbst zuwege zu bringen. (Zwischenruf des Abg. Kickl.) Ich glaube daher, es ist sinnvoll, die Erfüllung dieses Kinderwunsches in Zukunft unter legaler medizinischer Betreuung zu ermöglichen. Aus diesem Grund ist es wichtig, die künstliche Befruchtung für lesbische Paare heute und hier möglich zu machen!
In Bezug auf den zweiten Teil, die Präimplantationsdiagnostik, ist zu sagen, dass wir in Europa bisher ein Nachzügler waren. Es ist wichtig, diese Diagnostik – unter strengsten Kriterien und Auflagen! – auch zu ermöglichen. Damit erfüllen wir, so glaube ich, auch eine alte frauenpolitische Forderung. Es ist daher von großer Bedeutung, dass wir heute dieses Gesetz beschließen.
Der zweite Punkt, den ich ansprechen will, betrifft die Adoption durch homosexuelle Paare. Der Verfassungsgerichtshof hat mit den jüngsten Erkenntnissen der letzten Tage, nämlich die Adoptionsmöglichkeit auch für homosexuelle Paare zu öffnen beziehungsweise das Adoptionsverbot aufzuheben, weitere Fragen in diesem Bereich aufgeworfen.
Einerseits wird es am Hohen Haus liegen, diese Fragen zu lösen. Doch andererseits sollten wir auch einmal darüber diskutieren, warum wir uns so schwertun. Warum brauchen wir, obwohl viele der Parteien – und unsere, die SPÖ, schon seit Langem – dafür sind, diese Fragen gesetzlich zu regeln, immer wieder höchstgerichtliche Urteile, bis wir als Gesetzgeber in der Lage sind, solche Entscheidungen zu treffen? Mir ist es generell – egal, welche Frage es betrifft – lieber, der Gesetzgeber wird von sich aus aktiv, als dass er durch höchstgerichtliche Urteile dazu gezwungen oder vor vollendete Tatsachen gestellt wird.
Daher appelliere ich an die Abgeordneten, die sich hier schwertun, sich einen Ruck zu geben und diese gesellschaftliche Realität, die es bereits gibt, anzuerkennen und für viele Betroffene, die sich in vielen Fragen unseres Gesellschaftsrechtes diskriminiert fühlen und diskriminiert sind, Verbesserungen zu schaffen, ohne dass irgendein anderer in heterosexueller Partnerschaft Lebender davon negativ betroffen wäre. Das wäre mein Appell! Gleichzeitig freue ich mich aber über den heutigen Gesetzesbeschluss. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)
12.16
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Franz. – Bitte.
12.17
Abgeordneter Dr. Marcus Franz (STRONACH): Wertes Präsidium! Hohes Haus! Sehr geehrte Minister! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Tribüne und vor den Fernsehschirmen! Wir sind ganz klar gegen dieses Gesetz, weil dieses Gesetz ethisch nicht akzeptabel ist und weil dieses Gesetz die Kinderrechte missachtet. Die Kinderrechte sind in der UNO-Kinderrechtskonvention und in unserer Verfassung festgeschrieben. Im Artikel 1 des Bundesverfassungsgesetzes über die Rechte von Kindern steht ganz klar: Bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, muss das Kindeswohl die vorrangige Erwägung sein.
Im vorliegenden Gesetz werden die Kinder nicht einbezogen, es geht vorrangig um die Wünsche potenzieller Eltern. Weiters wird eine Kraut- und Rüben-Elternschaft propagiert, genetische Eltern werden mit sozialen Eltern vermischt und so fort. Wir gehen hier in die Richtung einer Beliebigkeit, die sich liberal nennt, aber am Ende nur ein Chaos und enttäuschte Menschen hinterlässt. (Beifall bei Team Stronach und FPÖ.)
Ich muss hier leider auch meine Enttäuschung gegenüber der ÖVP ausdrücken: Ihr wart immer eine Familienpartei, ihr seid es ab nun nicht mehr! (Zwischenruf der Abg. Musiol.)
Zum Punkt der Ethik und der ethischen Gründe, warum wir dieses Gesetz ablehnen, ist vor allem die PID, die Präimplantationsdiagnostik, zu erwähnen. Mit der PID wird die Eugenik noch mehr gesellschaftsfähig. Wir haben bereits die embryopathische Indikation zur Abtreibung: Wir dürfen Behinderte abtreiben, bis kurz vor der Geburt! Die PID ist eine Erweiterung und gleichzeitig eine Verharmlosung dieser eugenischen Maßnahmen, denn man tut so, als ob man mit der PID jetzt die furchtbaren Fetozide, die auf-
grund von Behinderungen stattfinden, zurückdrängen könnte, weil man ja eh schon früher abtreibt.
Man muss aber wissen: Die PID ist, auch wenn sie eine medizinische Maßnahme ist, keine heilende Maßnahme, sondern eine Diagnostik, die zur Tötung, zur Vernichtung von menschlichem Leben führt! Das muss man wissen, wenn man hier abstimmt.
Das Hauptproblem der PID ist, neben dem bisher Genannten: Wir unterscheiden hier ganz klar zwischen wertem und unwertem Leben! Das unwerte Leben darf getötet werden, und, meine Damen und Herren, das ist die schwerste Diskriminierung, die es überhaupt auf dieser Welt gibt! Was ist das, bitte schön, für ein Signal für die Eltern von Behinderten, für die behinderten Menschen auf dieser Welt, wenn wir hergehen und sagen: Okay, das ist in Ordnung, macht alles, was behindert ist, weg!? – Das ist aus meiner Sicht verabscheuungswürdig. (Beifall beim Team Stronach und bei Abgeordneten der FPÖ.)
Gerade die Sozialdemokratie ist immer so gegen Diskriminierung, da wird um jede vermeintliche oder auch echte Diskriminierung ein Gschisti-Gschasti gemacht bis zum Gehtnichtmehr, da wird herumgetan. Das passt doch alles nicht zusammen: Auf der einen Seite Übersensibilität, wenn es irgendwo nur einen leichten Trend zu einer Diskriminierung, einer Vielleicht-Diskriminierung gibt, da regen wir uns auf, aber da, bei der PID: Das sind ja nur defekte Zellen – ab damit in den Kübel, wenn es nicht passt!
Das halte ich für eine Doppelmoral und eine Heuchelei – bei allem Respekt gegenüber der Sozialdemokratie. (Ruf bei der SPÖ: Doppelmoral ist es keine! ) Vielleicht ist das auch etwas, was in den Genen der Sozialdemokratie steckt. Wir alle kennen den Säulenheiligen Julius Tandler, ein großer Sozialdemokrat. Herr Julius Tandler war erklärter Eugeniker, und ich darf ihn zitieren:
„Das gesamte Bestreben der Eugenik kann nur auf zwei Momente hinauslaufen: die Gesunden () in der Fortpflanzung zu begünstigen, die Minderwertigen von ihr auszuschließen.“ Die Ausrottung der Minderwertigen ist das Ziel. – Julius Tandler, seines Zeichens Sozialdemokrat. (Abg. Kickl: O ja, nach dem sind immer noch Plätze benannt! Medaillen werden nach ihm benannt!) Und er hat sogar gesagt, er ist explizit für die Tötung von behinderten Neugeborenen. (Ruf bei der SPÖ: Vollkommen falsch, was Sie da daherreden!)
Wenn dieses Gedankengut in Ihnen noch lebt, vielleicht wissen Sie es gar nicht, vielleicht ist es unbewusst, ich weiß es nicht, dann setzen Sie sich damit auseinander, schalten Sie es aus, und bewältigen Sie es! Die Vergangenheitsbewältigung ist ja eh ein Ziel von Ihnen. (Abg. Königsberger-Ludwig: Ein bisschen mäßigen im Ton, das wäre nicht schlecht! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Für uns ist es ganz klar, die PID entspricht nicht der Ethik und nicht der Würde des Menschen. Es bleiben viele Fragen offen: Mit welchem Recht entscheiden wir überhaupt aufgrund genetischer Daten über Leben und Tod? Mit welchem Recht setzen wir fest, dass diese oder jene genetische Disposition, wie es von Kollegin Belakowitsch schon angesprochen wurde, ein Grund dafür ist, jemanden nicht leben zu lassen? Es gibt behandelbare genetische Defekte, wie zum Beispiel den erblichen Brustkrebs oder auch die Hämophilie. Diese Menschen können gut leben. Mit welchem Recht gehen wir her und vernichten sie bereits im Reagenzglas? (Abg. Musiol: Lesen Sie das Gesetz!)
Was tun wir mit den Embryonen? In England gibt es Millionen von Embryonen. Niemand weiß, was wir mit diesen Embryonen machen sollen. Sie werden dann verworfen, und das, bitte schön, sagt eh schon alles: Das ist verwerflich! Und so etwas wollen wir jetzt in Österreich einführen. (Beifall bei Team Stronach und FPÖ.)
Noch dazu gibt es in der wissenschaftlichen Literatur immer größere Zweifel darüber, ob die IVF langfristig überhaupt sinnvoll ist. Die Menschen, die mit IVF gezeugt worden
sind, haben zu einem deutlich höheren Maß eine Neigung, Depressionen zu entwickeln, Identifikationsprobleme et cetera. Dazu gibt es ausreichend Literatur, und mittlerweile hat sich der Erfinder der IVF und Nobelpreisträger in Teilen schon mehr oder weniger davon distanziert. Er hält seine eigene Erfindung und Entwicklung nicht mehr für unbedingt optimal, zumindest überdenkenswert. Diese völlig ungelösten Fragen nehmen wir jetzt mit hinein in dieses Gesetz.
Dann gibt es natürlich auch die medizinischen Gründe gegen das neue Gesetz. Die Eizellenspende ist kein harmloser Eingriff, die Hormonkur ist belastend. Es gibt sogar Todesfälle aufgrund des Hyperovulation-Syndroms. Davon steht kein Wort im Gesetz, es stehen keine Maßnahmen drinnen, wie man das verhindern will. Es steht nichts in diesem Gesetz.
Wir haben bei der Eizellenspende nicht einmal indische Verhältnisse. Die haben einen besseren Standard bei der Eizellenspende als wir. Die Dritte Welt ist uns hier voraus. Gratuliere zu diesem Gesetz!
Auch wenn es im Gesetz formal verboten ist, wer will die Kommerzialisierung und die Ausbeutung der Frau verhindern? Wer will den Tourismus verhindern, dass die Leute aus dem Ausland zu uns kommen, die Frauen hier die Eizellen spenden? Wer will denn das bitte kontrollieren? (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wo liegen denn die Register auf? Und: Wer wird das immer so brav melden? Gerade die Frauenrechtlerinnen haben hier kein Wort dazu gesagt. Das ist offenbar jedem wurscht, denn mein Bauch gehört mir. Bitte schön.
Ich wundere mich generell über das geringe Ausmaß dieser Debatte, die überhaupt keine wirkliche Qualität erreicht hat. Wir reden tage-, wochen-, monatelang, jahrelang über Frauenquoten, aber über so etwas, über die wirklich heiklen Grundfragen des Lebens verlieren wir nicht einmal ein Wort. Da machen wir da und dort eine kleine Diskussion, Ende, ad acta – Gesetz wird durchgepeitscht. Das halte ich für höchst problematisch. (Beifall bei Team Stronach und FPÖ.)
Meine Damen und Herren! Ich sehe ein Grundproblem dieses Gesetzes auch in der Definition des Zeitpunkts, ab wann ein Mensch ein Mensch ist. Aus Sicht sehr vieler Bürger beginnt das Menschsein mit der Zeugung, also mit der Verschmelzung von Ei und Samen.
Ich möchte daher zum Schluss einen Antrag zur Definition des Menschen einbringen:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr. Franz, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Definition des Embryo ab dem Zeitpunkt der Befruchtung der Eizelle“
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesministerin für Gesundheit wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend einen Gesetzesentwurf vorzulegen, der vorsieht, dass die Eizelle bereits ab dem Zeitpunkt der Befruchtung ein Embryo ist und somit der Mensch bereits ab dem Zeitpunkt der Verschmelzung von Spermium und Eizelle auch als solcher definiert ist.“
*****
Danke. (Beifall bei Team Stronach und FPÖ.)
12.24
Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Antrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht somit in Verhandlung.
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr. Franz, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Definition des Embryo ab dem Zeitpunkt der Befruchtung der Eizelle“
Eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 1: Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (445 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Fortpflanzungsmedizingesetz, das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch, das Gentechnikgesetz und das IVF-Fonds-Gesetz geändert werden (Fortpflanzungsmedizinrechts-Änderungsgesetz 2015 – FMedRÄG 2015) (450 d.B.)
Der Europäische Gerichtshof hat definiert, was einen Embryo ausmacht. Als Embryo gilt alles, was ein Mensch werden kann. So lautet das Gutachten, das der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), Cruz Villalón, zur Definition des Embryonen-Begriffs (Rechtssache C-364/13) vorgelegt hat.
Seiner Einschätzung nach kann eine Eizelle, die ohne Befruchtung zur Weiterentwicklung angeregt worden ist und nicht fähig ist, sich zu einem Menschen zu entwickeln, nicht als menschlicher Embryo angesehen werden. Eine Eizelle, die auf natürlichem Wege befruchtet oder von Forschern so genetisch verändert wurde, dass aus ihr ein Mensch heranwachsen könnte, sei hingegen als menschlicher Embryo anzusehen.
Bei dem Wort Embryo denken viele an ein Baby im Mutterleib, an Ultraschallbilder eines schon gut erkennbaren, ungeborenen Menschen mit Händen, Füßen und einem deutlichen Gesicht. In diesem Zustand ist aus einer befruchteten Eizelle bereits ein Fötus geworden, seine inneren Organe sind ausgebildet. Ein Embryo – ein aus dem Altgriechischen stammender Begriff, der ursprünglich einmal so viel wie keimen, sprossen oder hervorsprießen bedeutete – entsteht jedoch zu dem Zeitpunkt, wenn aus einer befruchteten Eizelle durch Zellteilung ein Organismus entsteht. Das geschieht bereits wenige Minuten nach der Befruchtung.
Derzeit gilt eine befruchtete Eizelle erst ab ihrer Einnistung in den Uterus (Nidation) als Embryo. Der Zeitraum zwischen der Befruchtung und der Einnistung der Eizelle in die Gebärmutter ist demnach auch im Lichte des europäischen Gutachtens gesehen eine rechtliche Grauzone, die es zu beheben gilt.
Aus diesem Grund ist es erforderlich, dass die Eizelle bereits ab dem Zeitpunkt der Befruchtung denselben Schutz erfährt wie der Embryo ab der Nidation. Um den Missbrauch und den lapidaren Umgang in den Labors mit eingefrorenen, befruchteten Eizellen zu vermeiden, muss daher gesetzlich festgelegt werden, dass der Mensch bereits ab der Verschmelzung von Spermium und Eizelle auch als solcher definiert ist.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen nachstehenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesministerin für Gesundheit wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend einen Gesetzesentwurf vorzulegen, der vorsieht, dass die Eizelle bereits ab dem Zeitpunkt der Befruchtung ein Embryo ist und somit der Mensch bereits ab dem Zeitpunkt der Verschmelzung von Spermien und Eizelle auch als solcher definiert ist.“
*****
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Mag. Steinacker. – Bitte, Frau Abgeordnete.
12.24
Abgeordnete Mag. Michaela Steinacker (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Geschätzte Bürgerinnen und Mitbürger! Ein Kind ist ein Geschenk, etwas Wunderbares. Wer an Wunder glaubt, der glaubt an Kinder. – Ich tue das. Ich habe das größte Glück in meinem Leben erfahren dürfen, indem ich selbst zwei gesunde Kinder bekommen durfte. Leider ist die Erfüllung dieses Wunsches nach Kindern vielen Menschen auch in Österreich verwehrt, Bürgern, für die wir Verantwortung tragen. Sie können Kinder nicht auf natürlichem Wege bekommen. Wir haben heute die medizinische Möglichkeit, diesen Menschen bei der Erfüllung ihres Wunsches nach eigenen Kindern zu helfen.
Die Fortpflanzungsmedizin ist eine eindrucksvolle Errungenschaft der Wissenschaft. Sie kann Leid lindern, sie kann Menschen zu glücklichen Eltern machen, aber sie bringt enorme gesellschaftliche Risken.
In diesem Spannungsfeld haben wir einen Vorschlag für eine Novelle zum Fortpflanzungsmedizingesetz erarbeitet, und dieser neue Gesetzesvorschlag wird die Möglichkeit schaffen, vielen Menschen Hoffnung, aber vor allem auch Rechtssicherheit zu geben. Wir setzen aber gleichzeitig mit diesem Gesetzesvorschlag sehr, sehr klare Grenzen für die Vorgaben der Fortpflanzungsmedizin. Im Mittelpunkt stehen dabei immer die Rechte und die Würde des künftigen Menschen, der auf die Welt kommt. Denn neues menschliches Leben zu ermöglichen heißt, umfassende Verantwortung für den Schutz und die Würde des neuen Lebens zu übernehmen.
Im Gegensatz zu meinen Vorrednern nehme ich mir die Zeit, und ich erlaube mir, Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren, umfassend durch wesentliche Punkte dieses Gesetzes zu führen.
Ausgangspunkte dafür waren, wie wir schon vernommen haben, die Entscheide von obersten Gerichten, des Verfassungsgerichtshofes, des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofes zu den Themen künstliche Befruchtung, Präimplantationsdiagnostik und Eizellenspende.
Unser Gesetzesvorschlag ist wohlüberlegt, sorgsam abgewogen und folgt sehr klaren Prinzipien. Wir haben ein sehr strenges Subsidiaritätsprinzip. (Zwischenrufe der Abgeordneten Zanger und Prinz.) Das bedeutet, dass von mehreren Möglichkeiten für Untersuchungen und Behandlungen zunächst immer nur die am wenigsten invasive und belastende angeordnet werden darf und die, die am wenigsten entwicklungsfähige Zellen produziert. Medizinisch unterstützte Fortpflanzung soll weiterhin wie bisher nur bei der medizinischen Notwendigkeit oder der Gefahr der Übertragung einer schweren Krankheit erlaubt sein.
In diesem Gesetzesvorschlag finden Sie nicht, dass diese künstliche Befruchtung zu einer Lifestyle-Methode werden darf. Leihmutterschaft und Social Egg Freezing bleiben weiterhin verboten. Alleinstehende sollen weiterhin keine künstliche Befruchtung durchführen dürfen, denn Kinder haben nach unserer Meinung das Recht auf zwei Eltern. (Abg. Kickl: Zwei Eltern? Wieso denn? – Zwischenruf der Abg. Kitzmüller.) Entsprechend dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes soll die Samenspende auch für lesbische Paare ermöglicht werden.
Herr Dr. Franz, auch Sie haben das Gesetz genau gelesen, ich kenne Sie gut genug. Eizellenspenden werden grundsätzlich nach intensiver Beratung erlaubt, und nur mehr so viele Eizellen, wie sie in einem Zyklus einer Schwangerschaft notwendig sind, werden zur Befruchtung freigegeben, das heißt ein bis zwei. So wird neuerdings verhindert, dass befruchtete Eizellen, Ihre größte Sorge, einfach übrigbleiben.
Wir haben das Recht des Kindes auf Information über die genetische Elternschaft geregelt. Eine ausführliche ärztliche Beratung ist verpflichtend.
Ich komme nun zum Thema der PID, einem Regelungsgegenstand, dessen wir uns angenommen haben. Ein sensibles und sehr schwieriges Thema. Für mich als Katholikin, als Mutter ist das die schwierigste Thematik in diesem Gesetz. (Abg. Steinbichler: Die katholische Kirche !) Alle, die etwas anderes sagen, haben nicht genau gelesen: Die PID bleibt weiterhin verboten, sie wird aber im engsten Ausnahmebereich erlaubt. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Abgeordneten der Grünen.)
Meine Damen und Herren! Das ist ein wesentlicher Unterschied, den wir hier festgemacht haben: nicht die Erlaubnis, sondern das Verbot. Ich darf Ihnen nunmehr die zwei Möglichkeiten sagen, wann und unter welchen Voraussetzungen die PID überhaupt zulässig ist: Das Erste ist, wenn eine Frau schon mehr als drei Versuche einer In-vitro-Fertilisation gehabt hat, die nicht gefruchtet haben und nicht funktioniert haben, oder wenn sie schon drei Fehl- oder Totgeburten im Vorfeld gehabt hat und dafür vermutlich eine genetische Disposition des Kindes die Ursache war.
Das Zweite: Wir haben festgelegt, dass in ganz engem Rahmen die PID durchgeführt werden darf, um zu vermeiden, dass nach der Geburt eine Erbkrankheit auftritt, die grundsätzlich nicht behandelbar und so schwerwiegend ist, dass das Kind nur unter dem ständigen Einsatz intensivmedizinischer Technik überhaupt am Leben erhalten werden könnte oder dauernd unter starken Schmerzen leidet.
Meine Damen und Herren, das steht im Gesetz, lesen Sie es nach! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)
Es gilt hier Leid in jeder Hinsicht zu vermeiden, für die Eltern und natürlich auch für das Kind, wenn so absehbar ist, dass dieses Kind diesem Leid unterläge.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bis zuletzt wurde mit größter Sorgfalt und im Bewusstsein der Verantwortung dieses Gesetz verhandelt. Gestern Mittag hatten wir unsere letzte Verhandlungsrunde. Wesentliche Abänderungen zur Regierungsvorlage haben wir in einem Abänderungsantrag zusammengefasst, gemeinsam mit dem Regierungspartner und den Grünen.
Wir haben den Zweck, warum eine PID durchgeführt werden darf, den Zweck dieser Präimplantationsdiagnostik, in den Gesetzestext hineingeschrieben, vorne, nicht in den Erläuternden Bemerkungen oder sonst irgendwo, ins Gesetz, das ist ein wesentlicher Unterschied.
Und wir haben – hier noch einmal den Kollegen Franz ansprechend – das Thema Eizellenspende diskutiert. Jedem, der im Ausschuss war und der sich ernsthaft damit beschäftigt hat, ist bewusst, wie problematisch, auch in gesundheitlicher Hinsicht, für eine Frau eine Eizellenspende sein kann, und niemand wird sie leichtfertig vornehmen, so wie auch nicht andere Spenden, eine Nierenspende oder Ähnliches. Aber wir haben, meine Damen und Herren, etwas ganz Wesentliches erreicht: Wir haben Regelungen gegen Vermittlung und gegen Kommerzialisierung festgemacht, indem wir diese mit hohen Strafen bedroht haben. (Beifall bei ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS.)
Ich möchte mich hier an dieser Stelle bei den Experten und Expertinnen des Ausschusses bedanken, sie haben uns auf wesentliche Dinge hingewiesen, nämlich auch auf den Punkt, dass natürlich auch die Eizellenspenderin einem großen psychologischen Druck unterliegt. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch-Jenewein.) Daher wird mit unseren Anträgen nunmehr auch für diese Frauen eine psychologische Beratung sichergestellt.
Transparenz bei diesem gesamten Themenbereich, bei der In-vitro-Fertilisation und allen Themen, die wir heute diskutieren, ist keine Selbstverständlichkeit. Sie wissen, das berührt das Innerste eines Menschen, und nicht jeder will darüber, dass er nicht auf natürlichem Wege ein Kind bekommen kann, erzählen. Aber diese Statistiken werden
jetzt verlangt, und diese Transparenz steht uns dann zur Verfügung, um zu evaluieren, wie gut unser Gesetz ist und wie sicher und souverän es diese Dinge unterstützt, die ich vorher genannt habe. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)
Werte Kolleginnen und Kollegen! Bei diesem sensiblen Thema der Fortpflanzungsmedizin ist es uns wichtig, eine Einigung zu finden, die von einer breiten Mehrheit getragen wird. Wir müssen hier ein Gesetz für alle Menschen in unserem Land schaffen, für die Erwachsenen, aber auch für die noch nicht Geborenen.
Der Gesetzesvorschlag wurde, ich sage das jetzt, zumindest aufseiten der ÖVP in einem monatelangen Meinungsbildungsprozess erstellt. Ich habe sehr viele Mails und Briefe von engagierten Bürgerinnen und Bürgern bekommen. Zusätzlich haben wir zahlreiche Expertinnen und Experten nicht nur im Gesundheitsausschuss, sondern auch im Rahmen unseres Klubs eingeladen: Mediziner, Theologen, Genetiker, Kinderärzte, Psychologen. Wir als ÖVP haben es uns bei diesem wichtigen Thema sicherlich nicht leicht gemacht.
In diesem Zusammenhang möchte ich mich ganz besonders bei meinen Kolleginnen und Kollegen aus dem Klub bedanken. Wir haben nicht nur lange und harte Diskussionen herausfordernder Natur zu vielen Themen des FMed-Gesetzes gehabt. (Abg. Kickl: Umgefallen seid ihr, wie immer!) Wir sind auch im höchsten Ausmaß mit hohem Respekt voreinander miteinander umgegangen, und dafür sage ich euch ein herzliches Danke, wie auch für eure Beiträge. (Beifall bei der ÖVP.)
Ich erlaube mir, am Schluss meiner Rede unseren Vizekanzler und Parteiobmann zu zitieren, der am Montag dieser Woche gesagt hat: Wenn man nicht gestaltet, wird man gestaltet. – Ich möchte nicht weiterhin bei dieser Thematik von Höchstgerichten gestaltet werden, die uns die Marschroute zu diesen Themen vorgeben. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Gibt es ja nicht vor, ihr macht es auf!) Wir haben die Sache PID und Eizellenspende in die Hand genommen und verantwortungsvoll politisch gestaltet – zum Besten für unsere Bürger.
Ich werde heute mit voller Überzeugung für diesen Gesetzesvorschlag stimmen (Abg. Kitzmüller: Traurig, traurig, traurig!) – als Frau, als Mutter und als Katholikin. (Abg. Zanger: Ab in den Beichtstuhl!) Ich bin davon überzeugt, dass wir hier einen guten Weg gehen.
Geschätzte Damen und Herren, ich ersuche Sie um Ihre Zustimmung. (Beifall bei ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS.)
12.34
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Kickl. – Bitte, Herr Abgeordneter.
12.35
Abgeordneter Herbert Kickl (FPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf Ihnen gleich für die freiheitliche Fraktion ankündigen, dass wir aus tiefster Überzeugung selbstverständlich gegen das vorliegende Gesetz stimmen werden (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Franz), denn wir denken, dass das so einfach nicht geht. So, wie Sie das hier versuchen, so funktioniert das nicht! (Abg. Lopatka: Das ist nichts Neues bei euch, ihr stimmts immer dagegen!)
Die Tatsache, dass Sie Ihren eigenen Werten und Ihren eigenen Ansprüchen, eine angeblich wertkonservative und sich auf einem christlichen Fundament befindliche Partei zu sein, nicht gerecht werden und einmal mehr umgefallen sind wie Kegel, werden Sie hier heraußen nicht schönreden können. Sie sind die Umfaller vom Dienst, wenn es um Ihre eigenen Prinzipien geht! (Beifall bei der FPÖ.)
Das ist doch genau der Punkt: Dort, wo es darauf ankommt, fallen Sie um, und dann tun Sie so, als würden Sie diese Werte hochhalten, indem Sie Ihrem Landwirtschaftsminister die Herz-Jesu-Rhetorik in den Mund legen. Das reicht nicht dafür aus! Hier und heute findet die Nagelprobe statt, und von Ihnen ist nichts anderes zu erwarten als der nächste Verrat – diesmal im Übrigen auch an den Rechten der Kinder. Das schreibe ich Ihnen ins Stammbuch!
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Fortpflanzungsmedizingesetz steht aus unserer, aus freiheitlicher Sicht in ganz klarem Widerspruch zu zwei ganz wesentlichen Dingen: Das eine ist die Würde des Kindes an sich. Da abstrahieren wir einmal von all den Beziehungen, in die ein solches Lebewesen in weiterer Folge eintritt. Das ist schon der erste Punkt, über den Sie mehr nachdenken sollten.
Das Zweite sind die Rechte, die sich aus dieser Würde dieses Kindes an sich ergeben. Das ist ein entscheidender Punkt, den man nicht in einer Diskussion über irgendwelche Mittel beiseitewischen kann, so wie es jetzt hier 10 Minuten lang versucht worden ist, sondern da reden wir über die Zwecke – und über die Zwecke wird in diesem Hohen Haus schon lange nicht mehr diskutiert. Sie befassen sich nur noch mit den Mitteln, sollten aber mehr Ihrer Aufmerksamkeit den Zwecken widmen. Genau darum geht es. (Beifall bei der FPÖ.)
Meine Damen und Herren von der ÖVP! Das Gesetz, das Sie – eingehängt in die fortschrittlichen Kräfte der Linken und der Oberliberalen; Sie sollten sich einmal überlegen, in welcher Gesellschaft Sie sich da bei der Beschlussfassung befinden – heute hier auf den Weg bringen, das birgt einen ganz, ganz fundamentalen Fehler in sich: Sie ordnen beides, die Würde eines Kindes und die Rechte dieses Kindes, die sich daraus ergeben, einer ganz anderen Sache unter. (Abg. Lopatka: Das ist falsch!) Sie ordnen es einer Art – ich setze das jetzt wirklich unter Anführungszeichen – „Recht auf Besitz an einem Kind“ unter (Abg. Lopatka: Völlig falsch!), und Sie können dieses Recht nirgendwoher ableiten. Das wird Ihnen nicht gelingen, außer Sie machen es wie der Verfassungsgerichtshof und behandeln Ungleiches nicht ungleich, sondern behandeln Ungleiches gleich. Das ist die einzige Krücke, mit der es Ihnen gelingt, diese Dinge auf den Weg zu bringen, anders schaffen Sie es nicht! (Abg. Lopatka: Aber den Wunsch nach einem Kind, den negieren Sie völlig!)
Meine Damen und Herren, was machen Sie denn da? – Selbst, wenn jemand aus eigener Freiheit einen Lebensentwurf wählt, der es von Natur aus, also prinzipiell ausschließt, dass daraus jemals ein eigenes Kind entspringen kann, wie das halt bei gleichgeschlechtlichen Paaren der Fall ist – ob Ihnen das in Ihrer Aufgeklärtheit passt oder nicht, es ist nun einmal so –, selbst dann bekommt er jetzt von Ihnen das Recht auf ein Kind zugesprochen. (Abg. Lopatka: Das ist ja völlig falsch!) Das ist ein an den Haaren herbeigezogenes Recht und kein tatsächliches, und Sie versteigen sich hier ungeheuerlich! (Beifall bei der FPÖ.)
Sehen Sie nicht, dass Sie damit die Natur komplett verdrehen?! Sehen Sie das nicht?! Wenn Sie mit dem Wort „Natur“ wenig Freude haben, dann sage ich gerade in Richtung der ÖVP: Sehen Sie nicht, dass Sie hier versuchen, die Schöpfung, die Ihnen doch angeblich etwas wert ist, auf den Kopf zu stellen? Sehen Sie das nicht, oder ist das ein Vokabel, für das Sie sich in der Zwischenzeit schon schämen? (Abg. Lopatka: Sie sind ein großer Heuchler!) Manchmal habe ich den Verdacht, dass es sich in der ÖVP so verhält. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Lopatka: Sie sind ein großer Heuchler!) Das sage ich Ihnen: Das ist ein Eingriff in die Schöpfung!
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Präsident Ing. Norbert Hofer: Einen Augenblick, bitte.
Herr Klubobmann Lopatka, für den Zwischenruf „Sie sind ein großer Heuchler!“ erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf. (Beifall bei der FPÖ.)
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Abgeordneter Herbert Kickl (fortsetzend): Sehen Sie nicht, dass Sie für dieses angebliche Recht, das Sie irgendwoher konstruieren im Sinne einer Ausschaltung jeder Form von möglicher Diskriminierung, die tatsächlichen Rechte des Kindes mit Füßen treten? – Das ist doch der Punkt: Artikel 24 der Charta der Grundrechte der EU.
Sie sind vor wenigen Tagen hier herinnen gestanden und haben die Taferln mit der Aufschrift „Je suis Charlie“ hochgehalten in Ihrem angeblichen Kampf um die Werte dieses Europa. Sie haben sich zu diesen Werten bekannt, die unter anderem da drinnen festgeschrieben sind, und unter anderem geht es, weil Werte nichts Abstraktes sind, um die Werte der Kinder. Da steht drin, dass es ein Recht der Kinder auf beide Eltern gibt.
Jetzt gibt es, Herr Lopatka, einen feinen Unterschied zwischen dem Wort „beide“ und dem Wort „zwei“. Sie sollten das wissen! Das Wort „beide“ intendiert die Vollständigkeit in der Zwei; das Wort „zwei“ ist nur eine numerische Aufzählung. Ich verstehe in der Zwischenzeit schon gar nicht mehr, warum Sie an diesem „zwei“ überhaupt festhalten und nicht „drei“, „vier“, „fünf“, „sechs“ oder „sieben“ im Sinne einer allgemeinen Beliebigkeit einsetzen. Das wäre durchaus konsequent, wenn Sie es so weit treiben. Aber wenn wir von „beide“ reden, dann reden wir von zweien im Sinne einer Vollständigkeit! Und diese Vollständigkeit ergibt sich aus einer Mutter, die biologisch gesehen eine Frau ist, und aus einem Vater, das ist biologisch gesehen ein Mann; daraus kommt dann ein Kind oder kommen Kinder hervor. Ob Ihnen das passt oder nicht: So will es die Natur, so will es die Schöpfung! (Beifall bei der FPÖ.)
Ich kann mich nur wundern über diese Volkspartei – zum Thema Heuchelei. Diesen Satz würde ich von Ihnen gern einmal hören, Herr Lopatka, zum Beispiel bei Ihrer Klubklausur: „Zu einer Familie gehört eine weibliche Mutter, ein männlicher Vater und ein Kind oder Kinder!“ Das hören wir von Ihnen schon lange nicht mehr. Von Ihnen hören wir: „Der Islam gehört zu Europa.“ Das ist das, was man aus Ihrer Klubklausur hört. Dann hört man noch dazu: „Es gibt keinen Wettbewerb der Neigungen.“ Manchmal habe ich den Eindruck, Sie sind mit den Linken in diesem Land und mit den besonders Fortschrittlichen in einen Wettbewerb darum eingetreten: Wer kann noch mehr Blödheiten unter dem Namen „Fortschritt“ verzapfen? – Und Sie sind da ganz vorne mit dabei, das darf ich Ihnen sagen. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)
Kommen Sie mir nicht mit Studien daher! Kommen Sie mir nicht mit Studien daher, es gibt für alles eine Studie! Sie werden das Kindeswohl mit Sicherheit auch so begründen können, das ist nicht die Frage. Ich glaube – in Richtung der Grünen –, auch der Herr Cohn-Bendit kann sich auf Studien berufen, dass sein Umgang mit frühkindlicher Sexualität wahrscheinlich eine unglaubliche Befreiung für seine Opfer gewesen ist.
Reden Sie nicht von geänderten Zeiten, denn geänderte Zeiten können sich nur dadurch unterscheiden, dass die Inhalte sich unterscheiden! Die Zeiten sind es nicht, die die Inhalte ändern. Das sind solche Leute wie Sie, die glauben, beim Fortschritt mit dabei sein zu müssen, sich bei den Linken geistig einklinken und sich dann noch hierherstellen und sagen: „Ich bin eine gute Katholikin.“ Ich weiß nicht, ob das der Kardinal gutheißt, den wir manchmal vermissen, wenn es um die Deutlichkeit seiner Worte geht. (Abg. Schmuckenschlager: Das haben Sie nicht zu bewerten!) Das interessiert mich, wie Sie das dann sehen.
Sie machen einen großen Fehler: Sie verwechseln Freiheit mit Willkür. Freiheit, meine Damen und Herren von der ÖVP, das ist Selbstbestimmung! Etwas weniger schick formuliert, ist es Selbstbegrenzung – da werden Sie wahrscheinlich gleich wieder aufjau-
len –, und diese Selbstbegrenzung steht immer in einer moralischen Verantwortung beim Handeln. Da kommen Sie nicht aus! Was Sie dafür halten, ist Willkür: Jeder macht, was er will, und sucht dann fadenscheinig irgendwelche Gründe, um es schönreden zu können. (Abg. Lopatka: Völlig falsch!)
Gehen Sie doch nicht den Linken auf den Leim! Und nehmen Sie sich die Worte des Kardinals zu Herzen: Entscheidend im Umgang mit der Freiheit ist (Abg. Lopatka: Sie auch!), dass wir nicht alles von dem, was wir tun können, auch tun. (Abg. Lopatka: ... nehmen Sie den Kardinal ernst!) – Das ist der entscheidende Punkt. Schreiben Sie sich das in Ihr christliches Stammbuch! (Beifall bei der FPÖ.)
12.43
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Präsident Ing. Norbert Hofer: Herr Abgeordneter Kickl, für den Vorwurf „Blödheiten“ erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf.
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Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Musiol. – Bitte, Frau Abgeordnete. (Abg. Wöginger: Wäre vielleicht nicht schlecht, wenn du auch bei der Diskussion dabei gewesen wärst ...!)
12.43
Abgeordnete Mag. Daniela Musiol (Grüne): Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte jetzt von der ungefragten Beratung des Abgeordneten Kickl für die ÖVP wieder zur Sache kommen. Kollegin Abgeordnete Steinacker hat bewiesen, dass man zu diesem Thema, das durchaus niemanden kalt lässt – da gebe ich Ihnen recht, aber das ist auch das Einzige, wo ich Ihnen in dieser Frage recht gebe –, auch sachlich sprechen kann, auch wenn man hier durchaus einige Fragen für sich selber beantworten muss.
„Niemanden kalt lässt“ stimmt, aber „niemanden kalt lässt“ bedeutet nicht zwingend nur, dass man ein Problem damit hat. Ich persönlich, wir Grüne freuen uns heute sehr! Ich nehme einmal an, viele hier im Saal freuen sich heute auch, und viele außerhalb dieses Saals freuen sich. Warum freuen wir uns? – Weil heute wieder ein nächster Schritt getan ist, Lebensrealitäten von Familien, Lebensrealitäten von Personen auch gesetzlich zu verankern!
Es ist nun einmal eine Tatsache, dass Ihr Bild von Familie, Ehe und Kindern ein veraltetes ist und den Lebensrealitäten vieler, vieler ÖsterreicherInnen nicht mehr entspricht. (Abg. Kickl: Woher haben Sie denn das?) Wenn Sie mich fragen, woher ich es habe (Beifall bei Grünen und SPÖ): Ich brauche nur auf die Straße zu gehen und mich umzuschauen. Dort gibt es eben Paare, die nicht verheiratet sind und Kinder haben. Dort gibt es alleinstehende Frauen oder Männer, die Kinder großziehen. (Abg. Kickl: Da gibt es auch andere Dinge, die Sie noch nicht erfasst haben! Die gibt es auch!) Dort gibt es lesbische Paare, dort gibt es homosexuelle Paare, die Kinder aus Vorbeziehungen haben oder eben Pflegekinder haben.
Genau diese Situation gibt es, und es kann doch nicht sein, dass österreichische Gesetze gegen diese Situation agieren! Vor diesem Hintergrund war es ganz klar (Abg. Kickl: Kniefall vor der Empirie!), dass der Verfassungsgerichtshof und auch der Europäische Gerichtshof einen Riegel vorschieben. Auch ich möchte noch einmal gratulieren, und zwar Herr Dr. Graupner, und auch allen, die sich hier jahrelang eingesetzt ha-
ben. Aber traurig ist es schon, dass Sie und viele andere Energie und Geld investieren müssen, damit hier gesellschaftliche Realitäten vollzogen werden!
Das nächste Thema ist die Adoption. Auch hier haben wir wieder den Verfassungsgerichtshof gebraucht, damit er klar sagt, was rechtens ist (Abg. Kickl: Das ist ja nur noch eine Arbeitsteilung!), und damit es danach erst (Abg. Kickl: Dasselbe Programm, nur arbeitsteilig gemacht!) durch die Parlamente und durch die Politik vollzogen wird. Ich wünsche mir hier etwas anderes. Das hat auch Klubobmann Schieder angesprochen.
Ich sehe auch einen Wermutstropfen, den möchte ich nicht verheimlichen. Ich hätte mir gewünscht – und habe das auch im Ausschuss beantragt –, dass nicht nur Paare, sondern auch Alleinstehende die Möglichkeit haben sollen, Fortpflanzungsmedizin in Anspruch zu nehmen, weil auch das, wie schon gesagt, den Lebensrealitäten entspricht. Klubobmann Schieder war vorhin ein bisschen missverständlich, weil er so getan hat, als hätten wir das eingeführt. Nein, das haben wir leider nicht, und es ist eigentlich nicht einzusehen, warum nicht. Aber auch da werden wir unter Umständen gerichtliche Urteile brauchen, um hier nachzuziehen. Ich weiß, dass die SPÖ durchaus aufgeschlossen war; es gab keinen Konsens, keine Mehrheit. Dann müssen wir eben weiter dafür kämpfen. Aber es ist für mich trotzdem ein guter Tag. (Beifall bei den Grünen.)
Glauben Sie mir, wir haben es uns auch nicht leicht gemacht. Sie wissen, wir haben im Ausschuss viele Anträge eingebracht. Wir haben gestern verhandelt, und die Regierungsparteien haben schon zwischen dem Ausschuss und unseren Verhandlungen einiges von dem, was wir vorgeschlagen haben, was die ExpertInnen vorgetragen haben, was die Diskussion im Ausschuss gebracht hat, in den vorgelegten Abänderungsantrag und Entschließungsantrag eingearbeitet. Wir sind gestern noch ein Stück weitergekommen und haben noch mehr erreicht.
Was war das konkret? – Konkret ging es um die Frage, welche Rechte das Kind hat, also die Frage: Wie kann das Kind, das – auf welchem Weg auch immer – erzeugt wurde, ob durch Eizellenspende, durch Samenspende, durch beides, auch Auskunft darüber erhalten, wer die leiblichen Eltern sind, wer die Spender sind? Und: Wie kommt es zu dieser Auskunft? Muss es da alle Institute abklappern, oder gehen wir den Weg, dass wir schauen, dass wir diese Informationen zentral bündeln? Damit man – so wie das auch adoptierte Kinder machen können, so wie das auch in der Pflege der Fall ist – sich an eine Behörde wendet und sagt: Ich wüsste eigentlich gern, wer meine Eltern sind. Dieses zentrale Register bringen wir mit einem Entschließungsantrag auf den Weg. Das wird von den Ministerien geprüft, und ich bin guter Dinge, dass es kommen wird.
Es stellt sich auch die Frage: Ist 14 wirklich die Grenze, wo Kinder sich mit ihrer Identität beschäftigen? – Es gibt auch Kinder, die das vorher schon wissen wollen. Idealerweise wachsen Kinder mit dem Wissen auf, wie sie erzeugt wurden. Das ist sozusagen die gängige, herrschende Lehre, der entwicklungspsychologische Standard. Die Frage war also: Kann man nicht auch schon vor das 14. Lebensjahr gehen? – Auch hier wird im Rahmen eines Entschließungsantrags auf den Weg gebracht, dass man prüft, unter welchen Voraussetzungen man gewährleisten kann, dass Kinder zu einem Zeitpunkt, wo sie dies wünschen, Auskünfte über ihre Herkunft, über ihre leiblichen Eltern, über die SpenderInnen erhalten.
Der zweite Teil, der heute auch schon erwähnt wurde, ist die Frage der Beratung. Es gibt jetzt schon eine psychologische Beratung, diese wird sozusagen bei den IVF-finanzierten Eingriffen mit erledigt. Aber uns war wichtig, dass hier auch ganz klar die Frage ist, was denn da beraten werden soll. Hier geht es vor allem darum, dass Eltern oder potenzielle Eltern einerseits darüber aufgeklärt werden, was für die Entwicklung,
für die Identitätsentwicklung, für die Bindungsentwicklung ihrer Kinder wichtig ist, sprich aufgeklärt werden, dass es für die Kinder wichtig ist, dass sie von Beginn an wissen, wie sie entstanden sind, und dass das auch kein Tabu sein muss.
Wir haben es auch gestern in den Verhandlungen diskutiert: Es ist nach wie vor ein Tabu. Es gibt in Ihrer Umgebung viel mehr Menschen, als Sie glauben, die über IVF Kinder bekommen haben. Sie sagen es nur nicht, weil es immer noch den Stempel des Unnatürlichen trägt, der das unmöglich macht. Da sorgen Sie dafür, dass es diesen Stempel hat!
Es ist Normalität draußen, es ist Normalität bei vielen Eltern, die einen unerfüllten Kinderwunsch haben. Vor diesem Hintergrund müssen wir Politikerinnen und Politiker auch dafür sorgen, dass es hier enttabuisiert wird. Wichtig ist aber auch die Information für die SpenderInnen, vor allem für die Eizellspenderinnen – das ist von Kollegin Steinacker auch schon erwähnt worden –, um eben genau über diese medizinischen Folgen aufgeklärt zu werden.
Da muss ich schon eines sagen, Frau Kollegin Belakowitsch-Jenewein: Sie führen hier zu einer Verunsicherung, indem Sie Unwahrheiten verbreiten! Oder auch Kollege Franz. Sie polemisieren, Sie behaupten hier Dinge, die so überhaupt nicht stimmen, bezogen auf die Eizellspende. (Abg. Kickl: ... wahrscheinlich beide mehr medizinischen Background als Sie!) Sie wissen ganz genau, dass es im Gesetz eine klare Regelung gibt, dass nur drei Kinder aus der Eizelle oder aus dem Samen eines Spenders erzeugt werden dürfen. Das erledigt somit automatisch eine Begrenzung. – Das ist der eine Teil.
Der andere Teil ist aber, dass wir hier sehr wohl auch für Selbstverantwortung eintreten und sagen: Menschen sollen über die Folgen aufgeklärt werden (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch-Jenewein), aber es liegt dann trotzdem im privaten, persönlichen Entscheidungsbereich, ob man diese Folgen eingeht oder nicht. So wie bei den Medikamentenstudien, an denen Sie sich als Studentin beteiligt haben. (Beifall bei Grünen, SPÖ und ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch-Jenewein.)
Das ist genau das Problem. Wir haben auch in unserem Klub sehr intensiv diskutiert: Auch bei uns war vieles diskussionswürdig, ist vieles hinterfragt worden, vor allem auch die Präimplantationsdiagnostik. Aber da hat Kollegin Steinacker sozusagen alles gesagt, was zu sagen ist: Es ist weiter verboten und nur unter sehr engen Grenzen möglich. Sie wissen das ganz genau. Indem Sie hier Unwahrheiten verbreiten und indem Sie hier Bilder zeichnen, die sozusagen mit dem vorliegenden Gesetz nichts zu tun haben, führen Sie nur zu einer Verunsicherung und nicht dazu, dass eine differenzierte Diskussion stattfinden kann. (Beifall bei Grünen, SPÖ und ÖVP.)
Wir haben lange diskutiert und haben uns dazu entschlossen, zuzustimmen. Bei uns gibt es ja keinen Klubzwang, also alle Kolleginnen und Kollegen haben das für sich entschieden (Abg. Kickl: Umso bedauerlicher!), so wie das hoffentlich in allen anderen Fraktionen auch der Fall ist. Eine Kollegin, die heute sprechen wollte, aber wegen Erkrankung leider nicht sprechen kann, hat sich dazu entschieden, nicht zuzustimmen. Das ist Kollegin Jarmer, die hier in ihrer Rede ganz klar auch ihre Perspektive einbringen wollte.
Ich kann nur so viel dazu sagen: Sie sagt, die Präimplantationsdiagnostik ist in dem Rahmen möglich, ist aber für die Behindertenvereine natürlich ein Thema, das emotionalisiert. Das wäre auch der Grund gewesen, warum sie nicht zugestimmt hätte. Aber worauf sie in ihrer Rede hinweisen wollte, war, dass es neben dieser Diskussion umso wichtiger ist, sich die Situation von Eltern mit behinderten Kindern noch einmal anzuschauen und hier die entsprechenden Unterstützungen zu gewährleisten. Das wird auch durchaus notwendig sein, ungeachtet dieser Diskussion.
Ich darf jetzt noch folgenden gemeinsamen Antrag einbringen:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Spindelberger, Schittenhelm, Dr. Mückstein, Königsberger-Ludwig, Dipl.-Ing. Strasser, Mag. Musiol, Kolleginnen und Kollegen betreffend vereinfachte Auskunftsmöglichkeiten der Kinder
„Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
Entschließungsantrag:
Der Nationalrat wolle beschließen:
Die Bundesministerin für Gesundheit und der Bundesminister für Justiz werden ersucht, im Hinblick auf eine vereinfachte Auskunftsmöglichkeit der Kinder über ihre genetischen Eltern und zur Sicherung der Einhaltung der Regelungen des § 14 FMedG die Möglichkeiten der Schaffung eines Registers über Samen- oder Eizellspenden zu prüfen. Gleichzeitig soll geprüft werden, ob und unter welchen Umständen Auskünfte über die genetischen Eltern bereits vor dem 14. Lebensjahr des Kindes auch außerhalb medizinisch begründeter Ausnahmefälle erforderlich und angezeigt sein können. Bei der Auskunftserteilung soll im Sinne des Kindeswohles darauf Bedacht genommen werden, dass den Auskunftsberechtigten Beratung und Hilfestellungen angeboten werden.
Es soll darüber hinaus geprüft werden, ob und welche über § 21 Abs. 2 FMedG hinausgehende Daten zur Gewährleistung der Qualitätssicherung der medizinisch unterstützten Fortpflanzung erhoben werden sollen.
Die Prüfergebnisse sollen möglichst innerhalb von zwei Jahren vorliegen.“
*****
Wenn ich mit einem Wunsch schließen darf, dann ist es der Wunsch an die Regierungsparteien, an die Regierung, dass wir für die weiteren familienpolitischen und gesellschaftspolitischen Fragestellungen nicht die Höchstgerichte, nicht engagierte Anwältinnen und Anwälte brauchen, um wirklich den Lebensrealitäten entsprechende Gesetze zu schaffen, sondern dass wir hier als Gesetzgeber unsere Verantwortung wahrnehmen und das, auch ohne dass wir vom Verfassungsgerichtshof eine drüberbekommen, bewerkstelligen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)
12.54
Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Antrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht somit in Verhandlung.
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Erwin Spindelberger, Dorothea Schittenhelm, Dr. Eva Mückstein, Ulrike Königsberger-Ludwig, DI Georg Strasser, Mag. Daniela Musiol und Kolleginnen und Kollegen betreffend vereinfachte Auskunftsmöglichkeiten der Kinder,
eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Gesundheitsausschusses 450 der Beilagen über die Regierungsvorlage eines Bundesgesetzes, mit dem das Fortpflanzungsmedizingesetz, das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Gentechnikgesetz und das IVF-Fonds-Gesetz geändert werden (Fortpflanzungsmedizinrechts-Änderungsgesetz 2015) (445 der Beilagen).
Dem mit dem Samen oder den Eizellen einer dritten Person gezeugten Kind ist auf dessen Verlangen nach Vollendung des 14. Lebensjahres Einsicht in die Aufzeichnungen der Krankenanstalt über die Person des Samenspenders bzw. der Eizellspenderin, zu gewähren bzw. Auskunft zu erteilen. Zum Wohl des Kindes kommt in medizinisch begründbaren Ausnahmefällen auch der Person, die mit der gesetzlichen Vertretung für die Pflege und Erziehung betraut ist, ein Auskunfts- und Einsichtsrecht zu.
Prüfenswert erscheint, ob ein zentral geführtes Register diese Auskunfts- und Einsichtsrechte vereinfacht, beziehungsweise unter welchen Umständen außerhalb der bereits bestehenden Ausnahmen eine Auskunft über die genetischen Eltern vor dem 14. Lebensjahr des Kindes ermöglicht werden kann.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
Entschließungsantrag:
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesministerin für Gesundheit und der Bundesminister für Justiz werden ersucht, im Hinblick auf eine vereinfachte Auskunftsmöglichkeit der Kinder über ihre genetischen Eltern und zur Sicherung der Einhaltung der Regelungen des § 14 FMedG die Möglichkeiten der Schaffung eines Registers über Samen- oder Eizellspenden zu prüfen. Gleichzeitig soll geprüft werden, ob und unter welchen Umständen Auskünfte über die genetischen Eltern bereits vor dem 14. Lebensjahr des Kindes auch außerhalb medizinisch begründeter Ausnahmefälle erforderlich und angezeigt sein können. Bei der Auskunftserteilung soll im Sinne des Kindeswohles darauf Bedacht genommen werden, dass den Auskunftsberechtigten Beratung und Hilfestellungen angeboten werden.
Es soll darüber hinaus geprüft werden, ob und welche über § 21 Abs. 2 FMedG hinausgehende Daten zur Gewährleistung der Qualitätssicherung der medizinisch unterstützten Fortpflanzung erhoben werden sollen.
Die Prüfergebnisse sollen möglichst innerhalb von zwei Jahren vorliegen.“
*****
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Dr. Belakowitsch-Jenewein gemeldet. – Bitte, Frau Abgeordnete.
12.55
Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein (FPÖ): Herr Präsident! Frau Abgeordnete Musiol hat hier gesagt, ich hätte die Unwahrheit gesagt, auch in Bezug auf die Eizellspende. Das ist unrichtig.
Frau Abgeordnete Musiol! Ich habe gesagt: Es gibt keine Beschränkungen in dem Gesetz, jede Frau kann tatsächlich zwischen dem 18. und 30. Lebensjahr so oft sie möchte Eizellen spenden. Das entspricht den Tatsachen. (Abg. Musiol: Drei Kinder!) Die Tatsache, ob drei Kinder daraus gemacht werden oder nicht, die ist irgendwann – theoretisch können überhaupt keine Kinder aus den Eizellspenden entstehen, denn es braucht ja 30 bis 50 Spender-Eizellen, um überhaupt zu einer Schwangerschaft zu kommen. (Beifall bei der FPÖ.)
12.55
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Kitzmüller. – Bitte, Frau Abgeordnete.
12.56
Abgeordnete Anneliese Kitzmüller (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Minister! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Mit der heutigen Regierungsvorlage zeigen die Verantwortlichen, was ihnen in dieser Gesellschaft wichtig ist: nicht die Familie, nicht das Wohl des Kindes, nicht die Grundwerte und die Bewahrung der Identität!
Keiner stellt sich hier nämlich die Frage, welche Folgen das für das betroffene Kind in weiterer Folge hat. Wollen Sie, dass es später einmal heißt, sie waren ja zehn Jahre eingefroren, bis sie ein Mensch geworden sind, ein lebender Mensch? (Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.) – Meine Damen und Herren, das ist ja eine Katastrophe! Nein, entscheidend ist es hier, dem allgemeinen Mainstream zu folgen, den Egoismus an erste Stelle zu stellen und persönliche Wünsche an erste und einzige Stelle zu stellen. Wichtig ist hier die Political Correctness, die bewahrt werden soll, aber sonst schon gar nichts. (Beifall bei der FPÖ.)
Wenn wir uns die UN-Kinderrechte anschauen, so heißt es darin: Das Kind hat ein Recht auf Vater und Mutter. – Wo bleiben denn da der Vater und die Mutter? Wenn wir uns neue Formulare anschauen, die Hebammen auszufüllen haben, so steht da: das Geschlecht der Mutter, das Geschlecht des Vaters. Was soll denn das sein? Gibt es eine männliche Mutter? – Na, das möchte ich sehen!
Sie verwechseln hier die Lebensrealität, dass es sehr wohl Paare gibt, die gleichgeschlechtlich sind und zusammenleben können, die zusammenleben sollen und auch zusammen glücklich werden sollen, und die biologische Realität, dass zwei Männer oder zwei Frauen miteinander eben biologisch keine Kinder bekommen können. Das werden Sie auch durch dieses Gesetz nicht verändern können, da Sie die Biologie per Gesetz nicht ändern können. (Zwischenruf des Abg. Strolz.) – Das ist einmal schon das eine.
Schauen Sie sich jetzt einmal den Gesetzestext näher an! Mit dem, was hier steht, wird das prinzipielle Recht des Kindes auf Vater und Mutter, wie eben schon gesagt, verachtet. Biologische Eltern sind in diesem Zusammenhang nichts mehr wert, sie sind beliebig austauschbar und beliebig irgendwie zu definieren oder auch nicht. (Zwischenruf der Abg. Königsberger-Ludwig.) Im Gegenteil, es wird nach diesem Gesetz in dieser Sache möglich sein, alles zu kaufen. Sie können sich das richtige Kind kaufen, die richtigen Eigenschaften, das richtige Geschlecht und all diese Sachen. (Zwischenrufe bei SPÖ und Grünen.) Hier soll planbar werden, was nicht planbar ist!
Wer kontrolliert, was mit den Eizellen tatsächlich passiert, ob Missbrauch getrieben wird oder nicht? Wo steht denn geschrieben, dass das überprüfbar ist? – Wir haben vor Jahren auch schon gehört, es wird sicherlich nicht die Tür dafür geöffnet, dass gleichgeschlechtliche Paare adoptieren dürfen. Was haben wir denn jetzt? – 2009 haben wir davor gewarnt. Die ÖVP-Ministerin, damals Beatrix Karl, hat gesagt: Nein, nie im Leben wird es so werden! – Und wo sind wir jetzt? Genau dort, wovor wir damals gewarnt haben (Abg. Wöginger: Das war der Verfassungsgerichtshof!): Frauen kommen völlig unter die Räder und können hier ausgebeutet werden! Davon hört man von Grün und Rot aber auch wiederum nichts, wenn es um die Rechte der Frauen geht. (Beifall bei der FPÖ.)
Gesundheitsschäden und gesundheitsschädliche Nebenwirkungen bei Frauen, sage ich jetzt einmal, bei Spenderfrauen, bei Empfängern und bei Kindern – auch davon wird nicht geredet. Man nimmt dem Menschen die Identität und die Wurzeln. Diese Mischkulanz von Samenspenden, Eizellenspenden, tatsächlichen Eltern, gleichgeschlechtlichen Eltern oder nicht gleichgeschlechtlichen Eltern – all das wird nicht berücksichtigt, und man denkt nicht darüber nach.
Auch die PID, diese Präimplantationsdiagnostik, ist ein Instrument der Selektion und Diskriminierung. Das werden mir hier doch einige zugestehen, dass das in diesem Fall so sein wird. Es wird diskriminiert, denn es ist angeblich auch eine Zugangsbeschränkung der Zulassung durch den Staat, die praktisch undurchführbar wird.
Und dieser Abänderungsantrag, dieser Placebo-Abänderungsantrag der Regierungsparteien, meine Damen und Herren, der ändert auch nichts daran. Wer entscheidet denn, welche Eizelle lebenswert ist und welche nicht? Wem muten Sie diese Entscheidung zu? Und wer entscheidet, welche befruchtete Eizelle entsorgt, wirklich entsorgt wird und welche nicht?
Kinder werden ein Produkt der Fortpflanzungsindustrie. Mit diesem Gesetz gehen wir eindeutig zu weit. Und wie schon eine besorgte Bürgerin in einer Zuschrift gemeint hat: Wehret den Anfängen! Mit diesem Gesetz wird ein Kind zur Ware. Es wird nicht mehr als das angenommen, was es ist, als ein Geschenk und ein Wunder der Natur. Sie, meine Damen und Herren der Regierungsparteien, wollen hier Gott spielen und entscheiden, wer lebenswert ist und wer nicht. Und dafür bekommen Sie sicherlich nie im Leben unsere Zustimmung. (Beifall bei der FPÖ.)
13.00
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Scherak. – Bitte.
13.00
Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrter Herr Minister! Ich finde positiv, dass es einige schaffen, dies sachlich zu diskutieren. Ich finde, Frau Kollegin Belakowitsch-Jenewein hat ihre Sorgen im Wesentlichen sehr sachlich vorgetragen. Wieso Herr Kollege Kickl sich an der ÖVP so abarbeitet, das ist sein Problem, das sei ihm unbenommen. Wen ich nicht verstehe, und da bin ich persönlich auch enttäuscht, ist Kollege Franz. Der Sozialdemokratie den Vorwurf zu machen, und jetzt brauche ich die Sozialdemokratie grundsätzlich nicht zu verteidigen, aber das war so unter der Gürtellinie, dass das wirklich nicht nachvollziehbar ist. (Beifall bei NEOS und SPÖ sowie bei Abgeordneten der Grünen.)
Wesentlich ist, dass wir hier noch einmal die Geschichte Revue passieren lassen sollten. Wir haben uns wieder einmal von Höchstgerichten Entscheidungen kommen lassen, weil engagierte Leute, und auch ich freue mich, dass Herr Dr. Graupner das so weit durchgefochten hat, bis zu den Höchstgerichten gegangen sind. Die Höchstgerichte, in diesem Fall explizit der Verfassungsgerichtshof, aber auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, haben in vielen Bereichen klar Dinge entschieden, weil wir als Gesetzgeber ganz offensichtlich Gesetze beschlossen haben, immer wieder Gesetze beschließen, die Ungleichbehandlung zur Folge haben, unsachliche Ungleichbehandlung. (Präsident Kopf übernimmt den Vorsitz.)
Jetzt geht es in diesem Fall auch um Gesetze, die schon sehr, sehr alt sind, betreffend die wir vielleicht einfach schon längst hätten tätig werden müssen. Wenn Herr Klubobmann Schieder sagt, dass er es auch schade findet, dass das immer die Höchstgerichte veranlassen und man das vielleicht ändern sollte, dann ist das vollkommen richtig. Ich kann Ihnen dazu auch die Handlungsanleitung geben: das freie Mandat stärker in den Vordergrund stellen, vielleicht koalitionsfreie Räume schaffen, denn mir ist schon klar, das funktioniert nicht, weil sich in diesem Bereich die Koalitionspartner schlichtweg nicht einig werden. (Demonstrativer Beifall des Abg. El Habbassi.)
Fakt ist, dass als Erster der Verfassungsgerichtshof festgestellt hat, dass das Verbot für die Samenspende bei lesbischen Paaren nicht in Ordnung ist und aufgehoben werden muss. Das Zweite ist, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in einem Entscheid gegen Österreich festgestellt, dass das Verbot der Eizellspende und das Verbot der Samenspende bei der IVF zwar noch im Ermessensspielraum des Ge-
setzgebers liegen, dass sich hier aber natürlich auch Neuerungen ergeben und man ohne Weiteres auch darüber nachdenken sollte, ob diese Entwicklungen nicht vielleicht ein Verbot nicht mehr als sinnvoll erscheinen lassen. Der wesentliche Punkt: Wir haben einmal die Samenspende bei der IVF. Das werden wir jetzt ändern. Die Samenspende von Dritten wird jetzt erlaubt sein. Ich persönlich habe bis jetzt schon nie nachvollziehen können, wieso man grundsätzlich eine Samenspende erlaubt, nur bei einer In-vitro-Fertilisation nicht. Das ist einmal der erste Punkt.
Die zweite Sache ist die Eizellspende. – Ja, Frau Kollegin Belakowitsch-Jenewein, da gibt es Gefahren, da muss man vorsichtig sein. Deswegen haben wir auch festgelegt, dass eine entsprechende Beratung und Aufklärung erfolgen müssen. Ein wesentlicher Aspekt ist aber auch das, was nicht nachvollziehbar ist. Es war bis jetzt so, dass, wenn ein Paar keine Kinder bekommen konnte, weil der Mann nicht zeugungsfähig war, es die Möglichkeit hatte, einen Dritten zu Hilfe zu nehmen. Wenn der Grund, weshalb der Kinderwunsch nicht realisiert werden konnte, war, dass die Eizelle der Frau nicht funktionstüchtig war, durfte jedoch kein Dritter, in dem Fall keine Dritte, zu Hilfe genommen werden. Das ist etwas, das nicht nachvollziehbar ist, etwas, was meiner Meinung nach eine unsachliche Differenzierung ist.
Der nächste Punkt, den wir hier heute beschließen, ist die Präimplantationsdiagnostik. Auch das ist sehr spannend, weil wir in Österreich die Pränataldiagnostik ja schon lange erlaubt haben und es so ist, dass der Schwangerschaftsabbruch bei schweren Erkrankungen aufgrund der embryopathischen Indikation straffrei ist. Das betrifft sehr oft Frauen, die schwanger sind, bei denen man draufkommt, dass die Kinder eine schwere Erkrankung haben und möglicherweise nicht lebensfähig sind. Die haben dann unter Umständen eine Totgeburt. Umgekehrt erlaubt man genau diesen Frauen, die aufgrund dieser schweren Erberkrankungen im Rahmen einer In-vitro-Fertilisation eine Untersuchung auf diese schweren Erberkrankungen haben wollen, genau das nicht. Das ist meiner Meinung nach ein massiver Wertungswiderspruch, weil man dadurch quasi – wir haben es ja schon gehört – eine Schwangerschaft auf Probe erzwingt.
Ein weiterer Faktor ist, dass das in anderen europäischen Ländern ja erlaubt ist. Man muss sich nur überlegen, wie das in Österreich vor sich geht. Der Arzt sagt also im Wesentlichen: Na gut, machen wir eine Schwangerschaft auf Probe oder, die andere Möglichkeit – und das sagen ja Ärztinnen und Ärzte auch schon –, fahren Sie halt ins europäische Ausland. Diesen Medizintourismus wünsche ich mir nicht, insbesondere auch deswegen nicht, weil das natürlich die begünstigt, die die entsprechenden finanziellen Mittel dazu haben. Das führt zu einer Zweiklassenmedizin, und die ist absolut nicht gerechtfertigt. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Grünen.)
Die Präimplantationsdiagnostik – Kollegin Steinacker hat das auch sehr klar und sachlich ausgeführt – bleibt weiterhin verboten. Sie ist allerdings unter ganz strenger Regulierung erlaubt. Das ist ganz streng geregelt, und es ist sinnvoll, dass sie in diesem Zusammenhang erlaubt ist.
Und zusätzlich ist es ja auch noch so, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einem Verfahren gegen Italien festgestellt hat, dass in diesem Zusammenhang die Aufrechterhaltung eines generellen Verbots der Präimplantationsdiagnostik nicht möglich ist. Da wir in Österreich eine ähnliche Rechtslage haben, hätten wir da nur warten müssen, bis es wieder einen engagierten Anwalt gibt, der dagegen vorgeht.
Vielleicht noch ein letzter Aspekt der Sache: Ja, wir haben eine sehr kurze Begutachtungsfrist gehabt. Ich finde das sehr schade. Es gibt andere europäische Länder, die das besser geschafft haben. Insbesondere Deutschland hat über fast zwei Jahre lang diskutiert, weil es ja doch ein sehr schwieriges Thema ist. Und die Begutachtungsfrist ist bei uns natürlich auch deswegen so rasch abgelaufen, weil der Gesetzgeber nicht rechtzeitig tätig geworden ist. – Herr Klubobmann Schieder ist jetzt wieder anwesend. –
Wir müssen eben schneller tätig werden, denn dann passieren uns auch solche Dinge nicht mehr, dass wir so schnell zu einem Abschluss kommen müssen. Wir hätten einen umfassenderen parlamentarischen Diskurs haben müssen. Der gesellschaftliche Diskurs läuft schon seit Jahren, keine Frage. Wenn wir jedoch sehen, wie die Deutschen es geschafft haben, über lange Zeit hinweg mit Expertinnen und Experten zu diskutieren, dann sollten wir uns das zum Vorbild nehmen.
Und zum Schluss noch: Der Herr Justizminister hat im Ausschuss gesagt, dass es für ein generelles Verbot schon sehr, sehr starke Argumente braucht. Ich habe Ihnen das im Ausschuss schon gesagt, ich kann Ihnen da nur zustimmen. Ich halte das auch für eine sehr richtige Wortwahl in dem Zusammenhang, und deswegen bin ich sehr froh, dass wir das heute so beschließen werden. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)
13.07
Präsident Karlheinz Kopf: Nunmehr hat sich Herr Bundesminister Dr. Wolfgang Brandstetter zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.
13.07
Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Besucher aus Niederösterreich! Wie schon erwähnt wurde, und insofern kann ich mich auch relativ kurz fassen, ist Anlass für diese notwendige Reform ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom Dezember 2013 gewesen. In diesem Verfassungsgerichtshoferkenntnis wurde ausgesprochen, dass auch lesbischen Paaren die Möglichkeit der Inanspruchnahme der medizinisch unterstützten Fortpflanzung eröffnet werden muss. Um diese zu erreichen, hob der Verfassungsgerichtshof wesentliche Teile des Fortpflanzungsmedizingesetzes mit Wirkung ab 1. Jänner 2015 auf. Das ist umzusetzen.
Frau Kollegin Belakowitsch-Jenewein! Sie haben in diesem Zusammenhang davon gesprochen, dass man die Verantwortung den Gerichten umhängen würde, soferne ich es richtig mitgeschrieben habe. Darum kann es jedoch nicht gehen. Bei einem richtigen Verständnis des Rechtsstaats sind höchstgerichtliche Entscheidungen umzusetzen ohne Wenn und Aber; da kann es gar keine Debatte darüber geben. – Ja, es ist so. Es ist auch schon erwähnt worden, dass sich Kollege Graupner kürzlich auch in einer anderen, einer adoptionsrechtlichen Frage beim Höchstgericht durchgesetzt hat. Er hat recht bekommen. Auch das ist einfach umzusetzen. Um das in diesem Fall zu erreichen, hob der Verfassungsgerichtshof wesentliche Teile des Gesetzes auf, und dadurch wurden natürlich letztlich Regelungslücken in Kauf genommen. Und diese Regelungslücken – die haben wir ja jetzt gerade – führen dazu, dass ganz entscheidende Begrenzungen dieses Gesetzes aufgehoben wurden, nämlich nicht zuletzt der zentrale einschränkende Grundsatz der Subsidiarität der medizinisch assistierten Fortpflanzung.
Daher war es wichtig und auch mir wichtig, diese jetzt bereits seit 1. Jänner bestehende Regelungslücke zu schließen und die damit verbundene Rechtsunsicherheit zu beseitigen, und zwar möglichst rasch, damit wir diesen unbefriedigenden Zustand auch nur möglichst kurz haben. Das ist einfach notwendig und sinnvoll, und das, meine Damen und Herren Abgeordnete, war und ist der einzige Grund für den Zeitdruck, der hier oft kritisiert worden ist.
Bei allem Verständnis für Kritik am raschen Tempo möchte ich jedoch schon darauf hinweisen, dass die wesentlichen Grundfragen der Fortpflanzungsmedizin bereits seit Jahren intensiv diskutiert werden und die möglichen Antworten schon seit Langem auf dem Tisch liegen. Auch haben wir ja bis zuletzt Änderungen in unserem Entwurf gerne aufgegriffen, und meines Wissens wurde ja bis gestern auch auf parlamentarischer Ebene an diesen Entwürfen gearbeitet und vieles, was an Kritik und Anregung gekom-
men ist, geprüft, nachgeschärft und auch umgesetzt. Für mich ist das ein sehr schönes Beispiel für konstruktiven Parlamentarismus. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)
Insbesondere Frau Kollegin Steinacker hat die wesentlichen inhaltlichen Dinge bereits so dargestellt, dass man dem nichts hinzufügen muss. Ich möchte nur noch einmal darauf hinweisen: Diese Reform ist in wesentlichen Punkten der Umsetzung grundrechtlicher, verfassungsrechtlicher Vorgaben geschuldet, wobei für mich als Justizminister nicht nur diese höchstgerichtliche Judikatur entscheidend ist, sondern auch die ansonsten bestehende Rechtslage, die ich natürlich zu respektieren und zu berücksichtigen habe, insbesondere auch die bezüglich des Schwangerschaftsabbruchs.
Nicht nur die Öffnung der medizinisch unterstützten Fortpflanzung für lesbische Paare erfolgt nun aufgrund einer Entscheidung eines Höchstgerichtes. Auch die Zulassung der In-vitro-Fertilisation mit Samenspende und die Öffnung der Eizellenspende erfolgen im Hinblick auf die logischen Konsequenzen eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Das ist bei richtigem Verständnis dieser höchstgerichtlichen Judikatur einfach so, und das kann man nicht bestreiten.
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf soll den aktuellen Entwicklungen, aber auch den berechtigten Schutzinteressen der Beteiligten Rechnung getragen werden. Wir haben in unserem Entwurf die Zulassung der In-vitro-Fertilisation mit Samenspende und Eizellenspende zum Schutz der Frauen an strenge Rahmenbedingungen geknüpft. So darf immer nur jene Methode vom Arzt gewählt werden, die mit den geringsten gesundheitlichen Folgen für die beteiligten Personen verbunden ist. Der Arzt ist zu einer umfassenden Beratung verpflichtet. Und mir war es auch ein besonderes Anliegen, die Zahl der sogenannten überzähligen Embryonen auf das unbedingt nötige Ausmaß zu beschränken. In diesem Punkt findet sich in diesem Entwurf tatsächlich auch ein Fortschritt gegenüber der bisherigen Rechtslage.
Und was jetzt die Präimplantationsdiagnostik in Österreich betrifft, so ist festzuhalten, dass sie grundsätzlich weiterhin verboten bleibt. Eine Zulassung unter bestimmten, ganz strengen Voraussetzungen war aber ebenfalls aufgrund einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte notwendig. In diesem Erkenntnis, in dieser Entscheidung hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte konkret Italien wegen eines unverhältnismäßigen Eingriffs in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens verurteilt. Kritisiert wurde – und das ist schon beachtlich – der sachlich nicht gerechtfertigte Wertungswiderspruch des Verbots der Präimplantationsdiagnostik zur ohnehin erlaubten Pränatal-Diagnostik. Und dieses Ungleichgewicht zwischen dem Schutz des Embryos in vitro und in vivo muss ausgeglichen werden, um in Zukunft Frauen und Paaren mit Kindeswunsch die Belastung einer Schwangerschaft auf Probe zu ersparen. In einer Gesamtbetrachtung überwiegen die Vorteile dieser eingeschränkten Zulassung der Präimplantationsdiagnostik unter strengen Voraussetzungen eindeutig gegenüber den mit solchen Untersuchungen zweifellos auch verbundenen Problemen.
Ich darf in diesem Zusammenhang daran erinnern, dass diese Zugangsbeschränkungen zur Inanspruchnahme der bestehenden Möglichkeiten medizinisch assistierter Fortpflanzung natürlich auch Eingriffe in die Grundrechtssphäre der Betroffenen, der Paare mit Kinderwunsch darstellen. Damit derartige Verbote nicht dem liberalen Prinzip unserer Verfassung widersprechen, bedarf es eben schon auch einer spezifischen Rechtfertigung. In dem Zusammenhang erlauben Sie mir noch einige ganz wenige grundsätzliche Bemerkungen, die ich hier schon auch unter Berücksichtigung dessen, was hier bereits gesagt wurde, am Ende nicht unerwähnt lassen will.
Schauen Sie, wie ich gesagt habe, aus meiner Sicht, aus Sicht des Justizressorts gibt es zwei Parameter, zwei Vorgaben: die höchstgerichtliche Judikatur auf der einen Seite und die bestehende Rechtslage insbesondere in Bezug auf den Schwangerschaftsab-
bruch auf der anderen Seite. Ich verstehe natürlich, dass es, wenn man die Regelung nicht so treffen würde, wie wir sie hier vorgeschlagen haben, zu Verwerfungen und Wertungswidersprüchen kommen würde. Man kann doch nicht das, was im Rahmen der pränatalen Diagnostik an der Schwangeren jetzt schon nach geltender Rechtslage zulässig ist, im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik, im Reagenzglas verbieten wollen. Das wäre ein unerträglicher Wertungswiderspruch.
Natürlich verstehe ich aber auch, dass in der Diskussion, die ich mit allen Beteiligten wirklich intensiv geführt habe, schon immer wieder, insbesondere bei der Katholischen Kirche verständlicherweise die Wunden aus der Abtreibungsdiskussion vor 40 Jahren aufbrechen. Das ändert jedoch nichts an dem hier zu regelnden konkreten Problem.
Und was die Eizellenspende betrifft, die wir letztlich auch in Konsequenz der höchstgerichtlichen Judikatur zulassen, da teile ich die Bedenken, die hier geäußert wurden überhaupt nicht. Frau Kollegin Belakowitsch-Jenewein hat, glaube ich, einen Punkt übersehen, obwohl ich den im Gesundheitsausschuss ja erwähnt habe. Man darf nicht vergessen – und da haben Sie ja recht –, dass die Eizellenspende seitens der Spenderin keine Heilbehandlung ist. Das ist ein fremdnütziger Eingriff, daher braucht es dafür eine Rechtfertigung. Der Arzt braucht eine Rechtfertigung dafür, und die kann er nur bekommen, etwa so wie auch bei einer Nierenspende unter Lebenden, durch eine spezielle Regelung im Strafgesetzbuch, und das ist die Einwilligung des Verletzten. Und die ist nach der strengen Judikatur nur dann zulässig, wenn es keinerlei kommerzielle Interessen gibt. So gesehen dienen die Einschränkungen, die wir machen, auch einer entsprechenden Klarstellung. Die wesentliche Einschränkung ist jedoch diese Regelung im Strafgesetzbuch, und die gilt ja auch weiterhin, sodass ich die vorgebrachten Bedenken wirklich nicht teilen kann. Es wird keine kommerzialisierte Eizellenspende geben können.
Und wenn oft gesagt wird: Ja, wir haben die Befürchtung, dass es dazu kommen wird!, so kann ich dazu nur eines sagen: Es gab auch immer wieder die Argumente, dass es irgendwo auf der Welt einen schwunghaften Handel mit Organen gibt. Mag sein, ja, aber deshalb die Organspende in Österreich einschränken zu wollen, obwohl wir das ganz gezielt und bewusst mit unseren rechtlichen Regelungen verhindern konnten, das wäre der falsche Weg, muss ich sagen. Und wir werden es auch hier schaffen, jede reine Kommerzialisierung absolut zu vermeiden. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)
Und auch was die Eizellenspende betrifft, die eine Eizellenspende bleiben wird nach diesem Entwurf und nach unserer Rechtsordnung und den bestehenden Regelungen, die wir schon haben, muss ich schon kurz eingehen auf eine Bemerkung, die Herr Abgeordneter Dr. Marcus Franz gemacht hat, die mich geschmerzt hat; ich muss es so sagen. Im Zusammenhang damit von einer – so haben Sie es formuliert, Herr Abgeordneter – Kraut- und Rüben-Elternschaft zu sprechen, das tut einem weh. Wenn man nämlich wirklich weiß, was Betroffene tatsächlich für Probleme, Sorgen und Wünsche haben, und vor allem, wenn man Erfahrung hat so wie ich mit familienrechtlichen Problemen, mit vielen, vielen Fällen, mit denen ich auch wirklich konfrontiert war, wenn man also all das aus der Praxis kennt, wenn man das versteht, dann kann man nur eines sagen, und das sage ich Ihnen Herr Abgeordneter Dr. Franz: Im Zweifel ist es im Interesse des Kindeswohls auf jeden Fall wichtiger, dass es eine stabile, soziale Elternschaft gibt. Die soziale Elternschaft ist für das Kindeswohl wichtiger als die biologische. (Beifall bei ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS.)
Letztlich bleibt natürlich zu konzedieren – und das gestehe ich auch zu –, dass das ein Thema ist, von dem schon gesagt worden ist, das es niemanden kalt lässt. Das ist auch gut so. Es ist eine schwierige, auch ethisch schwierige Frage, was man im Rahmen der medizinischen Möglichkeiten ganz allgemein kann, darf und soll. Von meiner Warte aus betrachtet ist ganz klar, dass ich naturgemäß schon ganz besondere Gründe, wie
schon erwähnt wurde, eine ganz besondere Sozialschädlichkeit eines Verhaltens erkennen muss, um konkret etwas zu verbieten. Das sehe ich in diesem Zusammenhang nicht, und wir haben das lange und intensiv diskutiert, in einer sehr hochklassigen Diskussion; das muss ich wirklich sagen, und dafür bin ich auch dankbar. Ich habe auch mit Vertretern der Katholischen Kirche intensiv diskutiert, auch als Katholik, auch mit höchsten katholischen Würdenträgern. Und weil er schon vom Herrn Abgeordneten Kickl genannt wurde unser Kardinal, ich habe auch mit ihm ein sehr ausführliches Gespräch geführt. Ja, das war von beiden Seiten vom Verständnis des jeweils maßgeblichen Standpunkts getragen. Um auf ein sehr schönes Wort von Erich Fried zurückzugreifen: Unsere Ansichten sind als Freunde auseinander gegangen.
Ja, das ist so, aber ich möchte hier eines klar festhalten: Justizpolitik kann nur in einer konsensorientierten Sachpolitik bestehen. Die hat in Österreich und speziell auch im Justizausschuss Tradition. Der fühle ich mich verpflichtet. Meine Aufgabe ist es, für Rechtssicherheit zu sorgen. Meine Aufgabe ist es, Gesetze auf Basis eines größtmöglichen gesellschaftlichen Konsenses vorzuschlagen. Und das ist hier gemeinsam mit der Kollegin Oberhauser in äußerst konstruktiver Weise gelungen. Dafür bin ich ihr auch dankbar. (Abg. Pilz: Das war ein Jandl-Zitat!) – War es ein Jandl-Zitat? Entschuldigung! Aber das Zitat ist jedenfalls schön und passt zum Thema. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)
Ich glaube, das ist das erste Mal, dass der Herr Abgeordnete Pilz hier jemanden wirklich korrigieren kann. Es sei ihm vergönnt. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)
Aber Sie sehen, lieber Kollege Pilz – es wird Ihnen gefallen –, ich lese beide, daher kann ich sie auch verwechseln. (Abg. Pilz: Sie bekommen noch ein drittes Buch von mir!) – Gut.
Noch zum Thema medizinisch-assistierte Fortpflanzung ganz allgemein: Wissen Sie, ich verstehe ein Argument nicht, das bei einigen Rednern herausgekommen ist. Ich verstehe nicht, dass man mögliche, äußerst übertrieben dargestellte Probleme, die sich bei der medizinisch-assistierten Fortpflanzung ergeben könnten, als Argument dafür verwenden will, um das Problem am besten dadurch zu lösen, dass man das Kind gar nicht erst entstehen lassen soll. Das soll im Interesse des Kindes liegen?! Das verstehe ich beim besten Willen nicht.
Familie ist dort, wo Kinder sind. Dieses Gesetz dient der medizinisch-assistierten Fortpflanzung. Es dient der Erfüllung des Kinderwunsches, wenn er existiert. Das ist etwas Positives. Das darf man nicht aus den Augen verlieren. Das geht hier ein bisschen verloren in der Diskussion, und deshalb möchte ich es zurückholen. Der Grundgedanke dieses Gesetzes ist, denjenigen, die einen Kinderwunsch haben und bei denen das ohne medizinische Unterstützung nicht geht, zu helfen, damit es Kinder gibt. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)
Dass es Kinder gibt, das, bitte schön, dient dem Kindeswohl. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)
13.22
Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Spindelberger. – Bitte.
13.22
Abgeordneter Erwin Spindelberger (SPÖ): Herr Bundesminister, danke für diese offenen Worte! Sie haben aufgezeigt, dass es gelungen ist, einen Entwurf vorzulegen, der einerseits ethisch hochstehend ist, andererseits aber auch den mehr als berechtigten Wünschen kinderloser Familien und Paare Rechnung trägt, aber auch gleichgeschlechtlichen Paaren eine medizinisch-unterstützte Fortpflanzung ermöglicht.
Wenn dann von einigen RednerInnen angesprochen wird, dass wir die Realität nicht erkannt haben, dann sage ich: Genau das Gegenteil ist der Fall, denn dieser Gesetzentwurf spiegelt die gesellschaftspolitische Realität wieder. Tun wir doch nicht so! Gaukeln wir den Menschen doch nicht vor, dass nur heterosexuelle, vielleicht auch noch verheiratete Paare bessere Eltern wären!
Um einige Punkte des vorliegenden Gesetzes nochmals zu verdeutlichen, möchte ich einen Abänderungsantrag einbringen, den ich kurz in seinen Grundzügen darstelle und aus dem klar hervorgeht, dass die Präimplantationsdiagnostik grundsätzlich nach wie vor verboten bleibt. Diese darf nur dann erfolgen, wenn zum Beispiel der Kinderwunsch trotz mindestens dreier Fehl- oder Totgeburten versagt bleibt. Im Rahmen dieser Präimplantationsdiagnostik dürfen ohnehin nur jene Untersuchungen durchgeführt werden, die unbedingt notwendig sind, um diese Fehl- oder Totgeburten künftig zu vermeiden. Gerade deshalb, Herr Kollege Franz, ist es für mich nichts Verwerfliches, wenn in so einem Fall künftig nur genetisch gesunde Embryonen eingesetzt werden, weil im Vorfeld die Labortests ergeben haben, dass mit schweren Erbkrankheiten zu rechnen ist.
Um noch eines klarzustellen: Im Sinne des vorliegenden Entwurfs ist unter Erbkrankheit zu verstehen, dass ein Überleben nur durch Einsatz modernster Medizintechnik gewährleistet wäre, weil das Kind zum Beispiel schwerste Hirnschädigungen aufweisen oder an nicht wirksam behandelbaren Schmerzen leiden würde. Daher halte ich die in diesem Zusammenhang oftmals gemachten – und ich behaupte das bewusst so – blödsinnigen Äußerungen, dass künftig nur mehr Designer-Babys produziert werden, allein schon wegen des Umstandes, dass Leihmutterschaft weiterhin verboten bleibt, für entbehrlich.
Darüber hinaus – das geht auch aus dem eingebrachten Abänderungsantrag hervor – ist jedwede Werbung für die Überlassung oder Vermittlung von Samen, Eizellen oder entwicklungsfähigen Zellen verboten.
Für mich persönlich verwunderlich ist jedenfalls auch der Umstand, dass sich in diese Diskussion sehr viele Vertreter aus dem klerikalen Bereich eingebracht haben. Die können, zumindest offiziell, sicher keine persönlichen Erfahrungen mit der Familienpolitik mit einbringen. Die können auch nicht erahnen, was es bedeutet, behinderte Kinder zu gebären und aufziehen zu müssen. Ich denke deshalb, dass diese ohnehin nicht leichte Entscheidung wohl den Eltern vorbehalten bleiben soll.
Wir reduzieren mit dieser sehr, sehr eingeschränkten Anwendungsmöglichkeit der Präimplantationsdiagnostik unnötiges Leid einer abermaligen Fehl- und Totgeburt. Wir verhindern – ganz im Gegenteil, Kollege Franz – diesen Tourismus ins Ausland, weil wir es ermöglichen, dass die Behandlungen nun auch im Inland durchgeführt werden. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)
13.26
Präsident Karlheinz Kopf: Der von Herrn Abgeordnetem Spindelberger in seinen Grundzügen erläuterte Abänderungsantrag wurde in der Zwischenzeit im Saal verteilt. Er ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Abänderungsantrag
der Abgeordneten Erwin Spindelberger, Dr. Erwin Rasinger, Dr. Eva Mückstein, Ulrike Königsberger-Ludwig, Mag. Michaela Steinacker, Mag. Daniela Musiol und Kolleginnen und Kollegen
zum Bericht des Gesundheitsausschusses 450 der Beilagen über die Regierungsvorlage 445 der Beilagen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Fortpflanzungsmedizin-
gesetz, das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch, das Gentechnikgesetz und das IVF-Fonds-Gesetz geändert werden (Fortpflanzungsmedizinrechts-Änderungsgesetz 2015 – FMedRÄG 2015):
Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:
Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:
Artikel I (Änderung des Fortpflanzungsmedizingesetzes) wird wie folgt geändert:
a) In Z 3 lautet § 2a Abs. 1 Z 1 wie folgt:
„1. nach drei oder mehr Übertragungen entwicklungsfähiger Zellen keine Schwangerschaft herbeigeführt werden konnte und Grund zur Annahme besteht, dass dies auf die genetische Disposition der entwicklungsfähigen Zellen und nicht auf andere Ursachen zurückzuführen ist, oder“
b) In Z 3 lautet § 2a Abs. 4 erster Satz:
„Im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik dürfen nur die nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft und Erfahrung im Sinn des Abs. 1 Z 1 zur Herbeiführung einer Schwangerschaft, im Sinn des Abs. 1 Z 2 zur Vermeidung einer Fehl- oder Totgeburt oder im Sinn des Abs. 1 Z 3 zur Vermeidung einer Fehl- oder Totgeburt oder einer Erbkrankheit unabdingbar erforderlichen Untersuchungen durchgeführt werden.“
c) In Z 6 erhält der bisherige § 7 Abs. 3 die Bezeichnung „(4)“, § 7 Abs. 2 und 3 lautet:
„(2) Der Arzt hat den Ehegatten, eingetragenen Partnern oder Lebensgefährten oder dritten Personen, deren Samen oder Eizellen verwendet werden, eine psychologische Beratung oder eine psychotherapeutische Betreuung vorzuschlagen und sie auf die Möglichkeit hinzuweisen, andere unabhängige Beratungseinrichtungen zu konsultieren.
(3) Die Beratung oder Betreuung der Ehegatten, eingetragenen Partner oder Lebensgefährten soll sich insbesondere auf die für die Eltern und das Kind mit der Verwendung von Samen oder Eizellen dritter Personen verbundenen Herausforderungen beziehen.“
d) In Z 6 wird in § 10 nach dem Wort „Zyklus“ die Wortfolge „der behandelten Frau“ eingefügt.
e) In Z 6 wird in § 16 Abs. 1 folgender Satz angefügt:
„Die Vereinbarung oder die Annahme einer Aufwandsentschädigung gilt als entgeltliches Rechtsgeschäft, wenn und soweit die Aufwandsentschädigung über die nachgewiesenen Barauslagen, die im Zusammenhang mit der medizinischen Behandlung bei der Überlassung von Samen oder Eizellen getätigt wurden, hinausgeht.“
f) In Z 6 lautet § 16 Abs. 2 Z 3:
„3. von Personen, die bereit sind, Samen, Eizellen oder entwicklungsfähige Zellen für eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung zu überlassen oder in sich einbringen zu lassen,“
g) In Z 6 wird in § 16 Abs. 2 folgender Satz angefügt:
„Ebenso ist jede Werbung für die Überlassung oder Vermittlung von Samen, Eizellen oder entwicklungsfähigen Zellen unzulässig.“
h) In Z 9 lautet § 21 Abs. 2 Z 1:
„1. Anzahl der Paare, die eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung in Anspruch genommen haben sowie Anzahl der Anwendungen, gegliedert nach den in § 1 Abs. 2 angeführten Methoden (einschließlich Überlassung von Samen und Eizellen) und nach Alter, Anzahl der aufbewahrten Samenspenden, Eizellen und entwicklungsfähigen Zellen,“
i) In Z 9 lautet § 21 Abs. 3:
„(3) Die Gesundheit Österreich GmbH hat die Auswertung gemäß Abs. 1 und die im Genanalyseregister gemäß § 79 Abs. 1 Z 1 GTG verzeichneten Einrichtungen, welche PID durchführen samt den in § 79 Abs. 2 GTG genannten Angaben und Untersuchungen sowie alle im Gentechnikbuch enthaltenen spezifische Informationen zur PID im Rahmen eines Berichts dem Bundesministerium für Gesundheit und dem Bundesministerium für Justiz zur Verfügung zu stellen und auf der Homepage der Gesundheit Österreich GmbH zu veröffentlichen.“
Artikel II (Änderung des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs) wird wie folgt geändert:
a) In Z 1 lautet die Überschrift wie folgt:
„Abstammung vom Vater und vom anderen Elternteil“
Artikel III (Änderung des Gentechnikgesetzes) wird wie folgt geändert:
a) Z 2 lautet:
„2. § 97 wird wie folgt geändert:
„§ 97. Die Bundesministerin für Gesundheit hat eine Geschäftsordnung für die Kommission und ihre wissenschaftlichen Ausschüsse zu erlassen, die die Erfüllung der ihr aufgetragenen Aufgaben sicherstellt. Die Geschäftsordnung hat nähere Bestimmungen insbesondere über die Einberufung, den Ablauf, die Anwesenheit, die Vertretung und die Beschlussfassung sowie Regeln über die Unvereinbarkeit zu enthalten und bedarf für ihre Wirksamkeit der Genehmigung durch die Bundesministerin für Gesundheit. Das gilt auch für jede Änderung der Geschäftsordnung.““
b) Z 3 lautet:
„3. Dem § 113 wird folgender § 113a angefügt:
„§ 113a. § 88 Abs. 2 Z 2 lit. a und § 97 GTG in der Fassung des Fortpflanzungsmedizinrechts-Änderungsgesetzes, BGBl. I. Nr. xxx/2015, treten mit dem auf die Kundmachung folgenden Tag in Kraft.“
Begründung
In § 2a Abs. 1 Z 1 wird eine Klarstellung zur Zulässigkeit der Präimplantationsdiagnostik insofern getroffen, als die Präimplantationsdiagnostik nun bei rezidivierend fehlgeschlagener medizinisch assistierter Reproduktion zulässt. Bei zumindest drei gescheiterten Versuchen einer medizinisch unterstützten Fortpflanzung soll die Präimplantationsdiagnostik zur „Verbesserung“ des Erfolgs von künstlichen Befruchtungen zugelassen werden, wenn Grund zur Annahme besteht, dass das Scheitern des Transfers von Embryonen darauf zurückzuführen ist, dass die Embryonen wegen ihrer genetischen Disposition nicht überlebensfähig waren.
Die Änderung in § 2a Abs. 4 dienen der Klarstellung, dass genetisches Screening unzulässig ist.
Der in § 7 Abs. 2 angeführte Personenkreis soll um Personen, deren Samen oder Eizellen verwendet werden, erweitert werden. Ein Schwerpunkt der Beratung oder Betreuung gemäß § 7 Abs. 3 soll insbesondere auch die Frage des Zeitpunkts und die Art der Aufklärung des Kindes über die genetische Elternschaft durch die Eltern sein.
In § 10 wird klargestellt, dass es sich um den Zyklus der behandelten Frau handelt.
Die Änderung des § 16 Abs. 1 dient der Klarstellung zur Aufwandsentschädigung, beispielsweise wäre ein Verdienstentgang nicht erfasst. Unter Barauslagen sind hier etwa auch die Reise- und Übernachtungskosten sowie allfällige Medikamentenkosten zu verstehen. Diese Ausgaben müssen notwendiger Weise mit der Überlassung des Samens bzw. der Eizellen verbunden sein und belegt werden.
In § 16 Abs. 2 Z 3 erfolgt eine Klarstellung, dass auch die Vermittlung von Personen, die bereit sind, Samen, Eizellen oder entwicklungsfähige Zellen für eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung zu überlassen, vom Vermittlungsverbot umfasst sind. Ein entsprechendes Werbeverbot wird eingeführt.
In § 21 Z 1 erfolgt eine Klarstellung hinsichtlich der Samen- und Eizellspenden. Die zu erhebenden Daten werden um die aufbewahrten Samenspenden, Eizellen und entwicklungsfähigen Zellen erweitert. Weiters soll der Bericht der Gesundheit Österreich GmbH um die relevanten im Genanalyseregister und Gentechnikbuch enthaltenen Daten erweitert werden. Aus Publizitätsgründen soll der Bericht auch veröffentlicht werden.
In Artikel II Z 1 wird in der Überschrift vor § 144 ABGB klargestellt, dass es um die Abstammung des Vaters und des anderen Elternteils geht.
In Artikel III Z 2 (§ 97 GTG) werden die näheren Bestimmungen einer neu zu fassenden Geschäftsordnung für die Gentechnikkommission und ihre Ausschüsse festgelegt. Kernpunkt dabei sind Unvereinbarkeitsregeln. Diese müssen so gestaltet sein, dass Antragsteller in ihren eigenen Zulassungsverfahren weder an der Beratung teilnehmen, noch Berichterstatter sein, noch an der Abstimmung teilnehmen können.
*****
Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Rasinger. – Bitte.
13.26
Abgeordneter Dr. Erwin Rasinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Ministerin und Minister! Hohes Haus! Leider fehlt der Abgeordnete Kickl. Ich bin jetzt extra zu meinem Auto gerannt und habe aus der Notfallapotheke ein Valium geholt. Er hat sich nämlich derartig aufgeregt, dass ich mich als Arzt gefordert fühlte. Aber er hat mir gezeigt, dass dieses Herumschreien, das mich als Arzt in Alarmbereitschaft versetzt, für ihn eigentlich nur eine Show war. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Sehr witzig! Er hat den Gesetzesarzt gefordert!), denn er ist nicht mehr da. – Soweit zu seiner Ernsthaftigkeit bei diesem Thema. Aber ich bin gerne bereit, ihm das Valium zu geben. (Beifall bei der ÖVP.)
Ich möchte dieses Thema aus zwei Sichtweisen beleuchten. Erstens als Abgeordneter: Unser Parteiobmann Mitterlehner hat schon gefragt, ob es wirklich notwendig ist, dass wir immer höchstgerichtlichen Entscheidungen nachlaufen. Wir wollen gestalten, nicht gestaltet werden. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte wird mit Sicherheit demnächst, wenn das geklagt wird, ein Urteil, das positiv zur PID steht, erlassen. Der Verfassungsgerichtshof hat uns schon eine Frist vorgegeben, und die Bioethikkommission beschäftigt sich seit zehn Jahren intensiv damit. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Warum das Parlament nicht? An welcher Partei ist das gescheitert?) Es ist interessant, ich war bei einem Hearing, aber dort waren viele nicht, die heute sehr lautstark auftreten – auch Sie nicht! –, und dort wurde klar festgehalten, dass sich sogar die Kirchen nicht darüber einig sind, wann Leben beginnt. Die katholische Kirche sagt, wenn Ei und Samenzelle verschmelzen, dann ist es Leben. Andere sagen, es sind 72 Tage.
Meine zweite Bemerkung möchte ich als Arzt machen. Wir reden hier nicht von fertigen Kindern. Wir reden von einem frühen Embryonalstadium, vom Achtzellstadium. Das ist drei Tage nach Verbindung von Ei und Samenzelle. Wir reden davon, dass wir eine dieser acht Zellen untersuchen dürfen. Zu welchem Zweck? – Um eine Fehl- oder Totgeburt zu verhindern, um eine schwere Erbkrankheit zu verhindern, die entweder zu starken Schmerzen führt oder nicht kausal behandelbar ist oder dazu führt, dass das Kind nur medizinisch-technisch am Leben erhalten werden kann. Also es geht nicht um das Geschlecht oder die Farbe der Haare und so weiter.
Wie viele Menschen, wie viele Fälle würde das in Österreich betreffen? – Nach deutschen Erfahrungen wären es 20 bis maximal 25. Es ist schon eine Abwägungsfrage, ob ich einer Familie, die aufgrund einer genetischen Erkrankung schon ein schwerstbehindertes Kind hat, zunächst sage: Du darfst nichts untersuchen im Achtzellstadium!, also am dritten Tag. Aber später sage ich: Du darfst dich einer gefährlichen Untersuchung in der sechsten bis achten Woche unterziehen!, nämlich der Fruchtwasserpunktion, oder: Du darfst dann sogar abtreiben! Also ich glaube, das ist schon ein Wertungsunterschied.
Es ist schon ein Zynismus, wie ich meine, wenn mir Menschen schreiben, die vor der Diamantenen Hochzeit stehen und eigentlich gar nicht betroffen sind. Das muss man schon ganz klar sehen. Unser Gesetz ist strenger, wesentlich strenger als das deutsche Gesetz. Dort wurde es als Sternstunde des Parlamentarismus bezeichnet.
Ich komme zum Schluss: Als Arzt fühle ich mich schon sehr stark dem Wert des Lebens verpflichtet. Ich kann sagen: Mit diesem Gesetz wird dem Beginn eines Lebens sehr wohl Rechnung getragen, weil wir etwas Schlimmeres verhindern wollen. Wir werden auch bald über das Ende des Lebens in diesem Haus diskutieren. Ich wünsche mir auch eine derart intensive Debatte, wenn es um Tötung auf Verlangen geht. (Beifall bei der ÖVP.)
13.30
Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Mückstein. – Bitte.
13.30
Abgeordnete Dr. Eva Mückstein (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Minister! Werte KollegInnen! Werte ZuschauerInnen! Die Änderung des Fortpflanzungsmedizingesetzes ist eine Errungenschaft für die Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare und spiegelt aus unserer Sicht sehr erfreulich wider, dass die Gesellschaft nun bereit ist, sich für neue und vielfältige Formen von Partnerschaften und Familienkonstellationen zu öffnen. Das ist eine Lebensrealität.
Ich freue mich auch, dass Herr Minister Brandstetter angesprochen hat, dass es um die soziale Elternschaft geht. Was heißt das? – Es ist wesentlich wichtiger, ob eine Bezugsperson in der Lage ist, eine gute Beziehungsqualität anzubieten und ein gutes Beziehungsangebot zu machen, als das Geschlecht der Bezugsperson. Darauf reagieren Kinder. Wenn ein gutes Beziehungsangebot vorhanden ist, entwickeln sich Kinder auch gut. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Wurm.)
Dennoch werde ich mich vielleicht ein bisschen weniger euphorisch zum Fortpflanzungsmedizingesetz äußern als meine Kollegin Daniela Musiol. Ich hatte auch Probleme damit, dem Gesetz zuzustimmen, weil mir anfänglich wesentliche Kindeswohlaspekte zu kurz gekommen sind. Deshalb bin ich auch sehr froh, dass es uns nun im Verlauf der Verhandlungen doch gelungen ist, die Kindeswohlaspekte, die mir sehr wichtig sind, in das Gesetz hinein zu verhandeln, beziehungsweise, dass es zumindest gelungen ist, einige wesentlichen Aspekte als Absichtserklärung im gemeinsamen Entschließungsantrag zu verankern.
Klar ist: Der Kindeswunsch ist ein persönlich-individuelles wie auch gesellschaftspolitisch-soziales Thema. Die Erfüllung des Kinderwunsches ist eine existenzielle Frage. Ich habe viele Paare beraten, die extrem unter unerfülltem Kinderwunsch litten, und die Reproduktionsmedizin ist in der Lage, dieses Leid zu mildern. Aber die Reproduktionsmedizin darf als Motiv meines Erachtens nicht nur bloß die Erfüllung dieses Kinderwunsches im Blickpunkt haben, und – ich möchte auch noch einen Aspekt anführen, der bis jetzt noch nicht besprochen wurde – auch die damit verbundene Geschäftserfüllung darf nicht im Zentrum des Geschehens stehen beziehungsweise muss durch bestimmte Maßnahmen in Schranken gehalten werden. Es muss auch die Lebensqualität der so gezeugten Kinder und ihrer Familien beachtet werden. In einer ethisch verantwortungsvollen Auseinandersetzung mit den Zielsetzungen der Reproduktionsmedizin müssen beide Aspekte in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander gebracht werden.
Neben der Erfüllung des Kinderwunsches ist es das Recht des Kindes auf bestmögliche Gesundheit und das Recht des Kindes auf Wissen um seine Identität, das wir hier unbedingt beachten müssen.
Warum müssen wir auch an die Kinder der Reproduktionsmedizin denken? – Die moderne Fortpflanzungsmedizin hat nicht nur die Kinderwunscherfüllung gebracht, sie hat auch hohe Risiken mit sich gebracht, die sehr unzureichend dokumentiert und erforscht sind. Unbestritten ist jedenfalls, dass die Medizintechnik in diesem Bereich gehäuft zu Mehrlingsschwangerschaften, zu Frühgeburten und Fehlbildungen bei Kindern führt. Man geht davon aus, dass nicht weniger als 20 Prozent der Kinder, die mit Hilfe der Reproduktionsmedizin gezeugt wurden, an Entwicklungsbeeinträchtigungen und Behinderungen leiden, weil es während der Schwangerschaft oder der Geburt zu Auffälligkeiten gekommen ist. Das ist, denke ich, doch ein Grund, unabhängige Forschung voranzutreiben.
Kinder haben ein Recht auf Wissen um ihre Identität. Aus der Bindungs- und Adoptionsforschung ist bekannt, dass das Wissen um die eigene Herkunft und die Auseinandersetzung damit einen starken Einfluss auf die Bindung, Bindungsentwicklung, Identitätsentwicklung und auf das Selbstwertgefühl haben. Seit vielen Jahren gilt es deshalb im Bereich der Jugendwohlfahrt, also dort, wo Pflegekinder und Adoptivkinder betreut werden, als Standard, dass Kinder über ihre biologischen Eltern Bescheid wissen und, soweit es möglich ist, auch Kontakt mit ihnen haben sollen.
Die Kinder mit fremden genetischen Eltern haben künftig nun ein Auskunftsrecht ab dem 14. Lebensjahr. Die Auseinandersetzung mit der eigenen Herkunft entsteht aus entwicklungspsychologischer Sicht aber schon viel früher, und dem sollte dann auch nachgekommen werden. Wir haben uns daher dafür eingesetzt, dass Kinder auch schon früher diese Information erhalten können. Sie sollen wissen können, woher sie stammen. Der gemeinsame Entschließungsantrag sieht daher die Prüfung vor, ob und wie Kinder durch ein zentrales Register über Eizellen- und Samenspenden vereinfacht zu Information über ihre genetischen Eltern kommen können.
Die Kinderwunscheltern müssen von ihren ÄrztInnen auch über alle diese Aspekte informiert werden. Wir hätten uns gewünscht, dass die psychologische und psychotherapeutische Beratung ein Rechtsanspruch für Eltern wird und dass sie vor allem auch ausreichend finanziell abgesichert ist, damit es da keine Unsicherheiten gibt und Eltern vielleicht aus finanziellen Gründen diese Beratung nicht in Anspruch nehmen können.
Eine verantwortungsvolle Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten der Fortpflanzungsmedizin, aber auch mit den Grenzen und den Geschäftsinteressen der Reproduktionsmedizin erfordert meines Erachtens eine Evaluierung von außen. Der Kinderwunsch ist auch zur lukrativen Ware geworden, und deshalb darf man die ethische
Auseinandersetzung mit diesen Risiken nicht aus der Reproduktionsmedizin selbst heraus erwarten. Die Fortpflanzungsmedizin muss sich von außen Fragen stellen lassen, und sie muss sich fragen, ob ihre Mittel immer probat sind und ob sie verantwortungsvoll angewendet werden.
Die Fortpflanzungsmedizin muss sich auf eine Evaluierung einlassen, die nicht nur die Schwangerschaftsraten erfasst, sondern auch die Schwangerschafts- und Geburtsverläufe, also die qualitative Baby-Take-Home-Rate, und die zeigt, wie es den Kindern und den Eltern nach fortpflanzungsmedizinischen Interventionen geht. Unser Entschließungsantrag sieht deshalb vor, dass innerhalb von zwei Jahren ein Prüfergebnis vorliegen soll, wie dieser ethische Anspruch im Interesse der Kinder erfüllt werden kann. Das Gesetz ist aus meiner Sicht bezogen auf das Interesse der Kinder nur ein erster Schritt, aber ein erster, guter Schritt. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Königsberger-Ludwig.)
13.38
Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Meinl-Reisinger. – Bitte.
13.38
Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Kickl ist jetzt nicht da. Ich möchte einmal das Wort für die ÖVP ergreifen. Ich muss sagen, sich hier herzustellen und zu sagen, Sie haben es sich leicht gemacht, also das finde ich geradezu unanständig. Ich glaube, bei kaum einer Materie hat es so viele interne Diskussionen – das konnte man auch medial nachvollziehen – gegeben, nicht nur in der ÖVP, sondern in allen Fraktionen. Dann hier zu sagen, man macht es sich leicht, das finde ich schon sehr, sehr billig. (Beifall bei NEOS und ÖVP. – Abg. Belakowitsch-Jenewein: Die ÖVP hat es sich aber schon leicht gemacht!)
In weiten Teilen wird mit diesem Gesetzentwurf eine menschenrechtskonforme Rechtssystematik wiederhergestellt. Das klingt jetzt sehr technisch, es gibt auch einen weniger technischen Aspekt dabei, und der betrifft die Präimplantationsdiagnostik. Diese – das ist meine Überzeugung und auch eine Erfahrung, die ich in meinem unmittelbaren Bekanntenkreis gemacht habe – ist tatsächlich in der Lage, großes Leid zu verhindern.
Die Entwicklungen im medizinischen beziehungsweise im medizinisch-technischen Bereich sind höchst dynamisch, und ich halte es für ganz wesentlich, dass wir hier als Gesetzgeber dieser Dynamik, diesen Entwicklungen nicht beobachtend zuschauen, sondern, gerade wenn es so eine hohe Dynamik gibt, Regelungen machen, die klarstellen, wo wir etwas aus guten Gründen – weil es ausgewogen ist, weil es gut durchdacht ist – erlauben und wo wir klare Grenzen setzen. Ich glaube, dass dieser Gesetzentwurf in einem sehr sensiblen Bereich eine gute Balance herstellt.
Was ich sehr gut finde an dem Entschließungsantrag und den Änderungsanträgen, die heute gebracht wurden und die wir auch selbstverständlich mittragen, ist, dass dieser ganze Bereich vor Kommerzialisierung geschützt wird. Das ist ein wesentliches Anliegen, und ich glaube und bin überzeugt davon, dass das dadurch auch gelingt.
Der maßvolle Umgang mit diesem hochsensiblen Thema ist uns NEOS sehr wichtig. Ich möchte auch sagen, dass wir tiefen Respekt vor den verschiedenen Anschauungen dazu haben, die auch weltanschaulich basieren. Es griffe einfach zu kurz, andere Meinungen dazu aus weltanschaulichen Gründen abzutun.
Ich glaube aber auch, dass wir mit Recht sagen können: Es gibt dazu viele Erfahrungen aus dem europäischen Ausland. Es ist ganz wesentlich, auf sie zuzugreifen. Was mir bis dato in der Debatte ein bisschen gefehlt hat, ist, dass dieser Bereich nicht nur
aus weltanschaulichen Gründen sensibel ist – wobei ich davor Respekt habe –, sondern gerade in Österreich ist diese Debatte aus historischen Gründen eine sehr sensible. Das möchte ich nur erwähnen.
Die Diskussionszeit war sicherlich zu kurz. Das hätte ich mir anders gewünscht. Es gibt viele Aspekte, die nicht berücksichtigt werden konnten, über die ich mir eine vertiefte Diskussion gewünscht hätte. Ich glaube aber auch, dass es eine gute Lösung ist.
Ein Aspekt hat uns noch gefehlt, und das ist – weil wir denken, dass es Interpretationsspielraum geben wird – die explizite Verankerung des Kindeswohls. Deshalb möchte ich folgenden Antrag einbringen:
Abänderungsantrag
der Abgeordneten Beate Meinl-Reisinger, Gerald Loacker, Nikolaus Scherak
Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:
Der der Regierungsvorlage (445 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Fortpflanzungsmedizingesetz, das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Gentechnikgesetz und das IVF-Fonds-Gesetz geändert werden (Fortpflanzungsmedizinrechts-Änderungsgesetz 2015 – FMedRÄG 2015) (450 d.B.), angeschlossene Gesetzentwurf wird wie folgt geändert:
In Z 3 lautet § 2 Abs. 3 wie folgt:
„Wenn nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft und Erfahrung mehrere aussichtsreiche und zumutbare Methoden zur Auswahl stehen, darf zunächst nur diejenige angewendet werden, die mit geringeren gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Gefahren für die beteiligten Personen verbunden ist und bei der weniger entwicklungsfähige Zellen entstehen. Das Kindeswohl ist dabei zu berücksichtigen.“
*****
Und noch ein ganz letzter Aspekt in diesem Zusammenhang, zu dem Antrag des Teams Stronach: Wann das Leben beginnt, ist auch Gegenstand einer wissenschaftlichen und weltanschaulichen Debatte. Ich habe schon gesagt, dass wir tiefen Respekt vor den verschiedenen Standpunkten haben, aber das jetzt in ein Gesetz zu gießen, gesetzlich zu verordnen, geht meiner Meinung nach völlig fehl. (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. Glawischnig-Piesczek.)
13.43
Präsident Karlheinz Kopf: Der von Frau Abgeordneter Mag. Meinl-Reisinger eingebrachte Abänderungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht somit mit in Verhandlung.
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Abänderungsantrag
der Abgeordneten Beate Meinl-Reisinger, Gerald Loacker, Nikolaus Scherak und Kollegen
zum Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (445 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Fortpflanzungsmedizingesetz, das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Gentechnikgesetz und das IVF-Fonds-Gesetz geändert werden (Fortpflanzungsmedizinrechts-Änderungsgesetz 2015 – FMedRÄG 2015) (450 d.B.)
Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:
Der der Regierungsvorlage (445 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Fortpflanzungsmedizingesetz, das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Gentechnikgesetz und das IVF-Fonds-Gesetz geändert werden (Fortpflanzungsmedizinrechts-Änderungsgesetz 2015 – FMedRÄG 2015) (450 d.B.), angeschlossene Gesetzesentwurf wird wie folgt geändert:
In Z 3 lautet § 2 Abs 3 wie folgt:
„Wenn nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft und Erfahrung mehrere aussichtsreiche und zumutbare Methoden zur Auswahl stehen, darf zunächst nur diejenige angewendet werden, die mit geringeren gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Gefahren für die beteiligten Personen verbunden ist und bei der weniger entwicklungsfähige Zellen entstehen. Das Kindeswohl ist dabei zu berücksichtigen."
Begründung
Die Berücksichtigung des Kindeswohls ab in Anspruchnahme einer fortpflanzungs-medizinischen Maßnahme soll als besonderes Erfordernis gesetzlich festgeschrieben werden.
*****
Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Königsberger-Ludwig zu Wort. – Bitte.
13.43
Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Geschätzter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich denke, bei diesem Gesetzesbeschluss, den wir schon sehr lange diskutiert haben, hat es sich niemand von uns hier im Parlament einfach gemacht.
Ich habe das auch in der Debatte im Ausschuss mitverfolgen können und ich habe vor allem auch bei der Debatte im Ausschuss, beim Hearing gesehen, dass es nicht die eine richtige Meinung zu diesem Thema gibt, weil da eben viele Sichtweisen hereinspielen, auch religiöse, ethische Sichtweisen.
Deswegen finde ich, dass manche Redebeiträge des heutigen Vormittags tatsächlich entbehrlich gewesen wäre. Aus meiner Sicht, geschätzte Damen und Herren, ist dieser Beschluss ein wichtiger Beschluss, der die gesellschaftlichen Entwicklungen und vor allem auch den medizinischen Fortschritt, der heute angesprochen worden ist, widerspiegelt. Vor allem ist es ein Beschluss, der dazu führen wird, dass in Österreich ein modernes Fortpflanzungsgesetz Wirklichkeit wird.
Wir seitens der SPÖ begrüßen dieses Gesetz. Wir freuen uns sehr, dass es damit möglich sein wird, dass auch gleichgeschlechtliche Paare durch medizinisch unterstützte Fortpflanzung ihren Kinderwunsch erfüllen können. Es ist aus Sicht der SPÖ ein gutes Gesetz, das wir heute beschließen werden. (Beifall bei der SPÖ.)
Wir stehen auch dazu, dass die Möglichkeit der Eizellenspende nunmehr eine Ungleichbehandlung zwischen Männern und Frauen aufhebt, nämlich in Bezug auf die Samenzellen- und die Eizellenspende.
Ich bin auch überzeugt davon, geschätzte Damen und Herren, dass es auch deshalb ein wichtiger Beschluss ist, weil es nicht in unserer Kompetenz liegt, wenn ich das so sagen darf, Menschen vorzuschreiben, wie sie Familie zu leben haben. Jede/jeder darf Familie leben, so wie sie und er es möchte. Wir Politikerinnen und Politiker können le-
diglich den Rahmen dazu schaffen. Da wird heute, denke ich, ein guter Beschluss gefasst.
Außerdem ist es für mich deswegen ein wichtiger Beschluss, weil dadurch Paaren, die sich ihren Wunsch nach einem Kind bisher nicht erfüllen konnten, dies nun möglich wird.
Ich denke, keiner von uns, der selber Kinder hat, wenn er denn welche möchte, kann nachvollziehen, wie schwierig diese Belastung für eine Beziehung ist, egal, ob heterosexuell oder homosexuell, wenn man keine Kinder haben kann. Mit dem heutigen Gesetz können wir diesem Kinderwunsch nachkommen. Daher ist es, finde ich, ein ausgezeichnetes Gesetz.
Ich habe aber, geschätzte Damen und Herren, natürlich auch die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger ernst genommen. Ich habe natürlich viele E-Mails gelesen, und als Behindertensprecherin der SPÖ habe ich mich mit der Präimplantationsdiagnostik speziell auseinandergesetzt. Es ist heute schon angesprochen worden, dass die Präimplantationsdiagnostik in Österreich auch in Zukunft verboten sein wird und nur in Ausnahmefällen angewendet werden darf.
Ich denke, damit kann man vielleicht den Organisationen von behinderten Menschen, behinderten Menschen selber oder Eltern von behinderten Menschen die Sorge nehmen, dass hier ausselektiert wird. Es wird ganz genau darauf geachtet, wo die PID angewendet werden darf. Deswegen ist es für mich nicht so, dass Designerbabys entstehen können oder dass man unwertes und wertes Leben aussortieren möchte. Für mich ist es tatsächlich nicht so und ich hoffe, dass im Zuge der Diskussion behinderten Menschen ein wenig diese Angst genommen werden konnte.
Ich möchte mich der Kollegin Jarmer anschließen, auch wenn sie heute nicht selber spricht: Auch ich bin der Meinung, dass wir mit aller Kraft daran arbeiten müssen, dass Eltern, die Kinder mit Behinderungen bekommen und sie großziehen, erziehen, einfach alle Unterstützung bekommen, die sie brauchen; denn ich weiß aus vielen Gesprächen mit Eltern von behinderten Kindern, dass sie es ganz besonders schwer haben.
Ich möchte das noch um einen Aspekt erweitern: Ich weiß auch, dass viele Mütter, viele Frauen irgendwann alleine mit dem behinderten Kind bleiben, weil Männer oft diese Strapazen – seien Sie mir jetzt nicht böse, aber es ist wirklich so – nicht mittragen können. Deswegen denke ich, ist es wichtig, dass wir alles daran setzen, Kinder mit Behinderungen und Eltern mit Behinderungen bestmöglich zu unterstützen.
Ich bin überzeugt davon, dass das ein Gesetz mit Augenmaß ist, ein Gesetz, das dem medizinischen Fortschritt entspricht, den gesellschaftspolitischen Veränderungen Rechnung trägt und vor allem mit großer Verantwortung umgesetzt wird. (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der ÖVP sowie der Abgeordneten Glawischnig-Piesczek und Strolz.)
13.48
Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Schittenhelm zu Wort. – Bitte.
13.48
Abgeordnete Dorothea Schittenhelm (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Geschätzter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Es ist richtig, wir haben es uns in der ÖVP-Fraktion nicht leicht gemacht. Ich bin unserem Klubobmann Reinhold Lopatka sehr, sehr dankbar, dass wir breiteste Diskussionsrunden hatten, dass wir über viele Wenn und Aber stundenlang diskutiert haben und mit jedem Diskussionsbeitrag ein Mehr an Wissen erreichen konnten.
Das war wichtig, denn es ist dies natürlich ein äußerst heikler Themenbereich, der sensibel zu behandeln ist, ein Themenbereich, der gerade für uns als Volkspartei, eine christlich-soziale Partei, in ethischer und gesellschaftspolitischer Hinsicht ein sehr schwieriger ist.
Für mich
persönlich ist die Novelle des Fortpflanzungsmedizingesetzes, welches wir
heu-
te beschließen, mit einem großen Schwerpunkt versehen,
nämlich Frauenleid zu mildern und den Schutz der Frauen, die in
dieser Situation sind, zu verstärken. Das Gesetz ist im Sinne jener
Frauen, die auf natürliche Weise keine Kinder bekommen können
und schon drei oder mehr fehlgeschlagene In-vitro-Fertilisationen hinter sich
haben, oder auch drei Fehlgeburten oder Totgeburten, oder ganz einfach
aufgrund von nicht behandelbaren Erbkrankheiten keine Kinder haben können.
Ich meine, dass gerade – ich nehme den einen Bereich heraus – mit der PID, der Präimplantationsdiagnostik, die Möglichkeit geschaffen wird, und zwar unter strengsten Auflagen, den Embryo zu untersuchen, bevor er eingepflanzt wird, bevor eine Schwangerschaft besteht, sodass die Frauen nicht Gefahr laufen, eine weitere Fehlgeburt hinzunehmen.
Was haben denn wir zurzeit? Welche Realität gibt es denn? – Wir haben zurzeit die Abtreibungsmöglichkeit bis zum dritten Lebensmonat. Ich habe hier noch keinen Aufschrei gehört. Wir haben die Möglichkeit der Abtreibung bis kurz vor der Geburt des Kindes, wenn dieses behindert ist, also eine Schwangerschaft auf Probe.
Ich meine, dass wir den Frauen gerade mit diesem Gesetz Unterstützung geben können, ihnen die Chance geben, vielleicht doch ein Kind zu bekommen. Die PID könnte diese Familien von solchen zerstörerischen Genen befreien, das muss man ganz offen sagen, damit auch ihre Kinder gesund durchs Leben gehen können.
Ich möchte noch etwas erwähnen, und das wurde auch schon vom Kollegen Scherak angesprochen. Was haben wir zurzeit? – Zurzeit fahren die Frauen, die Paare ins Ausland und lassen genau diese Methode durchführen, und zwar um sehr viel Geld, das die gewöhnliche Österreicherin, die sich auch Kind wünscht, nicht hat.
Wir wissen aber nicht, ob dabei im Ausland auch jene vorbereitenden Maßnahmen und auch die Nachbehandlungen durchgeführt werden, die die diese Frauen brauchen. Ich weiß nur aus einem konkreten Fall, dass es keine Vorbereitung gegeben hat, weder medizinisch noch juristisch und auch keine anschließende psychologische Betreuung der Frau danach. Daher halte ich dieses Fortpflanzungsmedizingesetz und speziell die PID für einen wichtigen Schritt für die Frauen und für die Familien.
Es ist ja nicht so, dass das erst gestern passiert ist. Die Bioethikkommission hat sich ja schon seit einigen Jahren damit beschäftigt und man konnte darauf aufbauen. Ich bin unserem Herrn Bundesminister Brandstetter sehr dankbar dafür, dass er mit viel Feingefühl, mit scharfen und hohen Grenzen diese PID umschließt, um Missbrauch in diesem Bereich zu verhindern.
Mir war sehr wichtig, dass die vorgesehene psychologische Beratung für die Eizellenspenderin jetzt mit dabei ist. Dafür bin ich, wenn ich an die Nachverhandlungen denke, auch den Grünen sehr dankbar. Es ist sehr wichtig, dass eine Verschärfung des Kommerzialisierungsverbotes stattfinden wird und vor allem, dass es eine Transparenz durch jährlich veröffentlichte Berichte zu diesem Thema geben wird. Diese Berichte sind notwendig, damit wir wissen, wo wir ansetzen müssen und wie sich dieser so heikle Themenbereich in der Gesellschaft entwickelt.
Eines möchte ich auch noch sagen. Es wurde heute schon vieles gesagt, aber das noch nicht. Was bleibt denn in Österreich verboten, das in anderen Ländern längst gang und gäbe ist? – In-vitro-Fertilisationen ohne medizinische Indikation wird es nicht geben. Keine fortpflanzungsmedizinische Maßnahmen für Alleinstehende; kein Social
Egg Freezing, also kein Entnehmen der Eizellen, Einfrieren und Wieder-Herausnehmen, wenn man sie einige Jahre später braucht. Das wird es nicht geben. Keine Leihmutterschaft. Das wäre Ausbeutung der Frauen, ganz klar. Kein Klonen, keine Eingriffe in die Keimbahnen und natürlich keine Designerbabys – all das muss man auch dazusagen. Dieses Gesetz bringt eine Verbesserung für Frauen, für die Familien.
Ich hoffe sehr, dass wir uns hier in der Folge noch weiter damit beschäftigen werden, denn wir stehen am Anfang einer völlig neuen Gesellschaftsordnung, und die wird auch hier im Hohen Haus zu diskutieren sein.
Ich bedanke mich bei der Frau Bundesministerin, beim Herrn Bundesminister, aber auch bei den Kolleginnen und Kollegen, die in den Ausschüssen teilweise über ihren Schatten springen mussten. Ganz großartig, weil hier natürlich auch sehr viel persönliche Betroffenheit dabei ist.
Vor allem möchte ich mich aber bei den Bürgerinnen und Bürgern bedanken, die uns, wie schon gesagt wurde, angerufen haben, Mails geschickt haben und auch ihre Bedenken geäußert haben. Wir haben versucht, das nicht nur ernst zu nehmen, sondern auch in den Entschließungsantrag und den Änderungsantrag miteinzubringen. Dafür danke ich allen Bürgerinnen und Bürgern ganz, ganz herzlich. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie der Abg. Glawischnig-Piesczek.)
13.53
Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Ehmann zu Wort. – Bitte.
13.53
Abgeordneter Michael Ehmann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Werte KollegInnen! Hohes Haus! Mit der heutigen Gesetzesvorlage wird aus unserer Sicht die Diskriminierung von Frauen, aber vor allem auch von gleichgeschlechtlichen Paaren beseitigt. Mit dem Gesetz wird nämlich sichergestellt, dass nicht nur die Samenspende, sondern auch die Eizellenspende möglich wird.
Ich möchte nochmals verstärkt darauf hinweisen, dass es dabei uns und keinem hier um Geschäftemacherei geht, sondern um die berechtigte Erfüllung des Kinderwunsches auch von gleichgeschlechtlichen Paaren. Durch das Vermittlungs- und Kommerzialisierungsverbot verhindert man weiterhin die Leihmutterschaft, die selbstverständlich verboten bleibt, denn die Eizellen einer dritten Frau dürfen nur verwendet werden, wenn die Empfängerin nicht fortpflanzungsfähig ist.
Die Leihmutterschaft bleibt also verboten. Damit wird auch verhindert, dass Agenturen wie beispielsweise in den USA oder auch im verbilligten Indien die Leihmutterschaft gar zu einem Wirtschaftszweig auf dem Rücken der Betroffenen machen.
Es geht aber auch darum, den potenziellen Kinderwunsch für Betroffene eben zu ermöglichen beziehungsweise die bisher bestehende Diskriminierung zu beseitigen. Ich denke, das wird mit dieser Gesetzesvorlage erreicht.
Oftmals wurde heute schon das Kindeswohl angesprochen. Paaren, die sich zur Verantwortung, lebenslang ein Kind zu begleiten, entschieden haben, wird das Kindeswohl wohl nicht wirklich egal sein – da sind wir uns, glaube ich, einig.
Zu den populistischen Argumenten, die da teilweise von Oppositionsparteien kommen, vor allem von der FPÖ, vom Herrn Kickl, dem die Debatte so wichtig ist, dass er sie fast zur Gänze versäumt, möchte ich nur zwei Sachen sagen: Entweder ist es ihm darum gegangen, rein konservative Kräfte zu provozieren, oder er hat die Trennung von Staat und Religion noch nicht ganz verstanden. Hier im Parlament, am Rednerpult der-
artig die Schöpfung zu strapazieren, das musste wohl nicht sein. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen. – Abg. Walter Rosenkranz: Schade, dass der Herr Jarolim nicht da ist! Er hätte seine Bemerkung gemacht: Schwache Rede! Der Herr Jarolim fehlt mir bei so was!)
13.56
Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Dr. Huainigg zu Wort. – Bitte.
13.56
Abgeordneter Dr. Franz-Joseph Huainigg (ÖVP): Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Minister! Hohes Haus! Ich möchte zu Beginn nur eine kleine Frage stellen: Wer von Ihnen allen ist perfekt? Sind Sie perfekt, Herr Klubobmann Schieder, oder Sie, Herr Klubobmann Strolz, oder Sie, Frau Ministerin Oberhauser? Vielleicht machen wir kurz eine Probe aufs Exempel. Wer perfekt ist, möge bitte die Hand heben. (Niemand hebt die Hand. – Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und FPÖ.) – Sie lachen. Wenn man behindert ist, kann man in seiner Unperfektheit perfekt sein.
Im Zusammenhang mit der Präimplantationsdiagnostik, dem Selektionsverfahren zwischen wertem und nicht wertem Leben stellt sich die Frage: Welches Baby ist perfekt? Ich habe viele behinderte Freunde, die, wenn es das Verfahren schon früher gegeben hätte, nicht auf der Welt wären, da sie in den Augen der Ärzte nicht als perfekt gegolten hätten. Auch in Zukunft, wenn das Selektionsverfahren weitergeht, stellt sich die Frage, ob nicht auch das Risiko im Zusammenhang mit Krebs, Brustkrebs oder anderen Krankheiten zu einem Selektionsverfahren führt.
Frau Ministerin! In der „Presse“ haben Sie eine Aussage gemacht, die mich sehr zum Nachdenken veranlasst hat. Sie haben gesagt: „Aber ein perfektes Baby abzutreiben ist verboten. Das ist ein Verbrechen.“ – Natürlich gebe ich Ihnen recht, ein Kind nach dem anderen abzutreiben, bis das perfekte Kind auf die Welt kommt, ist ein Verbrechen. Aber wer sagt, dass die Kinder vorher nicht auch schon perfekt waren? Ist nicht auch ein behindertes Kind ein perfektes Kind? – Für mich: Ja.
Wie die Befürworter sagen, ist die Präimplantationsdiagnostik besser als eine späte Selektion durch Spätabtreibungen. Und was bei den Spätabtreibungen geschieht, ist wirklich unerträglich. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von FPÖ und NEOS.) Es wird schon bei Verdacht auf eine schwere Behinderung bis zur Geburt abgetrieben – das betrifft nicht die Fristenregelung, das geht über sie hinaus. Ab der 22. Lebenswoche ist ein Baby außerhalb des Mutterleibes überlebensfähig. Und was wird gemacht? Die Ärzte töten das Kind im Mutterleib durch einen Herzstich, durch eine Kaliumchlorid-Spritze. Das ist in Österreich legitimiert und das ist auch ein Verbrechen. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Hofer und Vavrik. – Ruf bei den Grünen: Das ist kein Verbrechen!)
Frau Ministerin Oberhauser, ich appelliere an Sie, dass wir in den nächsten Monaten darüber diskutieren, wie man dieses Unrecht beseitigen kann. In Deutschland wurde die PID eingeführt und die eugenische Indikation gestrichen. Es gibt eine Bedenkzeit zwischen Diagnose und Abtreibung.
Das Fortpflanzungsmedizingesetz wirft wichtige gesellschaftspolitische Fragestellungen auf, weswegen ich dankbar bin, dass wir diese im Klub ordentlich und ausreichend – teilweise heftig – diskutiert haben. Danke dafür an Herrn Klubobmann Lopatka. Das sind Fragen, die die Sichtweisen des Lebens und wichtige gesellschaftspolitische Fragestellungen berühren, wie die Verantwortung gegenüber der nächsten Generation. Wir dürfen bei diesen Fragestellungen nicht nur die Selbstverwirklichung von Erwachsenen im Auge haben, sondern vor allem das Wohl des Kindes. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie bei Abgeordneten von Grünen und NEOS.)
Meine Damen und Herren, für mich ist die Menschenwürde – die unantastbar ist – der Gradmesser der Politik und aus meiner Sicht gilt sie auch für Menschen, die scheinbar nicht perfekt sind. Diesen fühle ich mich verpflichtet, weswegen ich diesem Gesetz persönlich nicht zustimmen kann. Aber streichen wir die eugenische Indikation und schreiben wir die Menschenwürde in die Verfassung! – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie bei Abgeordneten von NEOS und Team Stronach.)
14.04
Präsident Karlheinz Kopf: Nun gelangt Frau Bundesministerin Dr. Oberhauser zu Wort. – Bitte, Frau Bundesministerin.
14.05
Bundesministerin für Gesundheit Dr. Sabine Oberhauser, MAS: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe BesucherInnen und ZuhörerInnen auf der Galerie und vor den Fernsehgeräten! Lassen Sie mich vorweg sagen, dass ich tiefen Respekt vor den Ansichten, die Abgeordneter Huainigg als Vertreter der Behinderten und als Behinderter selbst hier in seiner Rede geäußert hat, habe. (Beifall bei SPÖ, ÖVP, NEOS und bei Abgeordneten des Teams Stronach.)
Allerdings ist die Frage nicht, ob perfekt oder nicht perfekt, sondern ob schwerwiegend behindert, lebensbedrohlich krank, nicht gesund und gesund beziehungsweise etwas dazwischen. Diese Frage haben wir uns bei der Zulassung der Präimplantationsdiagnostik zu stellen.
Es geht auch nicht um die Frage, was jede Schwangere, die auf natürliche Weise schwanger geworden ist, heute schon machen kann, nämlich sich im Rahmen einer Fruchtwasseruntersuchung darüber zu informieren, ob ihr Kind gesund oder nicht gesund ist beziehungsweise ob ihr Kind gesund oder nicht gesund geboren wird, und sich dann zu entscheiden: Schaffe ich das? Schafft das meine Familie? Möchte ich das? Es geht auch nicht darum, dass man ein Kind in vitro zeugt, das heißt im Reagenzglas eine Eizelle und eine Samenzelle vereinigt, und dann fragt: Möchte ich dieses Kind? Schaffe ich das? Kann ich das? Und ist dieses Kind schwerwiegend krank?
Bei einem Schwangerschaftsabbruch kann ich mich – was ich für gut halte – jederzeit als Frau entscheiden, ob ich die Schwangerschaft möchte oder nicht.
Bei einer Präimplantationsdiagnostik – wir rechnen mit zirka 30 Fällen im Jahr – können wir mittels der schwerwiegenden Einschränkungen, die im Gesetz stehen und die von vielen erläutert wurden, entscheiden: Macht man eine Präimplantationsdiagnostik? Lässt man diese überhaupt zu? – Es stimmt deshalb nicht, dass das, was wir hier schaffen, zu einer Unterscheidung zwischen wertem und unwertem Leben, wie einige gesagt haben, oder zwischen perfekt und nicht perfekt führt. Wir gestatten in sehr eingeschränkten Fällen Frauen, keine Schwangerschaft auf Probe einzugehen.
Ein betroffener Vater hat das bei einer Fernsehdiskussion mir gegenüber geäußert, weswegen ich ein Beispiel bringen möchte, was das überhaupt heißt: Es geht um ein Elternpaar; der Vater weiß, dass er Träger einer Erberkrankung ist. Er weiß das, weil sein erstes Kind mit einer schwerwiegenden, dauerhaften und für das Kind sehr schmerzhaften Erkrankung zur Welt gekommen ist. Dieser Vater hatte in Österreich nicht die Möglichkeit zu sagen, ja, ich möchte ein zweites Kind. Bekommt meine Frau es auf natürlichem Weg, muss ich damit rechnen, dass ich meine Krankheit weitergebe und wieder wirklich schweres Leid verursache.
Dieses Paar war gezwungen, ins Ausland zu gehen und dort eine künstliche Befruchtung mit einer Präimplantationsdiagnostik zu machen. Er ist jetzt Vater eines zweiten, gesunden Kindes. Was ist daran verwerflich, diesem Vater die Möglichkeit zu geben, zu sagen, ich möchte ein zweites Kind, ich möchte ihm Leid und Qual ersparen und ich kann das hier in Österreich unter sehr, sehr strengen Regeln machen?
Deswegen freue ich mich – ich glaube, die Abgeordnete Musiol war die Erste, die gesagt hat, sie freue sich sehr –, dass wir dieses Gesetz heute hier verabschieden. Ich freue mich sehr, weil wir dann nicht mehr sagen: nicht bei uns in Österreich, geht woanders hin; sondern dass wir das in Österreich unter sehr, sehr strengen Kriterien bei weiterhin verbotener Präimplantationsdiagnostik zulassen, also nur in einigen sehr schwerwiegenden Fällen mit einem strengen Reglement.
Der zweite Grund, warum ich mich sehr freue, ist, dass Frauen in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften, wie dasjenige Pärchen, das dieses Gesetz zu Fall gebracht hat – das ich aus einer Fernsehdiskussion kenne und auch oben auf der Galerie sehe –, hier in Österreich ganz legal eine Samenspende empfangen können. Und zu den vielen, die vom Kindeswohl reden: Bitte, was, wenn ich ein Kind mittels einer Samenspende bekommen möchte, kann es Besseres geben, als dass eindeutig registriert ist, von wem das Kind stammt, und dass dieses Kind später einmal das Anrecht hat zu erfahren, wer sein Vater ist?!
Was war bis jetzt? – Verantwortungsvolle Paare, die sich eine Samenspende entweder im Ausland oder bei Freunden besorgt haben, haben natürlich ihre Kinder darüber aufgeklärt, wer ihr Vater ist und wie sie zustande gekommen sind. Wenn das aber nicht so wäre, dann hätte dieses Kind nicht einmal die Chance, jemals – über ein Register oder irgendetwas – zu erfahren, wer sein Vater ist und woher es kommt. In Österreich wird das auf eine sehr, sehr gute Art und Weise geregelt. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie des Abg. Pock.)
Die ZuseherInnen an den Bildschirmen waren bei der Diskussion, die im Gesundheitsausschluss geführt wurde, ja nicht dabei. Das war eine fast fünf Stunden andauernde Diskussion, die auf einem sehr, sehr guten, sehr kontroversen Niveau geführt wurde. Einerseits wurde sehr lange im Gesundheitsausschuss darüber diskutiert, andererseits wurde – bereits vor meiner politischen Tätigkeit in diesem Haus – seit 2004 in der Bioethikommission immer wieder die Frage gestellt: Wie, bitte, passt man das Fortpflanzungsmedizingesetz in Österreich den internationalen Standards an? – Es ist uns jetzt gelungen.
Ich bedanke mich bei allen Fraktionen sehr herzlich für die sehr klare Diskussion – auch für jene im Gesundheitsausschuss. Ich bedanke mich beim Koalitionspartner. Es ist mir bewusst, dass dieses Thema nicht einfach zu diskutieren war, dass viele Gespräche geführt wurden und dass die Diskussion sehr kontroversiell gelaufen ist. Ich bedanke mich bei den Grünen und ich bedanke mich bei den NEOS für den wirklich sehr konstruktiven Dialog und auch für die Fragen: Wie kann man dieses Gesetz noch verbessern, wie kann man noch weitermachen?
Dies ist wahrscheinlich nicht das Ende, sondern ein Prozess, der uns wohl für die nächsten Jahre, Jahrzehnte begleiten wird. Ich hoffe, dass dieser Prozess weiterhin in so guter gemeinsamer Art und Weise verläuft, zum Wohle der in Österreich lebenden Menschen und der hoffentlich gesunden Kinder oder nicht perfekten Kinder oder perfekten Kinder – denn für Eltern sind Kinder immer perfekt –, die auf diese Welt kommen werden. Ich hoffe, dass dieses Gesetz ordentlich genützt wird. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ, Grünen und NEOS sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)
14.11
Präsident Karlheinz Kopf: Nun gelangt Frau Abgeordnete Durchschlag zu Wort. – Bitte.
14.12
Abgeordnete Claudia Durchschlag (ÖVP): Herr Präsident! Frau Ministerin Oberhauser! Herr Minister Brandstetter! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie bereits von Frau Ministerin Oberhauser angesprochen, haben wir alle uns die Entscheidung nicht leichtgemacht. Es war ein langes Ringen zwi-
schen den ethischen Wertvorstellungen jedes Einzelnen, zwischen den vorhandenen berechtigten Wünschen und natürlich den auf der anderen Seite auch berechtigten Ängsten.
Schlussendlich ist es aber ein Gesetz geworden, dem zumindest ich persönlich aus verschiedensten Gründen und mit gutem Gewissen zustimmen kann. Es waren drei Themenbereiche, die in den hunderten Mails, die wir bekommen haben, immer wieder zur Sprache gekommen sind.
Zum ersten Themenbereich: Im Rahmen der PID war dies auf der einen Seite die Gefahr der Selektion und auf der anderen Seite – und das ist heute auch schon angesprochen worden – die befürchtete Gefahr des Designerbabys.
Durch die sehr starke Einschränkung der PID und durch das durchgängige Prinzip der Subsidiarität kann man, glaube ich, das Designerbaby – also: ich wünsche mir ein sportliches Kind, brünett und grünäugig – auf jeden Fall ausschließen. Was die Selektion betrifft, ist diese natürlich nicht wünschenswert, und es gibt ganz, ganz wenige Fälle, in denen sie hingenommen wird.
Ich habe 25 Jahre als Bobath-Therapeutin mit zum Teil schwerstbehinderten Kindern gearbeitet. Ich hatte auch eine Familie mit zwei schwerstbehinderten Kindern in Betreuung – genetisch schwer behinderten Kindern –, und beide Kinder sind vor dem 18. Lebensjahr gestorben. Ich möchte denjenigen unter Ihnen sehen, der so einer Familie dann sagt: Es gibt zwar die Möglichkeit, in einem Achtzellstadium festzustellen, ob bei einer zweiten Schwangerschaft dieses zweite Kind auch diese schwere Behinderung bekommen würde, aber es tut mir herzlich leid, das habe ich nicht verantworten können, das geht bei uns leider nicht, fahren Sie ins Ausland.
Also wer von Ihnen könnte das!? – Ich könnte es guten Gewissens nicht tun. Ich fände das zynisch. Daher finde ich die Art und Weise, wie wir die PID regeln, sehr, sehr gut. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)
Zum zweiten Themenbereich: Das war die Eizellenspende. Auch in der ÖVP hatten wir immer ein Problem damit, wenn es um die Frage geht: Beutet man den Körper der Frau aus? – Ich glaube, dass dies durch dieses ganz, ganz starke Kommerzialisierungs- und Werbeverbot sehr gut verhindert wird. Frau Kollegin Schittenhelm hat darauf hingewiesen, dass es schon sehr viele Frauen gibt, die das in Anspruch nehmen, die das beispielsweise in Tschechien in Anspruch nehmen, dort allerdings dann mit anonymen Eizellenspenden.
Auch wenn im Ausschuss das Argument gebracht worden ist, dass es eine Untersuchung gibt, wonach viele Frauen oder Eltern es ihren Kindern nicht sagen, woher sie kommen: Wenn ich eine anonyme Eizellenspende empfangen hätte und dem Kind dann sagen muss, ja, es tut mir leid, ich weiß nicht, ob deine Mutter eine Hochschulprofessorin ist oder vielleicht auch eine Kleinkriminelle, ich kann es dir nicht sagen, dann würde ich es, ehrlich gesagt, meinem Kind auch nicht sagen
Zum dritten Themenbereich: Das ist die künstliche Befruchtung. Diese ist zum Teil vom VfGH vorgegeben. Es wird dabei immer das Argument des Anschlags auf die klassische Familie vorgebracht. Das sehe ich nicht so.
Für mich ist das schlicht und einfach eine Erweiterung der Familie. In keinem Gesetz steht, dass ich als heterosexuelle Frau und Mutter von zwei Kindern meine Geschlechtlichkeit ändern müsste oder dass das nur den homosexuellen Paaren zur Verfügung steht. Ich sehe das als Erweiterung und daher kann ich – auch gestützt auf sehr viele Diskussionen, die ich mit den ÖVP-Frauen in Oberösterreich geführt habe – sagen: Ich kann diesem Gesetz aus gutem Grunde und mit gutem Gewissen zustimmen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)
14.15
Präsident Karlheinz Kopf: Nun gelangt Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Strasser zu Wort. – Bitte.
14.15
Abgeordneter Dipl.-Ing. Georg Strasser (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Geschätzte Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Die Naturwissenschaften und ihre Anwendungen sind in ständiger Weiterentwicklung. Die Technik und die Medizin geben uns immer wieder neue Werkzeuge in die Hand, die man zum Wohle der Menschen nutzen oder die man auch bewusst ganz einfach ablehnen kann.
Die Fortpflanzungsmedizin ist in diesem Zusammenhang ein ganz besonders sensibler Bereich, weil hier Schicksale von Menschen, Schicksale von Familien mit großen ethischen Fragestellungen zusammentreffen. Ich bin froh über die intensive Diskussion der letzten Wochen, denn dadurch ist es uns gelungen, viele Aspekte noch genau zu betrachten und in den Gesetzestext einzuarbeiten.
Die Kommerzialisierung und der Missbrauch werden unter Strafe gestellt. Die PID ist grundsätzlich verboten und nur unter strengen Rahmenbedingungen möglich. In diesem Gesetz steht der Mensch im Mittelpunkt, ein Umstand, der bei der Fristenregelung und bei der eugenischen Indikation, bei den Spätabtreibungen – so wie es Kollege Huainigg angeführt hat – nicht gegeben ist.
Darum fordere ich, dass man auch diese Diskussionen weiterführt, wenn es um psychologische Betreuung und Beratung und Kinderrechte geht, wenn es um eine Bedenkzeit zwischen Beratung und Eingriff bei der Fristenregelung geht, wenn es um statistisches Material geht, das der Ursachenforschung dient und wenn begleitende Maßnahmen notwendig sind – genauso wie es im neuen Fortpflanzungsmedizingesetz der Fall ist, damit man zu praxistauglichen Lösungen kommt.
Zum Schluss – weil Herr Kollege Kickl wieder da ist und sich heute sehr kirchennah gegeben hat – ein kurzes Zitat aus dem „Standard“ vom 22. Mai 2009, womit er Kardinal Schönborn als Reaktion auf dessen Predigt im Stephansdom etwas ausrichtet (Abg. Kickl: Ja glauben Sie, der hat immer recht?!): Bewusste Vernaderungskampagne gegen die FPÖ von Verdrehern und Unterstellern, die keine ehrliche Debatte über die Frage einer Leitkultur und die Zukunft Europas wollen. – Zitatende.
Herr Kollege Kickl, ich verstehe den Zwischenruf unseres Klubobmannes Lopatka. Nehmen Sie sich das zu Herzen! – Danke schön und alles Gute. (Beifall bei der ÖVP.)
14.18
Präsident Karlheinz Kopf: Die vorläufig letzte Wortmeldung zu diesem Tagesordnungspunkt kommt von Frau Abgeordneter Rosenkranz. – Bitte. (Rufe und Gegenrufe zwischen ÖVP und FPÖ. – Abg. Kickl: Aber der hat ja nicht immer unrecht!)
14.18
Abgeordnete Barbara Rosenkranz (FPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! (Abg. Kickl: Der hat ja nicht immer recht, der Kardinal!) Es ist in den Zwischenrufen oder in der Diskussion der Abgeordneten schon herausgekommen, nicht jeder Kardinal hat immer recht, wenn Sie sich also darum kümmern ... (Abg. Wöginger: Da schau her! – Abg. Lopatka: Ja, ja!) – Wenn Sie sich darum kümmern, was die vatikanische Linie in diesen Fragen ist, dann ist es eine ganz andere Linie, und da sind Sie jetzt sicher nicht im Recht, aber Ihnen ist das ja schon mehrmals egal gewesen, wie man im Weiteren sagen kann. (Abg. Strache: Jeder ist fehlbar! – Abg. Lopatka: Sie haben auch den Vatikan schon entdeckt?!)
An dieser Debatte scheiden sich die Geister, und sie scheiden sich zu Recht, denn es ist eine bedeutende Frage. Es gibt hier einen Teil, und dieser wird, dank der ÖVP –
und das muss man ganz, ganz deutlich hervorheben –, leider die Mehrheit sein, der das Recht auf ein Kind in den Mittelpunkt stellt, und es gibt die FPÖ, die sagt, dass das Recht auf ein Kind vernünftigerweise nicht begründet werden kann. Im Gegenteil: Die FPÖ ist der Ansicht, dass dieses Recht auf ein Kind auch in Widerspruch zum Recht des Kindes geraten kann. (Beifall bei FPÖ und Team Stronach.)
Sie, die Sie dieses Recht auf ein Kind so fokussiert haben, meinen damit das Recht eines Individuums, einer Person, die sich diesen Kinderwunsch unbedingt erfüllen will. Herr Minister Brandstetter! Sie haben so begütigend darüber gesprochen, dass es darum geht, einen Kinderwunsch zu ermöglichen und Familie zu erleichtern. – Das ist ja überhaupt nicht der Punkt.
Es geht um etwas anderes, und die Abgeordneten aus Ihrer Fraktion und auch von den Grünen haben Sie ja deutlich Lügen gestraft, wenn ich das so sagen darf, indem sie gesagt haben, dieses Gesetz sei ein großer Fortschritt auf dem Weg zur Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften. – Darum geht es, nicht um das Recht, Kinder zu haben, oder darum, die Familie zu stärken. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wir anderen sehen den Menschen nicht nur als Individuum, sondern wir sehen den Menschen auch in einem größeren Zusammenhang.
Das, Herr Lopatka, kann man als Christ natürlich machen, indem man sich als Teil der Schöpfung sieht; das kann man aber auch naturwissenschaftlich begründen, wenn Sie mir das gestatten. Der Mensch steht nicht der Natur gegenüber, sondern er ist ein Teil von ihr. Und Lebensrealitäten beziehungsweise Realitäten zu erkennen, Frau Abgeordnete Musiol, heißt wohl vor allem, zu erkennen, unter welchen Bedingungen wir alle leben, als Teil der Natur, und aus diesen Bedingungen – sagen wir Naturgesetze dazu – die Regeln für das soziale Zusammenleben und für unsere Gesetzeswerke abzuleiten. (Abg. Musiol: Ihr Naturgesetz ist anscheinend ein anderes !) Das ist aber nicht unbedingt Ihr Motto.
Ich sage nur eines: Realitäten suchen und erkennen wir; Sie leben in Utopien. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten des Teams Stronach.) Vor Kurzem bin ich wieder auf ein Zitat gestoßen, aus einer Zeit, als die Linke noch jung war und frei von der Leber weg gesprochen hat – vor Kurzem ist es wieder im Spiegel aufgetaucht –, und da habe ich mir gedacht: So hybrid, so überheblich muss man sein.
„Feministinnen“ – diese sind jetzt durch die Lobby der Gleichgeschlechtlichen natürlich sehr gestärkt worden – „müssen nicht nur die gesamte westliche Kultur in Frage stellen, sondern die Kultur selbst, mehr noch: sogar die Natur“, so Shulamith Firestone in ihrem Werk „Frauenbefreiung und sexuelle Revolution“.
Auf diesem Weg, meine sehr geehrten Damen und Herren, vor allem von der ÖVP – hören Sie zu! –, kommen sie ganz gut voran, aber er ist nicht zwangsläufig. Manche von Ihnen werden heute die „Presse“ gelesen haben. Da wird ein Beispiel aus der Slowakei gebracht – schade, dass die bürgerliche Vernunft an unseren Grenzen irgendwie versickern muss, das ist sehr eigenartig –, in dem gezeigt wird, dass dieser Weg nicht zwangsläufig ist.
Mit der ausdrücklichen Nennung des warnenden Beispiels Österreich hat sich in der Slowakei eine Initiative zum Schutz der Familie gegründet – Sie haben es gelesen, ich sehe es Ihnen an, ich sehe es an Ihrer Miene, aber Sie sollten es sich noch einmal anhören –, die von der Bischofskonferenz unterstützt wird, die präventiv tätig ist, damit das, was in Österreich jetzt passiert ist, dort nicht passieren kann, die Familie nicht durch Gerichtshöfe gezwungen werden kann, sich in eine Richtung zu entwickeln, die die konservativen Slowaken und auch die Kirche in der Slowakei nicht wollen.
Und jetzt sagen Sie mir nicht, Sie haben das nicht verstanden und nicht kapiert, denn ich war 2002 das erste Mal in diesem Hohen Haus, und damals haben wir das schon besprochen. Zu dem Zeitpunkt, zu dem Sie die Gleichstellung gleichgeschlechtlicher
Partnerschaften eingemahnt haben, gab es in Straßburg bereits das Urteil, das ganz klar und zwangsläufig – in diesem Fall schon – dazu führen musste: wenn Gleichstellung, dann völlige Gleichstellung.
Heucheln Sie nicht! Sie müssen es gewusst haben, wir haben es hier diskutiert. Und ich meine, Sie haben es ja auch gewusst, aber es ist eine Taktik, eine Taktik, die man immer wieder beobachtet. (Abg. Glawischnig-Piesczek: Was haben Sie gegen Gleichstellung?) – Gleichstellung von Gleichen, und nicht Gleichstellung von Ungleichen, das ist ja wohl klar! (Beifall bei der FPÖ, bei Abgeordneten des Teams Stronach sowie des Abg. Vavrik.)
Es ist eine Taktik. Bei Angelegenheiten, von denen Sie glauben (Zwischenruf des Abg. Schieder), dass Sie der Wählerschaft etwas nicht wirklich zumuten können, wo Sie nicht genau wissen, ob alle Ihre Abgeordneten mitmachen – darüber muss man sich wahrscheinlich weniger Sorgen machen –, wo es für Ihre Abgeordneten jedenfalls schwierig ist, das daheim im Wahlkreis, in einer konservativen Landgemeinde, in einer Bauernfamilie zu vertreten, da machen Sie es sich ganz einfach. Da bestellen Sie es sich quasi beim Gerichtshof, haben aber vorher schon durch die Legalisierung der Partnerschaften die Weichen in diese Richtung gestellt (Abg. Lopatka: gar nichts beim Gerichtshof! – Abg. Strache: Weichen gestellt!); dann kommt das Urteil, und dann machen Sie das. (Beifall bei der FPÖ, bei Abgeordneten des Teams Stronach sowie des Abg. Vavrik.)
Das hat für Sie natürlich Vorteile, aber, Herr Klubobmann, es ist extrem unehrlich (Zwischenruf des Abg. Lopatka) und es ist auch nicht demokratisch, denn diese Vermischung der legislativen Kompetenzen und ihre Übertragung auf Gerichtshöfe erschüttert natürlich auch den Rechtsstaat mit dem Grundprinzip der Gewaltentrennung aufs Äußerste. Das ist Ihnen alles egal, wenn Sie Ihre Ziele durchsetzen können. (Zwischenruf bei der ÖVP.) – Das ist nur wahr, das ist jetzt nur wahr. Sie haben die Weichen gestellt, dass der Erste, der klagt, recht bekommen muss.
Dass Sie heute hier stehen und dieses Gesetz, das Sie hier im Parlament nicht ehrlich abstimmen wollten, so durch die Hintertür durchbringen wollen, das ist ganz genau die Wahrheit. (Zwischenruf des Abg. Lopatka.) Ich hebe das noch einmal hervor, gut, dass Sie mir das Stichwort gegeben haben.
An diesem Gesetz scheiden sich die Geister, denn es ist ein Gesetz, das darüber Auskunft gibt, wie man zum Leben überhaupt steht, was man über seine Machbarkeit, seine Manipulierbarkeit und seine Verfügbarkeit denkt. Und Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren von der ÖVP, werden diesem Gesetz hier zu einer Mehrheit verhelfen. Sie sind es, und Sie sitzen da mit Sicherheit im falschen Boot. (Beifall bei der FPÖ, bei Abgeordneten des Teams Stronach sowie des Abg. Vavrik.)
14.25
Präsident Karlheinz Kopf: Es ist dazu niemand mehr zu Wort gemeldet.
Die Debatte ist geschlossen.
Ich erkenne keinen Wunsch des Berichterstatters auf ein Schlusswort.
Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 445 der Beilagen.
Hiezu liegen ein Abänderungsantrag der Abgeordneten Mag. Meinl-Reisinger, Kolleginnen und Kollegen sowie ein Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag der Abgeordneten Spindelberger, Dr. Rasinger, Dr. Mückstein, Kolleginnen und Kollegen vor.
Ich werde daher zunächst über die von den erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abänderungsanträgen betroffenen Teile – der Systematik des Gesetzentwurfes folgend – und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.
Die Abgeordneten Mag. Meinl-Reisinger, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag betreffend Art. 1 Z 3 § 2 eingebracht.
Wer hiefür ist, der gebe bitte ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.
Die Abgeordneten Spindelberger, Dr. Rasinger, Dr. Mückstein, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag betreffend Art. 1 Z 3 § 2a, Art. 1 Z 6 und Z 9 sowie Art. 2 und 3 eingebracht.
Wer dem seine Zustimmung erteilt, den bitte ich um ein bejahendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und somit angenommen.
Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungsvorlage.
Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen. – Das ist wiederum mit Mehrheit angenommen.
Wir kommen nun zur dritten Lesung.
Es ist namentliche Abstimmung verlangt worden. Da dieses Verlangen von 20 Abgeordneten gestellt wurde, ist eine namentliche Abstimmung durchzuführen.
Die Stimmzettel, die zu benützen sind, befinden sich in den Laden der Abgeordnetenpulte und tragen den Namen der Abgeordneten sowie die Bezeichnung „Ja“ – das sind die grauen Stimmzettel –, beziehungsweise „Nein“ – das sind die rosafarbenen. Für die Abstimmung können ausschließlich diese amtlichen Stimmzettel verwendet werden.
Gemäß der Geschäftsordnung werden die Abgeordneten namentlich aufgerufen, den Stimmzettel in die bereitgestellte Urne zu werfen. Ich ersuche jene Abgeordneten, die dem vorliegenden Gesetzentwurf in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, „Ja“-Stimmzettel, jene, die dem nicht ihre Zustimmung erteilen wollen, „Nein“-Stimmzettel in die Urne zu werfen.
Ich mache noch einmal darauf aufmerksam, dass Sie bitte darauf achten, nur einen Stimmzettel einzuwerfen; diese kleben manchmal aneinander.
Ich bitte nunmehr die Schriftführerin, Frau Abgeordnete Musiol, mit dem Namensaufruf zu beginnen; Herr Abgeordneter Gahr wird sie später dabei ablösen.
*****
(Über Namensaufruf durch die Schriftführerin Musiol beziehungsweise den Schriftführer Gahr werfen die Abgeordneten ihren Stimmzettel in die Wahlurne.)
*****
Präsident Karlheinz Kopf: Die Stimmabgabe ist beendet. Die damit beauftragten Bediensteten des Hauses werden nun unter Aufsicht der Schriftführer die Stimmenzählung vornehmen.
Ich unterbreche zu diesem Zweck die Sitzung für einige Minuten.
*****
(Die zuständigen Bediensteten nehmen die Stimmenzählung vor. – Die Sitzung wird um 14.32 Uhr unterbrochen und um 14.37 Uhr wieder aufgenommen.)
*****
Präsident Karlheinz Kopf: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und gebe das Abstimmungsergebnis bekannt.
Abgegebene Stimmen: 161; davon „Ja“-Stimmen: 113, „Nein“-Stimmen: 48.
Der vorliegende Gesetzentwurf ist somit in dritter Lesung angenommen.
Gemäß § 66 Abs. 8 der Geschäftsordnung werden die Namen der Abgeordneten unter Angabe Ihres Abstimmungsverhaltens in das Stenographische Protokoll aufgenommen.
Mit „Ja“ stimmten die Abgeordneten:
Alm, Amon, Antoni, Aslan, Aubauer, Auer;
Bacher Walter, Bayr, Becher Ruth, Berlakovich, Brosz, Brunner, Buchmayr;
Cap;
Darabos, Diesner-Wais, Durchschlag;
Ecker, Ehmann, Eßl;
Feichtinger Klaus Uwe, Fekter, Fichtinger Angela;
Gahr, Gessl-Ranftl, Glawischnig-Piesczek, Greiner Karin, Grillitsch, Groiß, Grossmann, Gusenbauer-Jäger;
Hable, Hakel Elisabeth, Hammer Michael, Hanger Andreas, Haubner, Hechtl, Heinzl, Hell, Himmelbauer, Hofinger Manfred, Holzinger;
Jank, Jarolim;
Karl, Katzian, Knes, Köchl, Kogler, Königsberger-Ludwig, Kopf, Krainer Kai Jan, Krist, Kucharowits, Kuntzl, Kuzdas;
Lettenbichler, Lichtenecker, Loacker, Lopatka, Lueger Angela;
Matznetter, Maurer, Mayer, Meinl-Reisinger, Muchitsch, Mückstein, Musiol, Muttonen;
Obernosterer, Ofenauer, Ottenschläger;
Pendl, Plessl, Pock, Preiner, Prinz;
Rädler, Rasinger, Rauch Johannes, Rossmann;
Schellhorn, Scherak, Schieder, Schittenhelm, Schmid Julian, Schmuckenschlager, Schönegger, Schopf, Schultes, Schwentner, Sieber Norbert, Singer Johann, Spindelberger, Steinacker, Steinhauser, Strasser, Strolz;
Tamandl, Töchterle, Troch;
Unterrainer;
Vogl;
Walser, Weninger, Willi, Wimmer, Winzig, Wittmann, Wöginger, Wurm Gisela;
Yilmaz;
Zinggl.
Mit „Nein“ stimmten die Abgeordneten:
Angerer;
Belakowitsch-Jenewein;
Darmann, Deimek, Dietrich;
El Habbassi, Ertlschweiger;
Franz, Fuchs;
Gerstl;
Hackl Heinz-Peter, Hafenecker, Haider, Hofer, Huainigg, Hübner;
Jannach;
Kassegger, Kickl, Kitzmüller, Kunasek;
Lausch, Lintl, Lugar Robert;
Mölzer, Mühlberghuber;
Nachbaur Kathrin, Neubauer Werner;
Podgorschek;
Rauch Walter, Riemer, Rosenkranz Barbara, Rosenkranz Walter;
Schellenbacher, Schenk, Schimanek, Schmid Gerhard, Schrangl, Stefan, Steger, Steinbichler, Strache;
Vavrik;
Weigerstorfer, Winter, Wurm Peter;
Zakostelsky, Zanger.
*****
Präsident Karlheinz Kopf: Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Franz, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Definition des Embryo ab dem Zeitpunkt der Befruchtung der Eizelle“.
Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit und somit abgelehnt.
Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Spindelberger, Schittenhelm, Dr. Mückstein, Kolleginnen und Kollegen betreffend vereinfachte Auskunftsmöglichkeiten der Kinder.
Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen. (E 62.)
Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (444 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetz, das MTD-Gesetz und das Medizinische Assistenzberufe-Gesetz geändert werden (451 d.B.)
Präsident Karlheinz Kopf: Wir gelangen nun zum 2. Punkt der Tagesordnung.
Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.
Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Belakowitsch-Jenewein. – Bitte.
14.39
Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein (FPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir kommen zum Gesetz betreffend die Heilmasseure beziehungsweise die medizinischen Masseure. Es ist dies eine Bundesgesetzesmaterie, in der es darum geht, dass die Ausbildung verkürzt wird und die Tä-
tigkeiten und Kompetenzen der Masseure im System ausgeweitet werden. Wir stehen dem sehr kritisch gegenüber und werden das auch ablehnen. Ich werde versuchen, Ihnen das zu erklären.
Wir befinden uns in einer Zeit, in der wir einen massiven Ärztemangel haben. Wir befinden uns auch an einer Schnittstelle, bei der es auf der einen Seite darum geht, die ärztliche Versorgung aufrechtzuerhalten, und auf der anderen Seite darum, die Experimente von Versorgungszentren zu haben. Ich habe das schon mehrmals erwähnt: Viele Überlegungen resultieren aus der Situation, in der wir uns befinden, dass die Aufwertung von Pflegepersonal kommen soll, die Aufwertung auch im Fall der Masseure, und ich glaube, dass es der falsche Weg ist, einem Ärztemangel zu begegnen, indem man andere Gesundheitsberufe immer mehr aufwertet, ihnen immer mehr Aufgaben überträgt. Ich hege wirklich die massive Befürchtung, dass damit die Gesundheitsversorgung schlechter wird, und das ist der Hauptgrund, warum wir gegen dieses Gesetz stimmen werden.
Wir wollen den Hausarzt, bei dem uns seit Jahren versprochen wird, dass er aufgewertet wird, auch wirklich als den aufgewerteten Hausarzt sehen. Wir möchten ihn nicht ins Eck drängen und ihm immer mehr Kompetenzen entziehen, und diese Befürchtung habe ich auch wieder bei diesem Gesetz sehr stark. Das ist der Grund, warum wir diesem Gesetz nicht unsere Zustimmung geben werden. (Beifall bei der FPÖ.)
14.41
Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Hechtl. – Bitte.
14.41
Abgeordneter Johann Hechtl (SPÖ): Herr
Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätz-
te Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich verstehe nicht, Frau Kollegin
Belakowitsch-Jenewein, was dieses Heilmasseurgesetz mit dem
Ärztemangel zu tun hat, aber mit diesen Änderungen im Medizinischer Masseur-
und Heilmasseurgesetz, mit dem Gesetz des medizinisch-technischen Dienstes, mit
dem Medizinischen Assistenzberufe-Gesetz werden meiner Meinung nach
wesentliche Verbesserungen in der Ausbildung
herbeigeführt – noch mehr Praxisorientierung, noch mehr
Qualität in der Ausbildung und vor allem ein erweiterter Zugang bei
der Berufsausübung.
Durch die Einführung der Spezialqualifikation „Basismobilisation“ im Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetz wird dem Ausbildungsinhalt Mobilität und Umgang mit Gehhilfen, gerade bei älteren Personen, wenn sie die Massage genießen, ein wichtiger Stellenwert eingeräumt.
Durch die Verkürzung der Ausbildung, die sich aber nur auf den praktischen Teil bezieht, wird meines Erachtens die Durchlässigkeit der zwei Berufe zueinander klar zum Ausdruck gebracht. Mit den Anrechnungen beziehungsweise der Gleichhaltung der bereits abgelegten Berufsqualifikationen und der Nachweiserbringung – wie zum Beispiel eine absolvierte Ausbildung oder ein erbrachter Qualifikationsnachweis, eine Berechtigung zur Ausübung des physiotherapeutischen Dienstes oder ein gleichwertiger Nachweis über eine medizinisch-technische Ausbildung – wird für die bestehenden Berufstätigkeiten sichergestellt, dass diese weiter auch in diesem Bereich und in der Basismobilisation ausgeübt werden können.
Mit der Möglichkeit des Einsatzes der Ordinationsassistentinnen und Ordinationsassistenten in nicht bettenführenden Stationen oder Organisationseinheiten in den Krankenanstalten, sprich Ambulanzen, wird für die einzelnen Abteilungen sichergestellt, dass für die betreffenden Personen die Berufsmöglichkeiten erweitert werden können.
Geschätzte Damen und Herren! Mit diesen Gesetzesänderungen wird bei der Ausbildung und Ausübung in den betroffenen Gesundheitsberufen die Praxisnähe gestärkt,
für beste Berufsausbildung und Qualität gesorgt, der Einsatzbereich erweitert und auch gewerberechtliche Maßnahmen oder Bestimmungen aktualisiert. Für mich, geschätzte Damen und Herren, ist dieses Gesetz ein qualitativ hochwertiges Gesetz, ein praxis- und zukunftsorientiertes Gesetz, und ich darf Ihnen, Frau Bundesministerin Oberhauser, recht herzlich gratulieren. (Beifall bei der SPÖ.)
14.44
Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Diesner-Wais. – Bitte.
14.44
Abgeordnete Martina Diesner-Wais (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Minister! Werte Damen und Herren! Liebe Kollegin! Ich sehe bei diesem Gesetz auch keine Schmälerung der Aufgaben der Ärzte, denn diese Regierungsvorlage wurde erarbeitet, da die derzeit geltenden Anforderungen nicht mehr der Zeit entsprechen und daher neue Ausbildungssysteme erarbeitet worden sind. Die Praxis hat uns eben gezeigt, dass die Ausbildung vom gewerblichen Masseur zum medizinischen Masseur sehr umfangreich ist, eine lange Dauer hat und berufsbegleitend kaum zu bewältigen ist. Daher sind die Praxisstunden jetzt von 875 auf 580 herabgesetzt worden, und das zeigt uns, dass bereits erlernte Techniken mit dem Fokus auf kranke Menschen vertieft werden.
Wir werden immer älter, das heißt aber nicht, dass wir länger gesund sind. Deshalb ist die Remobilisation ein wichtiger Faktor und auch wichtig für die Menschen, damit sie relativ lange ein eigenständiges Leben führen können. So gibt es auch die Spezialausbildung „Basismobilisation“, bei der eine 80-stündige Zusatzausbildung dazukommt. Mithilfe dieser Basismobilisation werden die Leute in der Mobilität verbessert unterstützt, ihnen werden der Umgang mit Gehhilfen und andere Kenntnisse ihrer Bewegungsabläufe gelehrt. Diese Zusatzqualifikation soll jetzt eben den Heilmasseuren, aber auch den medizinischen Masseuren in einem Dienstverhältnis und auch in freiberuflicher Ausbildung möglich sein. Das ist eine wichtige Anforderung, die wir für die Zukunft haben, denn die Menschen werden immer älter und brauchen in der Mobilisation Unterstützung.
Wie schon angesprochen, wird auch das MTD-Gesetz entrümpelt und vereinfacht. Es ist dann auch möglich, dass der erlernte Beruf in den sieben Sparten in einem Arbeitsverhältnis, aber auch im freiberuflichen Bereich ausgeübt werden kann. Dieses Gesetz ist eine gute Möglichkeit, um die Betroffenen schneller genesen zu lassen und der demografischen Entwicklung Rechnung zu tragen. Daher ist es ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)
14.47
Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Mückstein. – Bitte.
14.47
Abgeordnete Dr. Eva Mückstein (Grüne): Auch wir werden diesem Gesetzespaket zustimmen. Ich kann dieser Kritik ebenfalls nicht folgen. Besonders positiv finde ich die Vereinfachung der Berufsausübungsregelungen im MTD-Gesetz. Wir brauchen eine Vorbereitung für die Primärversorgungszentren, und es ist dann wichtig, dass es keine Einschränkungen bezüglich des Arbeitgebers beziehungsweise des Beschäftigungsverhältnisses gibt, sonst wären diese neuen Konstellationen gar nicht möglich. Auch die Verkürzung der Aufschulung der gewerblichen Masseure zum Heilmasseur finde ich gut, zeitgemäß und notwendig.
Wir haben zwei Anregungen beziehungsweise Veränderungswünsche, nämlich in Bezug auf die Zusatzqualifikation „Basismobilisation“, und denken, dass es sich dabei um
eine Tätigkeit handelt, die sehr klar zur Physiotherapie hin abgegrenzt werden und grundsätzlich auch eher im intramuralen und nicht im freiberuflichen Bereich zur Anwendung kommen sollte.
Ich bringe deshalb folgenden Antrag ein:
Abänderungsantrag
der Abgeordneten Mückstein, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage über ein Bundesgesetz, mit dem das Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetz, das MTD-Gesetz und das Medizinische Assistenzberufe-Gesetz geändert werden soll
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetz, das MTD-Gesetz und das Medizinische Assistenzberufe-Gesetz geändert werden in der Fassung des Berichtes des Gesundheitsausschusses wird wie folgt geändert:
In Artikel 1 Z.6 werden in § 60 Abs. 4 folgende Sätze angefügt:
‚Die Durchführung der Basismobilisation ist auf den intramuralen Bereich beschränkt und erfolgt unter Aufsicht und in Abstimmung mit Angehörigen des physiotherapeutischen Dienstes. Ausgeschlossen ist die Durchführung der Basismobilisation im Rahmen einer freiberuflichen Berufsausübung durch Heilmasseure sowie grundsätzlich im Zusammenhang mit der Betreuung von Patienten mit Beeinträchtigungen der Bewegungskontrolle und -steuerung.‘
In Artikel 1 Z.13 wird in § 70a Abs.4 die Wortfolge ‚der Lehr- und Fachkräfte‘ durch die Wortfolge ‚eines Angehörigen des physiotherapeutischen Dienstes‘ ersetzt.“
*****
Weiters bringe ich folgenden Antrag ein:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Lichtenecker, Mückstein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Harmonisierung der Masseurberufe
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Gesundheit sowie der Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft werden aufgefordert, dem Nationalrat eine Novelle des Medizinischen Masseur- und Heilmasseurgesetzes (MMHmG) sowie eine Novelle der Gewerbeordnung vorzulegen, welche eine Zusammenführung der bestehenden drei Masseurberufe beinhalten.“
*****
Ich begründe das noch kurz: Seit dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die Berufe der medizinischen Masseure und Heilmasseure wird zwischen dem Heilmasseur beziehungsweise dem medizinischen Masseur sowie dem gewerblichen Masseur unterschieden. Die Vielzahl an unterschiedlichen Tätigkeits- und Kompetenzprofilen, die auf Basis dieses Gesetzes und der Gewerbeordnung geschaffen worden sind, haben große Unsicherheit unter den MasseurInnen hervorgerufen und sind zum Teil auch existenzbedrohend.
Dringend notwendig wäre es, das Berufsbild des gewerblichen Masseurs – und das ist eigentlich das wichtigste Argument – an das des medizinischen Masseurs und des Heilmasseurs heranzuführen. Derzeit ist es zum Beispiel nicht möglich, dass gewerbliche Masseure in Deutschland arbeiten können. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)
14.51
Präsident Karlheinz Kopf: Sowohl der von Frau Abgeordneter Mückstein eingebrachte Abänderungsantrag als auch der Entschließungsantrag sind ausreichend unterstützt und stehen daher mit in Verhandlung.
Die beiden Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:
Abänderungsantrag
der Abgeordneten Eva Mückstein, Freundinnen und Freunde zum Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage über ein Bundesgesetz, mit dem das Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetz, das MTD-Gesetz und das Medizinische Assistenzberufe-Gesetz geändert werden
Antrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
Die Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetz, das MTD-Gesetz und das Medizinische Assistenzberufe-Gesetz geändert werden in der Fassung des Berichtes des Gesundheitsausschusses (451 d.B.) wird wie folgt geändert:
In Artikel 1 Z.6 werden in § 60 Abs. 4 folgende Sätze angefügt:
„Die Durchführung der Basismobilisation ist auf den intramuralen Bereich beschränkt und erfolgt unter Aufsicht und in Abstimmung mit Angehörigen des physiotherapeutischen Dienstes. Ausgeschlossen ist die Durchführung der Basismobilisation im Rahmen einer freiberuflichen Berufsausübung durch Heilmasseure sowie grundsätzlich im Zusammenhang mit der Betreuung von Patienten mit Beeinträchtigungen der Bewegungskontrolle und -steuerung.“
In Artikel 1 Z.13 wird in § 70a Abs.4 die Wortfolge „der Lehr- und Fachkräfte“ durch die Wortfolge „eines Angehörigen des physiotherapeutischen Dienstes“ ersetzt.
Begründung
Alle im MAB-Gesetz geregelten Tätigkeiten und Berufe dürfen ausschließlich im Rahmen eines Anstellungsverhältnisses ausgeübt werden und bedürfen zusätzlich einer fachlichen Aufsicht. Dies ist auch bei der Anwendung der Basismobilisation vorzusehen und im Gesetz zu verankern.
Basismobilisation im Zusammenhang mit der Betreuung von PatientInnen mit Beeinträchtigungen der Bewegungskontrolle und -steuerung (z.B. nach Schlaganfällen) muss im Sinne der PatientInnensicherheit und des Berufsschutzes unmissverständlich der Berufsgruppe der PhysiotherapeutInnen vorbehalten bleiben.
*****
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Ruperta Lichtenecker, Eva Mückstein, Freundinnen und Freund
e
betreffend Harmonisierung der Masseurberufe
eingebracht im Zuge der Debatte über ein Bundesgesetz, mit dem das Medizinische Masseur- und Heilmasseurgesetz, das MTD-Gesetz und das Medizinische Assistenzberufe-Gesetz geändert werden
Begründung
Sie Inkrafttreten des „Bundesgesetzes über die Berufe und die Ausbildungen zum Medizinischen Masseur und zum Heilmasseur (MMHmG) am 1. April 2003 muss zwischen dem Heilmasseur bzw. dem Medizinischen Masseur sowie dem gewerblichen Masseur unterschieden werden.
Die Vielzahl an unterschiedlichen Tätigkeits- und Kompetenzprofile, die auf Basis des MMHmG und der Gewerbeordnung geschaffen worden sind, haben große Unsicherheit unter den MasseurInnen hervorgerufen und bedrohen den existenzsichernden Berechtigungsumfang des gesamten Berufsstandes.
Dringend notwendig wäre es, das Berufsbild des gewerblichen Masseurs an das des Medizinischen und des Heilmasseurs heranzuführen. Derzeit ist es z.B. nicht möglich, dass gewerbliche Masseure in Deutschland arbeiten können.
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Gesundheit sowie der Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft werden aufgefordert, dem Nationalrat eine Novelle des Medizinischen Masseur- und Heilmasseurgesetzes (MMHmG) sowie eine Novelle der Gewerbeordnung vorzulegen, welche eine Zusammenführung der bestehenden drei Masseurberufe beinhalten.
*****
Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Loacker. – Bitte.
14.51
Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Die Interessenvertretungen aus dem Bereich der Masseure und Heilmasseure haben sich zu Wort gemeldet, weil sie qualitative Verschlechterungen befürchten, und dafür kann natürlich niemand sein und ist auch niemand. Deswegen wird es darum gehen, darauf zu achten, dass die Qualität der Leistungserbringung gesichert bleibt, wenn wir mehreren Berufsgruppen die Basismobilisation zugänglich machen, und gleichzeitig auch sicherzustellen, dass eine Leistung flächendeckend erbracht werden kann und genug Personen zur Verfügung stehen, die das auch tun können.
Der Qualitätsfrage können wir aber nicht beikommen, indem wir eine Berufsgruppe gegen eine andere ausspielen. Deswegen ist es im Sinne aller, wenn wir auf den Wissenstransfer zwischen den Gesundheitsberufen achten, etwa indem die Physiotherapeuten, deren Tätigkeitsbereich weit über das hinausgeht, was wir heute behandeln können, am Praxispart der Basismobilisationsausbildung mitwirken.
Daher bringen wir folgenden Antrag ein:
Abänderungsantrag
der Abgeordneten Loacker, Kollegin und Kollegen
Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:
„In Artikel I Z 13 wird dem § 70a Abs. 4 folgender Satz angefügt:
‚Dabei ist jedenfalls auch Supervision durch einen Physiotherapeuten sicherzustellen.‘“
*****
In angemessener Zeit wäre eine Evaluierung dieser Regelungen notwendig. Frau Bundesministerin Oberhauser, ich bitte Sie, ein Auge darauf zu haben. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS.)
14.53
Präsident Karlheinz Kopf: Der von Herrn Abgeordnetem Loacker soeben eingebrachte Abänderungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Abänderungsantrag
der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kollegin und Kollegen
zu TOP 2: Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (444 d.B.) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetz, das MTD-Gesetz und das Medizinische Assistenzberufe-Gesetz geändert werden (451 d.B.)
Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:
Der der Regierungsvorlage (444 d.B.) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetz, das MTD-Gesetz und das Medizinische Assistenzberufe-Gesetz geändert werden (451 d.B.), angeschlossene Gesetzesentwurf wird wie folgt geändert:
In Artikel I Z 13 wird dem § 70a Abs. 4 folgender Satz angefügt:
„Dabei ist jedenfalls auch Supervision durch einen Physiotherapeuten sicherzustellen.“
Begründung
Im Sinne der Patient_innensicherheit und der Gewährleistung eines hohen qualitativen Standards der neuen Spezialqualifikationsausbildung Basismobilisation muss eine entsprechende fachliche Supervision im Rahmen des Praxisteils vorgesehen werden. Eine solche Supervision soll durch einen Physiotherapeuten/eine Physiotherapeutin erfolgen, um einen Wissenstransfer durch die Berufsgruppe, deren fachlicher Fokus auf Entwicklung und Funktionsweisen des Bewegungssystems liegt, zu gewährleisten, sodass die Intention, die steigende Nachfrage nach dieser Dienstleistung im Gesundheitssystem zu befriedigen, auf hohem qualitativen Niveau erfüllt werden kann.
*****
Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort gelangt Frau Bundesministerin Dr. Oberhauser. – Bitte, Frau Bundesministerin.
14.53
Bundesministerin für Gesundheit Dr. Sabine Oberhauser, MAS: Herr Präsident! Wer-
te Kolleginnen und Kollegen! Die Berufsrechte in
Österreich unterliegen einem ständigen Wandel und einer
ständigen Innovation. Wir arbeiten derzeit an der Frage der Gesundheits-
und Krankenpflege, das Ärztegesetz war dabei. Jetzt haben wir uns wieder
mehreren Berufsgruppen in diesem Gesetz gewidmet. Es sind
110 000 Menschen in Österreich, die in den Gesundheitsberufen
tätig sind. Ich finde, sie verdienen klare, gute Berufsbilder. Ich glaube,
mit diesem Gesetz sind wir wieder einen Schritt weitergekommen, und ich
danke Ihnen für die Diskussion. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten
der ÖVP.)
14.54
Präsident Karlheinz Kopf: Danke, Frau Bundesministerin.
Meine Damen und Herren! Darf ich darauf aufmerksam machen, dass sich, so wie es ausschaut, die Abstimmung vor dem Dringlichen Antrag noch ausgehen wird. Darf ich die Ordner und Klubobleute bitten, ihre Abgeordneten hereinzubitten.
Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Ing. Vogl. – Bitte, Herr Abgeordneter.
14.54
Abgeordneter Ing. Markus Vogl (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Ministerin! Hohes Haus! Diese vorliegenden Gesetzentwürfe spiegeln zwei Punkte wider. Auf der einen Seite wollen wir versuchen, mit diesen Gesetzentwürfen den Menschen, die in diesem Bereich tätig sind, dort, wo es sinnvoll ist, neue Berufsmöglichkeiten zu geben – sei es, indem wir ihr Berufsspektrum erweitern, dort, wo es um die OrdinationsassistentInnen geht, oder dort, wo es möglich ist, durch Schulungen zusätzliche Tätigkeiten auszuüben. Für die Betroffenen und Beschäftigten in diesem Bereich ist es sehr wichtig, ihre Einsatzmöglichkeiten zu erweitern.
Auf der anderen Seite – und darauf hat Frau Belakowitsch-Jenewein hingewiesen – haben wir natürlich das Problem, dass wir durch die älter werdende Gesellschaft auch vor Herausforderungen im Gesundheitsbereich stehen. Auf der einen Seite sind ältere Menschen heute gesünder und agiler, als wir es uns früher vorstellen konnten. Auf der anderen Seite sind heute Versorgungssituationen notwendig, die wir früher nicht kannten. Da die richtige Versorgung anbieten zu können ist die Herausforderung.
In diesen neuen Berufsgruppen versuchen wir, ein Stück weit auf diese Herausforderung einzugehen. Wir wissen jedoch, dass es ein sehr schwieriger und schmaler Grat ist, die richtige Versorgung für die betroffenen Menschen zu finden.
Eines möchte ich uns allen gemeinsam auch mitgeben: Mehr Zeit für Administration kann nicht das Ziel im Gesundheitsbereich sein, und daher auch unser Wunsch: mehr Zeit für die Patientinnen und Patienten – und nicht für die Administration. Das ist auch etwas, was wir erreichen wollen. Es gibt in der Technik einen Spruch, der heißt: Qualität produziert man, Qualität prüft man nicht herbei. In diesem Sinne würde ich mir auch im Gesundheitssystem wünschen, dass wir uns wieder mehr auf den Patienten konzentrieren und weniger darauf, die Dinge, die wir an den Patienten tun, zu dokumentieren, damit – wenn etwas schiefgelaufen ist – nachgewiesen werden kann, dass sozusagen eh alles richtig gemacht worden ist. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)
14.56
Präsident Karlheinz Kopf: Es ist dazu niemand mehr zu Wort gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.
Schlusswort seitens des Berichterstatters wird keines gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 444 der Beilagen.
Hiezu liegen ein Abänderungsantrag der Abgeordneten Dr. Mückstein, Kolleginnen und Kollegen sowie ein Abänderungsantrag der Abgeordneten Mag. Loacker, Kolleginnen und Kollegen vor.
Ich werde zunächst über die von den erwähnten Abänderungsanträgen betroffenen Teile – der Systematik des Gesetzentwurfes folgend – und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.
Die Abgeordneten Dr. Mückstein, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag betreffend Art. 1 Z 6 eingebracht.
Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit und somit abgelehnt.
Abstimmung über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung der Regierungsvorlage.
Wer dafür ist, gebe bitte ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.
Die Abgeordneten Mag. Loacker, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag betreffend Art. 1 Z 13 eingebracht.
Wer dafür ist, gebe bitte ein Zeichen. – Das ist die Minderheit und somit abgelehnt.
Die Abgeordneten Dr. Mückstein, Kolleginnen und Kollegen haben ebenfalls einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf Art. 1 Z 13 bezieht.
Wer dafür ist, gebe bitte ein Zeichen. – Das ist ebenfalls die Minderheit und somit abgelehnt.
Abstimmung über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung der Regierungsvorlage.
Wer dafür ist, gebe bitte ein Zeichen. – Das ist die Mehrheit und somit angenommen.
Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungsvorlage.
Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen. – Das ist die Mehrheit und somit angenommen.
Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.
Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung dem vorliegenden Gesetzentwurf zustimmen wollen, um ein Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.
Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Lichtenecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Harmonisierung der Masseurberufe.
Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit und somit abgelehnt.
*****
Wir würden jetzt zum 3. Punkt der Tagesordnung gelangen. Da für 15 Uhr die Behandlung eines Dringlichen Antrages vorgesehen ist, erspare ich mir jetzt die Unterbrechung der Sitzung. Ich unterbreche nur die Debatte, denn es ist gleich 15 Uhr. Wir können daher mit der Behandlung des Dringlichen Antrages fortfahren, zumindest, wenn ich noch ein paar Sekunden weiterspreche.
Die Verhandlungen über die Tagesordnung sind somit unterbrochen, damit die verlangte Behandlung eines Dringlichen Antrages gemäß der Geschäftsordnung stattfinden kann.
Dringlicher Antrag
der Abgeordneten Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen betreffend Offensivpaket „Unternehmerisches Österreich“ (855/A)(E)
Präsident Karlheinz Kopf: Es ist inzwischen 15 Uhr. Wir gelangen somit zur dringlichen Behandlung des Selbständigen Antrages 855/A(E).
Da dieser inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.
Der Dringliche Antrag hat folgenden Wortlaut:
Für 2014 hat uns die Bundesregierung eine Rekordarbeitslosigkeit von 10,2% nach nationaler Berechnung beschert. Zu Jahresbeginn waren damit über 455.000 Menschen ohne Arbeit. Die allgemeine Weltwirtschaftslage ist daran nicht schuld, das zeigt der Vergleich zu Deutschland und der Schweiz. Beide Nachbarländer ziehen Österreich derzeit bei fast allen Standortfaktoren davon. Im Standortranking des World Economic Forum, dem Global Competitiveness Report, wurde Österreich dieses Jahr bis auf Platz 21 durchgereicht (die Schweiz steht auf dem ersten und Deutschland auf dem fünften Platz). Im Monitoring Report der WKÖ ist Österreich im Jahr 2014 aus dem ersten Drittel gefallen. Die Krise des österreichischen Arbeitsmarktes ist also hausgemacht und statistisch belegbar. Unübersehbar ist Österreich für innovative Unternehmen, die anspruchsvolle Jobs schaffen, nicht mehr erste Wahl. Ein Wirtschaftsstandort, der nicht mehr im globalen Spitzenfeld mitspielt, kann in absehbarer Zeit für seine Bevölkerung auch nur noch durchschnittlichen Wohlstand sichern. Da Österreich derzeit noch eines der höchsten Pro-Kopf-Einkommen der EU hat, droht ein tiefer Fall. Unseren derzeitigen Lebensstandard können wir uns bereits jetzt nur mehr schuldenfinanziert erhalten und das, trotz Steuern und Abgaben auf einem historischem "Rekordniveau".
Von 1974 bis 2014 verzeichnete die Schuldenquote einen Anstieg von 16,1 % auf 81%; die Abgabenquote kletterte von 35% auf 45,2% und die Arbeitslosenrate ist von 1,2% auf 7,6% angestiegen. Wir verbrennen den Wohlstand vergangener Jahre in rasender Geschwindigkeit.
Die Arbeitnehmer_innen und Unternehmer_innen sind nicht der Grund für die Krise des Standortes. Schließlich haben sie über Jahrzehnte hinweg ihre Leistungsfähigkeit bewiesen. Nach wie vor beherbergt Österreich Technologie- und Weltmarktführer in zahlreichen Branchen. Leider wird es für diese Unternehmen und ihre Mitarbeiter_innen immer schwieriger von Österreich aus im internationalen Wettbewerb zu bestehen.
Wirtschaftspolitik muss den Sprung ins 21. Jahrhundert schaffen.
Nicht der Staat schafft Wohlstand, sondern Unternehmen schaffen Wohlstand und Jobs. Florierende Unternehmen und gut bezahlte Angestellte spülen mehr Mittel für Bildung, Pensionen und Infrastruktur in die Staatskasse. Wenn Unternehmen und Arbeitnehmer_innen zum Stopfen der Löcher in der Staatskasse immer stärker herangezogen werden, befinden wir uns in einer Abwärtsspirale. Erfolgreiche Wirtschaftspolitik dagegen ermöglicht Gründungen und schafft rechtlich und finanziell zeitgemäße Rahmenbedingungen, die den Wirtschaftsstandort attraktiver machen. Staatliche und staatsnahe Konzerne, intransparente Subventionen und parteipolitische Interventionen in den Unternehmen mögen im vergangenen Jahrhundert ein gangbarer Weg gewesen sein, eine nationale Ökonomie zu lenken. In der beschleunigten globalisierten Welt und in einem verschärften Wettbewerb sind die Rezepte des 20. Jahrhunderts viel zu unflexibel. Unsere Wirtschaft muss im internationalen Wettbewerb bestehen. Erfolg lässt sich nicht mehr staatlich steuern. Der Staat kann den Erfolg von Unternehmer_innen nur noch wahrscheinlicher oder unwahrscheinlicher machen.
In Österreich ist unternehmerischer Erfolg derzeit allerdings sehr unwahrscheinlich. Überholte Kammerzwänge und Gewerbeordnungen mögen die Qualität der Produktion im Vielvölkerstaat der Monarchie gesichert haben, heute verhindern sie jedoch Innovation und Fortschritt. Unternehmensformen wie die GmbH oder die AG waren sinnvolle und richtige Modelle für das Wirtschaftssystem des 20. Jahrhunderts, junge Start-Ups brauchen aber flexiblere Unternehmensformen. Auf den rasanten Wandel der Arbeitswelt hat die Bundesregierung bislang ebenfalls kaum reagiert. Karrieren verlaufen heute einerseits oft nicht mehr linear, andererseits ist die strikte Trennung zwischen selbstständigen und angestellten Erwerbsformen realitätsfremd. In der modernen Dienstleistungsgesellschaft wechseln immer mehr Menschen in die Selbstständigkeit (zum Beispiel als EPU). Sie werden im Vergleich zu Angestellten fast durchgehend höher belastet und schlechter gestellt. EPUs werden in Österreich mit bürokratischen Auflagen belastet, wie in anderen Ländern Konzerne. Während die Finanzierung von Unternehmen am Finanzmarkt immer schwieriger wird, schafft die Regierung keine Verbesserung und keine Rechtssicherheit für alternative Finanzierungsmöglichkeiten.
Mentalitätsreform für ein unternehmerisches Österreich.
All diese Maßnahmen kosten unmittelbar kaum Geld. Die Republik hat keinerlei finanziellen Spielraum mehr und klassische Konjunkturpakete und schuldenfinanzierte Investitionen in das Wirtschaftswachstum haben Österreich in die aktuelle verheerende Lage gebracht. Ein schwächelnder Wirtschaftsstandort lässt sich nicht plötzlich gesund spritzen sondern benötigt Reformen. Vor der österreichischen Wirtschaftspolitik liegen Jahre der Anpassung und Konsolidierung. Dafür braucht es als ersten Schritt einen Paradigmenwechsel und einen Mentalitätswandel. In der Industrialisierung mussten die Arbeitnehmer_innen vielleicht noch vor den Arbeitsbedingungen in den Konzernen geschützt werden. Im 21. Jahrhundert werden neue Jobs aber nicht mehr durch das längste Fließband, sondern durch Innovation in Technologien und Dienstleistungen geschaffen. Kapital ist heute ebenso flüchtig, wie es die zunehmend fehlenden hochqualifizierten Arbeitskräfte sind. Die Zeiten des quasi "automatischen" Wachstums sind vorbei. In einer Zeit, in der die Arbeitnehmer_innen unternehmerischer Denken und Handeln denn je, müssen wir in Österreich eine Wirtschaftspolitik überwinden, welche die Bevölkerung vor Unternehmertum schützen will. Im Gegenteil: Wir brauchen ein unternehmerisches Österreich und ein unternehmerisches Österreich braucht ein Ende überbordender Regulierungen und Vorschriften, sondern rechtliche und finanzielle Rahmenbedingungen, um in Österreich wieder wettbewerbsfähig und erfolgreich sein zu können.
Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung und insbesondere der Herr Bundeskanzler werden aufgefordert dem Nationalrat bis 01.05.2015 ein "Offensivpaket für ein unternehmerisches Österreich" vorzulegen, das folgende Schwerpunkte umfasst:
1. Mentalitätsreform: Unternehmertum ermöglichen, statt es zu regulieren.
a. Wir fordern die "One-in-One-out-Regel" für die nationale Gesetzgebung - für jede neue Regelung muss in Zukunft eine veraltete abgeschafft werden.
b. Weg vom Paradigma der staats- und parteinahen Nationalökonomie. Förderungen und Subventionen zugunsten niedrigerer Abgaben zurück fahren.
c. Abgabenlast und Sozialleistungen von Selbstständigen und Arbeitnehmer_innen müssen angeglichen werden. Selbstständigkeit muss entbürokratisiert werden.
2. Bildung: Bildung als der maßgeblichen Zukunftsfaktor Österreichs etablieren.
a. Schulautonomie umsetzen.
b. Unternehmertum an die Schulen bringen, z.B. durch Gründerwerkstätten und Unterricht in den Grundlagen der Unternehmensführung.
c. Bildungsdefizite müssen an den Schulen beseitigt werden, statt in den Arbeitsmarkt und ins AMS ausgelagert zu werden.
3. Bürokratie: Bürokratie hemmt unternehmerische Tätigkeit. Ideen können nicht einfach verwirklicht werden. Dafür sorgen ein starres Gewerberecht und andere Standesrechte, die einschränken und verhindern, statt unternehmerische Tätigkeit und Kreativität zu fördern. Österreich muss den Verwaltungsaufwand wesentlich reduzieren:
a. Schaffung einer modernen Gewerbeordnung, die den Ansprüchen des 21. Jahrhunderts entspricht.
b. One-Stop-Shop-Konzept für alle Themen „rund ums Gewerbe“ (Genehmigungen, Gewerbeberechtigungen, Förderungen, Steuernummer und Firmenbucheintragung, etc.).
c. Verschlankung und Harmonisierung aller damit in Zusammenhang stehenden Gesetze.
d. Maßgebliche Reduktion der Verwaltungstätigkeit auf Seiten der Unternehmer_innen (Beauftragte, statistische Anforderungen, etc.).
4. Budget: Generationengerechtigkeit endlich mitdenken und Schuldenbremse in den Verfassungsrang heben.
a. Um Generationengerechtigkeit zu gewährleisten und eine ausufernde Staatsverschuldung zu vermeiden, muss eine verfassungsrechtlich verankerte Schuldenbremse etabliert werden.
b. Durch eine Umsetzung des NEOS Steuerkonzepts schaffen wir einen Spielraum für eine jährliche Schuldentilgung in Höhe von 3,3 Milliarden Euro, um die Zinslast abzutragen.
c. Der Spielraum für die Steuerreform wird gegenfinanziert durch ausgabenseitige Maßnahmen und Reformen wie im NEOS Steuerkonzept veranschlagt.
5. Steuerreform: Steuergesetzgebung, die dem Titel „weniger, einfacher, generationengerecht“ entspricht.
Weniger:
a. Senkung der Lohnsummenabgaben.
b. Senkung der Einkommensteuer sowie Steuerhoheit für Bundesländer und Gemeinden.
c. Abschaffung der kalten Progression.
Einfacher:
a. Streichung von Bagatellsteuern.
b. Streichung von Rechtsgeschäftsgebühren.
c. Streichung fragwürdiger Sondersteuern.
Generationengerecht:
a. Streichung ineffektiver Umweltsteuern.
b. Stufenweise Etablierung einer aufkommensneutralen CO2-Steuer.
c. Konsequente Umsetzung der Pensionsreform.
6. Start-Ups: Flexible Unternehmensformen mit Investitionsanreizen schaffen:
a. Neue Unternehmensformen für Start-Ups schaffen (z.B. "Start-Up", "Klein AG", "GmbH Zero").
b. Invesitionsanreize durch Steuererleichterungen für Investitionen in Unternehmen, oder alternative Finanzierungsmodelle (z.B. Crowd-Funding) schaffen.
c. Abgabenlast und Sozialleistungen für Selbstständige in EPUs und KMUs an jene von Angestellten angleichen, durch Zusammenlegung der Sozialversicherungsträger zu je einem Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherungsträger.
d. EPU-Zwangsanstellungen durch Gebietskrankenkassen beenden.
7. Innovation ermöglichen und nicht durch Gewerbeordnung und Kurzsichtigkeit verhindern.
Durch eine Unterfinanzierung des Wissenschafts- und Forschungssektors verspielen wir unsere Zukunft! Es müssen notwendige Rahmenbedingungen geschaffen und die Finanzierung gewährleistet werden, damit der Forschungsstandort Österreich Luft zum Atmen bekommt. Schluss mit zu strengen Regulatorien und sinnlosen Förderungen nach dem Gießkannenprinzip!
a. Forschungsförderungsagenturen und Forschungseinrichtungen erhalten mehrjährige Budgetzusagen.
b. Es wird eine transparente für alle einsehbare Übersicht über alle Forschungsförderungsmaßnahmen in Österreich geschaffen.
c. Die steuerliche Absetzbarkeit von Spenden für die Forschung – insbesondere auch bei gemeinnützigen Stiftungen – wird ausgebaut.
8. Forschung und Entwicklung: Ein interministerieller FTI-Steuerungsrat (Kanzler, Vizekanzler, die Bundesminster_innen für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft, Finanzen, Gesundheit, Verkehr, Innovation und Technologie sowie Land-und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft) legt mehrjährige strategische und budgetäre Regierungsziele im Bereich Wissenschaft und Forschung fest. Nur durch eine langfristige Strategie kann eine Entwicklung hin zu einer Wissensgesellschaft, basierend auf Wissenschaft und Forschung, vorangetrieben werden.
a. Die Agenden für Wissenschaft, Forschung und Hochschulen werden in einem eigenen Ministerium zusammengeführt.
b. Die für 2020 festgelegten Zielindikatoren in Bezug auf das BIP sind auf jahresweise Teilziele herunter zu brechen, um laufend deren Erreichung kontrollieren zu können:
i. F&E-Quote: 3,76%
ii. Quote für tertiäre Bildung: 2%
iii. Quote für Grundlagenforschung: 0,8%
9. Finanzierung: Unternehmen, von EPUs über Start Ups und KMUs bis hin zur Industrie, suchen nach alternativen Finanzierungsformen.
a. Rechtlichen Rahmen für Crowd Funding und Crowd Investement schaffen.
b. Lockerung der Bestimmungen der FMA und Erhöhung der Prospektpflichtschwelle auf 1 Mio Euro.
c. Rücknahme des Gold Platings bei der AIFM Richtlinie.
10. Arbeitsmarkt: Flexibilisierung von Beschäftigung und Fachkräfteoffensive:
a. Arbeitszeitflexibilisierung:
i. flexiblere Tageshöchstarbeitszeit bei gleichbleibender Wochenhöchstarbeitszeit.
ii. Schaffung von Jahresarbeitszeitmodellen.
b. Schaffung eines freiwilligen Teilzeitkrankenstandes im Sinne der Arbeitnehmer_innen zur Vermeidung von Dequalifizierung und Forcierung einer arbeitsplatznahen Rehabilitation.
c. Reform der Rot-Weiß-Rot Karte:
i. Entbürokratisierung der Antragstellung.
ii. Anerkennung von Bachelor-Abschlüssen.
iii. Reduktion der Einkommensgrenzen für Studienabsolvent_innen auf das Durchschnittsniveau von Studienabsolvent_innen österreichischer Universitäten.
iv. Längere Möglichkeiten zur Jobsuche für Studienabsolvent_innen österreichischer Universitäten aus Drittstaaten.“
In formeller Hinsicht wird verlangt, diesen Antrag im Sinne des § 74a Abs.1 iVm § 93 Abs.2 GOG-NR zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu behandeln und dem Erstantragsteller Gelegenheit zur mündlichen Begründung zu geben.
*****
Präsident Karlheinz Kopf: Ich erteile sogleich Herrn Abgeordnetem Schellhorn als Erstem das Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.
15.00
Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Frau Staatssekretär! Liebe Abgeordneten! Wir legen heute der Bundesregierung einen Dringlichen Antrag vor und richten uns dabei besonders an deren Chef, Bundeskanzler Faymann, weil wir glauben, dass diese Führungslosigkeit, diese Entscheidungslosigkeit und diese Lustlosigkeit der Bundesregierung in der Standort-, Wirtschafts- und Unternehmenspolitik derzeit einen kritischen Punkt überschritten haben, mittlerweile Kollateralschäden anrichten, die am Ende dieser Legislaturperiode kaum noch zu reparieren sein werden. Wir glauben, dass für die Unternehmen derzeit ein feindseliges Umfeld herrscht und dass weit mehr als die derzeitigen 407 000 Arbeitslosen betroffen sein werden, wenn Ihre Politik des Unterlassens nicht beendet wird. (Präsident Hofer übernimmt den Vorsitz.)
Heute ist zufälligerweise auch die aktuelle Studie von Ernst & Young, der Mittelstandsbarometer, herausgekommen: Nur 15 Prozent der österreichischen Unternehmen bewerten diese Wirtschafts- und Standortpolitik als positiv. Das ist der zweitschlechteste Wert nach Griechenland.
Kleine und mittlere Betriebe, die KMUs, sind die wahren Helden dieser Wirtschaft. Dieser Meinung sind wir, und ich vermute, Sie würden das auch unterschreiben. Die KMUs stellen immerhin 68 Prozent der Arbeitsplätze. Selbständige, EPUs, Start-Ups, KMUs, wie immer man sie auch kategorisieren mag, nehmen ihr Schicksal selbst in die Hand und gehen persönliche Risiken ein, um Arbeitsplätze zu schaffen. Das sind Menschen, die sich entschieden haben, keine Unterlasser zu sein, sondern Unternehmer zu werden. Unterlasser sind in unseren Augen Sie, liebe Bundesregierung. Das sind Sie: Sie sind keine Unternehmer, Sie sind Unterlasser! (Beifall bei den NEOS.)
407 000 Menschen sind ohne Arbeit ins neue Jahr gerutscht. 407 000 Arbeitslose! Dafür sind nicht die Unternehmer verantwortlich, dafür verantwortlich sind eine Abgabenquote, die 45,2 Prozent erreicht hat und mittlerweile schon höher ist als in Schweden, eine Schuldenquote, die von 1974 bis jetzt von 16 auf 81 Prozent gestiegen ist. Für 407 000 Arbeitslose sind nicht die Unternehmer verantwortlich, dafür sind Sie verantwortlich, und das müssen Sie sich an Ihre Brust heften.
Wenn Unternehmer scheitern, dann versuchen sie, es beim nächsten Mal besser zu machen. Unternehmer machen nicht einfach ein schlechtes Produkt teurer und zwingen die Kunden, es trotzdem zu kaufen. Die Unternehmer nehmen auch nicht 40 Jahre lang Schulden auf, um ihren defizitären Betrieb über die Runden zu bringen. Das ist aber leider das, was Sie, liebe Bundesregierung, Sie als Unterlasser tun: Sie erhöhen die Schulden und Abgaben auf Kosten der nächsten Generation und hoffen, in Pension zu sein, bevor dieses Kartenhaus zusammenbricht.
Wirklich gute Unternehmer können auch mit wirklich schlechten Rahmenbedingungen wie jenen, die Sie schaffen, bestehen, und wir haben zum Glück wirklich viele wirklich gute Unternehmer in Österreich. Aber was tun wir, wenn wir irgendwann keine Unternehmer mehr haben, weil die neue Generation keine Lust mehr darauf hat, ständig immer höhere Abgaben zu leisten und ständig gegen strengere Restriktionen ankämpfen zu müssen.
Ich kann Ihnen aus meiner Perspektive als Unternehmer, aber auch als Vater einiges mitgeben: Meine beiden Söhne sind 22 und 24 Jahre alt. Sie sind Gott sei Dank in einem Land aufgewachsen, in dem die Menschen im Wohlstand leben, ohne Kriege, ohne Hunger, ohne Not, in einer freien Gesellschaft. Sie sind aber auch aufgewachsen in einem unternehmerischen Haus und haben bald gemerkt, dass man im Leben mehr erreichen kann als einen Job von Montag bis Freitag, dass sich Leistung auch lohnen muss, dass es sich lohnen muss, etwas zu arbeiten, und dass es sich auch bezahlt macht, wenn man Risiken eingeht.
Und wissen Sie, was meine zwei Söhne machen? – Sie wollen weg. Sie wollen raus aus diesem Land. Sie denken, dass sie in einem anderen Land mehr Chancen haben. In anderen Ländern dieser Erde gibt es natürlich viel mehr Chancen, mehr Chancen auf eine gehaltvolle Bildung, eine Bildung, die den Anforderungen des 21. Jahrhunderts entspricht, mehr Chancen auf Unternehmerfreundlichkeit, mehr Chancen auf Generationengerechtigkeit.
Wir alle wissen, es geht vielen jungen Menschen so, weil wir ihnen keine Perspektiven geben. Ich möchte hier eine Lanze brechen für all die jungen Menschen, für all die Unternehmer und für all die Arbeitnehmer. Sie, liebe Bundesregierung, wissen und ich weiß, dass diese Menschen unzufrieden sind, dass sie Angst um ihre Zukunft haben, dass sie immer weniger Chancen sehen. Der Unterschied zwischen mir und Ihnen, liebe Bundesregierung, ist, dass Sie sich nicht erklären können, warum das so ist. Lassen Sie mich das kurz erklären: 407 000 Menschen ohne Arbeit, das bedeutet, mit ihren Angehörigen sind es rund eine Million Betroffene in Österreich, das ist jeder Achte.
Was tun Sie dagegen, Sie, die Unterlasser? Was können Sie mit Ihrer Unterlasserpolitik dem entgegensetzen? – Nichts! Sie lassen sich über die Medien gegenseitig ausrichten, was denn nun das richtige Konzept sei, die Konjunktur zu beleben, Arbeitsplätze zu schaffen. Sie führen Scheingefechte um mutlose Minimalversionen einer Steuerreform und wissen genau, dass keines Ihrer beiden Konzepte irgendein Problem löst.
Das Einzige, was Sie sich mit Ihrer medialen Hin- und Her-Taktik erkaufen, ist Zeit, Zeit für diese Regierung. Dafür sind Sie beide, SPÖ und ÖVP gemeinsam, verantwortlich. Diese Verantwortung kann Ihnen niemand nehmen. Und wie in einem Unternehmen ganz besonders verantwortlich ist deren Chef, und das ist immerhin Bundeskanzler Faymann.
Sie werden mir hier sicherlich widersprechen, Sie kommen ja gleich nach mir dran, aber das, was ich Ihnen im Sinne der Jugendlichen, der Unternehmer und der Arbeiter und Angestellten für Ihre Rede als Fragen mitgeben möchte, ist Folgendes: Haben Sie Antworten auf die drei dringendsten Fragen: auf die steigende Arbeitslosigkeit, darauf,
dass den Bürgern immer weniger im Börsel bleibt, auf die Frage, warum Ihr Bürokratiewahnsinn ständig größer wird? – Fehlanzeige. Nein, Sie haben keine Antworten! Bisher haben wir noch nie Antworten von Ihnen bekommen. Aber ich bin gespannt, vielleicht ist Ihnen ja etwas über die Weihnachtsfeiertage eingefallen.
Das Problem ist, Sie, geschätzter Herr Bundeskanzler – der Herr Vizekanzler ist leider nicht hier –, wissen, was zu tun wäre, Sie tun es aber nicht! Und das ist das Unverzeihliche: Sie tun nicht, was zu tun wäre! Und das ist das, was den Menschen die Zuversicht raubt: Sie unterlassen, anstatt zu unternehmen.
Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass die SPÖ immerhin von 1976 bis 2014 an 13 von 15 Bundesregierungen beteiligt war, die ÖVP immerhin an 10 von 15, sie trägt seit 10 150 Tagen Regierungsverantwortung mit. Dass Sie diese Verantwortung nicht um den Schlaf bringt, das wissen wir. Sie bringt aber uns um den Schlaf, uns Unternehmer, die wir darum bangen müssen, unsere Angestellten weiter beschäftigen zu können, wenn plötzlich die nächste Phantasie-Sektsteuer – seit gestern wissen wir ja, was die eingebracht hat – um die Ecke biegt oder die Lohnkosten noch weiter steigen.
Natürlich, Sie werden uns heute wieder erklären, die Ausgangslage ist fatal. Die Rezession wird in Österreich manifest. Wir haben nicht ein Problem, wir haben viele Probleme. – All diese Probleme sind hausgemacht! Und schieben Sie bitte nicht wieder Ihre Probleme auf die Hypo, das ist nämlich schön langsam peinlich.
Die Konjunktur soll vielleicht schuld sein. Aber ich frage Sie: Wann gibt es bessere Momente als jetzt, die Konjunktur wieder anzuheizen, wieder zu beleben, bei diesen niedrigen Ölpreisen, bei dem starken Franken, bei diesem schwachen Euro?! Das wäre für unser Exportgeschäft wahnsinnig wichtig. Ein besseres Zeitfenster als jetzt wird es vielleicht für Jahrzehnte nicht geben, um strukturell die Wirtschaft anzukurbeln, strukturell Arbeitsplätze zu schaffen.
So kann man bei Ihrer Arbeit wohl kaum von einer Wirtschaftsreformpolitik sprechen. Wieder Fehlanzeige. Wir können wieder nur die Antwort geben: Nein, das ist keine Wirtschaftsreformpolitik, was Sie machen! Es ist eine Klientelpolitik, und Sie schielen mit Ihrem kaputten Auge auch noch auf die kommenden Wahlen, anstatt Mut und Ehrlichkeit zu beweisen. Tatkraft und Entscheidungswille sind gefragt, nicht Wahlkalkül!
Seit Jahrzehnten versprechen uns SPÖ und ÖVP sinkende Abgaben und Steuern, eine geringe Staatsverschuldung und sinkende Arbeitslosenzahlen. Sie versprechen uns das Blaue vom Himmel und blühende Landschaften. Und was ist passiert? – Nichts! Das ist diese Nullnummer, von der Kattinger in der „NZZ“ spricht, diese Nullnummer, die diese Bundesregierung abgibt, auch Zeugnis für Ihr Unterlassen und dafür, nichts zu unternehmen.
Das, was die Unternehmer fordern, das kann ich Ihnen nach 50 Unternehmensbesuchen mit Sicherheit sagen, sind folgende Punkte:
Erstens: Wir brauchen dringend eine Mentalitätsreform, die ihren Namen verdient. Unternehmer wollen keine Bittsteller sein.
Zweitens: Wir brauchen ein freies Unternehmertum mit Flexibilisierung und Deregulierung.
Und drittens: Arbeit muss sich wieder lohnen.
Gegen diese Herausforderungen erinnert Ihre Wirtschaftspolitik die Unternehmer höchstens an einen Zuckerlladen. Sie verteilen Zuckerl, und allesamt sind es giftige Zuckerl; giftige Zuckerl, was die Pensionen und die Generationengerechtigkeit betrifft, giftige Zuckerl, was die Besteuerung des Faktors Arbeit betrifft, sprich: kalte Progression, giftige Zuckerl, was die Wirtschaftspolitik in Sachen Deregulierung und „weniger Staat, mehr Privat“ betrifft.
Jüngstes Beispiel: ÖIAG-Reform. Sie feiern da gerade ein duftendes Lüfterl als ganz großen Erfolg. Wenn Sie glauben, dass die Reform der ÖIAG, also jetzt die ÖBIB, ein Erfolg war, dann kann das in Ihren Augen nur sein, dass Sie die Repolitisierung wieder geschafft haben. Diese Repolitisierung feiert hier das größte Comeback seit Hermann Maier. Die ÖBIB ist auch kein Zeugnis für ein unternehmerisches Österreich. Die einzigen Unternehmen, die sich freuen können, sind die Agenturen und Schildermacher.
Das, was Sie bei der ÖIAG zustande gebracht haben, lässt für Ihre Steuerreform Schlimmes vermuten. Eine wirkliche Steuerreform, die diesen Namen verdient, erwarten sich die Österreicher. Eine neuerliche Nullnummer vertragen die Bürger nicht, vertragen die Unternehmer nicht.
Ich sage es noch einmal: Was all die Menschen brauchen, ist eine Mentalitätsreform. Eine Mentalitätsreform, die nur von uns allen getragen werden kann! Dafür müssen wir Zuversicht und Bilder projizieren. Was sind Ihre Bilder des Optimismus, Ihre Bilder davon, wo Österreich 2030 stehen soll? Und mit Bildern meine ich nicht Ihre persönlichen Sehnsüchte und Phantasien, sondern eine Vision für unser Land.
Für Ihre Bilder und Visionen für unser Land kann ich Ihnen einige Beispiele von meinen Unternehmensbesuchen erzählen. Ein Unternehmer zum Beispiel in Wien ... (Zwischenruf des Abg. Schieder.) – Ja, wir zeichnen. Ich bin auch ein großer Maler, das kann schon sein, aber ich kann auch erzählen, zum Beispiel, dass es in Wien einen Unternehmer gibt, der ein Lokal groß eröffnet hat und am nächsten Tag gleich wieder zusperren musste, weil sich die Behörde nicht einig war, ob eine Stufe oder eine Stiege in seinen Gastraum führt.
Ich kann Ihnen von einem Unternehmer in Kärnten erzählen, der eine Produktionshalle für Solarpanele gebaut hat. Dazu braucht es natürlich Parkplätze für seine Mitarbeiter. Um die Genehmigung dafür zu erhalten, hat ihm die Behörde Bäume zur Beschattung vorgeschrieben. Diese Bäume hatten aber keinen Durchmesser von zehn Zentimetern. Deshalb hat er eine Strafe bekommen! – Ist das freies Unternehmertum? Wollen Sie das haben? (Abg. Schieder: Sind Sie gegen Bäume?)
Oder: Ein Unternehmer in Obertauern darf zwar ein Taxi betreiben, dies aber nicht in seinem zweiten Betrieb in Salzburg.
Dafür sind nicht wir verantwortlich, dafür ist die Regierung verantwortlich und dafür sind auch die Kammern verantwortlich. Nein, Sie sind es, die ein freies Unternehmertum behindern, weil Sie als Regierung in der Geiselhaft der Kammern sind. Wirtschaftskammerfunktionäre sind meines Erachtens Parasiten in Form der Vertretung.
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Präsident Ing. Norbert Hofer: Herr Abgeordneter Schellhorn, für den Ausdruck „Parasiten“ erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf.
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Abgeordneter Josef Schellhorn (fortsetzend): Die Kammer zur gewerblichen Verhinderung schaut zu, wie beide Regierungsparteien – den Antrag habe ich noch im Kopf, er war von Herrn Matznetter und Herrn Haubner – einen Antrag zum Bürokratieabbau und zur Gewerbeordnungsreform einbringen. Das hätten Sie tun können, dazu brauchen Sie gar keinen Antrag zu machen! Der Antrag heißt: „Bürokratie-Abbau jetzt“. Er hat die Nummer 666/A(E), Herr Matznetter, ich habe die Zahl noch im Kopf.
Soll ich dabei lachen oder weinen, wenn Leitl vom Abbau dieses Bürokratiemonsters spricht?
Wie schaut es aus mit Ihren Ideen samt Umsetzungsmöglichkeiten zur Bildung, zur Standortentwicklung und zur Forschung? – Schon klar, für derartige Visionen braucht es natürlich auch eine entsprechende Bildung. Daher wollen wir die Bildung reformieren, aber scheitern kläglich.
Jüngstes Beispiel: Zwei SPÖ-Bürgermeister rittern im niederösterreichischen Wahlkampf darum, welcher Ort ein Gymnasium für 10- bis 14-Jährige bauen darf – ein Gymnasium! Ich dachte, Ministerin Schmied hat in der vorigen Regierung die Neue Mittelschule propagiert, aber es scheint wieder der Ausdruck des Scheiterns zu sein, des Scheiterns der Mittelschule, des Scheiterns dieser Regierung. Und das ist wieder die größte Nullnummer, die wir gesehen haben.
Das unternehmerische Österreich fühlt sich in der Tat von der Bundesregierung im Stich gelassen, es ist so. Politikverdrossenheit, das ist meines Erachtens keine Geißel Gottes, das ist ein Ergebnis Ihrer politischen Arbeit. Sie wissen es, aber Sie betreiben weiter Unterlassung und unternehmen nichts. Während Sie die Sozialpartner schon vor den Kollektivvertragsverhandlungen zur Gulaschkanone einladen, während sich die Sozialpartner an der Gulaschkanone wärmen, haben Sie nicht einmal das Ohr an den Unternehmen. Außer Sie haben wieder einen groß angesagten Wirtschaftsgipfel, zu dem die Industriekapitäne zum Ballhausplatz pilgern, während andere, die KMUs, in die Wiedner Hauptstraße robben müssen. Das kann schon sein! Dem vergessenen Rückgrat, den KMUs und EPUs, lassen Sie hingegen via Medien ausrichten, welche neuen Schikanen Sie in die Wege geleitet haben, welche Auflagen Sie wieder in die Pipeline geschickt haben. Wenn dann Lohnerhöhungen rauskommen, dann freut sich auch ein Zwangsvertreter, die Kammer, weil die Kammerumlage 2 natürlich erhöht wird.
Sie haben keinen Tau, was die Menschen in diesem Land aufregt. Fahren Sie hinaus zu den Menschen und hören Sie sich das an! Dann wird Ihnen kalt, und ich weiß, das ist Ihnen unangenehm. Da ist es natürlich viel kälter als hier herinnen, das wissen wir auch, aber im Leben, in der Realität schaut es nun einmal etwas anders aus. Daher: Raus aus dieser Komfortzone! Und ich glaube, das hätten sich auch die Unternehmer verdient. (Beifall bei den NEOS.)
Wir brauchen eine dynamische Gestaltung. Auch hier wieder Fehlanzeige! Wir brauchen eine dynamische Gestaltung! Sie sind Verwalter Ihres Systems und nicht Gestalter eines modernen unternehmerischen Österreich. Wir brauchen die Schaffung von neuen Arbeitswelten im Hinblick auf Produktionsspitzen und Eingliederung von älteren Mitarbeitern. Unternehmen Sie endlich etwas und unterlassen Sie nichts!
Viele sehen sich gezwungen, Arbeitsplätze abzubauen, weil es eine Verstarrung der Arbeitszeiten und Arbeitswelten gibt. All jene, die Spitzen in der Produktion haben, zum Beispiel im Herbst bei den Winterschuhen, können diese Spitzen nicht mehr abdecken, fahren ihren Betrieb zurück und stellen weniger Mitarbeiter ein. – Ist das das, was Sie wollen? Das betrifft all jene, die keine unternehmerischen Freiheiten besitzen.
Daher geht es darum, unternehmerische Freiheiten zu schaffen und dieses Bürokratiemonster abzubauen, von dem selbst Leitl von der Kammer der gewerblichen Verhinderung spricht. Wir wollen hier auch nicht vergessen, er hat dieses Monster mit gefüttert, und es ist so groß und stark geworden mit seiner Zustimmung. Das ist die Realität. Ohne unternehmerische Freiheiten steuern wir auf eine Arbeitslosenzahl von 450 000 zu, das wissen Sie, das ist Ihnen bekannt. Es muss in einer nationalen Kraftanstrengung gelingen, hier gegenzusteuern, und dabei wollen wir Ihnen auch helfen, weil Sie in Ihrer Starrheit gefangen sind, in der Starrheit der Sozialpartnerschaft und der Zwangsmitgliedschaft, die das voraussetzt.
Wir werden daher heute einen Vorschlag für eine „nationale Wachstumsoffensive“ einbringen. Beziehen Sie bei dieser Offensive auch die Oppositionsparteien mit ein und be-
weisen Sie, dass Ihnen diese 450 000 Arbeitslosen zu Weihnachten 2015 nicht egal sind! Andernfalls ist Ihnen wirklich der Vorwurf zu machen, dass Ihnen dieses Land um Ihrer selbst willen egal ist, wie es meinen Kindern mittlerweile egal geworden ist und diese die Flucht aus diesem Land ergreifen.
Wir leisten den Offenbarungseid und legen unsere Vorschläge, die sich selbst finanzieren, auf den Tisch:
1. Mentalitätsreform: Unternehmertum ermöglichen, statt es zu regulieren.
2. Bildung: Bildung als einen maßgeblichen Zukunftsfaktor Österreichs zu etablieren.
3. Bürokratie-Abbau jetzt: Dieses Thema auch ernst nehmen und nicht nur Anträge einbringen!
4. Budget generationengerecht gestalten.
5. Steuerreform: eine Steuergesetzgebung, die dem Titel „weniger, einfacher und generationengerecht“ entspricht.
6. Innovation durch alternative Finanzierungsmöglichkeiten ermöglichen und nicht durch Gewerbeordnung und Kurzsichtigkeit verhindern.
7. Arbeitsmarkt: Diesen können Sie nur wiederbeleben mit einer Flexibilisierung von Beschäftigung und einer Fachkräfteoffensive.
Liebe Bundesregierung! Lieber Herr Bundeskanzler! Hören Sie bitte auf zu unterlassen und unternehmen Sie endlich etwas im Sinne dieser jungen Unternehmer, der jungen Menschen und dieser Masse von Arbeitslosen! – Ich danke vielmals. (Beifall bei den NEOS.)
15.19
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Bundeskanzler Faymann gemeldet. – Bitte, Herr Bundeskanzler.
15.20
Bundeskanzler Werner Faymann: Sehr verehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Frau Staatssekretärin! Sehr verehrte Abgeordnete! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zwar auf einige Punkte eingehen, die Sie in Ihrer Rede als konstruktive Punkte formuliert haben, zuerst aber etwas zur erwarteten Gegenüberstellung sagen.
Sie kommen als Abgeordneter einer Oppositionspartei ans Rednerpult – es hätte dafür auch nicht extra der NEOS bedurft –, um uns etwas vorzurechnen und Österreich so darzustellen, als wäre alles, was die Regierung macht, falsch und alles, was Sie an Überschriften mitgebracht haben, richtig. Jetzt komme ich als österreichischer Bundeskanzler und sage, die Regierung arbeitet großartig in folgenden Punkten. – Für diese Art der Auseinandersetzung hätte es keiner neuen Partei bedurft. Das ist nämlich nicht neu, sondern ein Stil, der in diesem Haus ohnehin viel zu oft gepflegt wird. Ich werde mich bemühen, gemäß meiner Rolle darüber aufzuklären, was alles in unserem Land positiv ist, und dann auch auf einige Punkte eingehen, bei denen Sie meiner Meinung nach richtige Ansätze haben und die wir gemeinsam weiterentwickeln sollten.
Zuerst dazu, wie schrecklich alles gemäß Ihrer Auflistung ist und dazu, dass man in Österreich ja kaum mehr Unternehmer werden möchte. Kurz nur zu den Zahlen und Fakten, auch zur Frage der Beschäftigung:
Mit knapp 3,5 Millionen unselbständig Beschäftigen sind in Österreich so viele Menschen in Arbeit wie nie zuvor. Wir haben zusammen mit Deutschland die niedrigste Arbeitslosigkeit und die zweitniedrigste Jugendarbeitslosigkeit in der Europäischen Union. Österreich ist eines von sechs Ländern in der EU, in denen die Armutsgefährdung
seit 2008 gesunken ist. In Österreich sind die privaten Investitionen seit Beginn der Krise stabil geblieben. In der großen Mehrheit der europäischen Länder sind sie gesunken. Auf diese Entwicklung reagiert die EU nun mit dem 300-Milliarden-€-Paket und vielen anderen Maßnahmen, auf die die Europäische Union noch nicht ausreichend vorbereitet ist, über die aber heftig diskutiert wird. – Auf diese Maßnahmen komme ich noch zu sprechen.
Die Forschungsquote in Österreich ist trotz Krise von 2,6 im Jahr 2008 auf 2,8 Prozent im Jahr 2013 gestiegen. Ich werde dann auch zu einigen Initiativen, die Sie in Überschriften angesprochen haben, Stellung nehmen.
Nun zu Ihrem Dringlichen Antrag im Zusammenhang mit Ihren Ausführungen. Sie führen an, was in Deutschland besser ist. Jawohl, in Deutschland gibt es eine Reihe von Punkten, die auch in der Gegenüberstellung zeigen, dass Deutschland nicht nur die stärkste Wirtschaftsnation der Europäischen Union und eine der stärksten Wirtschaftsnationen der Welt ist, sondern auch bei einigen Faktoren durchaus im Vergleich eine Rolle spielt und teilweise auch besser ist.
Ich nenne Ihnen aber auch einige Punkte, in denen Österreich deutlich voranliegt (Abg. Podgorschek: Ja, Anzahl der Parteien!): In acht von zwölf Monaten hatte Österreich eine geringere Arbeitslosigkeit als Deutschland. – Das finden Sie vielleicht witzig, weil Ihnen die Arbeitslosigkeit egal ist, Hauptsache Oppositionsgeschrei. Anteil der Niedriglohnempfänger unter 10 € brutto – das ist Ihnen egal, Herr Abgeordneter von der FPÖ, aber uns nicht –: Österreich – 15 Prozent, Deutschland – 22,2 Prozent. Anteil unfreiwilliger Teilzeit: Österreich – 11,7 Prozent, Deutschland – 16 Prozent. Anteil Langzeitarbeitsloser: Österreich – 24,8 Prozent, Deutschland – 45,2 Prozent. Als letzter Vergleich – BIP pro Kopf 2013 –: Österreich – 34 200 €, Deutschland – 32 800 €.
Nun zu Ihrer Auflistung, wie das Ranking im Standortvergleich aussieht. Eine durchaus ernstzunehmende Frage, aber man muss sich bemühen, etwas mehr in die Tiefe zu gehen und nicht nur mit Überschriften zu agieren. Ich werde versuchen, das an drei Beispielen zu zeigen.
Sie haben in Ihrem Dringlichen Antrag das Standortranking des World Economic Forum, den Global Competitiveness Report herangezogen, wo wir auf Platz 21 liegen und, wenn ich es richtig in Erinnerung habe, von Platz 16 auf Platz 21 abgefallen sind. Ich habe mir diesen Bericht sehr genau angesehen und möchte drei Punkte erwähnen, um zu zeigen, dass man in ein und demselben Bericht einerseits durchaus berechtigte Kritik und Anregungen finden kann, aber andererseits auch Bereiche, hinsichtlich derer man bewusst sagen soll, das sehen wir anders.
Zuerst einmal: Als Basis dieses Reports wurden 71 Wirtschaftstreibende befragt. Ich sage zu diesem Sample nur: Es handelt sich um eine Befragung von Managern oder Unternehmern und, wie „profil“ richtig berichtet hat, es geht um 71 Personen. Diese 71 Personen haben hinsichtlich verschiedener Faktoren ihre Meinung zum Ausdruck gebracht. 21 Prozent sind der Meinung, wir haben eine zu hohe Steuerlast. Sie wissen, dass wir bei der Steuerreform, gerade, wenn es um das Verhältnis von Besteuerung Arbeit und Besteuerung Vermögen, um die Entlastung der Arbeit und um mehr Netto vom Brutto geht, eine sehr intensive Diskussion führen. Also 21 Prozent sprechen etwas an, was für uns zu den zentralen Aufgaben der nächsten Wochen gehört.
18 Prozent – wobei man immer mitbedenken muss, dass das Sample aus 71 Leuten besteht – sprechen von einem restriktiven Arbeitsrecht. (Zwischenruf des Abg. Katzian.) Sie kennen die Diskussion über den Arbeitnehmerschutz in Österreich sehr genau und auch die Frage, wie sich dieser auf festem Boden entwickelt, um Menschen auch in der Arbeitswelt zu schützen. Unter geänderten Bedingungen erfordert das manches Mal Weiterentwicklungen. Das ist etwas, was man als Wirtschaftstreibender durchaus an-
führen kann, was aber doch in der österreichischen Diskussion, in der sozialpartnerschaftlichen Diskussion eine Frage des Interessenausgleiches ist, weshalb man nicht so eindeutig sagen kann: Bitte, wenn der Arbeitnehmerschutz diesen Wirtschaftstreibenden zu restriktiv ist, dann streichen wir ihn und, falls diese 71 Menschen noch einmal gefragt werden, dann sind wir beim nächsten Report aufgestiegen.
Also zeigt sich, dass man in die Tiefe gehen muss, wenn man es ernst meint. Wenn man nur irgendwie ein bisschen vorkommen will, kann man das machen, auch oberflächlich. Wenn man es jedoch ernst meint, müsste man sich die Mühe machen, in die Tiefe zu gehen.
Ich sage Ihnen noch etwas aus demselben Bericht: Wir sind auf Platz 142 von 144 Plätzen bei der Frage der Flexibilität der Lohnfestsetzung – also für die, die es ohnehin wissen, leicht zusammenzufassen: weil wir Kollektivverträge haben und eine Sozialpartnerschaft, die über die Kollektivverträge wie kaum ein anderes Land ganz breite Felder der Arbeitswelt abdeckt. Das ist schlecht für uns, wir sind, obwohl wir in dem Ranking insgesamt dann doch auf Platz 21 sind, bei dieser Frage eben nur auf Platz 142, weil wir Kollektivverträge haben. Sehen Sie, ich bin stolz darauf, dass Österreich Kollektivverträge hat, die für so viele Menschen einen Schutz bieten. (Beifall bei der SPÖ.)
Nun kommen wir zur Frage der Finanzierung – ebenfalls ein Punkt, der in diesem erwähnten Report, aber auch in anderen Berichten und Befragungen eine Rolle spielt. In einem Bericht, den die Europäische Zentralbank im November 2014 herausgebracht hat, geht es um die Frage, wie denn der Zugang der kleineren und mittleren Unternehmen zu Krediten ist. In Österreich geben 8 Prozent der KMUs an, Probleme beim Zugang zu Krediten zu haben. Damit haben wir – mit Belgien – den niedrigsten Wert in der Eurozone! Trotzdem will ich die 8 Prozent nicht unterschätzen und meine, dass sich jede Arbeitsplatzinitiative nicht nur mit möglichen Investitionen beschäftigen muss, sondern auch damit, wie Österreich Finanzierungsformen schaffen kann – im öffentlichen, im öffentlich-privaten Bereich –, sodass diese 8 Prozent noch weniger werden. Ich möchte diese 8 Prozent keineswegs unterschätzen, aber der durchschnittliche Wert in der Eurozone liegt bei 15 Prozent, und größere Länder – auch Nachbarn – liegen bei weit über 20 Prozent. Also ist der Bericht der Europäischen Zentralbank bei der Frage des Zugangs von kleineren und mittleren Unternehmen ein Beispiel dafür, dass wir deutlich besser als andere liegen und noch besser werden können.
Der Bericht der Nationalbank zur wirtschaftlichen Lage sagt auch, dass die Wachstumsrate der Kredite an Unternehmen in Österreich mit rund 1 Prozent im August 2014 – und ich möchte mehr Wachstum als 1 Prozent – deutlich über jener des Euroraums liegt, denn diese beträgt minus 2,2 Prozent.
Wenn man also ein bisschen in die Tiefe geht, zeigt sich: Man kann wie so oft im Leben alles, was an Äußerungen getätigt wird, in negativ, neutral und positiv einteilen. Dann kommt man hier ans Rednerpult, nimmt alles Negative, übertreibt es maßlos, spitzt es auf ein paar flotte Überschriften zu, geht wieder auf seinen Platz zurück und hat das Gefühl, einen Beitrag geleistet zu haben. Ich bin der Meinung, ein Beitrag einer Partei, die sich gerade in der Frage des Wirtschaftsstandorts so exponiert, wie Sie das tun, und die das auch ihren Wählerinnen und Wählern gegenüber immer so vorbringt, verdient es doch, intensiver diskutiert zu werden, zum Beispiel dahin gehend, wo Vorschläge des Rechnungshofes realisiert werden können.
Frau Kollegin Moser hat das letzte Mal gefragt, was eigentlich aus den Regierungs-Rechnungshof-Terminen geworden ist, wo Minister und Mitglieder des Rechnungshofes alle Berichte gemeinsam durchgehen, um die Frage zu klären, was davon als Maßnahmen für effizientere Verwaltung umgesetzt werden kann. Wir haben noch zwei Runden vor uns und wollen danach einen Bericht legen, weil ich das sehr ernst nehme, vor allem in einer Zeit, in der wir ein geringeres Wirtschaftswachstum zur Verfügung ha-
ben als die Generationen, die politisch insbesondere seit den siebziger Jahren tätig waren.
Ich rechne auch nicht damit, dass es so einfach sein wird, das Wirtschaftswachstum auf europäischer Ebene wieder kurzfristig auf 5, 6 oder 7 Prozent hinaufzubringen – weder mit flotten Sprüchen, noch – auch das ist nicht so einfach – mit inhaltlichen Programmen, weil der Zusammenhalt und die Ordnung in der Europäischen Union, gemeinsam Instrumente einzusetzen, die die Forschung, die Bildung, das Wachstum vorantreiben, gar nicht vorhanden ist, weil der Bau dieser Instrumente in der Eurozone erst entwickelt werden muss, weil wir jetzt – und da stimme ich mit Ihnen überein – genau in diesem Moment Politik machen, in dem sowohl die Instrumente auf europäischer Ebene gestärkt werden müssen, als auch Effizienzverbesserungen, Entbürokratisierung und auch Maßnahmen zum Thema Föderalismus jetzt zur Stunde aktiv angegangen werden müssen und weil wir darüber hinaus die Stärken unseres Landes zu beachten haben.
Die Stärken unseres Landes sind auch folgende: Wenn ich Manager oder Unternehmer über Österreich frage, solche, die im Ausland gearbeitet haben, oder jene, die ich im Zuge meiner Auslandsaufenthalte besuche, dann schwärmen die von Österreich, weil das Sozialsystem, das Gesundheitssystem, das Bildungssystem und die Art, wie Menschen miteinander umgehen – man kann es Stabilität, man kann es sozialer Friede nennen –, etwas ist, das Österreich besonders lebenswert macht.
Arbeiten Sie doch mit uns daran, unsere Stärken weiter zu stärken und bei unseren Schwächen etwas zu verbessern! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)
15.32
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Herr Klubobmann Dr. Strolz. – Bitte.
15.32
Abgeordneter Mag. Dr. Matthias Strolz (NEOS): Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundeskanzler! Frau Staatssekretärin! Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger an den Bildschirmen und auf der Besuchergalerie! Es steht jetzt ein Dringlicher Antrag der NEOS zum Thema Wirtschaftsstandort zur Debatte. Danke, Herr Bundeskanzler, dass Sie uns zur vertiefenden Auseinandersetzung einladen, denn diese wollen wir in der Tat führen. Ich glaube, wir haben immer wieder, zuletzt letzte Woche mit unserem Steuerreformkonzept, bewiesen, dass wir die Auseinandersetzung in der Tiefe führen. Ich darf Ihnen anschließend das erste durchgerechnete Steuerreformkonzept einer österreichischen Parlamentspartei mitgeben. Wir haben es mit externen Expertinnen und Experten durchgerechnet und haben auch eine umfassende Entlastung des Faktors Arbeit mit integriert. – Darauf komme ich noch zu sprechen. (Abg. Lichtenecker: Wir haben das seit ...!)
Ich möchte aber davor – Sie haben zu Recht Europa angeführt – unsere Herausforderung in den internationalen Kontext stellen, auch in den europäischen. Natürlich kann man jedes Ranking sezieren. Sie weisen mit Recht auf die bedenklich kleine – was die Fallzahl betrifft – Umfrage des World Economic Forum hin. Ich möchte mich aber nicht an einer einzigen Umfrage aufhängen. Die Problematik ist, Herr Bundeskanzler, dass Österreich bei allen Indikatoren in die falsche Richtung zeigt. Das ist das Bedenkliche. Österreich hat eine absolute Rekordarbeitslosigkeit. Eine Arbeitslosigkeit mit einer Zahl von Schulungsteilnehmerinnen und -teilnehmern von 456 000 mit Ende Dezember. Das hat es in den letzten zwei Generationen in dieser Form nicht gegeben. Eines ist auch klar: Wir werden wahrscheinlich auf die 456 000 im heurigen Jahr noch weitere fast 50 000 drauflegen, so wie es ausschaut. Das heißt, es wird 2015 eine halbe Million Menschen arbeitslos unter dem Weihnachtsbaum sitzen, mit Angehörigen sind weit
über eine Million Menschen betroffen. Zwei Generationen lang war dieses Phänomen in dieser grassierenden, galoppierenden Entwicklung nicht bekannt.
Zweitens: Wir stürzen in sämtlichen Innovationsrankings ab. Da können Sie verschiedene Studien zitieren und vielleicht auch manche hinterfragen, aber das Bild ist einheitlich. Wir stürzen in sämtlichen Standardvergleichen ab, nicht nur im World Economic Forum. Gerade heute hat auch Ernst & Young eine Befragung von europaweit 6 000 Unternehmerinnen und Unternehmern, 250 davon in Österreich, präsentiert. Da kann man auch sagen: Das sind mir nicht genug, aber das Bild, das hier gezeichnet wird, bestätigt das, was wir aus anderen Umfragen wissen: Österreich hat einen hohen Pessimismus, der österreichische Mittelstand ist der pessimistischste unter 21 Ländern – nach den Griechen. Also die Griechen sind noch hinter uns, aber die werden wir uns nicht als Vorbild nehmen, hoffe ich.
In Bildungsvergleichen verfestigen wir uns seit Jahren im schlechten Mittelfeld. In Universitätsvergleichen sind wir nicht einmal schlechtes Mittelfeld. Das heißt: Wir sind nur führend bei der Arbeitslosigkeit und bei der Staatsverschuldung, wo wir massiv und schnell nach oben klettern; sie hat sich in den letzten zehn Jahren nominell verdoppelt. Und wir verschlechtern uns auch an allen anderen Ecken, die wir bräuchten, um das Ding zu drehen. Deswegen, glaube ich, hat das schon große Dringlichkeit.
Einerseits müssen Sie gegensteuern, und ich erwarte mir von der österreichischen Bundesregierung, vom Bundeskanzler, vom Vizekanzler, von ÖVP, von SPÖ, dass sie auf europäischer Ebene aktiver werden. Es sind die Konservativen und es sind die Sozialdemokraten, die uns mit in diese Krise geführt haben. Und es sind die Konservativen und die Sozialdemokraten, die uns offensichtlich nicht aus dieser Krise herausführen können.
Amerika war genauso in dieser Krise. Wir sind demnächst im achten Jahr der Krise. Die USA haben den Weg aus der Krise gefunden, Europa hat ihn nicht gefunden. Die Konservativen und die Sozialdemokraten haben diesen Weg nicht gefunden. Was gilt es zu tun, Herr Bundeskanzler? Und dafür sollten Sie kämpfen: Wir sollten entschlossen den gemeinsamen Markt in Europa innerhalb der EU vollenden. Der gemeinsame Markt ist nicht komplett. Zum Beispiel der Energiemarkt ist nicht komplett. Er ist dominiert von chauvinistischen, protektionistischen Akteuren. Zahlen tun das natürlich die Kunden, die Konsumenten und Konsumentinnen, mit überhöhten Energiepreisen, aber natürlich auch und gerade die Unternehmen.
Wir haben es nicht geschafft, einen digitalen Markt aufzubauen. Wenn ich heute mit einem Handy über die Grenze fahre, dann fällt mir immer noch das Internet aus. Das ist absurd im Jahr 2015! Wenn Sie in den USA über Bundesstaatsgrenzen fahren, passiert Ihnen das natürlich nicht.
Wir haben es damit auch nicht geschafft, diese gesamte IKT – Informations- und Kommunikations-Technologie – als Wachstumsbranche zu befeuern, wie es die USA geschafft haben, mit ganz vielen Start-ups, die da unterwegs sind. Wir schaffen das nicht! Wir haben es nicht geschafft, auch in Österreich nicht, zum Beispiel die Leistungen unserer Universitäten in Start-ups zu übersetzen. Rund um jede technische Universität in Österreich – wir haben jedenfalls eine in Wien, in Graz und in Innsbruck – sollten doch viele Unternehmen entstehen! Das geschieht aber nicht!
Sie haben es als SPÖ und ÖVP, als Sozialdemokraten und Konservative auch zugelassen, dass es heute so ist, dass der Mittelstand von 100 € Gewinn 53,75 € für Körperschaftsteuer und Kapitalertragsteuer zahlt, während IKEA, Amazon und Starbucks null Euro zahlen! Sie würgen den Mittelstand ab! Dafür müssen Sie natürlich Lösungen finden, und dafür müssen Sie eintreten – zuerst auf europäischer Ebene und dann auf weltweiter Ebene. So killen wir unser europäisches Sozialmodell und Lebensmodell und
auch den Mittelstand in Österreich. Und dafür haben wir auch Lösungen präsentiert. (Beifall bei den NEOS.)
Abschließend zur Steuerreform: Wir haben – ich darf es Ihnen dann übergeben – ein Konzept vorliegen, in dem wir auf der Ausgabenseite Vorschläge im Umfang von 19 Milliarden € machen. Wir liegen bei den Ausgaben 22 Milliarden € über Deutschland. Wir liegen über 50 Milliarden € über der Schweiz. Ja, die haben das Pensionssystem, das Sozialsystem anders organisiert. Wenn man das herausrechnet, liegen wir bei den Ausgaben 25 Milliarden € über der Schweiz. Wir haben Vorschläge im Umfang von 19 Milliarden €, damit lägen wir immer noch über Deutschland und der Schweiz. Wir schlagen eine Entlastung des Faktors Arbeit vor, wir nehmen die Lohnsummenabgaben hinunter. Wir haben auch bei der Einkommensteuer eine Entlastung von über 4 Milliarden € drinnen. Wir haben die Steuerverantwortung für die Bundesländer drinnen. Das führt zu mehr Rechenschaftspflicht, zu mehr Verantwortungskultur, zu mehr Accountability, würde der Engländer sagen. Das braucht es dringend in Österreich: Mentalitätsreform, wie Sepp Schellhorn es genannt hat.
Ich lade Sie ein, sich diese Vorschläge anzuschauen. Sie sind durchgerechnet, die Vorschläge auf der Ausgabenseite sind vom Rechnungshof, vom IHS und vom WIFO. Das ganze Konzept ist durchgerechnet von Economica, und ich glaube, das ist tatsächlich ein Beitrag zu einer tiefgehenden Auseinandersetzung und hoffentlich zu einer raschen Erneuerung. Österreich braucht Erneuerung. Und, Herr Bundeskanzler, dafür braucht es eine neue Partei! (Beifall bei den NEOS. – Abg. Strolz überreicht Bundeskanzler Faymann ein Exemplar des erwähnten Konzepts. – Abg. Krainer: Das ist kein Institut, das ist eine Propagandaabteilung! Eine Propagandaabteilung der IV! Die habt ihr als Referenz? – Abg. Strolz – das Rednerpult verlassend –: Das ist eine Verunglimpfung der IV! Nur weil die Sozialpartner ...! – Weitere Zwischenrufe. – Abg. Krainer: Das kannst du ja nicht „Institut“ nennen! – Abg. Strolz: Was soll das sonst sein?!)
15.39
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist nun Herr Abgeordneter Dr. Matznetter gemeldet. – Bitte.
15.40
Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Bundesministerin! Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren vor den Bildschirmen! Wir debattieren heute schon zum zweiten Mal auf Verlangen der NEOS. Ich habe ihnen in der Früh noch vorgehalten, dass ihre Programmatik ein bisschen dünn ist. Kollege Strolz hat mir dann alles gegeben, es ist ein fingerdickes Konvolut. (Abg. Strolz: Das ist nicht alles!) – Ja, Sie müssen nicht nervös werden. Es ist ja kein Problem, ich bin froh darüber, was die NEOS tun, und ich möchte die positiven Dinge hervorheben.
Ein Teil davon war eine Zeitschrift, die sich „MUT“ nennt. (Der Redner hält ein Exemplar in die Höhe.) Im Impressum steht als Blattlinie – korrekt nach § 25 Mediengesetz ausgewiesen –, dass es eine Information über die parlamentarische Arbeit des NEOS-Parlamentsklubs ist. Korrekt angegeben. Auch korrekt übertitelt, es heißt da nämlich zur Wirtschaftspolitik: „HEISSE LUFT“. Ich halte das für einen ehrlichen Ansatz, Herr Kollege Strolz!
Da ist so viel heiße Luft drinnen, dass
man sich wirklich fragt, wann tun Sie das ernsthaft. (Beifall bei
SPÖ und ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.)
Jetzt will ich nicht ungerecht sein, es gibt korrekte Beiträge, Frau
Kollegin (anhaltende Rufe und Gegenrufe zwischen der Abg. Meinl-Reisinger
und Abgeordneten der SPÖ), es ist nicht so dick, ich konnte es mir in der kurzen Zeit durchlesen. Es gibt
Pläne darin für ein neu-
es Österreich. Nein, es geht nicht um Neonbeleuchtung, obwohl es oben ja
mit NEOS überschrieben ist, es sind korrekte Aussagen drin. (Zwischenrufe
des Abg. Strolz.)
Herr Klubobmann! Auf Seite 30 – ganz korrekt! – steht fett gedruckt die Darstellung, was Österreich ist, und das ist viel ehrlicher als das, was Sie hier in die Anträge hineinschreiben. Da steht:
„Österreich ist ein attraktiver Wirtschaftsstandort, der sich durch eine sinkende Abgabenquote und klare Rahmenbedingungen auszeichnet,“
(die Abgeordneten Meinl-Reisinger und Strolz: Das ist die Vision!) – das kommt gleich, der Herr Bundeskanzler hat es Ihnen eh schon vorgelesen –
„auf die sich die Steuerzahler verlassen können. Die Menschen haben mehr Geld zur Verfügung, weil sie weniger Steuern zahlen müssen.“
(Abg. Vavrik: Das steht unter dem Kapitel Vision! – Weitere Zwischenrufe bei den NEOS.) – Sie haben kein Problem? – Lassen Sie Ihre Medikamentenfreigabe und Visionen links liegen, Herr Kollege, Sie haben genau das!
Während wir 2001 noch über 45 Prozent Steuer- und Abgabenquote hatten, sind wir jetzt noch bei 43,5, sinkend auf 43,18. (Zwischenruf des Abg. Strolz.) Das heißt, wir haben eine sinkende Quote. Ob der Standort funktioniert oder nicht – und da brauchen Sie nicht mit IV-Zahlen und Studien mit 71 oder 250 zu kommen –, zeigt, dass wir uns bei der Arbeitslosenrate unter 28 EU-Staaten mit nur einem Land um den ersten Platz duellieren, nämlich mit der Bundesrepublik Deutschland. Das zeigt, dass die Rahmenbedingungen in diesem Land unter den besten sind, die wir auf diesem Kontinent haben. In dem Fall und in dieser Form – wurscht, ob Vision draufsteht oder nicht – stimmt Ihr Text. Die Vision ist nämlich bereits Wirklichkeit, weil hier eine sehr sachliche und anständige Politik gemacht wird. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.) Da braucht es keine – in Ihren patzigen Worten – pralle Mischung. Das müssen Sie im Theater machen, Herr Strolz, hier geht es um ernsthafte Dinge. (Zwischenruf des Abg. Strolz.)
Ja, wir arbeiten an dieser Reform, wir arbeiten an einem Bürokratieabbau und wir bemühen uns um sinnvolle Rahmenbedingungen. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Strolz.)
Jetzt komme ich gleich zu dem, was Sie machen wollen. Wenn man nämlich weiterliest, muss man sagen, der erste Punkt in dem Bereich ist, dass Sie die Gewerbeordnung wegräumen wollen – am liebsten gar keine Zulassungskriterien mehr. (Abg. Meinl-Reisinger: Nein, das steht nicht drin!) – Nein? Welche denn? Für die Waffenhändler noch und für die Pharmaindustrie. (Abg. Strolz: Wo Leib und Leben bedroht ist!) Nur wo Leib und Leben bedroht ist? (Abg. Strolz: Ja!)
Reden wir doch gleich über die Qualität der anderen! Reden Sie doch einmal mit Menschen, die in England leben, wo es nicht um Zulassungsprobleme geht, wenn die einen Installateur brauchen! – Seit die Polen weg sind, gibt es nämlich gar keinen mehr. Sie finden nicht einmal mehr einen, der ihre Wasserleitung einbauen kann, sie finden gar keinen mehr.
Der Grund für die Qualität dessen, was wir in diesem Land erreicht haben – auch in Deutschland –, ist ein hoch qualitatives System mit einer dualen Ausbildung, wodurch unsere Leute die bestausgebildeten sind. Es wird sie aber niemand mehr etwas lehren, wenn der Herr Strolz kommt und sagt, dass es eh jeder machen kann. In diesem Sinne werden wir den verantwortungsvollen Weg fortschreiten. Wo es geht, werden wir Erleichterungen und Liberalisierungen machen, und wo wir es zum Erhalt der guten Qualität brauchen, werden wir weiterhin das gute österreichische Modell weiterführen. Und das heißt: Bildung, Ausbildung mit Qualität, und dann kann man in einem Beruf arbeiten. Diese Reihenfolge würde ich weder von den NEOS noch von jemandem anderen stören lassen, sie ist ein Garant für die Qualität unserer Betriebe.
Unsere Wirtschaftsbetriebe sind wirklich gut, Herr Strolz, wir brauchen diese Dinge doch nicht! Ernst & Young sagt selbst, dass das nicht mit der Wirklichkeit im Einklang
steht, der Pessimismus unbegründet ist und die Befragten, auch wenn es nur 250 sind, für den eigenen Betrieb optimistischer sind. Was heißt denn das? Des Kaufmanns erste Kunst ist das Jammern? Das können sie vielleicht auch sehr gut, die österreichischen Kaufleute, aber sie sind besser, als Sie sie darstellen, und besser als ihr Ruf.
Diese gute Politik in der Krise – immer höhere Wachstumsraten, immer niedrigere Arbeitslosigkeit –, diesen Kurs gehen wir weiter, denn das Gegenteil wäre eine höhere Arbeitslosigkeit und schlechter zu sein als der europäische Durchschnitt. Da ist mir Bundeskanzler Faymann lieber, mehr Wachstum als die anderen und weniger Arbeitslosigkeit – egal, ob lila oder nicht. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)
15.45
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Haubner. – Bitte.
15.45
Abgeordneter Peter Haubner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Geschätzte Frau Minister! Frau Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, wir müssen diese Diskussion auch auf eine andere Ebene führen, nämlich auf die Ebene, dass wir in ganz Europa eine wirtschaftliche Herausforderung haben, die wir eigentlich in den letzten dreißig Jahren noch nie hatten.
Schauen wir uns die Situation an: Wir haben seit mehr als einem Jahrzehnt das erste Mal wieder mitten in Europa eine kriegerische Auseinandersetzung. Wir haben eine Wirtschaftskrise, die schon länger als zwei Jahre dauert – nämlich ins achte Jahr geht –, und wir haben eigentlich in ganz Europa herausfordernde Aufgaben. Ich war gestern bei einem größeren Wirtschaftstreffen von Unternehmern in München. Wenn man sich das anschaut, ist zu sagen, dort ist die Stimmung in der Hinsicht natürlich auch nicht so, dass jetzt alle euphorisch von der großen Aufbruchsstimmung reden, sondern sie sagen, dass man diese Probleme, die es jetzt gibt, gemeinsam meistern muss.
Herr Kollege Schellhorn, ich komme auch aus einer Unternehmerfamilie. Ich habe von meinem Vater gelernt, dass man nicht jammern und nicht immer alles schlechtmachen, sondern schauen soll, dass man das Problem genau definiert und es dann löst. Ich glaube, es sind gemeinsame Vorschläge dabei. Das eine oder andere ist wahrscheinlich auch – wenn man Ihre Vergangenheit anschaut – aus Papieren vom Wirtschaftsbund, der Ihnen ja nicht ganz fremd ist, übernommen worden. Also werden wir wahrscheinlich das eine oder andere gemeinsam zur Lösung beitragen können und sicher auch beitragen.
Es ist ein sehr bemühtes Papier. Es besteht aus sehr vielen Überschriften, das hat der Herr Bundeskanzler schon gesagt, aber Überschriften allein genügen eben nicht. Es braucht auch Verhandlungen im Detail, und wir, die das für die Wirtschaft erfolgreich umsetzen, wissen, wie lang so etwas dauert. Es geht nicht von heute auf morgen und ist nicht mit einem Antrag getan, sondern man braucht Partner, man braucht gemeinsame Ziele und man muss dann auch die entsprechenden Verhandlungen führen.
Eines möchte ich Ihnen schon sagen, Herr Schellhorn: Wirtschaftskammerfunktionäre sind Persönlichkeiten, Unternehmerpersönlichkeiten, die sich für ihre Unternehmerkollegen einsetzen und die gemeinsam mit den Partnern auf der anderen Seite schauen, dass sie Rahmenbedingungen für die Unternehmer und für die Mitarbeiter schaffen, die zum Wohle des Standortes, zum Wohle der Unternehmer und auch zum Wohle des Miteinanders mit den Arbeitnehmern sind. Dafür möchte ich mich bei den Funktionären der Wirtschaftskammer auch ganz, ganz herzlich bedanken. (Beifall bei der ÖVP.)
Wenn Sie schon immer alle Maßnahmen kritisieren, sollten Sie vielleicht auch den richtigen Vergleich anwenden. Wenn Sie über die ÖBIB sagen, dass das das größte Come-
back seit jenem von Hermann Maier wird, dann kann ich Ihnen nur sagen, dass das Comeback von Hermann Maier äußerst erfolgreich war. (Allgemeine Heiterkeit.) Meiner Ansicht nach sind wir mit der ÖBIB sicher auf einem guten Weg und können das eine oder andere auch entsprechend für den Standort umsetzen. (Beifall bei der ÖVP.)
Im Gegensatz zu Ihnen, die Sie jetzt das erste Mal bei Unternehmen waren – das habe ich Ihren Worten entnommen –, sind wir ja schon seit Jahren dauernd bei den Unternehmen und wissen, wo der Schuh drückt. Momentan ist eben die Bürokratie eine der großen Herausforderungen, und deshalb haben wir auch Initiativen ergriffen. Der Wirtschaftsminister und Vizekanzler hat eine Plattform eingerichtet, an die sich die Unternehmer wenden und ihre Probleme mit der Bürokratie nennen können. Wir haben dann versucht, den ersten Teil abzuarbeiten. Auch wenn Sie die Initiative des Kollegen Matznetter und von mir als lächerlich darstellen – ich glaube, Sie haben diesem Antrag damals auch zugestimmt –, könnten wir in der Hinsicht – sage ich jetzt einmal – schon das eine oder andere gemeinsam schaffen.
Wenn man sich diese Erfolgsgeschichte des österreichischen Standorts anschaut, sieht man, dass wir das dritte Jahr hintereinander eine Exportsteigerung haben, dass wir wieder Exporteuropameister sind und dass wir das den Unternehmern zu verdanken haben – den Unternehmern, die 6 von 10 € im Ausland verdienen, davon 5 in Europa. Deshalb, glaube ich, ist es ganz wichtig, dass wir positiv an die Sachen herangehen und die Rahmenbedingungen, die zu Problemen führen, nachschärfen.
Deshalb zu den Punkten, die wir schon erledigt haben: Wir haben die Zahl der Beauftragten reduziert. Wir haben die Arbeitszeitaufzeichnungen erleichtert. Wir haben die Unternehmer von den Meldeschwellen für die Statistiken befreit. Wir versuchen also, Punkt für Punkt abzuarbeiten. Deshalb denke ich, dass wir die anderen Punkte, die noch zu machen sind, gemeinsam auf die Agenda setzen sollten. Und da finden sich sicher gemeinsame Punkte. „One in, one out“ ist sicherlich auch ein wesentlicher Punkt in unserer Forderungstabelle. Oder: Beratung statt Strafe, ganz wichtig. Es geht nicht darum, dass wir die Unternehmer dauernd bestrafen, sondern dass man erkennt, wo die Rahmen zu eng sind und man Toleranz walten lassen kann, da kann man beraten und weiterhelfen.
Zur Steuerreform – das ist ganz wichtig – sage ich nur einen Satz: Hier setzen wir lieber auf Schelling als auf Schellhorn. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)
15.51
Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter MMMag. Dr. Kassegger. – Bitte.
15.51
Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Wir haben jetzt vom Herrn Bundeskanzler gehört, es sei alles in Ordnung, alles tadellos, wir seien bei bestimmten ausgewählten Kennzahlen viel besser als andere, und deshalb bestehe kein Grund zur Sorge. Das ist nicht weiter verwunderlich. Verwunderlich wäre, würde er jetzt nicht seine Arbeit loben und sozusagen die Welt schönreden, sondern das Gegenteil davon sagen. Aber das ist das, was wir schon seit Monaten und Jahren hören.
Sie können jetzt natürlich wahllos Kennzahlen herausnehmen und immer welche finden, die uns im Vergleich mit einem anderen Land besser abschneiden lassen, aber Faktum ist, dass der Trend in Österreich bei fast allen relevanten Parametern sinkend oder fallend ist, und zwar seit Jahren, ganz besonders stark seit dem Jahr 2007. Das ist nicht weiter verwunderlich, da zu diesem Zeitpunkt, 2006/2007, die Regierung von
ÖVP und SPÖ gebildet wurde, also eine Regierung des Stillstandes. (Zwischenrufe des Abg. Matznetter.)
Ich versuche, jetzt ein bisschen strukturiert darzulegen, welche grundsätzlichen Sünden oder Kardinalfehler diese Regierung in diesen letzten Jahren gemacht hat oder zu welchen Zuständen sie geführt hat.
Kardinalfehler Nummer 1, Sünde Nummer 1 – je nach Geschmack –: Wir leiden an einem falsch verstandenen, ineffizienten Föderalismus, der wahnsinnige Doppelgleisigkeiten in den Bereichen Bildung, Gesundheit und Förderungen produziert. Wenn wir uns mit anderen Ländern – mit der Schweiz oder Bayern – vergleichen, dann sieht man, dass es dort ganz offensichtlich funktioniert. Diese Länder kommen mit wesentlich weniger Geld bei selbem Output aus.
Wir haben heute Vormittag von Kollegen Matznetter gehört, dass wir darüber nachdenken sollten – wir sind gerne bereit, uns dazu mit Ihnen zusammenzusetzen –, ob nicht die eine oder andere Verwaltungsebene – wir haben mittlerweile fünf – vielleicht zu viel ist. Wir haben einen Kammernstaat, seit 2007 eine in Verfassungsrang einbetonierte Sozialpartnerschaft mit bekannten Privilegien. Wir haben natürlich keine Neigung der von den Privilegien Profitierenden, von ihren Privilegien auch nur ein Jota abzuweichen. Das ist klar. Und solange diese von den Privilegien Profitierenden mehr als 51 Prozent in diesem Nationalrat stellen, wird sich allen Beteuerungen zum Trotz daran nichts ändern. Das ist Faktum.
Wir haben zweitens einen Bürokratiewahnsinn. Das ist schon mehrmals angesprochen und auch blumig mit vielen Beispielen ausgeführt worden. Es ist schon ein bisschen eigenartig, dass sich hier ausgerechnet Dr. Leitl als Präsident der Wirtschaftskammer zum Kämpfer gegen den Bürokratiewahnsinn aufspielt. Da frage ich mich, wer denn die letzten Jahrzehnte an der Macht war und jede Gelegenheit gehabt hätte, Rahmenbedingungen zu schaffen, die eben nicht dem Bürokratiewahnsinn entsprechen. (Beifall bei der FPÖ.)
Dritte Kardinalsünde: Wir haben ein leistungsfeindliches Steuersystem. Es ist relativ egal, ob man 1 100 € brutto, 1 200, 1 800 oder 2 200 € – da ist ungefähr der Break-even-Point – verdient. Über die entsprechenden Förderungen, Subventionen wird das dann wieder so umverteilt, dass unter dem Strich letztlich dasselbe für eine Familie mit zwei Kindern herauskommt.
Wir haben – Kardinalfehler Nummer 4 –, und das ist Faktum, eine global nicht wettbewerbsfähige Kostenstruktur für die Industrie und die kleinen und mittelständischen Unternehmer. Das wissen Sie. Insbesondere der Faktor Arbeit fällt mit den enormen Lohnnebenkosten einfach zu hoch aus. Auch bei den Energiekosten könnten wir diskutieren. Im internationalen Vergleich sind wir auch da in vielen Bereichen zu hoch. Daraus resultiert eine – ob das jetzt 43 oder 45 Prozent sind – viel zu hohe Abgabenquote im Vergleich zu Deutschland mit 40 Prozent. Allein die Differenz aus dieser Abgabenquote beträgt 15 Milliarden € jährlich. Wir fragen uns, wo diese 15 Milliarden € verdampfen. (Beifall bei der FPÖ.)
Kardinalfehler Nummer 5: Wir haben eine Zuwanderung ins Sozialsystem, die auch Milliarden kostet. Wir geben einfach falsche Anreize. Gleichzeitig haben wir Arbeitslosenzahlen, die explodieren. Gleichzeitig öffnen wir den Arbeitsmarkt für EU-Länder, möglicherweise auch für Nicht-EU-Länder. Wir schicken hier, das muss man bitte schön auch einmal sagen dürfen, falsche Signale aus, insbesondere an diejenigen, die zu uns kommen, von denen wir wissen, dass nur 10 Prozent tatsächlich verfolgt werden und die Asyltatbestände erfüllen, aber die übrigen 90 Prozent eben aus wirtschaftlichen Gründen zu uns kommen. Denen mache ich keinen Vorwurf. Ich mache denjenigen den Vorwurf, die die Rahmenbedingungen schaffen, die die Signale setzen und sagen, dass sie zu uns kommen sollen, weil bei uns Milch und Honig fließen, die sie dann in Lager
stecken und die dann nicht wissen, was man mit ihnen tun soll. Da muss man einmal sine ira et studio nachdenken, ob es nicht intelligentere Möglichkeiten gäbe. (Beifall bei der FPÖ.)
Kardinalfehler Nummer 6: Wir haben in den letzten Jahren eine enorme Staatsverschuldung aufgebaut. Ich habe mir das herausgesucht beziehungsweise steht es auch im Antrag: 1974 waren es 16 Prozent des BIP, mittlerweile sind es über 80 Prozent, 280 Milliarden €. Wir zahlen rund 8 Milliarden € allein an Zinsen. Das heißt, wir haben uns zulasten der kommenden Generationen verschuldet.
Wir haben, Kardinalfehler Nummer 7, im Bereich der Bankenverstaatlichungen – das wird in den entsprechenden Ausschüssen noch aufzuklären sein, aber ich stelle jetzt einmal die Hypothese auf – alles andere als ein glückliches Händchen bewiesen. Das kostet uns auch Milliarden. Wie viel genau, wird noch festzustellen sein.
Kardinalfehler Nummer 8: Wir lügen uns beim Pensionssystem ständig an. Das Pensionssystem in dieser Form funktioniert nach dem Umlageverfahren – das wissen wir –, das heißt, die im Erwerbsleben Stehenden finanzieren die Pensionen der sich in Pension Befindenden. Man darf also nicht immer so tun, als ob die sich in Pension Befindenden vom System her angespart hätten und dann aus diesen Ersparnissen einen Anspruch auf ihre Pension hätten. Das ist das Umlageverfahren. Und man muss so ehrlich sein und sagen, dass wir momentan bei den ASVG-Pensionen 10 Milliarden und bei den Beamtenpensionen noch einmal 8 Milliarden dazuzahlen. Das sind jedes Jahr 18 Milliarden € – also Hypo im Maximalausmaß. Wenn man sich die demographischen Entwicklungen anschaut, dann sieht man, dass sich das Problem nicht verringern, sondern massiv verschärfen wird. Sich hier herzustellen und zu sagen, dass die Pensionen gesichert sind, ist ein bisschen wenig und ein bisschen dünn.
Kardinalfehler Nummer 9: der ganze Bereich EU, Euro, EZB, ESM, was da im Stabilitätsmechanismus zur Stützung wovon auch immer – von Euro-Krisenländern et cetera – an Milliarden verschwindet. Wir haben da schon völlig die Relation verloren. Nur zur Erinnerung: Allein für den ESM haben wir bereits über 2 Milliarden überwiesen und für 19 Milliarden unterschrieben. Also da muten die Zahlen, die jetzt im Rahmen der großartig angekündigten Steuerreform ventiliert werden, geradezu wie Peanuts an. Da wird in Millionenkategorien gerechnet, und gleichzeitig unterschreiben wir für 19 Milliarden € mit einem Federstrich und ohne mit der Wimper zu zucken. Wir Freiheitliche haben damals selbstverständlich dagegen gestimmt. (Beifall bei der FPÖ.)
Kardinalfehler Nummer 10 betrifft unsere Diamanten, die Zukunft: die Bildung. Wir stürzen in allen Bildungsrankings ab, in den PISA-Studien, in den Uni-Rankings – die F&E-Quoten sind eine Katastrophe –, in den Innovationsrankings et cetera. Wir sollten da wirklich einmal einiges angehen: eine Reform der Schulverwaltung, die Themen Schulautonomie – das ist durchaus auch ein Thema, das die Zustimmung der Freiheitlichen bekommen kann –, das ganze Thema Entpolitisierung der Schulen, das ganze Thema Kompetenzen der Lehrer, Lehrer-/Pädagogenausbildung et cetera, die Output-Orientierung im Schulsystem. Eine Output-Orientierung ist nichts Böses und gehört hier noch viel stärker in den Mittelpunkt gestellt. Das ist im momentanen Zustand einfach nicht möglich, weil hier die Pfründe entsprechend aufgeteilt sind.
Elfte Kardinalsünde: TTIP, CETA werden sich zu einer Kardinalsünde entwickeln, insbesondere für den Mittelstand. Ich stelle hier die Hypothese auf – wir werden in ein paar Jahren sehen, ob ich recht habe –: insbesondere für den Mittelstand, aber auch für die traditionell kleinstrukturierte Landwirtschaft in Österreich. Falls das kommt, werden diese Gruppen noch harten Zeiten
Präsident Ing. Norbert Hofer: Herr Abgeordneter, ich möchte Sie erinnern: Sie wollten noch einen Antrag einbringen. Sie haben nur mehr wenig Redezeit. (Abg. Lichtenecker: Das ist unzulässige Beihilfe! – Heiterkeit bei Abgeordneten von Grünen und FPÖ.)
Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (fortsetzend): Dann spare ich mir den zwölften Punkt. Dieser würde die Russlandsanktionen betreffen. Aber das kann man zu einem anderen Zeitpunkt auch einmal zur Sprache bringen, welche Auswirkungen das wirklich auf die Wirtschaft hat. Ich kann ja nicht nur einfach sagen: Wir machen Sanktionen. Es gibt ja schon die neuesten Zahlen – die sind katastrophal – darüber, was diese Sanktionen an Einbußen gerade für die österreichische Exportwirtschaft, die vorhin so sehr gelobt worden ist, bringen.
Wir bringen
16.00
Präsident Ing. Norbert Hofer: Herr Abgeordneter, es tut mir leid, das geht sich leider nicht mehr aus, denn nach 10 Minuten ist die Redezeit bei dieser Debatte leider zu Ende. Man kann nicht länger reden. Aber es gibt sicher einen weiteren Redner, der bereit ist, diese Aufgabe zu übernehmen.
(Beifall bei der FPÖ für den das Rednerpult verlassenden Abg. Kassegger. – Abg. Matznetter: scheitert an einer einfachen Aufgabe! – Abg. Wöginger: Die Kardinalsünden waren zu lang! – Abg. Matznetter: Besser wäre eine Kardinalschnitte gewesen! – Abg. Wöginger: Ja! Da hätten wir wenigstens was davon!)
Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Dr. Lichtenecker. – Bitte, Frau Abgeordnete.
16.01
Abgeordnete Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Frau Staatssekretärin! Frau Ministerin! Werte Damen und Herren! Ja, Herr Bundeskanzler, Sie haben schon recht, Österreich ist ein guter Standort mit vielen engagierten Unternehmen, talentierten und fleißigen MitarbeiterInnen. Nichtsdestotrotz ist es ein Faktum, dass wir immer mehr an Boden verlieren. Und ein Kardinalproblem ist eine Mischung aus Stillstand, Blockadehaltung und – was besonders gefährlich ist – Selbstzufriedenheit. Die Selbstzufriedenheit dieser Bundesregierung, das ist ja vermutlich auch der Grund dafür, dass uns heute die Frau Ministerin für Inneres bei der Wirtschaftsstandortdebatte beehrt. (Abg. Rädler: Was war das?)
Lassen Sie mich aus den Themen, die Sie, Herr Bundeskanzler,
heute angesprochen haben, um zu belegen, dass Österreich ja gar nicht so
schlecht dasteht, ein paar Punkte herausgreifen. Sie haben gesagt, die
Arbeitslosenrate ist in Österreich relativ niedrig im Vergleich zum
europäischen Schnitt. Sie haben schon recht. Und Sie haben auch recht
damit, dass die Jugendarbeitslosigkeit im Vergleich zum europäischen
Schnitt relativ niedrig ist.
Nichtsdestotrotz kann und darf man es nicht relativieren, dass
55 000 jun-
ge Menschen in diesem Land ohne Arbeit sind. Das ist ein Riesenthema!
Die jungen Menschen brauchen ihre Chancen! Und ein wesentlicher Grundstein, bei
dem diese Regierung seit Jahren, seit Jahrzehnten versagt, ist die
Bildungspolitik – die Bildungspolitik, an der Sie gescheitert
sind. Das ist eines der Themen, die als Erstes angegangen werden
müssen.
Sie haben die Forschungsquote sowie deren Anstieg angesprochen. Stimmt, aber das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie seit Jahren stagniert, nämlich bei etwa 2,8 Prozent. Und vor allem: Was war denn das Ziel? – Ich darf Sie erinnern: Im Regierungsprogramm steht eine Forschungsquote von 3,76 Prozent als Ziel. Die Bundesregierung hat 2011 eine Forschungsstrategie beschlossen, deren Inhalt auch das ist. Nur, wir sind weit davon entfernt, das tatsächlich zu erreichen, und auch das ist ein Scheitern.
Herr Bundeskanzler, Sie haben ausgeführt, dass die Kreditvergabe durchaus passabel ist, und haben die Probleme ein Stück geringer geredet, als sie tatsächlich sind. Herr Bundeskanzler, gehen Sie hinaus in die Unternehmen! Reden Sie mit diesen! Die haben dieses Problem. Die Ein-Personen-Unternehmungen, die Klein- und mittelständi-
schen Unternehmungen, genau die, die wir als Stütze in den Regionen brauchen, haben das Problem. Und wenn Sie es nicht in den persönlichen Gesprächen mit den Unternehmern erfahren, dann können Sie das auch im Mittelstandsbericht 2014 der Bundesregierung nachlesen, beispielsweise: Der für 2014 prognostizierte Durchschnitt an Neukreditvergaben in Österreich ist der niedrigste seit 2009. – Allein das ist schon ein Symbol. Genauso wie die verschiedenen Gebühren, Sicherheitserfordernisse und Zinssätze für die Unternehmungen gestiegen sind, genauso stark ist es auch ein Problem. Und auch da ist diese Bundesregierung gescheitert.
Seit Jahren diskutieren wir ein Modell, damit sich auch Bürgerinnen und Bürger bei Unternehmungen beteiligen können – in einer Form, dass es einfach kostengünstig und rechtssicher für alle Beteiligten ist. Was ist bislang passiert? – Ein Miniwurf, und seither ist nichts weitergegangen. Es gab die Ankündigung, dass es im Juni etwas geben wird. Es gab die Ankündigung, dass es im Dezember etwas geben wird. Wir sind jetzt gelandet, und eines muss ich schon ganz klar sagen: Da von einem Oppositionsgeschrei zu reden, Herr Bundeskanzler, das geht gar nicht! Die Opposition ist hier, um entsprechend auf Dinge aufmerksam zu machen, um Vorschläge zu machen und dazu einzuladen, dass man endlich wieder einen progressiven Schritt weiter geht, vorwärts geht in den wichtigen Fragen, in denen Handlungsbedarf besteht. (Beifall bei Abgeordneten der Grünen.)
Wenn es darum geht, den Wirtschaftsstandort zu stärken, dann geht es auch darum, die Unternehmen zu unterstützen, nämlich all jene Unternehmen, die verantwortungsvoll wirtschaften, die faire Arbeitsplätze schaffen und dabei noch ressourcenschonend arbeiten. Genau darum geht es, und dazu braucht es auch ein Umdenken, dazu braucht es Reformen, dazu braucht es Rahmenbedingungen.
Eine der Rahmenbedingungen ist, dass massiv in die Zukunft, in Infrastruktur investiert werden muss. Das sind nicht nur Bildung und Forschung, sondern das sind beispielsweise auch die Breitbandnetze. Auch das ist verschleppt worden. Dabei ist genau das besonders wichtig für die ländlichen Regionen – für die ländlichen Regionen und die IKT-Wirtschaft.
Selbstverständlich ist es auch wichtig, in die Bereiche Umwelt und Klimaschutz zu investieren. Da sind wir weit hinten, aber wir wissen genau, dass wir Unternehmungen haben, die da hoch kompetent sind.
Und wenn es um Rahmenbedingungen für die Unternehmungen geht, na selbstverständlich geht es dann auch darum, für die Ein-Personen-Unternehmungen entsprechend gute Rahmenbedingungen zu schaffen, zum Beispiel bei der Sozialversicherung.
Herr Bundeskanzler, es geht nicht an, dass die Unternehmungen allein im Jahr 2013, wie eine aktuelle Anfragebeantwortung zeigt, 36,4 Millionen € an Verzugszinsen für die Sozialversicherungsanstalt bezahlen, bei einem Zinssatz von über 8 Prozent. Das geht nicht an! Die Unternehmungen brauchen dieses Geld selbst, um zu investieren! Und was steht im Regierungsprogramm? – Im Regierungsprogramm steht drinnen: Senkung der Verzugszinsen in der Sozialversicherung. Was ist geschehen? – Gar nichts. Auch da besteht also massiver Handlungsbedarf. Und es geht darum, jetzt zu handeln und nicht zuzuwarten, denn die Zeit läuft uns davon. Wir brauchen diese Rahmenbedingungen! Wir brauchen sie, um Arbeitsplätze zu schaffen, um Gesellschaft zu gestalten und auch die Zukunft zu sichern.
Und die Zukunft sichert man nur dadurch, dass man auch mutig voranschreitet. Jetzt haben wir nämlich das Problem, dass man letztendlich die Vergangenheit bewirtschaftet, den Stillstand verwaltet und auf die Zukunft vergisst. Wir werden dafür sorgen, dass wir auf die Zukunft achten, die Zukunft nicht vergessen und in jedem Fall hier proaktiv handeln und die entsprechenden Schritte setzen. (Beifall bei den Grünen.)
16.09
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Klubobfrau Dr. Nachbaur. Ich habe 10 Minuten Redezeit eingestellt, das ist auch die höchstzulässige Redezeit für einen Debattenbeitrag zu einem Dringlichen Antrag. – Bitte, Frau Klubobfrau.
16.09
Abgeordnete Dr. Kathrin Nachbaur (STRONACH): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Frau Staatssekretärin! Liebe Kollegen im Hohen Haus! Und sehr geehrte Steuerzahler! Wir wissen, dass wir seit der Regierung unter Bundeskanzler Faymann, seit dem Jahr 2008 in allen Rankings abfallen. Interessant ist vor allem Folgendes: Die SPÖ zeigt immer gerne auf das Schüssel-Kabinett. Da gab es tatsächlich einige erstaunliche Charaktere, die kann jeder bewerten, wie er gerne möchte, aber eines ist auch klar: Die heutige Regierung lebt noch immer von der Reform und Wirtschaftspolitik von damals, genauso wie die Regierung von Frau Kanzlerin Merkel immer noch von der Politik Schröders lebt, wie man im renommierten „Handelsblatt“ gerne nachlesen kann.
Vernünftige Wirtschaftspolitik kann also theoretisch von jeder Partei gemacht werden, wenn sie nur ihren Hausverstand einsetzt und auch bereit ist, eine gewisse Courage an den Tag zu legen und den Sparstift möglicherweise bei der eigenen Klientel anzusetzen. Aber diese Regierung hat in erster Linie ihren eigenen Machterhalt und ihre eigene Klientelpolitik im Auge, und insbesondere für die SPÖ heißt das: mehr Umverteilung. Wir haben aber die Grenzen der Umverteilung in unserem Land bereits überschritten. (Beifall beim Team Stronach.)
Die OECD sagt, nirgendwo auf der Welt wird so stark umverteilt wie in Österreich. Es gibt hier nur 1,9 Millionen Netto-Steuerzahler, dafür gibt es 3,6 Millionen Netto-Steuerempfänger. Dennoch wird hier der Klassenkampf ausgerufen. Aber der Klassenkampf führt nicht zu mehr Wohlstand, sondern nur zu mehr Neid. Das, was wir brauchen, ist vielmehr die Freiheit, Wohlstand schaffen zu können, und zwar nicht nur die oberen Zehntausend, sondern die breite Masse der österreichischen Bevölkerung. (Beifall beim Team Stronach.)
Der Staat nimmt den Menschen aber leider fast alles weg. Es ist hierzulande schier unmöglich geworden, sich durch fleißiges Arbeiten einen kleinen Wohlstand aufzubauen und sich damit aus der Abhängigkeit dieses staatlichen Systems mit den Zuwendungen zu befreien. In Österreich ist es viel leichter geworden, Leistung einzufordern als Leistung zu erbringen. (Beifall beim Team Stronach.)
Deshalb brauchen wir mehr Leistungsgerechtigkeit, nicht nur Verteilungsgerechtigkeit. Arbeiten muss sich wieder lohnen! Die Regierung muss einsehen, dass sie einmal bei sich und dem dicken Staat sparen muss und nicht immer bei den Menschen, die dann mit almosenartigen Sozialleistungen versorgt werden. Dafür ist die Stadt Wien das allerbeste Beispiel.
Die Stadt Wien ist mit 220 000 Gemeindewohnungen der größte Immobilienbesitzer Österreichs und hält damit eine halbe Million Menschen in Abhängigkeit. (Abg. Rossmann: Besser als in Abhängigkeit der Immobilienhaie!) – und in kostspieliger Abhängigkeit noch dazu, denn nirgends ist das Wohnen so teuer wie in Wien. Man zockt die Mieter ab und verhindert das Schaffen von Eigentum. (Beifall beim Team Stronach.) Eigentum wird hierzulande bestraft, es grüßt schon die höhere Grundsteuer.
Für diesen aufgeblasenen Staatsapparat ist einfach nie genug Geld da, und um an mehr Geld heranzukommen, spielt insbesondere die SPÖ immer am Neidklavier: Die Reichen müssen zahlen!
Aber schauen wir uns einmal die Statistik an: Die obersten 10 Prozent zahlen fast 52 Prozent aller Lohn- und Einkommensteuerleistungen. Also die Reichen zahlen ja! Und nicht
zu vergessen: Die sogenannten Reichen schultern in der Regel ein großes unternehmerisches Risiko und schaffen Arbeitsplätze, und zwar Arbeitsplätze, die Steuergeld bringen. Wenn der Staat etwas macht, dann kostet das Steuergeld.
Daher einmal ein Danke an jeden, der einen privaten Arbeitsplatz schafft, und an die fleißigen Mitarbeiter dieser Unternehmer. Danke. (Beifall beim Team Stronach.)
In Zeiten der Rekordarbeitslosigkeit ist es das Allerletzte, was wir brauchen, dass wir die Steuerkühe zu Tode melken und aus dem Land jagen. Hier bietet übrigens Frankreich ein eindrucksvolles Negativ-Beispiel. Ökonomen haben ausgerechnet, dass dort die mittlerweile zu Recht wieder abgeschaffte Reichensteuer nur 420 Millionen € ins Budget gespült hat, während es gleichzeitig einen geschätzten Geldabfluss von 75 Milliarden € gab. Das muss man sich einmal vorstellen: Einnahmen von 420 Millionen – dafür haut das Kapital ab: minus 75 Milliarden! Die Reichen wandern ab! Hohe Schulden, wenig Wachstum und ein riesiger Staatsschuldenberg in Frankreich sind die Folge. Frankreich hat mehr Schulden bei der EZB als Griechenland.
In Österreich ist es medial irgendwie untergegangen, dass das alles wieder abgeschafft wurde. Vielleicht wollte man dieser Hollande-Pleite nicht zu viel Platz einräumen. Aber die Reichensteuer war jedenfalls eine bürokratische und sehr, sehr teure Schnapsidee. Ich hoffe, der eine oder andere Politiker bei uns lernt davon etwas. (Beifall der Abg. Dietrich.)
Ich finde auch die Rechenmodelle aus Richtung Gewerkschaft und der Arbeiterkammer höchst unseriös und unfair, denn staatliche Pensionsanwartschaften werden in ihren Modellen gar nicht mit eingerechnet. Wenn sich ein Selbständiger also im Laufe von Jahrzehnten 1 Million € anspart, um Geld für seinen Ruhestand zu haben, dann soll ihn die Reichensteuer-Keule voll treffen, während ein Staatsbediensteter oder Gewerkschaftsfunktionär seine Pensionsmillion oder -millionen in monatliche Teilbeträge aufgeteilt ausbezahlt bekommen soll, wo selbstverständlich keine Reichensteuer anfällt. Das ist wirklich hochgradig unfair. (Beifall beim Team Stronach.)
Und was die Erbschaftssteuer anlangt: Wenn man das Betriebsvermögen ausnimmt, was man ja tun muss, um den Wirtschaftsstandort nicht endgültig zu begraben, dann kostet deren Einhebung deutlich mehr, als sie bringt – außer, dass sie vielleicht den einen oder anderen Neidkomplex befriedigt.
Soziale Gerechtigkeit ist leider ein ideologischer Kampfbegriff geworden, um Wahlen zu gewinnen. Das ist ein Rechenmodell – ganz einfach: Zwei Millionen zahlen für vier Millionen, also setzen Sie auf die vier Millionen. Es wird nach Ihren Vorstellungen so lange umverteilt, bis nichts mehr vorhanden ist, das man verteilen könnte. (Beifall beim Team Stronach.)
Anstatt den Klassenkampf zu schüren, brauchen wir aber Lösungen. Die Steuern für Unternehmer, die in Österreich investieren und hier Arbeitsplätze schaffen, müssen deutlich gesenkt werden. Wir brauchen viel mehr Investoren und Unternehmer in Österreich, gerade in Zeiten der Rekordarbeitslosigkeit. Die 1,9 Millionen Netto-Steuerzahler können ja nicht dauerhaft alle erhalten, und bei der Gewerkschaft kann auch nicht jeder angestellt sein.
Wir haben von EcoAustria ein gutes Modell durchrechnen lassen, und zwar: Man senke die am meisten wachstumshemmenden Steuern, die Lohn- und Einkommensteuer sowie die Unternehmenssteuer, fünf Jahre lang in Dreiprozentschritten – das sind 15 Milliarden bis 2019. Fast zur Hälfte finanziert sich diese Steuersenkung selbst durch erhöhte Investitionen, durch gesteigerten Konsum und durch viele neu geschaffene Arbeitsplätze – laut Dr. Schuh von EcoAustria bis zu 130 000 Arbeitsplätze. Der Rest ist durch längst überfällige Verwaltungs- und Systemreformen auch zu holen.
Und das Allerwichtigste dabei: Wir sagen, die Mitarbeiter sollen am Gewinn, den zu erwirtschaften sie mithelfen, beteiligt sein. (Beifall beim Team Stronach.)
Aber das wollen ja die Kollegen von der Gewerkschaft nicht, denn das würde zu stark an ihrer Daseinsberechtigung rütteln, die früher selbstverständlich schon gegeben war.
Was den Wirtschaftsstandort Österreich anlangt, so ist natürlich auch relevant, was sich auf europäischer Ebene abspielt. Die Entscheidung der EZB, Staatsanleihen maroder Länder aufzukaufen, wird schwere Auswirkungen auf unser Land haben. Entgegen allen Versprechungen werden die österreichischen Steuerzahler haften für griechische, spanische, italienische und französische Schulden, und der Nationalrat hat nicht einmal mehr ein Wörtchen mitzureden.
Ich würde mir wünschen, dass Herr Nowotny den Chef der Deutschen Bundesbank Weidmann in seinem Protest klar unterstützt, anstatt diplomatisch zu schweigen. Die EU darf keine Transfer-Union werden – da können wir hier für den Wirtschaftsstandort tun, was wir wollen, es wird nichts nützen.
Noch etwas auf europäischer Ebene: Ich schlage vor, Basel III temporär auszusetzen, denn dieses bürokratische 5 000-Seiten-Konglomerat an Regulierungen ist ein KMU-Killer. Die Realwirtschaft muss an Kredite herankommen können, und wir brauchen auch einen funktionierenden Eigenkapitalmarkt in Österreich. Wir haben brachliegendes Geld auf dem Sparbuch, das ständig an Kaufkraft verliert, und das sollte man begünstigen, wenn es in nicht börsennotierte heimische Unternehmen fließt. Vor allem unsere Jungunternehmer brauchen dringend Kapital.
Noch ein Schlusswort an die Vertreter der linken Reichshälfte: Lassen Sie bitte Ihre Finger vom hart erarbeiteten Geld der österreichischen Bürger (Beifall beim Team Stronach sowie bei Abgeordneten der ÖVP) und schauen Sie lieber, dass Sie endlich den dicken Staat auf Diät setzen, auch wenn es Ihre Wählerklientel womöglich nicht goutiert!
Und mein Schlusssatz: Bitte denken Sie nicht an sich und die nächste Wahl, sondern an Ihre Kinder und alle unsere Kinder, die auch noch hier leben wollen, möglichst in einem wirtschaftlich florierenden Land, das Eigentum respektiert, nicht in Schulden untergeht und vor allem auch ein gutes Sozialsystem hat für jene Leute, die es wirklich brauchen. – Danke. (Beifall beim Team Stronach. – Ruf bei der ÖVP: Gute Passagen! – Abg. Jarolim: Wie der Kollege Amon aufgeblüht ist!)
16.19
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Alm. – Bitte, Herr Abgeordneter.
16.20
Abgeordneter Mag. Nikolaus Alm (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Frau Staatssekretärin! Herr Bundeskanzler, ich bin mir nicht ganz sicher, ob Sie Leibniz oder Voltaire zitieren wollten, als Sie von der besten aller Welten bei unseren wirtschaftlichen Rahmenbedingungen gesprochen haben. Der eine hat das etwas ernster gemeint als der andere, da war es als Satire gemeint.
Und wie es so ist in der besten aller Welten im Sinne von Voltaire, so hat es wahrscheinlich auch Josef Schellhorn gemeint. Er hat sich nicht nur die guten Sachen angesehen, für die die Unternehmer ja höchst eigenverantwortlich geradestehen und an denen sie arbeiten, damit das Land funktioniert, sondern er hat sich natürlich auch die Sachen angesehen, die in unserem Land, in Österreich in der Wirtschaftspolitik nicht so gut funktionieren.
Beschäftigung ist teuer, aber sicher nicht, weil die Löhne in Österreich exorbitant hoch wären, sondern die lohnabhängigen Abgaben und Steuern sind es. Viele Unternehmen
können es sich einfach nicht mehr leisten, die Menschen anzustellen, die sie gerne anstellen würden, und auch das trägt dazu bei, dass die Arbeitslosenzahlen zumindest nicht geringer werden. Die Lösung ist jetzt natürlich nicht, die Löhne – die Nettolöhne – zu kürzen, das erledigt die kalte Progression ganz von selbst. Das Problem sind die Abgaben, und die Abgabenquote ist mit rund 45 Prozent auf Rekordniveau in Österreich.
Wir werden bald eine halbe Million Arbeitslose haben. Und, Herr Bundeskanzler, wenn Sie uns erklären, dass wir jetzt in absoluten Zahlen die höchste Zahl an Beschäftigten haben, dann muss ich vielleicht einen kleinen Verweis auf die Prozentrechnung machen. Wir hatten nämlich auch einen Bevölkerungszuwachs von zirka einer Million Menschen in den letzten 30 Jahren, und Sie müssen natürlich da die prozentuellen Werte heranziehen.
Der Staat kann es sich aber nicht leisten, mit den erwähnten Abgaben Arbeitsplätze zu kaufen. In Österreich gibt es eine staatliche Förderlandschaft, die gut ausgebaut ist. Kollege Hammer wird jetzt wahrscheinlich zu Recht einwenden, dass nicht alles, was als Förderung bezeichnet wird, auch eine ist – das ist richtig, diesen Punkt muss man ihm natürlich zugestehen –, trotzdem haben wir im europäischen Vergleich eine sehr, sehr hohe Förderquote, und da gibt es natürlich Einsparungspotenzial.
Es nützt auch nichts, diese Förderungen auszuschütten, wenn bei jedem Mitarbeiter, für den diese Förderung aufgewendet wird, die Hälfte an Steuern und Abgaben sofort wieder zurückfließt. Wenn also die Republik mit der rechten Hand meine Taschen leert, dann nützt es nicht viel, wenn sie mir mit der linken Hand wieder Almosen zusteckt, und das auch noch selektiv.
Im internationalen Wettbewerb verlieren wir tatsächlich an Boden, dieser Befund ist von mehreren Rednern der Opposition gekommen. Natürlich – (der Redner blickt auf den leeren Platz des Bundeskanzlers) wo ist er denn hin? – kann man jetzt selektiv ein Ranking herausnehmen und das beispielhaft nehmen, ich glaube, das war in unserem Fall der Global Competitiveness (Ruf bei der ÖVP: Report!) Index oder der World Competitiveness Index – nein, der Global Competitiveness Index war es –, es gibt aber natürlich viele andere Indizes, wie auch schon Matthias Strolz und Ruperta Lichtenecker richtigerweise gesagt haben und Herr Kassegger richtigerweise eingewendet hat.
Wir haben einen Global Innovation Index – da sind wir von Platz 15 auf Platz 23 gefallen. World Competitiveness Index: von 11 auf 23; Global Competitiveness Index: von 16 auf 21 – überall rutscht Österreich ab. Interessant ist auch ein Abrutschen im Corruption Perceptions Index, das heißt auch, dass die Korruption in der Wahrnehmung zugenommen hat. (Zwischenruf des Abg. Schmuckenschlager.)
Alle diese Indizes zusammen werden natürlich schon ein realistisches Bild der Lage in Österreich zeichnen. Das (der Redner legt einen Ausdruck auf den Platz des Bundeskanzlers) möchte ich dem Herrn Bundeskanzler in Abwesenheit mitgeben. (Zwischenbemerkung von Staatssekretärin Steßl.) Er hat sicher auch noch viele andere Studien, die das von seiner Seite ergänzen.
Was können wir also tun, um die Wettbewerbsfähigkeit in Österreich zu erhalten? – Wir können eigentlich nur auf eine Sache setzen, und das ist Innovation. Wir sind ein Hochlohnland, wir können es uns nicht leisten, auf Innovation zu verzichten. Globalisierung, Digitalisierung verkürzen diese Innovationszyklen. Der Druck steigt.
Viele denken bei Innovation nur an Forschung. Das ist richtig, das ist aber nur die halbe Miete. Innovation darf keine Forschung für die Schublade sein, Innovation muss sich auf dem Markt behaupten. Der Markt ist in diesem Fall der wirklich einzige Gradmesser. Marktreife muss schnell erreicht werden, dann erzeugt Innovation auch Arbeitsplätze.
Diese Innovation entsteht immer seltener in Konzernen, sondern sehr oft in sogenannten Start-ups. Es lohnt sich also, darüber nachzudenken, wie Österreich und insbesondere Wien zu einem Knotenpunkt für solche Start-ups, für junge Unternehmen, werden kann.
Was kann also getan werden? – Der wichtigste Punkt ist sicher die Finanzierung, das ist der größte Hebel. Junge Unternehmen brauchen Geld, Start-ups brauchen Geld, um Produkte und Dienstleistungen schnell marktreif zu machen. Organisches Wachstum dauert zu lange, ist in den meisten Fällen gar nicht möglich. Von den Banken gibt es keine Kredite mehr, es braucht also privates Wagniskapital von Investoren, die bereit sind, dieses unternehmerische Risiko auf sich zu nehmen. Das kann verteilt sein auf Kleininvestoren – dann sprechen wir von Crowd-Investment –, das können Einzelinvestoren sein – sogenannte Business Angels, die in einer frühen Phase in diese Unternehmen einsteigen –, aber das können natürlich auch Fondslösungen sein. Es braucht jedenfalls einen modernen Markt für Risikokapital, und der Rechtsrahmen ist einfach nicht auf der Höhe der Zeit.
Wir warten seit über einem Jahr auf den Abschluss der Vorlage für ein Crowdfunding-Gesetz. Es wird, glaube ich, daran gearbeitet. Ich habe schon einen Entwurf zugespielt bekommen.
Wir wollen an zweiter Stelle echte Anreize für private Investoren, für privates Wagniskapital. Wir haben heute einen Antrag betreffend einen Realwirtschaft-Investitionsfreibetrag eingebracht, das heißt, dass Investitionen bis zu 100 000 € steuerlich abzugsfähig beziehungsweise begünstigt sein sollen. Das wäre eine spürbare Erleichterung, das würde jungen Unternehmen und Start-ups in Österreich wirklich einen Schub geben. Noch besser wäre natürlich eine wirkliche Steuergutschrift, so wie sie im UK, im Vereinigten Königreich, existiert mit dem Seed Enterprise Investment Scheme. Davon sind wir aber noch ein Stück weit weg.
Natürlich braucht es auch weitere Reparaturen – Reparaturen im Alternativen Investmentfonds Manager-Gesetz, ein Gesetz, das in Österreich viel zu restriktiv ausgelegt wurde.
Wir wollen, dass Österreich eine Trendumkehr in den Innovationsrankings schafft. Das ist ein messbares Ziel, an dem wir arbeiten können. (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. Nachbaur.)
16.27
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Grossmann. – Bitte.
16.27
Abgeordnete Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nachdem sich mein Vorredner hier so in Indizes und Kennzahlen verstrickt hat, möchte ich eine kurze Replik an Frau Klubobfrau Nachbaur anbringen.
Liebe Frau Kollegin! Unter Schwarz-Blau hatten wir in Zeiten der Hochkonjunktur die vergleichsweise höchste Arbeitslosigkeit und befanden uns im EU-Ranking gerade einmal im unteren Mittelfeld. Jetzt, in Zeiten der internationalen Wirtschaftskrise, unter Bundeskanzler Werner Faymann, haben wir die vergleichsweise niedrigste Arbeitslosigkeit im EU-Schnitt und vor allem was die Jugendarbeitslosigkeit betrifft. (Zwischenruf der Abg. Nachbaur. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)
Da möchte ich aber meiner Kollegin Ruperta Lichtenecker recht geben, wenn sie meint, dass jeder und jede einzelne Arbeitslose eine beziehungsweise einer zu viel ist. – Das
ist selbstverständlich ein Handlungsauftrag für uns alle (Zwischenruf des Abg. Haider), aber genau der Vergleich mit vergangenen Regierungen macht uns sicher, dass wir auf dem richtigen Weg sind. (Beifall bei der SPÖ.)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Zukunft eines Landes wird in den Klassenzimmern geschrieben beziehungsweise in allen Bildungseinrichtungen, denn Bildung beginnt ja im Idealfall nicht erst mit der Schule und hört auch nicht mit der Schule auf (Zwischenruf des Abg. Rädler), im Sinne eines lebenslangen, lebensbegleitenden Lernens. Bildung ist der Schlüssel zu wirtschaftlichem Erfolg (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Haider) und – das kann man in Zeiten wie diesen nicht oft genug betonen – ist auch der Schlüssel zu gesellschaftlichem und sozialem Frieden.
Bildung sorgt dafür, dass alle Menschen an den Chancen des Lebens teilhaben können und ihren Eignungen und Neigungen entsprechend gefördert werden, damit sie sich bestmöglich in die Gesellschaft einbringen können – unabhängig vom Wohnort und Geldbörsl der Eltern. Also das hätten, bitte, die Antragsteller/Antragstellerinnen voranstellen sollen, wenn sie ihr Anliegen selbst ernst nehmen und hier nicht nur heiße Luft produzieren wollen.
Wir können es uns nicht leisten, meine sehr geehrten Damen und Herren, auf irgendeine Begabung zu verzichten. Wir brauchen alle, ob technische, sprachliche, handwerkliche, künstlerische Begabung oder sonstige Begabungen oder Schlüsselqualifikationen. All das brauchen wir, damit sich die Menschen bestmöglich im Arbeitsleben, in der Familie und in der Gesellschaft einbringen und sich zurechtfinden können.
In Ihrem Entschließungsantrag haben Sie zwar die Bildung als Stichwort erwähnt, aber dann ziemlich verkürzt und auf einige – ich würde einmal sagen – No-na-Detailaspekte reduziert, die teilweise ohnehin schon gelebte Realität sind, wie etwa die Forderung, Unternehmen in die Schule zu bringen.
Ich kann Ihnen ein persönliches Beispiel erzählen: Mein mittlerweile 27-jähriger Sohn hat schon als HAK-Schüler über ein Schulprojekt ein Unternehmen gegründet. (Zwischenruf der Abg. Kitzmüller.) Auch mein jüngerer Sohn ist als HTL-Schüler beteiligt an Schulpartnerschaften mit Unternehmen. Also bitte schön, das ist wirklich nichts Neues! (Abg. Strolz: In den berufsbildenden Schulen ist das oft!) Das sind öffentliche Schulen und diese stehen stellvertretend für viele, viele Schulen in ganz Österreich, die Hervorragendes leisten.
Die Frau Kollegin Königsberger-Ludwig und ich hatten jetzt gerade mehrere BAKIP-Klassen aus Amstetten zu Gast, und deren SchülerInnen haben uns sorgenvoll mitgeteilt, dass es sie unglaublich stört, dass das Bildungssystem in Österreich so maßlos schlechtgeredet wird. (Abg. Kitzmüller: Und wer ist Bildungsministerin?) Das wird den Leistungen, die tagtäglich in den Schulen von allen Schulpartnerinnen und Schulpartnern erbracht werden, keineswegs gerecht! (Beifall bei der SPÖ.)
Das schadet dem Einzelnen und das schadet auch dem Wirtschaftsstandort Österreich, denn was soll sich ein Investor denken, der Arbeitskräfte sucht, wenn die eigene Politik das System so schlechtredet?! – auch wenn es da und dort auf jeden Fall Reformbedarf gibt. (Abg. Zanger: Das ist ja eure Politik!)
Folgendes haben wir jetzt gemeinsam in den Niederlanden wieder erleben können – die Bildungssprecherinnen und -sprecher der Fraktionen waren dabei –: Da hat man sich überrascht gezeigt, dass man die Kinder bei uns im Alter von zehn Jahren schon auseinanderdividiert. Diese frühe Segregation ist ein großes Problem, ist eine Schwachstelle in unserem Bildungssystem, und sobald der Koalitionspartner bereit ist, werden wir das auch zügig ändern. (Zwischenruf des Abg. Rädler.) Da ist wirklich anzusetzen, denn da verlieren wir Begabungen, da verlieren wir Talente, die wir aber eigentlich in unserem Bildungssystem bestmöglich fördern müssen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Zanger.)
Verschließen wir also nicht die Augen vor dem Positiven, aber gehen wir auch die Problemfelder beherzt an! – In diesem Sinne: Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei Abgeordneten von ÖVP und FPÖ.)
16.32
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ing. Schultes. – Bitte. (Abg. Rädler – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Schultes –:Hermann, sag es ihnen! Kleinschulen schließen?!)
16.32
Abgeordneter Ing. Hermann Schultes (ÖVP): Sehr geehrte Frau Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren im Hohen Haus! Wir diskutieren heute auf Wunsch von Herrn Schellhorn das Thema Wirtschaft: Das ist aber nicht wirklich interessant für ihn, denn er ist gar nicht mehr da. Er ist gekommen, hat, wie man es als Unternehmer eigentlich nicht tut, „ordentlich Gas gegeben“, alle beschimpft, Funktionäre als Parasiten bezeichnet, und jetzt, wo die Diskussion auf ein vernünftiges und ruhiges Niveau kommt, ist er verschwunden. (Abg. Rädler: NEOS Wirtschaftsfreunde!)
Sagt ihm einen schönen Gruß! Ich bin auch ein Kammerfunktionär: Wenn er will, kann er sich bei mir entschuldigen, wenn nicht, kann er sich beim Herrn Matznetter entschuldigen, dem Vizepräsidenten der Wirtschaftskammer, und im Übrigen finde ich so ein Benehmen bei uns im Haus wirklich nicht angemessen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Abg. Rädler: Genau!)
Wir verdanken bei uns in Österreich der Sozialpartnerschaft sehr viel. Aktuelle Studien zeigen, dass das Wirtschaftswachstum in den letzten Jahren zu einem Anteil von durchaus 0,56 Prozent dem geschuldet wurde, dass in Österreich Konflikte so geregelt wurden, dass das gemeinsame Wohl im Vordergrund steht und nicht die Profilierung einzelner politischer Exponenten.
Das hat uns geholfen, das hat über die Jahre hinweg gezeigt, dass es der richtige Weg ist, und das verdanken wir Menschen, die sich als Funktionäre zur Verfügung stellen. Das sind Menschen, die in ihrem Leben etwas leisten, etwas herzeigen, sich einer Wahl stellen und dann die Aufgabe auf sich nehmen, das Institut dieser sozialpartnerschaftlichen Einrichtung – in diesem Fall die Wirtschaftskammer, bei uns die Landwirtschaftskammer – ordentlich zu führen. Diese Menschen sorgen dafür, dass die Mitglieder, die Kunden, also bei uns die Kammerzugehörigen, das bekommen, was sie wirklich brauchen, und bei uns wissen sie, dass sie das kriegen.
Die Mitarbeiter unserer Institute und unserer Häuser leisten Gewaltiges, und es ist interessant, dass das Papier, das Herr Schellhorn präsentiert hat, ein Papier ist, das ich in wesentlichen Teilen auch schon aus anderen Sozialpartnergesprächen kenne. Gut – abschreiben kann er ja, also wird es nicht ganz so schlecht gewesen sein.
Meine Damen und Herren, es geht um Wirtschaftsstimmung und Wirtschaftsgesinnung, und dazu gehört sicher auch, dass wir einander gegenseitig den Erfolg gönnen. Ich kann mich nicht auf der einen Seite beklagen, dass es kein Wirtschaftswachstum gibt, und auf der anderen Seite antreten und sagen: Da hat einer Geld verdient, das muss ich ihm jetzt wegnehmen! (Abg. Fekter: Richtig!) Es wird höchste Zeit, dass wir respektieren, dass persönlicher wirtschaftlicher Erfolg ein Ziel sein kann, und wer erfolgreich ist, der soll sich darüber auch freuen dürfen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Rädler: Wirtschaftspartei!)
Ich weiß, dass die Kollegen aus dem ganzen Haus daran glauben, dass wir nur mit Leistung weiterkommen werden – ich kann Ihnen sagen, bei uns in der Landwirtschaft ist das ein Thema. Wir haben in den letzten Jahren einiges hergezeigt und auch politisch einiges geleistet. Wir haben die Gemeinsame Agrarpolitik umgesetzt, die jetzt im-
plementiert ist, und unser Minister hat vor Weihnachten als einer der ersten drei, die das europaweit überhaupt geschafft haben, ein sehr umfangreiches Programm zur ländlichen Entwicklung vorgelegt.
Ich bin ihm persönlich sehr, sehr dankbar, denn er und seine Mitarbeiter haben da etwas Gewaltiges geleistet – eine Leistung, die auch anerkannt werden sollte, denn das ist jetzt die Basis für unsere Umsetzung in der Landwirtschaft, und davon profitieren wieder sehr viele Wirtschaftsbetriebe und Menschen an ihren Arbeitsplätzen. (Abg. Steinbichler: ..., dann frage ich dich heute noch etwas!) Alleine die Molkereigenossenschaften haben im letzten Jahr 125 Millionen € investiert, um unsere Qualitätsprodukte auch in Zukunft auf dem europäischen Markt präsentieren zu können.
Unsere Bauern werden im laufenden Jahr über 600 Millionen € investieren, denn wir Bauern investieren dann, wenn wir glauben, dass es richtig ist, und nicht dann, wenn uns irgendwer sagt: Lass es bleiben!, oder: Probier es! oder: Tu es nicht! – Wir wissen selber, was wir tun. Wir planen ordentlich, und wir haben dafür die Hilfe der Landwirtschaftskammer.
Deswegen ist sehr wichtig und richtig, dass wir das wertschätzen, was da draußen geleistet wird. Daher: Danke an alle, die sich in einer schwierigen Zeit etwas trauen! Danke an alle, die investieren! Danke an alle, die in diesem Land darauf schauen, dass es gut weitergeht, weil sie sich etwas gönnen wollen und etwas erwirtschaften wollen! Deswegen wünsche ich allen alles Gute und richte ein Danke an den Herrn Bundeskanzler dafür, dass er die Effizienz in der Verwaltung deutlich erhöhen will.
Ich bin auch in der Aufgabenderegulierungskommission dabei gewesen, und ich weiß, dass wir da wichtige Dinge zu erledigen haben, auf die die Unternehmer, die Bauern, die Selbstständigen, aber auch alle anderen warten. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)
16.37
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Haider. – Bitte.
16.37
Abgeordneter Mag. Roman Haider (FPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretär! Hohes Haus! Nach diesem Ausflug in den Landwirtschaftskammerwahlkampf durch den Präsidenten der Landwirtschaftskammer Ing. Schultes mit ganz offen zur Schau gestellter Kammerfunktionärspräpotenz (Abg. Lopatka: Na geh! Ein bisschen aufpassen! Das ist schon eine Beleidigung!), inklusive Entschuldigungsaufforderung an Abgeordnete, freue ich mich fast, dass der Kollege Kassegger vorhin keine Zeit mehr gehabt hat, diesen Entschließungsantrag einzubringen.
Deswegen bringe ich jetzt den Entschließungsantrag des Abgeordneten Dr. Kassegger ein.
Entschließungsantrag
des Abgeordneten MMMag. Dr. Kassegger, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Dringlichkeit der Abschaffung der Mehrfach-Pflichtmitgliedschaften in den Wirtschaftskammern
Der Nationalrat wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird ersucht, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, mit der die Abschaffung der Mehrfach-Pflichtmitgliedschaften zu den Fachgruppen beziehungsweise Fachverbänden der Wirtschaftskammern sichergestellt wird.
*****
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn man die Worte „Wirtschaftspolitik“, „Österreich“ und „Kritik“ googelt, dann kommt bei den Treffern relativ weit oben ein Artikel im „WirtschaftsBlatt“ mit dem Titel: „In Österreich gibt es keine Wirtschaftspolitik“.
Dem kann man, wenn man sich das ein bisschen genauer anschaut, durchaus etwas abgewinnen, nicht nur wegen des mit 400 Millionen € verschwindend geringen Budgets des Wirtschaftsministeriums, nein, man braucht sich nur anzuschauen: Womit beschäftigt sich denn der Herr Wirtschaftsminister? Er hat offensichtlich derzeit nichts anderes zu tun, als sich von einer profilierungssüchtigen Neo-Gesundheitsministerin eine völlig unnötige Rauchverbotsdebatte aufzwingen und aufdrängen zu lassen. Diese hat die Debatte völlig unnötigerweise vom Zaun gebrochen, und dieses Rauchverbot führt nur dazu, dass – genauso wie in Irland, Großbritannien und Deutschland – 20 bis 30 Prozent der Gaststätten, Pubs und Beisln schließen werden. (Beifall bei der FPÖ.)
Das ist das Ergebnis der Aktivitäten des Herrn Wirtschaftsministers, aber das allein reicht ja noch nicht. Es wird den Wirten auch noch ein Bürokratiemonster namens Allergeninformationsverordnung aufs Auge gedrückt, zusätzlich zu den Belastungen der letzten Jahre. Ich erinnere etwa an die verschärften Anmeldevorschriften, die dazu führen, dass nicht einmal mehr die pensionierte Oma dem Wirt schnell eine Stunde aushelfen dürfte, wenn ein Bus mit Gästen im Gastgarten auftaucht. Nein, dann steht man gleich mit einem Fuß im Kriminal.
Oder: Ich erinnere an die Barbewegungsverordnung, an die Streichung der Energiekostenrückvergütung, an die unsägliche Flugticketabgabe, die wirklich nur negative Auswirkungen auf den Tourismus hat, oder auf die völlig unnötige Auflösungsabgabe, die sogenannte Arbeitsamtsmanipulationsgebühr, oder daran, dass noch immer Trinkgelder – das muss man sich einmal vorstellen! –, auch wenn sie nicht einmal ausbezahlt werden, also auch fiktive Trinkgelder, der Sozialversicherungspflicht in diesem Land unterzogen werden. Und, und, und. Belastungen noch und nöcher!
Es ist in diesem Land noch immer nicht möglich, die Abschreibedauer auf die tatsächliche Nutzungsdauer zu reduzieren. Der Hotelier, der eine Sauna einbaut, muss diese Abschreibedauer auf mindestens 15 Jahre hin auslegen, und wenn er einen unguten Finanzbeamten hat, der sagt, dass das Teil des Gebäudes ist, dann muss er sie sogar auf 35 Jahre ausdehnen. Da wünsche ich dem Herrn Wirtschaftsminister, dass er, wenn er bei der ÖVP-Klausur in einem Hotel ist, in einer 15 oder 35 Jahre alten Sauna sitzen muss. Spätestens alle 8 Jahre wird eine Sauna ausgetauscht, und dementsprechend gehört auch die Abschreibedauer angepasst. – Das alles sind Sachen, die den Wirtschaftsminister nicht interessieren, das macht er nicht!
Schauen wir uns an, was der Herr Finanzminister macht! – Dem ist in den letzten Monaten auch nichts Gescheites eingefallen, außer dass er zum Beispiel die Tourismusbranche erschreckt hat mit geäußerten Überlegungen zu einer Mehrwertsteuererhöhung – völlig kontraproduktiv und dem Wirtschaftsstandort Österreich zuwiderlaufend!
Da passt auch die Einführung der Schaumweinsteuer ganz gut ins Bild, die nicht nur nichts bringt, sondern auch noch mehr kostet, als sie bringt – also auch nur wieder Belastungen für die Weinbauern und für die Sekthersteller.
Auf der anderen Seite tritt diese unsägliche Bundesregierung auch noch den Russlandsanktionen bei, die nicht nur den Handel in der Wiener Innenstadt, sondern auch den Tourismus ganz schwer schädigen und schwerste Einnahmenausfälle verursachen.
Kurz zusammengefasst: Bei höchster Abgabenquote – Rekordabgabenquote von 45 Prozent, hat Kollege Alm vorhin gesagt – steht diese Regierung für nichts anderes als für Reallohnverlust, Enteignung der Sparer, kalte Progression und die höchste Abgabenquote aller Zeiten, gepaart auch noch mit dem höchsten Schuldenberg aller Zeiten und
mit einem Arbeitslosenheer von 500 000 Menschen. Na da gratuliere ich herzlich zu diesem Ergebnis! (Beifall bei der FPÖ.)
16.42
Präsident Ing. Norbert Hofer: Der eingebrachte Antrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht somit in Verhandlung.
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Entschließungsantrag
des Abgeordneten MMMag. Dr. Kassegger und weiterer Abgeordneter betreffend die Dringlichkeit der Abschaffung der Mehrfach-Pflichtmitgliedschaften in den Wirtschaftskammern
eingebracht in der 59. Nationalratssitzung im Zuge der Debatte zum Dringlichen Antrag der Abgeordneten Josef Schellhorn, Kollegin und Kollegen betreffend Offensivpaket „Unternehmerisches Österreich“ am 21. Jänner 2015
Mehr als 90.600 Wirtschaftskammermitglieder gehören zumindest zwei Fachgruppen an. Mit der Zugehörigkeit zu drei Fachgruppen werden immerhin noch über 24.000 Unternehmer belastet.
Dies steigert sich bis zu einer „Rekordfachgruppenzugehörigkeit“ von 26 Fachgruppen!
Dieser die Unternehmen massiv belastende Umstand führt dazu, dass selbstverständlich für jede Fachgruppenmitgliedschaft die entsprechende Grundumlage gemäß § 123 Wirtschaftskammergesetz zu entrichten ist.
Seit Jahren wird angekündigt, dass sich die Zahl der Mehrfachmitgliedschaften reduzieren werde.
Bei Analyse der Zahlen aus der jeweiligen Mitgliederstatistik der WKO lässt sich jedoch feststellen, dass sich die Zahlen in den letzten Jahren nur minimal geändert haben, und weiterhin eine sehr große Anzahl von Wirtschaftskammermitgliedern durch die „erzwungenen“ Mehrfachmitgliedschaften massiv belastet werden.
So überstieg die Zahl der Fachgruppenmitglieder die Zahl der Kammermitglieder im Jahr 2010 um 32 %. Im Jahr 2012 lag diese Zahl immer noch bei 30,04 %.
Die unterfertigten Abgeordneten sprechen sich ganz generell für eine Abschaffung der Zwangsmitgliedschaft zur Wirtschaftskammer aus und fordern daher in einem ersten Schritt die umgehende Beseitigung der nicht akzeptablen Mehrfach-Zwangsmitgliedschaften zu den Fachgruppen.
Nicht zuletzt im Interesse einer dringend erforderlichen Entlastung der heimischen Unternehmer stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung wird ersucht, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, mit der die Abschaffung der Mehrfach-Pflichtmitgliedschaften zu den Fachgruppen bzw. Fachverbänden der Wirtschaftskammern sichergestellt wird.“
*****
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Köchl. – Bitte.
16.42
Abgeordneter Matthias Köchl (Grüne): Geschätzte Damen und Herren! Geschätzte ZuseherInnen auf der Tribüne und vor den Fernsehapparaten! Kollege Roman Haider von der FPÖ hat es auf den Punkt gebracht. Die FPÖ-Position ist sozusagen auf Google „Wirtschaftspolitik Österreich – Kritik“. – Das ist Ihre Position! Das ist in meinen Augen ein bisschen mager. (Zwischenruf des Abg. Neubauer.)
Wir haben heute schon relativ viele Schlagworte gehört: zum Beispiel Wachstumsoffensive. Das würde wahrscheinlich auch herauskommen, wenn ich ein Wirtschaftskonzept mit Google erstellen müsste. Oder: Flexibilisierung. Das würde wahrscheinlich auch herauskommen, wenn ich nur Google damit befasse. Also: Wir sollten wegkommen von dieser Politik der Schlagworte! (Abg. Neubauer: Dann kommen Sie endlich weg davon!)
Nächstes Beispiel: Flexibilisierung der Arbeitszeit. – Was wollen Sie eigentlich? Wollen Sie mehr als 24 Stunden am Tag arbeiten, wie das in China und in Bangladesch beinahe schon der Zustand ist?
Wir Grünen haben den Ansatz, dass sich soziale Sicherheit nicht nur über Unternehmertum definiert, sondern auch über die Angestelltenverhältnisse. Solide Angestelltenverhältnisse sind uns ebenso wichtig wie Selbständigkeit und Unternehmertum. Das möchte ich vorausschickend angemerkt haben. Wir sind uns aber einig darüber, dass wir in Österreich ein Grundproblem haben, und zwar: Wenn einer oder eine mit einer Idee kommt, wenn einer oder eine eine Kerze anzündet, dann kommt es viel zu oft zu der Situation, dass es fünf Menschen oder zehn Menschen gibt, die diese eine Kerze ausblasen wollen. Da haben wir definitiv ein Problem.
Ich möchte, da die NEOS das heute aufs Tapet gebracht haben, ein bisschen die Unterschiede zwischen Grünen und NEOS herausarbeiten. Die NEOS kommen immer mit dem Ansatz „weniger Staat!“. Die Grünen würden da eher sagen: Der Staat ist wichtig, aber eben an der richtigen Stelle! Der Ruf nach weniger Staat per se findet nicht meine Zustimmung, denn das, was dabei herauskommt, sieht man in den Vereinigten Staaten von Amerika. Es klingt im ersten Moment sehr attraktiv, zu sagen, man senkt die Steuern (Zwischenruf des Abg. Strolz.) Ja eh, man kann die Steuern senken, aber zum Schluss ist dann kein Geld mehr da, um die Straßenlöcher zu flicken.
Das Modell, das Sie hier vorstellen, würde heißen, wir senken die Steuern und würden dann von Haus zu Haus gehen und die Menschen fragen: Gebt Ihr vielleicht jeder 1 000 Dollar dazu, damit wir auch die Straßenlaternen erneuern können? – Das wäre ungefähr Ihr Modell! (Abg. Strolz: In der Schweiz gibt es auch Schulen!)
Kollege Strolz, die Schweiz ist in meinen Augen nicht das beste Beispiel, denn in der Schweiz kommt es vor – und ich habe mich längere Zeit mit einer Schweizer Unternehmerin unterhalten –, dass in der Gemeinde Volksabstimmungen stattfinden, wo es um die Frage geht: Sind wir bereit, die Steuern zu erhöhen, damit ein Kinderspielplatz gebaut wird, oder nicht?, und meistens überstimmen dann die Rentner und Rentnerinnen – es ist halt leider so – die Jugend, und es kommt zu keinem Kinderspielplatz. (Abg. Strolz: Und bei uns ist das nicht so? – Das ist absurd!) Das ist schon ein Demokratieverständnis, mit dem ich mich sehr schwer tue und das von meiner Definition her auch nicht unter Solidarität fällt.
Wenn man die Positionen der verschiedenen Parteien, was Wirtschaftspolitik betrifft, ein bisschen zusammenfassen möchte, dann kommt man zum folgenden Ergebnis:
Bei der SPÖ gibt es nach meinem Eindruck die Grundhaltung: Verboten ist alles, was nicht ausdrücklich erlaubt ist! Bei der FPÖ hat man den Eindruck, ihre Grundhaltung zur Wirtschaftspolitik ist geprägt von dem Satz: Fremdes wollen wir nicht!, wobei Fremdes für sie natürlich auch alles ist, was sie nicht versteht. (Ironische Heiterkeit bei der
FPÖ.) Von ÖVP-Seite kommt bei der Wirtschaftspolitik die Grundhaltung: Freiheit für Freunde und Freundinnen und Barrieren für andere! (Abg. Lopatka: Na geh!) Was der Herr Grasser als ÖVP-Finanzminister weitergebracht hat, können Sie ja noch immer tagtäglich in der Zeitung lesen. Und das Team Stronach hat die Grundhaltung: Wer das Gold hat, macht die Regel! Diese Meinung können wir Grüne auch nicht teilen. (Abg. Lopatka: Herr Kollege, der Fasching kommt erst, oder?!)
Wenn Sie hier die Forderung erheben: Weniger Gesetze! – ja. Allerdings verlangt die Forderung „weniger Gesetze!“ auch deutlich mehr Gehirneinsatz. Es gibt da schöne Beispiele, wo man mit einem Gesetz sehr viel bewegt hat, etwa in Deutschland mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz. Da könnten wir in Österreich 100 Gesetze erfunden haben und 100 Einzelförderungen gewährt haben, das würde nicht so viel bringen. Ein durchdachtes Erneuerbare-Energien-Gesetz hat in Deutschland Innovationen und auch Investitionen ausgelöst.
Es gibt aber auch Beispiele, wo ich meine, da könnten wir auch etwas von den Vereinigten Staaten von Amerika lernen: Das ist die Startup-Kultur. Da ist es leichter möglich, zu sagen: Ich habe eine Idee und bekomme einmal ein Startkapital, um diese meine Idee umzusetzen! Das ist in Österreich noch nicht so weit verbreitet. In Österreich hat man da noch ein wenig eine Retro-Haltung. Ich möchte Ihnen das anhand eines Beispiels versinnbildlichen.
Und zwar: Wenn sich 10 Leute zusammentun und sagen, sie haben eine Idee, sie geben 10 Anteilsscheine aus, jeder hält 10 Prozent an einer Idee, dann haben sie eigentlich einen Anteilsschein an einer Idee, und wenn diese Idee groß wird, wenn diese Idee erfolgreich wird, dann kann man etwas verdienen, aber wenn die Idee nicht groß wird, dann hat keiner etwas davon.
Ich habe jetzt eigentlich gerade die Aktiengesellschaft erfunden (Zwischenruf des Abg. Neubauer), ohne das am Anfang Aktiengesellschaft zu nennen, und ich rede noch gar nicht von Börsennotierung, davon rede ich jetzt noch gar nicht, und ich rede jetzt auch noch nicht vom Profit. In Österreich gibt es fast einen Abwehrreflex, wenn ich mit dem Wort „Aktiengesellschaft“ komme, weil ich per se mit Aktiengesellschaft noch nicht Börsennotierung und noch nicht Betrug verbinde.
Nächstes Thema: Crowdfunding. – Bei Crowdfunding geht es darum, dass die Prospektpflicht erleichtert wird, also man ohne teure Prospekte leichter zu Kapital kommt. Die Grünen haben da 3 Millionen als Grenze vorgeschlagen, also dass diese Summe angehoben wird, die NEOS nur eine Million. Wir sind uns aber einig, wenn es darum geht, Erleichterungen bei der Rot-Weiß-Rot-Card zu finden, wenn es darum geht, Menschen den roten Teppich auszurollen, um Arbeitsplätze auch in Teamarbeit zu schaffen. Es gibt da derzeit leider Probleme. Zum Beispiel: Wenn der Programmierer aus Indien nicht die Rot-Weiß-Rot-Card bekommt, weil er die Kriterien nicht erfüllt, dann kann das ganze Team nicht arbeiten.
Wir haben derzeit auch einige Probleme im Steuerrecht; das wird Bruno Rossmann noch im Detail ausführen. Aus unserer Sicht haben wir in der Komplexität ein Steuerrecht für Fabrikanten, das viel zu aufwendig ist. Wir haben dazu den Vorschlag gemacht, einen integrierten Tarif zu schaffen, Sozialversicherungsbeiträge mit der Einkommensteuer zusammenzufassen, jedenfalls das Ganze durchschaubar zu machen.
Wir haben im Vorfeld der Wirtschaftskammerwahlen immer wieder wichtige Vorschläge gemacht, wie etwa, eine Lohnnebenkostensenkung zu machen. 308 Millionen € über die Kammerumlage II ist definitiv zu viel. Wie gesagt, da gibt es Ansätze.
Ich möchte aber auch auf ganz konkrete Problemlagen, weil ich mich tagtäglich mit Ein-Personen-Unternehmern unterhalte, eingehen. Da gibt es einige kleine Baustellen (sich zur Regierungsbank umdrehend). Der Herr Kanzler ist leider nicht da, eigentlich
ist die ganze Regierungsbank ein schwarzes Loch, aber das kann ich jetzt auch nicht ändern.
Ein Beispiel: Wenn Sie neuer Selbständiger ohne Gewerbeschein sind und wenn Sie die Versicherungsgrenze überschreiten und das nicht bis 31. Dezember melden, dann bekommen Sie von der SVA 9,3 Prozent Strafzuschlag. Das betrifft nicht die Kleinstunternehmerinnen und Kleinstunternehmer, sondern nur die neuen Selbständigen ohne Gewerbeschein. Das würde in der derzeitige Lage heißen, ein neuer Selbständiger, der mit ein paar hundert Euro unter seiner Versicherungsgrenze liegt, müsste in Österreich am 31. Dezember mit einem Papier vor dem Faxgerät warten und schauen, ob noch ein Kontoeingang hereinkommt, damit er, wenn dem so ist, das dann vor „Dinner for One“, genau noch vor Silvester faxt, denn sonst bekommt er einen Strafzuschlag. Ich finde, das ist komplett realitätsfremd.
Wir haben die Mindestbeitragsgrundlage für Selbständige immer wieder angesprochen: Sie gehört definitiv gesenkt. Es kann nicht sein, dass man 200 € monatlich zahlt, auch wenn man fast keine Umsätze macht.
Wir haben das Krankengeld immer wieder thematisiert, das ist uns wichtig. Derzeit wird es Selbständigen erst ab dem 43. Tag ausbezahlt und ist mit 28 € bemessen. Es gibt das Krankengeld ab dem 43. Tag. Da man, wenn man krank ist, weiterhin die Beiträge an die gewerbliche Sozialversicherung zahlen muss, kann es passieren, dass Sie 36 € täglich Krankenversicherung und Pensionsversicherung abliefern müssen und 28 € bekommen. Das Krankengeld kann also in der derzeit aktuellen gesetzlichen Lage einen Verlust von 8 € täglich bedeuten, und es wird erst ab dem 43. Tag ausbezahlt.
Weiters sprechen wir die Gewerbeordnung an. Da habe ich immer wieder viele Beispiele gebracht, wo Reformen nötig wären. Dazu zählt nicht nur die Gärtnerin, die noch einen weiteren Gewerbeschein für Friedhofsgärtnerei braucht, um die Blumen gießen zu dürfen. Es gibt jede Menge anderer Absurditäten. Wir haben für den Trafikanten/die Trafikantinnen nachgeschaut: Nur 30 Prozent halten einen Gewerbeschein, 70 Prozent der Trafiken brauchen mehrere. Wir machen hierzu den Vorschlag, dass man die Grundumlage nur einmal kassiert und den Beitrag mit 100 € deckelt. Das ist eine wichtige und legitime Forderung im Vorfeld der Wirtschaftskammerwahlen, die auch von der Grünen Wirtschaft laufend thematisiert wird. Und wir haben Themen, wie die GmbH light, die nach wie vor nicht endgültig geklärt sind.
Wir haben also etliche Baustellen, wo es nötig wäre, im Sinne des Unternehmer- und Unternehmerinnentums hier in Österreich, wie wir heute gehört haben, Reformen zu setzen, und ich möchte Sie bitten, diese Reformen rasch durchzuführen, weil uns sonst einige Menschen laut schreiend davonrennen werden. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)
16.51
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Lintl. – Bitte.
16.52
Abgeordnete Dr. Jessi Lintl (STRONACH): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Standortpolitik in Österreich ist kaum mehr als eine Politik des Stillstands. Gesetze und Rechtsnormen in allen Gebietskörperschaften werden von Politik, Beamten, Kammer- sowie Gewerkschaftsfunktionären ausgehandelt und nicht von Wirtschaftsexperten. Wir brauchen wettbewerbsfähige und zukunftsweisende gesetzliche Rahmenbedingungen für die Unternehmungen in Österreich und für ihre Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen.
Wir brauchen eine Verringerung der Belastung durch Bürokratie. (Beifall beim Team Stronach.) Gerade auch für die vielen Klein- und Mittelbetriebe, für die Ein-Personen-Unternehmen ist das wichtig. Deren Start in der freien Wirtschaft wird zwar allgemein
gewünscht und auch mit diversen Miniförderungen erleichtert, doch spätestens nach ein paar Jahren kommt das dicke Ende für die neue Selbständigkeit, nämlich dann, wenn personell überdimensionierte Sozialversicherungsträger und der Fiskus fällige Zahlungen einfordern und wenn mehr Zeit für bürokratische Auflagen als für unternehmerische Tätigkeit und innovative Ideen verlorengeht.
Der Wirtschaftsstandort Österreich kann für Investitionen privater Kapitalgeber viel attraktiver gestaltet werden. Dafür braucht es eine für die Industrie, aber auch für die angewandte Forschung förderliche innovative Standort- und Technologiepolitik, zum Beispiel durch Förderung von Clusterbildungen für Produzenten, Zulieferer und Forschungseinrichtungen, hier entsteht eine Wertschöpfungskette durch gemeinsame günstige Standortfaktoren, durch den Ausbau der Breitbandtechnologie oder durch leichteres Herankommen an Kredite.
Insbesondere Forschung und Technologie zu fördern ist angesagt, aber nicht durch ineffiziente Förderpolitik mittels Gießkanne, sondern ganz gezielt.
Es müssen die Verwaltung reduziert, die Gesetze vereinfacht und die hohe Steuerbelastung gesenkt werden. (Beifall beim Team Stronach.)
Gerade die negativen Beispiele der Euro-Krisenländer zeigen, wie wichtig ein schlanker Staat und eine gute allgemeine Standortpolitik für das Wachstum sind.
Dringender Handlungsbedarf, meine Damen und Herren, besteht übrigens ganz aktuell auch aufgrund der dramatischen Folgen der Währungskreditsituation mit dem Schweizer Franken. Rund 6 000 der insgesamt 150 000 österreichischen Haushalte sind noch heuer durch die Auswirkungen der Frankenaufwertung betroffen. Im Schnitt werden sie für ihren Frankenkredit 33 000 € mehr bezahlen müssen. Hier wäre eine einmalige Unterstützung des Finanzministers in Form von Steuervorteilen für Betroffene, die ihren Frankenkredit in einen Eurokredit konvertieren, gefragt. (Beifall beim Team Stronach.)
Auch die Banken, die ihre Kunden meist nicht rechtzeitig ausreichend über das Risiko eines Auslandswährungskredites informiert haben, müssten unbedingt mithelfen. (Abg. Schmuckenschlager: Wissen Sie, welche Größenordnung das ist?!) Die meisten verzweifelten Kreditnehmer können diese Mehrbelastung kaum stemmen. Ihnen wäre durch so einen Schritt geholfen, und der Wirtschaft würden dadurch mögliche Konsumausgaben zugute kommen.
Aber zurück zum Wirtschaftsstandort. Ich appelliere dringend an Sie, Frau Staatssekretärin Steßl, und an die gesamte Bundesregierung: Machen Sie endlich Schluss mit dieser Politik der Erschwernisse für Unternehmer und Investoren und optimieren Sie die Rahmenbedingungen für den Wirtschaftsstandort Österreich! – Danke. (Beifall beim Team Stronach.)
16.56
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Dr. Hable. – Bitte.
16.56
Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Herr Präsident! Hohes Haus! Frau Staatssekretärin! Geschätzte Bürger und Bürgerinnen auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Der Wirtschaftsstandort Österreich ist Gegenstand dieser Debatte, ist Gegenstand unseres Dringlichen Antrages. Wir wollen aber nicht nur Kritik üben, notwendige und gerechtfertigte Kritik an der Wirtschafts- und Finanzpolitik der Bundesregierung, sondern wir wollen auch in NEOS-Tradition konstruktiv Lösungsvorschläge anbieten.
Ein zentraler Pfeiler unserer Lösungsvorschläge ist das NEOS-Steuerreformkonzept. Und einer Steuerreform muss man sich auch wieder mit einer großen Portion Ehrlichkeit nähern. Warum? – Weil in der bisherigen Diskussion diese Ehrlichkeit sehr oft ge-
fehlt hat. Alle Vorschläge, die ich insbesondere auch von der Bundesregierung bisher gehört habe, haben offen gelassen, wie man denn die angestrebte Entlastung finanzieren will. In Wahrheit gibt es nur drei Möglichkeiten der Finanzierung: entweder erstens durch eine Entlastung über höhere Schulden, zweitens durch eine Entlastung über eine Steuererhöhung nach dem Prinzip: linke Tasche, rechte Tasche, oder durch die dritte und einzig ehrliche Variante aus unserer Sicht: Strukturreformen auf der Ausgabenseite.
Wir haben hier – und das ist der erste Schritt unseres Steuerreformkonzeptes – eben nicht bei den Steuern begonnen, sondern bei den Strukturreformen. Wir haben Vorschläge von Experten und Expertinnen gesammelt: vom Rechnungshof, von WIFO, IHS und anderen, die uns sagen, wo viel Geld im österreichischen System versickert und wo wir mit einem geringeren Einsatz von Steuergeld dieselben öffentlichen Dienstleistungen erzielen können. Und da kommt eine beachtliche Zahl zusammen: 19 Milliarden €! 19 Milliarden € können laut diesen Vorschlägen eingespart werden, ohne dass die öffentlichen Dienstleistungen in irgendeiner Weise verlieren würden.
Diese Ehrlichkeit braucht man in der Diskussion – eine Ehrlichkeit, die mir auch im Redebeitrag des Kollegen Matznetter abgegangen ist. Er ist jetzt gerade nicht hier, aber Sie können es ihm gerne ausrichten. Er hat hier wieder behauptet, die Abgabenlast würde sinken. Das kann man natürlich immer behaupten, nur die Menschen im Land werden das nicht glauben, denn alle Bürger spüren, dass die Lohnsteuereinnahmen auf Rekordniveau sind, alle Unternehmen spüren, dass kein Geld für Investitionen und zur Schaffung neuer Arbeitsplätze da ist. (Präsident Kopf übernimmt den Vorsitz.)
Das ist eine unehrliche Diskussion! Die Wahrheit ist eine andere. Die Wahrheit ist: Österreich ist ein Hochsteuerland! Wir eilen von Steuerrekord zu Steuerrekord. Und daher lautet der erste große Ansatz unseres Reformkonzeptes: Weniger!
Wir müssen entlasten. Wir müssen die Steuerzahler und Steuerzahlerinnen entlasten. Wir wollen die Einkommensteuer um rund 4 Milliarden € senken. Wir wollen dies mit einer Steuerhoheit für Länder und Gemeinden verbinden. Und das ist eben nicht, wie Kollege Köchl – der jetzt leider auch nicht hier ist – gesagt hat, das Flicken von Straßenlöchern, sondern hier geht es ganz konkret um Verantwortung.
Unsere Zahlen sagen nämlich auch, dass der österreichische Staat 11 Milliarden € mehr für Verwaltung ausgibt als die Schweiz. 11 Milliarden € mehr, und das jedes Jahr! – Nein, hier geht es nicht um das Flicken von Löchern des Straßenbelages, hier geht es um enorm viel Geld, das in ineffizienten Strukturen versickert.
Wir wollen die Lohnsummenabgaben senken, auch um rund 4 Milliarden €, um die Arbeit zu entlasten, um den Druck von den Nettolöhnen wegzunehmen und um auch Spielraum für Unternehmen zu schaffen, Spielraum für weitere Arbeitsplätze.
Wir wollen einen Beitrag dazu leisten, dass das Steuersystem einfacher wird. Wir haben vorgeschlagen, eine Serie von Steuerarten – von Bagatellsteuern bis zur Rechtsgeschäftsgebühr – anzugehen, wir würden damit jede dritte Steuerart in Österreich abschaffen.
Insgesamt ergibt das eine Entlastung von 8,5 Milliarden €, und dann bleibt sogar noch etwas übrig. Es bleiben 6 Milliarden übrig, um unser Defizit abzudecken. Es hat bisher auch noch niemand erklärt, wie wir das eigentlich machen wollen. Es bleiben 3 Milliarden € übrig, um mit dem Schuldenabbau zu beginnen – ein erster, notwendiger und ehrlicher Schritt –, und es bleiben dann sogar noch 3,5 Milliarden € übrig, Spielraum, den wir geschaffen haben für Investitionen in die Zukunft. Das ist insgesamt ein mutiges Konzept – das sagen nicht wir, das sagt Fritz Schneider, der bekannteste österreichische Ökonom im deutschsprachigen Raum –, und diesen Mut fordern wir auch von der Bundesregierung ein.
Es reicht nicht, dass wir uns an Griechenland und anderen Krisenländern orientieren, wir müssen uns an den Besten orientieren. Nur so werden wir unseren Wirtschaftsstandort erhalten, nur so werden wir den Wohlstand und die Arbeitsplätze in diesem Land erhalten. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS.)
17.01
Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Ecker. – Bitte, Frau Abgeordnete.
17.02
Abgeordnete Cornelia Ecker (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Herr Schellhorn von den NEOS – ich glaube, er ist jetzt nicht im Saal, doch, er ist hier –, Sie haben uns die Situation Ihrer beiden Söhne geschildert, beide Unternehmerkinder, Mitte und Ende zwanzig, die am Wirtschaftsstandort Österreich keine Zukunft für sich sehen.
Ich muss schon sagen, dass ich es schäbig finde, wenn der österreichische Wirtschaftsstandort Ihrerseits ständig schlechtgeredet wird. Das ist er schlicht und einfach nicht!
Ich möchte Ihnen das an meinem Beispiel erklären. Ich bin auch ein Unternehmerkind, habe vor zwei Jahren den Betrieb meiner Eltern gemeinsam mit meinem Bruder übernommen. Wir wirtschaften gerne in Österreich und sehen für uns mit guten Ideen auch viele, viele Chancen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)
Selten ist etwas so entlarvend wie die heutige Dringliche Anfrage von den NEOS. Lassen Sie mich daraus zitieren:
„In der Industrialisierung mussten die Arbeitnehmer_innen vielleicht“ – ich zitiere: „vielleicht“ – „noch vor den Arbeitsbedingungen in den Konzernen geschützt werden. Im 21. Jahrhundert werden neue Jobs aber nicht mehr durch das längste Fließband, sondern durch Innovation in Technologien und Dienstleistungen geschaffen.“
Ist das (die Rednerin zeigt eine Tafel, auf der Näherinnen in einer Fabrik abgebildet sind, und stellt diese anschließend auf das Rednerpult) die Welt, von der Sie sprechen? Ist das das Bild, von dem Sie sprechen? (Abg. Hable: Das ist die Realität!) – Das ist wahr! Ihr Wirtschaftsliberalismus! Das ist Ihr Wirtschaftsliberalismus, bitte schön. (Abg. Strolz: Ja, das ist die Jacke, die Sie anhaben!)
Wir alle leben in der gleichen Welt, Herr Strolz! Das Bild soll Ihren Horizont erweitern. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)
Also nochmals: Im 21. Jahrhundert werden neue Jobs nicht mehr durch das längste Fließband bestimmt. – Guten Morgen, NEOS, träumen Sie weiter!
Schauen Sie sich das an (die Rednerin zeigt auf die Tafel), oder lassen Sie es mich nochmals mit Ihren Worten sagen: Kapital ist heute so flüchtig, wie es die zunehmend fehlenden hochqualifizierten Arbeitskräfte sind.
Millionen von Menschen flüchten vor dem Kapitalismus, das ist die Realität, und Sie wollen den Arbeitsschutz aushebeln. Prägen Sie sich dieses Bild genau ein! (Die Rednerin zeigt neuerlich auf die Tafel.) Das ist die Welt, die Sie und Ihre NEOS erschaffen möchten.
Dabei, Herr Schellhorn, holt Sie heute ein – wie mein Vorredner, Peter Haubner von der ÖVP, schon angemerkt hat –, dass Sie selbst in der Hoteliervereinigung politisch jahrelang aktiv waren – das möchte ich jetzt ansprechen – und dort die Interessen der Mitglieder vertreten haben. Ich verstehe schon, dass man sich als Mitglied einer neuen Partei etablieren möchte. Fakt ist aber, dass die NEOS heute alt aussehen. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)
Nach Wasserprivatisierung und der Forderung nach einem 12-Arbeitsstunden-Tag preschen Sie heute vor und wollen die Arbeitnehmerregelungen aushebeln. Sie nennen das Flexibilität. Solche Vorhaben unterstützen wir Sozialdemokraten nicht.
Ich träume von einem Land, in dem das Einkommen gerecht verteilt ist, in dem Armut effektiv bekämpft wird, nicht von Großkapitalismus.
Die Kluft zwischen Arm und Reich darf nicht mehr größer werden. Der Faktor Arbeit muss entlastet werden. Das, was Sie vorhaben, ist die Förderung weniger und das Ausnutzen vieler.
Lesen Sie einmal den aktuellen Sozialbericht: 47 Prozent der Unselbständigen arbeiten schon jetzt in atypischen Beschäftigungsformen. (Abg. Strolz: Sie haben das Jahrhundert verwechselt, das ist Klassenkampf!) Willkommen im 21. Jahrhundert!
Überhaupt haben Sie, Herr Schellhorn, ja jahrelang, wie gesagt, in der Hoteliervereinigung mitgewirkt und Ihre Mitglieder vertreten. Da müssen Sie doch ganz genau wissen, wie wichtig Interessenvertretungen sind, wie wichtig sie gerade im Bereich von EPUs und KMUs sind.
Die Eisdiele ums Eck kann sich keine eigene Rechtsanwaltskanzlei leisten. Ihre Forderungen wären also eine klare Schlechterstellung für EPUs und KMUs gegenüber den Großbetrieben.
Als Unternehmerin sage ich ganz klar, dass Ihre Konzepte an der Realität vorbeispazieren.
Als Demokratin sage ich Ihnen auch, dass ich einem Freihandelsabkommen nicht zustimmen werde, das die sozialen Standards und die Lebensmittelstandards unterschreitet.
Die Sozialdemokratie wurde in Österreich auch genau deshalb gegründet, weil Victor Adler damals in den Ziegelwerken gesehen hat, was die Nichteinhaltung von sozialen Standards bedeutet: erbärmliches soziales Elend.
Als Sozialdemokratin muss ich Ihnen die Realität vor Augen halten. (Die Rednerin zeigt auf die Tafel.) – Nichts, aber rein gar nichts ist an den NEOS mittlerweile noch liberal.
Dann fordern Sie eine „One-in-One-out-Regel“ für die Gesetzgebung. Wie darf ich mir das vorstellen? Wenn wir im Parlament ein Gesetz für Behinderte machen, muss ich dann warten, bis ein Gesetz der Straßenverkehrsordnung herausgenommen wird? – Das ist nicht durchdacht, unausgewogen und undurchschaubar!
Wahr ist zum Beispiel, dass Österreichs Wirtschaft einer Normenflut gegenübersteht. Für kleine und mittlere Betriebe ist es ganz, ganz schwierig, mit dieser Flut an Normen zu wirtschaften.
Allein im Jahr 2014 beispielsweise wurden 1 519 neue Normen erlassen und 1 257 zurückgezogen, das bedeutet einen Normierungsaufwand von 2 776 Normen. Das ist einfach viel zu viel! Wer soll sich da noch auskennen? Das haben wir erkannt, das steht auch im Regierungsprogramm, und damit wollen wir die Wirtschaft entlasten. Hier fehlt es an Transparenz. Großbetriebe geben Normen vor, und diese müssen dann notgedrungen von den kleineren Betrieben übernommen werden.
Die Kosten für die öffentliche Hand bezüglich der vielen, vielen Normen sind gerade im Bausektor enorm. Aber diese Themen sprechen Sie nicht an.
Die Probleme der Wirtschaft erkennen Sie nicht. Liebe NEOS, wenn Sie sich schon einbringen wollen, dann bitte richtig. Ich möchte, dass Sie sich dieses Bild hier (die Rednerin zeigt die Tafel) genau einprägen, denn das ist das Gesicht des NEOS-Kapitalismus. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Strolz: Für meine Gesundheit ist das nicht gut!)
17.08
Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wöginger. – Bitte, Herr Abgeordneter.
17.08
Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Ich möchte auf drei Bereiche eingehen, die Kollege Schellhorn angesprochen hat und die es meiner Meinung nach wert sind, dass man darüber diskutiert. Ich möchte vielleicht einige Ergänzungen vornehmen.
Sie haben den Bundeskanzler zu drei Bereichen befragt: Was wird gegen die hohe Arbeitslosigkeit getan? Was sind die Vorhaben, damit den Menschen mehr Geld verbleibt, mehr Netto vom Brutto? Was wird im Hinblick auf Entbürokratisierung getan?
Ich möchte zur Frage der Arbeitslosigkeit einige Anmerkungen machen, weil ich es als notwendig erachte, dass man der Bevölkerung mitteilt, dass die Regierung an dieser Problematik arbeitet. Das ist eine Herausforderung in unserem Land, ja in ganz Europa: Wir haben eine Anstieg bei Arbeitslosigkeit, aber auch bei Beschäftigung.
Ich möchte das auch für die Republik Österreich festhalten. Wir haben fast 3,5 Millionen unselbständig Erwerbstätige – auch zu diesem Zeitpunkt –, so viele wie nie zuvor. Wir haben aber leider auch eine steigende Arbeitslosigkeit.
Im Vorjahr waren es rund 20 000 Personen mehr, die in die Beschäftigung eingetreten sind, und um rund 30 000 Personen mehr sind arbeitslos geworden. Meine Damen und Herren! Den Menschen, die derzeit auf Jobsuche sind, gilt natürlich unsere Aufmerksamkeit, das ist keine Frage. Und diese Bundesregierung tut auch etwas gegen die Arbeitslosigkeit. Ich möchte auf den Ministerratsvortrag verweisen, der jeden Monat durch den Ministerrat geht, der abrufbar ist und wo klar und deutlich die Zahlen enthalten sind.
Ich möchte festhalten: Wir sind mit Deutschland auf dem Stockerlplatz, nämlich auf dem ersten Platz. Wir haben über das Jahr gerechnet in etwa die gleiche Arbeitslosigkeit und wir haben die zweitniedrigste Jugendarbeitslosigkeit.
Wichtig ist jedoch, und das gehört auch
einmal gesagt: Wir haben 20 000 Arbeitslo-
se, die langzeitarbeitslos sind, von
insgesamt 400 000 Arbeitslosen. 900 000 Menschen
durchwandern pro Jahr das AMS, um auch diese Institution einmal positiv zu
erwähnen. Es gibt immer Verbesserungsbedarf, aber
900 000 Menschen durchwandern das AMS, und 583 000 Personen
konnten voriges Jahr durch das AMS wieder eine Beschäftigung aufnehmen,
meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.) – Das
muss man hier auch einmal anerkennend zum Ausdruck bringen.
Eine Gruppe, die es besonders schwer hat, auf dem Arbeitsmarkt wieder unterzukommen, sind ältere Arbeitnehmer, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die über 50 Jahre alt sind. Wir alle kennen sie aus unseren Sprechtagen. Wir haben hier eine Eingliederungsbeihilfe und eine Kombilohnbeihilfe geschaffen. 14 400 Menschen wurden voriges Jahr mit einer Eingliederungsbeihilfe wieder in den Arbeitsmarkt integriert und 5 580 haben eine Kombilohnbeihilfe erhalten.
Meine Damen und Herren! Wir erkennen die Problematik und tun etwas dagegen. Die Zahlen beweisen auch, dass die Bundesregierung und auch wir im Parlament die richtigen Maßnahmen setzen.
Ältere in Beschäftigung halten, das wollen wir gemeinsam erreichen. Das geht nicht mit Bevormundung und Bestrafung, das geht nur durch gemeinsames Vorgehen mit den Unternehmungen und mit der Arbeitnehmerschaft, meine Damen und Herren. Das kann man nur gemeinsam lösen. (Beifall bei der ÖVP.)
Wir von der Volkspartei werden zwischen ÖAAB und Wirtschaftsbund entsprechende Maßnahmen entwickeln, die wir Ihnen auch vorstellen werden, weil wir der Meinung sind, dass man das nur gemeinsam lösen kann, aber nicht mit Bestrafen und Bevormunden.
Meine Damen und Herren! Es ist erwähnt worden, dass die Daten in Deutschland besser wären als in Österreich. Ja, das stimmt zum Teil, es gibt auch eine Begründung dafür: Deutschland ist demographisch gesehen älter als Österreich. Dort wird derzeit um Zuzug geworben. In Deutschland gehen mehr Menschen in Pension als in den Arbeitsmarkt eintreten. Diese Situation hat Österreich noch nicht.
Ich möchte als Mandatar, der in einer Grenzregion lebt, nämlich im Innviertel, im Bezirk Schärding, auch eine Zahl bringen. Mein Vater war selbst Grenzgänger. Wir sind derzeit in der Situation, dass 100 000 Deutsche in Österreich arbeiten und 50 000 Österreicher in Deutschland. Die Situation war noch vor wenigen Jahren völlig umgekehrt. Das sollte man auch dazusagen, wenn wir von Zuzug auf unseren Arbeitsmarkt sprechen, meine Damen und Herren!
Der zweite Aspekt sind die Steuerreform und das Ziel, dass den Menschen mehr Geld im Börserl bleibt. Ja, das unterstützen wir, meine Damen und Herren! Mehr Netto vom Brutto! Die Abgabenquote ist zu hoch. Deshalb muss ein Hauptaugenmerk auf die Entlastung im Lohn- und Einkommensteuerbereich, auf die Entlastung insbesondere auch der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und der Familien mit Kindern gelegt werden, meine Damen und Herren. Das ist uns von der Volkspartei ein ganz großes Anliegen. Wir haben da eine Ungleichbehandlung im Steuersystem zwischen Familien mit Kindern und Familien ohne Kinder. (Zwischenruf der Abg. Kitzmüller.)
Meine Damen und Herren! Wir haben ein Modell ausgearbeitet, die Mitarbeitererfolgsbeteiligung. Das wäre ein Modell, das sofort umgesetzt werden könnte, bei dem von 1 000 € – wenn ein Unternehmer bereit ist, das an seine Mitarbeiter auszuschütten – mit einer Endbesteuerung von 25 Prozent 750 € übrig bleiben sollten. Das könnte man relativ schnell machen. Aus meiner Sicht ist da auch die Gegenfinanzierung keine Frage, weil das den Konsum ankurbeln würde. Und das sollten wir mit einer Steuerreform auch bezwecken.
Der letzte Punkt ist eine aktive Standortpolitik. Wir brauchen uns nichts vorzumachen, es geht darum, Arbeitsplätze zu sichern und neue zu schaffen. Wir müssen da attraktiver werden, was die Rahmenbedingungen anlangt. Und nur die Unternehmer können aufgrund attraktiver Rahmenbedingungen zusätzliche Arbeitsplätze schaffen. (Abg. Lichtenecker: Ja, das stimmt! Tun!)
Entbürokratisierung, mit diesem Thema möchte ich schließen, weil es angesprochen worden ist. Zum einen haben wir hier in diesem Haus schon diesbezügliche Beschlüsse gefasst. Wir haben Beauftragte gestrichen, wir haben Arbeitszeitaufzeichnungen vereinfacht. Und wir haben hier auch, weil das Bestbieterprinzip angesprochen worden ist, eine große Veranstaltung zu dieser Thematik durchgeführt, wir wollen weg vom Billigstbieter- hin zum Bestbieterprinzip gehen.
Abbau von Bürokratie und Vereinfachung müssen auch Bestandteile dieser Steuerreform sein. Ich darf abschließend ein Beispiel aus Oberösterreich bringen. Landeshauptmann Pühringer hat die Bevölkerung aufgerufen, mitzuteilen, was ihr persönlich im Verwaltungsgeschehen sozusagen widerfahren ist. 18 000 Rückmeldungen sind dem Land Oberösterreich zugesendet worden, die jetzt auf- und abgearbeitet werden, mögliche Vereinfachungen werden zur Umsetzung gelangen.
Die Verwaltung muss vereinfacht werden. Vorschriften, Gesetze, Verordnungen müssen wir reduzieren. Es liegt nicht an den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im öffentlichen Dienst, sondern an einer gewissen Regelungswut, die wir in den letzten Jahren
hier aufgebaut haben, wir in Österreich, auch in den Ländern, und vor allem auch in der Europäischen Union. (Abg. Kitzmüller: Wer dominiert denn die Länder?)
Und der letzte Satz, meine Damen und Herren: Wir müssen ausgabenseitig sparen. Wir müssen ausgabenseitig sparen, um die notwendige Steuerentlastung finanzieren zu können. Das muss das Credo bei der Diskussion sein, wenn es um die Steuerentlastung der Bürgerinnen und Bürger geht. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Kitzmüller.)
17.15
Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Angerer. – Bitte, Herr Abgeordneter.
17.15
Abgeordneter Erwin Angerer (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Bevor wir zur Negativbilanz der Wirtschaftspolitik der Regierungsparteien kommen, muss ich zu Herrn Köchl von den Grünen etwas sagen, was die Wirtschaftspolitik vor allem in Kärnten betrifft: Das Einzige, das Sie, seit Sie in der Regierung sitzen, zustande gebracht haben, ist die Verhinderung eines 60-Millionen-Investitionsprojekts am Mölltaler Gletscher und der dilettantische Umgang mit einem Wirtschaftsskandal im Görtschitztal, wo die negativen wirtschaftlichen Auswirkungen für eine ganze Region noch nicht absehbar sind. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Lichtenecker: So ein Unsinn!)
Jetzt zur Wirtschaftspolitik unserer Bundesregierung. Nimmt man die „Neue Zürcher Zeitung“ vom 1. Jänner zur Hand, liest man darin: „Zangengriff von Parteien und Kammern lähmt Österreich“. Und: „Österreich lebt seit Jahren auf Kosten der Substanz.“ – Das muss man leider so auch feststellen. Und leider haben die Österreicherinnen und Österreicher auch dieses Gefühl und dieses Empfinden.
Leider ist die rot-schwarze Koalition immer wieder gefangen in ihren Sozialpartnersystemen, mit der Landwirtschaftskammer und der Wirtschaftskammer bei der ÖVP und auf der anderen Seite mit der Arbeiterkammer und der Gewerkschaft. Daher muss man davon ausgehen, dass sich leider keine Reformen umsetzen lassen.
Seit 2007, und das ist ein Faktum, auch wenn der Herr Bundeskanzler anderes betont und immer wieder anderes zitiert, gehen die Zahlen im internationalen Vergleich, was die Wirtschaft betrifft, nach unten. Wir verlieren im Vergleich mit der EU. Obwohl in der EU Wachstum ist, ist in Österreich Sinkflug. Das Einzige, was in Österreich steigt, sind die Arbeitslosigkeit und die Inflation, und die Konjunktur geht zurück.
Dass es uns heute in Österreich noch so gut geht, ist keine Errungenschaft der Parteien und der Regierung, sondern der fleißigen Menschen in diesem Land, natürlich auch der Unternehmer und der Exportwirtschaft. Wir haben heute 150 Unternehmen, die Weltmarktführer sind, die halten dieses Land noch aufrecht, und die fleißigen Unternehmer und KMUs. Die sind es. (Beifall bei der FPÖ.)
Es ist zu befürchten, dass auch das noch durch diese Politik geschwächt und kaputt gemacht wird. Die Wirtschaft sagt: Wir brauchen Arbeitskräfte! Doch leider macht jeder gut Ausgebildete einen Bogen um Österreich, und die schlecht Ausgebildeten, die Ungelernten, die landen bei uns im Sozialsystem. Das ist die Migrationspolitik.
Und sehen wir uns die Hochschulpolitik an: Wir haben zwar sehr viele Menschen aus dem Ausland, die bei uns in Österreich studieren, aber nur 17 Prozent davon bleiben auch hier. Das heißt, wir verlieren da gut ausgebildete Menschen. Der Braindrain aus Österreich setzt sich fort.
Die Forschungsquote, die vom Herrn Bundeskanzler heute angesprochen wurde, liegt derzeit bei 2,8 Prozent, und – das zeigen unsere Wünsche, die in den Papieren stehen – sie soll im Jahr 2020 bei 3,76 Prozent sein. Dieser Wert liegt wohl in weiter Ferne.
Kleine und mittlere Unternehmer – das hört man, wenn man hinausgeht und mit ihnen redet – stöhnen unter der Verwaltung, unter den Auflagen, die sie zu erfüllen haben, unter dem Verwaltungsaufwand, unter den steuerlichen Belastungen, unter den Auflagen, die ihre Arbeitnehmer haben. Zum Beispiel stellt die Kennzeichnungsverordnung, die schon erwähnt worden ist, nicht nur eine massive Beeinträchtigung der Gastwirte, sondern auch des Lebensmittelbereiches dar. So muss ein Lebensmittelunternehmer heute neue Waagen ankaufen, weil auf der Waage angezeigt werden muss, was in diesem Produkt, das der Käufer erwirbt, enthalten ist. Einen kleinen Spar-Markt bei uns im Ort kostet die erforderliche Investition 20 000 €, nur damit er diese Verordnung erfüllen kann. Das sind Auflagen, die wir den Unternehmern und damit der Wirtschaft auferlegen, und damit schwächen wir sie.
Wenn man heute Herrn Loacker von den NEOS gehört hat, dann muss ich sagen: Das hat mir als Kommunalpolitiker natürlich auch wehgetan. Da würde ich allen raten, vielleicht auch einmal in die Kommunalpolitik zu gehen – man steigt ja in der Wirtschaft auch nicht gleich als Generaldirektor ein –, bevor man hier in den Nationalrat hereingeht und dann über Föderalismus und Finanzen redet.
Es ist immer noch so – ich habe es schon mehrfach erwähnt –, dass die Gemeinden in diesem Land mit den Finanzen auskommen und Bund und Länder Schulden machen. Man sollte dort sparen, wo man Schulden macht – das wird der Unternehmer auch tun –, bevor man bei denen spart, die mit den Finanzen sowieso auskommen. Dann den Feuerwehren und den Freiwilligen in unserem Land die Ausrüstung zu verweigern, das ist, finde ich, einfach der falsche Weg. Das tut man nicht! (Beifall bei der FPÖ.)
Zum Abschluss noch: Wenn man heute den Herrn Finanzminister gehört hat, dann hoffe ich, dass er in der Lage ist, das umzusetzen, was er heute über das Föderalismussystem und sein Steuerreformpaket gesagt hat. Er hat nur, wie heute auch jemand richtig erwähnt hat, einen Klotz am Bein, und das sind die beiden Regierungsparteien. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)
17.20
Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Rossmann. – Bitte.
17.21
Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (Grüne): Herr Präsident! Herr Kanzler! Hohes Haus! Ich möchte mich doch ein wenig mit dem Steuerreformkonzept der NEOS auseinandersetzen. Herr Schellhorn hat ja gesagt, es sei Bestandteil einer nationalen Wachstumsoffensive. Eine Wachstumsoffensive muss prinzipiell wohl auf der europäischen Ebene erfolgen, wenn sie was sein soll, und zum Zweiten muss sie natürlich auch nachhaltig sein. – Das ist aber nur eine Randbemerkung.
Nun zum Steuerkonzept der NEOS selbst. Die Zuschreibungen lauten: weniger, einfacher, generationengerecht. Mit all diesen drei Zuschreibungen möchte ich mich jetzt kurz auseinandersetzen.
Weniger: weniger Steuern. Ja, Sie haben vor, Steuern zu senken, das ist richtig. Ich kann mich jetzt aufgrund der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nicht mit allen Steuersenkungen, die Sie in Ihrem Konzept drin haben, befassen. Aber einen Punkt möchte ich doch herausgreifen, das ist die Entlastung der Lohn- und Einkommensteuer.
Die Entlastung der Lohn- und Einkommensteuer sieht vor, dass die niedrigen Einkommen jedenfalls mit null entlastet werden – das entnehme ich Ihren Folien. Das heißt also, dass die niedrigen Einkommen in diesem Land, nämlich jene Einkommen, die keine Lohn- und Einkommensteuer zahlen, auch nicht entlastet werden. Das sind immerhin 2,5 Millionen Menschen in diesem Land. (Abg. Strolz: Es heißt ja Steuerreform ...!)
Es sind 2,5 Millionen Menschen in diesem Land, vorwiegend Frauen, Teilzeitbeschäftigte mit niedrigem Einkommen, die Sie nicht entlasten wollen! Und je höher das Einkommen ist, desto stärker wird die Entlastung. Das erinnert mich in Wirklichkeit an die Steuerreformkonzepte der ÖVP und auch der SPÖ: Die Entlastung ist in der unteren Hälfte immer deutlich niedriger als in der oberen Hälfte. (Abg. Darabos: Mit der SPÖ ...!)
Jetzt fragen wir uns noch: Wie schaut dann das Finanzierungskonzept aus? – Ich greife nur ... (Abg. Strolz: Wenn keine Steuer gezahlt wird ...!) Jetzt hören Sie mir einmal zu, Herr Kollege Strolz! – Ich greife das Finanzierungskonzept zunächst nur zum Teil heraus. 19,1 Milliarden an Ausgabenkürzungen sind da drin. Was die Relevanz für die Selbstfinanzierung durch die Menschen anlangt, möchte ich doch eines hervorheben: Die geplanten Kürzungen bei den Pensionen liegen in der Größenordnung von 6,8 Milliarden €; die Tarifentlastung bei der Lohn- und Einkommensteuer macht ungefähr 4 Milliarden aus.
Darüber hinaus haben Sie in Ihrem Konzept Einsparungen im Gesundheitsbereich von 4,5 Milliarden € vorgesehen. Da geht Herr Hable her und sagt: Es kommt zu keinen Kürzungen von Dienstleistungen. Na, wie wollen Sie denn das machen? Wie wollen Sie im Gesundheitsbereich 4,5 Milliarden € einsparen, ohne dass es dort zu Kürzungen kommt? (Beifall bei den Grünen.) Wie wollen Sie im Pensionsbereich 6,8 Milliarden € einsparen, ohne dass es zu Kürzungen im Pensionsbereich kommt?
Ihr Konzept ist nämlich ein Konzept, das nicht ehrlich ist. Ihr Konzept ist ein Konzept, bei dem sich die Menschen, die entlastet werden, die Steuern durch Kürzungen bei den Pensionen auf der einen Seite, aber auch durch Kürzungen bei den Gesundheitsleistungen wieder selber zahlen!
Sie müssen mir einmal erklären, Herr Kollege Hable und Herr Kollege Strolz, warum nur ein Konzept ehrlich sein soll, das auf der Ausgabenseite ansetzt. Sie nennen das Ausgabenstruktur. (Zwischenruf des Abg. Hable.) Erklären Sie mir einmal, warum eine Steuerstrukturreform unehrlich ist, eine Steuerstrukturreform, die vorsieht, dass man dort ansetzt, wo die Belastung am höchsten ist, nämlich bei den Arbeits- und Erwerbseinkommen, die gleichzeitig aber auch dort ansetzt, wo die Belastung am niedrigsten ist, nämlich bei den 10 Prozent der Reichsten und Vermögendsten in unserem Lande. Was soll denn daran unehrlich sein, wenn die Vermögenden im Lande einen Beitrag zur Entlastung der Lohn- und Einkommensteuerpflichtigen leisten? (Beifall bei Grünen und SPÖ.) – Das müssen Sie mir, das müssen Sie den Menschen, unseren Zuseherinnen und Zusehern zu Hause wirklich einmal erklären!
Ihr Steuersystem soll aber auch einfacher werden. Sorry, ich kann nicht erkennen, wo das Steuersystem in Wirklichkeit einfacher wird. Es hat als Bestandteil – ich greife nur ein Beispiel heraus – mehr Steuerautonomie für Länder und Gemeinden drinnen, Zuschläge zur Lohn- und Einkommensteuer.
Jetzt überlegen wir uns aber einmal, was da einfacher wird. Da gibt es die Arbeitnehmerveranlagung in der Lohnsteuer. Wenn einmal die Mittel verteilt sind, dann müssen nach erfolgten Arbeitnehmerveranlagungen in einem Zug die ganzen Finanzausgleichsströme neu aufgerollt werden. Damit ist ein enormer administrativer Aufwand verbunden. (Abg. Strolz: Es gibt ja mittlerweile Computer!) Haben Sie sich das überlegt?
Haben Sie Herrn Kollegen Friedrich Schneider gefragt, ob darin der Mut besteht, von dem Herr Kollege Hable gesprochen hat? – Herr Schneider ist übrigens nicht der bekannteste Ökonom im deutschsprachigen Sprachraum, sondern das ist mit Sicherheit (Abg. Fekter: Das ist Herr Rossmann! – Heiterkeit bei der ÖVP) – nein, nein, Frau Finanzministerin außer Dienst, so verwegen bin ich nicht – Herr Hans-Werner Sinn. Er ist nicht meiner, er ist einer von der neoliberalen Sorte, aber er ist mit Sicherheit der bekannteste deutschsprachige Ökonom.
Von Einfachheit kann also nicht die Rede sein. Wo ist denn Ihr Mut geblieben, den Sie im „Sommergespräch“ noch angedeutet haben, als Sie von einem integrierten Tarif geredet haben, von der Zusammenführung, der Vereinheitlichung der Bemessungsgrundlagen in der Lohnsteuer auf der einen Seite und bei den Sozialversicherungsbeiträgen auf der anderen Seite? – Davon ist nichts mehr zu erkennen.
Die dritte Zuschreibung zu Ihrer Steuerreform lautet: generationengerecht. „Generationengerechtigkeit“ verbinde ich aber nicht mit einer Kürzung im Pensionsbereich. Das hat auch mit der Steuerseite wenig zu tun, das hat etwas mit der Ausgabenseite zu tun. Wenn ich mich daher frage, was „generationengerecht“ heißt, so muss ich mir wohl die Frage nach der ökologischen Nachhaltigkeit stellen. Ja, darin erkenne ich ein Generationenelement.
Was ist denn Ihr ökologisches Steuerkonzept? – Ihr ökologisches Steuerkonzept schaut so aus, dass Sie im ökologischen Bereich drei Abgaben streichen wollen, nämlich die NoVA, die Flugabgabe und die Kfz-Steuer. Im Gegenzug wollen Sie eine CO2-Steuer einführen, aufkommensneutral. Wo da sozusagen die Ineffizienz und die Ineffektivität bei den drei Steuern, die Sie streichen wollen, liegt (Zwischenruf des Abg. Strolz), das müssen Sie mir auch einmal erklären, Herr Kollege! (Beifall bei den Grünen.)
In einer CO2-Steuer kann ich einen Sinn erkennen. Aber warum, bitte, aufkommensneutral? (Abg. Strolz: Weil wir nicht belasten wollen!) Das kann ich, ehrlich gesagt, nicht ganz nachvollziehen.
Wenn Sie, Herr Kollege Strolz, auch gesagt haben, Sie sind die erste Parlamentspartei, die ein durchgerechnetes Steuermodell vorgelegt hat, so halte ich dem entgegen: Wir sind die einzige Partei, die ein seriös durchgerechnetes Steuermodell vorgelegt hat. (Abg. Strolz: Vom Herrn Rossmann durchgerechnet?) Nein, vom Herrn Professor Willi Altzinger von der Wirtschaftsuniversität und seinen Forschungsassistenten. Siehe da: durchgerechnet! (Abg. Strolz: Gratuliere dazu!)
Unser Konzept ist eines, das in der Tat auch verteilungspolitisch gerecht ist, weil die untersten 90 Prozent entlastet werden und die 10 Prozent Reichsten zahlen. Es ist auch aus der frauenpolitischen Perspektive etwas drinnen, nämlich die Tatsache, dass die untersten Einkommen entlastet werden, und da finden sich nun einmal die meisten Frauen. Es ist auch konjunkturgerecht, weil nur Konjunktureffekte von einer Steuersenkung ausgehen, wenn die niedrigen und unteren Einkommen und die in der Mitte entlastet werden, aber nicht, wenn die oberen entlastet werden, weil jeder Steuereuro, der dort hinfließt, konjunkturpolitisch verfehlt ist. (Beifall bei den Grünen.)
Von einer ökosozialen Steuerreform – das möchte ich noch einmal anfügen – kann in Ihrem Konzept nicht die Rede sein. Daher kann ich nicht erkennen, dass es ein Konzept ist, das entlastet, das einfacher ist und das generationengerecht ist. Da müssen Sie an Ihrem Steuerkonzept noch sehr kräftig feilen! – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen.)
17.29
Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Steinbichler. – Bitte. (Abg. Hörl – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Steinbichler –: Was hast denn heute mit?)
17.30
Abgeordneter Leopold Steinbichler (STRONACH): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseher auf der Tribüne und zu Hause nach getaner Arbeit an den Fernsehgeräten! Ich finde es eigentlich gut, dass heute diese Dringliche Anfrage zum unternehmerischen Österreich diskutiert wird. Die Debattenbeiträge haben gezeigt – jetzt der letzte,
wo wir uns darüber unterhalten, welche Studien und welche Konzepte seriös sind, welche nachhaltig sind –, wie wichtig es ist, dass man hier eine grundlegende Diskussion führt.
Wie wir wissen, ist die Entwicklung tatsächlich eine schwierige, nicht nur in Österreich, sondern auch international, und natürlich können wir uns nicht abschotten. Allerdings darf ich einleitend doch kurz einige Grundsätze aus dem Nationalratswahlkampf von unserem Gründer Frank Stronach wiederholen, der klipp und klar gesagt hat: Wir brauchen eine Verwaltungsreform, wir müssen das Geld von der Bürokratie zur Wirtschaft, zu den Familien, zu den Kleinunternehmen bringen. Wir müssen die heimische Wirtschaft stützen. Wir müssen jene Banken und Konzerne, die ins Ausland flüchten, besteuern und jene, die regional investieren, fördern, weil letztlich hier dann auch die Wirtschaftskraft entsteht, die Familien und die Arbeitnehmer Geld zum Investieren haben und die Wirtschaft prosperiert.
Wenn der Opposition von den Regierungsparteien Polemik vorgeworfen wurde, muss ich sagen: Natürlich wird man manche Vorschläge als Polemik abtun. Aber umgekehrt ist es so, und ich bin sehr dankbar, dass der Herr Bundeskanzler bei dieser wichtigen Diskussion persönlich anwesend ist.
Ein kurzer Querschnitt: Hier in diesem Haus hat uns Landwirtschaftsminister Rupprechter erklärt, er wird sich gegen TTIP stellen und die österreichischen Standards verteidigen; auch in einem „Kronen Zeitung“-Beitrag mit Ökonomierat Tobias Moretti. Aber jetzt auf der Grünen Woche – Herr Präsident Schultes, du wirst es auch vernommen haben – auf einmal die Kehrtwendung: TTIP hat auch positive Seiten!
Er wird die österreichischen Spezialitäten vor TTIP schützen. Das ist, glaube ich, das ganz Wesentliche, dass wir jetzt darüber reden: Welche Spezialitäten will der Herr Minister für Österreich schützen? – Ich glaube, das ist das Wesentliche. (Der Redner hält in der Folge mehrere Nahrungsmittelpackungen, die er in einem Warenkorb ans Rednerpult mitgebracht hat, in die Höhe.)
Wenn er als Patriot den Tiroler Speck angesprochen hat, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, dann möchte ich wissen, was hier aus Österreich ist. Sind es die dänischen Schweine? Sind es die polnischen Schweine, die lebend nach Österreich gekarrt und hier geschlachtet werden und den AT-Stempel bekommen?
Ist es eventuell diese Fischspezialität? – Feinstes und Pikantes für Genießer, natürlich aus Österreich. Ich möchte wissen, in welchem Meer die gefischt werden: im Attermeer, im Mondmeer oder im Traunmeer?
Ist es Kürbiskernöl? – Hier haben wir ein Beispiel, wie es sein sollte: das steirische. Wir wissen aber, wie viele Substitute es gibt, die aus Nachpressung kommen oder aus importierten chinesischen Kernen gepresst werden.
Ist es etwa dieses traumhafte Honigglas, der Blütenhonig mit Blütenwiese? – Herrlich, aber es ist Honig aus internationalen „Landen“.
Oder, jetzt der Höhepunkt, ist es vielleicht diese Sprühsahne? – Sie wird von einer österreichischen bäuerlichen Genossenschaft aus Belgien importiert, die den Bauern erklärt: Es ist wichtig, dass wir nach China exportieren können, damit wir den Markt räumen können.
Hier ist uns, glaube ich, der Herr Minister – Herr Kanzler, ich bitte hier auch Sie um Unterstützung – eine Antwort schuldig. Haben wir in letzter Zeit wirklich zu viel, ich sage einmal, Etikettenschwindel in diese Lebensmittel- und Ernährungspolitik hineingebracht? (Beifall beim Team Stronach.)
Das Wichtigste, das Grundlegende nach der Geburt – wir haben es heute diskutiert – ist eine gesunde Ernährung. Von der Ernährung her, die für den Körper das Wichtigste
ist, glaube ich, sollten wir wirklich unsere Spezialitäten sehen, für die wir auch bekannt sind. Wenn Minister Rupprechter in Berlin von „The Taste of Austria“ gesprochen hat, dann wollen wir unseren heimischen Konsumenten, aber auch unseren geschätzten Geschäftspartnern im Ausland wirklich auch den „Taste of Austria“ anbieten. Aber das muss fair sein, und da darf es nicht zu einer wunderbaren Vermehrung kommen. (Beifall beim Team Stronach.)
Deshalb würden wir ergänzend festhalten, weil es um den Wirtschaftsstandort Österreich geht, weil hier 150 000 kleine Bauernhöfe geschlossen wurden – Frau Kollegin Winzig ist leider nicht hier –: Jawohl, ich bekenne mich zur österreichischen Wirtschaft, weil viele kleine EPUs und KMUs im der Landwirtschaft nachgelagerten Bereich geschlossen wurden, weil da viele regionale Arbeitsplätze verloren gegangen sind, weil damit der ländliche Raum ausgedünnt wird, weil in der Folge wahnsinnige Kilometerstrecken vom und zum Arbeitsplatz zurückzulegen sind, weil dadurch Umweltbelastung entsteht, weil damit Klimabelastung und somit Gesundheitsbelastung entstehen und Arbeitsplätze verloren gehen.
Aufgrund des Gütersiegel-Wirrwarrs auf dem Lebensmittelmarkt – wir haben das schon öfters besprochen –, damit endlich Klarheit auf dem Markt herrscht, darf ich wiederum folgenden Entschließungsantrag der Abgeordneten Steinbichler, Kolleginnen und Kollegen zum Qualitätsgütesiegel-Gesetz einbringen:
„Der Nationalrat wolle beschließen:
‚Die Bundesregierung wird aufgefordert, zur Sicherung des Wirtschaftsstandortes Österreich dem Nationalrat unverzüglich einen Gesetzesentwurf vorzulegen, der geeignet ist, die Einführung eines rechtlich verbindlichen, einheitlichen Qualitätsgütesiegels für alle in Österreich angebotenen Lebensmittel zu ermöglichen.‘“
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Wir bitten um Unterstützung im Sinne unserer Volkswirtschaft, im Sinne einer regionalen, prosperierenden Wirtschaft und keiner spekulativen, damit solche Bilder (der Redner hält die entsprechende Abbildung in die Höhe): „Geschlossen wegen US-Konkurrenz“, wie es bei uns ein regionaler Landwirtschaftsartikelhändler auf der Internetseite stehen hat, nicht die Zukunft sind. – Danke und bitte um Unterstützung. (Beifall beim Team Stronach.)
17.36
Präsident Karlheinz Kopf: Der von Herrn Abgeordnetem Steinbichler soeben eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Steinbichler, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Qualitätsgütesiegel-Gesetz“,
eingebracht im Zuge der Debatte zum Dringlichen Antrag der Abgeordneten Schellhorn und Kollegen „Offensivpaket unternehmerisches Österreich“ in der 59. Sitzung des Nationalrates vom 21.1.2015.
Seit Jahren wird die Realisierung und rechtliche Verbindlichkeit eines einheitlichen Gütesiegels für