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Plenarsitzung
des Nationalrates


Stenographisches Protokoll

 

62. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

Dienstag, 17., Mittwoch, 18., und Donnerstag, 19. November 2020

 

XXVII. Gesetzgebungsperiode

 

 

 

Großer Redoutensaal

 


 

Stenographisches Protokoll

62. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXVII. Gesetzgebungsperiode

Dienstag, 17., Mittwoch, 18., und Donnerstag, 19. November 2020

Dauer der Sitzung

Dienstag, 17. November 2020: 9.05 – 23.50 Uhr

Mittwoch, 18. November 2020: 9.05 – 19.55 Uhr

Donnerstag, 19. November 2020: 9.05 – 17.51 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Gewährung eines Bun­des­zuschusses und sonstiger Förderungen aus Anlass der 100. Wiederkehr des Jahres­tages der Volksabstimmung in Kärnten (Abstimmungsspendegesetz 2020), ein Bundes­gesetz über einen Zweckzuschuss aufgrund der Abschaffung des Zugriffs auf Vermögen bei Unterbringung von Personen in stationären Pflegeeinrichtungen für die Jahre 2021 bis 2024, ein Bundesgesetz, mit dem zur Abdeckung des Bedarfes an Covid-19-Imp­fungen und -Schnelltests Ermächtigungen zur Verfügung über Bundesvermögen erteilt werden, ein Bundesgesetz über die Finanzierung des Vereins für Konsumenten­informa­tion im Jahr 2021 und ein Bundesgesetz zur Bekämpfung pandemiebedingter Armuts­folgen (COVID-19-Gesetz-Armut) erlassen sowie das Gebührenanspruchsgesetz, das Gerichtsorganisationsgesetz, das Sachverständigen- und Dolmetschergesetz, das Bun­desgesetz über die Errichtung eines Non-Profit-Organisationen Unterstützungsfonds, das COVID-19-Förderungsprüfungsgesetz, das Buchhaltungsagenturgesetz, das Bun­des­gesetz über die Errichtung des COVID-19-Krisenbewältigungsfonds, das Finanz­ausgleichgesetz 2017, das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Arbeitsmarktservicegesetz, das Bauarbeiter-Schlechtwet­ter­entschädigungsgesetz 1957, das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, das Betriebliche Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz, das Allgemeine Sozialver­sicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialver­sicherungsgesetz, das Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, das Opferfürsorgegesetz, das Impfschadengesetz, das Verbrechensopfergesetz, das Heimopferrentengesetz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheaterpensionsgesetz, das Bundesbahn-Pensions­gesetz, das Nachtschwerarbeitsgesetz, das Behinderteneinstellungsgesetz, das Covid-19-Zweckzuschussgesetz, das Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz, das Uni­versitätsgesetz 2002, das Forschungsförderungsgesellschaftsgesetz, das Bundes­mu­seen-Gesetz 2002 und das Luftfahrtgesetz geändert werden (Budgetbegleit­ge­setz 2021)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 2

2. Punkt: Bericht und Antrag über den Entwurf eines Bundesgesetzes über die Ein­richtung eines Covid-19-Lagers und über die Verfügung über Bundesvermögen bei Ab­gabe aus diesem Lager (COVID-19-Lagergesetz-CO-LgG)

3. Punkt: Bericht über den Bundesrechnungsabschluss für das Jahr 2019

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Begründung von Vorbelastungen durch die Bun­desministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort genehmigt wird

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Begründung von Vorbelastungen durch die Bun­desministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie genehmigt wird

6. Punkt: Bericht der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend ÖBB­Rahmenplan 2021-2026

7. Punkt: Bericht über den Antrag 984/A der Abgeordneten Mag. Wolfgang Sobotka, Doris Bures, Christian Hafenecker, MA, Sigrid Maurer, BA, Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Sanierung des Parlamentsgebäudes (Parlamentsgebäudesanierungsgesetz, PGSG) geändert wird

8. Punkt: Bericht über den Antrag 983/A der Abgeordneten Gabriel Obernosterer, Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über besondere Förderungen von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU-Förderungsgesetz) geändert wird

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über österreichische Beiträge an internationale Finanzinstitutionen (IFI-Beitragsgesetz 2020) erlassen und das Bundes­schatzscheingesetz geändert wird

10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzrahmengesetz 2021 bis 2024 erlassen wird – BFRG 2021-2024

11. Punkt: Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2021 (Bundesfinanzgesetz 2021 – BFG 2021) samt Anlagen

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................  41, 343, 549

Ordnungsrufe ..................................................................................................  52, 55, 227

Geschäftsbehandlung

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z 2 GOG              43, 343, 549

Antrag des Abgeordneten Kai Jan Krainer, den Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (408 d. B.): Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Gewährung eines Bundeszuschusses und sonstiger Förderungen aus Anlass der 100. Wiederkehr des Jahrestages der Volksabstimmung in Kärnten (Abstim­mungsspendegesetz 2020), ein Bundesgesetz über einen Zweckzuschuss


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aufgrund der Abschaffung des Zugriffs auf Vermögen bei Unterbringung von Per­sonen in stationären Pflegeeinrichtungen für die Jahre 2021 bis 2024, ein Bundes­gesetz, mit dem zur Abdeckung des Bedarfes an Covid-19-Impfungen und –Schnelltests Ermächtigungen zur Verfügung über Bundesvermögen erteilt werden, ein Bundesgesetz über die Finanzierung des Vereins für Konsumenteninformation im Jahr 2021 und ein Bundesgesetz zur Bekämpfung pandemiebedingter Armuts­folgen (COVID-19-Gesetz-Armut) erlassen sowie das Gebührenanspruchsgesetz, das Gerichtsorganisationsgesetz, das Sachverständigen- und Dolmetschergesetz, das Bundesgesetz über die Errichtung eines Non-Profit-Organisationen Unter­stüt­zungsfonds, das COVID-19-Förderungsprüfungsgesetz, das Buchhaltungs­agen­tur­gesetz, das Bundesgesetz über die Errichtung des COVID-19-Krisenbewäl­ti­gungsfonds, das Finanzausgleichgesetz 2017, das Familienlastenausgleichs­ge­setz 1967, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Arbeitsmarktservice­gesetz, das Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetz 1957, das Bauar­beiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, das Betriebliche Mitarbeiter- und Selb­ständigenvorsorgegesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Ge­werbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, das Opferfürsorgegesetz, das Impfscha­dengesetz, das Verbrechensopfergesetz, das Heimopferrentengesetz, das Pen­sionsgesetz 1965, das Bundestheaterpensionsgesetz, das Bundesbahn-Pen­sionsgesetz, das Nachtschwerarbeitsgesetz, das Behinderteneinstellungsgesetz, das Covid-19-Zweckzuschussgesetz, das Gesundheits- und Ernährungssicher­heitsgesetz, das Universitätsgesetz 2002, das Forschungsförderungsgesell­schafts­gesetz, das Bundesmuseen-Gesetz 2002 und das Luftfahrtgesetz geändert wer­den (Budgetbegleitgesetz 2021) (440 d.B.), gemäß § 73 Abs. 3 Z 2 GOG an den Budgetausschuss rückzuverweisen – Ablehnung ..............................................  158, 158

Unterbrechung der Sitzung .......................................................................  186, 342, 548

Wortmeldung des Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried betreffend § 58 GOG ........ 201

Mitteilung des Präsidenten Mag. Wolfgang Sobotka betreffend tatsächliche Berichtigung des Abgeordneten Nikolaus Prinz ...................................................................................... 482

Antrag des Abgeordneten Kai Jan Krainer, den Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (381 und Zu 381 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzrahmengesetz 2021 bis 2024 erlassen wird – BFRG 2021-2024 (448 d.B.), gemäß § 73 Abs. 3 Z 2 GOG an den Budgetausschuss rückzu­ver­weisen – Ablehnung ......  702, 702

Antrag des Abgeordneten Kai Jan Krainer, den Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (380 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2021 (Bundesfinanzgesetz 2021 – BFG 2021) samt Anlagen (449 d.B.), gemäß § 73 Abs. 3 Z 2 GOG an den Budgetausschuss rückzuverweisen – Ablehnung ........................  702, 702

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 41

Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Rainer Wimmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schluss mit den sozialpolitischen Fehltritten dieser Bundesregierung – die abschlagsfreie Pension nach 45 Arbeitsjahren muss bleiben!“ (993/A)(E) ............................................................................................ 186

Begründung: Rainer Wimmer ..................................................................................... 189


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Bundeskanzler Sebastian Kurz ................................................................................ 195

Debatte:

Mag. Jörg Leichtfried ................................................................................................. 196

Josef Muchitsch (tatsächliche Berichtigung) ............................................................. 197

Alois Stöger, diplômé (tatsächliche Berichtigung) ................................................. ... 198

August Wöginger ....................................................................................................... 198

Mag. Markus Koza (tatsächliche Berichtigung) .......................................................... 201

Gabriele Heinisch-Hosek (tatsächliche Berichtigung) ............................................... 201

Peter Wurm .............................................................................................................. ... 202

Sigrid Maurer, BA ....................................................................................................... 206

Mag. Gerald Loacker .........................................................................................  208, 234

Julia Elisabeth Herr .................................................................................................... 210

August Wöginger (tatsächliche Berichtigung) ........................................................ ... 211

Christoph Zarits ...................................................................................................... ... 211

Michael Schnedlitz .................................................................................................. ... 212

Mag. Meri Disoski (tatsächliche Berichtigung) ........................................................... 214

Mag. Markus Koza .................................................................................................. ... 215

Yannick Shetty ........................................................................................................ ... 217

Mag. Verena Nussbaum ......................................................................................... ... 219

Mag. Dr. Maria Theresia Niss, MBA ...................................................................... ... 220

Dr. Dagmar Belakowitsch ...................................................................................... ... 221

Julia Elisabeth Herr (tatsächliche Berichtigung) ........................................................ 223

Mag. Meri Disoski ................................................................................................... ... 223

Henrike Brandstötter .............................................................................................. ... 225

Dietmar Keck ........................................................................................................... ... 226

Dr. Nikolaus Scherak, MA (tatsächliche Berichtigung) ............................................. 228

Claudia Plakolm .......................................................................................................... 228

Mag. Nina Tomaselli ................................................................................................... 230

Cornelia Ecker ............................................................................................................ 231

Maximilian Lercher ................................................................................................. ... 232

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „Beibehaltung und Adaptierung der abschlagsfreien Pensionen mit 540 Beitragsmonaten für alle Berufsgruppen“ – Ablehnung .......................................................................  204, 234

Ablehnung des Selbständigen Entschließungsantrages 993/A(E) ............................. 234

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (408 d.B.): Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Gewährung eines Bundes­zuschusses und sonstiger Förderungen aus Anlass der 100. Wiederkehr des Jah­restages der Volksabstimmung in Kärnten (Abstimmungsspendegesetz 2020), ein Bundesgesetz über einen Zweckzuschuss aufgrund der Abschaffung des Zugriffs auf Vermögen bei Unterbringung von Personen in stationären Pflegeeinrichtungen für die Jahre 2021 bis 2024, ein Bundesgesetz, mit dem zur Abdeckung des Be­darfes an Covid-19-Impfungen und -Schnelltests Ermächtigungen zur Verfügung über Bundesvermögen erteilt werden, ein Bundesgesetz über die Finanzierung des Vereins für Konsumenteninformation im Jahr 2021 und ein Bundesgesetz zur Bekämpfung pandemiebedingter Armutsfolgen (COVID-19-Gesetz-Armut) erlas­sen sowie das Gebührenanspruchsgesetz, das Gerichtsorganisationsgesetz, das Sachverständigen- und Dolmetschergesetz, das Bundesgesetz über die Errich­tung eines Non-Profit-Organisationen Unterstützungsfonds, das COVID-19-Förde­rungsprüfungsgesetz, das Buchhaltungsagenturgesetz, das Bundesgesetz über


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die Errichtung des COVID-19-Krisenbewältigungsfonds, das Finanzaus­gleich­­ge­setz 2017, das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Arbeitsmarktpolitik-Finan­zierungsgesetz, das Arbeitsmarktservicegesetz, das Bauarbeiter-Schlecht­wetterentschädigungsgesetz 1957, das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungs­gesetz, das Betriebliche Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz, das Allge­meine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, das Opferfürsorgegesetz, das Impfschadengesetz, das Verbrechensopfergesetz, das Heimopferrentengesetz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundes­theater­pen­sionsgesetz, das Bundesbahn-Pensionsgesetz, das Nachtschwerarbeitsgesetz, das Behinderteneinstellungsgesetz, das Covid-19-Zweckzuschussgesetz, das Ge­sundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz, das Universitätsgesetz 2002, das Forschungsförderungsgesellschaftsgesetz, das Bundesmuseen-Gesetz 2002 und das Luftfahrtgesetz geändert werden (Budgetbegleitgesetz 2021) (440 d.B.) .............................................. 44

2. Punkt: Bericht und Antrag des Budgetausschusses über den Entwurf eines Bundesgesetzes über die Einrichtung eines Covid-19-Lagers und über die Ver­fügung über Bundesvermögen bei Abgabe aus diesem Lager (COVID-19-Lagergesetz-CO-LgG) (441 d.B.) ........................................ 45

3. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über den Bundesrechnungsabschluss für das Jahr 2019 (III-137/443 d.B.) .................................................................................................................. 45

4. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (343 d.B.): Bundesgesetz, mit dem die Begründung von Vorbelastungen durch die Bundes­ministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort genehmigt wird (446 d.B.) ................................................................. 45

5. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (412 d.B.): Bundesgesetz, mit dem die Begründung von Vorbelastungen durch die Bun­des­ministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie genehmigt wird (447 d.B.) ................................ 45

6. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über den Bericht der Bundes­minis­terin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie be­treffend ÖBB­Rahmenplan 2021-2026 (III-189/417 d.B.) .................................................................................................................. 45

7. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 984/A der Abgeord­neten Mag. Wolfgang Sobotka, Doris Bures, Christian Hafenecker, MA, Sigrid Maurer, BA, Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Sanierung des Parla­mentsgebäudes (Parlamentsgebäudesanierungsgesetz, PGSG) geändert wird (442 d.B.)      ............................................................................................................................... 45

8. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 983/A der Abgeord­neten Gabriel Obernosterer, Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über besondere Förderungen von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU-Förderungsgesetz) geändert wird (445 d.B.) ................................................................. 45

9. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (410 d.B.): Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über österreichische Beiträge an inter­nationale Finanzinstitutionen (IFI-Beitragsgesetz 2020) erlassen und das Bundes­schatzscheingesetz geändert wird (444 d.B.)    ............................................................................................................................... 46

RednerInnen:

Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc .................................................................................. 46

August Wöginger .................................................................................................... ..... 49

Herbert Kickl ............................................................................................................ ..... 51


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 6

Sigrid Maurer, BA ................................................................................................... ..... 56

Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES ......................................................................... ..... 59

Gabriel Obernosterer .............................................................................................. ..... 62

Kai Jan Krainer ....................................................................................................... ..... 63

Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA ................................................................................. ..... 68

MMag. DDr. Hubert Fuchs ...................................................................................... ..... 69

Andreas Ottenschläger .......................................................................................... ..... 71

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer ................................................................................. ..... 72

Bundesminister Mag. Gernot Blümel, MBA ......................................................... ..... 80

Hermann Weratschnig, MBA MSc ......................................................................... ..... 81

Josef Muchitsch ...................................................................................................... ..... 82

Karlheinz Kopf ......................................................................................................... ..... 86

Dr. Dagmar Belakowitsch ...................................................................................... ..... 87

Mag. Eva Blimlinger ................................................................................................ ..... 91

Michael Bernhard .................................................................................................... ..... 91

Bundesministerin Elisabeth Köstinger ................................................................ ..... 92

Bundesministerin Leonore Gewessler, BA ......................................................  93, 157

Peter Haubner ......................................................................................................... ..... 95

Mag. Dr. Sonja Hammerschmid ............................................................................ ..... 96

Heike Grebien .......................................................................................................... ..... 97

Erwin Angerer ......................................................................................................... ..... 98

Angela Baumgartner .............................................................................................. ... 100

Josef Schellhorn ..................................................................................................... ... 101

Rechnungshofpräsidentin Dr. Margit Kraker ...................................................... ... 105

Mag. Meri Disoski ................................................................................................... ... 107

Gabriele Heinisch-Hosek ....................................................................................... ... 108

Mag. Carmen Jeitler-Cincelli, BA .......................................................................... ... 111

Mag. Gerhard Kaniak .............................................................................................. ... 112

Ralph Schallmeiner ................................................................................................ ... 114

Dr. Johannes Margreiter ........................................................................................ ... 115

Mag. Andreas Hanger ............................................................................................. ... 116

Andreas Kollross .................................................................................................... ... 117

Ing. Klaus Lindinger, BSc ...................................................................................... ... 118

Hermann Brückl, MA .............................................................................................. ... 147

Johann Singer ......................................................................................................... ... 148

Mag. Karin Greiner .................................................................................................. ... 149

Lukas Brandweiner ................................................................................................. ... 150

Christian Hafenecker, MA ...................................................................................... ... 150

Mag. Selma Yildirim ................................................................................................ ... 152

Mag. Gerald Hauser ................................................................................................ ... 155

Mag. Meri Disoski (tatsächliche Berichtigung) ........................................................... 157

Dr. Christoph Matznetter ........................................................................................... 157

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Pamela Rendi-Wagner, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „Ein Budget der gebrochenen Versprechen“ – Ab­lehnung .................  65, 161

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „Erhöhung der Nettoersatzrate beim Bezug des Arbeitslosengeldes (COVID-19-Maßnahme)“ – Ablehnung ....................................................................................  89, 161

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „Österreich-Gutschein“ – Ablehnung ...................................................  99, 161

Entschließungsantrag der Abgeordneten Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Vorschlag für ein Gesamtkonzept für Wirtschaftshilfen“ – Ablehnung .............  103, 161


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 7

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend „notwendige Daten-Transparenz und Kontrolle der Wirksamkeit der Covid-Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung“ – Ableh­nung ...............................................................  109, 161

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen betreffend „die längst überfällige höhere Entlohnung für Gerichts-Dol­metscherInnen“ – Ablehnung  154, 161

Annahme der acht Gesetzentwürfe in 440, 441, 443, 446, 447, 442, 445, 444 d.B. ....... 158

Kenntnisnahme des Berichtes III-189 d.B. .................................................................. 162

Gemeinsame Beratung über

10. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (381 und Zu 381 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzrahmengesetz 2021 bis 2024 erlassen wird – BFRG 2021-2024 (448 d.B.) ...................................................................................................................... 163

11. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (380 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2021 (Bundesfinanzgesetz 2021 – BFG 2021) samt Anlagen (449 d.B.) ....................................................................................................... 163

UG 01: Präsidentschaftskanzlei; UG 02: Bundesgesetzgebung; UG 03: Verfas­sungs­gerichtshof; UG 04: Verwaltungsgerichtshof; UG 05: Volksanwaltschaft; UG 06: Rechnungshof; UG 10: Bundeskanzleramt; UG 17: Öffentlicher Dienst und Sport .......................................................................... 163

RednerInnen:

Petra Bayr, MA MLS ................................................................................................... 164

Mag. Wolfgang Gerstl ............................................................................................. ... 164

Dr. Susanne Fürst ................................................................................................... ... 166

David Stögmüller .................................................................................................... ... 170

Dr. Nikolaus Scherak, MA ...................................................................................... ... 171

Hermann Gahr ......................................................................................................... ... 173

Mag. Christian Drobits ........................................................................................... ... 174

Mag. Eva Blimlinger ................................................................................................ ... 175

Wolfgang Zanger .................................................................................................... ... 175

Martina Diesner-Wais ................................................................................................. 177

Yannick Shetty ............................................................................................................ 178

Bundesministerin MMag. Dr. Susanne Raab ....................................................... ... 179

Rechnungshofpräsidentin Dr. Margit Kraker ...................................................... ... 181

Mag. Agnes Sirkka Prammer ................................................................................. ... 182

Ing. Reinhold Einwallner ........................................................................................ ... 183

Mag. Ernst Gödl ...................................................................................................... ... 184

Alois Kainz ............................................................................................................... ... 186

Mag. Faika El-Nagashi ............................................................................................ ... 235

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff .......................................................................... ... 236

Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich ............................................................................. ... 237

Mag. Karin Greiner .................................................................................................. ... 238

Dipl.-Ing. Olga Voglauer ......................................................................................... ... 239

Christian Lausch ..................................................................................................... ... 240

Mag. Friedrich Ofenauer ........................................................................................ ... 241

Mag. Gerald Loacker .............................................................................................. ... 242

Christoph Zarits ...................................................................................................... ... 243

Mag. Thomas Drozda .............................................................................................. ... 245

Mag. Romana Deckenbacher ................................................................................. ... 247

Edith Mühlberghuber .............................................................................................. ... 248


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 8

Kira Grünberg .......................................................................................................... ... 248

Henrike Brandstötter .............................................................................................. ... 249

Nikolaus Prinz ......................................................................................................... ... 250

Maximilian Köllner, MA .......................................................................................... ... 251

Christoph Stark ....................................................................................................... ... 252

Petra Steger ............................................................................................................. ... 253

Dr. Gudrun Kugler .................................................................................................. ... 256

Yannick Shetty (tatsächliche Berichtigung) ............................................................... 257

Vizekanzler Mag. Werner Kogler ........................................................................... ... 257

Rudolf Silvan ........................................................................................................... ... 260

Volksanwalt Mag. Bernhard Achitz ....................................................................... ... 261

Karl Schmidhofer .................................................................................................... ... 263

Nurten Yılmaz .......................................................................................................... ... 264

Sabine Schatz .......................................................................................................... ... 265

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Susanne Fürst, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schaffung eines Verbotsgesetzes für den politischen Islam“ – Ablehnung ......  168, 703

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Susanne Fürst, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Förderstopp für den politischen Islam durch den NPO-Fonds“ – Ablehnung ...  169, 704

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Widmung der gesamten Einnahmen aus der Digitalsteuer für die Medienförderung“ – Ablehnung           246, 704

Entschließungsantrag der Abgeordneten Petra Steger, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend „ausreichend Bewegung sicherstellen und Sportstätten öffnen“ – Ablehnung ..  255, 704

UG 32: Kunst und Kultur .............................................................................................. 265

RednerInnen:

Mag. Thomas Drozda .............................................................................................. ... 266

Mag. Eva Blimlinger ................................................................................................ ... 269

Ing. Mag. Volker Reifenberger ............................................................................... ... 270

Maria Großbauer ..................................................................................................... ... 273

Henrike Brandstötter .............................................................................................. ... 274

Hermann Weratschnig, MBA MSc ......................................................................... ... 276

Mag. Dr. Sonja Hammerschmid ............................................................................ ... 277

Mag. Martin Engelberg ........................................................................................... ... 278

Staatssekretärin Mag. Andrea Mayer ................................................................... ... 279

Katharina Kucharowits .......................................................................................... ... 281

Mag. Dr. Rudolf Taschner ...................................................................................... ... 282

Mag. Ruth Becher ................................................................................................... ... 283

Mag. Maria Smodics-Neumann ............................................................................. ... 284

Hans Stefan Hintner ............................................................................................... ... 284

MMag. Dr. Agnes Totter, BEd ................................................................................ ... 285

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Reparatur des Umsatzersatzes im Lockdown“ – Ableh­nung ............................  267, 704

Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Mag. Volker Reifenberger, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend „Erhöhung der Basisabgeltung für Bundesmuseen, Österreichische Nationalbibliothek und Bundestheater ab 2021“ – Ablehnung ..................................................................  271, 704


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 9

UG 12: Äußeres ........................................................................................................... 286

RednerInnen:

Petra Bayr, MA MLS ................................................................................................... 286

Dr. Reinhold Lopatka .............................................................................................. ... 287

MMMag. Dr. Axel Kassegger ................................................................................. ... 289

Dr. Ewa Ernst-Dziedzic ........................................................................................... ... 290

Dr. Helmut Brandstätter ......................................................................................... ... 291

Bundesminister Mag. Alexander Schallenberg, LL.M. ....................................... ... 293

Alexander Melchior ................................................................................................. ... 295

Dr. Harald Troch ...................................................................................................... ... 296

Michel Reimon, MBA .............................................................................................. ... 298

Katharina Kucharowits .......................................................................................... ... 299

Mag. Martin Engelberg ........................................................................................... ... 301

Dipl.-Ing. Georg Strasser ........................................................................................... 302

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Harald Troch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „die aktuelle Situation in der Westsahara“ – Ablehnung ..............................................  297, 704

Entschließungsantrag der Abgeordneten Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen betreffend „den Schutz für die ungarische LGBTI-Community“ – Ablehnung ...  300, 704

UG 13: Justiz ................................................................................................................ 303

RednerInnen:

Mag. Selma Yildirim ................................................................................................ ... 303

Mag. Agnes Sirkka Prammer ................................................................................. ... 304

Mag. Harald Stefan ................................................................................................. ... 305

Mag. Michaela Steinacker ...................................................................................... ... 306

Dr. Johannes Margreiter ........................................................................................ ... 307

Bundesministerin Dr. Alma Zadić, LL.M. ............................................................. ... 309

Mag. Georg Bürstmayr ........................................................................................... ... 311

Mag. Ruth Becher ................................................................................................... ... 312

Johann Singer ......................................................................................................... ... 312

Mag. Philipp Schrangl ............................................................................................ ... 313

Mag. Ulrike Fischer ................................................................................................. ... 314

Mag. Christian Drobits ............................................................................................... 315

Dr. Christian Stocker ................................................................................................. 315

Christian Lausch ..................................................................................................... ... 316

Dr. Gudrun Kugler .................................................................................................. ... 320

Petra Bayr, MA MLS ................................................................................................... 321

Mag. Johanna Jachs .................................................................................................. 322

Mag. Klaus Fürlinger .............................................................................................. ... 323

Mag. Corinna Scharzenberger .............................................................................. ... 324

Carina Reiter ............................................................................................................ ... 325

Entschließungsantrag der Abgeordneten Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „bessere budgetäre und personelle Ausstattung der Justiz­wache“ – Ablehnung  318, 704

Entschließungsantrag der Abgeordneten Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Einbeziehung der Insassen von Justizanstalten in die ge­setzliche Krankenversicherung“ – Ablehnung ..............................................................................................................................  319, 704

UG 11: Inneres; UG 18: Fremdenwesen ..................................................................... 325

RednerInnen:

Ing. Reinhold Einwallner ........................................................................................ ... 326

Karl Mahrer .............................................................................................................. ... 326


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 10

Mag. Hannes Amesbauer, BA ............................................................................... ... 327

Mag. Georg Bürstmayr ........................................................................................... ... 328

Dr. Stephanie Krisper ............................................................................................. ... 329

Bundesminister Karl Nehammer, MSc ................................................................. ... 330

Mag. Wolfgang Gerstl ............................................................................................. ... 333

Nurten Yılmaz .......................................................................................................... ... 334

Mag. Hannes Amesbauer, BA (tatsächliche Berichtigung) ....................................... 335

Dr. Reinhold Lopatka ................................................................................................. 335

Christian Ries ............................................................................................................. 336

Mag. Johanna Jachs ............................................................................................... ... 338

Sabine Schatz .......................................................................................................... ... 339

David Stögmüller (tatsächliche Berichtigung) ............................................................ 340

Dr. Christian Stocker .............................................................................................. ... 340

Dietmar Keck ........................................................................................................... ... 341

Andreas Minnich ..................................................................................................... ... 342

Entschließungsantrag der Abgeordneten Christian Ries, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend „finanzielle Besserstellung der Exekutive“ – Ablehnung ....................................  337, 704

UG 21: Soziales; UG 22: Pensionsversicherung; UG 21: Konsumentenschutz ........ 344

RednerInnen:

Mag. Verena Nussbaum ......................................................................................... ... 344

Ralph Schallmeiner ................................................................................................ ... 346

Dr. Dagmar Belakowitsch ...................................................................................... ... 347

August Wöginger .................................................................................................... ... 348

Mag. Gerald Loacker .............................................................................................. ... 351

Bundesminister Rudolf Anschober ...................................................................... ... 352

Mag. Ulrike Fischer ................................................................................................. ... 355

Alois Stöger, diplômé ............................................................................................. ... 356

Mag. Peter Weidinger ............................................................................................. ... 359

Mag. Christian Ragger ............................................................................................ ... 360

Heike Grebien .......................................................................................................... ... 364

Fiona Fiedler, BEd .................................................................................................. ... 366

Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler ........................................................................ ... 367

Philip Kucher ........................................................................................................... ... 369

Ing. Martin Litschauer ............................................................................................ ... 371

Peter Wurm .............................................................................................................. ... 372

Mag. Ernst Gödl ...................................................................................................... ... 375

Mag. Felix Eypeltauer ............................................................................................. ... 377

Mag. Klaus Fürlinger .............................................................................................. ... 378

Mag. Christian Drobits ........................................................................................... ... 379

Bettina Zopf ................................................................................................................. 380

Rosa Ecker, MBA ........................................................................................................ 381

Ing. Josef Hechenberger ........................................................................................ ... 382

Ing. Markus Vogl ..................................................................................................... ... 383

Christian Ries ............................................................................................................. 385

Entschließungsantrag der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „faire Pensionen für Frauen“ – Ablehnung ........................................  345, 704

Entschließungsantrag der Abgeordneten Rainer Wimmer, Kolleginnen und Kol­legen betreffend „die abschlagsfreie Pension nach 45 Arbeitsjahren muss blei­ben!“ – Ablehnung ....  358, 705


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 11

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „Beibehaltung und Adaptierung der abschlagsfreien Pensionen mit 540 Beitragsmonaten für alle Berufsgruppen“ – Ablehnung .......................................................................  362, 705

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „1.000-Euro-Österreich-Gutschein“ – Ablehnung ................................................  374, 705

UG 24: Gesundheit ...................................................................................................... 386

RednerInnen:

Mag. Verena Nussbaum ......................................................................................... ... 386

Ralph Schallmeiner ................................................................................................ ... 388

Mag. Gerhard Kaniak .............................................................................................. ... 390

Gabriela Schwarz .................................................................................................... ... 391

Mag. Gerald Loacker .............................................................................................. ... 392

Bundesminister Rudolf Anschober ................................................................  393, 411

Mag. Faika El-Nagashi ............................................................................................ ... 397

Philip Kucher ........................................................................................................... ... 399

Dr. Josef Smolle ...................................................................................................... ... 400

Mag. Gerald Hauser ................................................................................................ ... 401

Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler ........................................................................ ... 404

Fiona Fiedler, BEd .................................................................................................. ... 405

Dr. Werner Saxinger, MSc ...................................................................................... ... 406

Rudolf Silvan .............................................................................................................. 407

Ing. Mag. (FH) Alexandra Tanda ............................................................................... 408

Rosa Ecker, MBA ........................................................................................................ 409

Dietmar Keck ........................................................................................................... ... 410

Entschließungsantrag der Abgeordneten Philip Kucher, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend „ein starkes öffentliches Gesundheitssystem“ – Ablehnung .....................................  387, 705

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schadensabgeltung nach dem Epidemiegesetz zur Bewälti­gung der COVID-19-Krise“ – Ablehnung     403, 705

UG 14: Militärische Angelegenheiten .......................................................................... 414

RednerInnen:

Robert Laimer .......................................................................................................... ... 414

Johann Höfinger ..................................................................................................... ... 415

Dr. Reinhard Eugen Bösch .................................................................................... ... 416

David Stögmüller .................................................................................................... ... 419

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff .......................................................................... ... 421

Bundesministerin Mag. Klaudia Tanner ............................................................... ... 422

Ing. Manfred Hofinger ............................................................................................. ... 425

Petra Wimmer .......................................................................................................... ... 426

Mag. Friedrich Ofenauer ........................................................................................ ... 426

MMag. DDr. Hubert Fuchs ...................................................................................... ... 428

Mag. Peter Weidinger ............................................................................................. ... 430

Dr. Harald Troch ...................................................................................................... ... 431

MMMag. Dr. Axel Kassegger ................................................................................. ... 432

Rudolf Silvan ........................................................................................................... ... 433

Ing. Mag. Volker Reifenberger ............................................................................... ... 434

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Reinhard Eugen Bösch, Robert Laimer, Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend „dringend notwendige budgetäre Mittel für einen verfassungskonformen Zustand des Heeres“ – Ablehnung ................  417, 705

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Reinhard Eugen Bösch, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „Kostenersatz für Assistenz- und Unterstützungs­leistungen des Heeres“ – Ablehnung            429, 705


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 12

UG 33: Wirtschaft (Forschung); UG 40: Wirtschaft ..................................................... 435

RednerInnen:

Dr. Christoph Matznetter ........................................................................................ ... 435

Peter Haubner ......................................................................................................... ... 436

Erwin Angerer ......................................................................................................... ... 437

Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA ................................................................................. ... 441

Josef Schellhorn ..................................................................................................... ... 443

Bundesministerin Dr. Margarete Schramböck .................................................... ... 444

Laurenz Pöttinger ................................................................................................... ... 446

Maximilian Lercher ................................................................................................. ... 447

Dr. Elisabeth Götze ................................................................................................. ... 448

Walter Rauch ........................................................................................................... ... 449

Andreas Minnich ..................................................................................................... ... 450

Dr. Helmut Brandstätter ......................................................................................... ... 451

Johann Höfinger ..................................................................................................... ... 453

Mag. Dr. Petra Oberrauner ..................................................................................... ... 453

Martina Kaufmann, MMSc BA ............................................................................... ... 455

MMMag. Dr. Axel Kassegger ................................................................................. ... 455

Christoph Stark ....................................................................................................... ... 457

Mag. Ruth Becher ................................................................................................... ... 458

Hans Stefan Hintner ............................................................................................... ... 458

Alois Schroll ............................................................................................................ ... 459

Entschließungsantrag der Abgeordneten Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „dringende Umsetzung des Fixkostenzuschuss II sowie Er­möglichung eines Umsatzersatzes für alle auch indirekt vom zweiten Lockdown betroffenen Unternehmen“ – Ablehnung  436, 705

UG 42: Landwirtschaft, Regionen und Tourismus ....................................................... 460

RednerInnen:

Cornelia Ecker ......................................................................................................... ... 460

Dipl.-Ing. Georg Strasser ....................................................................................... ... 465

Peter Schmiedlechner ............................................................................................ ... 466

Dipl.-Ing. Georg Strasser (tatsächliche Berichtigung) ............................................... 469

Alois Stöger, diplômé (tatsächliche Berichtigung) .................................................... 469

Nikolaus Prinz (tatsächliche Berichtigung) ................................................................ 469

Clemens Stammler ................................................................................................. ... 470

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer ................................................................................. ... 471

Bundesministerin Elisabeth Köstinger ................................................................ ... 472

Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich ............................................................................. ... 474

Petra Vorderwinkler ................................................................................................ ... 476

Dipl.-Ing. Olga Voglauer ......................................................................................... ... 478

Mag. Gerald Hauser ................................................................................................ ... 479

Karl Schmidhofer .................................................................................................... ... 483

Josef Schellhorn ..................................................................................................... ... 484

Barbara Neßler ........................................................................................................ ... 485

Julia Elisabeth Herr ................................................................................................ ... 486

Gabriel Obernosterer .............................................................................................. ... 487

Alois Kainz ............................................................................................................... ... 488

Eva-Maria Himmelbauer, BSc ................................................................................ ... 489

Michael Seemayer ................................................................................................... ... 490

Johannes Schmuckenschlager ............................................................................. ... 491

Michael Schnedlitz .................................................................................................. ... 492

Ing. Klaus Lindinger, BSc ...................................................................................... ... 493

Lukas Brandweiner ................................................................................................. ... 494


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 13

Franz Hörl ................................................................................................................ ... 495

Ing. Manfred Hofinger ............................................................................................. ... 496

Maria Großbauer ..................................................................................................... ... 497

Joachim Schnabel .................................................................................................. ... 498

Carina Reiter ............................................................................................................ ... 499

Andreas Kühberger ................................................................................................ ... 499

Cornelia Ecker (tatsächliche Berichtigung) ................................................................ 500

Ing. Josef Hechenberger ........................................................................................ ... 501

Ing. Johann Weber .................................................................................................. ... 501

Irene Neumann-Hartberger .................................................................................... ... 502

Entschließungsantrag der Abgeordneten Cornelia Ecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend „faire und nachhaltige Verteilung der öffentlichen Steuergelder des Waldfonds dringend gefordert“ – Ablehnung ...........................................................................................................  463, 705

Entschließungsantrag der Abgeordneten Cornelia Ecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erhalt der ELER-Fördermaßnahme ‚Soziale Angelegen­hei­ten‘ (Soziale Dienstleistungen, SDL) im Programm für die ländliche Entwicklung“ – Ablehnung ........................................................  464, 705

Entschließungsantrag der Abgeordneten Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „freiheitlicher Rettungsschirm für die Landwirtschaft“ – Ablehnung ...................  467, 706

Entschließungsantrag der Abgeordneten Maximilian Köllner, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Rettet die Reisebranche“ – Ablehnung ............................................  477, 706

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Gewerbetreibenden helfen – Schikanen beim Fixkostenzu­schuss und Umsatzersatz beenden“ – Ablehnung ...........................................................................................................  481, 706

UG 30: Bildung; UG 31: Wissenschaft und Forschung ............................................... 503

RednerInnen:

Mag. Dr. Sonja Hammerschmid ............................................................................ ... 503

Mag. Dr. Rudolf Taschner ...................................................................................... ... 506

Hermann Brückl, MA .............................................................................................. ... 507

Mag. Sibylle Hamann .............................................................................................. ... 510

Mag. Martina Künsberg Sarre ............................................................................... ... 511

Mag. Sibylle Hamann (tatsächliche Berichtigung) ..................................................... 514

Mag. Dr. Sonja Hammerschmid (tatsächliche Berichtigungen) ......................  514, 533

Mag. Dr. Maria Theresia Niss, MBA ...................................................................... ... 514

Bundesminister Dr. Heinz Faßmann ..................................................................... ... 516

Mag. Andrea Kuntzl ................................................................................................ ... 518

Mag. Eva Blimlinger ................................................................................................ ... 520

MMMag. Dr. Axel Kassegger ................................................................................. ... 521

Martina Kaufmann, MMSc BA ............................................................................... ... 523

Fiona Fiedler, BEd ...................................................................................................... 524

Nico Marchetti ............................................................................................................. 526

Katharina Kucharowits .......................................................................................... ... 527

Dr. Josef Smolle ...................................................................................................... ... 529

Mag. Gerald Hauser ................................................................................................ ... 531

MMMag. Gertraud Salzmann ................................................................................. ... 531

Dr. Helmut Brandstätter ......................................................................................... ... 533

Ing. Johann Weber .................................................................................................. ... 535

Kai Jan Krainer (tatsächliche Berichtigung) ............................................................... 536

Eva Maria Holzleitner, BSc .................................................................................... ... 536


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 14

MMag. Dr. Agnes Totter, BEd ................................................................................ ... 539

Mag. Dr. Martin Graf ............................................................................................... ... 539

Irene Neumann-Hartberger .................................................................................... ... 542

Mag. Dr. Petra Oberrauner ..................................................................................... ... 543

Mag. Dr. Martin Graf (tatsächliche Berichtigung) ....................................................... 546

Petra Vorderwinkler ................................................................................................ ... 546

Michel Reimon, MBA .............................................................................................. ... 548

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, Kolleginnen und Kollegen betreffend „verstärkter Ausbau der Ganztagsschulen“ – Ablehnung .................  505, 706

Entschließungsantrag der Abgeordneten Hermann Brückl, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ausreichende Budgetmittel für Schulschließungs- und Lockdown-Verlierer“ – Ablehnung            509, 706

Entschließungsantrag der Abgeordneten MMMag. Dr. Axel Kassegger, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend „kein Budget für islamischen Fundamentalismus an den Universitäten“ – Ablehnung                522, 706

Entschließungsantrag der Abgeordneten Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Unterstützung von gemeinnützigen Studierendenwohn­heimen“ – Ablehnung               528, 706

Entschließungsantrag der Abgeordneten Eva Maria Holzleitner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „flächendeckende Umsetzung des Chancenindex“ – Ab­lehnung ......................  537, 706

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Dr. Martin Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend „keine Zwangs-Exmatrikulation von Studierenden wie Sigrid Maurer und Sebastian Kurz“ – Ablehnung ..............................................................................................................................  541, 706

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „Stärkung der Digitalen Kompetenzen aller Lehr­kräfte“ – Ablehnung  545, 706

UG 10: Frauen und Gleichstellung .............................................................................. 549

RednerInnen:

Gabriele Heinisch-Hosek ....................................................................................... ... 549

Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller ................................................................. ... 552

Rosa Ecker, MBA .................................................................................................... ... 553

Mag. Meri Disoski ................................................................................................... ... 555

Henrike Brandstötter .............................................................................................. ... 557

Bundesministerin MMag. Dr. Susanne Raab ....................................................... ... 558

Mag. Romana Deckenbacher ................................................................................. ... 560

Philip Kucher ........................................................................................................... ... 561

Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller (tatsächliche Berichtigung) ........................ 562

Heike Grebien .......................................................................................................... ... 562

Mag. Dr. Petra Oberrauner ..................................................................................... ... 564

Norbert Sieber ......................................................................................................... ... 566

Katharina Kucharowits .......................................................................................... ... 567

Dr. Werner Saxinger, MSc ...................................................................................... ... 568

Michel Reimon, MBA .............................................................................................. ... 569

Dr. Susanne Fürst ................................................................................................... ... 570


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 15

Entschließungsantrag der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „umfassendes Gender Budgeting umsetzen“ – Ableh­nung ..............  551, 707

Entschließungsantrag der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „Erhöhung des Budgets für Frauenangelegenheiten und Gleichstellung“ – Ablehnung              565, 707

UG 20: Arbeit; UG 25: Familie und Jugend ................................................................. 573

RednerInnen:

Josef Muchitsch ...................................................................................................... ... 573

Bettina Zopf ............................................................................................................. ... 574

Dr. Dagmar Belakowitsch ...................................................................................... ... 575

MMMag. Gertraud Salzmann (tatsächliche Berichtigung) ......................................... 577

Mag. Markus Koza .................................................................................................. ... 578

Mag. Gerald Loacker .............................................................................................. ... 580

Norbert Sieber ......................................................................................................... ... 581

Gabriele Heinisch-Hosek ....................................................................................... ... 583

Barbara Neßler ............................................................................................................ 584

Peter Wurm ................................................................................................................. 585

Claudia Plakolm .......................................................................................................... 588

Michael Bernhard .................................................................................................... ... 589

Bundesministerin Mag. (FH) Christine Aschbacher ........................................... ... 591

Alexander Melchior ................................................................................................. ... 595

Ing. Markus Vogl ..................................................................................................... ... 596

Nikolaus Prinz ......................................................................................................... ... 599

Edith Mühlberghuber .............................................................................................. ... 600

Rebecca Kirchbaumer ............................................................................................ ... 601

Josef Schellhorn ..................................................................................................... ... 602

Christian Hafenecker, MA (tatsächliche Berichtigung) ............................................. 603

Laurenz Pöttinger ....................................................................................................... 604

Mag. Dr. Petra Oberrauner ..................................................................................... ... 605

Ing. Mag. (FH) Alexandra Tanda ............................................................................ ... 606

Wolfgang Zanger .................................................................................................... ... 607

Dr. Ewa Ernst-Dziedzic ........................................................................................... ... 608

Petra Wimmer .......................................................................................................... ... 609

Eva Maria Holzleitner, BSc ........................................................................................ 611

Pia Philippa Strache ................................................................................................... 614

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „Erhöhung der Nettoersatzrate beim Bezug des Arbeitslosengeldes (COVID-19-Maßnahme)“ – Ablehnung ..................................................................................  587, 707

Entschließungsantrag der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erhöhung der Leistungen aus der Arbeitslosenver­siche­rung“ – Ablehnung ....  597, 707

Entschließungsantrag der Abgeordneten Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Vereinbarkeitsmilliarde für den Ausbau von Kinderbetreu­ungs­einrichtungen“ – Ablehnung          610, 707

Entschließungsantrag der Abgeordneten Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend „Kinder haben Rechte! Kinderrechte in den Fokus rücken.“ – Ablehnung  613, 707

UG 34: Innovation und Technologie (Forschung); UG 41: Mobilität; UG 43: Klima, Umwelt und Energie ....................................................................................................................................... 616

RednerInnen:

Alois Stöger, diplômé ............................................................................................. ... 616

Mag. Eva Blimlinger ................................................................................................ ... 618


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 16

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek ..................................................................................... ... 619

Johannes Schmuckenschlager ............................................................................. ... 622

Michael Bernhard .................................................................................................... ... 623

Hermann Weratschnig, MBA MSc ......................................................................... ... 625

Julia Elisabeth Herr ................................................................................................ ... 626

Andreas Ottenschläger .......................................................................................... ... 627

Christian Hafenecker, MA ...................................................................................... ... 628

Lukas Hammer ........................................................................................................ ... 632

Dr. Johannes Margreiter ........................................................................................ ... 634

Bundesministerin Leonore Gewessler, BA ............................................  635, 667, 671

Mag. Dr. Maria Theresia Niss, MBA .......................................................................... 638

Mag. Dr. Sonja Hammerschmid ............................................................................ ... 639

Ing. Martin Litschauer ............................................................................................ ... 640

Mag. Gerald Hauser ................................................................................................ ... 642

Eva-Maria Himmelbauer, BSc ................................................................................... 643

Yannick Shetty ............................................................................................................ 644

Dr. Astrid Rössler ................................................................................................... ... 646

Lukas Hammer (tatsächliche Berichtigung) ............................................................... 647

Alois Schroll ............................................................................................................ ... 647

Tanja Graf ................................................................................................................ ... 648

Walter Rauch ........................................................................................................... ... 649

Michel Reimon, MBA .............................................................................................. ... 652

Dr. Helmut Brandstätter ......................................................................................... ... 653

Mag. Dr. Rudolf Taschner (tatsächliche Berichtigung) ............................................. 655

Hermann Gahr ......................................................................................................... ... 655

Andreas Kollross .................................................................................................... ... 656

Martina Diesner-Wais ............................................................................................. ... 657

Peter Schmiedlechner ............................................................................................ ... 658

Franz Hörl ................................................................................................................ ... 660

Cornelia Ecker ......................................................................................................... ... 661

Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller ................................................................. ... 662

Maximilian Köllner, MA .............................................................................................. 663

Claudia Plakolm .......................................................................................................... 663

Michael Seemayer ...................................................................................................... 664

Carina Reiter ............................................................................................................... 665

Mag. Corinna Scharzenberger .............................................................................. ... 666

Mag. Carmen Jeitler-Cincelli, BA .......................................................................... ... 666

Rebecca Kirchbaumer ............................................................................................ ... 670

Andreas Kühberger ................................................................................................ ... 670

Joachim Schnabel ...................................................................................................... 672

Entschließungsantrag der Abgeordneten Alois Stöger, diplômé, Kolleginnen und Kollegen betreffend „rasche Umsetzung des 1-2-3-Tickets“ – Ablehnung .........................................  617, 707

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend „Budgetmittel für eine Nationale Taskforce ‚Covid-19-Evidenz‘“ – Ablehnung  621, 707

Entschließungsantrag der Abgeordneten Christian Hafenecker, MA, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs – Umsetzung ‚Nahverkehrsmilliarde‘ jetzt!“ – Ablehnung ...........................................................................................................  631, 707

Entschließungsantrag der Abgeordneten Walter Rauch, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend „Zahlungen für Klimaschutzmaßnahmen im Ausland im Zuge der COVID-19-Wirtschaftskrise streichen“ – Ablehnung .......................................................................................  651, 707


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 17

Entschließungsantrag der Abgeordneten Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „CO2 durch Humusaufbau binden“ – Ablehnung ................................................  659, 708

UG 15: Finanzverwaltung; UG 16: Öffentliche Abgaben; UG 23: Pensionen – Beamtinnen und Beamte; UG 44: Finanzausgleich; UG 45: Bundesvermögen; UG 46: Finanzmarktstabilität; UG 51: Kassenverwaltung; UG 58: Finanzierungen, Währungstauschverträge ..................... 673

Text des Bundesfinanzgesetzes und restliche Teile der Anlage I einschließlich Anlagen II bis IV              ............................................................................................................................. 673

RednerInnen:

Kai Jan Krainer ....................................................................................................... ... 674

Karlheinz Kopf ......................................................................................................... ... 676

Mag. Gerald Hauser ................................................................................................ ... 677

Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA ................................................................................. ... 680

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer ................................................................................. ... 681

Gabriel Obernosterer .............................................................................................. ... 684

Mag. Selma Yildirim ................................................................................................ ... 686

Dr. Elisabeth Götze ................................................................................................. ... 687

Mag. Gerald Loacker .............................................................................................. ... 688

Angela Baumgartner .............................................................................................. ... 689

Maximilian Köllner, MA .......................................................................................... ... 690

Mag. Andreas Hanger ............................................................................................. ... 691

Mag. Thomas Drozda .............................................................................................. ... 693

Ing. Reinhold Einwallner ........................................................................................ ... 694

Mag. Dr. Rudolf Taschner ...................................................................................... ... 695

Mag. Karin Greiner .................................................................................................. ... 696

Christian Lausch ..................................................................................................... ... 698

Mag. Eva Blimlinger ................................................................................................ ... 700

Dr. Christoph Matznetter ........................................................................................ ... 700

Andreas Ottenschläger .......................................................................................... ... 701

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Thomas Drozda, Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen betreffend „sofortige Ermöglichung von kontaktlosen Buch-Abholstationen im Lockdown“ – Ablehnung ...........................................................................................................  693, 708

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Karin Greiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sicherung der Gemeindefinanzen in der Krise“ – Ableh­nung............................ 697, 708

Annahme des Gesetzentwurfes in 448 d.B. ................................................................ 702

Annahme des Bundesfinanzgesetzes für das Jahr 2021 samt Anlagen ..................... 703

Eingebracht wurden

Petitionen ...................................................................................................................... 42

Petition betreffend „Sofortmaßnahmen für den Bahnlärmschutz im Klagenfur­ter Gemeindegebiet“ (Ordnungsnummer 45) (überreicht von der Abgeordneten Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler)

Petition betreffend „Erhalt der regionalen Infrastruktur im Salzkammergut“ (Ord­nungs­nummer 46) (überreicht von der Abgeordneten Bettina Zopf)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 18

Petition betreffend „Rasche Umsetzung und Dotierung des ‚Fonds Zukunft Öster­reich‘“ (Ordnungsnummer 47) (überreicht von der Abgeordneten Mag. Dr. Maria Theresia Niss, MBA)

Petition betreffend „Rette das Wintersemester“ (Ordnungsnummer 48) (überreicht von der Abgeordneten Mag. Martina Künsberg Sarre)

Regierungsvorlage ....................................................................................................... 41

461: Dienstrechts-Novelle 2020

Berichte ......................................................................................................................... 42

Vorlage 42 BA: Bericht nach § 1 Abs. 4 des Bundesgesetzes über die Errichtung eines Non-Profit-Organisationen Unterstützungsfonds für Oktober 2020; BM f. Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport

III-197: Bericht betreffend EU-Finanzbericht 2017 und 2018 – Reihe BUND 2020/42; Rechnungshof

III-198: Jahresbericht 2019 des ORF gemäß § 7 ORF-Gesetz; Bundeskanzler

III-199: Erfassung von hassmotivierten Übergriffen aufgrund des Geschlechts oder der sexuellen Orientierung; BM f. Inneres

III-201: Tätigkeitsbericht 2019 der Agentur für Qualitätssicherung und Akkreditie­rung Austria; BM f. Bildung, Wissenschaft und Forschung

III-202: Kommunikationsbericht 2019 der KommAustria, der Telekom-Control-Kommission und der RTR-GmbH gemäß § 19 Abs. 4 KommAustria-Gesetz; Bun­deskanzler im Einvernehmen mit BM f. Landwirtschaft, Regionen und Tourismus

Anträge der Abgeordneten

Rainer Wimmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schluss mit den sozialpolitischen Fehltritten dieser Bundesregierung – die abschlagsfreie Pension nach 45 Arbeitsjahren muss bleiben! (993/A)(E)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einführung eines Vollzeit-Bonus (994/A)(E)

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verlängerung der Spendenbegünstigung für gemeinnützige Stiftungen (995/A)(E)

Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen betreffend Standortkonzept für Hochschulen (996/A)(E)

Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bildungsverlust in der Coronakrise vorbeugen (997/A)(E)

Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen betreffend Lehrkräfte-Fortbildung in der Coronakrise (998/A)(E)

Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gelingende Integration – Dera­dikalisierungskonzept für alle Schulstufen (999/A)(E)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Evaluierung von Lehrab­brüchen (1000/A)(E)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 19

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Klarstellung zu Schutz­ausrüstung als Werbungskosten (1001/A)(E)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ermöglichung von Online-Psychotherapie (1002/A)(E)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Anti-Fake-News Kampagne zur COVID-19-Pandemie (1003/A)(E)

Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen betreffend Mobilisierung von privaten Mitteln für Bildung (1004/A)(E)

Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vorschlag für ein Gesamt­konzept für Wirtschaftshilfen (1005/A)(E)

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kein AMA Güte­siegel für Sojaimporte (1006/A)(E)

Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen betreffend Strategie zur Gleichstellung von LGBTIQ in Österreich (1007/A)(E)

Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Längst überfällige Anhebung der Gebührensätze für Dolmetscher_innen und Valorisierung der Gebühren­sätze des GebAG (1008/A)(E)

Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Datenschutzrechtliche Bedenken gegen PNR (1009/A)(E)

Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausbau der Kol­legs für Elementarpädagogik (1010/A)(E)

Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Finaler Status für Berg­karabach (1011/A)(E)

Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Koordinierte Ver­schär­fung der Belarus Sanktionen (1012/A)(E)

Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sanktionen zur Unter­stützung der Demokratie in Hongkong (1013/A)(E)

Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Unterstützung von Demokratie, Medien und Bürgerrechten in Nicaragua (1014/A)(E)

Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen betreffend jährliche Pensionskonto­mitteilungen zur Bewusstseinsschaffung für Frauen (1015/A)(E)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kooperative Luftraumüberwachung zur Überbrückung des Saab und EF Ausfalls (1016/A)(E)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einrichtung einer staats­polizeilichen sowie nachrichtendienstlichen Steuerungsgruppe (1017/A)(E)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ermöglichung der Auf­nahme von schutzbedürftigen Kindern durch Länder, Städte, Gemeinden und Zivilge­sellschaft (1018/A)(E)

Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen betreffend Widmung der gesamten Einnahmen aus der Digitalsteuer für die Medienförderung (1019/A)(E)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 20

Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen betreffend Reparatur des Umsatz­ersatzes im Lockdown (1020/A)(E)

Norbert Sieber, Barbara Neßler, Petra Wimmer, Edith Mühlberghuber, Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sicherstellung der Finanzierung der Hospiz- und Palliativversorgung, im besonderen für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene (1021/A)(E)

Ing. Markus Vogl, Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend Investbudget VKI (1022/A)(E)

Ing. Markus Vogl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sonderzeichen in SMS als Kostenfalle der Mobilfunkbetreiber (1023/A)(E)

Ing. Markus Vogl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Insolvenzabsicherung von Fluglinien (1024/A)(E)

Ing. Markus Vogl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gutscheine von Fluglinien und Reiseveranstalter aufgrund der Covid-19-Krise (1025/A)(E)

Ing. Markus Vogl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gewährleistung für Waren (1026/A)(E)

Fiona Fiedler, BEd, Kolleginnen und Kollegen betreffend Musiktherapie in Kranken­häusern und Gesundheitseinrichtungen (1027/A)(E)

Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend dringende Auszahlung der Vergütungen für den Verdienstentgang für gemäß Epidemiegesetz geschlossene Be­triebe (1028/A)(E)

Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend dringende Unterstützung der Privatvermieter – Härtefälle vermeiden (1029/A)(E)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend Lebensmittelverschwendung verhin­dern (1030/A)(E)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend Lebensmittelverschwendung verhin­dern (1031/A)(E)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend Status über transparente, rechts­sichere und angemessene Regelungen im Bereich der Inkassogebühren (1032/A)(E)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zeitplan im Zusammenhang mit Ver­braucherbildung und Informationsmaßnahmen für Konsumenten im Bereich der Finanz­dienstleistungen (1033/A)(E)

Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, Kolleginnen und Kollegen betreffend Plan für Matura 2021! (1034/A)(E)

Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schulleitungen entlasten (1035/A)(E)

Mag. Dr. Rudolf Taschner, Mag. Eva Blimlinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Weiterentwicklung der hochschulischen Weiterbildung (1036/A)(E)

Mag. Agnes Sirkka Prammer, Christoph Zarits, Kolleginnen und Kollegen betreffend Prüfung des rechtlichen Rahmens für den E-Sport (1037/A)(E)

Christoph Zarits, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend #comebackstronger – Maßnahmenprogramm für den Österreichischen Sport nach der COVID-19-Krise (1038/A)(E)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 21

Cornelia Ecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erhalt der ELER-Fördermaß­nahme „Soziale Angelegenheiten“ (Soziale Dienstleistungen, SDL) im Programm für die ländliche Entwicklung (1039/A)(E)

Cornelia Ecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend faire und nachhaltige Verteilung der öffentlichen Steuergelder des Waldfonds dringend gefordert (1040/A)(E)

Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erhöhung des Budgets für Frauenangelegenheiten und Gleichstellung (1041/A)(E)

Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend umfassendes Gender Budgeting umsetzen (1042/A)(E)

Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend personelle Aufstockung der Gleichbehandlungsanwaltschaft – angenommene Entschließung von 2019 umset­zen (1043/A)(E)

Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend den Schutz für die ungarische LGBTI-Community (1044/A)(E)

Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vereinbarkeitsmilliarde für den Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen (1045/A)(E)

Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vereinbarkeitsmilliarde für den Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen (1046/A)(E)

Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kinder haben Rechte! Kinderrechte in den Fokus rücken. (1047/A)(E)

Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend die abschlagsfreie Pension nach 45 Arbeitsjahren muss bleiben! (1048/A)(E)

Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend notwendige Daten-Transparenz und Kontrolle der Wirksamkeit der Covid-Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung (1049/A)(E)

Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erhöhung der Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung (1050/A)(E)

Rudolf Silvan, Kolleginnen und Kollegen betreffend Beibehaltung des besonderen Pauschbetrages gemäß § 319a ASVG (1051/A)(E)

Rudolf Silvan, Kolleginnen und Kollegen betreffend Beibehaltung des besonderen Pauschbetrages gemäß § 319a ASVG (1052/A)(E)

Cornelia Ecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend zeitgemäße Grundlagen für Ener­gieinfrastrukturverfahren (1053/A)(E)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schutz des Trinkwassers vor Arzneimittelrückständen (1054/A)(E)

Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schutz des Trinkwassers vor Arzneimittelrückständen (1055/A)(E)

Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen für den Frauensport (1056/A)(E)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Strategie für öster­reichische Weltraumtätigkeiten (1057/A)(E)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 22

Mag. Dr. Martin Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend Stärkung des Senats durch Stärkung der Professorenschaft (1058/A)(E)

Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen betreffend steuerliche Absetzbarkeit von Sport-Sponsoring und Spenden (1059/A)(E)

Hermann Brückl, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sicherstellung eines regulären Unterrichts ab Montag dem 23. November 2020 (1060/A)(E)

Cornelia Ecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erhalt der ELER-Fördermaß­nahme „Soziale Angelegenheiten“ (Soziale Dienstleistungen, SDL) im Programm für die ländliche Entwicklung (1061/A)(E)

Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen betreffend die längst überfällige höhere Entlohnung für Gerichts-DolmetscherInnen (1062/A)(E)

Anfragen der Abgeordneten

Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend angebliche Zurückweisung von MigrantInnen durch Frontex (3991/J)

Rudolf Silvan, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Ge­sundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Folgeanfrage zur Anfrage (3139/J) der möglichen Einmietung der Allgemeinen Unfallversicherung in das „Gebäude der Kaufmannschaft“, Schwarzenbergplatz 14 und Lothringerstraße 4,6,8,10 in 1040 Wien, das im Eigentum des Fonds der Wiener Kaufmannschaft steht. Der Fonds der Wiener Kaufmannschaft wiederum unterliegt der Kontrolle der Wirtschaftskammer Wien, deren Präsident ist DI Walter ist (3992/J)

Rudolf Silvan, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend der Vorab­information über COVID 19 Maßnahmen an Kurz Freund Martin Ho (3993/J)

Rudolf Silvan, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend der Vorabinformation über COVID 19 Maß­nahmen an Kurz Freund Martin Ho (3994/J)

Rudolf Silvan, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend der Vorabinformation über COVID 19 Maßnahmen an Kurz Freund Martin Ho (3995/J)

Rudolf Silvan, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesund­heit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend der Vorabinformation über COVID 19 Maßnahmen an Kurz Freund Martin Ho (3996/J)

Rudolf Silvan, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen und Integration betreffend der Vorabinformation über COVID 19 Maßnahmen an Kurz Freund Martin Ho (3997/J)

Rudolf Silvan, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betref­fend der Vorabinformation über COVID 19 Maßnahmen an Kurz Freund Martin Ho (3998/J)

Rudolf Silvan, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesver­teidigung betreffend der Vorabinformation über COVID 19 Maßnahmen an Kurz Freund Martin Ho (3999/J)

Rudolf Silvan, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort betreffend der Vorabinformation über COVID 19 Maßnahmen an Kurz Freund Martin Ho (4000/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 23

Rudolf Silvan, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend betreffend der Vorabinformation über COVID 19 Maßnahmen an Kurz Freund Martin Ho (4001/J)

Rudolf Silvan, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissen­schaft und Forschung betreffend der Vorabinformation über COVID 19 Maßnahmen an Kurz Freund Martin Ho (4002/J)

Rudolf Silvan, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend der Vorabinformation über COVID 19 Maßnahmen an Kurz Freund Martin Ho (4003/J)

Rudolf Silvan, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend der Vorabinformation über COVID 19 Maß­nahmen an Kurz Freund Martin Ho (4004/J)

Rudolf Silvan, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für EU und Verfas­sung betreffend der Vorabinformation über COVID 19 Maßnahmen an Kurz Freund Martin Ho (4005/J)

Rudolf Silvan, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus betreffend der Vorabinformation über COVID 19 Maßnahmen an Kurz Freund Martin Ho (4006/J)

Rudolf Silvan, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend der Vorabinformation über COVID 19 Maßnahmen an Kurz Freund Martin Ho (4007/J)

Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Verwaltungsstraf­ver­fahren aufgrund des COVID-19-Maßnahmengesetzes sowie des Epidemiegesetzes (4008/J)

Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Österreich als selbsternannter Klimavorreiter innerhalb der EU (4009/J)

Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klima­schutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Nachbes­serung und Konkretisierung des Nationalen Energie- und Klimaplans (NEKP) (4010/J)

Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klima­schutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Österreich als selbsternannter Klimavorreiter innerhalb der EU (4011/J)

Dr. Harald Troch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landes­verteidigung betreffend Pandur Truppentransporter (4012/J)

Dr. Harald Troch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Rehabilitationsgeld (4013/J)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Terror in Wien: Unterbliebene Verständigung der Justiz (4014/J)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Terror in Wien: Folgenlose Warnung an BM.I durch slowakische Behörden (4015/J)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Terror in Wien: Mangelnde Gefahrenabwehr durch Sicherheits­be­hörden (4016/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 24

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend fixkostenzuschuss.at auf US-Server (4017/J)

Mag. Philipp Schrangl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend der möglichen BVT Vertrauensperson Jan Marsalek, Ex-Wirecard Manager (4018/J)

Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz be­treffend das IS-Terrornetzwerk in Österreichs Gefängnissen (4019/J)

Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Land­wirtschaft, Regionen und Tourismus betreffend Stärkung der heimischen Honigpro­duk­tion (4020/J)

Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für euro­päische und internationale Angelegenheiten betreffend Reaktion auf chinesische Daten­sammlung (4021/J)

Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Österreichisches Material im Armenien-Aserbaidschan Konflikt (4022/J)

Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für euro­päische und internationale Angelegenheiten betreffend Österreichisches Material im Armenien-Aserbaidschan Konflikt (4023/J)

Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Kelag im Kosovo (4024/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Wissenschaftliche Evidenz für Sperrstundenvorverlegung in Salzburg, Tirol und Vorarlberg (4025/J)

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend eine nationale Strategie gegen Antisemitismus (4026/J)

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen und Integration betreffend eine nationale Strategie gegen Antisemitismus (4027/J)

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für EU und Verfas­sung betreffend eine nationale Strategie gegen Antisemitismus (4028/J)

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend die Kundgebung eines Rechtsextremen im 8. Wiener Gemeindebezirk (4029/J)

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend die Kundgebung eines Rechtsextremen im 8. Wiener Gemeindebezirk (4030/J)

David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres be­treffend rechtsextreme Demonstration am 08.11.2020 in Wien, Josefstadt (4031/J)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Terror in Wien: Jihadistentreffen in Wien (4032/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Polizeieskorte für Störaktion mit Schüssen über Lautsprecher und antimusli­mischen Parolen (4033/J)

Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Lan­desverteidigung betreffend Österreichisches Material im Armenien-Aserbaidschan Kon­flikt (4034/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 25

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Weg zum zweiten Lockdown (4035/J)

Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend nach Favoriten einpendelnde Schüler*innen (4036/J)

Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Inseratenausgaben Bundesregierung in Tageszeitungen (4037/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend verachtenswerter Angriff durch Afghanen auf eine Ordensschwester in Graz (4038/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend türkische Bande randaliert in Kirche in Wien-Favoriten (4039/J)

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Terroranschlag in Wien 54 Fragen von profil (4040/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesund­heit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Tiroler Hotels werden schleppend entschädigt (4041/J)

Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffent­lichen Dienst und Sport betreffend nationale Gesamtstrategie „Sport Strategie Austria“ (4042/J)

Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend Einbürgerungen von Sportlerinnen und Sport­lern (4043/J)

Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend Mobiltelefon-, Telekommunikations- und IT-Kosten des Vizekanzlers und seines Kabinett-Personals (4044/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Kontrollen der Corona-Maßnahmen auf Friedhöfen (4045/J)

Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend betreffend Kinderbonus-Zahlungen ins Ausland (4046/J)

Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Kinderbonus-Zahlungen ins Ausland (4047/J)

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend betreffend Kosten der Homepage elternbildung.at (4048/J)

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend betreffend Kosten der Homepage kinderrechte.gv.at (4049/J)

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend betreffend Kosten der Homepage kinderbetreuung.at (4050/J)

Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Organisation der Mallorcaparty 2017 in Würflach (4051/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 26

MMMag. Dr. Axel Kassegger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend Kosten und Wirkung der Leistungsschau des Österreichi­schen Bundesheeres zum Nationalfeiertag 2020 (4052/J)

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Kürzung von Fördergeldern zur Besuchsbegleitung von Scheidungskindern (4053/J)

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Förderung von Anliegen der älteren Generation (Bundes-Seniorengesetz) (4054/J)

Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Bundesfinanzgesetz 2021-UG 24: Wirkungsziel 1: Im Rahmen der Gesundheitsstrukturpolitik, Sicherstellung einer auf höchstem Niveau qualitätsgesicherten, flächendeckenden, leicht zugänglichen und solidarisch finanzierten integrierten Gesundheitsversorgung für die Bevölkerung, ohne Unterscheidung beispielsweise nach Bildung, Status und Geschlecht (4055/J)

Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Bundesfinanzgesetz 2021-UG 24: Wirkungsziel 2: Gleichstellungsziel Gewährleistung des gleichen Zugangs von Frauen und Männern zur Gesundheitsversorgung mit speziellen Fokus auf gender­spezifisiche Vorsorge- und Präventionsprogramme. Prioritär ist die Verbesserung der Gesundheit beider Geschlechter unter Berücksichtigung geschlechtsspezifischer Unter­schiede in der Gesundheitsversorgung und des Gesundheitsverhaltens (4056/J)

Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Bundesfinanzgesetz 2021-UG 24: Wirkungsziel 3: Sicherstellung der Förderung, Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit der gesamten Bevölkerung unter besonderer Berücksichtigung von Infek­tions­krankheiten, chronischen und psychischen Erkrankungen sowie unter Bedacht­nahme spezieller Zielgruppen (z. B. Kinder) (4057/J)

Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Bundesfinanzgesetz 2021-UG 24: Wirkungsziel 4: Vorsorgender Schutz der Verbraucher/innengesundheit insbeson­dere durch sichere Lebensmittel, Gebrauchsgegenstände und kosmetische Mittel sowie durch ausreichende klare Informationen zur Lebensmittelqualität und Ernährung. Sicherstellung der Tiergesundheit und des Tierschutzes, um den Verbraucher/innen­erwartungen gerecht zu werden und den Tier- und Warenverkehr zu gewährleisten (4058/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesund­heit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend VKI-Sonderprojekte im Zusammenhang mit COVID-19 (4059/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Terror in Wien: Eingeräumte Fehler und Abschieben von Verantwortung (4060/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend COVID-19: Verwirrende Daten­vielfalt im Gesundheitsressort (4061/J)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Eurofighter Verkauf nach Indonesien (4062/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 27

Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend „Kopflose“ Vereine? (4063/J)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend Eurofighter Verkauf nach Indonesien (4064/J)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Eurofighter Verkauf nach Indonesien (4065/J)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort betreffend Cloud-Rechenzentrum Microsoft (4066/J)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Terror in Wien: Wurde ein Waffenverbot durch LPD Wien verhängt? (4067/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Was wurde aus Gert-René Polli im BMI (4068/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Was wurde aus Peter Goldgruber im BMI (4069/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Was wurde aus Dominik Fasching im BMI (4070/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Was wurde aus Andreas Wieselthaler im BMI (4071/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Was wurde aus Udo Lett im BMI (4072/J)

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Finanzbildungsoffensive des Finanzministers (4073/J)

Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend betreffend Fehlerhafte Überweisungen aus dem Corona Familienhärtefonds (4074/J)

Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend was bedeutet die Ampelfarbe ‚Orange‘ für das Distance Learning in den Oberstufen? (4075/J)

Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend „Ampeln für Bildungseinrichtungen“ (4076/J)

Mag. Nina Tomaselli, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Arbeitsgruppe Commerzialbank Mattersburg – Was sind die Ergebnisse? (4077/J)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend Falsche ORF-Zuseherzahlen (4078/J)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend Vorbereitungen auf die Leistungsschau am National­feiertag (4079/J)

Ing. Martin Litschauer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Land­wirtschaft, Regionen und Tourismus betreffend Gewässerverunreinigungen an der Thaya und Pulkau durch die Jungbunzlauer Austria AG (4080/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 28

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend die Hausdurchsuchungen bei RechtsextremistInnen im November 2020 (4081/J)

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend die Hausdurchsuchungen bei RechtsextremistInnen im November 2020 (4082/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Datenverfügbarkeit Intensivbe­le­gungen COVID-19 (4083/J)

Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Deutschförderklassen (4084/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Ge­sund­heit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Sperrstundenverordnung gilt offenbar nicht für die ÖVP (4085/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Millionenbetrug beim Semmering-Basistunnel (4086/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Millionenbetrug beim Semmering-Basistunnel (4087/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Impfschaden­ge­setz 1973 (4088/J)

Ing. Mag. Volker Reifenberger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend die Gefahr islamistischen Terrors und der Umgang des BMLV mit dem politischen Islam (4089/J)

Ing. Mag. Volker Reifenberger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend die Gefahr islamistischen Terrors und der Umgang der österreichischen Regierung mit dem politischen Islam (4090/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend betreffend Bundesfinanzgesetz 2021-UG 20: Wirkungsziel 3: Forcierung der Integration von Jugendlichen in den Arbeitsmarkt und in Folge dessen Steigerung der Jugendbeschäftigung (4091/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für So­ziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Bundesfinanz­gesetz 2021-UG 21: Wirkungsziel 5: Erhöhung der ökonomischen und gesellschaftlichen Beteiligung von armutsgefährdeten und von Ausgrenzung bedrohten Personen, die nur begrenzt am ökonomischen und gesellschaftlichen Leben teilnehmen können (4092/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Bundesfinanz­ge­setz 2021-UG 21: Gleichstellungsziel Verbesserung der Chancen von Frauen mit Be­hinderung am Arbeitsmarkt (4093/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend betreffend Bundesfinanzgesetz 2021-UG 20: Wirkungsziel 2: Verbesserung der Erwerbsintegration älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (50+) (4094/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 29

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Bundesfinanz­ge­setz 2021-UG 22, Wirkungsziel 2: Bekämpfung der Armut mittels Veränderung bei den Ausgleichszulagen (4095/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Bundesfinanz­ge­setz 2021-UG 21: Wirkungsziel 2: Umfassende, barrierefreie Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in allen Bereichen des Lebens (4096/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend betreffend Bundesfinanzgesetz 2021-UG 20: Wirkungsziel 1: Schutz der Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer (4097/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesund­heit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Notfallplan Corona-Lockdown bzw. Quarantäne (4098/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend betreffend Bundesfinanzgesetz 2021-UG 20: Wirkungsziel 5: Gleichstellungsziel Frauen und Wiedereinsteigerinnen werden verstärkt am Erwerbs­leben beteiligt (4099/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Bundesfinanz­ge­setz 2021-UG 22: Wirkungsziel 3: Anhebung des durchschnittlichen faktischen Pen­sions­antrittsalters (4100/J)

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Mate­rial­diebstahl bei Bauprojekt Semmering-Basistunnel (4101/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend betreffend Bundesfinanzgesetz 2021-UG 20: Wirkungsziel 4: Erhöhung der Erwerbsbeteiligung und Senkung der Arbeitslosigkeit (4102/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für So­ziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Bundesfinanzge­setz 2021-UG 22: Wirkungsziel 1: Gleichstellungsziel Erhöhung des Anteils der Frauen, die einen Anspruch auf Eigenpension erwerben (4103/J)

Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Coronavirus-Cluster in Klagen­furter Pflegeheim (4104/J)

Ing. Mag. Volker Reifenberger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend die Gefahr islamistischen Terrors und der Umgang des BMKÖS mit dem politischen Islam (4105/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend betreffend Arbeitsmarktpolitik: Arbeitslosenunterstützung und Notstandshilfe 2021 (4106/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend betreffend Arbeitsmarktpolitik: Covid-19-Arbeitsstiftung 2021 (4107/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend betreffend Arbeitsmarktpolitik: AMS-Schulungen 2021 (4108/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 30

Mag. Philipp Schrangl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Sozialmissbrauch im Rahmen von Corona am Arbeitsmarkt (4109/J)

Mag. Philipp Schrangl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend der Kapitalabflüsse von Österreich in Stiftungen in der Türkei (4110/J)

Mag. Philipp Schrangl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Land­wirtschaft, Regionen und Tourismus betreffend der Fortschreitenden Bodenversiegelung Österreichs (4111/J)

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Inves­titionen in das Vorarlberger Schienennetz (4112/J)

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Investitionen in das Tiroler Schienennetz (4113/J)

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Inves­titionen in das Steirische Schienennetz (4114/J)

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Inves­titionen in das Oberösterreichische Schienennetz (4115/J)

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Inves­titionen in das Niederösterreichische Schienennetz (4116/J)

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Inves­titionen in das Wiener Schienennetz (4117/J)

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Inves­titionen in das Burgenländische Schienennetz (4118/J)

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Inves­titionen in das Kärntner Schienennetz (4119/J)

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Inves­titionen in das Salzburger Schienennetz (4120/J)

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Schwer­verkehr entlang des Triebener Tauern (4121/J)

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Erhalt der Eisenbahnkreuzung Lacken-Schatzsiedlung (4122/J)

Hermann Brückl, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Berücksichtigung der Bildungsempfehlung des Rates für Forschungs- und Technologieentwicklung (4123/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 31

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Kampf gegen Raser (4124/J)

Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Folgeanfrage zur Anfrage „Übermittlung von Fluggastdaten durch die Flug­gastdatenzentralstelle“ (2747/J) (4125/J)

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Verzö­gerung beim Bau des Brenner Basistunnels (4126/J)

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort betreffend Förderung für Entwicklung von Künstlicher Intelligenz (4127/J)

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Kampf gegen Raser (4128/J)

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Folgeanfrage zum aktuellen Ermittlungsstand des schwarzen Corona-Ver­tuschungsskandals in Tirol (4129/J)

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend betreffend Kosten der Homepage familienberatung.gv.at (4130/J)

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend betreffend Kosten der Homepage www.gewaltinfo.at (4131/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesund­heit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Winter- und Sommerzeit 2021 (4132/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Covid-19 Erkrankungen in den Reihen der Polizei (4133/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesund­heit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend WHO-Metastudie Covid-19-Sterblichkeit (4134/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesund­heit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Masken sind gesundheitsschädlich und haben keinen Nutzen (4135/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend „Geheime Teststra­tegie“ von Gerry Foitik (Rotes Kreuz) (4136/J)

Mag. Felix Eypeltauer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend „lebenslanger Spätrücktritt“ bei Lebensversicherungen (4137/J)

Mag. Felix Eypeltauer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Reise- und Flugabsagen ohne gesetzesgemäße Rückerstattung der Entgelte an Verbraucher*innen (4138/J)

Mag. Felix Eypeltauer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klima­schutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Reise- und Flugabsagen ohne gesetzesgemäße Rückerstattung der Entgelte an Verbraucher*innen (4139/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 32

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Analyse von Beteiligungsformen der österreichischen Bevölkerung bei der Bewältigung intensiver Flüchtlingsbewegungen (4140/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Folgeanfrage: Amtshandlung im Zuge der Klimademo (4141/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Leistungen der BBU GmbH (4142/J)

Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Land­wirtschaft, Regionen und Tourismus betreffend heimische Milch in den heimischen Milchprodukten (4143/J)

Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend bekömmliches Milchfett statt Palmfett (4144/J)

Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Land­wirtschaft, Regionen und Tourismus betreffend bekömmliches Milchfett statt Palmfett (4145/J)

Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klima­schutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Lärmschutz (4146/J)

Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Land­wirtschaft, Regionen und Tourismus betreffend Ableiten des radioaktiven Wassers aus Fukushima ins Meer (4147/J)

Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klima­schutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Ableiten des radioaktiven Wassers aus Fukushima ins Meer (4148/J)

Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Ableiten des radioaktiven Wassers aus Fukushima ins Meer (4149/J)

Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Rahmenbedingungen für Fachhochschulen auch in der Corona-Krise sichern (4150/J)

Alois Schroll, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend „Informa­tionsvorteil für Ischgl – weiß man mehr in Tirol?“ (4151/J)

Alois Schroll, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend „Informationsvorteil für Ischgl – weiß man mehr in Tirol?“ (4152/J)

Alois Schroll, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesund­heit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend „Informationsvorteil für Ischgl – weiß man mehr in Tirol?“ (4153/J)

Alois Schroll, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus betreffend „Informationsvorteil für Ischgl – weiß man mehr in Tirol?“ (4154/J)

Alois Schroll, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend „Informationsvorteil für Ischgl – weiß man mehr in Tirol?“ (4155/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 33

Dr. Harald Troch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betref­fend der Resolution 12143/1/20 des EU-Ministerrats (4156/J)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Geheimer Lagebericht für ausgewählte Chefredakteure zu Corona – Schaffung einer Parallelöffentlichkeit durch den Bundeskanzler (4157/J)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Werbeschaltungen in Tageszeitungen rund um die Verordnung des zweiten Lockdowns (4158/J)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Ausschluss kritischer Medien von Pressekonferenzen der Bundesregierung nach Minis­terratssitzungen (4159/J)

*****

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen an den Präsidenten des National­rates betreffend Mund-Nasen-Schutz mit Parlamentslogo (21/JPR)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen (3297/AB zu 3297/J)

der Bundesministerin für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Robert Laimer, Kolleginnen und Kollegen (3298/AB zu 3302/J)

der Bundesministerin für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Robert Laimer, Kolleginnen und Kollegen (3299/AB zu 3304/J)

der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort auf die Anfrage der Abgeordneten Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen (3300/AB zu 3288/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen (3301/AB zu 3474/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen (3302/AB zu 3295/J)

der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Tech­nologie auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen (3303/AB zu 3289/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Christian Drobits, Kolleginnen und Kollegen (3304/AB zu 3298/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen (3305/AB zu 3303/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen (3306/AB zu 3305/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen (3307/AB zu 3290/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 34

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen (3308/AB zu 3292/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen (3309/AB zu 3293/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Christian Drobits, Kolleginnen und Kollegen (3310/AB zu 3300/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen (3311/AB zu 3294/J)

des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Christian Drobits, Kolleginnen und Kollegen (3312/AB zu 3299/J)

der Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Christian Drobits, Kolleginnen und Kollegen (3313/AB zu 3301/J)

der Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus auf die Anfrage der Abgeordneten Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen (3314/AB zu 3291/J)

der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort auf die Anfrage der Abgeordneten Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen (3315/AB zu 3306/J)

der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort auf die Anfrage der Abgeordneten Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen (3316/AB zu 3307/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen (3317/AB zu 3308/J)

der Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen (3318/AB zu 3312/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kolle­gen (3319/AB zu 3310/J)

des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten auf die An­frage der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen (3320/AB zu 3311/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen (3321/AB zu 3309/J)

der Bundesministerin für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Ing. Mag. Volker Reifenberger, Kolleginnen und Kollegen (3322/AB zu 3320/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen (3323/AB zu 3313/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen (3324/AB zu 3327/J)

der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Tech­nologie auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen (3325/AB zu 3421/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 35

der Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen (3326/AB zu 3314/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen (3327/AB zu 3315/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen (3328/AB zu 3321/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen (3329/AB zu 3319/J)

des Bundesministers für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen (3330/AB zu 3325/J)

der Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt auf die Anfrage der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen (3331/AB zu 3316/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen (3332/AB zu 3318/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen (3333/AB zu 3317/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen (3334/AB zu 3482/J)

des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Felix Eypeltauer, Kolleginnen und Kollegen (3335/AB zu 3329/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Susanne Fürst, Kolleginnen und Kollegen (3336/AB zu 3328/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen (3337/AB zu 3324/J)

der Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus auf die Anfrage der Abgeordneten Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen (3338/AB zu 3326/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen (3339/AB zu 3323/J)

der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Tech­nologie auf die Anfrage der Abgeordneten Norbert Sieber, Kolleginnen und Kollegen (3340/AB zu 3341/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen (3341/AB zu 3369/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen (3342/AB zu 3382/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 36

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen (3343/AB zu 3372/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Christian Drobits, Kolleginnen und Kollegen (3344/AB zu 3332/J)

der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Tech­nologie auf die Anfrage der Abgeordneten David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen (3345/AB zu 3330/J)

der Bundesministerin für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen (3346/AB zu 3331/J)

der Bundesministerin für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen (3347/AB zu 3387/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen (3348/AB zu 3342/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen (3349/AB zu 3368/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen (3350/AB zu 3363/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen (3351/AB zu 3367/J)

des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen (3352/AB zu 3390/J)

des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, Kolleginnen und Kollegen (3353/AB zu 3337/J)

der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort auf die Anfrage der Abgeordneten David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen (3354/AB zu 3333/J)

der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen (3355/AB zu 3388/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen (3356/AB zu 3374/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen (3357/AB zu 3408/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen (3358/AB zu 3371/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen (3359/AB zu 3370/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Abgeordneten Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen (3360/AB zu 3365/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Christian Drobits, Kolleginnen und Kollegen (3361/AB zu 3362/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 37

der Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Abgeordneten Rainer Wimmer, Kolleginnen und Kollegen (3362/AB zu 3340/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, Kolleginnen und Kollegen (3363/AB zu 3338/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen (3364/AB zu 3406/J)

der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen (3365/AB zu 3335/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen (3366/AB zu 3384/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen (3367/AB zu 3343/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen (3368/AB zu 3378/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen (3369/AB zu 3366/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen (3370/AB zu 3357/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen (3371/AB zu 3355/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen (3372/AB zu 3356/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen (3373/AB zu 3354/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen (3374/AB zu 3353/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen (3375/AB zu 3364/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen (3376/AB zu 3360/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen (3377/AB zu 3359/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen (3378/AB zu 3358/J)

des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, Kolleginnen und Kollegen (3379/AB zu 3339/J)

des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf die Anfrage der Ab­geordneten Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, Kolleginnen und Kollegen (3380/AB zu 3334/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 38

der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Tech­nologie auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kolle­gen (3381/AB zu 3373/J)

des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen (3382/AB zu 3379/J)

des Bundesministers für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport auf die Anfrage der Abgeordneten Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen (3383/AB zu 3391/J)

des Bundesministers für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen (3384/AB zu 3376/J)

des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen (3385/AB zu 3377/J)

der Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Christian Drobits, Kolleginnen und Kollegen (3386/AB zu 3336/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen (3387/AB zu 3560/J)

der Bundesministerin für Frauen und Integration im Bundeskanzleramt auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen (3388/AB zu 3570/J)

der Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen (3389/AB zu 3381/J)

der Bundesministerin für Frauen und Integration im Bundeskanzleramt auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen (3390/AB zu 3383/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Thomas Drozda, Kolle­ginnen und Kollegen (3391/AB zu 3386/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Thomas Drozda, Kolle­ginnen und Kollegen (3392/AB zu 3389/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Christian Drobits, Kolleginnen und Kollegen (3393/AB zu 3344/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen (3394/AB zu 3345/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen (3395/AB zu 3346/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen (3396/AB zu 3347/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen (3397/AB zu 3348/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen (3398/AB zu 3349/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen (3399/AB zu 3350/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 39

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen (3400/AB zu 3351/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen (3401/AB zu 3352/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen (3402/AB zu 3385/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen (3403/AB zu 3392/J)

der Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen (3404/AB zu 3375/J)

der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Tech­nologie auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen (3405/AB zu 3380/J)

der Bundesministerin für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Ing. Mag. Volker Reifenberger, Kolleginnen und Kollegen (3406/AB zu 3410/J)

der Bundesministerin für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen (3407/AB zu 3398/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen (3408/AB zu 3399/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen (3409/AB zu 3415/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen (3410/AB zu 3416/J)

der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort auf die Anfrage der Abgeordneten Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen (3411/AB zu 3395/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Karin Greiner, Kolleginnen und Kollegen (3412/AB zu 3419/J)

der Bundesministerin für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen (3413/AB zu 3412/J)

der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen (3414/AB zu 3883/J)

der Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt auf die Anfrage der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen (3415/AB zu 3394/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen (3416/AB zu 3397/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen (3417/AB zu 3393/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 40

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen (3418/AB zu 3407/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen (3419/AB zu 3401/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen (3420/AB zu 3400/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen (3421/AB zu 3411/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen (3422/AB zu 3402/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Alois Kainz, Kolle­ginnen und Kollegen (3423/AB zu 3396/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen (3424/AB zu 3404/J)

des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten auf die An­frage der Abgeordneten Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen (3425/AB zu 3409/J)

der Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen (3426/AB zu 3405/J)

der Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus auf die Anfrage der Abgeordneten Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen (3427/AB zu 3403/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen (3428/AB zu 3432/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen (3429/AB zu 3426/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Karin Greiner, Kolleginnen und Kollegen (3430/AB zu 3420/J)

 

 

 

 

 


 


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 41

09.05.53Beginn der Sitzung: 9.05 Uhr

Vorsitzende: Präsident Mag. Wolfgang Sobotka, Zweite Präsidentin Doris Bures, Dritter Präsident Ing. Norbert Hofer.

09.05.54*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf Sie, meine Damen und Herren Abge­ordneten, recht herzlich begrüßen. Die Sitzung ist eröffnet.

Ich begrüße die Regierungsmitglieder, und ich darf die Damen und Herren der Jour­nalistik und jene zu Hause vor den Fernsehgeräten begrüßen. Ich würde bitten, dass sich die Mitarbeiter aus den Regierungsbüros – es sind sehr viele im Saal – auch auf der Galerie verteilen.

Ich darf für die Zuseherinnen und Zuseher anmerken, dass wir in ausgedünnter Sit­zordnung sitzen werden und dass in weiterer Folge nicht so viele Personen wie jetzt am Anfang im Saal sein werden. Die Abgeordneten werden sowohl im Dachfoyer als auch in den Räumlichkeiten ihrer Büros, wohin die Sitzung übertragen wird, der Sitzung folgen. Das heißt, es handelt sich nicht um ein Rumpfparlament, sondern ganz im Ge­genteil: Wir sind alle zugegen.

Zur Abstimmung – auch für die Abgeordneten –: Vor jeder Abstimmung werden die Klubobleute gefragt, ob die Abstimmung stattfinden kann oder ob eine Unterbrechung notwendig ist, damit die Damen und Herren aus den jeweiligen Räumlichkeiten hierher­kommen können.

Die Amtlichen Protokolle der 60. und der 61. Sitzung vom 5. November 2020 sind in der Parlamentsdirektion aufgelegen und wurden nicht beanstandet.

Als verhindert gemeldet sind heute die Abgeordneten Franz Leonhard Eßl, Mag. Michael Hammer, Klaus Köchl, Mag. Christian Ragger, Bedrana Ribo, MA und Süleyman Zorba.

Einlauf und Zuweisungen


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungs­gegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Ge­schäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 3991/J bis 4159/J

Schriftliche Anfrage an den Präsidenten des Nationalrates:

21/JPR

2. Anfragebeantwortungen: 3297/AB bis 3430/AB

3. Regierungsvorlage:

Dienstrechts-Novelle 2020 (461 d.B.)

B. Zuweisungen:

1. Zuweisungen seit der letzten Sitzung gemäß §§ 31d Abs. 5a, 32a Abs. 4, 74d Abs. 2, 74f Abs. 3, 80 Abs. 1, 100 Abs. 4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 42

Budgetausschuss:

Bericht nach § 1 Abs. 4 des Bundesgesetzes über die Errichtung eines Non-Profit-Orga­nisationen Unterstützungsfonds für Oktober 2020, vorgelegt vom Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport (Vorlage 42 BA)

Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen:

Petition Nr. 45 betreffend "Sofortmaßnahmen für den Bahnlärmschutz im Klagenfurter Gemeindegebiet", überreicht von der Abgeordneten Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler

Petition Nr. 46 betreffend "Erhalt der regionalen Infrastruktur im Salzkammergut", überreicht von der Abgeordneten Bettina Zopf

Petition Nr. 47 betreffend "Rasche Umsetzung und Dotierung des "Fonds Zukunft Österreich"", überreicht von der Abgeordneten Mag. Dr. Maria Theresia Niss, MBA

Petition Nr. 48 betreffend "Rette das Wintersemester", überreicht von der Abgeordneten Mag. Martina Künsberg Sarre

2. Zuweisungen in dieser Sitzung:

a) zur Vorberatung:

Rechnungshofausschuss:

Bericht des Rechnungshofes betreffend EU-Finanzbericht 2017 und 2018 – Reihe BUND 2020/42 (III-197 d.B.)

b) zur Enderledigung im Sinne des § 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen Entscheidung des Ausschusses):

Ausschuss für innere Angelegenheiten:

Bericht des Bundesministers für Inneres betreffend Erfassung von hassmotivierten Übergriffen aufgrund des Geschlechts oder der sexuellen Orientierung (III-199 d.B.)

Verfassungsausschuss:

Jahresbericht 2019 des ORF gemäß § 7 ORF-Gesetz, vorgelegt vom Bundeskanzler (III-198 d.B.)

Kommunikationsbericht 2019 der KommAustria, der Telekom-Control-Kommission und der RTR-GmbH gemäß § 19 Abs. 4 KommAustria-Gesetz, vorgelegt vom Bundeskanzler im Einvernehmen mit der Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus (III-202 d.B.)

Wissenschaftsausschuss:

Tätigkeitsbericht 2019 der Agentur für Qualitätssicherung und Akkreditierung Austria, vorgelegt vom Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung (III-201 d.B.)

Ankündigung eines Dringlichen Antrages


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die Abgeordneten Wimmer, Kolleginnen und Kol­legen haben vor Eingang in die Tagesordnung das Verlangen gestellt, den zum gleichen


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 43

Zeitpunkt eingebrachten Selbständigen Antrag 993/A(E) der Abgeordneten Wimmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schluss mit den sozialpolitischen Fehl­tritten dieser Bundesregierung – die abschlagsfreie Pension nach 45 Arbeitsjahren muss bleiben!“ dringlich zu behandeln.

Gemäß Geschäftsordnung wird der Dringliche Antrag um 15 Uhr behandelt werden.

*****

Ich darf bekannt geben, dass der ORF die Sitzung wie üblich bis 13 Uhr in ORF 2, bis 19.15 Uhr in ORF III und dann anschließend in der TV-Thek kommentiert übertragen wird.

Behandlung der Tagesordnung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Es ist vorgeschlagen, die Debatten über die Punkte 1 bis 9 sowie 10 und 11 der Tagesordnung zusammenzufassen.

Gibt es dagegen einen Einwand? – Das ist nicht der Fall.

Redezeitbeschränkung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zwischen den Mitgliedern der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer der Debatten erzielt. Gemäß § 57 Abs. 3 Z 2 der Ge­schäftsordnung wurde für den heutigen Tag eine Tagesblockzeit von 9,5 „Wiener Stun­den“ vereinbart, sodass sich die Redezeiten wie folgt ergeben: 185 Minuten für die ÖVP, 128 Minuten für die SPÖ, 105 Minuten für die FPÖ, 95 Minuten für die Grünen sowie 76 Minuten für die NEOS.

Gemäß § 57 Abs. 7 der Geschäftsordnung beträgt die Redezeit für den heutigen Tag von jenen Abgeordneten, die keinem Klub angehören, je 38 Minuten; diese ist pro Debatte wie üblich auf 5 Minuten beschränkt.

Ich brauche auch Zustimmung zu folgenden Redezeiten: Für Mittwoch, den 18. No­vember 2020 wurde eine Tagesblockzeit von 9 „Wiener Stunden“ vereinbart, sodass sich folgende Redezeiten ergeben: ÖVP 176 Minuten, SPÖ 122 Minuten, FPÖ 99 Minuten, Grüne 90 Minuten, NEOS 72 Minuten.

Die Redezeit für jene Abgeordneten, die keinem Klub angehören, beträgt je 36 Minuten, pro Debatte 5 Minuten.

Für Donnerstag wurden 8 „Wiener Stunden“ vereinbart: ÖVP 156 Minuten, SPÖ 108 Mi­nuten, FPÖ 88 Minuten, Grüne 80 Minuten, NEOS 64 Minuten.

Die Redezeit für jene Abgeordneten, die keinem Klub angehören, beträgt je 32 Minuten beziehungsweise wieder 5 Minuten pro Debatte.

Die Mitglieder der Präsidialkonferenz haben für die Beratungen zu den Tages­ord­nungspunkten 10 und 11 die Debattengliederungen festgelegt, die der Tagesordnung zu entnehmen sind.

Die vorgesehenen Untergliederungen werden am selben Tag jedenfalls zu Ende be­raten; die Sitzung wird danach unterbrochen.

Entschließungsanträge können nur bei den jeweiligen Untergliederungen eingebracht werden.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 44

Die Abstimmung zu den Tagesordnungspunkten 10 und 11 findet am Donnerstag, den 19. November statt.

Die Abstimmungen über allfällig eingebrachte Entschließungsanträge erfolgen jeweils nach der dritten Lesung in der Reihenfolge ihrer Einbringung.

Die Redezeitregelung für Regierungsmitglieder gemäß § 57 Abs. 8 der Geschäfts­ord­nung wird nicht in Anspruch genommen. Bei Überschreitung der 20 Minuten für jedes für die jeweiligen Beratungsgruppen ressortzuständige Regierungsmitglied beziehungs­weise bei Überschreitung der 10 Minuten für jeden für die jeweiligen Beratungsgruppen ressortzuständigen Staatssekretär wird die überzogene Redezeit jeweils auf die Rede­zeit der entsprechenden Regierungsfraktion angerechnet.

Die Redezeit untergliederungsfremder Regierungsmitglieder beziehungsweise Staats­sekretäre wird jedenfalls auf die Redezeit der entsprechenden Regierungsfraktion an­gerechnet. Ausgenommen davon ist die Redezeit des Bundeskanzlers sowie des Vize­kanzlers bei der zum Budgetbegleitgesetz abgehaltenen Generaldebatte, sofern diese jeweils die Dauer von 20 Minuten nicht überschreitet.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über die Gestaltung und die eben dargestellten Redezeiten.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein dementsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir gehen in die Tagesordnung ein.

09.11.131. Punkt

Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (408 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Gewährung eines Bundeszuschusses und sonstiger Förderungen aus Anlass der 100. Wiederkehr des Jahrestages der Volksabstimmung in Kärnten (Abstimmungsspendegesetz 2020), ein Bundes­ge­setz über einen Zweckzuschuss aufgrund der Abschaffung des Zugriffs auf Ver­mögen bei Unterbringung von Personen in stationären Pflegeeinrichtungen für die Jahre 2021 bis 2024, ein Bundesgesetz, mit dem zur Abdeckung des Bedarfes an Covid-19-Impfungen und -Schnelltests Ermächtigungen zur Verfügung über Bun­desvermögen erteilt werden, ein Bundesgesetz über die Finanzierung des Vereins für Konsumenteninformation im Jahr 2021 und ein Bundesgesetz zur Bekämpfung pandemiebedingter Armutsfolgen (COVID-19-Gesetz-Armut) erlassen sowie das Gebührenanspruchsgesetz, das Gerichtsorganisationsgesetz, das Sachverstän­digen- und Dolmetschergesetz, das Bundesgesetz über die Errichtung eines Non-Profit-Organisationen Unterstützungsfonds, das COVID-19-Förderungsprüfungs­gesetz, das Buchhaltungsagenturgesetz, das Bundesgesetz über die Errichtung des COVID-19-Krisenbewältigungsfonds, das Finanzausgleichgesetz 2017, das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungs­gesetz, das Arbeitsmarktservicegesetz, das Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungs­gesetz 1957, das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, das Betriebliche Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz, das Allgemeine Sozialver­siche­rungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozial­versicherungsgesetz, das Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, das Opferfür­sor­ge­gesetz, das Impfschadengesetz, das Verbrechensopfergesetz, das Heimopfer­rentengesetz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheaterpensionsgesetz, das


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Bundesbahn-Pensionsgesetz, das Nachtschwerarbeitsgesetz, das Behinder­ten­einstellungsgesetz, das Covid-19-Zweckzuschussgesetz, das Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz, das Universitätsgesetz 2002, das Forschungs­för­derungsgesellschaftsgesetz, das Bundesmuseen-Gesetz 2002 und das Luftfahrt­gesetz geändert werden (Budgetbegleitgesetz 2021) (440 d.B.)

2. Punkt

Bericht und Antrag des Budgetausschusses über den Entwurf eines Bundes­gesetzes über die Einrichtung eines Covid-19-Lagers und über die Verfügung über Bundesvermögen bei Abgabe aus diesem Lager (COVID-19-Lagergesetz-CO-LgG) (441 d.B.)

3. Punkt

Bericht des Budgetausschusses über den Bundesrechnungsabschluss für das Jahr 2019 (III-137/443 d.B.)

4. Punkt

Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (343 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem die Begründung von Vorbelastungen durch die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort genehmigt wird (446 d.B.)

5. Punkt

Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (412 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem die Begründung von Vorbelastungen durch die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie geneh­migt wird (447 d.B.)

6. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über den Bericht der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend ÖBB-Rahmenplan 2021-2026 (III-189/417 d.B.)

7. Punkt

Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 984/A der Abgeordneten Mag. Wolfgang Sobotka, Doris Bures, Christian Hafenecker, MA, Sigrid Maurer, BA, Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Sanierung des Parla­ments­gebäudes (Parlamentsgebäudesanierungsgesetz, PGSG) geändert wird (442 d.B.)

8. Punkt

Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 983/A der Abgeordneten Gabriel Obernosterer, Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über besondere Förderungen von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU-Förderungsgesetz) geändert wird (445 d.B.)


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9. Punkt

Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (410 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über österreichische Beiträge an inter­nationale Finanzinstitutionen (IFI-Beitragsgesetz 2020) erlassen und das Bundes­schatzscheingesetz geändert wird (444 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen zu den Punkten 1 bis 9 der Tages­ordnung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Die Debatte zu den Tagesordnungspunkten 1 bis 9 umfasst auch die Generaldebatte.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Klubobfrau Dr. Rendi-Wagner. Ich darf ihr das Wort erteilen. – Bitte.


9.11.47

Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Bundesregierung! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Im Oktober waren über 420 000 Menschen in Österreich arbeitslos. Das sind knapp 70 000 Menschen mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Seit 1946 gab es keinen Winter mit einer derart hohen Arbeitslosigkeit. Die Lage am österreichischen Arbeitsmarkt ist dramatisch, sie ist dramatisch für die betroffenen Menschen, die keinen Job haben und vor einer unsicheren Zukunft stehen, sie ist dramatisch für die Wirtschaft, weil diese Kaufkraft ja über die nächsten Monate und wahrscheinlich Jahre fehlt, und diese Lage ist dramatisch für uns als Land und als Gesellschaft.

Der zweite Lockdown – wir haben heute den ersten Tag dieses zweiten Lockdowns – wird diese Entwicklung und diese dramatische Situation noch weiter verschärfen. Es war schon vor dem zweiten Lockdown so, dass das Wifo, das Wirtschaftsforschungsinstitut, davon ausgegangen ist, dass aufgrund dieser sieben, acht Monate Coronazeit das Bruttoinlandsprodukt in Österreich um 6,8 Prozent sinken wird – 6,8 Prozent weniger BIP! Dieser Totallockdown, der heute startet, wird unsere Wirtschaft weiter einbrechen lassen und wird weiter Zehntausende, ja Hunderttausende Arbeitsplätze kosten. Eine aktuelle Prognose des Wifo geht von einem Risikoszenario aus, dem zufolge es in Österreich aufgrund des neuerlichen Lockdowns zu einem Einbruch von über 9 Prozent kommen wird. Das ist kein Lapperl!

Eines ist klar, sehr geehrte Damen und Herren, wir stehen heute und in den kommenden zwei Tagen hier und diskutieren über ein Haushaltsbudget, das so in dieser Form nicht halten wird und nicht halten kann. Offenbar fehlen, so wie auch im Corona­krisen­management, im Gesundheitskrisenmanagement, auch diesbezüglich die Vorausschau und die Voraussicht. Die wirtschaftliche Erholung für nächstes Jahr ist gemäß diesen aktuellen Prognosen de facto abgesagt, die Prognose hat die Erholung quasi aufge­saugt.

Die zweite Pleite- und Kündigungswelle der heimischen Wirtschaft hat schon begonnen, bevor der zweite Lockdown begonnen hat, nämlich vor einigen Monaten, vor allem in Bereichen der heimischen Großindustrie, aber auch im Bereich des Tourismus und der Gastronomie. Sie wird jetzt mit einer noch viel größeren Wucht über unser Land hinweg­rollen.

Wenn die Wirtschaftsforscher und die Ministerien mit Zahlen und Kurven hantieren und über Prognosen reden, dann müssen wir, die wir hier als Vertreterinnen und Vertreter der Menschen sitzen, immer eines wissen: Das sind Zahlen, hinter denen Menschen stehen, Schicksale stehen; das sind Familien, Kinder, Jugendliche, Frauen, Ältere. Und ja, hinter diesen Zahlen stehen auch Unternehmerinnen und Unternehmer, die in den letzten Monaten von heute auf morgen ihren kleinen oder auch größeren Betrieb


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schließen mussten. Ich habe viele von ihnen getroffen, einige haben letztes Jahr noch große Investitionen in ihre eigenen Betriebe, in ihr Hotel, in ihr Gasthaus getätigt, haben Kredite aufgenommen. Sie alle haben jetzt eine unsichere Zukunft vor sich. Ja, es sind auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die oft 30 Jahre für eine Firma gearbeitet haben, eine Firma, in der schon ihre Eltern gearbeitet haben oder ihr Großvater gearbeitet hat, eine Firma, in der ihre Kinder gerade die Lehre machen. Es sind junge Familien, die wie vom Blitz getroffen sind und nicht wissen, wie sie die Zukunft ihrer Kinder weiterhin finanzieren und gestalten können.

Arbeitslosigkeit verfestigt sich in Österreich von Tag zu Tag. Das ist eine hochgefährliche Entwicklung, weil es vor allem Menschen ab 50 sind, die in dieser Zeit praktisch chancenlos sind, einen neuen Job zu finden. Ich habe einige von ihnen getroffen, als ich in Spielberg in der Steiermark bei einer Betriebsversammlung von ATB war. Über 200 Leute wurden dort gekündigt – übrigens eine Firma, die in den letzten Monaten groß Staatshilfen aus Steuergeld bezogen und trotzdem über 200 Kündigungen ausge­sprochen hat und den Standort verlegen wird. Sie verlegen ihn einfach ins Billigausland, nach Polen, und hier werden die Österreicherinnen und Österreicher entlassen. Ich habe da viele Frauen getroffen, die drei Jahre vor ihrer Pension stehen. Die pure Verzweiflung spricht aus den Augen dieser Menschen, wenn man mit ihnen redet. – Ich weiß nicht, ob Sie das getan haben, Herr Bundesminister, es wäre auch Ihre Aufgabe, mit den Menschen und Betroffenen zu sprechen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, neben einer vorausschauenden, neben einer hoffentlich bald funktionierenden Pandemiebekämpfung ist es die Hauptaufgabe unserer Bundesregierung, die Arbeitslosigkeit in unserem Land mit allen, mit wirklich allen gebotenen Mitteln zu bekämpfen. Das ist eine große Verantwortung, die endlich über­nommen werden muss. Unser Land braucht eine mutige, eine aktive, eine voraus­schauende Arbeitsmarktpolitik, braucht eine Arbeitsmarktpolitik, die heute und nicht erst morgen beginnen soll, Herr Bundesminister. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und – das sage ich ganz bewusst – auch die kleinen und mittleren Unternehmen brauchen, weil sie sich alleingelassen fühlen, jetzt vor allem eines: Sie brauchen starke, aktive und mutige Mitkämpfer. Wer, wenn nicht wir und die Bundesregierung, müssten diese Mitkämpfer und Mitkämpferinnen sein?

Wenn das Budget die in Zahlen gegossene Politik ist – und das ist es in meinen Augen –, dann hat die Regierung mit diesem Budget eine Chance, nämlich die Chance, Mitkämpfer an der Seite der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, der Unternehmerinnen und der Unternehmer unseres Landes in dieser schwierigen Zeit zu sein. Die Regierung hätte die Chance, ein Budget vorzulegen, das quasi die in Zahlen gegossene Kampfansage gegen Arbeitslosigkeit ist. Schaut es danach aus, dass dieses vorgelegte Budget genau das ist? Sind das die Mittel, die Sie aufbringen, um die Arbeitslosigkeit in den nächsten Monaten und Jahren wirksam zu bekämpfen? – Nein, es schaut leider nicht danach aus, dass diese Chance, die jetzt besteht, von Ihnen genützt wird. Wenn Arbeitsplätze im großen Stil gestrichen werden oder gar ganze Standorte ins günstige Ausland, wie zum Beispiel nach Polen, verlagert werden sollen, dann kann man nicht zusehen, dann muss gehandelt werden, und zwar rasch.

Ich habe erst gestern wieder den Betriebsrat von MAN aus Steyr getroffen – ich war vor drei Wochen bei einem Warnstreik mit 2 000 oder gar 4 000 Beschäftigten und vielen Sympathisanten dort –, und er hat gesagt, sie haben die Verhandlungen mit der Ge­schäftsleitung abgebrochen, sie kommen nicht weiter, man kommt ihnen keinen Schritt entgegen. – Ich frage mich: Wo sind Sie, sehr geehrte Bundesregierung, um diese 2 000 und mehr Beschäftigten bei MAN zu unterstützen? (Beifall bei der SPÖ.)


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All diese Handlungen Ihrerseits – es gibt welche hier und da – sind zaghaft. Das Budget, das vorgelegt wurde, zeigt Ansätze; diese Ansätze reichen aber nicht, sie werden der Dimension der größten Wirtschafts- und Arbeitsmarktkrise der Zweiten Republik einfach nicht gerecht. Ihre Vorhaben werden dieser Dimension nicht gerecht, sie sind zu wenig ambitioniert. Vor allem im Bereich Pflege und im Bereich Klimaschutz geht mehr, viel mehr. Es ist leider nicht die starke und mutige Zukunftsansage, die eines macht, die in der Bevölkerung Vertrauen schafft und ihr Unsicherheiten nimmt. Es bräuchte ein großes, mutiges, historisches und wirksames Konjunktur- und Beschäftigungspaket für Österreich, das die Wirtschaft stärkt und Arbeitsplätze schafft, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Das ist heute noch wichtiger geworden, heute beginnt der Totallockdown für unser Land (Ruf bei der ÖVP: Er hat schon begonnen!) – danke für diesen Hinweis, das freut ganz viele Österreicherinnen und Österreicher wirklich –: Wirtschaftlich, gesellschaftlich und im Bildungsbereich wird auf einen Nullpunkt runtergefahren. Deswegen ist diese Handlung, die Notwendigkeit eines ambitionierten und starken Sich-Einsetzens für Arbeitsplätze und Wirtschaft, noch wichtiger geworden. Es bräuchte eine große, eine historische Steuersenkung zur Sicherung der kleinen und mittleren Einkommen, um die Kaufkraft zu stärken, und eine Arbeitsmarktwende in Richtung Umschulung und Weiter­qualifizierung, nicht im kleinen, sondern im großen Stil und klug gedacht, vor allem Richtung Pflege. Das ist ein wichtiger Bereich, der sich in Ihrem Budget zu wenig wiederfindet. Es bräuchte einen Plan, um Lehrstellen zu schaffen und die Lehrstel­lenlücke zu schließen. Ja, es braucht auch einen Plan, wie es nach der Kurzarbeit weitergeht, eine Vorausschau auch in diesem Bereich wäre wichtig. Dazu braucht es Ambition und Mut.

Mir ist bewusst, dass durch die Wirtschaftshilfen, die jetzt durch diesen zweiten vollen Lockdown noch viel mehr werden, Ihr Budget sehr stark belastet ist, Herr Bundes­minister. Deshalb können Sie aber nicht entscheiden, eine Steuersenkung einfach zu verschieben, deswegen können Sie nicht sagen, Investitionen werden jetzt nur zaghaft gesetzt und das Arbeitsmarktbudget muss klein sein. (Abg. Hanger: Sie haben das Budget nicht gelesen, oder?) Ganz im Gegenteil: Sie müssten umso ambitionierter handeln und umso mutiger! Herr Finanzminister, das ist der falsche Weg, denn das treibt die Spirale immer weiter nach unten.

Falsch ist es auch, bei jenen zu sparen, die 45 Jahre lang gearbeitet haben: Deren Pen­sionen sollen still und heimlich um 10 Prozent gekürzt werden, mit dem Argument, man könne es sich nicht leisten, man müsse auf die Stabilität achten. Anstatt Solidar­abgaben für große Onlinekonzerne wie Amazon einzuführen, kürzt die Regierung als Erstes bei den Pensionistinnen und Pensionisten, die 45 Jahre lang gearbeitet haben. Das ist nicht nur nicht gerecht, das ist kaltherzig und wirtschaftlich unklug. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren, ich möchte zum Schluss noch auf einen sehr wichtigen Bereich zu sprechen kommen, auf die Finanzierung der Spitäler. Corona hat uns gezeigt, wie verwundbar wir sind und wie sehr wir alle ein öffentliches, funktionierendes Spital­system brauchen. Unsere Spitäler, die Pflegerinnen und die Pfleger, die Ärztinnen und Ärzte sind in dieser Jahrhundertpandemie das Immunsystem unserer Gesellschaft, und ich finde es mehr als verantwortungslos, Herr Bundesminister, und fern jeglicher Ver­nunft, dass Sie in dieser größten Gesundheitskrise seit 100 Jahren in Ihrem Budget genau bei den Spitälern kürzen – aber es passiert. (Beifall bei der SPÖ.)

Diese Kürzung ist ein Anschlag auf unsere Spitäler, ein Anschlag auf unsere Gesundheit, und das inmitten der Pandemie. Ich appelliere daher dringend an die Bundesregierung, dieses Budgetloch auszugleichen. Wir werden dazu einen Antrag einbringen. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

9.24



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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Klubob­mann Wöginger. – Bitte.


9.24.38

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Budget 2021, das uns vorliegt, muss unter ganz schwierigen Voraussetzungen abgearbeitet werden. Wir befinden uns mitten in der größten Pandemie seit 100 Jahren und wir haben die größte Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg zu bewältigen; und das nicht nur bei uns in Österreich, sondern in ganz Europa und auf der ganzen Welt.

Dieses Budget bedeutet vor allem auch, die Verantwortung für die Menschen in unserem Land wahrzunehmen und Standort und Arbeitsplätze in den Mittelpunkt zu rücken. Wir haben insgesamt über 50 Milliarden Euro an Konjunktur-, Arbeitsmarkt- und Wirtschafts­paketen aufgestellt. Dass wir das in Österreich tun können, ist nur möglich, weil wir in den letzten Jahren gut gewirtschaftet haben, weil wir darauf geachtet haben, dass wir in guten Zeiten nicht mehr ausgeben, als wir einnehmen. Das ist die Grundlage dafür, dass wir mit diesen milliardenschweren Paketen überhaupt gegensteuern können. Die Finanz­politik, die wir in den letzten Jahren gemacht haben, ist die Grundlage dafür, dass wir jetzt den betroffenen Menschen helfen können. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Wir retten damit nicht nur Leben, wir retten Arbeitsplätze und Unternehmen. Wir ent­lasten die Bürgerinnen und Bürger und stellen Investitionen in Standort und Wettbe­werbsfähigkeit sicher. Absolute Priorität, Frau Kollegin Rendi-Wagner, hat der Kampf um jeden Arbeitsplatz: Wir geben im heurigen und im nächsten Jahr insgesamt 29 Milliarden Euro für aktive Arbeitsmarktpolitik aus. (Zwischenruf des Abg. Kassegger.) Ich weiß nicht, in welchem Budget Sie geblättert haben, Frau Kollegin, aber das, was ich sehe, sind Milliardenbeträge für Kurzarbeit. Insgesamt stellen wir im heurigen und im nächsten Jahr bis zu 8 Milliarden Euro für die Kurzarbeit zur Verfügung.

Meine Damen und Herren, es ist die Kurzarbeit, die vielen Menschen das Einkommen gesichert hat, die viele Unternehmerinnen und Unternehmer vor dem Bankrott gerettet hat. Das ist eine gute Lösung, die auch gemeinsam mit der Sozialpartnerschaft aus­gearbeitet wurde. Wir stellen heuer und nächstes Jahr insgesamt rund 8 Milliarden Euro für die Kurzarbeit zur Verfügung. Das ist ein Erfolgsmodell in dieser schwierigen Zeit. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Weiters stellen wir für das kommende Jahr und für das Jahr 2022 700 Millionen Euro für Arbeitsstiftungen ein. Da geht es genau darum, dass wir umschulen, dass wir qualifizie­ren, dass wir jene Menschen, die durch die Krise den Job verloren haben, wieder in den Arbeitsmarkt zurückbekommen – viele Unternehmen und Unternehmer brauchen und suchen trotz der schwierigen Krisensituation Leute –, und es geht darum, dass wir diese Menschen so schnell wie möglich dorthin bringen. Das geht nur mit Umschulung und Qualifizierung, und dafür stellen wir in den nächsten beiden Jahren 700 Millionen Euro zur Verfügung.

Sie sagen, wir haben nichts für die Kaufkraft getan. Frau Kollegin, ich möchte das wirklich mit Nachdruck widerlegen (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch): Wir haben Einmal­zahlungen für Arbeitslose durchgeführt, wir haben die Steuern gesenkt, wir sind mitten drinnen in der Steuerentlastung; das ist umgesetzt, es wurde innerhalb weniger Wochen ausbezahlt. Wir haben, nämlich auch rückwirkend für das Jahr 2020, den Eingangs­steuersatz um 5 Prozent, von 25 auf 20 Prozent, abgesenkt. Wir haben Familien unterstützt – nicht nur die, die jetzt sowieso eine schwierige Situation zu bewerkstelligen haben –, wir haben im September für jedes Kind 360 Euro mit der Familienbeihilfe ausbezahlt, meine Damen und Herren. Das ist Hilfe, die ankommt, das ist Hilfe, die rasch erfolgt, und rasche Hilfe hilft bekanntermaßen doppelt. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)


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Was auch mit im Paket ist, ist die Pensionsanpassung für das Jahr 2021. Ich darf hier schon einige Jahre als Volksvertreter tätig sein, ich kann mich an keine derartige Pen­sionsanpassung erinnern. Wir heben den Ausgleichszulagenrichtsatz an, das ist Armutsbekämpfung pur, meine Damen und Herren. Wir verstehen das: Gerade jetzt müssen wir die niedrigen und unteren Pensionseinkommen stärken, wir heben um 3,5 Prozent im unteren Bereich an, weil es genau jene Menschen brauchen. (Abg. Loacker: Welcher Angestellte kriegt 3,5 Prozent?) Die Pensionistinnen und Pensio­nisten liegen uns am Herzen und wir müssen gerade jetzt deren Kaufkraft stärken, damit sie ihr Leben auch bestreiten können. Deshalb kommt diese Pensionsanpassung mit einer ganz starken Unterstützung im kleinsten, im unteren Bereich. Das ist Hilfe, die ankommt, meine Damen und Herren. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Jetzt noch zu den Wirtschaftshilfen – man kann alle Länder mit offenen Augen betrach­ten –: Ich nehme jetzt diese 80 Prozent her, die die Betriebe, die jetzt wieder ge­schlossen wurden, seien es die Wirte, seien es Dienstleistungsbetriebe wie Friseure et cetera, brauchen und zu Recht bekommen. 80 Prozent im Vergleich zum Umsatz des Vorjahresmonats November: Das ist eine sehr gute Unterstützung, auch zu Recht, denn diese Unternehmen brauchen dieses Geld auch, weil das Wirtshausgeschäft nicht so gehen wird, wie das in anderen Zeiten möglich ist, auch wenn dann wieder geöffnet wird. (Beifall des Abg. Hörl.)

Diese Hilfe kommt rasch an. Wenn man mit den Betroffenen redet – sogar auch in diesen Reihen; ich nenne keine Namen –, sagen diese: Das habt ihr gut gemacht! Das geht schnell! (Zwischenruf bei der FPÖ.) – Wir haben 30 000 Anträge mit einem Volumen von 900 Millionen Euro, und 800 Millionen Euro sind bereits auf dem Weg. Danke, Herr Finanzminister, dass wir da sehr rasch handeln, dass diese Hilfe auch rasch zu den Betroffenen kommt! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich nenne die Investitionsprämie mit 2 Milliarden Euro, und ja, wenn es notwendig ist, werden wir diese aufstocken, weil das genau in die regionale Wirtschaft geht, das sichert den Standort und natürlich die Arbeitsplätze insbesondere auch im ländlichen Raum. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Die Gemeindemilliarde möchte ich zusätzlich erwähnen, weil das Geld ist, das letzten Endes direkt vor Ort ankommt und dort auch ausgegeben wird.

Wir investieren zusätzlich in Bildung, Wissenschaft und Sicherheit. Es gibt plus 1,2 Mil­liarden Euro für die Universitäten. Da möchte ich auch den neuen Standort für die tech­nische Universität in Linz erwähnen, für die nun sozusagen der Grundstein gelegt wird. 235 Millionen Euro für den digitalen Unterricht: Das ist besonders in dieser Zeit eine sehr, sehr wesentliche zusätzliche Unterstützung vor allem auch für die Kinder und die Eltern. (Zwischenruf des Abg. Scherak.)

Mehr Geld für die Sicherheit: Gerade in diesen Tagen steht das Sicherheitsthema be­sonders im Fokus. Wir statten die Polizei mit einer besonderen Ausrüstung aus, die sie auch brauchen, und es gibt 4 300 zusätzliche Planstellen für die Polizei. Das ist Sicher­heitspolitik, die sich die Menschen in diesem Land auch verdient haben, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Gerade in Zeiten wie diesen sehen wir auch, wie wichtig unser Bundesheer ist, wie wichtig eine funktionierende Landesverteidigung ist, auch für die Mithilfe beim Contact­tracing. In dieser schwierigen Situation, in der Pandemie, stocken wir das Budget des Bundesheeres um über 8 Prozent auf – über 200 Millionen Euro und zusätzliche Mittel für Katastrophenschutz und Cybersicherheit, weil wir das Glück haben, in einem sozialen Land leben zu dürfen, aber auch in einem sicheren Land leben zu dürfen; dafür inves­tieren wir mit diesem Budget in die nächsten Jahre.


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Meine Damen und Herren, abschließend möchte ich festhalten, es geht um drei Dinge: den Kampf um jedes Menschenleben, den Kampf um jeden Arbeitsplatz und den Kampf um jeden Betrieb. Finanzminister Blümel schafft mit diesem Budget ein solides Fun­dament, auf dem wir alle gemeinsam aufbauen können, um die bestehenden und kommenden Herausforderungen erfolgreich meistern zu können. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) In diesem Sinne appelliere ich an Sie: Halten wir zusammen, halten wir durch und beschließen wir dieses Budget, das den Menschen in diesem Land hilft! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

9.33


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Klub­obmann Kickl. – Bitte.


9.33.15

Abgeordneter Herbert Kickl (FPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Mit der laufenden Woche ist ein ohnehin recht ereignisreiches Jahr 2020, möchte ich fast sagen, um eine ebenso ungewöhnliche wie dramatische Facette reicher. Man muss sich nämlich vorstellen, dass wir in den kommenden Tagen mit dem Budget 2020/2021 ein Zahlenwerk diskutieren, das von der Regierung, die es vorgelegt hat, auch schon wieder zusammengeschossen worden ist, zusammengeschossen und zertrümmert worden ist, genauso wie es beim Budget 2020 der Fall gewesen ist, über das wir vor einigen Monaten diskutiert haben, und zwar mit derselben Methode zusammengeschossen, wie Sie es damals gemacht haben, nämlich mit der Verhängung eines totalen Lockdowns. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischen­bemer­kung von Vizekanzler Kogler.)

Zur Erinnerung: Dieser totale Lockdown ist derjenige, von dem uns die Vertreter dieser Bundesregierung erklärt haben, dass er gar nicht möglich ist. Der Herr Gesund­heits­minister hört heute noch die Enten quaken, seit damals, als wir diesen Lockdown in den Raum gestellt haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich rede von dem Lockdown, der gerade jetzt kommt, wo die Infektionszahlen, mit denen Sie tagein tagaus die österreichische Bevölkerung bombardieren – nach dem Motto: unsere tägliche Pressekonferenz gib uns heute! –, wieder im Sinken begriffen sind. (Abg. Gabriela Schwarz: Aber nicht die der Hospitalisierten und der Intensivpatienten!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Finanzminister hat vor einigen Monaten im Zuge der Budgetdebatte folgenden Satz gesagt: „Jede Zahl, die wir heute kennen, wird schlussendlich falsch sein“. – Ich denke, als er diesen Satz abgelassen hat, hat er gedacht, er ist besonders sophisticated. In Wahrheit war es nichts anderes als ein politischer Offenbarungseid in Sachen Budgetplanung. Der Befund aber, den er damals abgegeben hat, stimmt heute noch. Er gilt auch für dieses Budget 2021, weil Sie als Finanzminister, weil das virologische Quartett und weil die Bundesregierung insgesamt auf gesamter Linie versagt hat. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine Damen und Herren, was haben wir denn hier für ein Kabinett im Österreich des Jahres 2020 beieinander? – Das ist doch ein einziges Verantwortungsflüchtlingslager, das da links und rechts von mir aufgefädelt sitzt. (Zwischenruf der Abg. Gabriela Schwarz.) Wir haben einen Innenminister, der ein Verantwortungsflüchtling in Sachen Bekämpfung des islamistischen Terrors ist. (Widerspruch bei der ÖVP.) Wir haben einen Gesundheitsminister und einen Bundeskanzler, die beide Verantwortungsflüchtlinge im Zusammenhang mit Covid-19 sind. (Rufe bei der ÖVP: Aber hallo!) Wir haben einen Bildungsminister, der ein Verantwortungsflüchtling im Zusammenhang mit dem Schul­chaos ist, bei dem sich jetzt die Eltern angesichts des Zustandes, den Sie angerichtet haben, nur mehr an den Kopf greifen können. Und wir haben einen Finanzminister, der


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ein einziger Verantwortungsflüchtling in Sachen solider Budgetplanung ist. (Zwischenruf des Abg. Gerstl.) So schaut es aus! 0 Prozent Verantwortung, 100 Prozent Gehalt: Das ist die österreichische Bundesregierung im Jahr 2020. (Beifall bei der FPÖ. – Zwi­schenrufe bei der ÖVP.)

Dieses Budget 2020/2021 ist der zahlenmäßige Beweis für das Chaos, das Sie seit Jahresbeginn in Österreich stiften und das über dieses Jahr hinaus katastrophale Folgen haben wird. (Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP.) Die Folgen sind so katastrophal, dass Sie sich nicht einmal trauen, die Auswirkungen ins Budget hineinzuschreiben, denn der gesamte harte Lockdown, den Sie jetzt verordnet haben, ist zahlenmäßig nicht einmal ansatzweise abgebildet. Da kann man Ihnen nur gratulieren, Herr Finanzminister. Es ist Ihnen wieder einmal gelungen, sich von einem Ereignis überraschen zu lassen, das Sie selbst seit einigen Monaten vorbereiten. Das ist auch eine Meisterleistung, muss ich sagen, und die Kaltschnäuzigkeit, mit der Sie sich weigern, dieses Zahlenwerk entsprechend zu adaptieren, macht einen schon fast fassungslos, möchte ich sagen. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Herr Finanzminister, ich sage Ihnen eines: Abstand zu halten in diesen Tagen bedeutet nicht, Abstand von der Budgetwahrheit zu halten; da haben Sie etwas falsch verstanden. Handhygiene in diesen Tagen bedeutet nicht, dass man seine Hände in Unschuld wäscht, angesichts des eigenen Unvermögens, das für jeden Österreicher jeden Tag offenkundiger wird. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Unternehmer, die Arbeitnehmer, die Kinder, die Eltern in diesem Land müssen flexibel sein, sie müssen ein unglaubliches Maß an Anpassungsfähigkeit an den Tag legen. Über Nacht muss man sich da an neue Gegebenheiten anpassen, gerade wie es Ihnen aufstößt. Der Finanzminister ist dazu nicht in der Lage. Ich sage Ihnen eines – weil viele von uns ja auch in den vergangenen Wochen die US-Wahl verfolgt haben –: Gegen Sie, Herr Finanzminister, ist der berühmte „Sleepy Joe“ Biden ein Ausbund an Agilität und Leistungsfähigkeit, was das Merkvermögen betrifft. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie sind in der Zwischenzeit nicht nur der jüngste Demenzpatient Österreichs (heftiger Widerspruch bei der ÖVP), sondern Sie sind auch der teuerste Altpapierproduzent - -

09.38.23*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Klubobmann, ich erteile Ihnen für diese herabwürdigende Beleidigung einen Ordnungsruf. Nehmen Sie sie bitte zurück! (Rufe bei der ÖVP: Jawohl! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)


9.38.33

Abgeordneter Herbert Kickl (fortsetzend): Und wenn die Österreichische Volks­partei - -


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Nehmen Sie den Vorwurf „Demenzpatient“ bitte zurück!


Abgeordneter Herbert Kickl (fortsetzend): Nein, ich nehme es nicht zurück. (Abg. Wöginger: Ja, typisch! Typisch! So ist die FPÖ! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich sage Ihnen eines - -


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Es ist der Würde dieses Hauses nicht angemessen (Zwischenruf des Abg. Hafenecker), einen politischen Mitbewerber so zu bezeichnen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

*****


Abgeordneter Herbert Kickl (fortsetzend): Ich erinnere an die 86 Erinnerungslücken des Finanzministers binnen kürzester Zeit. Das hat ihm noch keiner vorgemacht, und ich


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glaube, es wird auch keinen Zweiten geben, der es ihm gleichtut. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Wenn Ihre Partei schon eine ausgeprägte Freude am Schreddern hat, dann schreddern Sie doch dieses Zahlenwerk, da wäre es angebracht! (Zwischenruf bei der ÖVP.) Meine Damen und Herren, es ist absurd, dass wir hier ein Budget diskutieren müssen (Ruf bei der ÖVP: Diese Rede ist absurd!) – das ist ja fast schildbürgermäßig –, von dem wir genau wissen, dass es nicht halten wird. Es passt aber diese Absurdität und dieser schildbürgermäßige Zugang zur gesamten Covid-Politik, die Sie in diesem Land ver­folgen.

Welche Strategie verfolgen Sie denn eigentlich? Was ist denn Ihre Zielsetzung? – Eigentlich müsste es ja so sein, dass man versucht, den größtmöglichen Nutzen zu erzielen und den Schaden möglichst gering zu halten. Sie machen es genau umgekehrt: Sie produzieren den größtmöglichen Schaden und halten den Nutzen möglichst gering. Fällt Ihnen nicht auf, dass Sie als Totengräber dieser Zweiten Republik agieren, und zwar auf allen Ebenen? Das müsste Sie doch nachdenklich machen!

Sie ruinieren die österreichischen, die heimischen Betriebe, nicht Amazon und die internationalen Player, denen Sie angeblich den Kampf ansagen wollen. Die reiben sich angesichts Ihres Lockdowns die Hände, denn das sind die großen Profiteure. Sie zerstören heimische Arbeitsplätze, Sie produzieren eine verlorene Bildungsgeneration, Sie produzieren enorme und sauteure Kollateralschäden im Gesundheitsbereich, und zu allem Überfluss sperren Sie auch noch die eigenen freien Bürger ein und lassen sie von der Polizei verfolgen, während die islamistischen Terroristen in Österreich frei herum­laufen dürfen, in der Sozialwohnung untergebracht werden und vor den Augen des Verfassungsschutzes im Unterschied zur eigenen Bevölkerung keinerlei Kontaktsperren unterliegen, sondern sich mit anderen Islamisten verabreden, um irgendwelche Terror­anschläge vorzubereiten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist das Beste aus der türkisen und aus der grünen Welt in Österreich im Jahr 2020. Man kann Ihnen nur gratulieren! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Abg. Gabriela Schwarz.)

Herr Minister, Sie wissen, dass wir auch in Sachen Covid eine andere Strategie vor­schlagen als die Ihre. Da geht es einfach darum, dass wir uns nicht von einem Lockdown in den nächsten Lockdown und in den nächsten Lockdown und in den nächsten Lockdown hinüberturnen wollen, an dessen Ende dann ein groß angelegtes Menschen­experiment mit einer unausgegorenen Massenimpfung stehen soll. (Zwischenruf des Abg. Melchior.)

Ich nehme zur Kenntnis, dass Sie zu diesem Wechsel der Strategie nicht willens und nicht in der Lage sind, frage Sie aber eines: Ja bitte, warum sind Sie dann nicht wenigstens innerhalb Ihrer Strategie konsequent? Warum passieren Ihnen dort, wo es um die Umsetzung Ihres eigenen Planes geht, so viele Fehler?

Anstatt auf Panikmache und Angstmache im großen Stil zu setzen, hätten Sie die Zeit nutzen sollen, um das Gesundheitssystem in diesem Land – Zeit war ausreichend vorhanden – auf solide Beine zu stellen und auf das vorzubereiten, was Sie ohnehin immer schon gewusst haben. Ich verstehe nicht, warum Sie das nicht gemacht haben. Ich verstehe nicht, warum wir bis heute noch keine einheitliche Zählweise haben, was die Infizierten anbelangt. Ich verstehe nicht, warum wir bis heute keinen Plan zum Schutz der vulnerablen Gruppen haben. Ich verstehe nicht, warum wir bis heute nicht aus­reichend Intensivbetten und das entsprechende Personal dafür haben. Ihre Landes­hauptleute von der ÖVP sind in der Vergangenheit nur dadurch aufgefallen, dass sie sich dafür auf die Brust geklopft haben, dass sie Spitäler in Österreich zugesperrt haben,


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meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ. – Ruf bei der FPÖ: Ge­nau!)

Da bin ich jetzt beim Verantwortungsbewusstsein und bei der Eigenverantwortung, die Sie von allen anderen immer einmahnen. Da bin ich auch bei der Disziplin, die Sie von den Österreichern einfordern. Ja, wo ist denn die Disziplin aufseiten der Regierung? Wo sind die Disziplin und Eigenverantwortung, die es braucht, um diese Vorbereitungs­arbeiten zu machen? – Fehlanzeige! Und wenn es dann nicht funktioniert, sind alle anderen schuld.

Wenn es Ihnen darum ginge, die Gesundheit der Menschen zu schützen und die bestmögliche Behandlung von Kranken zu garantieren, dann müssten Sie doch jetzt mehr Geld für das Gesundheitssystem in die Hand nehmen. Sie tun das Gegenteil davon: minus 130 Millionen Euro in diesem Budget für das Gesundheitssystem! Fällt Ihnen nicht auf, dass das hinten und vorne nicht zusammenpasst?

Sie haben keine zukunftsorientierte finanzielle, organisatorische oder personelle Planung für den Krankenanstaltenbereich, Sie haben sie nicht für den niedergelassenen Bereich der Allgemeinmediziner und Sie haben sie nicht für den Bereich der Fachärzte – von der Pflege abstrahiere ich da gnädigerweise, denn auch dort fehlt es vorne und hinten. Im Gegenteil – ich habe es schon gesagt –: Die Mindereinnahmen aus dem Steuerbereich werden Sie weitergeben. Diese geben Sie im Finanzausgleich weiter, dadurch, dass Sie die Zuschüsse an die Länder für die Krankenanstaltenträger kürzen. Das nennt man in Ihrer Sichtweise offenbar eine verantwortungsvolle Gesundheitspolitik in der größten Pandemie – oder wie auch immer Sie diese Coronakrise bezeichnen!

Sie haben Ihre grün-türkisen Spendierhosen anderswo an: dort, wo es darum geht, Hunderte Millionen Euro in den Ankauf von Covid-19-Testungen zu investieren oder etwa 200 Millionen Euro für einen unausgegorenen Impfstoff auszugeben.

Eines ist klar, meine sehr geehrten Damen und Herren: Wenige werden sich an dieser Krise eine goldene Nase verdienen, aber sehr, sehr viele werden die Zeche dafür bezahlen, und sehr, sehr viele werden auch das Risiko für Ihr falsches Investment zu tragen haben.

Ich habe einen Tipp an die Österreichische Volkspartei: Lassen Sie doch bei den Massentestungen und Zwangsimpfungen Ihre Jubelperser aus der eigenen Partei antreten! Das können Sie machen – Ihr Bundeskanzler und Parteiobmann hat eine Generalvollmacht –, aber verschonen Sie die österreichische Bevölkerung mit Ihren unverantwortlichen Experimenten! (Beifall bei der FPÖ.)

Noch etwas: Ich weiß ja nicht genau, wer aufseiten der Volkspartei den Lockdown zum jetzigen Zeitpunkt bestellt hat – wer aus dem Seilbahnbereich. Vielleicht kann uns Abgeordneter Hörl da ein wenig weiterhelfen. Was ich aber genau weiß, ist, wer es zahlen wird. Das wissen wir ganz genau, es werden nämlich die Kleinen zahlen, die Masse wird zahlen, das steht jetzt schon fest. Den kleinen Einkommensbeziehern, den kleinen Pensionisten – jetzt zitiere ich Ihren ÖVP-Politötzi aus Tirol –, denen legen Sie eine auf. Diesen legen Sie eine auf, und ich sage: Es ist geradezu ein Akt des Zynismus, dass Sie gerade in der Woche, in der wir hier die Budgetberatungen haben, diejenigen unter die Räder kommen lassen, die 45 Jahre lang fleißig gearbeitet haben, die die Leistungsträger dieser Gesellschaft sind und denen Sie Ihren Dank und Ihre Aner­kennung dadurch zum Ausdruck bringen, dass Sie ihnen verbieten, nach 45 Jahren abschlagsfrei in Pension zu gehen. Die ÖVP, die Partei der Leistungsträger – da kann man nur sagen: Gute Nacht, Österreich! (Beifall bei der FPÖ.)

Die Luxuspensionen und die Spitzengagen im staatsnahen Bereich, dort, wo Ihre Privilegienritter und die Bonzen hausen, bleiben aber unangetastet; dort wird kein Cent


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eingespart! (Beifall bei der FPÖ.) – So viel zur Gerechtigkeitsvorstellung der Öster­reichischen Volkspartei und auch der Grünen, bei denen ich noch ganz andere Vertreter einer vernünftigen Sozialpolitik in Erinnerung habe.

Wenn Sie wirklich etwas für die Frauen tun möchten, wie Sie es angekündigt haben, gehen Sie doch her und rechnen einfach verstärkt Kindererziehungszeiten in die Pen­sionszeiten ein! Das wäre gerecht, denn damit ist ein vernünftiger und wesentlicher Beitrag für die kommenden Generationen und für den Erhalt unserer Gesellschaft ge­leistet worden. Warum tun Sie das nicht? (Beifall bei der FPÖ.)

Sozialabbau liegt allerorts in der Luft. Ich habe schon gesagt: Das Ende der Hackler­regelung ist ein Skandal. Die Verweigerung einer Erhöhung des Arbeitslosengeldes ist es ebenso. Sie speisen die Leute mit einem Bettel ab, Sie sind nicht in der Lage, eine Pensionsgarantie abzugeben. Ja, warum denn nicht? – Weil Sie natürlich in Ihren sozialpolitischen Sudel- und Giftküchen längst eine entsprechende Pensionskürzung vorbereiten! Das bedeutet nichts anderes, meine Damen und Herren, als dass nicht nur die Jungen, also die kommende Generation, die Zeche für Ihren Unfug zahlen werden, sondern auch die Alten, die dieses Land aufgebaut und zu jenem Wohlstand geführt haben, den Sie jetzt systematisch ruinieren. In den Töpfen Ihrer Sudelküchen dampft es nur so; da dampft es nur so! (Beifall bei der FPÖ.) Anhebung von Steuern, Streichung der Pendlerpauschale, Kürzung des Kinderbetreuungsgeldes, Anhebung des Pensions­alters – all das geistert in Ihren Sudelküchen herum!

09.48.05*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Für die „Sudelküchen“ erteile ich Ihnen den nächsten Ordnungsruf. (Zwischenruf der Abg. Steinacker.)

*****

9.48.07


Abgeordneter Herbert Kickl (fortsetzend): Noch etwas: Wenn Sie vom Sparen im System oder von – wie Sie es genannt haben – Ausgabendisziplin sprechen, dann muss man zweimal hinhören. Der erste Schritt nämlich, die Österreicher abhängig zu machen, ist Ihre Almosenpolitik, mit der Leute, die Anspruch auf Schadenersatz haben, zu Bittstellern degradiert werden. Bei denjenigen, die Sie im Schritt eins noch nicht unter Kontrolle gebracht haben, erledigen Sie es im Schritt zwei. Da heißt es dann Ausgabendisziplin, und es wird denjenigen alles gestrichen, die Ihnen nicht mehr in Ihren politischen Kram passen. – Das ist das Machtergreifungsprogramm der Österreichi­schen Volkspartei für das Jahr 2021, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Ein Wort noch, weil es die Perversion zum Quadrat ist: Während im eigenen Land das Geld an allen Ecken und Enden fehlt, brechen Sie Ihr nächstes Versprechen und investieren ab dem heurigen Jahr 400 Millionen Euro mehr in die Europäische Union. Sie machen damit eine Querfinanzierung für die Nettoempfängerländer, also für die­jenigen, die uns die Unternehmen abwerben und die Arbeitsplätze zerstören und schon seit Jahren und Jahrzehnten nicht eine Sekunde daran denken, sich an irgendwelche Schuldenquoten zu halten. Das sind diejenigen, die dafür zuständig sind, dass der Euro nicht einmal mehr halb so viel wert ist, wie Sie es am Beginn versprochen haben. Diese werden von Ihnen querfinanziert – das Gegenteil haben Sie versprochen. Sie wissen, Herr Finanzminister: Gebrochene Versprechen sind gesprochene Verbrechen! (Beifall bei der FPÖ.)


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Ich komme zum Schluss. Der einzige Lockdown, der Österreich helfen könnte, wäre der Lockdown für diese Bundesregierung. (Zwischenrufe der Abgeordneten Haubner und Hörl.) Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Je früher, desto besser! Wiegen Sie sich nicht in falscher Sicherheit! Sie werden Ihrem gerechten Schicksal nicht enteilen, auch wenn Sie sich gegenwärtig alle für unverwundbar und unverletzlich halten.

Herr Finanzminister, Sie sind ein Freund von Ovid. Sie wissen, wo Ovid gelandet ist: In der Verbannung ist er gelandet, und von dort ist er nicht mehr zurückgekehrt, Ihr sehr geschätzter Ovid. (Zwischenrufe der Abgeordneten Melchior und Pfurtscheller.) Es wird die Aufgabe der Freiheitlichen Partei sein (Zwischenruf des Abg. Wöginger), Sie dafür, was Sie jetzt mit der österreichischen Bevölkerung aufführen, eines Tages in die politische Verbannung zu schicken und dafür zu sorgen, dass Sie dort auch bleiben. (Anhaltender Beifall und Bravorufe bei der FPÖ.)

9.50


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Klubobfrau Maurer. – Bitte.


9.50.51

Abgeordnete Sigrid Maurer, BA (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Ministerinnen und Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe ZuseherInnen! (Abg. Hörl in Richtung FPÖ –: Da braucht ...! Das ist ja unerhört! – Gegenruf des Abg. Wurm.) Ich muss ehrlich sagen, meine Redeposition in diesem Plenarsaal nach Herrn Kickl ist jedes Mal ein bisschen schwierig. (Abg. Kickl: Man könnte ja intern wechseln!) Ich möchte das jetzt einfach einmal sagen: Es ist für mich beschämend, wie (Zwischenruf des Abg. Wurm), in welcher Diktion, Sie hier sprechen, und es ist mir peinlich (Beifall bei Grünen und ÖVP – neuerlicher Zwischenruf des Abg. Wurm  weitere Zwischenrufe bei der FPÖ), draußen regelmäßig erklären zu müssen, warum dieses Parlament so agiert, dass man am RednerInnenpult permanent schreien muss (Abg. Lausch: Regen Sie sich nicht auf ...!), dass ständig diffamierende Bemerkungen fallen. (Abg. Wurm: Die Wahrheit tut weh, Frau Kollegin Maurer! Die Wahrheit tut weh! – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)

Das, was Sie machen, ist, dass Sie doppelt beleidigen. (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von FPÖ und Grünen.) Wenn Sie die Regierungsbank als Flüchtlingslager bezeichnen, beleidigen Sie einerseits, wie sie es ja beabsichtigen, die Mitglieder der Regierungsbank, selbstverständlich aber beleidigen Sie auch jene Menschen – und auch das ist Ihre Absicht –, die tatsächlich in Flüchtlingslagern leben müssen, weil sie flüchten mussten. Dasselbe gilt für Menschen, die an Demenz erkrankt sind. Es ist extrem despektierlich gegenüber Menschen mit dieser Krankheit, wie Sie hier agieren (Ruf bei der FPÖ: ... zeigen aber nicht den Stinkefinger ...!) und wie Sie diese Begriffe verwenden. (Anhaltender Beifall bei Grünen und ÖVP sowie Beifall bei Abgeordneten der NEOS.  Neuerliche Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Wir befinden uns hier eigentlich in einer Budgetdebatte und selbstverständlich ist das wie immer zu Beginn eine Generaldebatte (Zwischenruf des Abg. Hafenecker), das Niveau aber, das Sie hier zeigen, Herr Kickl (Abg. Amesbauer: ... eine Moral ...!), ist unterirdisch im Vergleich zu den anderen Fraktionen. (Neuerliche Zwischenrufe bei der FPÖ.) Selbstverständlich ist inhaltliche Kritik Ihr Job (Abg. Kickl: Ich verstehe, dass Ihnen das nicht gefällt!), das ist Oppositionsarbeit, aber die Art und Weise, wie Sie das hier vorbringen (Abg. Wurm: ... Wahrheit ...!), ist unter jeder Niveaugrenze, die es irgend­wie geben kann in diesem Haus. (Beifall bei Grünen und ÖVP. Abg. Amesbauer: ... Ihre Moralpredigten! Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)


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Ich möchte jetzt wirklich zum Budget reden, und ich möchte das in einer normalen Lautstärke tun, vielleicht schafft es die Fraktion der FPÖ, nicht die ganze Zeit reinzu­brüllen, damit ich hier am RednerInnenpult nicht schreien muss. (Abg. Deimek: ... ordentliche Debatte ...!) Ich möchte nämlich nicht schreien, sondern eine normale Rede halten. (Abg. Kassegger: Wir sind da im Parlament ...! Haben Sie das vergessen? ... das ist ja unglaublich! Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren, die letzten Wochen und Monate, ja das gesamte bisherige Jahr 2020 ist ein extrem herausforderndes. Die Pandemie fordert uns, fordert die Menschen in unserem Land enorm, und wir haben unsere Energie und unsere Zeit zu sehr großen Teilen für die Bewältigung der Krise aufwenden müssen, für die Maß­nahmen zur Eindämmung der Pandemie, für die Wirtschaftshilfen und zuletzt auch noch für einen Terroranschlag im Herzen Wiens.

Als PolitikerInnen haben wir die Verantwortung, aktuelle Krisen bestmöglich zu managen und akute Problemlagen zu beseitigen. Als Politikerinnen und Politiker haben wir selbst­verständlich aber auch die Verantwortung, für die Zukunft, für die Weiterentwicklung unseres Landes, für die nächsten Generationen zu planen.

Wir debattieren hier im Parlament in den nächsten drei Tagen das Budget für das nächste Jahr, das Jahr 2021 – ein Jahr, das voraussichtlich eine Impfung gegen das Coronavirus bringen wird; ein Jahr, das nach diesem Krisenjahr den Aufschwung bringen soll; ein Jahr – da bin ich zuversichtlich –, das ein freundlicheres Gesicht zeigen wird als das Jahr 2020; ein Jahr, in dem sich die Familien von den heurigen Strapazen erholen können, in dem wir vielleicht wieder auf Urlaub fahren können; ein Jahr, in dem wir alles dafür tun müssen, dass sich die Wirtschaft möglichst schnell erholt.

Wir debattieren damit heute auch ein Budget, das Antworten auf die multiplen Krisen liefert: auf die akute Krise am Arbeitsmarkt  sie wurde schon angesprochen , indem wir eine Arbeitsstiftung mit 700 Millionen Euro einrichten; wir werden diese Woche auch noch die zweite Pauschalerhöhung des Arbeitslosengeldes beschließen – weitere 150 Euro pro Monat für die Menschen, die in der Pandemie ihren Job verloren haben und die es besonders getroffen hat.

In diesem Budget findet sich vor allem aber auch die Antwort auf die große Krise, die noch viel länger andauern wird als die Pandemie, nämlich die Klimakrise. Gleichzeitig bietet diese Krise, die Klimakrise, die Chance auf eine ultimative Trendwende am Arbeitsmarkt ebenso wie in der Wirtschaft, sie bietet die Chance, die richtigen Impulse zu setzen und eine richtige Wende einzuleiten.

Dieses Budget ist ein grünes Budget, es ist ein Klimabudget. Für die ökologische Wende steht so viel Geld wie noch nie zuvor zur Verfügung (Beifall bei den Grünen – Heiterkeit bei der FPÖ – Abg. Kickl: Das war ein Lacher aus Ihrem Sektor!), für den Ausbau des Verkehrs, für die thermische Sanierung, für die Energiewende, denn wir tragen alle gemeinsam die Verantwortung dafür, dass dieser Planet – wir haben nur einen! – auch für nächste Generationen bewohnbar ist. Wir müssen dafür sorgen, dass wir die Aufheizung stoppen, damit nächste Generationen ausreichend Ressourcen für ein gutes Leben in einer intakten Umwelt haben.

Die Pandemie hat eine schwere weltweite Wirtschaftskrise ausgelöst, der wir uns mit aller Kraft entgegenstellen müssen. Wir müssen uns aus dieser Krise hinausinvestieren und genau dafür ist in diesem Budget Geld vorgesehen: für das Zukunftsthema schlechthin, für den Klimaschutz.

Der Ausbau des öffentlichen Verkehrs, der Umbau unserer Energiesysteme – all das schafft Beschäftigung. Wir werden mit der Arbeitsstiftung Umschulungen in diese Be­reiche, in Green Jobs, organisieren, damit für viele, viele Menschen ein Neuanfang


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möglich ist, und dafür gibt es auch einen Bildungsbonus –120 Euro pro Monat –, der für Menschen dazukommt, die eine längere Ausbildung machen, um eben die Branche wechseln, um in eine andere Branche gehen zu können, potenziell in eine grüne Branche. (Beifall bei den Grünen.)

Derzeit sind die Pflegerinnen und Pfleger enorm gefordert, wir hören jeden Tag die Meldungen von den Intensivstationen. Auch die Pflegerinnen und Pfleger in den Alten­heimen aber stehen vor extremen Herausforderungen, und wir wissen, wir haben zu wenige von ihnen. Wir brauchen mehr und in diesem Bereich braucht es Nachwuchs, es braucht eine Ausbildungsoffensive, und auch dafür ist in diesem Budget gesorgt. Selbstverständlich steht mit diesem Budget auch das notwendige Geld für die Gesundheit zur Verfügung, um die kommenden Herausforderungen zu meistern. (Abg. Belakowitsch: Die da wären?)

Wir haben heute die Situation, dass die Schulen auf Distancelearning umstellen, und schon im Frühling ist klar geworden, dass es mit der Digitalisierung in Österreich noch nicht so läuft, wie es laufen sollte. Es wurde vieles nachgerüstet, wir sind aber immer noch nicht dort, wo wir sein könnten. Deshalb liegt in diesem Budget ein Schwerpunkt auf der Digitalisierung an den Schulen, damit wir auch dort im 21. Jahrhundert ankommen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

In unserem Bildungssystem gibt es viele Ungerechtigkeiten, und die Aufgabe der Schule – Ungleichheit auszugleichen – erfüllt unser Bildungssystem derzeit nur äußerst unzureichend. Deshalb steht in diesem Budget Geld für das Projekt 100 Schulen zur Verfügung, mit dem wir genau jenen Schülerinnen und Schülern, die es besonders schwer haben, denen die Eltern bei den Hausaufgaben nicht gut helfen können, die bestmögliche Unterstützung bieten können (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), so­dass auch sie ausreichend Bildung erlangen und ihre ungleichen Startvoraussetzungen ausgeglichen werden können.

Auch für die Wissenschaft ist gesorgt. Wir haben 1,2 Milliarden Euro für Forschung und für ein gutes Studium eingeplant, damit unsere Studentinnen und Studenten hoch­qualitativ ausgebildet werden können und entsprechend innovativ arbeiten können.

In diesem Budget gibt es viele andere Bereiche, die uns sehr wichtig sind, beispielsweise das Budget für Frauen und Gewaltschutz. Das wird substanziell erhöht. Wir haben Geld für die Zeitverwendungsstudie, die dringend notwendig ist, da wir regelmäßig sehen, dass die Verteilung der Arbeit, insbesondere der unbezahlten Arbeit zwischen Männern und Frauen, absolut ungleich ist. Wir haben ein Budget, das um fast 50 Prozent erhöht wurde.

An dieser Stelle, Frau Rendi-Wagner, möchte ich schon auf das zu sprechen kommen, was Sie in Ihrem Eingangsstatement gesagt haben, nämlich in Bezug auf die Pensionen: Wir als Regierungsfraktionen haben uns zum Ziel gesetzt, die Frauenarmut und die Frauenaltersarmut zu bekämpfen, und das tun wir konsequent: mit der Erhöhung der Ausgleichszulage und selbstverständlich auch mit dem Frühstarterbonus, den wir planen, um die Altersarmut zu bekämpfen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Von dem, was Sie beschlossen haben, Frau Rendi-Wagner, haben bis jetzt 7 200 Män­ner und eine einzige Frau profitiert. Sie können mir nicht erzählen, dass das ein Programm ist, das zur Unterstützung der Frauen dient. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Matznetter – in Richtung Grüne –: Wer von euch kommt auf 45 Jahre? Wer? – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. – Anhaltende Zwischenrufe des Abg. Matznetter in Richtung Grüne.)


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Wir haben in diesem Budget ausreichend Geld für die Justiz, wo noch zu Beginn des Jahres der frühere Justizminister Clemens Jabloner davor gewarnt hat, dass sie einen stillen Tod sterben wird. Wir haben das größte Kunst- und Kulturbudget, das es jemals gab. Das alles sind sehr wichtige Punkte, um dieses Land in eine positive Zukunft zu führen.

Wir dürfen jetzt nicht nur die Krisenbewältigung vor Augen haben, sondern müssen auch die Zukunft, eine lebenswerte Zukunft, eine solidarische Zukunft mit einer intakten Umwelt vor Augen haben, und dafür setzen wir die richtigen Schwerpunkte. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

10.01


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Klubobfrau Meinl-Reisinger. – Bitte. (Abg. Wurm: Generalabrechnung! – Abg. Matznetter – in Richtung Grüne –: Wer von euch kommt auf 45 Jahre? Wer?)


10.01.39

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Sehr geehrter Herr Prä­sident! (Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.) Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Frau Maurer, ich möchte eigentlich bei dem anschließen, was Sie zum Schluss gesagt haben: dass wir uns nicht nur mit der Krisenbewältigung aufhalten dürfen, sondern in die Zukunft schauen müssen. Aber genau davon, von Zukunft, sehe ich in diesem Budget nichts, gar nichts! (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Kucher.)

Seit Sie Ihr Budget vorgestellt haben, ist gerade einmal ein Monat vergangen. Am 14. Oktober standen Sie hier und haben, wie es ja dieser Bundesregierung nicht ganz fremd ist, Ihr eigenes Handeln und so auch Ihr eigenes Budget in höchsten Tönen gelobt.

Seitdem hat sich aber sehr viel getan: Mittlerweile hat uns die zweite Welle voll erwischt, und der Untätigkeit der Regierung ist es geschuldet, dass mit heutigem Tag der zweite, und zwar wirklich sehr harte, Lockdown in Kraft tritt. Damit ist klar, und das wurde von meinen Vorrednerinnen und Vorrednern auch schon angesprochen: Wir sind in einer ähnlichen Situation wie im Frühjahr, nämlich dass das Budget 2021, das wir hier diskutieren, mit seinen Zahlen und den Prognosen, die diesen zugrunde liegen, natürlich auf Sand gebaut ist. In Wahrheit sind wir auch da – und nicht nur bei den Fragen der Corona betreffenden Daten  in einem absoluten Blindflug unterwegs.

Der zweite harte Lockdown trifft die Menschen in Österreich mit voller Wucht. Er trifft die Pflegekräfte sowie die Ärztinnen und Ärzte in den Spitälern jetzt mit voller Wucht, weil diese die Versäumnisse der Vergangenheit jetzt zu spüren bekommen, denn so schnell werden sich bedauerlicherweise die Zahlen auf den Intensivstationen, aber auch auf den Normalstationen nicht ändern. Es zahlen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Unternehmerinnen und Unternehmer, Lehrerinnen und Lehrer, Eltern und Kinder den Preis für Ihre Versäumnisse, die Zeche für die Fehler der vergangenen Monate, da Sie nicht alles darangesetzt haben, diesen zweiten harten Lockdown zu verhindern.

Wieder verlieren Menschen ihren Job oder sie werden in Kurzarbeit geschickt, und viele Unternehmer bangen um den Fortbestand ihres Unternehmens und wissen, dass sie vielleicht noch über das Jahr hinübergerettet werden, 2021 dann aber die Pleite droht.

Ich glaube, wir bekommen alle sehr viele Briefe, was das für die Menschen bedeutet. Besonders eindrucksvoll war ein Brief einer Mutter dreier Kinder, die mir geschrieben hat, dass sie und ihr Mann schon im Frühjahr, beim ersten Lockdown, ihren Job verloren haben. Sie haben sich sozusagen auf die Füße gestellt, haben gesucht, haben beide wieder einen Job gefunden, und jetzt stehen sie wieder vor dem Nichts – zweimal in einem Jahr, eine Familie mit drei Kindern! Das ist das Resultat Ihrer Politik.


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Wie geht es einer Friseurin, die jetzt wieder zusperren muss, die nicht weiß, wie sie den Jahresabschluss machen soll? (Vizekanzler Kogler: Die verdienen mehr als voriges Jahr!)

Es ist also eine dramatische Situation, und es sind nicht die Gunst und die Huld der Regierung, die dazu führen, dass sie jetzt das Füllhorn über die Menschen ausschüttet, sondern es sind letztlich die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, die Menschen in Österreich, die das mit ihrem Steuergeld werden auszubaden haben. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenruf der Abg. Steinacker.)

Nicht für alles können Sie jetzt einen Ansatz bringen. – Ich weiß nicht, warum da so aggressiv geschrien wird. (Abg. Steinacker: Weil es falsch ist, was Sie sagen!) Das hängt möglicherweise auch mit der jetzt in Wien sehr erfolgreichen Regierungs­konstel­lation zusammen, die nämlich wirklich ein Gegenmodell, ein Zukunftsgegenmodell, zu Ihrem Bundesmodell darstellt. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ. – Heiterkeit bei der ÖVP.) Ich merke, dass der Ton in den letzten Stunden ein wenig rauer geworden ist.

Was müssen Sie tun, Herr Finanzminister? – Sie müssen den Unternehmerinnen und Unternehmern eine Perspektive geben. Sie müssen zumindest den Eindruck vermitteln, dass Sie einen Plan haben, wie Sie rasch, unkompliziert und nachhaltig helfen können. Es ist schon ganz interessant, wenn man beobachtet, wie Sie das in den vergangenen Monaten gemacht haben. Am Beginn der Pandemie, im März, wo es wirklich notwendig gewesen wäre, rasch und unbürokratisch zu helfen, haben Sie enorme bürokratische Hürden aufgebaut, Sie haben eigentlich den Eindruck erweckt, als würden Sie jedem Unternehmer in Österreich grundsätzlich misstrauen: Er ist ein potenzieller Steuerhinter­zieher und einer, der potenziell diese Hilfen missbraucht!

Jetzt, wo wir uns langsam die Frage stellen müssen, wie wir da wieder herauskommen, wie wir es zustande bringen, neue Jobs zu schaffen, anstatt nur die alten Strukturen zu bewahren, jetzt zeigen Sie eine Großzügigkeit, die aber trotzdem nicht darüber hinwegtäuschen wird, dass viele Betriebe es nicht schaffen werden. Die Betriebe brauchen nämlich Geld, und das nicht nur über neue Schulden, sondern vor allem auch über eine Eigenkapitalstrategie. Sie hören zwar die Rufe, aber Sie tun absolut nichts.

Mein Kollege Sepp Schellhorn wird am Mittwoch ein Gesamtpaket vorstellen, wie wir unserer Meinung nach diese Wirtschaftshilfen auf solide, vor allem aber auch zukunfts­fähige Beine stellen können. Das darf auch nicht an persönlichen Eitelkeiten und Schaukämpfen mit der EU-Kommission scheitern, Herr Finanzminister, das ist nicht der richtige Zeitpunkt dafür.

2020 befinden wir uns im Krisenmodus. Es müsste aber, wie auch Frau Kollegin Maurer an sich richtig erkannt hat – nur in den Taten folgt dann halt kein richtiger Schluss –, 2021 dann der Schritt Richtung Zukunft gesetzt werden, es müssten der Zukunftsmotor und auch der Konjunkturmotor wieder angeworfen werden. Wir müssen weg von diesem absoluten Krisenmodus.

Vor diesem Hintergrund ist es einfach falsch, einen Status quo erhalten zu wollen. Sie als Österreichische Volkspartei sind schon sehr, sehr lange in der Regierung – ich möchte mich nicht jünger machen, als ich bin, aber es ist fast mein ganzes Leben –, und Sie haben immer wieder an kleinen Schrauben gedreht. Die großen Reformen aber, die dringend notwendig wären, um unser Land zukunftsfit zu machen – neue Jobs zu schaf­fen, Innovationen zuzulassen, vielleicht auch einmal den Unternehmerinnen und Unter­nehmern die Prügel aus dem Weg zu räumen, die Sie ihnen zum Beispiel mit der Gewerbeordnung und all dem Bürokratismus vor die Füße werfen –, diese Reformen haben Sie nicht gemacht. Sie haben sich inszeniert  das können Sie sehr gut. Das hat


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vielleicht bis jetzt gereicht, für die Zukunft aber reicht das nicht mehr! (Beifall bei den NEOS.)

Weil ich jetzt gerade Sie, Herr Bildungsminister, ansehe: Ich möchte mich für Ihren Kampf für offene Schulen bedanken. In die Zukunft zu gehen aber, auch mit der Digi­talisierung, bedeutet in so einer Situation nicht, dass schon wieder Chaos ausbricht, wenn der Lockdown kommt, und sowohl Lehrerinnen und Lehrer als auch Eltern und die Kinder nicht wissen, was sie jetzt tun sollen: Sollen sie zu Hause bleiben, weil sie da vielleicht die besseren Unterrichtsstunden über Zoom bekommen, oder sollen sie in die Schule gehen, weil dort der bessere Unterricht stattfindet? Verunsicherung und Chaos anstatt einer soliden Vorbereitung ist das Ergebnis Ihrer Politik, und ich verstehe es nicht, denn man hätte die Monate nutzen können! (Beifall bei den NEOS.)

Ich verstehe auch nicht, dass es einem nicht die Schamröte ins Gesicht treibt, wenn man in einer solchen Situation sagt: Ja, wir machen Digitalisierung an den Schulen, bis 2022 wird es WLAN und Laptops geben! – Das erinnert mich ein bisschen an die Homeoffice­strategie, die vielleicht im März 2021 endlich auf dem Tisch liegen wird, wenn es dann zu spät ist.

Warum ist es so wichtig, dieses Zukunftsthema aufzugreifen und wirkliche Reformen zu wagen? – Darin ist auch der Budgetdienst dieses Hauses sehr klar: In den bis jetzt von Ihnen gesetzten, durchaus auch konjunkturstimulierenden, nachfragestimulierenden Maß­nahmen unterscheiden Sie nicht dahin gehend, welche Personengruppen von der Krise wirklich massiv getroffen sind und welche nicht.

Ich möchte Ihnen das noch einmal vor Augen führen. Es ist ja keine Situation, in der die gesamte Bevölkerung gleichermaßen von der Krise betroffen ist. Wir wissen – und wir als Politiker gehören übrigens zu jenen, die keine Einkommenseinbußen haben –, es gibt welche, die das mit voller Wucht trifft, nämlich ausgerechnet die, die das Land braucht: Unternehmer mit Unternehmergeist, die bereit sind, ein Risiko einzugehen.

Und vor allem auch die Jungen: Diese sind und werden die Krisenverlierer sein. Die Jungen sind es doppelt, denn sie finden keine Lehrstelle, sie finden keinen Arbeitsplatz oder sie verlieren ihn. Monate werden ihnen im Bildungsbereich gekappt, nicht nur in der Schule, sondern auch auf der Uni, und gleichzeitig wird in der Öffentlichkeit – verzeihen Sie – auch noch ein Bild vermittelt, dass es sich bei ihnen eigentlich um Gefährder handelt, die nur herumlaufen und sozusagen alle gefährden. Mir tun diese jungen Men­schen leid, und um diesen jungen Menschen eine Perspektive zu geben, müssten Sie wesentlich mutiger in die Zukunft gehen und auch wirkliche Innovationen wagen. (Beifall bei den NEOS.)

Ich glaube, noch nie war eine Regierung so gefordert, an übermorgen zu denken. Noch nie war eine Regierung so gefordert, auch nur einmal über die Zeit bis zur nächsten Wahl hinauszudenken. Und noch nie habe ich eine Regierung gesehen, die so sehr im Hier und Jetzt und vor allem im Zeitraum zwischen Pressekonferenz und Pressekonferenz verfangen ist.

Sie werden als Minister schon lange nicht mehr im Amt sein, und wir als Abgeordnete wahrscheinlich auch nicht, da werden die Menschen, die Unternehmerinnen und Unter­nehmer, die Kinder, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer immer noch die Kon­sequenzen Ihrer Politik zu tragen haben. Deswegen müssten wir jetzt einen Schritt in Richtung Zukunft machen. Das tun Sie nicht, und daher ist das leider ein Nicht ge­nügend, was das Budget anbelangt. – Danke. (Beifall bei den NEOS und bei Abge­ordneten der SPÖ.)

10.11



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 62

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Abgeordneter Obernosterer ist zu Wort gemel­det. – Bitte.


10.12.02

Abgeordneter Gabriel Obernosterer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Herr Finanzminister! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuschauer zu Hause vor den Fernsehschirmen! Ein Satz zu den vergangenen Reden der Klubobleute der Oppositionsparteien: Ich glaube, es ist euch noch nicht bewusst, in welcher wirklich ernsten Lage wir uns in Österreich, in ganz Europa und auf der ganzen Welt befinden. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Meinl-Reisinger: Ich glaube, Ihnen ist es nicht bewusst! – Abg. Loacker: In welche Sie uns gebracht haben! – Zwischenruf des Abg. Rauch.)

Etwas haben wir zu Hause in der Kinderstube schon gelernt, scheinbar habt ihr das aber vergessen: Wenn die Familie ein Problem trifft, kann man da nur gut herauskommen, wenn man zusammenhilft; und das Rad ist überall gleich. Das, was ihr hier mit euren rhetorischen politischen Spielereien macht, auf die ich einzeln nicht eingehen möchte, ist verantwortungslos. Das könnt ihr wieder machen, wenn diese ganze Krise vorbei ist! (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Rössler und Jakob Schwarz.)

Das Budget 2021, das Sie, Herr Finanzminister, vorgelegt haben, stabilisiert diese Krise (Heiterkeit und Zwischenrufe bei der FPÖ), und es wird auch in die Zukunft gedacht. (Abg. Meinl-Reisinger: Keiner will eine Krise stabilisieren!) Es werden circa 50 Mil­liarden Euro in die Hand genommen, um die Krise zu stabilisieren und dieses Land, die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt auch wieder in die Zukunft zu führen. Das sind fast 13 Prozent des BIP! Wenn man sich anschaut, was international gemacht wird, stellt man fest: Österreich ist wirklich Spitzenreiter.

Man sagt, es werden alle im Stich gelassen. Ich sage es hier noch einmal: Wer bis zum 15. März dieses Jahres, als die Krise angefangen hat, zahlungsfähig war, ist es auch heute noch. Die Zahl der Insolvenzen ist sogar zurückgegangen, obwohl es zum Schluss wieder eine Bereinigung geben wird.

Es wird, wie gesagt, auch Geld in die Zukunft investiert: Es wird in Bildung, Forschung, Sicherheit investiert, es wird in die Umwelt investiert, es wurde mit der Investitionsprämie ein Investitionspaket geschnürt. Man hat geglaubt, es wird nicht so stark investiert, daher hat man zuerst 1 Milliarde Euro beschlossen; wir werden jetzt die dritte Milliarde beschließen. Das heißt, es sind 3 Milliarden Euro an Investitionen in der Schleife, die dem Arbeitsmarkt auch guttun. Das ist keine Selbstverständlichkeit und das gibt es in anderen Ländern in dieser Art nicht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Der Tourismus, der ja sicherlich diejenige Branche ist, die es am stärksten getroffen hat, hat im Schnitt ein Minus von circa 30 Prozent, die Stadthotellerie noch viel mehr. Der Ferienhotellerie ist es ein bisschen besser gegangen. Es gibt die Investitionsprämie und Anträge bei der ÖHT – laut Auskunft der ÖHT gibt es dort so viele Anträge, wie es noch nie der Fall war. Auch die Haftungsprovisionen werden heute mit einem Beschluss von 375 Millionen Euro auf 675 Millionen Euro aufgestockt.

Ich meine, das sind Fakten, die man nicht leugnen kann, und diese Regierung macht alles, um durch diese Krise halbwegs durchzukommen. Schaut über die Grenzen und schaut, was los ist!

Wenn ich gerade von der Vorrednerin höre, dass die Regierung so wenig getan hat, um diesen Lockdown, der jetzt wieder da ist, abzuwenden – bitte schön, schaut eure Pres­seaussendungen an, schaut eure Pressekonferenzen an! Alle Aufrufe zur Eigenver­antwortung und alle Auflagen, die von der Regierung gekommen sind, um den zweiten


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 63

Lockdown zu verhindern, das war für euch alles ein Blödsinn. Es war die Maske ein Blödsinn, es war dieses ein Blödsinn und jenes, es ist alles ein Blödsinn! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Jetzt, wo die Sache wieder so ernst ist, sage ich: Es ist unverantwortlich, dass SPÖ und NEOS – von den Freiheitlichen will ich gar nicht reden – beim Beschluss dieses Lock­downs nicht mitgegangen sind. (Zwischenruf des Abg. Kollross.) Wir wissen, dass es eine gewisse Gesellschaftsschicht gibt: die Coronaverweigerer. Ihr wisst, was dort angestellt wird. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Kollross.) Dieses Nichtmitgehen von SPÖ und NEOS beflügelt auch diese, zu sagen: Wir sind auf einem richtigen Weg! In das Feuer dieser Coronaverweigerer Öl hineinzugießen, kostet den Staat wahrscheinlich Milliarden, die unsere Kinder und Kindeskinder werden zahlen müssen. (Zwischenrufe der Abgeordneten Brückl und Rauch.) Seid ihr euch dieser Verantwortung bewusst? Ich würde einmal ordentlich nachdenken! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Martin Graf: Die rote Krawatte trägst du nicht umsonst! – Rufe bei der FPÖ: Schwache Rede! Ganz schwache Rede! Da hätten wir uns mehr erwartet!)

10.17


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Krainer. – Bitte.


10.17.43

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Obernosterer, wir Sozialdemokraten haben fast jede Maßnahme – wir haben ganz viele Maßnahmen hier einstimmig beschlossen – mitgetragen. Wir haben nur gesagt, wir sind dagegen, dass die Schulen und die Kindergärten geschlossen werden, wie alle Experten auch! (Beifall bei SPÖ und NEOS. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Es haben hier mehrere Parteien gesagt: Wenn Sie das machen, was alle Expertinnen und Experten sagen, nämlich die Schulen offenlassen, dann stimmen wir zu. Das war Ihre Entscheidung! Sie brauchen unsere Stimmen nicht, Sie wollten unsere Stimmen nicht. (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Sich jetzt herzustellen und zu sagen, wir sind schuld an Corona und an Milliardenschäden – bitte, das ist wirklich lächerlich! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben jetzt ein ähnliches Problem, wie wir es vor wenigen Monaten hatten, nämlich dass das Budget das Papier nicht wert ist, auf dem es geschrieben steht  das ist doch unser Problem. Das ist eine vollkommene Makulatur. Wir wissen, dass es um Milliarden danebenliegt, nämlich aufgrund des Lockdowns, und das letzte Mal haben wir als Oppo­sitionsparteien hier darauf hingewiesen: Das Hohe Haus darf wissentlich keine falschen Zahlen beschließen! In einer Nachtaktion hat der Finanzminister ja dann eingesehen, dass das nicht geht, und einen Änderungsantrag vorgelegt, und darin waren viele Fehler, unter anderem die sechs fehlenden Nullen, sodass wir dann fast nur 102 000 Euro statt 102 Milliarden Euro beschlossen hätten.

Wir sagen, wir stehen dieses Mal vor demselben Problem. Das, was wir nicht wollen, sind wieder solche Nachtaktionen. Wir haben deswegen den Vorschlag eingebracht, den Beschluss des Budgets hier im Hohen Haus um zwei, drei, vier Wochen  wie lange der Finanzminister auch immer braucht  zu verschieben, um hier einfach ein solides Zah­lenwerk vorzulegen  nicht über Nacht, sondern in aller Ruhe , damit wir das dann noch heuer beschließen können; damit wir eine realistische Vorschau beschließen und nicht Zahlen, von denen wir alle hier wissen, dass sie niemals halten können, weil dieses Budget durch den Lockdown eins und den Lockdown zwei vollkommen überholt ist.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 64

Wir schlagen deshalb vor – und wir laden auch alle dazu ein, den Vorschlag mitzutra­gen –, dass der Finanzminister die Zeit bekommt, gemeinsam mit den Experten da auch wirklich die richtigen Zahlen einzusetzen.

Das zweite Problem ist, dass das Budget nicht die richtigen Antworten gibt. Es ist dort nicht alles falsch und alles schlecht, da sind auch viele gute Sachen drin, das haben wir ja eine Woche lang im Budgetausschuss diskutiert. Ich darf Ihnen aber ein paar Beispiele dafür bringen, worauf das Budget die falschen Antworten gibt.

Erstens, auf die Frage der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit: Wir wissen, dass wir die höchste Arbeitslosigkeit in der Zweiten Republik haben – es gibt aber weniger Geld, um diese Arbeitslosen wieder in Beschäftigung zu bringen, als es zum Beispiel 2017 gab. Das heißt, in der Hochkonjunktur gab es mehr Geld, um Arbeitslose zu schulen und zu vermitteln, als in der schwersten Krise. Es muss Ihnen doch klar sein, dass das nur zu wenig Geld sein kann!

Ein zweites Beispiel sind die Gemeinden. Die Gemeinden sind der größte Investor (Ruf bei der ÖVP: Die Asfinag ist größer!), und wir wissen, wie wichtig Investitionen sind. Sie ver­lieren laut Zahlen vom Budgetdienst 2,5 Milliarden Euro an Einnahmen  das sind 2,5 Mil­liarden Euro weniger Geld. Sie rühmen sich für dieses Paket, und wir haben es auch unterstützt, wir haben aber gesagt: Es ist zu wenig, dass es 1 Milliarde Euro mehr gibt.

Jetzt kann jeder kurz rechnen: 2,5 Milliarden Euro weniger Einnahmen für die Ge­meinden, 1 Milliarde Euro bekommen sie davon ersetzt. Es fehlen also immer noch 1,5 Milliarden Euro. Werden die Gemeinden weniger investieren, werden sie gleich viel oder werden sie mehr investieren? – Wir alle wissen die Antwort: Sie werden deutlich weniger investieren. Das ist ein Fehler – und darauf machen wir auch aufmerksam –, das fehlt in diesem Budget!

Drittes Beispiel sind die Spitäler: Wir befinden uns in der größten Pandemie seit über 100 Jahren. Der Finanzminister legt ein Budget vor, wir rechnen nach: Da steht drin, dass die Spitäler um, glaube ich, 200 Millionen Euro weniger Geld bekommen. Wir haben uns gedacht: Das kann ja nicht sein Ernst sein, dass die Spitäler während der größten Pandemie seit 100 Jahren 200 Millionen Euro weniger Geld bekommen! Er hat gesagt, er würde mit den Ländern verhandeln, um das zu verbessern. Bis heute haben wir keine Antwort. Bis letzten Freitag hat er gesagt, er würde noch verhandeln, wir haben aber keine Antwort. Sie wollen ein Budget beschließen, in dem während der größten Pan­demie die Spitäler 200 Millionen Euro weniger bekommen. Das kann nicht Ihr Ernst sein!

Nächstes Beispiel: Wir haben gesagt, wir brauchen ein Instrument, um Betriebe zu retten. Schauen wir uns an, wie das bei der AUA passiert ist: Arbeitsplätze sind dort egal, die dürfen so viele Leute kündigen, wie sie wollen. Wirtschaftsstandort, Standortgarantie: egal, es gibt keine. Worauf der Finanzminister aber besonders Wert gelegt hat, ist, dass die Managerboni ausbezahlt werden und die Dividenden für die Eigentümer gesichert sind. (Abg. Deimek: Das sind ja die eigenen Genossen!) Das kann nicht Ihr Ernst sein! So kann man Hilfe nicht organisieren. Eine Hilfe mit Steuergeld muss auch bedeuten, dass es eine Arbeitsplatzgarantie und eine Standortgarantie gibt. (Beifall bei der SPÖ.) Auch müssen die Betriebe ihre Steuern ordentlich bezahlen.

Es gibt noch viele weitere Beispiele. Wir haben einen Entschließungsantrag erarbeitet, damit man diese Fehler nicht macht. Diesen darf ich hier kurz verlesen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc, Kolleginnen und Kollegen be­treffend „Ein Budget der gebrochenen Versprechen“


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 65

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, die aktuellen, dramatischen Entwicklungen in der Corona-Krise im Budget zu berücksichtigen, die drohende Rekordarbeitslosigkeit von mehr als 500.000 Menschen zu bekämpfen und dem Nationalrat dementsprechende Vorschläge zur Abänderung des Budgets zu unterbreiten“ – Sie sollen ja zwei, drei, vier Wochen Zeit haben – „die insbesondere folgende Maßnahmen enthalten:

1. Milliardeninvestitionen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit im Jahr 2021. Darunter Ausbildungsoffensiven in den Bereichen, Pflege, Schule und Kindergarten

2. Eine Stärkung der Kaufkraft für kleine und mittlere Einkommen durch eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes von 55% auf 70% des Letzteinkommens, sowie eine Steuer­senkung im Ausmaß von 5 Milliarden Euro für kleine und mittlere Einkommen.

3. Eine massive Ausweitung der öffentlichen Investitionen: Insbesondere über einen vollständigen Ersatz des Ertragsausfalls der Gemeinden, zusätzliche Investitionen in den Klimaschutz, den sozialen Wohnbau sowie in Kindergärten und Schulen.

4. Die Schaffung einer Stiftung für die Rettung von Arbeitsplätzen und Firmen

5. Mehr Geld für die Gesundheit, insbesondere mehr Mittel für die Spitäler und Kos­tenersatz für die Krankenkassen.“ – Und nicht Kürzung, wie Sie das machen. –

„6. Die Einführung einer Sondersteuer für Onlinekonzerne sowie einer Millionärsabgabe und einer Erbschaftssteuer für Millionenerbschaften“

*****

Das bringt mich zum letzten Punkt: Am Ende des Tages wird sich auch die Frage stellen, wer denn diese Milliardenpakete zahlt. Wer bezahlt denn die Kosten für diese Krise?  Ich kann eines sagen: Der Rechnungshof – wir debattieren ja gerade den Rech­nungs­abschluss – hat diesbezüglich Folgendes vorgelegt: bei Faymann 2015, 2016: Steuern gesenkt; bei Kern 2016, 2017: Steuern gesenkt; bei Kurz 2018: Steuern erhöht (Ruf bei der ÖVP: Welche denn?); bei Kurz 2019: Steuern erhöht! (Bundesministerin Köstinger: Welche denn? – Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Die Steuer- und Abgabenquote, lesen Sie es nach im Rechnungshofbericht! Der Rechnungshof lügt nicht, dessen Zahlen können Sie glauben. Er hat das hier vorgelegt. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Und: Wer zahlt diese höheren Steuern? (Abg. Gödl: Welche Steuer?) – Ich kann es Ihnen sagen: Nicht die Konzerne, nicht die Milliardäre – die zahlen weniger –, sondern die breite Masse zahlt das, die Pensionisten, die Arbeitnehmer, die Selbstständigen, die Kleinen, die EPUs  diese wollen Sie die Rechnung begleichen lassen. Nicht mit uns, das sage ich Ihnen! Wir werden dafür eintreten, dass für die Bezahlung der Krise nicht die Masse aufkommt, sondern diejenigen, die auch gerettet wurden: Die Konzerne und die Milliardäre sollen das zahlen! – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

10.25

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr.in Pamela Rendi-Wagner, MSc

Genossinnen und Genossen

betreffend: Ein Budget der gebrochenen Versprechen


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 66

eingebracht im Zuge der Debatte zum Budgetbegleitgesetz 2021 inklusive General­debatte

Das Budget der Regierung liest sich wie eine Kapitulation vor der größten Be­schäf­tigungs- und Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg. Man rühmt sich damit, dass man die – bisher schlecht gemachten – Maßnahmen zur Unterstützung der Wirtschaft im Jahr 2020 und 2021 „im Budget eingestellt‘ hat. Neue Maßnahmen zur Schaffung von Arbeitsplätzen sowie zur Ankurbelung der Konjunktur fehlen. Aufgrund des völligen Versagens der Regierung im Corona-Krisen Management – in den USA sind unter einem Präsidenten Trump die Zahl der Neuinfektionen geringer als in Österreich – musste ein zweiter Lockdown beschlossen werden und man muss mit lockdownähnlichen Maß­nahmen bis Jahresende rechnen. Im Budget dürfte also kein Stein auf dem anderen bleiben – stattdessen beschließt die Regierung ein Budget, das zu einem Zeitpunkt verhandelt wurde, wo die Zahl der täglichen Neuinfektionen noch bei 300 bis 600 und nicht bei 6.000 bis 8.000 lag. Schon zuvor war zur Bekämpfung der höchsten Arbeits­losigkeit in der Geschichte der Zweiten Republik zu wenig Geld vorhanden – das gilt angesichts der dramatischen Verschärfung der Corona-Krise in Österreich in den letzten Wochen umso mehr.

Das WIFO hat angesichts der dramatischen Entwicklung ein Risikoszenario berechnet. Demnach kommt es in Österreich 2020 zu einem Wirtschaftseinbruch von über 9% und – schlimmer noch – die wirtschaftliche Erholung für das nächste Jahr ist abgesagt.

Dem Gesundheitssystem fehlen dadurch Milliarden an Einnahmen, in den Spitälern und bei den Krankenkassen. Die Bundesregierung hat im Budget bis dato dazu keine Kompensation vorgesehen.

Es wäre hoch an der Zeit entschieden gegen diese dramatischen Entwicklungen mit Rekordarbeitslosigkeit und Rekordpleiten der österreichischen Unternehmen vorzu­gehen. Was aber macht die Bundesregierung im Budget stattdessen?

• Ein Arbeitsmarktbudget in Zeiten der größten Arbeitslosigkeit KLEINER als in der Hochkonjunktur 2017

Wie Medien bereits berichtet haben, hat die Regierung ein Arbeitsmarktbudget (Aktive Arbeitsmarktpolitik, AMS) vorgelegt, dass pro Arbeitslosen sogar ein geringeres För­derbudget als in Zeiten der Hochkonjunktur 2017 vorsieht. Dabei müsste es in der größten Arbeitsmarktkrise auch das größte Arbeitsmarktbudget geben. Jetzt rächt sich auch, dass unter der Regierung Kurz sinnvolle Beschäftigungsprogramme – wie die Aktion 20.000 – aus rein ideologischen Gründen abgedreht wurden. Man könnte diese Beschäftigungsprogramme heute gut nutzen, um Menschen wieder in Arbeit zu bringen.

• Steuersenkung ist abgesagt – keine Stärkung der kleinen und mittleren Einkommen

Eigentlich hätte die zweite Etappe der Steuerreform 2022 folgen sollen – im Budget ist bis 2024 aber keine weitere Steuersenkung vorgesehen. Es wäre jetzt der passende Zeitpunkt eine Steuersenkung derart zu gestalten, dass kleine und mittlere Einkommen besonders profitieren um damit den Konsum zu stabilisieren. Die geplante Senkung der Körperschaftssteuer sollte hingegen jedenfalls gestrichen werden. Menschen, die aufgrund des Corona-Missmanagement der Regierung arbeitslos wurden, werden mit Einmalzahlungen abgespeist und müssen mit rund der Hälfte ihres früheren Ein­kommens über die Runden kommen, viele von ihnen schon seit Monaten. Zahlreiche Anträge der SPÖ auf eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf 70% wurden von den Regierungsfraktionen abgelehnt.

• Keine nennenswerte Ausweitung der öffentlichen Investitionen


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 67

In Zeiten der Krise halten sich Unternehmen mit Investitionen zurück. In der aktuellen WIFO Prognose hat das Institut vorgerechnet, dass 34% der Unternehmen keine Investitionen mehr planen und 40% der Unternehmen wollen Investitionen aufgrund der Krise verschieben. Hier müsste der Staat einspringen: mit einem Vorziehen von Investitionen und einem umfassenden Paket für den Klimaschutz (thermische Sanierung etc.). Dazu findet sich im Budget sehr wenig. Für den Klimaschutz gibt es ein Mini-Paket von wenigen hunderten Millionen Euro. Dabei könnte eine jährliche Klimaschutzmilliarde viele Arbeitsplätze schaffen. Ebenso wissen alle, dass Pflege, Kinderbetreuung oder auch das Gesundheitssystem ausgebaut werden müssen. Zukunftsinvestitionen muss man mit der Lupe suchen. 

• Keine Initiative zur Rettung von Arbeitsplätzen, kein Paket gegen Firmenabwan­derungen

Swarovski, ATB, MAN ... die Liste der Unternehmen, die Mitarbeiter abbauen oder ganze Standorte auflösen bzw. ins kostengünstigere Ausland verlagern, wird immer länger. Die SPÖ hat bereits eine Initiative zur Rettung von Arbeitsplätzen und Firmen eingebracht. Von Seiten der Regierung gibt es im Budget aber bisher keinerlei Initiativen, auch kein Paket gegen Firmenabwanderungen ins Ausland.

• Wer zahlt die Krise? Diese Frage wird im Budget nicht beantwortet

Die einzige Einsparungsmaßnahme, die von der Regierung gesetzt wird, ist die Streichung der abschlagsfreien Pension nach 45 Jahre. Der Bauarbeiter, der nach 45 Jahren in Pension geht, wird also als erstes zur Kassa gebeten. Eine gerechte Be­steuerung von Krisengewinnern wie Amazon oder Millionären, die in Österreich keine Steuern zahlen, gibt es nicht.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, die aktuellen, dramatischen Entwicklungen in der Corona-Krise im Budget zu berücksichtigen, die drohende Rekordarbeitslosigkeit von mehr als 500.000 Menschen zu bekämpfen und dem Nationalrat dementsprechende Vorschläge zur Abänderung des Budgets zu unterbreiten, die insbesondere folgende Maßnahmen enthalten:

1. Milliardeninvestitionen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit im Jahr 2021. Darunter Ausbildungsoffensiven in den Bereichen, Pflege, Schule und Kindergarten

2. Eine Stärkung der Kaufkraft für kleine und mittlere Einkommen durch eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes von 55% auf 70% des Letzteinkommens, sowie eine Steuer­senkung im Ausmaß von 5 Milliarden Euro für kleine und mittlere Einkommen.

3. Eine massive Ausweitung der öffentlichen Investitionen:

Insbesondere über einen vollständigen Ersatz des Ertragsausfalls der Gemeinden, zusätzliche Investitionen in den Klimaschutz, den sozialen Wohnbau sowie in Kinder­gärten und Schulen.

4. Die Schaffung einer Stiftung für die Rettung von Arbeitsplätzen und Firmen

5. Mehr Geld für die Gesundheit, insbesondere mehr Mittel für die Spitäler und Kos­ten­ersatz für die Krankenkassen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 68

6. Die Einführung einer Sondersteuer für Onlinekonzerne sowie einer Millionärsabgabe und einer Erbschaftssteuer für Millionenerbschaften“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht somit mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schwarz. – Bitte.


10.26.21

Abgeordneter Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA (Grüne): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich möchte gleich auf die drei wesentlichen Schwerpunkte des Budgets eingehen. Erlauben Sie mir aber kurz noch eine Replik auf die Ausführungen des Abgeordneten Krainer! Ja, dieses Budget 2021 entsteht unter äußerst schwierigen Bedingungen, und – keine Frage –, der Lockdown wird massive Auswirkungen auf das Budget haben, auf das heurige aber. Jetzt diskutieren wir das Budget für 2021, und da ist es wichtig, dass wir es auf Basis des besten Wissensstandes zum jetzigen Zeitpunkt erstellen. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Die Wifo-Prognose ist halt der beste Wissensstand, der uns zur Verfügung steht. Das wurde auch aktualisiert – und zwar nicht in einer Nacht-und-Nebel-Aktion, sondern schon letzte Woche. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeord­neten der ÖVP.)

Noch kurz zur Abstimmung in Bezug auf die Verordnung zum Lockdown: Sie wissen, dass die Frage der Schulschließungen nicht in dieser Verordnung geregelt wurde, das heißt, Sie haben nicht wegen der Schulschließungen dagegengestimmt, sondern aus irgendwelchen anderen, unerklärlichen Gründen. Das können Sie dann vielleicht noch im Detail erklären.

Über 40 Millionen Menschen sind bisher weltweit bereits an Corona erkrankt und über eine Million Menschen sind daran gestorben. Auch wenn manche, insbesondere von Ihrer Fraktion (in Richtung FPÖ), das noch immer nicht einsehen wollen: In dieser Phase, wie auch in jeder anderen, hat der Schutz von Menschenleben und der Gesundheit oberste Priorität, und die Bundesregierung nimmt diese Verantwortung wahr und stellt auch die Budgetmittel zur Verfügung, um diese Epidemie wirksam zu bekämpfen. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Ruf bei der SPÖ: ... könnte die Spitäler nennen!)

Im Gesundheitsbereich werden 50 Prozent mehr Mittel zur Verfügung gestellt, statt 1,2 Milliarden Euro 1,8 Milliarden Euro. Damit können Coronatests, die Grippeimpfung, Screeningprogramme, Schutzausrüstung und auch ein hoffentlich bald tauglicher Coronaimpfstoff finanziert werden, damit diese Epidemie dann auch in den Griff gebracht wird.

Der zweite Schwerpunkt im Budget, neben dem Gesundheitsbereich, ist der Bereich der durch die Coronakrise bedingten Wirtschaftskrise, die Private, aber auch Unternehmen schwer in Bedrängnis gebracht hat. Samt Garantien und steuerlichen Maßnahmen gibt es ein Paket von bis zu 10 Milliarden Euro, in dem es um den Fixkostenzuschuss, den Verlustrücktrag und andere Maßnahmen geht, um Unternehmen, Vereine, den Non-Profit-Bereich, Selbstständige und so weiter durch diese Krise zu bringen.

1 Milliarde Euro stehen über die Investitionsprämie, das Kommunalinvestitionsgesetz allein im Jahr 2021 für Investitionen zur Verfügung. Gleichzeitig sind für den Arbeitsmarkt 2 Milliarden Euro über die Kurzarbeit, die Arbeitsstiftung, den Bildungsbonus und Zuschüsse zum Ausgleichstaxfonds vorgesehen, damit die Unternehmen gut durch die Krise kommen, damit die Leute ihre Jobs behalten können und die Familien nicht in die


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 69

Armut abrutschen. Laut Wifo ist das auch gut gelungen. Gerade bei den unteren Einkommen hat es seit der Krise sogar einen leichten Anstieg der verfügbaren Einkom­men gegeben.

All diese Maßnahmen im Gesundheitsbereich und im Wirtschaftsbereich sind wichtig, sie sind aber nicht alles. Ich bin ja letzte Woche zum ersten Mal Vater geworden. Jetzt bin ich zu Hause täglich mit jemandem konfrontiert, dem diese Coronakrise herzlich egal ist. (Allgemeiner Beifall.) – Danke. Generell halten sich die politischen Interessen meines Sohnes ziemlich in Grenzen, außer beim Thema Ernährung, da gibt es immer wieder heiße Auseinandersetzungen. Das wird in 20 oder 30 Jahren aber anders sein. Mein Sohn wird kritisch auf diese Zeit zurückschauen und sich fragen: Haben wir im Jahr 2021 die Weichen richtig gestellt?

Auch für uns, glaube ich, ist diese Perspektive wichtig, auch für Sie. Es gibt in der Zukunft genug Unvorhersehbares, eines aber ist gewiss – denn die Regeln, die Gesetze der Atmosphärenphysik sind da einfach zu widerstandsfähig –: Die Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Klimawandel werden uns beschäftigen. Wir wissen, was es kostet, wenn wir nicht handeln, und wir wissen, welche Chancen sich auftun, wenn wir handeln und wenn wir es schaffen, die Emissionen in den nächsten 20 Jahren in Richtung null zu drücken. Deshalb ist dieses Klimabudget, die Klimamilliarde, die wir versprochen haben – und hiermit haben wir dieses Versprechen auch eingehalten –, ein wirklicher Meilenstein. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zusätzlich 100 Millionen Euro für klimafreundliche Innovationen und Technologien, mehr als 450 Millionen Euro zusätzlich im Bereich öffentlicher Verkehr und Bahn, 220 Mil­lionen Euro mehr für Umweltschutz und erneuerbare Energien; und da gibt es noch zig andere Maßnahmen, das sind aber einmal die wesentlichsten.

Ich denke, das zeichnet gerade die Arbeit dieser Bundesregierung und auch dieses Budgets – vielen Dank, Herr Finanzminister! – aus: dass man trotz der immensen Herausforderungen, die durch die Gesundheitskrise entstehen, auch diese langfristige Perspektive nicht aus den Augen verliert und die akute Krise sowie die langfristige Klimakrise gleichzeitig bekämpft.

Ich bringe dann noch einen Abänderungsantrag zum Budgetbegleitgesetz der Abge­ordneten Obernosterer, Jakob Schwarz, Kolleginnen und Kollegen ein, mit dem in Artikel 34 das Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz abgeändert wird, um ein Bundesamt für Verbrauchergesundheit zu errichten, und das Büro für Tabakkoordination geschaffen werden soll.

Ich bitte um Zustimmung. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

10.31


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag liegt am Präsidium nicht vor und kann daher nicht als eingebracht gelten. Ich würde bitten, dass Sie uns den Antrag am Präsidium geben und das dann beim nächsten Mal tun.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Fuchs. – Bitte.


10.32.08

Abgeordneter MMag. DDr. Hubert Fuchs (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Geschätzte Öster­reicherinnen und Österreicher! Eingangs möchte ich einen Spruch von Benjamin Franklin zitieren: „Wer versagt sich vorzubereiten, bereitet sein Versagen vor.“ – Das beschreibt die aktuelle Situation der Bundesregierung recht trefflich. Die Bundes­regierung hätte mehr als ein halbes Jahr Zeit gehabt, um sich auf ein Corona-Worst-Case-Szenario vorzubereiten. Statt diese Zeit sinnvoll zu nutzen und ihre Hausaufgaben


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 70

zu machen, hat die Bundesregierung ihre Serie an inhaltsleeren und lediglich chaosstiftenden Pressekonferenzen fortgesetzt. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Brandweiner.)

Ich darf nur daran erinnern, wie oft wir eine Ankündigung der Ankündigung gehört haben. Das Ergebnis ist ein maximaler Schaden für Wirtschaft, Arbeitsmarkt und das Gesund­heitswesen. Dieser Lockdown hätte verhindert werden können und auch müssen. (Bei­fall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Abg. Pfurtscheller.)

Begonnen hat die Budgetwoche am 6. November 2020 mit dem Budgethearing. Am 6. November ist die Bevölkerung noch davon ausgegangen, dass der sogenannte Lockdown light, also der zweite Lockdown, bis 30. November dauern wird. Im Budget­hearing hat aber bereits der Regierungsexperte Prof. Badelt aufhorchen lassen, denn er ist bereits damals, am 6. November, davon ausgegangen, dass dieser Lockdown bis eine Woche vor Weihnachten dauern wird. Nun frage ich mich schon: Woher weiß das der Regierungsexperte Prof. Badelt bereits am 6. November? – Die Antwort ist nahe­liegend.

Zeitgleich haben damals bereits etliche Skigebiete das Skiopening auf den 17. Dezem­ber, also eine Woche vor Weihnachten, verschoben, und da frage ich mich schon, woher bestimmte Unternehmer immer mehr wissen als die Bevölkerung (Zwischenruf der Abg. Pfurtscheller) oder wir Parlamentarier. (Beifall bei der FPÖ.)

Auch in Wien hatten wir einen prominenten Fall, dass ein mit dem Bundeskanzler befreundeter Unternehmer die Schließung seines Lokals bereits zu einem Zeitpunkt angekündigt hat, zu dem die Bevölkerung noch keine Kenntnis über die Details des bevorstehenden zweiten Lockdowns hatte. Diese einseitige Informationsweitergabe durch die Bundesregierung muss ein Ende haben.

Letzten Freitag hatten wir die Schlussberatungen im Budgetausschuss, und am Freitag titelte der „Kurier“ bereits: „,Gefahr im Verzug‘: So soll der neue, harte Lockdown aus­sehen“. – Und was, glauben Sie, hat mir Herr Finanzminister Blümel am Freitag geantwortet, als ich ihn nach den budgetären Auswirkungen des harten Lockdowns gefragt habe? – Nun, Finanzminister Blümel erklärte mir, dass er es nicht sagen kann. Was aber war seine Begründung? – Weil er nicht weiß, was in dieser Verordnung über den harten Lockdown drinnen stehen wird, die er gemeinsam mit anderen Mitgliedern der Bundesregierung am nächsten Tag bekannt gegeben hat. (Ruf bei der FPÖ: Unglaublich!) Das heißt, der „Kurier“ und andere Medien wussten, was in dieser Verordnung steht (Abg. Loacker: Der „Kurier“ ist ja eine Abteilung von der ÖVP!), der Finanzminister wusste es nicht, und die Konsequenzen des zweiten Lockdowns, des harten Lockdowns, sind auch nicht in diesem Budget enthalten. Daher ist dieses Budget bereits vor der Beschlussfassung Makulatur. (Beifall bei der FPÖ.)

Auch eine weitere Aussage des Finanzministers hat im Budgetausschuss für Kopf­schütteln gesorgt. Laut Finanzminister wird die Steuerreform, so wie im schwarz-grünen Regierungsprogramm beziehungsweise im Ministerratsvortrag vom 30.1.2020 vorge­sehen, auch in dieser Legislaturperiode umgesetzt werden. Der Finanzminister ver­heimlichte aber auch nicht, dass diese Steuerreform im Bundesfinanzrahmengesetz 2021 bis 2024 nicht berücksichtigt ist. Jetzt kann man daraus zwei mögliche Schlüsse ziehen: Entweder wird es keine Steuerreform geben oder das Budget ist wieder einmal unvollständig.

Der Lockdown light wurde im Budget 2021 mit circa 1,6 Milliarden Euro berücksichtigt. Der harte Lockdown ist – wie bereits erwähnt – im Budget 2021 nicht abgebildet und wird auch nicht abgebildet werden, obwohl der Finanzminister hiezu noch einige Tage Zeit hätte. Es gibt ja einen Antrag der SPÖ, die Beschlussfassung über dieses Bud­get zu verschieben, bis der Finanzminister ein ordentliches Budget vorlegt. Der


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Finanzminister findet es aber – wir sind es bereits vom Budget 2020 gewohnt – nicht der Mühe wert, ein Budget unter Berücksichtigung der aktuellen Entwicklungen vorzulegen.

Lassen Sie mich abschließend noch auf den Lockdown-Umsatzersatz eingehen: Grund­sätzlich ist diese Hilfsmaßnahme zu begrüßen, weil sie zum ersten Mal relativ unbüro­kratisch über die Finanzonline-Plattform beantragt werden kann. Der Umsatzersatz be­trägt grundsätzlich einen bestimmten Prozentsatz des Umsatzes im Vergleichszeitraum November 2019, und nun frage ich Sie: Wer weiß am besten über die Umsätze der Unternehmer Bescheid? – Natürlich die Finanzämter, weil die Unternehmer ihre Umsätze in der Regel monatlich an die Finanzämter melden müssen. Warum wird dieser Antrag dann von der Cofag abgewickelt, der die Daten erst von den Finanzämtern übermittelt werden müssen? Das ist vollkommen unverständlich. Richtigerweise müssten für den Lockdown-Umsatzersatz die Finanzämter zuständig sein, und dann könnte man den Lockdown-Umsatzersatz auch antragslos – so wie bei der Familien­beihilfe – ausgestalten. Das aber wäre dem Finanzminister wohl zu unbürokratisch und zu transparent, und Transparenz scheut die Bundesregierung wie der Teufel das Weih­wasser. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

10.39


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Abgeordneter Ottenschläger ist zu Wort gemel­det. – Bitte.


10.39.37

Abgeordneter Andreas Ottenschläger (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Eigentlich wollte ich jetzt an dieser Stelle über die hohen Beträge, die dieses Budget beinhaltet, die in die Infrastruktur investiert werden, reden, wozu wir auch den Rahmenplan beschließen werden – mein Kollege Singer wird das noch näher ausführen. Ich muss aber die Zeit nutzen, um ein paar Dinge klarzustellen, die heute hier und auch in den letzten Tagen medial verbreitet wurden.

Von Rot und Blau bin ich eigentlich nichts anderes gewohnt, bei den NEOS aber hatte ich ja immer wieder doch noch die Hoffnung, dass wir gemeinsam an konstruktiven Lösungen arbeiten können. Wenn ich einer Aussendung vom Sonntag entnehme, „Betriebe brauchen endlich Verlässlichkeit und rasche Hilfe“, dann sind wir ja einer Meinung, wenn da aber interessanterweise steht, „Umsatzersatz ist das falsche Instru­ment“, wo doch ein von mir geschätzter Kollege das letzte Woche noch sehr begrüßt hat und geschrieben hat: In 5 Minuten ratzfatz erledigt; danke, Gernot Blümel!, und jetzt wird genau das kritisiert, dann verstehe ich die Welt nicht mehr, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Maurer und Rössler.)

Sie, Frau Kollegin Meinl-Reisinger, haben hier das Beispiel der Friseurin gebracht: Genau diese Betriebe, genau die Friseurin, der Friseur bekommen unbürokratisch und rasch diese 80 Prozent Umsatzersatz. Also schüren Sie hier nicht Unsicherheit gegen­über den Unternehmerinnen und Unternehmern, das haben diese sich nicht verdient! (Beifall bei der ÖVP.)

Dann ist die Rede davon, dass es zu einer Überkompensation kommt. Von Frau Kollegin Doppelbauer – sie wird nach mir sprechen – wird kritisiert, dass die Kurzarbeit beim Umsatzersatz gegengerechnet wird. Reden Sie mit den Unternehmern, fragen Sie einmal, was jetzt wirklich los ist! Sie brauchen diesen Umsatzersatz, damit sie auch im Dezember die Löhne und Gehälter entsprechend bezahlen können! Das ist keine Überkompensation, sondern eine gute Möglichkeit, jetzt rasch und unbürokratisch für Liquidität in den Betrieben zu sorgen, und deswegen verstehe ich diese Kritik überhaupt nicht.


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Meine Damen und Herren, es wird von Rechtssicherheit gesprochen und gleichzeitig werden die 20 Prozent und 40 Prozent und 60 Prozent Umsatzersatz im Handel kritisiert. Es ist deswegen notwendig, da eine Differenzierung vorzunehmen, weil nicht jeder Betrieb gleich funktioniert – das sollten Sie ja wissen. Zum Beispiel gibt es unter­schiedliche Roherträge auf die Waren; es gibt Waren, die verderblich sind, und welche, die nicht so verderblich sind, und um da entsprechende Rechtssicherheit zu schaffen und ein faires Modell zu kreieren, müssen wir da auch Unterscheidungen treffen. Das schafft Rechtssicherheit und das schafft schnelle und rasche Hilfe für unsere Betriebe, die dringend notwendig ist. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Maurer und Jakob Schwarz.)

Ich bin ja wirklich sehr, sehr neugierig: Ich habe begonnen, das rot-pinke – es ist eigent­lich ein rotes – Regierungsprogramm von Wien zu studieren. (Zwischenruf bei den NEOS.) Ich muss ganz ehrlich sagen, ich bin sehr neugierig, wo man da einen wirt­schaftsliberalen Ansatz erkennen kann. Ich habe ihn noch nicht gefunden. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Ernst-Dziedzic und Maurer. – Ruf: Macht nichts!)

10.43


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Abgeordnete Doppelbauer ist als Nächste zu Wort gemeldet. – Bitte.


10.43.52

Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Herr Präsident! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Lassen Sie mich auf meinen Vorredner eingehen und das ganz kurz kommentieren. Nur weil Sie es nicht schaffen, die Mittel und die Instrumente, die die Europäische Kommission so sicher – aus unserer Sicht auch treffsicher – zur Verfügung stellt, umzusetzen und hier ohne Strategie von einem Chaos in die nächste Chaospartie hüpfen, brauchen Sie nicht zu glauben, dass wir uns damit nicht beschäftigt haben. Wir wollen den Unternehmerinnen und Unternehmern helfen, aber wir wollen, dass das auf Rechtssicherheit beruht, und wir wollen, dass es für die Steuerzahler effizient ist. (Beifall bei den NEOS.)

Herr Finanzminister, Sie haben uns vor ungefähr einem Monat den Entwurf Ihres Bud­gets für 2021 vorgelegt – das war vor dem leichten Lockdown, es war vor allem aber vor dem harten Lockdown, der heute um 0 Uhr in Kraft getreten ist. Das haben Sie trotz aller entsprechenden Warnungen gemacht, und Sie waren halt nicht vorbereitet. Diesbezüg­lich sind wir nicht die Einzigen, die das sagen, es wurde schon von vielen Seiten attes­tiert, dass im Sommer vieles verschlafen worden ist – auf jeden Fall wurde verschlafen, eine entsprechende Abbildung dieses Lockdowns im Budget darzustellen.

Damit legen Sie uns jetzt schon ein zweites Mal in Folge ein Budget vor, bei dem in der Woche des Beschlusses eigentlich schon ganz klar ist, dass es nicht halten wird. Woran machen wir das fest? – Das ist eigentlich ganz simpel: Die Einnahmen werden nicht halten, sie werden geringer ausfallen, und die Ausgaben werden höher ausfallen. Wir gehen von einer Staatsverschuldung aus – und nicht nur wir, sondern auch ganz viele Experten und Wirtschaftsforscher –, die weit über 90 Prozent liegen wird, nicht bei den 85 Prozent, die Sie im Augenblick kolportieren. Darüber hinaus möchte ich auch ganz klar sagen: Falls es im Winter zu einem dritten Lockdown kommt, dann können Sie auch dieses Budget wieder in den Papierkübel schmeißen.

Was fällt mir auf? – Es ist jetzt das zweite Budget, das aus Ihrer Feder stammt, und da erkennt man ja dann die ersten Muster. Das erste Muster, das sich ganz klar abzeichnet, ist, dass auch dieses Budget wieder mit sehr, sehr zittriger Hand verfasst wurde. Es ist ein bisschen so, als ob ein Kaninchen vor der berühmten Schlange sitzt und sich dann überlegt: Tue ich etwas? Tue ich nix? Tue ich etwas? Tue ich nix? – In Ihrer


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 73

Ausgestaltung schaut die Strategie offenbar so aus: Ich tue lieber nichts, bevor ich irgendetwas falsch mache. (Beifall bei den NEOS.) Eine mutige und weitreichende Budgetpolitik finden wir hier jedenfalls nicht.

Das Zweite – und das wiegt aus meiner Sicht eigentlich schwerer – ist einfach das, dass Sie Ihre Wählerinnen und Wähler offensichtlich wieder einmal täuschen. Sie haben im Wahlkampf immer davon gesprochen, dass das Budget Visionen für Österreichs Zukunft enthalten würde, es würde die Menschen entlasten, es würde die Unternehmen entlasten. Was aber fehlt und was hier nicht drinnen ist, ist irgendetwas von dem, was Sie gesagt haben.

Es fehlen zukunftsweisende Investitionen in Bildung, in Digitalisierung und es fehlen vor allem die ganz, ganz wichtigen Reformen. Oder wo findet sich – das wurde schon angesprochen – in diesem Rahmen die ökologische Steuerreform? Wo ist die Entlastung des Faktors Arbeit geblieben? Die kalte Progression wird offenbar wieder nicht abge­schafft, von einer Pensionsreform träumen wir offenbar weiter; und betreffend den Finanzausgleich: Ja, das haben Sie gemacht – das haben Sie auf 2024 verschoben! (Abg. Zarits: ... Stadt Wien!)

Natürlich kommt jetzt von der Bundesregierung die Geschichte: Es ist ja alles so schwierig, weil wir jetzt gerade mitten in der Krise sind, da kann man nicht alles gleich­zeitig machen. – Ich widerspreche da auf das Schärfste! Wann, wenn nicht jetzt, müssen denn diese Reformen angegangen werden? Jetzt müssen die Weichen gestellt werden, um eben in die Zukunft gehen zu können!

So ist es jedenfalls ein No-Future-Budget; es ist vor allem wirklich ein Budget, das Jung gegen Alt ausspielt, und es ist ein Budget, das auf dem Rücken der jungen Menschen in unserem Land ausgetragen wird. Lassen Sie mich sagen, was ich damit meine, wenn ich das sage, und was wir NEOS da anders, was wir vor allem besser machen würden!

Erstens – das wäre irgendwie Part Ihrer Jobdescription – wäre es natürlich schon schön, wenn Sie einen Bundeshaushalt erstellen würden, der die Chance hat, auch zu halten. Das wird nicht passieren: Die Einnahmen werden um circa 3 Milliarden Euro geringer ausfallen, so die Schätzungen der Wirtschaftsexperten, und die Ausgaben werden definitiv höher liegen.

Ich gebe Ihnen nur ein Beispiel dafür: Für 2021 haben Sie im Budget eingerechnet, dass es leider circa 400 000 Arbeitslose geben wird. Das ist auch so budgetiert. Jetzt haben wir den harten Lockdown – da gibt es vorsichtige Berechnungen und Schätzungen, bei denen es heißt, es werden wahrscheinlich eher 450 000 Arbeitslose sein. Summa sum­marum kostet das 30 000 Euro pro Arbeitslosem, das weiß man aus Berechnungen, das heißt, das sind schon 1,5 Milliarden Euro mehr, die nicht abgebildet sind – und da gehe ich jetzt noch gar nicht so weit, wie es schon viele Interessenvereinigungen machen, die davon ausgehen, dass auch diese Zahl von 450 000 arbeitslosen Menschen nicht halten wird. – Es werden die Ausgaben auf jeden Fall sehr viel höher ausfallen.

Darüber hinaus fehlen die Investitionen in Bildung, Infrastruktur und Digitalisierung. Ich weiß schon, man sagt immer, man hat da mehr Geld in die Hand genommen. – Ja, aber das ist nicht ausreichend! Wir hinken nach wie vor den Besten der Welt hinterher und wir hinken nach wie vor dem EU-Durchschnitt hinterher.

Ich könnte jetzt noch viel zur aufkommensneutralen Ökologisierung des Steuersystems, was uns besonders wichtig ist, sagen, und besonders wichtig ist dabei eben auch die gleichzeitige Entlastung des Faktors Arbeit. Worum geht es nämlich? – Es geht darum, den Standort wieder fit für die Zukunft zu machen. Wir alle hier wissen, dass ein Arbeit­nehmer in Österreich 8 Prozent mehr kostet als in Deutschland, daher muss man einfach


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 74

sagen: Da braucht es entschlossene Schritte der Bundesregierung. Das wäre auch ein Turbo aus der Krise heraus.

Ich weiß, Wirtschaftsforscher und -experten sagen natürlich – nicht öffentlich, aber durchaus hinter vorgehaltener Hand, und ich will es hier auf den Punkt bringen –: Dieser Haushaltsentwurf ist lustlos, budgetierter Dilettantismus. In keinem seriösen Unterneh­men würden Sie damit durchkommen, das wissen Sie aber, glaube ich, selbst. Das sind chaotische Wirtschaftshilfen, das ist fehlende Planbarkeit für die Unternehmerinnen und Unternehmer. Es sind viel zu wenige Impulse für die Konjunkturbelebung, vor allem fehlen eben die wichtigen Reformen. Diese Bundesregierung bringt es einfach nicht auf den Boden.

Wer zahlt die Rechnung? – Die Rechnung zahlt die nächste Generation, es ist schon angesprochen worden. Es wird dramatische Einschnitte geben. Dieser harte Lockdown wird uns ungefähr fünf Jahre kosten, sagen die Wirtschaftsforscher. Das ist natürlich dramatisch, es ist vor allem dramatisch für die persönlichen Auswirkungen auf die Betroffenen in diesem Land.

Deswegen bringen wir heute einen Abänderungsantrag der Abgeordneten Karin Doppelbauer und Gerald Loacker zum Budgetbegleitgesetz ein. Dieser wurde im Saal verteilt, wie mir bekannt ist.

Ich möchte ihn wie folgt begründen: Bei allem, was da über die Erwerbstätigen und die Schülerinnen und Schüler hereinbricht, ist es wirklich der falsche Zeitpunkt für Pensions­geschenke mit der Gießkanne. Kein Angestellter wird 3,5 Prozent Gehaltserhöhung bekommen, daher sollten auch die PensionistInnen, die weder von Kurzarbeit noch von Arbeitslosigkeit betroffen sind, genau die Erhöhung bekommen, die das Gesetz auch vorsieht, nämlich die Inflationsrate. (Beifall bei den NEOS.)

Alles andere ist gesellschaftspolitischer Zündstoff. Lassen Sie sich da in Ihrem politi­schem Handeln nicht nur von Ihren Umfragen leiten! Hören Sie vor allem auch auf Menschen, die sich in der Krise um ihre Zukunft sorgen, weil sie eben nicht finanziell abgesichert sind! Hören Sie auf Menschen, die etwas unternehmen, auf Menschen, deren Bildungschancen und deren Berufsweg auf dem Spiel steht! Und hören Sie vor allem auch auf Menschen, die langsam, aber sicher jeden Glauben an die Zukunft verlieren!

Wenn das Budget in Zahlen gegossene Politik ist, dann frage ich mich wirklich: Wo führen Sie dieses Land hin? Es geht nicht immer darum, Wahlen zu gewinnen – das wird jetzt schwierig nachzuvollziehen sein –, es geht vor allem darum, den Bürgerinnen und Bürgern aufzuzeigen, wo die Perspektive für die Zukunft ist, wie man dieses Land aus der Krise herausführt und Resilienz für die Zukunft aufbaut. Es geht letztendlich um den sozialen Frieden.

Sie schaffen durch Ihr politisches Handeln Gewinner und Sie schaffen Verlierer. Hören Sie bitte auf, dieses Land zu spalten! (Beifall bei den NEOS.)

10.52

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

zum Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (408 dB): Bundes­gesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Gewährung eines Bundes-zuschusses und


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sonstiger Förderungen aus Anlass der 100. Wiederkehr des Jahrestages der Volks­abstimmung in Kärnten (Abstimmungsspendegesetz 2020), ein Bundesgesetz über einen Zweckzuschuss aufgrund der Abschaffung des Zugriffs auf Vermögen bei Unter­bringung von Personen in stationären Pflegeeinrichtungen für die Jahre 2021 bis 2024, ein Bundesgesetz, mit dem zur Abdeckung des Bedarfes an Covid-19-Impfungen und -Schnelltests Ermächtigungen zur Verfügung über Bundesvermögen erteilt werden, ein Bundesgesetz über die Finanzierung des Vereins für Konsumenteninformation im Jahr 2021 und ein Bundesgesetz zur Bekämpfung pandemiebedingter Armutsfolgen (COVID-19-Gesetz-Armut) erlassen sowie das Gebührenanspruchsgesetz, das Gerichtsorgani­sationsgesetz, das Sachverständigen- und Dolmetschergesetz, das Bundesgesetz über die Errichtung eines Non-Profit-Organisationen Unterstützungsfonds, das COVID-19-Förderungsprüfungsgesetz, das Buchhaltungsagenturgesetz, das Bundesgesetz über die Errichtung des COVID-19-Krisenbewältigungsfonds, das Finanzausgleichgesetz 2017, das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungs­gesetz, das Arbeitsmarktservicegesetz, das Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädi­gungs­gesetz 1957, das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, das Betriebliche Mit­arbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, das Opferfürsorgegesetz, das Impfschaden­gesetz, das Verbrechensopfergesetz, das Heimopferrentengesetz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheaterpensionsgesetz, das Bundesbahn-Pensionsgesetz, das Nacht­schwerarbeitsgesetz, das Behinderteneinstellungsgesetz, das Covid-19-Zweckzu­schuss­gesetz, das Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz, das Universitätsgesetz 2002, das Forschungsförderungsgesellschaftsgesetz, das Bundesmuseen-Gesetz 2002 und das Luftfahrtgesetz geändert werden (Budgetbegleitgesetz 2021) (440 d.B.) - TOP1

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der dem eingangs bezeichneten Ausschussbericht angeschlossene Gesetzesentwurf wird wie folgt geändert:

1. Artikel 16 (Änderung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes) lautet wie folgt:

"Artikel 16

Änderung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes

Das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz – ASVG, BGBl. Nr. 189/1955, zuletzt geän­dert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 105/2020, wird wie folgt geändert:

Nach § 743 wird folgender § 744 samt Überschrift angefügt:

„Pensionsanpassung 2021

§ 744. (1) Abweichend von § 108h Abs. 1 erster Satz sowie Abs. 2 und 2a ist die Pensionserhöhung für das Kalenderjahr 2021 nicht mit dem Anpassungsfaktor, sondern wie folgt vorzunehmen: Das Gesamtpensionseinkommen (Abs. 2) ist zu erhöhen

1. wenn es nicht mehr als 2 333 € monatlich beträgt, um 1,5%;

2. wenn es über 2 333 € monatlich beträgt, um 35 €.

(2) Das Gesamtpensionseinkommen einer Person ist die Summe aller ihrer Pensionen aus der gesetzlichen Pensionsversicherung, auf die nach den am 31. Dezember 2020 in Geltung gestandenen Vorschriften Anspruch bestand, jedoch vor Anwendung von Ruhens- und Wegfallsbestimmungen sowie der Bestimmungen nach § 86 Abs. 3 Z 2 dritter und vierter Satz. Ausgenommen sind Kinderzuschüsse, die Ausgleichszulage, befristete Pensionen, deren Anspruchsdauer mit Ablauf des 31. Dezember 2020 endet, sowie Hinterbliebenenpensionen, für die sich am 31. Dezember 2020 durch die


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 76

Anwendung des § 264 Abs. 2 oder 6a kein Auszahlungsbetrag ergibt. Als Teil des Gesamtpensionseinkommens gelten auch alle Leistungen, die vom Sonderpensionen­begrenzungsgesetz, BGBl. 1 Nr. 46/2014, erfasst sind, wenn die pensionsbeziehende Person am 31. Dezember 2020 darauf Anspruch hat. Zum Gesamtpensionseinkommen sind heranzuziehen:

1. eine Hinterbliebenenpension in der Höhe, in der sie im Dezember 2020 bei Zutreffen der Voraussetzungen unter Berücksichtigung einer Erhöhung nach § 264 Abs. 6 oder einer Verminderung nach § 264 Abs. 6a gebührt hat;

2. eine Invaliditäts(Berufsunfähigkeits)pension in der Höhe, in der sie im Dezember 2020 bei Zutreffen der Voraussetzungen unter Berücksichtigung einer sich nach § 254 Abs. 6 und 7 ergebenden Teilpension gebührt hat.

(3) Bezieht eine Person zwei oder mehrere Pensionen aus der gesetzlichen Pen­sionsversicherung, die zum Gesamtpensionseinkommen nach Abs. 2 zählen, so ist der Erhöhungsbetrag nach Abs. 1 auf die einzelne Pension im Verhältnis der Pensionen zueinander aufzuteilen.

(4) Bei Hinterbliebenenpensionen, für die sich am 31. Dezember 2020 durch die Anwendung des § 264 Abs. 2 oder 6a kein Auszahlungsbetrag ergibt, ist abweichend von den Abs. 1 und 2 die mit dem Hundertsatz von 60 bemessene Pension mit dem Anpassungsfaktor für das Kalenderjahr 2021 zu vervielfachen.

(5) Abweichend von § 293 Abs. 2 sind die Ausgleichszulagenrichtsätze einschließlich der Richtsatzerhöhung für Kinder für das Kalenderjahr 2021 nicht mit dem Anpas­sungsfaktor, sondern mit dem Faktor 1,035 zu vervielfachen.

(6) Rechtsträger, die Leistungen nach Abs. 2 dritter Satz auszahlen, haben die Höhe dieser Leistungen dem zuständigen Pensionsversicherungsträger mitzuteilen. Der Pen­sionsversicherungsträger hat sodann diesen Rechtsträgern das Gesamtpensions­einkommen nach Abs. 2 mitzuteilen.

(7) (Verfassungsbestimmung) Die Anpassung für das Kalenderjahr 2021 von Leis­tungen, die vom Sonderpensionenbegrenzungsgesetz, BGBl. 1 Nr. 46/2014, erfasst sind, darf die Erhöhung nach Abs. 1 unter Heranziehung des Gesamtpensions­einkom­mens (Abs. 2) nicht überschreiten.“"

2. Artikel 17 (Änderung des Gewerblichen Sozialversicherungsgesetzes) lautet wie folgt:

"Artikel 17

Änderung des Gewerblichen Sozialversicherungsgesetzes

Das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz – GSVG, BGBL Nr. 560/1978, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 105/2020, wird wie folgt geändert:

Nach § 381 wird folgender § 382 samt Überschrift angefügt:

„Pensionsanpassung 2021

§ 382. (1) Abweichend von § 50 Abs. 1 erster Satz sowie Abs. 2 und 2a ist die Pen­sionserhöhung für das Kalenderjahr 2021 nicht mit dem Anpassungsfaktor, sondern wie folgt vorzunehmen: Das Gesamtpensionseinkommen (Abs. 2) ist zu erhöhen

1. wenn es nicht mehr als 2 333 € monatlich beträgt, um 1,5%;

2. wenn es über 2 333 € monatlich beträgt, um 35 €.

(2) Das Gesamtpensionseinkommen einer Person ist die Summe aller ihrer Pensionen aus der gesetzlichen Pensionsversicherung, auf die nach den am 31. Dezember 2020 in Geltung gestandenen Vorschriften Anspruch bestand, jedoch vor Anwendung von


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Ruhens- und Wegfallsbestimmungen sowie der Bestimmungen nach § 55 Abs. 2 Z 2 dritter und vierter Satz. Ausgenommen sind Kinderzuschüsse, die Ausgleichszulage, befristete Pensionen, deren Anspruchsdauer mit Ablauf des 31. Dezember 2020 endet, sowie Hinterbliebenenpensionen, für die sich am 31. Dezember 2020 durch die Anwen­dung des § 145 Abs. 2 oder 6a kein Auszahlungsbetrag ergibt. Zum Gesamtpensions­einkommen sind heranzuziehen:

1. eine Hinterbliebenenpension in der Höhe, in der sie im Dezember 2020 bei Zutreffen der Voraussetzungen unter Berücksichtigung einer Erhöhung nach § 145 Abs. 6 oder einer Verminderung nach § 145 Abs. 6a gebührt hat;

2. eine Invaliditäts(Berufsunfähigkeits)pension in der Höhe, in der sie im Dezember 2020 bei Zutreffen der Voraussetzungen unter Berücksichtigung einer sich nach § 132 Abs. 5 und 6 ergebenden Teilpension gebührt hat.

(3) Bezieht eine Person zwei oder mehrere Pensionen aus der gesetzlichen Pen­sionsversicherung, die zum Gesamtpensionseinkommen nach Abs. 2 zählen, so ist der Erhöhungsbetrag nach Abs. 1 auf die einzelne Pension im Verhältnis der Pensionen zueinander aufzuteilen.

(4) Bei Hinterbliebenenpensionen, für die sich am 31. Dezember 2020 durch die Anwendung des § 145 Abs. 2 oder 6a kein Auszahlungsbetrag ergibt, ist abweichend von den Abs. 1 und 2 die mit dem Hundertsatz von 60 bemessene Pension mit dem Anpassungsfaktor für das Kalenderjahr 2021 zu vervielfachen.

(5) Abweichend von § 150 Abs. 2 sind die Ausgleichszulagenrichtsätze einschließlich der Richtsatzerhöhung für Kinder für das Kalenderjahr 2021 nicht mit dem Anpas­sungsfaktor, sondern mit dem Faktor 1,035 zu vervielfachen.""

3. Artikel 18 (Änderung des Bauern-Sozialversicherungsgesetzes) lautet wie folgt:

"Artikel 18

Änderung des Bauern-Sozialversicherungsgesetzes

Das Bauern-Sozialversicherungsgesetz – BSVG, BGBL Nr. 559/1978, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBL I Nr. 105/2020, wird wie folgt geändert:

Nach § 375 wird folgender § 376 samt Überschrift angefügt:

„Pensionsanpassung 2021

§ 376. (1) Abweichend von § 46 Abs. 1 erster Satz sowie Abs. 2 und 2a ist die Pen­sionserhöhung für das Kalenderjahr 2021 nicht mit dem Anpassungsfaktor, sondern wie folgt vorzunehmen: Das Gesamtpensionseinkommen (Abs. 2) ist zu erhöhen

1. wenn es nicht mehr als 2 333 € monatlich beträgt, um 1,5%;

2. wenn es über 2 333 € monatlich beträgt, um 35 €.

 (2) Das Gesamtpensionseinkommen einer Person ist die Summe aller ihrer Pensionen aus der gesetzlichen Pensionsversicherung, auf die nach den am 31. Dezember 2020 in Geltung gestandenen Vorschriften Anspruch bestand, jedoch vor Anwendung von Ruhens- und Wegfallsbestimmungen sowie der Bestimmungen nach § 51 Abs. 2 Z 2 dritter und vierter Satz. Ausgenommen sind Kinderzuschüsse, die Ausgleichszulage, befristete Pensionen, deren Anspruchsdauer mit Ablauf des 31. Dezember 2020 endet, sowie Hinterbliebenenpensionen, für die sich am 31. Dezember 2020 durch die Anwen­dung des § 136 Abs. 2 oder 6a kein Auszahlungsbetrag ergibt. Zum Gesamtpensions­einkommen sind heranzuziehen:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 78

1. eine Hinterbliebenenpension in der Höhe, in der sie im Dezember 2020 bei Zutreffen der Voraussetzungen unter Berücksichtigung einer Erhöhung nach § 136 Abs. 6 oder einer Verminderung nach § 136 Abs. 6a gebührt hat;

2. eine Invaliditäts(Berufsunfähigkeits)pension in der Höhe, in der sie im Dezember 2020 bei Zutreffen der Voraussetzungen unter Berücksichtigung einer sich nach § 123 Abs. 5 und 6 ergebenden Teilpension gebührt hat.

(3) Bezieht eine Person zwei oder mehrere Pensionen aus der gesetzlichen Pen­sionsversicherung, die zum Gesamtpensionseinkommen nach Abs. 2 zählen, so ist der Erhöhungsbetrag nach Abs. 1 auf die einzelne Pension im Verhältnis der Pensionen zueinander aufzuteilen.

(4) Bei Hinterbliebenenpensionen, für die sich am 31. Dezember 2020 durch die Anwendung des § 136 Abs. 2 oder 6a kein Auszahlungsbetrag ergibt, ist abweichend von den Abs. 1 und 2 die mit dem Hundertsatz von 60 bemessene Pension mit dem Anpassungsfaktor für das Kalenderjahr 2021 zu vervielfachen.

(5) Abweichend von § 141 Abs. 2 sind die Ausgleichszulagenrichtsätze einschließlich der Richtsatzerhöhung für Kinder für das Kalenderjahr 2021 nicht mit dem Anpas­sungsfaktor, sondern mit dem Faktor 1,035 zu vervielfachen."

3. Artikel 19 entfällt

4. Artikel 20 entfällt

5. Artikel 21 entfällt

6. Artikel 22 entfällt

7. Artikel 23 entfällt

8. Artikel 24 (Änderung des Pensionsgesetzes 1965) lautet wie folgt: "Artikel 24

Änderung des Pensionsgesetzes 1965

Das Pensionsgesetz 1965 – PG 1965, BGBl. Nr. 340/1965, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 85/2020, wird wie folgt geändert:

1.    Dem § 41 wird folgender Abs. 7 angefügt:

„(7) Die in § 744 Abs. 1 und 2 ASVG für das Kalenderjahr 2021 festgelegte Vor­gangsweise bei der Pensionsanpassung ist sinngemäß mit der Maßgabe anzuwenden, dass das Gesamtpensionseinkommen einer Person die Summe aller im Dezember 2020

– nach diesem Bundesgesetz aufgrund eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses zum Bund,

– nach dem Bundestheaterpensionsgesetz, BGBl. Nr. 159/1958,

– nach dem Bezügegesetz, BGBl. Nr. 273/1972, und

– nach dem Verfassungsgerichtshofgesetz 1953, BGBl. Nr. 85/1953,

gebührenden und der Pensionsanpassung zum 1. Jänner 2021 unterliegenden Ruhe- und Versorgungsbezüge umfasst. Bei einer Erhöhung nach § 744 Abs. 1 Z 4 ASVG ist der gesamte Erhöhungsbetrag dem Ruhe- oder Versorgungsgenuss zuzurechnen. Bezieht eine Person zwei oder mehrere Ruhe- oder Versorgungsbezüge, so ist § 744 Abs. 3 ASVG entsprechend anzuwenden.“

2. Im § 41a Abs. 1 Z4 wird das Zitat„§ 41 Abs. 2 bis 6“ durch das Zitat„§ 41 Abs. 2 bis 7" ersetzt ""

9. Artikel 25 (Änderung des Bundestheaterpensionsgesetzes) lautet wie folgt:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 79

"Artikel 25

Änderung des Bundestheaterpensionsgesetzes

Das Bundestheaterpensionsgesetz – BThPG, BGB!. Nr. 159/1958, zuletzt geändert durch die 3. Dienstrechts-Novelle 2019, BGBl. I Nr. 112/2019, wird wie folgt geändert:

Dem § 11 wird folgender Abs. 8 angefügt:

„(8) Die in § 744 Abs. 1 und 2 ASVG für das Kalenderjahr 2021 festgelegte Vorgangs­weise bei der Pensionsanpassung ist sinngemäß mit der Maßgabe anzuwenden, dass das Gesamtpensionseinkommen einer Person die Summe aller im Dezember 2020

– nach diesem Bundesgesetz,

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– nach dem PG 1965 aufgrund eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses zum Bund,

– nach dem Bezügegesetz, BGBl. Nr. 273/1972, und

– nach dem Verfassungsgerichtshofgesetz 1953, BGBl. Nr. 85/1953,

gebührenden und der Pensionsanpassung zum 1. Jänner 2021 unterliegenden Ruhe- und Versorgungsbezüge umfasst. Bei einer Erhöhung nach § 744 Abs. 1 Z 4 ASVG ist der gesamte Erhöhungsbetrag dem Ruhe- oder Versorgungsgenuss zuzurechnen. Bezieht eine Person zwei oder mehrere Ruhe- oder Versorgungsbezüge, so ist § 744 Abs. 3 ASVG entsprechend anzuwenden." "

10. Artikel 26 (Änderung des Bundesbahn-Pensionsgesetzes) lautet wie folgt:

"Artikel 26

Änderung des Bundesbahn-Pensionsgesetzes

Das Bundesbahn-Pensionsgesetz – BBl PG, BGBl. I Nr. 86/2001, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBL I Nr. 85/2020, wird wie folgt geändert:

1.    Dem § 37 wird folgender Abs. 7 angefügt:

„(7) Die in § 744 Abs. 1 und 2 ASVG für das Kalenderjahr 2021 festgelegte Vorgangs­weise bei der Pensionsanpassung ist sinngemäß mit der Maßgabe anzuwenden, dass ein Gesamtpensionseinkommen zu bilden ist. Bei einer Erhöhung nach § 744 Abs. 1 Z 4 ASVG ist der gesamte Erhöhungsbetrag dem Ruhe- oder Versorgungsgenuss zuzurechnen."

2. Im § 60 Abs. 6 Z 3 wird das Zitat „§ 37 Abs. 2 bis 6" durch das Zitat „§ 37 Abs. 2 bis 7" ersetzt.""

Begründung

Die Pensionsanpassung 2021 soll in erster Linie auf die tatsächlich Bedürftigen abzielen und der Altersarmut, speziell Frauenaltersarmut, entgegenwirken. Zudem stellt diese Form der gezielten Pensionsanpassung sicher, dass die Folgegenerationen nicht zu sehr über Gebühr belastet werden, wie dies bereits durch die Pensions­anpassungs­gesetze 2018 bis 2020 im Gießkannenprinzip und bei den Pensionsbeschlüssen vom 19. September 2019 geschehen ist.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 80

Mit dem Abänderungsantrag wird die außerordentliche Pensionsanpassung 2021 (+3,5 Prozent) auf die Ausgleichszulagenrichtsätze beschränkt. Zudem wird die Pensions­erhöhung auf höchstens 35 Euro je Monat beschränkt, was der Pensionsanpassung von 1,5 Prozent bei 2333 Euro Pension entspricht.

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht somit mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Bundesminister Blümel. – Bitte.


10.52.47

Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel, MBA: Sehr geehrter Herr Prä­sident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor etwa einem Monat ist dieser Budgetentwurf, den wir heute diskutieren, dem Parlament vorgelegt worden. Seitdem ist viel passiert. Bereits zu Beginn dieser Debatten habe ich gesagt, dass wir nicht am Ende, sondern mitten in einer globalen Wirtschafts- und Gesundheitskrise sind. Diese Aussage gilt natürlich nach wie vor. Das zeigen die dramatischen Infektions­zahlen, nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa und in vielen Teilen der Welt.

Ab heute gilt in Österreich ein verschärfter Lockdown, die Auswirkungen auf das gesell­schaftliche und wirtschaftliche Leben sind beträchtlich. Diese Einschränkungen sind für alle mühsam, aber notwendig. Das oberste Ziel in der aktuellen Situation ist es, einen Kollaps des Gesundheitssystems zu verhindern und die Infektionszahlen so schnell wie möglich nach unten zu bekommen. Dazu können wir alle einen Beitrag leisten, indem wir uns möglichst einschränken, um danach schneller wieder öffnen zu können.

Egal wann es einen solchen Lockdown gibt, für die Wirtschaft gibt es keinen guten Zeitpunkt für eine solche Maßnahme, und gerade vor dem anlaufenden Weihnachts­geschäft ist dieser Schritt natürlich besonders schmerzhaft. Genau deswegen werden wir alle geschlossenen Betriebe in dieser schwierigen Zeit, so gut es geht und so unbürokratisch wie es möglich ist, unterstützen. Dazu haben wir das Instrument des Umsatzersatzes binnen kürzester Zeit aufgesetzt. Bereits zwei Wochen nach der ersten Ankündigung wurden 30 000 Anträge mit einem Gesamtvolumen von über 900 Millionen Euro eingereicht. Die ersten 180 Millionen Euro sind bereits ausbezahlt.

Ich darf hier auch einen Vergleich zu Deutschland wagen: In Deutschland sind der Lockdown und die damit verbundenen Wirtschaftshilfen eine Woche früher als in Österreich angekündigt worden; die Wirtschaftshilfen sind noch immer nicht zu bean­tragen und es ist noch immer nicht klar, in welcher Form genau das erfolgen wird.

Daher darf ich mich bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bedanken, die so intensiv daran mitgewirkt haben, dass es so rasch möglich war, diesen Umsatzersatz aufzu­setzen. – Vielen Dank für die ausgezeichnete Tätigkeit! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Auch für jene Unternehmen, die durch die Verschärfung des Lockdowns jetzt neu betrof­fen sind, wird es natürlich rasche Hilfen geben. Die körpernahen Dienstleistungen, also Friseure, Masseure, Kosmetiker et cetera, werden für die Zeit der Schließung ebenfalls mit 80 Prozent des Umsatzes, analog zu den anderen Dienstleistungen, kompensiert. Für den Handel wird es aufgrund der unterschiedlichen Voraussetzungen eine abge­stufte Kompensation geben: 20, 40, oder 60 Prozent, je nachdem, wie die verschiedenen Kriterien, nämlich Wertverlust der Ware, Rohertrag und mögliche Aufholeffekte, bewertet werden können. Es ist völlig klar, der Blumenhändler ums Eck muss natürlich anders kompensiert werden als der Juwelier in der Innenstadt. Das sieht auch der Verfas­sungsdienst so, der uns dazu rät, eine gestaffelte Vorgangsweise anzusetzen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 81

Das kostet natürlich viel Geld, aber es ist richtig, was die budgetären Auswirkungen betrifft, so ist es schon angesprochen worden, dass die Auszahlung dieser Hilfen noch in diesem Jahr erfolgen soll. Daher betrifft diese Maßnahme auch das Budget 2020 und insofern nicht den vorliegenden, zu diskutierenden Entwurf 2021. Wir können diese Hilfen deshalb aus dem Budget 2020 finanzieren, weil wir ausreichend vorgesorgt haben. Das bestätigt auch IHS-Chef Martin Kocher in der Tageszeitung „Die Presse“ am 16.11., er sagt dort zum Lockdown: „Die Alternativen sind schlechter als das, was jetzt passiert“.

Aber natürlich: Der Lockdown hat auch Auswirkungen auf das Wachstum 2021 – das ist völlig richtig – und auf die Einnahmen des Staates. Daher haben wir bereits Anfang November mit dem Wirtschaftsforschungsinstitut eine neue Prognose erarbeitet und basierend auf dieser Prognose die Zahlen für das Budget 2021 entsprechend adaptiert. Das Wachstum 2021 wird sich korrigieren, laut Wifo-Zahlen von 4,4 auf 2,8 Prozent. Die Schuldenquote nach Maastricht wird sich von 84,8 auf 87,9 Prozent erhöhen und die Einnahmen werden um 1,5 Milliarden Euro zurückgehen.

Diese Zahlen bilden wir mittels eines Abänderungsantrages natürlich auch im Budget ab. Damit ist das der aktuellst mögliche Budgetentwurf, den wir vorlegen können. Ent­scheidend bleibt weiterhin, dass wir in dieser Krise möglichst viele Menschenleben retten, möglichst viele Arbeitsplätze sichern und möglichst viele Unternehmen durch diese Krise begleiten. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

10.57


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Abgeordneter Weratschnig ist zu Wort gemeldet. – Bitte.


10.58.04

Abgeordneter Hermann Weratschnig, MBA MSc (Grüne): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Werte Abgeordnete! Liebe ZuseherInnen! Wir beschließen heute im Vorbelas­tungsgesetz auch wichtige Bahnmilliarden im Rahmen des ÖBB-Rahmenplans, liebe NutzerInnen des öffentlichen Verkehrs, 17,5 Milliarden Euro – jene Summe, die zwi­schen 2021 und 2026 für die ÖBB, für den Bahnverkehr, für das Bahnland Österreich, für 78 Millionen Fahrgäste im Jahr geplant ist. Das sind 3,6 Milliarden Euro mehr als im Rahmenplan davor – über 25 Prozent. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Haubner.)

Das ist ein Betrag, der für uns alle begreifbar wird, wenn wir mit der Bahn unterwegs sind. Wenn ich von meinem Wahlbezirk in der Stadt Schwaz hinausblicke, im Bezirk einsteige, mit dem Railjet unterwegs bin, in Wien mit der S-Bahn unterwegs bin, mit der U-Bahn fahre, zukünftig zweigleisig in Österreich unterwegs bin, nämlich mit jenen Regionalbahnen, die Zweigleisigkeit brauchen, ob das die Pyhrnbahn ist, ob das die Mattigtalbahn ist, die zukünftig elektrisch fahren sollte, kann ich sagen, das sind Beispiel für Erfolgsgeschichten im öffentlichen Verkehr, die wir jährlich schaffen und die mithilfe von 17,5 Milliarden Euro auch erreicht werden.

Alle von uns, die mit der Bahn unterwegs sind, kennen Bahngeschichten darüber, was gut läuft, was wir uns alle wünschen, worüber wir uns immer noch ärgern, warum es bei uns nicht in dem Ausmaß wie vielleicht schon in der Nachbarregion weitergeht. Es wäre doch alles so einfach. Warum macht ihr das nicht? Warum wird es nicht umgesetzt? Warum überhaupt gibt es nicht die ideale Direktverbindung zu der besten Zeit, zu der man unterwegs ist? (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Das sind so die Bedürfnisse, in diesem Spannungsfeld ist der Bahnverkehr unterwegs. Für all diese Fragen gibt es Antworten, braucht es einen Gesamtblick, braucht es Res­sourcen, die am besten bereits morgen zum Einsatz kommen. Die Frau Bundes­minis­terin hat einen sehr umfangreichen Wunschzettel, die Fensterbalken biegen sich auf jeden Fall. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 82

Als ich gestern mit dem Zug von Tirol nach Wien unterwegs war, habe ich mir überlegt, was bis jetzt alles gut gelaufen ist und was wir auch auf der letzten Strecke noch brauchen.

Was ist alles gut gelaufen? – Viele Projekte und auch viele Projekte, die schon vor Jahren ihren Ausgang genommen haben, Projekte, die auch Jahre Vorlaufzeit brauchen. Ich denke da in meinem Wahlbezirk an das Park-and-ride-Projekt in Jenbach. Wir wissen das, in vielen Regionen Österreichs braucht es diese Mobilitätsdrehscheibe Park and Ride. Es geht darum, Bahnhöfe zu attraktivieren. – Der Bahnhof Schwaz wurde attrak­tiviert, wird gerade barrierefrei gemacht, modernisiert und umgebaut. Das ist ein Kraft­akt – in allen Regionen – zwischen den Gemeinden, den Städten, dem Land und den ÖBB.

An dieser Stelle möchte ich sagen, mein Respekt gilt vor allem auch allen Bahn­mit­arbeiterInnen, die zu jeder Uhrzeit im Einsatz sind – ob das bei den ÖBB ist, ob das bei der Westbahn ist –, allen Verkehrsdienstleistern, allen, die im Busbetrieb tätig sind, die der Bahnbetrieb auch braucht, um diese Mobilitätsdrehscheibe zu haben – ein herz­liches Danke an alle MitarbeiterInnen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Was kann dieser Rahmenplan? – Der Rahmenplan kann einiges: Er kann die Regional­bahnen modernisieren, er schafft es, Barrierefreiheit umzusetzen. Barrierefreiheit, werte Abgeordnete, ist kein Luxus, kein Sozialprojekt, sondern dass alle gleich und selbst­bestimmt unterwegs sein können, muss Selbstverständlichkeit im Verkehr, in der Mobi­lität sein.

An dieser Stelle darf ich sagen, es freut mich, dass mit Hochdruck auch an dem ÖBB-Etappenplan gearbeitet wird und da auch etwas weitergeht: intelligente Mobilitäts­konzepte, Ausbau der Bahnkonzepte im Tourismus – ich glaube, ganz wichtig –, Elek­trifizierung von 500 Bahnkilometern – zusammengefasst – für günstige und bessere Öffis, für den Ausbau der Infrastruktur, für mehr Güterverkehr auf der Schiene und für mehr Elektrifizierung auf allen Schienen.

Werte Abgeordnete! Aus der Krise hinausinvestieren – mit dem ÖBB-Rahmenplan –, das ist unsere Aufgabe. Steigen wir um! Steigen wir ein in das Ziel Klimaneutralität, fangen wir an, leistbare Mobilität umzusetzen, fangen wir an, mit diesen 17,5 Milliarden Euro etwas Gscheites umzusetzen! In diesem Sinne lade ich alle Abgeordneten in allen Regionen dazu ein, mit den ÖBB, mit den TrägerInnen öffentlichen Verkehr auf die Schiene zu bringen. Das ist die Zukunft, und das brauchen wir für die Klimaneutralität. – Danke für eure Mithilfe in allen Regionen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

11.03


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Josef Muchitsch. – Bitte.


11.04.03

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir führen jetzt die Generaldebatte zum Budget 2021, und es ist wirklich sehr schade, dass der Bundeskanzler nicht anwesend ist, wenn es um die Zukunft Öster­reichs geht. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Amesbauer.) Ich bedaure das wirklich sehr, gerade deshalb, weil ich zum Thema Pensionsanpassung 2021 Stellung beziehen möchte.

Die Bundesregierung hat sich im Ministerrat am 1. Oktober darauf verständigt, 2021 eine Pensionsanpassung durchzuführen, die nicht im Gesamten fair und gerecht ist. Wir als SPÖ begrüßen es, dass Sie unserer Forderung nachgekommen sind, bei den kleinen Pensionen eine höhere Anpassung durchzuführen und die Ausgleichszulage auf 1 000 Euro


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 83

zu erhöhen – das ist positiv. Was wir aber nicht verstehen, ist, dass es bei kleinen und mittleren Pensionen ab 2 333 Euro nicht einmal eine Inflationsabgeltung von 1,5 Prozent gibt. Das sind über 500 000 Menschen, die jahrzehntelang gearbeitet haben, das sind KrankenpflegerInnen, das sind Angestellte, das sind Arbeiter, die immer pünktlich ihre Beiträge einbezahlt haben, für die Sie nicht einmal die Inflationsabgeltung vorsehen, sondern die Sie mit 35 Euro Pauschalbetrag im Monat brutto einfach abspeisen. Noch weniger verständlich ist es aber, dass Sie bei den Luxuspensionen – 10 000 Personen gibt es in Österreich, die über 10 000 Euro im Monat Pension beziehen – eine volle Inflationsabgeltung vorsehen und nicht einen Pauschalbetrag einziehen.

Sie haben heute die Möglichkeit, dem Abänderungsantrag der Abgeordneten Muchitsch, Genossinnen und Genossen zum Budgetbegleitgesetz, mit dem wir im Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz, im Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz und auch im Bauern-Sozialversicherungsgesetz eine Anhebung um mindestens 1,5 Prozent für alle diese Pensionistinnen und Pensionisten fordern und den ich jetzt einbringen werde, zuzustimmen. – Kein Klassenkampf, sondern eine faire Pensionsanpassung 2021. (Bei­fall bei der SPÖ.)

Wir fordern auf, wir schlagen vor, dass es bei Pensionen über 3 600 Euro bis hinauf zu den Luxuspensionen einen Pauschalbetrag von 54 Euro monatlich geben soll.

Es versteht niemand in diesem Land, dass Bezieher kleiner und mittlerer Pensionen gerade in einer Krise nicht einmal eine Inflationsabgeltung bekommen und mit 35 Euro im Monat brutto abgespeist werden und Sie bei den Luxuspensionen ab 10 000 Euro 150 Euro im Monat zugestehen. 35 Euro – 150 Euro?!

So wie diese Pensionsanpassung unfair ist, ist es auch unfair, was Sie vorhaben, näm­lich die Abschaffung der Hacklerregelung. Diesen Menschen, die bis zu 47 Jahre lang gearbeitet und einbezahlt haben, jetzt die Pensionen wieder zu kürzen, ist einfach ungerecht, und im Abtausch dazu einen Frühstarterbonus einzuführen, ist einfach unfair. Nichts gegen einen Frühstarterbonus – aber nicht dafür, im Gegenzug jene Menschen zu bestrafen, die jahrzehntelang bezahlt haben! Wo sind Ihre Leistungsbezieher? – Das sind die Leistungserbringer gewesen, diese Menschen, denen Sie das wegnehmen! (Beifall bei der SPÖ.)

Hören Sie bitte auch auf, die Gesellschaft zu spalten, einen Keil zwischen Männer und Frauen, zwischen Jung und Alt und zwischen die Berufsgruppen bei den Pensionen zu treiben! Frauen, die jetzt das 60. Lebensjahr erreicht haben, haben Anspruch auf eine abschlagsfreie Pension. Stellen Sie sich nicht immer hier heraus und versuchen Sie nicht immer, Männer gegen Frauen auszuspielen!

Im Ausschuss unterstützen Sie unsere Anträge nicht, geschätzte KollegInnen von den Grünen. Dort, wo unsere Anträge – wie wir die kleinen Pensionen für die Frauen erhöhen können, wie wir mehr Kindererziehungszeiten anrechnen können – eingebracht werden, seid ihr dagegen, aber hier, sobald die Kamera läuft, stellt ihr euch heraus und versucht, alles anders darzustellen. Das ist nicht fair und das ist nicht gerecht! (Beifall bei der SPÖ.)

11.08

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Muchitsch,

Genossinnen und Genossen


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 84

Zum Bericht des Budgetausschuss zur Regierungsvorlage betreffend das Bundes-ge­setz, mit dem ein Bundesgesetz über die Gewährung eines Bundeszuschusses und sonstiger Förderungen aus Anlass der 100. Wiederkehr des Jahrestages der Volk­sabstimmung in Kärnten (Abstimmungsspendegesetz 2020), ein Bundesgesetz über einen Zweckzuschuss aufgrund der Abschaffung des Zugriffs auf Vermögen bei Unterbringung von Personen in stationären Pflegeeinrichtungen für die Jahre 2021 bis 2024, ein Bundesgesetz, mit dem zur Abdeckung des Bedarfes an Covid-19-Impfungen und -Schnelltests Ermächtigungen zur Verfügung über Bundesvermögen erteilt werden, ein Bundesgesetz über die Finanzierung des Vereins für Konsumenteninformation im Jahr 2021 und ein Bundesgesetz zur Bekämpfung pandemiebedingter Armutsfolgen (COVID 19-Gesetz-Armut) erlassen sowie das Gebührenanspruchsgesetz, das Ge­richts­organisationsgesetz, das Sachverständigen- und Dolmetschergesetz, das Bundes­gesetz über die Errichtung eines Non-Profit-Organisationen Unterstützungsfonds, das COVID-19-Förderungsprüfungsgesetz, das Buchhaltungsagenturgesetz, das Bundes­gesetz über die Errichtung des COVID-19-Krisenbewältigungsfonds, das Finanzaus­gleichgesetz 2017, das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Arbeitsmarktservicegesetz, das Bauarbeiter-Schlechtwetter­ent­schädigungsgesetz 1957, das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, das Betriebliche Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz, das Allgemeine Sozialver­sicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialver­sicherungsgesetz, das Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, das Opferfürsorgegesetz, das Impfschadengesetz, das Verbrechensopfergesetz, das Heimopferrentengesetz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheaterpensionsgesetz, das Bundesbahn-Pensions­gesetz, das Nachtschwerarbeitsgesetz, das Behinderteneinstellungsgesetz, das Covid 19-Zweckzuschussgesetz, das Gesundheits- und Ernährungssicherheits-gesetz, das Universitätsgesetz 2002, das Forschungsförderungsgesellschaftsgesetz, das Bundes­museen-Gesetz 2002 und das Luftfahrtgesetz geändert werden (Budgetbegleitgesetz 2021) (408 d.B./440 d.B.)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

1.          Artikel 16 (Änderung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes) wird wie folgt geändert:

1.          In § 744 Abs. 1 werden Z 2 und 3 wie folgt geändert:

„2. wenn es über 1 000 € bis zu 3 600 € monatlich beträgt, um jenen Prozentsatz, der zwischen den genannten Werten von 3,5% auf 1,5% linear absinkt;

              3. wenn es über 3 600 € monatlich beträgt, um 54 €.

2.          § 744 Abs. 1 Z 4 entfällt.

3.          (Verfassungsbestimmung) In § 744 wird folgender Abs. 7 angefügt:

„(7) (Verfassungsbestimmung) Die Anpassung für das Kalenderjahr 2021 von Leis­tungen, die vom Sonderpensionenbegrenzungsgesetz, BGBl. I Nr. 46/2014, erfasst sind, darf die Erhöhung nach Abs. 1 unter Heranziehung des Gesamtpensionseinkommens (Abs. 2) nicht überschreiten.“

2.          Artikel 17 (Änderung des Gewerblichen Sozialversicherungsgesetzes) wird wie folgt geändert:

1.          In § 382 Abs. 1 werden Z 2 und 3 wie folgt geändert:

„2. wenn es über 1 000 € bis zu 3 600 € monatlich beträgt, um jenen Prozentsatz, der zwischen den genannten Werten von 3,5% auf 1,5% linear absinkt;


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 85

3. wenn es über 3 600 € monatlich beträgt, um 54 €.

2.          § 382 Abs. 1 Z 4 entfällt.

3.          Artikel 18 (Änderung des Bauern-Sozialversicherungsgesetzes) wird wie folgt geändert:

1.          In § 376 Abs. 1 werden Z 2 und 3 wie folgt geändert:

„2. wenn es über 1 000 € bis zu 3 600 € monatlich beträgt, um jenen Prozentsatz, der zwischen den genannten Werten von 3,5% auf 1,5% linear absinkt;

3. wenn es über 3 600 € monatlich beträgt, um 54 €.

2.          § 376 Abs. 1 Z 4 entfällt.

Begründung

Die von der Regierung vorgelegte Pensionsanpassung für 2021 ist nicht fair.

Die höhere Anpassung von kleinen Pensionen und die Anhebung der Ausgleichszulage auf 1.000 Euro sind zu begrüßen. Während aber Pensionen ab 2.333 Euro brutto nicht einmal die Inflation bekommen, werden Luxuspensionen über 10.000 Euro monatlich nicht angegriffen.

Diese Krise zeigt uns sehr deutlich, wie wichtig ein funktionierender Sozialstaat ist. Die Regierung hat zwar unsere Forderung nach einer Erhöhung der Mindestpension um­gesetzt, aber man vergisst auf Menschen mit kleinen und mittleren Pensionen ab 2.350 Euro brutto bis 3.600 Euro brutto. Das sind rund 500.000 Menschen in Österreich, die ihr Leben lang gearbeitet haben und mit ihren Beiträgen Österreich zu einem Land mit hoher Lebensqualität gemacht haben. Das sind KrankenpflegerInnen, LehrerInnen, Angestellte, Facharbeiter. Sie bekommen mit einem monatlichen Fixbetrag von 35 Euro nicht einmal die Teuerung abgegolten. Im Durchschnitt verlieren diese PensionistInnen rund 150 Euro brutto im Jahr.

Anderseits werden Luxuspensionen (Sonderpensionen) von dieser Regierung völlig ignoriert. Diese ca. 10.000 Personen, die über 10.000 Euro Pension pro Monat (!) be­kom­men, erhalten im Gegensatz zu kleinen und mittleren Pensionen die volle Inflations­abgeltung, weil deren Pension nicht gesetzlich, sondern aufgrund individueller Regelun­gen erhöht wird. Bei einer 10.000 Euro Pension beträgt eine Inflationsanpassung von 1,5 % 150 Euro und zwar pro Monat! Die Regierung will Luxuspensionen wieder nicht angreifen und lässt zu, dass diese Personen höhere Anpassungen als die ASVG-Höchstpension bekommen.

Nach Beschlussfassung des Sonderpensionsbegrenzungsgesetzes 2014, das unter Sozialminister Hundstorfer erarbeitet wurde, wurde die Erhöhung der Luxuspensionen unter Bundeskanzler Kern 2017 für 2018 gedeckelt. Danach wurde hier nie wieder eingegriffen!

Es sollen daher Pensionen nach dem Sonderpensionenbegrenzungsgesetz nicht höher angepasst werden, als die Pensionen der Pflichtversicherten.

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Abänderungsantrag wurde in den Grundzügen erläutert und ist damit ordnungsgemäß eingebracht.

Nächster Redner: Herr Abgeordneter Karlheinz Kopf. – Bitte.



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11.09.00

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren der Bundesregierung! Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Leider mussten wir aufgrund der Entwicklung der Infektionszahlen in einem zweiten Lockdown Betriebe der Hotellerie, der Gastronomie – im ersten Schritt – und jetzt, ab heute, leider auch viele andere Betriebe und Einrichtungen schließen.

Der Herr Finanzminister hat vorhin schon ausgeführt, dass es sehr schnell, nämlich innerhalb von wenigen Tagen, von ein, zwei Wochen, gelungen ist, zunächst für die Hotellerie und Gastronomie für diese Phase des Lockdowns mit dem 80-prozentigen Umsatzersatz rasche Hilfe bereitzustellen, wozu Kollege Schellhorn, der ja sonst nicht um Kritik an den Regierungsparteien und auch am Herrn Finanzminister verlegen ist, immerhin getwittert hat: „Ratz/Fatz – 5 min mit Finanzonline“, binnen 5 Minuten ist der Antrag über Finanzonline erledigt. – So ist das auch, das höre ich von vielen Betrieben.

Herrn Kollegen Fuchs ist dann keine inhaltliche Kritik an dieser Maßnahme mehr eingefallen, also hat er sich auf das Formale verlegt und kritisieren wollen, warum das über die Cofag abgewickelt wird – laufen tut es aber trotzdem über Finanzonline und die Daten des Finanzministeriums und der Finanzämter, aber es wird an einer Stelle zusam­mengeführt. Das ist sehr, sehr sinnvoll.

Herr Kollege Fuchs, Ihre Sorgen möchten die Betriebe in Österreich haben, die haben nämlich ganz andere. Die Betriebe in Österreich machen sich Sorgen, wie sie die Kosten in ihrem Unternehmen bedecken, die machen sich Sorgen, wie sie die Gehälter für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bezahlen – jetzt erst recht, da das 14. Gehalt ansteht –, wie sie die Jobs ihrer MitarbeiterInnen sichern, wie sie überhaupt das Überleben ihrer Unternehmen sichern. Wir kümmern uns um diese Sorgen, um die wahren Sorgen dieser Unternehmerinnen und Unternehmer (Zwischenruf des Abg. Kassegger), und nicht um Formalfragen oder Strukturfragen, die die betroffenen Unternehmen überhaupt nicht interessieren. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Rössler.)

Meine Damen und Herren! Viele der Hilfsmaßnahmen, die jetzt im Wirtschaftlichen notwendig sind, funktionieren ja auch, die Zuschüsse, ob das der Härtefallfonds ist, der Familienhärtefonds oder vieles andere mehr, die Kreditgewährungen, die Stundungen von Steuern und Sozialversicherungsabgaben, die Kurzarbeitsregelungen, die getroffen worden sind – das wohl wirksamste Instrument generell, auch eines, um das uns andere Länder ganz besonders beneiden –, und auch die Investitionsprämie; also viele Dinge, die mithelfen, den Betrieben über die Runden zu helfen.

Aber ja, es ist auch noch viel zu tun und in den Betrieben sind viele am Rande der Verzweiflung, viele Unternehmerinnen und Unternehmer, Mitarbeiterinnen und Mitar­beiter, in den Reisebüros, in den Busunternehmen, in der Veranstaltungsbranche und den Veranstaltungstechnikbetrieben, in der Stadthotellerie, in Teilen des Handels – überhaupt keine Frage. Daher müssen auch die jetzt schon einige Zeit in der Konzeption befindlichen Hilfsmaßnahmen, Fixkostenzuschuss Phase zwei, und jetzt auch der Umsatzersatz für die weiteren vom Lockdown betroffenen Branchen und Unternehmen rasch in die Gänge kommen und bei den Betrieben ankommen. Wir werden alles daran setzen, dass das in den nächsten Tagen auch geschieht, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Neßler.)

Wir müssen uns aber schon auch um die Fragen der Zukunft kümmern. Was geschieht denn mit jenen Krediten oder mit gestundeten Steuern und Abgaben, die zu den derzeit vorgesehenen Terminen vielleicht nicht bedient werden können? Na selbstverständ­lich darf man nicht nur darüber reden, sondern muss diesbezüglich hier auch han­deln, Fristen erstrecken, Lösungen finden, bis hin zur Nachrangigkeitsgestaltung von For­derungen seitens des Staates und vielem anderen mehr. Es geht um


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 87

Eigenkapitalstärkungsmaßnahmen für die Betriebe, die Stärkung der Investitionskraft der Betriebe – das beste und sicherste Wachstum ist immer noch das investitions­getriebene – und auch die Unterstützung der Exporte und der Exporttätigkeit unserer Unternehmen.

Das, meine Damen und Herren und lieber Kollege Fuchs, sind die wahren Sorgen der Unternehmerinnen und Unternehmer, das sind die wirtschaftspolitischen Herausfor­derungen, vor denen wir stehen. Und glauben Sie mir, meine Damen und Herren – dies ist auch ein Wort an die vielen betroffenen Unternehmerinnen und Unternehmer –: Wir kümmern uns um diese Sorgen! Wir kümmern uns um Ihre wirklichen Sorgen und um die Herausforderungen, die Sie haben und vor denen Sie stehen, und nicht um Nebensächlichkeiten wie Kollege Fuchs! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

11.14


Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete Dagmar Belakowitsch ist die nächste Rednerin. – Bitte.


11.14.38

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Frau Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Liebe Bürger Österreichs! Heute verhandeln wir ein Budget, das auf einer Datenbasis berechnet worden ist – und das hat der Finanz­minister ja auch gar nicht abgestritten –, in der dieser neuerliche harte Lockdown gar nicht berücksichtigt ist. Meine Damen und Herren, daher kann dieses Budget, so wie es hier vorliegt, nicht halten.

Aber ja, eines hat der Herr Finanzminister klargestellt: Alle Hilfen, die jetzt ausbezahlt werden, zahlt er aus seinem 20-Milliarden-Körberlgeld, das hat er sich ja per Ermäch­tigungsgesetz im Frühjahr dieses Jahres zuweisen lassen und das muss er jetzt ver­braten, das wird jetzt hinausgeschmissen. Das ist aber in Wahrheit der völlig falsche Weg, meine Damen und Herren, denn das, was ich von meinem Vorredner gehört habe, war ein Offenbarungseid der ÖVP.

Es wird einfach planlos zugesperrt, die Unternehmer werden mit ihren Sorgen und Ängsten alleingelassen, die werden im Stich gelassen. Man gibt ihnen gar nicht die Chance und die Möglichkeit, arbeiten zu gehen, stattdessen macht man sie zu Bitt­stellern, zu Hilfeempfängern, zu Almosenempfängern, und man macht sie damit ab­hängig. Das ist genau das System, das man da erkennen kann: Die Bürgerinnen, die Bürger, die Unternehmer, alle sollen abhängig gemacht werden. Das ist der falsche Weg, meine Damen und Herren, und so wird unsere Wirtschaft auch nicht wieder nach oben kommen. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Minister! Es ist ja schon recht spannend gewesen, was man beobachten konnte, wenn man sich die Entwicklung in den letzten Wochen angesehen hat. Sie haben, und das hat Kollege Fuchs genau ausgeführt, während dieser ganzen Budgetverhandlungen offensichtlich so getan, als wüssten Sie nichts von diesem harten Lockdown, als wäre Ihnen überhaupt nicht bewusst, dass das käme. Bei den ersten Beratungen am 6. November hat Wirtschaftsexperte Badelt bereits davon gesprochen, dass der Lock­down soft bis kurz vor Weihnachten dauern wird. Ihnen war das offensichtlich nicht bekannt, und die Bevölkerung durfte das auch nicht wissen.

Es ist aber schon spannend, dass ein befreundeter Unternehmer vom Herrn Bundes­kanzler und von Ihnen in Wien schon Wochen, bevor dieser sanfte Lockdown gekommen ist, geschrieben hat, dass seine Lokale wieder sperren werden. Also offensichtlich gibt es Gleichere als Gleiche in dieser Republik, und die erfahren schon im Vorfeld, was wann geplant ist. Kommt ein sanfter Lockdown, kommt ein scharfer Lockdown? – All das


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darf die Bevölkerung nicht wissen, die muss man immer schön ruhig halten, immer schön dumm halten.

Da arbeiten wir mit Panikmache, mit Angstmache, denen bereiten wir irgendwie die Sorge, dass sie jetzt alle sterben werden, und dann werden sie schon ruhig sein. – Meine Damen und Herren, das ist die perfide Politik der ÖVP, die Sie jetzt seit Monaten betreiben und die uns jetzt schon wieder in einen Lockdown geführt hat, der für viele Leute draußen eine echte existenzielle Bedrohung ist.

Schon nach dem ersten Lockdown war es so, dass viele Unternehmer nicht gewusst haben, wie sie denn diese Verluste aufholen und ausgleichen sollen, aber jetzt tun sie sich noch viel, viel, viel schwerer. Viele haben jetzt schon angekündigt, sie werden wahrscheinlich gar nicht mehr aufsperren, weil es sich für sie nicht mehr rentiert, meine Damen und Herren. Österreich ist ein Land, in dem über 60 Prozent aller Arbeitsplätze in klein- und mittelständischen Unternehmen zu finden sind, aber die Einzigen, die bei Ihnen gefördert werden, sind die Großkonzerne, die aber nur für einen geringen Anteil an Arbeitsplätzen tatsächlich verantwortlich sind, Herr Bundesminister.

Auf der anderen Seite schaffen Sie es nicht, die Kaufkraft der Bevölkerung zu erhöhen. Da haben Sie ein völlig blindes Auge, das ist Ihnen völlig egal. (Abg. Ottenschläger: Das stimmt ja gar nicht! Kinderbonus ...!) – Da können Sie jetzt reinbrüllen, was Sie wollen, Herr Kollege von der ÖVP: Sie von der ÖVP sind es doch, die diese Krise den Arbeitnehmern und den Pensionisten umbinden werden. Sie wollen am Freitag die Langzeitversicherung abschaffen. Das ist der erste Anschlag. Was ist denn als Nächstes zu erwarten? Haben wir dann die generelle Pensionssenkung? Was planen Sie denn noch? Sagen Sie doch den Leuten heute schon ehrlich, was Sie alles an Sozialabbau in diesem Land planen, damit sich die Österreicher darauf einstellen können! Sie sind es nämlich, die die Krise werden bezahlen müssen. (Beifall bei der FPÖ.)

Genau das ist das Spiel (Zwischenruf der Abg. Baumgartner), das Sie hier betreiben: Sie spielen mit der Bevölkerung. Ihnen ist es völlig egal, ob die Leute verzweifelt sind. Erst am Mittwoch letzter Woche – es ist noch nicht einmal eine Woche her – sind wir hier herinnen gesessen und haben den Lockdown light verlängert. Am nächsten Tag gab es bereits die Schlagzeilen: Es kommt eine Verschärfung. Diese konnte am Mittwoch nicht beschlossen werden, denn da war die Dramaturgie noch nicht gegeben. Da hat es zuerst noch eine Pressekonferenz des Herrn Bundeskanzlers gebraucht – natürlich am Sams­tagnachmittag, damit die Österreicher alle daheim und vor dem Fernsehgerät sind –, und dann musste man noch sagen: Die Abgeordneten müssen am Sonntag reinkommen, weil die Situation so dramatisch ist.

Das Einzige, worum es Ihnen geht, ist die Dramaturgie, ist, dass die Regie das gut aufbaut, damit die Leute auch tatsächlich in die Angst- und Paniksituation verfallen und damit sie Ihre Maßnahmen auch schlucken, meine Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich sage Ihnen aber auch: Immer weniger Österreicher sind dazu bereit. Was Sie diesmal gemacht haben, ist wirklich nicht mehr nachvollziehbar. Sie haben nämlich diesmal den Kindern schon wieder die Schulen und die Kindergärten gesperrt. Wissen Sie, beim ersten Mal waren die Kinder vielleicht noch relativ neutral, aber jetzt haben sie Angst und Panik, jetzt war es eine traurige Stimmung in den Schulen, weil die Kinder wissen, was sie erwartet, weil sie wieder auf Distancelearning umgestellt werden, weil das einfach nicht funktioniert und weil Kinder natürlich auch den persönlichen Kontakt brauchen.

Das ist das zweite Schulsemester, das Sie unserer Jugend nehmen. Sie nehmen den Kindern damit ein gesamtes Lebensjahr – aber vielleicht ist Ihnen das egal. Wahrschein­lich interessiert Sie die Zukunft Österreichs überhaupt nicht, meine Damen und Herren


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von dieser Bundesregierung, aber machen Sie sich doch einmal Gedanken darüber! Das ist die Zukunft, und wenn Sie jemals Österreich wirtschaftlich wieder hochfahren wollen, dann werden Sie auch gut ausgebildete junge Menschen brauchen, dann brauchen Sie auch Kinder, die in den Schulen etwas gelernt haben, Jugendliche, junge Erwachsene, die auf den Universitäten ausgebildet worden sind – das alles fahren Sie aber runter, sehenden Auges hinein in das Chaos!

Ich bringe jetzt einen Antrag ein, der mir sehr wichtig ist, weil das auch zeigt, wie Sie über die Dinge hinweggehen. Sie sind verantwortlich für die höchste Arbeitslosigkeit in der Zweiten Republik. Sie sind verantwortlich dafür, dass viele Menschen nicht mehr wissen, wie sie sich das Leben leisten sollen. Ich stelle daher folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erhö­hung der Nettoersatzrate beim Bezug des Arbeitslosengeldes (COVID-19-Maßnahme)“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend eine Regierungsvorlage zuzu­leiten, die zum Inhalt hat, dass allen beim Arbeitsmarktservice als arbeitslos registrierten Personen, der Bezug der aktuellen Leistung um die Dauer der Krise, mindestens jedoch bis zum 31.Mai 2021 verlängert wird und zusätzlich ein ‚COVID-19-Ausgleich‘ für Arbeitslose in Form eines 30-%igen Zuschlages zu allen Arbeitslosenversiche­rungsleis­tungen rückwirkend mit 15. März 2020 gewährt wird. Dieser Zuschlag soll über die Finanzämter, bei denen alle Daten aller Erwerbstätigen vorhanden sind, automatisch, also ohne formale AntragsteIlung ausgezahlt werden.“

*****

Damit würden Sie die Kaufkraft ganz vieler Menschen in diesem Land erhöhen. (Beifall bei der FPÖ.)

11.21

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Peter Wurm

und weiterer Abgeordneter

betreffend Erhöhung der Nettoersatzrate beim Bezug des Arbeitslosengeldes (COVID-19-Maßnahme)

eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 1, Bericht des Bud­getausschusses über die Regierungsvorlage (408 d.B.): Budgetbegleitgesetz 2021 (440 d.B.) in der 62. Sitzung des Nationalrats (XXVII.GP) am Dienstag, 17. November 2020

Die von der schwarz-grünen Bundesregierung unter Bundeskanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Werner Kogler gesetzten COVID-19-Maßnahmen seit März 2020 haben massive negative Auswirkungen auf den österreichischen Arbeitsmarkt, die Österreich die höchste Zahl an Arbeitslosen und die meisten Arbeitnehmer in Kurzarbeit seit 1945 beschert haben.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 90

Das bedeutet, dass zeitweise weit mehr als eine halbe Millionen Menschen seit März 2020 mit lediglich 55 Prozent ihres letzten Nettogehalts ihre Lebenshaltung (Nahrungs­mittel, Wohn- und Betriebskosten usw.) bestreiten müssen. Die weit überwiegende Anzahl dieser betroffenen Arbeitslosen hat durch die COVID-19-Maßnahmen der Bun­desregierung den Arbeitsplatz verloren bzw. wurde der Chance beraubt, nach einer Phase der Arbeitslosigkeit oder einer AMS-Aus-, Fort- und Weiterbildung wieder in den Arbeitsmarkt integriert zu werden.

Um dieser Gruppe von rund 500.000 Personen einen finanziellen Ausgleich für die Arbeitsplatzvernichtung durch die COVID-19-Maßnahmen der Bundesregierung zu gewährleisten und damit ihr ökonomisches Überleben abzusichern, ist aber eine Er­höhung der Nettoersatzrate des Arbeitslosengeldes (inklusive Notstandshilfe) von 55 Prozent auf 70 Prozent dringend notwendig und auch volkswirtschaftspolitisch vernünf­tig. Dies ist durch eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes und der Notstandshilfe inklu­sive der Familienzuschläge um 30 Prozent (entspricht einer Nettoersatzrate von 70 Prozent) umzusetzen.

Durch diese 15 prozentige Nettorersatzratenerhöhung wird die Kaufkraft und damit auch die innerösterreichische Konjunktur durch vermehrte Konsumausgaben gestärkt. Dies führt wiederum zu vermehrten Einnahmen der Unternehmer, aber auch Steuer­ein­nah­men und schafft dadurch neue Arbeitsplätze bzw. sichert bestehende Arbeitsplätze ab.

Über die Sommermonate und nach Ende des Ersten Lockdown sind die Arbeits­losen­zahlen zwar kurzfristig wieder zurückgegangen, durch den Zweiten Lockdown werden die Arbeitslosenzahlen wohl bis Ende 2020 die arbeitsmarkpolitische „Schallmauer“ von 500.000 Arbeitslosen wieder deutlich durchschlagen.

Demgegenüber sind die arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen der schwarz-grünen Bundesregierung, die von Arbeitsministerin Christine Aschbacher (ÖVP) und Sozial­minister Rudolf Anschober (Die Grünen) vorgestellt worden sind, absolut untauglich. Ein „Arbeitsmarktbonus“ von lediglich 450 Euro für die Monate Juli bis September, wobei man zwei von diesen drei Monaten durchgehend arbeitslos sein muss, war und ist weder treffsicher noch sozial. Ganz im Gegenteil, die seit Mitte März durch Regierungs­maß­nahmen bewusst produzierte Arbeitslosigkeit wird ignoriert, und man enthält den betrof­fenen Arbeitnehmern einen gerechten Ausgleich vor.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die zum Inhalt hat, dass allen beim Arbeitsmarktservice als arbeitslos registrierten Personen, der Bezug der aktuellen Leistung um die Dauer der Krise, mindestens jedoch bis zum 31.Mai 2021 verlängert wird und zusätzlich ein "COVID-19-Ausgleich" für Arbeitslose in Form eines 30-%igen Zuschlages zu allen Arbeitslosenversicherungsleistungen rück­wirkend mit 15. März 2020 gewährt wird. Dieser Zuschlag soll über die Finanzämter, bei denen alle Daten aller Erwerbstätigen vorhanden sind, automatisch, also ohne formale AntragsteIlung ausgezahlt werden.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, steht daher auch mit in Verhandlung.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 91

Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Eva Blimlinger. – Bitte.


11.22.09

Abgeordnete Mag. Eva Blimlinger (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Menschen vor den Fernsehgeräten, Laptops – von wo auch immer Sie uns zuschauen! Von wo auch immer Sie uns zuschauen ist ein gutes Stichwort: Ich kann Ihnen sagen, es gibt vieles, was Sie besuchen können, zum Beispiel die Art Week – das ist immer ein Highlight im November, bei dem ganz Österreich, kann man sagen, alle, die an der bildenden Kunst interessiert sind, und nicht nur aus Öster­reich, sondern auch international, nach Wien kommen, um internationale Künstler, Künstlerinnen zu sehen.

Sie können das diesmal auch, weil es die Art Week online gibt. Sie ist ein gutes Beispiel dafür, wie Kunst- und Kulturinstitutionen, aber auch -initiativen, Künstler, Künstlerinnen, wer auch immer, versuchen, Formate zu finden, wie sie in diesem Lockdown arbeiten können. Ihnen ist wirklich sehr herzlich zu danken.

Lassen Sie mich zu dem Rahmen, in dem sie das machen, etwas sagen: Es wird ja immer wieder behauptet, die Kunst, die Künstler waren die Letzten, die etwas in dieser Pandemie bekommen haben. Das ist leider – oder Gott sei Dank, wie auch immer Sie das sehen wollen – falsch. Sie gehörten zu den Ersten, die überhaupt etwas bekommen haben, und zwar über den Künstlerinnen-/Künstler-Sozialversicherungsfonds, und es war eine der ersten von sehr vielen Maßnahmen.

Lassen Sie mich ein paar Maßnahmen aufzeigen, die wirklich, auch im internationalen Vergleich, so sind, dass man sagen kann, Österreich ist, was diesen Sektor betrifft, wirklich bemüht und hat es auch durchsetzen können, da großzügig zu fördern und auch zu unterstützen: Es gibt ganz oben den NPO-Unterstützungsfonds, also jenen Fonds, von dem die gemeinnützigen Organisationen umfasst sind: Sport, Kunst, Kultur, die freiwilligen Feuerwehren – ich habe das an dieser Stelle schon einmal ausgeführt, das ist ein Sektor, der ganz breit aufgestellt ist.

Es gibt den erst kürzlich im Sommer eingerichteten Überbrückungsfonds: Es gibt jetzt einen Lockdownbonus, 1 300 Euro dazu, also sind es im November 2 300 Euro, und ich kriege Gott sei Dank immer mehr Zuschriften, dass Leute darum ansuchen und das auch sehr rasch bekommen – da möchte ich mich bei all jenen bedanken, die das in der Sozialversicherung verwalten.

Da lässt sich vieles aufzählen. Wir werden heute noch Gelegenheit haben, über das Kunst- und Kulturbudget im Detail zu sprechen, aber mir ist wichtig, zu sehen, dass es die Künstler und Künstlerinnen sind, die Formen finden, in diesem Lockdown zu arbeiten, und ich freue mich daher, dass wir sie auf die unterschiedlichste Art und Weise unter­stützen können. Ich weiß, es ist immer zu wenig, aber es ist zumindest so, dass wir die Kreativität, das Engagement, all das sichern können.

Lassen Sie mich zum Schluss sagen, dass ich im Übrigen der Meinung bin, dass die Windisch-Kaserne in Richard-Wadani-Kaserne umbenannt werden soll! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.25


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Michael Bernhard. – Bitte.


11.25.40

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Frau Präsidentin! Geschätzte Bundes­regie­rung! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Wir


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haben gerade – und heute schon öfters – von der grünen Fraktion gehört, dass die Regierung sich selbst lobt und dass erstmals ein Budget verabschiedet werden soll, das berücksichtigt, dass es keinen Planeten B gibt. (Zwischenruf des Abg. Ottenschläger.)  Als ich das gehört habe, hab ich wirklich geglaubt, ich spinn’! Klubobfrau Maurer kommt tatsächlich hier heraus und will uns dieses Budget als ein zukunftsgewandtes Budget verkaufen.

Wir wissen alle – und das ist jetzt kein Geheimnis, nicht einmal für die ÖVP-Abge­ordneten selbst –, durch die Adern der ÖVP fließt Beton. (Beifall bei den NEOS. –Zwischenruf des Abg. Singer.) Solange nicht der letzte Parkplatz gebaut ist, nicht die letzte Autobahn gebaut ist, wird kein ÖVP-Abgeordneter ruhen – und was die Grünen machen, ist bei einem solchen Budget nichts anderes, als dass sie sich tatsächlich der Beihilfe schuldig machen.

1 Milliarde für Klimaschutz und Umweltschutz wird jetzt groß gefeiert, während weiterhin, auch im Jahr 2021, 4,6 Milliarden Euro für Umweltzerstörung und Umweltschädigung ausgegeben werden. (Zwischenruf des Abg. Ottenschläger.)

Wenn man sich das Budget genauer anschaut, dann sieht man, wenn man auf ganz Österreich schaut, dass das nicht nur ein Thema ist - - (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Ottenschläger.) – Ihr könnt gerne herauskommen und euch hier am Rednerpult artikulieren, liebe ÖVP. Es wird nicht besser, wenn ihr rausschreit – das Budget ist und bleibt rückwärtsgewandt! (Beifall bei den NEOS. – Zwischenruf des Abg. Ottenschläger.)

Es ist auch so, dass in dem Budget ganz praktisch zu sehen ist, wie sehr sich die Grünen nur noch zum großen Teppichvorleger des Klimaschutzes eignen. Das heißt, man feiert sich für ein Rekordfahrradbudget, und gleichzeitig gibt man Millionen für Pendlerinnen und Pendler aus, die bereits jetzt einen sehr guten öffentlichen Verkehrsanschluss haben. Man feiert sich für Rekordmittel beim Bahnausbau, und gleichzeitig gibt man Mil­lionen für Steuererleichterungen bei Diesel-Pkws, bei Dienstfahrzeugen aus. Man feiert sich für den Schutz der Biodiversität, und gleichzeitig investiert man Millionen in die Zersiedelung in unserem Land.

Das ist tatsächlich nichts anderes als Schmerzensgeld, das die Grüne Partei da von der ÖVP bekommt. Es ist so, dass man Millionen für den Umweltschutz bekommt und Milliarden für dessen Zerstörung ausgegeben werden. Das ist keine Nachhaltigkeit.

Ich möchte, und damit möchte ich meine Rede dann auch schon wieder beenden, ein einfaches Beispiel geben: Umwelt und Klimaschutz müssen nicht Milliarden kosten. Umwelt und Klimaschutz bedeuten eine Veränderung unseres Verhaltens und eine Veränderung des Regierens.

Wir haben uns jetzt in Wien ein Klimaschutzgesetz und ein Treibhausgasbudget vor­genommen – als zweite Stadt in Europa! Es ist unsere Aufgabe für eine progressive Politik, dass wir neue Wege finden, ohne Staatsverschuldung neue Politik zu machen, die Verantwortung für unsere Umwelt und unseren Planeten übernimmt. Genau das erwarten wir auch von den Grünen und manchmal auch von der ÖVP. (Beifall bei den NEOS.)

11.29


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Frau Bundesministerin Elisabeth Köstinger zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Ministerin.


11.29.11

Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus Elisabeth Köstinger: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete! Die Coronapandemie hält Österreich nach wie vor besonders fest im Griff, vor allem


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betroffen sind Branchen wie der Tourismus, die Gastronomie, die Freizeitwirtschaft, aber eben auch die gesamte Veranstaltungsbranche. Vor allem auch dieser zweite Lock­down, in den wir mit dem heutigen Tag gehen mussten, trifft diese Bereiche ganz besonders hart – an dieser Stelle ein ganz großes Dankeschön an das Finanz­ministerium, an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und vor allem auch an Finanz­minister Gernot Blümel, dass es innerhalb weniger Tage gelungen ist, diesen 80-pro­zentigen Umsatzersatz aufzustellen, ihn sehr rasch und unbürokratisch abzuwickeln und damit für diese Branche wirklich auch eine bestmögliche Unterstützung zu bieten.

Der Dezember steht vor der Tür. Die Betriebe müssen die 14. Monatsgehälter zahlen. All das ist natürlich auch eine massive Unterstützung der Mitarbeiterinnen und Mit­arbeiter in diesen Branchen. Wir arbeiten aktuell mit Hochdruck daran, dass die Zulie­ferbetriebe, also alle Bereiche, die von den derzeitigen Schließungen indirekt betroffen sind, auch einen Umsatzersatz bekommen. Vor allem auch die Reisebüros, die in einer besonders schwierigen Situation sind, darf ich in diesem Zusammenhang erwähnen.

Wie besonders aber der Tourismus, die Gastronomie, die Freizeitwirtschaft und die Ver­anstaltungsbranche in Österreich sind, zeigt die Bereitschaft, trotz der langanhaltenden Krise Investitionen vorzunehmen. Im Vergleich zu den ersten drei Quartalen des Vorjahres sind im Jahr 2020 die Investitionsförderungen durch die ÖHT um rund 10 Pro­zent gestiegen. Das ist auch der Grund dafür, dass wir heute eine Änderung des KMU-Förderungsgesetzes vornehmen müssen und den bisher bestehenden Haftungsrahmen von 375 Millionen Euro, der schon zu 90 Prozent ausgeschöpft ist, noch einmal um 625 Millionen erhöhen. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Rössler.)

Wie wichtig und vor allem auch systemrelevant diese Branchen und Bereiche für unser gesamtes Wirtschaftssystem, für die vielen KMUs sind, zeigt sich daran, dass die Hoteliers, die Gastronomen, die gesamte Veranstaltungs- und Freizeitwirtschaft massiv investieren. Davon profitieren dann auch wieder Installateure, Möbeltischler bis hin zu Fliesenleger- oder Malereibetrieben. Wir sind davon abhängig, dass die Tourismus­branche trotz dieser Krise positiv in die Zukunft blickt und jetzt Geld in die Hand nimmt, und das wollen wir unterstützen. Die Covid-Investitionsprämie kann zusätzlich zu den bestehenden Förderungs- und Finanzierungsmöglichkeiten der ÖHT in Anspruch ge­nommen werden; auch das ist ein wichtiger Zusatz. Wir schaffen da also einen doppelten Anreiz.

Ich darf an dieser Stelle ein ganz großes Dankeschön an die österreichische Hotel- und Tourismusbank mit all ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aussprechen, die seit sehr vielen Monaten mit Hochdruck arbeiten und diese Branche mit Haftungsübernahmen, Kreditgarantien, Investitionsförderungen maximal unterstützen. Ein ganz großes Danke­schön gilt auch den vielen Unternehmerinnen und Unternehmern, die sich von dieser Krise nicht entmutigen lassen, sondern sich ganz im Gegenteil jetzt schon überlegen, was sie in Zukunft tun können, um Österreich auch weiterhin als das beste und sicherste Urlaubsland der Welt positionieren zu können. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

11.32


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Frau Bundesministerin Leonore Gewessler zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Ministerin.


11.32.50

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Frau Präsidentin! Werte Abgeordnete! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! In einer Generaldebatte zum Budget kommen viele Fragen, zum Beispiel: Ist das Budget ein Zukunftsbudget? – Ja, ist es, weil es ein Klimabudget


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ist. Bietet das Budget Perspektive? – Ja, mit mehr Geld im Klimaschutz als je zuvor, weil es ein Klimabudget ist. Geht mehr? – Ja, auch das zeigt dieses Budget, nicht nur mit mehr Geld in den Untergliederungen im BMK für den Klimaschutz als je zuvor in Öster­reich, sondern mit 40 Prozent der Anträge auf Investitionsprämie, die sich auf Klima­schutz beziehen, mit einem Gemeindepaket mit einem Klimaschutzschwerpunkt, mit mehr und durchgängigerem Klimaschutz in einem Budget als je zuvor. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich darf gleichzeitig Kollegen Michi Bernhard beruhigen, der offenbar meint, wir hören mit diesem Budget auf, für den Klimaschutz zu arbeiten. – Nein, das ist ein Sprungbrett. Dieses Budget ist ein Sprungbrett für mehr Investition, aber auch der Rückenwind für all die steuerrechtlichen Maßnahmen, die da folgen, selbstverständlich! Diese Regierung hat sich vorgenommen, Klimaneutralität im Jahr 2040 zu erreichen. Dafür braucht es ein Klimaschutzbudget, dafür braucht es viele weitere Schritte, und selbstverständlich ar­beiten wir an diesen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Einer davon, und das ist auch der Anlass meiner Rede, steht heute hier zur Debatte, ein Vorbelastungsgesetz zum ÖBB-Rahmenplan. Mit dem ÖBB-Rahmenplan investieren wir in den nächsten sechs Jahren 17,5 Milliarden Euro in den Ausbau einer modernen Infrastruktur, in eine moderne Bahninfrastruktur. Da stellt sich nicht die Frage: Warum jetzt? – Gerade jetzt zeigt der Bahnausbau, dass Klimaschutz der Konjunkturimpuls, der Konjunkturmotor ist, den wir brauchen – von den Investitionen in die Bahninfrastruktur, in einen modernen Bahnhof, gehen im Schnitt 80 Prozent der Aufträge an österreichi­sche Klein- und Mittelunternehmen –, gerade jetzt braucht es 17,5 Milliarden Euro für die Bahninfrastruktur!

Mit diesem Rahmenplan – es ist der umfangreichste Rahmenplan, den Österreich je gesehen hat – investieren wir in alle drei Säulen im öffentlichen Verkehr. Wir investieren nicht nur in ein günstiges Ticket, wir investieren auch in ein gutes Angebot, und wir investieren in eine moderne Infrastruktur. Wir haben uns im Regierungsprogramm vorge­nommen, die Investitionen in die Bahninfrastruktur um 5 Prozent zu steigern. Mit diesem Rahmenplan lösen wir diese 5-prozentige Steigerung pro Jahr auch ein. Dazu ein Vergleich: Österreich investiert pro Kopf fast doppelt so viel in die Bahninfrastruktur wie Deutschland, und auch das macht international durchaus Wind. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

In diesem Rahmenplan gibt es viele große Projekte, die vorgeschrieben werden, aber der Rahmenplan ist ein Konjunkturimpuls, und deswegen haben wir uns genau angeschaut, was wir zusätzlich machen können. Welche Projekte können wir vorziehen? In diesem Rahmenplan sind bis 2026 3 Milliarden Euro für neue Projekte vorgesehen. Darüber hinaus gibt es zusätzliche Investitionen, in Summe ein Investitionsvolumen von 8 Milliarden Euro, und zwar in allen Bundesländern. Von der Ostregion bis Vorarlberg werden wir investieren und modernisieren, mit einem Fokus auf jene Bereiche, wo die Wirkung am größten und der Ausbau am dringendsten notwendig ist. Wir werden mit einer besseren Infrastruktur und einem besseren Angebot in den nächsten Jahren insbesondere im Nah- und Regionalverkehr einen Qualitätssprung hinlegen. Viele Regionalbahnen werden davon profitieren, und man wird das auch sehen.

Damit möchte ich auch schon zum Schluss kommen, weil ich auf breite Unterstützung für dieses Bahnpaket in diesem Haus hoffe und baue: Mit diesem größten Bahnpaket, das Österreich je gesehen hat, bauen wir Österreich um – nicht im übertragenen Sinn, sondern im wörtlichen Sinn. Wir modernisieren Bahnhöfe. Wir modernisieren gute Bahnstrecken. Wir investieren in den Ausbau einer Infrastruktur, die Österreich zukunfts­fit macht. Von diesem ÖBB-Rahmenplan profitieren wir alle, nicht nur von besserer Infrastruktur, sondern auch von besserer Lebensqualität, von guten und zukunfts­sicheren Jobs, die wir mit den Investitionen in die Bahninfrastruktur schaffen. Mit diesem


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Rahmenplan machen wir ein Upgrade für Österreich. Ich bedanke mich schon im Vorhinein für breite Unterstützung dafür. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

11.37


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Peter Haubner. – Bitte.


11.37.52

Abgeordneter Peter Haubner (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Minis­terinnen und Minister! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zu­seher zu Hause! Sie haben jetzt von den beiden Ministerinnen gehört, was zukunfts­gerichtet ist. Ich glaube, das ist ganz wesentlich.

Herr Kollege Bernhard, ich möchte Ihnen zwei Sachen sagen. Das Erste ist: In jedem ÖVPler fließt viel Herzblut für unser Österreich und sonst gar nichts, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Zweitens habe ich zum Thema rückwärtsgewandt einen kleinen Beitrag. „Die neue Koalition in Wien: Wer nicht die Zeit haben sollte, den über 200 Seiten dicken Koalitions­pakt zu lesen, hier eine sehr kurze Zusammenfassung [...]: Staat, Staat, Staat, Staat, Staat. Liberale Inhalte? Fehlanzeige.“ Das ist nicht von mir, sondern von einem gewissen Herrn Schellhorn, allerdings Franz, meine Damen und Herren – also nur, dass wir wissen, wovon wir sprechen. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Rössler.)

Deshalb möchte ich mich jetzt wieder dem Budget widmen und dazu ganz klar sagen, dass wir ein zweigeteiltes Budget haben. Die Schwerpunkte sind nämlich einerseits darauf gerichtet, wie wir unsere Unternehmer und die Arbeitnehmerinnen und Arbeit­nehmer aus der Krise herausbegleiten und sie dabei unterstützen, und andererseits darauf, wie wir in die Zukunft investieren können, um unseren Standort und damit natürlich auch unsere Unternehmen zukunftsfit und wettbewerbsfähig für die Zukunft zu machen.

Da unterscheiden wir uns grundsätzlich, nämlich allein schon beim Zugang zur Arbeits­marktpolitik. Wir investieren da die meisten Mittel, die je in der Zweiten Republik in den Arbeitsmarkt investiert worden sind, nur verstehen wir halt Arbeitsmarktpolitik ein wenig anders als die SPÖ. Wir wollen die Arbeitslosigkeit nicht verwalten, sondern wir wollen den Arbeitsmarkt gestalten, meine Damen und Herren, und das ist der große Unter­schied. (Beifall bei der ÖVP.)

Deshalb setzen wir auf einen Lehrlingsbonus, der ganz wichtig ist, weil die Zukunft der Fachkräfte in der dualen Ausbildung liegt. Darum kämpfen wir mit allen Mitteln darum, dass wir Jugendliche in die Lehrberufe bekommen, dass die Unternehmer dazu ange­reizt und dabei unterstützt werden, Lehrlinge und damit eben wirklich Fachkräfte, die wir für die Zukunft auch dringend benötigen, auszubilden.

Zum Zweiten gibt es natürlich eine Investitionsprämie. Das ist nicht nur die beste Maß­nahme für Investitionen in die Betriebe und in den Standort, sondern auch für die Sicherung und Schaffung von neuen Arbeitsplätzen. Das ist Arbeitsmarktpolitik Marke dieser Regierung, und die kann sich sehen lassen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Zum Schluss habe ich noch eine große Bitte an Sie und an alle Österreicherinnen und Österreicher: Unterstützen Sie die heimische Wirtschaft! Kaufen Sie Ihre Waren im Internet bei den österreichischen Betrieben, bei den österreichischen Händlern, und holen Sie sich Ihr Mittags- oder Abendessen beim österreichischen Wirt! Er freut sich darauf, wenn er für Sie kochen darf. – Danke vielmals. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

11.41



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 96

Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete Sonja Hammerschmid ist die nächste Rednerin. – Bitte.


11.41.20

Abgeordnete Mag. Dr. Sonja Hammerschmid (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Mitglieder der Bundesregierung! Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor allem auch liebe Zuschauerinnen und Zuschauer zu Hause! In der „Pressestunde“ am Sonntag wurde Kanzler Kurz gefragt, warum es nicht schon früher strengere Maßnahmen gegeben hat, und er bemühte die Demokratie als Rechtfertigung. Er sagte, „wir leben in einer Demokratie“, und da kann der Bundeskanzler ja „nicht alleine entscheiden“.

Das ist eine spannende Aussage im Kontext mit Schulschließungen, denn dabei war die Mitbestimmung keineswegs gefragt. Da wurde nicht auf die Meinung von zahlreichen Expertinnen und Experten aus der Medizin, aus dem Public-Health-Bereich, aus der Psychologie, aus der Kinder- und Jugendheilkunde gehört; auch nicht auf die Ärzte­kammer und schon gar nicht auf die Eltern und auf die Schülerinnen und Schüler.

Nicht nur das: Auch auf die Meinung der Ages als dem Gesundheitsministerium unter­stelltes Institut und die eigene Coronaampelkommission, die einstimmig – außer der Enthaltung des Vertreters des Bundeskanzleramts – für Schulöffnung gestimmt hat, wurde nicht gehört. Nicht zuletzt hat sich auch der Bundesminister für Bildung – er ist leider gerade nicht hier – dafür eingesetzt, dass die Schulen offen bleiben. Man könnte meinen, Bundeskanzler Kurz hat seine eigenen Regierungsmitglieder entmündigt, und so schaut es in der Tat auch aus. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, obwohl sich auch Westeuropa im Teillockdown oder in Zuständen eines Lockdowns befindet, hat Westeuropa Schulen offen gehalten. Deutschland hat die Schulen offen, Irland hat die Schulen offen. Irland ist ein gutes Beispiel, um zu sehen, wie schnell die Infektionszahlen mit konsequenten Maßnahmen wieder hinuntergehen können, ohne die Schulen zuzumachen; dort hat sich die Lage binnen einiger weniger Wochen wieder entspannt.

Es drängt sich die konkrete Frage auf: Wer trägt denn in der Folge – heute, morgen und in der Zukunft – die Verantwortung für diese Fehlentscheidung, die Schulen zu schließen? – Diese Regierung und der Bundeskanzler wahrscheinlich nicht, denn das vorgelegte Budget adressiert in keinster Weise die Defizite aus dem ersten Lockdown und schon gar nicht jene aus der jetzigen Situation. (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

Es bräuchte mehr Förderungen, es bräuchte mehr PädagogInnen, es bräuchte mehr Unterstützungspersonal, es bräuchte einen Ausbau der ganztägigen Schulen. All das sehen wir in diesem Budget nicht. Was wir hier haben, ist ein Pop-up-Chancenindex – mehr fällt mir dazu leider echt nicht ein. Es sind einmal 15 Millionen Euro in einem Jahr, um Schulen mit Herausforderungen zu unterstützen. Es sind Budgets für Computer, die im nächsten Schuljahr, nämlich 2021/2022, in die Schule kommen, und dann auch nur für die 5. und 6. Klassen. Das ist zukunftsvergessen, liebe Kolleginnen und Kollegen, und stiehlt unseren Kindern wirklich die Zukunft!

Das Dilemma, das wir heute sehen, ist Folgendes: Die Eltern müssen sich fragen: Was tue ich denn jetzt mit den Kindern? Gestern adressiert Generalsekretär Netzer in der „Zeit im Bild 2“ noch einmal die Eltern und sagt: Bitte lasst die Kinder zu Hause! – Auf der anderen Seite müssen die Eltern arbeiten gehen, denn den Anspruch auf Sonder­betreuungszeit gibt es auch nicht. Dann sollen sie irgendwie zwischen Homeoffice und Homeschooling jonglieren, und Sie wissen aus der ersten Phase genau, dass das nicht funktioniert.

Am meisten tun mir aber die Lehrerinnen und Lehrer leid, denn sie werden aufgefor­dert, flexibel zu sein. Sie müssen Onlineunterricht machen, auf der anderen Seite die


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 97

Betreuung der Schülerinnen und Schüler, die in der Schule sind, irgendwie sicherstellen, sie auch noch in Lern- und Kleingruppen unterstützen und Onlinetools in der Schule zur Verfügung stellen. Das geht sich mit ein und derselben Lehrkraft beim besten Willen nicht aus. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Das in nur zwei Tagen umzusetzen ist Harakiri. Wenn es klappt, ist es faktisch wieder einmal dem Engagement der Lehrerinnen und Lehrer zu verdanken, die Schule irgend­wie funktionieren zu lassen, aber sicher nicht dem Bundesminister für Bildung und schon gar nicht dem fragwürdigen Demokratieverständnis unseres Kanzlers. (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

11.46


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Heike Grebien. – Bitte.


11.46.21

Abgeordnete Heike Grebien (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Sehr geehrte KollegInnen! Sehr geehrte ZuseherInnen! Heute hätte eigentlich das Sensibilisierungsangebot für Sie als Abgeordnete stattfinden sollen. Aufgrund der hohen Infektionszahlen haben wir gemeinsam mit der Parlamentsdirektion entschieden, dieses zu verschieben. Wir werden im ersten Halbjahr 2021 einen neuen Anlauf nehmen. Danke an alle KollegInnen aller Fraktionen, der Parlamentsdirektion sowie dem Nationalratspräsidenten für die Unterstützung, vor allem aber danke ich den Organisationen und Vereinen, die sich bereit erklärt hätten, unter diesen schwierigen Umständen Angebote für Sie zu schaffen. – Vielen Dank, und wir sehen uns im nächsten Halbjahr.

Nun zum Budget: Als Sprecherin für Menschen mit Behinderungen des Grünen Klubs möchte ich mich trotz dieser herausfordernden Zeiten freuen, denn wir haben es geschafft, für das Jahr 2021 und 2022 aus den allgemeinen Budgetmitteln jährlich 40 Millionen Euro zusätzlich für Maßnahmen zur beruflichen Inklusion von Menschen mit Behinderungen zur Verfügung zu stellen. Nach unseren Berechnungen können so knapp 7 000 Menschen mehr an einer Ausbildungs- und Qualifizierungsmaßnahme teilneh­men. Das ist ein enorm wichtiger Schritt, meine Damen und Herren, denn durch diese Maßnahmen werden Menschen mit Behinderungen gut auf die kommende Arbeits­marktsituation vorbereitet. In Kombination mit BetriebskontakterInnen beziehungsweise KeyaccountmanagerInnen, die auf die Betriebe aktiv zugehen werden, bin ich überzeugt, dass Menschen mit Behinderungen danach leichter einen Job finden werden, und das ist und war ja unser Ziel. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die Covid-19-Krise rückt auch ein anderes Thema wieder in den Vordergrund, nämlich das Thema der Deinstitutionalisierung. Um dem Artikel 19 der UN-Behinderten­rechts­kon­vention gerecht zu werden – selbstbestimmtes Leben und Inklusion in der Ge­mein­schaft –, werden im Bereich der Wohneinrichtungen von einigen Trägern bereits Über­legungen angestellt, die ein inklusives Wohnen und Leben ermöglichen sollen. Gleichzeitig gibt es bereits erfolgreiche Pilotprojekte, zum Beispiel den Garconnieren­verbund vom Verein Habit oder auch die inklusive Wohngemeinschaft, in der ich leben durfte.

Im Pflegebereich haben wir das Projekt der Communitynurses in Planung und budgetiert. Eine weitere Maßnahme ist die Einführung eines großen Pilotprojekts einer umfas­senden persönlichen Assistenz, wobei es gelungen ist, dafür 20 Millionen Euro zu sichern.

All diese Maßnahmen haben ein Ziel, nämlich die Inklusion von Menschen mit Behin­derungen am Arbeitsmarkt sowie in der Gemeinschaft voranzutreiben und selbstbe­stimmtes Leben im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention zu ermöglichen. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

11.49



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 98

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Erwin Angerer. – Bitte.


11.49.28

Abgeordneter Erwin Angerer (FPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren der Regierung! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Herr Klubobmann Wöginger hat heute in seinem Redebeitrag gemeint, dieses Budget steht auf einem soliden Fundament. Ich möchte sagen, dass dieses Budget maximal ein Drehbuch für die Serie „Pfusch am Bau“ ist; Herr Nussbaum hätte wohl kaum ein Problem, die Tragfähigkeit dieses Fundamentes infrage zu stellen.

Wenn wir uns die letzten Wochen und Monate anschauen, sehen wir, dass IHS und Wifo kaum nachkommen, die Prognosen zu ändern. Wir haben noch im Oktober von einem Minus von 6,8 Prozent gesprochen, mittlerweile sind es 7,7 Prozent, und nach dem Lockdown geht es Richtung 9 Prozent. Die Wirtschaft wird sich in den nächsten Jahren wesentlich schwächer erholen als angenommen. Von einem Wirtschaftswachstum von 4 Prozent im nächsten Jahr sind wir mittlerweile schon weit entfernt.

Was ist von der Budgetrede unseres Herrn Finanzministers eigentlich übrig geblieben? – Der Herr Finanzminister hat uns in seiner Budgetrede vor einem Monat erklärt: vorüber­gehend Schulden machen; wir dürfen den Wohlstand nicht auf Kosten unserer Kinder finanzieren; Schuldenleugner sind Klimaleugner; langfristig hohe Staatsschulden scha­den unserer Gesellschaft; auch günstiges Geld muss zurückgezahlt werden – und, und, und. Er hat aber gemeint, wir könnten uns das leisten, weil es in den letzten Jahren eine solide Budgetpolitik gegeben habe, und es werde alles getan, um einen zweiten Lockdown zu verhindern.

Mittlerweile fragen sich aber viele Österreicher: Was wurde getan, um diesen zweiten Lockdown zu verhindern? (Zwischenruf des Abg. Obernosterer.) Wurden die Kapazi­täten in unseren Spitälern erhöht? Wurde mehr Personal eingestellt? Hat es Konzepte gegeben oder gibt es Konzepte, damit unsere Schulen nicht geschlossen werden, wie es jetzt passiert? Gibt es für die Wirtschaft planbare Regeln, damit sie sich auf diese Situation einstellen kann? Warum werden Beatmungsgeräte ins Ausland verliehen, wenn der einzige Grund eines Lockdowns der ist, dass unser Gesundheitssystem über­lastet werden könnte? Es sind viele Fragen, die sich stellen, es gibt darauf aber keine Antworten.

Was ist in den letzten Wochen jedoch wirklich passiert? – Wir haben den zweiten Lock­down. Es wird ein Schaden von mindestens 3 Milliarden Euro, der für die Wirtschaft eintreten wird, prognostiziert. Die Staatsschuldenquote wird von bisher angenommenen 85 Prozent auf 90 Prozent steigen, und die Wirtschaft wird wieder massiv geschädigt. Herr Finanzminister Blümel hat Figl zitiert und gemeint: „Ich bitte euch: Glaubt an dieses Österreich!“ – Ich kann Ihnen sagen: Die Österreicher glauben an dieses Land, sie glauben aber schon lange nicht mehr an diese Regierung. (Beifall bei der FPÖ.)

Die traurige Realität, die uns und vor allem unsere Zukunft einholen wird, ist, dass die Schulden von heute die Steuern von morgen sein werden – wir reden von Staats­schulden in der Höhe von 60 Milliarden Euro, die in diesen zwei Jahren die Folge der Maßnahmen dieser Regierung sein werden. Wenn man das umrechnet, sind es rund 14 000 Euro mehr pro Erwerbstätigem. Das heißt, jeder erwerbstätige Österreicher hat jetzt 14 000 Euro mehr Schulden. Man könnte damit zwölfmal die Koralmbahn finanzieren, man könnte 150 000 Einfamilienhäuser bauen: Das sind 60 Milliarden Euro, die die Regierung mit diesen Maßnahmen zu verantworten hat.

Wir könnten uns das leisten, hat unser Finanzminister gemeint, doch offensichtlich kön­nen wir es uns nicht leisten, denn die ÖVP beginnt mit einem rigorosen Sozialabbau: Noch diese Woche soll die Hacklerregelung wieder abgeschafft werden. 45 Jahre Arbeit


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sind für ÖVP und Grüne offensichtlich nicht genug. Die 40 bis 70 Millionen Euro, die die Hacklerregelung pro Jahr kosten würde, können wir uns offensichtlich nicht leisten.

Im Gegenzug dazu leisten wir uns aber, dass wir ab 2021 400 Millionen Euro mehr an Brüssel zahlen. Im Gegenzug dazu leisten wir uns aber, dass bis heute Großkonzerne wie Amazon und Google verschont bleiben und immer noch die großen Gewinner dieser Krise sind. Da hilft Ihr Appell, Herr Kollege Haubner von der ÖVP, sehr wenig. Amazon und Google werden die großen Gewinner dieser Krise sein und bleiben bis dato von allen Zahlungen, die sie zu leisten hätten, verschont. Das ist aus unserer Sicht der falsche Weg: heute die Kaufkraft zu reduzieren und den Leuten, die in diesem Land schwer gearbeitet und es aufgebaut haben, ihre verdiente Pension zu streichen und wegzunehmen.

Was es braucht, ist Unterstützung für die Wirtschaft und die Bevölkerung in dieser schwierigen Phase, und deshalb braucht es entsprechende konjunkturelle Maßnahmen. Ich bringe daher wieder unseren Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Österreich-Gutschein“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, jedem österreichischen Staatsbürger Gut­scheine im Wert von insgesamt 1.000.- Euro auszustellen, die bis 31. Dezember 2020 nur bei heimischen und in Österreich steuerpflichtigen Betrieben eingelöst werden kön­nen.“

*****

Das wäre eine sinnvolle Maßnahme: für die rund 7,4 Millionen Österreicher jeweils einen Gutschein in der Höhe von 1 000 Euro. Davon würden rund 2,4 Milliarden Euro wieder direkt in das Sozialsystem und als Steuereinnahmen zurückfließen. Das würde die Wirtschaft entsprechend beleben und die Kaufkraft entsprechend stärken. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

11.55

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Michael Schnedlitz, Erwin Angerer, Peter Wurm

und weiterer Abgeordneter

betreffend "Österreich-Gutschein"

eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 1, Bericht des Budget­ausschusses über die Regierungsvorlage (408 d.B.): Budgetbegleitgesetz 2021 (440 d.B.) in der 62. Sitzung des Nationalrats (XXVII.GP) am Dienstag, 17. November 2020

Die Maßnahmen der Bundesregierung im Zuge der Coronakrise führen zu einer his­torischen Wirtschaftskrise. Mehr als 1,8 Millionen Menschen haben in den letzten neun Monaten ihre Arbeit verloren oder haben durch die Kurzarbeit deutliche weniger


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Einkommen. Zigtausende Wirtschaftstreibende haben ebenfalls ihre Einkommens­grun­dlage verloren. Und mit all diesen Menschen auch ihre Familien!

Die österreichische Wirtschaft ist am Boden, zigtausende Betriebe wurden zwangs­geschlossen. Ob viele Betriebe, Gastronomiebetriebe, Touristiker, Handwerker, aber auch Dienstleister die Corona-Maßnahmen der Regierung wirtschaftlich überleben, darf angezweifelt werden. Dass die Auftragslage plötzlich wieder in die Höhe schießt, ist unwahrscheinlich. Sämtliche Wirtschaftsforscher prognostizieren eine schwere Rezes­sion. Hand in Hand mit einer drohenden gigantischen Pleitewelle geht der Konsum­schock. Die österreichischen Familien und die heimischen Wirtschaftstreibenden haben nichts von Versprechungen. Von Hoffnung allein können sie nicht leben, sie brauchen jetzt

konkrete Hilfe und Sicherheit.

Wenn wir die massiven Pleitewellen abfedern wollen und die Kaufkraft stärken, braucht es schnelle Maßnahmen, die möglichst viele Menschen erreichen und besonders schnell die Kaufkraft österreichischer Familien stärken. Jeder Österreicher und jede Öster­reicherin - etwa 7,4 Millionen Menschen - soll völlig unabhängig vom Alter einen sogenannten Österreich-Gutschein in der Höhe von 1.000.- Euro erhalten. Für eine vierköpfige Familie sind das 4.000.- Euro.

Von dieser unbürokratischen Soforthilfe für österreichische Familien und heimische Betriebe in Höhe von rund 7,4 Mrd. Euro, die Arbeitsplätze sichert, die Wirtschaft ankurbelt und somit natürlich indirekt auch dem Sozialsystem zugutekommt, fließen rund 2,5 Mrd. Euro direkt in Form von Steuereinnahmen zurück in den Bundeshaushalt.

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten daher nach­ste­hen­den

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, jedem österreichischen Staatsbürger Gut­scheine im Wert von insgesamt 1.000.- Euro auszustellen, die bis 31. Dezember 2020 nur bei heimischen und in Österreich steuerpflichtigen Betrieben eingelöst werden kön­nen."

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Angela Baumgartner. – Bitte.


11.55.51

Abgeordnete Angela Baumgartner (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie im Frühjahr treffen der Lockdown und das Budget aufeinander. Unser Finanzminister hat ein Budget vorgelegt, das nicht nur abfedern soll, sondern auch die Weichen für die Zukunft stellt. In diesem Budget besteht noch Spielraum, da für Covid-Hilfsmaßnahmen mehr budgetiert als bisher ausbezahlt wurde.

Gesundheit ist derzeit der Schlüssel für die Entwicklung der Wirtschaft. Ich habe in meiner letzten Rede schon einen Appell an die Opposition gerichtet: Für parteipolitisches Hickhack ist jetzt wirklich kein Platz. Wir müssen das Virus gemeinsam bekämpfen, um


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eine Erholung unserer Wirtschaft zu ermöglichen. Es geht uns weiterhin darum, den Standort Österreich und unsere Unternehmen zu schützen.

Natürlich kommen mit dem zweiten Lockdown erhebliche Schäden auf die heimische Volkswirtschaft zu. Diese sind laut IHS aber geringer als im Frühjahr, und ohne diesen Lockdown wären die Schäden vermutlich noch größer. Die Staatshilfen werden auf alle ausgeweitet, die aufgrund des erweiterten Lockdowns ihren Betrieb schließen mussten. Wir haben einen Mix aus Rettungs- und Hilfsmaßnahmen und diese sind absolut notwendig.

Es gibt kein Land in Europa, das so viel Geld wie Österreich in die Hand nimmt. Wie die Experten beim Budgethearing mitgeteilt haben, wirken die Maßnahmen – sonst würde es mehr Insolvenzen geben und die Arbeitslosigkeit wäre viel höher. Mit Investitionen in Digitalisierung, Bildung, Sicherheit und den Arbeitsmarkt wollen wir Österreich wieder auf guten Kurs bringen. Die Experten gehen davon aus, dass das zweite Quartal 2021 besser als das heurige dritte Quartal werden wird. Eine Voraussetzung dafür ist natürlich, dass es ab Jänner wieder Tourismus gibt. Wir sind ein Tourismusland, und deshalb kann Österreich nicht mit Deutschland, das ja angeblich wirtschaftlich besser als wir durch die Krise kommt, verglichen werden. Deutschland hat viel weniger Tourismus als wir. Die Experten sagen auch, dass vielleicht erst in zwei oder drei Jahren absehbar sein wird, welche Länder besser aus der Krise kommen werden.

Mittelfristig müssen wir aber wieder auf einen nachhaltigen Budgetpfad zurückkommen. Das heißt, wir müssen unseren Haushalt ordentlich führen und die Schuldenquote wieder beträchtlich senken. Dass das funktioniert, haben wir mit dem Budget 2018 und 2019 bewiesen. Es geht darum, wichtige Reformen, die wir schon vor der Krise angehen wollten und die auch im Regierungsprogramm stehen, umsetzen zu können. Das geht nur mit einem ordentlichen Haushalt.

Im Jahr 2015 hatten wir eine Staatsverschuldung von 85 Prozent des BIPs. Anfang 2020 lag die Verschuldung bei 70 Prozent. Bis Ende des Jahres wird sie wahrscheinlich wieder auf 85 Prozent ansteigen. Man sieht: Den in den Vorjahren erwirtschafteten Budgetüberschuss können wir jetzt in der Krise sehr gut gebrauchen. Man kann es auch mit den Worten von Joschi Kirschner sagen: Man muss „rechtzeitig drauf schauen, dass man’s hat, wenn man’s braucht“. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Ernst-Dziedzic.)

11.59


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Josef Schellhorn. – Bitte.


11.59.18

Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Frau Präsident! Geschätzter Herr Vize­kanzler! Liebe Regierungsmitglieder! Herr Finanzminister! Da es mehrere Abgeordnete der ÖVP gegeben hat, die mich zitiert haben, aber offensichtlich Angst haben, meinen Namen auszusprechen – erst Kollege Kopf hat es gesagt –, stehe ich nicht an (Zwischenruf bei der FPÖ), zu sagen: Es hat schnell geklappt und es hat gut geklappt. Ich stehe auch nicht an, zu sagen, dass ich jetzt schon das Geld auf dem Konto habe.

Da schlagen zwei Herzen in meiner Brust: zum einen jenes des Unternehmers, der sagen muss: Endlich ist einmal etwas schnell gegangen, endlich ist einmal etwas kom­pakt und flüssig gegangen, ohne großen Bürokratieaufwand. – Das stimmt, da muss man auch Anerkennung zollen. (Beifall und Bravoruf bei der ÖVP.)

Jetzt aber will ich zum nächsten Punkt kommen – wie Sie, Herr Finanzminister, es auch immer wieder gesagt haben –, nämlich dass das Budget in Zahlen gegossene Politik ist. Diesem Budget, das Sie vorgelegt haben, fehlt die Komponente Zukunft. Und zur Kom­ponente Zukunft: Auch betreffend Einnahmen und Ausgaben brauchen wir Zukunft.


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(Abg. Wöginger: Jetzt hat die Rede gut begonnen!)  Ja, Gust Wöginger, ich komme gleich zu dir. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Um in die Zukunft zu schauen, muss man weiterdenken – und da komme ich wieder auf den 80-prozentigen Umsatzersatz –: Diese Coronazahlen sind de facto nicht vom Himmel gefallen und sie verschwinden am 8. Dezember nicht in der Hölle. Der springende Punkt ist: Was machen wir eigentlich, wenn der Lockdown, vor allem für den Tourismus, noch länger gilt? Gibt es dann auch den 80-prozentigen Umsatzersatz?

Kollege Ottenschläger hat mich zwar nicht namentlich zitiert, aber er hat gemeint, dass das widersprüchlich ist. – Nein, es ist nicht widersprüchlich, denn wenn man den 80-prozentigen Umsatzersatz im Dezember für den Handel und für den Tourismus fortsetzt, dann sind wir sofort in einem zweistelligen Milliardenbereich, und dann fliegt dem Finanz­minister das Budget so um die Ohren, dass er sich vorne und hinten nicht mehr auskennt. Das ist der springende Punkt! (Beifall bei den NEOS.)

Daher haben wir gesagt, dass die 800 000-Euro-Obergrenze beihilfenrechtlich der völlig falsche Zugang ist und dass wir beihilfenrechtlich doch einmal prüfen sollten, wie es mit Art. 107 Abs. 2 lit. b, dem Katastrophenparagraf, vereinbar ist, dass wir – das wäre viel zielgerichteter; das ist das zweite Herz, das in meiner Brust schlägt – eine Verlust­kompensation fortschreiben. (Beifall bei den NEOS.)

Wir müssen ja weiter denken als nur bis zum 8. Dezember. Meine Vorrednerin hat so beiläufig gesagt – es scheint nur niemandem aufgefallen zu sein –: Der Tourismus wird Mitte Jänner wieder aufsperren. Ich als Unternehmer weiß nichts von dieser Planbarkeit. Aus Ihnen ist offensichtlich der Satz herausgesprudelt. In der Regierung wird man schon danach trachten, langsam wieder hinaufzufahren. Das heißt, dass der Tourismus nicht vor dem 15. Jänner hinauffahren wird, um die Wintersaison zu retten. – Ja, aber dann braucht es den Mut des Finanzministers, zu sagen, was im Jänner und was vor allem im Dezember passiert. Das wünsche ich mir vom Vizekanzler, der Volkswirt ist, und insbe­sondere vom Finanzminister. (Beifall bei den NEOS.)

Wenn Sie sich mit den Unternehmern unterhalten, dann geht es jetzt vor allem um eines: Liquidität, Liquidität, Liquidität! Darum war das jetzt auch so wichtig, um das Weih­nachtsgeld auszahlen zu können. Es wird aber viel wichtiger sein, dass wir bilanzieren können, dass viele Betriebe am 31. Dezember überhaupt bilanzieren können. Dazu braucht es Planungssicherheit und Mechanismen. Diese wünsche ich mir von der Re­gierung, weil wir – und viele Betriebe – genauso unschuldig in diese Katastrophe ge­schlittert sind. Obwohl wir heute noch genauso unschuldig sind, gibt es in manchen Bereichen, vor allem im Westen, überhaupt noch keine Entschädigung nach dem Epide­mie­gesetz. Diese Liquidität fehlt den Betrieben, das bräuchten wir jetzt.

Da Kollege Haubner auch Franz Schellhorn zitiert hat: Ja, er geht auch mit euch kritisch um, er ist euch gegenüber nicht nur positiv eingestellt, sondern kritisiert diesen schwer­fälligen Staatsapparat. (Zwischenruf des Abg. Obernosterer.) – Kollege Obernosterer, ja, es ist wichtig, Investitionszuschüsse zu haben. Was aber hilft mir ein Investitions­zuschuss, wenn ich einen schwerfälligen Staatsapparat habe und meine Bewilligung, damit ich überhaupt investieren kann, über sechs Monate dauert? Das ist der Punkt! (Beifall bei den NEOS.)

Das sind Anreize, die völlig richtig, aber nicht maßgebend sind. Was brauchen wir da­her? – Es sind vier Punkte: Wir müssen jetzt danach trachten, noch einmal über den EU-Rahmen nachzudenken, um diesen effizient auszuschöpfen, Herr Finanzminister. Wir müssen jetzt danach trachten, die Liquidität zu garantieren und vor allem die Betriebe bilanzieren zu lassen, weil die Banken spätestens dann einen Betrieb fällig stellen müssen. Die Banken selbst sprechen jetzt davon: Wenn wir nicht rasch reagieren, haben wir spätestens Mitte des Jahres 2021 30 Milliarden Euro an faulen Krediten hängen!


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Dann aber fliegt uns das Budget noch einmal um die Ohren, denn dann müssen wir wahrscheinlich irgendwelche Banken retten, und das ist das nächste Problem.

Wir brauchen vor allem für die Wintersaison eine Rettung, aber auch diesen soge­nannten Schutzschirm. Geben Sie den Unternehmen die Möglichkeit, zusperren zu können! Was machen Unternehmer vor allem in Hinblick auf den Winter? – Sie stellen Liquidität vor Rentabilität. Sie zahlen eh schon drauf und kriegen aber de facto ganz lange keine Abgeltung. Wie funktioniert Wintertourismus mit Anzahlungskonten? – Kollege Obernosterer weiß es, nur: Diese Anzahlungskonten sind leer, das heißt, es fehlt ihnen an Liquidität. Sie müssen die Möglichkeit haben, auch dann erst aufsperren zu können, wenn sie Rentabilität erwarten können.

Zu guter Letzt, Herr Finanzminister, brauchen wir vor allem eines: sanieren statt schließen. Wir müssen darüber nachdenken, wie wir Betriebe sanieren können, welche Möglichkeiten wir auf die Wege bringen können, sodass nicht nur geschlossen wird, denn damit wäre nicht nur ein unternehmerisches Schicksal besiegelt, sondern das wäre auch mit einem privaten Schicksal verbunden.

Daher bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Vorschlag für ein Gesamtkonzept für Wirtschaftshilfen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, einen umfassenden Maßnahmenkatalog vorzu­legen, in dem konkrete Wirtschaftshilfen für besonders betroffene Unternehmen enthal­ten sind, insbesondere (im Sinne der Begründung) kapitalerhaltende und ‑stärkende Maßnahmen sowie überfällige Reformpakete zur Anregung des Wachstums, und in dem der dynamischen und zyklischen Entwicklung des COVID-19 bedingten Infektions­ge­schehens hinreichend Rechnung getragen wird, inklusive eines völligen Ausfalls des Wintertourismus.“

*****

Ich bitte um eure Zustimmung. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

12.06

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Josef Schellhorn, Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Vorschlag für ein Gesamtkonzept für Wirtschaftshilfen

eingebracht im Zuge der Debatte in der 62. Sitzung des Nationalrats über das Budgetbegleitgesetz 2021 (440 d.B.)– TOP 1

Die aktuelle Wirtschaftskrise als Folge der schweren COVID-19-Epidemie stellt Unter­nehmen vor zahlreichen Herausforderungen. Unternehmer_innen brauchen schnelle und unbürokratische Hilfe sowie Verlässlichkeit die über die Dauer des aktuellen Lock­downs weit hinausgeht. Die Maßnahmen der Bundesregierung erfolgen mitunter stark


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verspätet, ein Gesamtkonzept zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen inklusive allfälliger zukünftiger Entwicklungen fehlt komplett.

Folgende Punkte sollen jedenfalls Teil eines Gesamtpaket sein:

1. EU-Rahmen voll ausschöpfen: aktuelles EU-Beihilfenrecht ermöglicht eine Hilfe basierend auf drei Säulen, um Unternehmen zu stützen. Zwei Säulen können jederzeit zur Verfügung stehen, eine Säule könnte zur Verstärkung aufgestellt werden, falls es wie aktuell zu einem Lockdown kommt.

a. Es gilt daher, so rasch wie möglich das gesamte Beihilfenrecht auszunutzen und einen Fixkostenzuschuss (FKZ) auch nach 107(2)(b) für den Fall des Lockdowns umzusetzen - Unternehmen, die behördlich geschlossen werden, wissen, dass sie für diese Zeit mit einem Verlustausgleich rechnen können. Weitere Lockdowns sollen unbedingt verhin­dert werden - trotzdem sollen in rechtzeitigen Gesprächen mit der Europäischen Kom­mission Hilfen vorbereitet werden, um bei Schließung schnell wirken zu können.

b. Durch den FKZ II wissen Unternehmen, wie stark ihre Verluste kompensiert werden. Das ist ein essenzielles Vertrauenssignal. Die Zeit drängt, weil es mit einem 31.12. einen neuen Bilanzstichtag gibt und man keinen unsicheren Anspruch auf den FKZ in der Bilanz einstellen kann.

2. Rasche Hilfe: Es ist entscheidend, den Fixkostenzuschuss Phase 2 nachhaltig und rasch aufzusetzen. Bis zum Jahresende sollte klar sein, wie mit Verlusten und Schließun­gen umgegangen wird. Unternehmen brauchen aber auch Klarheit, wie die Verluste seit dem ersten Lockdown cash-wirksam kompensiert werden, wenn ihnen Aufträge wegge­brochen sind. Der Fixkostenzuschuss soll sowohl für den Lockdown-Fall als auch für den Nicht-Lockdown-Fall wirken. Es werden sich zwar je nach Lockdown die beihilfen­recht­lichen Möglichkeiten ändern, aber es darf sich für Unternehmen der Behördenweg und das Instrument nicht ändern.

3. Vorsorgen für den Ausfall der Wintersaison: Zusagen für die Zeit bis 31.12. sollten rasch erfolgen, mit einer klaren Perspektive bis Juni 2021 verlängert zu werden. Da sich ein (nahezu) kompletter Ausfall des heurigen Wintertourismus’ abzeichnet, bräuchte es ein effektives Moratorium, um eine große Pleitewelle zu vermeiden. Als Indikatoren sollten die Entwicklung der Infektionszahlen (samt Prognosen), aufrechte Reisebe­schränkungen bzw. Quarantäneauflagen innerhalb der EU-MS sowie die Entwicklung der Buchungslage herangezogen werden.

4. Kapitalstrategie auf den Tisch: Das Jahr 2020 wird sicher "kein Geschäft" für öster­reichische Unternehmen sein. Wir brauchen sehr rasch wirksame Kapitalinstrumente für kleinere und mittlere Unternehmen zur Erhaltung der nötigen Liquidität sowie frische Impulse für die Entstehung neuer Jobs. Dies könnte u.a. durch eine zeitlich befristete Senkung der Lohnnebenkosten für Unternehmen, die neue Mitarbeiter anstellen (lang­fristige Senkung der Abgabenlast - siehe unten), die Einführung eines KMU Equity Fund (vgl. NEOS Anträge) oder eines branchenspezifischen KMU-Beteiligungsfonds über die ÖHT erreicht werden

5. Konkrete Maßnahmen für eine rechtliche Neugestaltung von Home Office: Maß­nahmen zur Reduktion sozialer Kontakte im Arbeitsumfeld. Die COVID-Krise hat gezeigt, dass Home Office in Österreich zu weiten Teilen noch nicht geregelt ist und daher in der Praxis zahlreiche Fragen offen sind. Hier braucht jetzt Maßnahmen und nicht erst im März 2021. Folgende Punkte müssen überarbeitet werden:

a. Reform des Arbeitsrechts, um eine flexiblere Gestaltung der Arbeitszeit zu ermög­lichen


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b. Das Steuerrecht ist ebenfalls nicht auf der Höhe der Zeit. Auch sind die Aufwendungen für ein Arbeitszimmer im Wohnungsverband nur unter besonderen Bedingungen steuerlich relevant. Auch Einrichtungsgegenstände des Arbeitszimmers, wie etwa Regale, können nicht steuerlich geltend gemacht werden.

c. Arbeitsinspektion virtuell ermöglichen, um eine Evaluierung der Arbeitsstätte via Videokonferenz möglich zu machen.

d. Betriebsvereinbarungen stärken: Das Abschließen von Betriebsvereinbarungen ist leider nicht die österreichische Norm und verhindert daher häufig maßgeschneiderte Lösungen.

e. Sozialversicherungsrechtliche Fragen für Grenzgänger klären.

6. Sanieren statt Schließen – zweite Chance für Unternehmen durch neues Insol­venzrecht: Aufgrund der Förderstruktur des österreichischen Insolvenzrechts sowie der mangelnden Mentalität der Unternehmer_innenkultur steht uns eine Kündigungswelle bevor, die auch vieles vernichten wird, das nach der Krise wieder gebraucht wird. Sanierungsverfahren werden oft zu spät begonnen. Jeder Tod eines Unternehmens vernichtet Vermögen, Know-How und schafft Arbeitslose. Es braucht daher eine Attrak­tivierung des Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung (keine Mindestquote, Debt Equity Swaps, etc.) und rasche Umsetzung der RL 2019/1023 (RL über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungs­ver­fahren).

7. Reformpaket - mit Turbo aus der Krise: langfristige Senkung der Abgabenlast, Einführung einer GmbH Zero, umfassender Dialog über eine dringende Reform der Gewerbeordnung mit allen Stakeholdern (Unternehmen, Verbände und Parteien), Ein­richtung eines One-Stop-Shop, Reform der Lehre sowie deutlich höhere Investitionen in digitale Präsenz v.a. von KMU.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, einen umfassenden Maßnahmenkatalog vorzu­legen, in dem konkrete Wirtschaftshilfen für besonders betroffene Unternehmen enthal­ten sind, insbesondere (im Sinne der Begründung) kapitalerhaltende und stärkende Maßnahmen sowie überfällige Reformpakete zur Anregung des Wachstums, und in dem der dynamischen und zyklischen Entwicklung des COVID-19 bedingten Infektions­ge­schehens hinreichend Rechnung getragen wird, inklusive eines völligen Ausfalls des Wintertourismus.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Nun hat sich Frau Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Präsidentin.


12.07.01

Präsidentin des Rechnungshofes Dr. Margit Kraker: Werte Frau Präsidentin! Ge­schätzte Damen und Herren Abgeordnete! Das Bundesbudget 2021 und auch die jetzige Debatte sind davon gekennzeichnet, dass staatliche finanzielle Mittel in Milliardenhöhe


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zur Verfügung gestellt werden, um die vielfältigen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf die Gesellschaft abzufedern.

Viele Dinge sind nach wie vor unklar, denn wir sind noch mitten in der Krise, und ich sage hier: In der Krise muss der Staat für Stabilität sorgen, er muss liefern, sei es in Bezug auf die Gesundheit, auf den Arbeitsmarkt, auf die Wirtschaft, auf den Sozial- und Bildungsbereich oder den Tourismus. Das ist, glaube ich, unbestritten, das hat jetzt – ich sage dies am ersten Tag des zweiten Lockdowns in Österreich – absolute Priorität, und das sieht auch der Rechnungshof so.

Die aktuelle Situation führt uns zugleich aber auch mehr denn je vor Augen, wie wichtig es ist, dass öffentliche Systeme stabil und krisenfest sind. In den sogenannten guten Zeiten dürfen wir dann auch nicht vergessen, dass wir vorsorgen müssen, und dazu gehört auch der wirksame und transparente Mitteleinsatz, für dessen Prüfung der Rechnungshof zuständig ist.

Die zahlenmäßige Abrechnung eines Finanzjahres erfolgt im jeweiligen Bundesrech­nungsabschluss im Jahr darauf. Es ist zwar jetzt die Generaldebatte zum Budget 2021, aber mit zur Debatte steht der Bundesrechnungsabschluss 2019, der eben auch erst im Budgetausschuss am 6. November beschlossen wurde.

Das Jahr 2019 war ein gutes Finanzjahr. Es war ein konjunkturell gutes Jahr, und diese damals noch gute Konjunktur brachte hohe Steuereinnahmen. Sie waren ein wesent­licher Grund dafür, dass es im Ergebnis und im Finanzierungshaushalt Überschüsse gab. Die Finanzschulden des Bundes sanken 2019 im Vergleich zum Jahr 2018 sowohl in Prozenten des BIP als auch nominell. Der Ergebnishaushalt brachte im Jahr 2019 mit 819 Millionen Euro ein positives Nettoergebnis, im Finanzierungshaushalt wurde ein ebenso positiver Nettofinanzierungssaldo von 1,48 Milliarden Euro erzielt. Die Abgaben­erträge stiegen um 2,5 Milliarden Euro und die Aufwendungen dagegen nur um etwa eine gute Milliarde Euro. Die höchsten Abgabenerträge ergaben sich aus der Umsatz­steuer und aus der Lohnsteuer.

Das Vermögen des Bundes stieg um 3,3 Milliarden Euro, die Finanzschulden sanken um 2,8 Milliarden Euro auf in Summe 208,76 Milliarden Euro. Das Nettovermögen blieb weiterhin negativ bei minus 150,7 Milliarden Euro, hat sich aber um 3,6 Milliarden Euro verbessert. Gesamtstaatlich gesehen hat der Staat im Jahr 2019 einen öffentlichen Überschuss von 0,7 Prozent des BIP ausgewiesen. Der öffentliche Schuldenstand ging von 74 Prozent des BIP im Jahr 2018 auf 70,4 Prozent des BIP im Jahr 2019 zurück.

Es wurde heute schon angesprochen: Die Abgabenquote des Gesamtstaates belief sich auf 42,5 Prozent des BIP. Das hatte den Grund, dass das nominelle BIP im selben Zeitraum um 3,3 Prozent stieg, die Steuereinnahmen und Sozialbeiträge konjunktur­bedingt aber um 3,8 Prozent stiegen.

Es gibt einen Bericht, wie wir den Rechnungsabschluss neu gestalten könnten – danach wurde gefragt; das werde ich dem Hohen Haus und dem Finanzministerium vorlegen. Es gibt Vorschläge zur Reform des Rücklagensystems. Und ich möchte Sie an dieser Stelle in aller Kürze darauf aufmerksam machen, dass es auch Evaluierungsergebnisse zur Haushaltsrechtsreform gibt. Da kann man eine Debatte über haushaltsrechtliche Verbesserungen anstoßen, damit eben auch in aktuellen Krisensituationen eine transparente und nachvollziehbare Budgetierung besser möglich ist, denn auf eine transparente Budgetierung bauen dann auch transparente Abschlussrechnungen auf, die Aufschluss darüber geben können, wie der Vollzug war.

Ich darf ankündigen, dass wir im Rechnungsabschluss für das Jahr 2020 und der in diesem Zusammenhang vorgesehenen Darstellung der Finanzierungsströme im Bun­des­haushalt, insbesondere über den Krisenbewältigungsfonds zu den einzelnen


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Untergliederungen des Bundesbudgets, einen Beitrag zur Transparenz leisten möchten, damit die Mittelflüsse von Ihnen auch nachvollzogen werden können. – Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

12.12


Präsidentin Doris Bures: Danke.

Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Meri Disoski. – Bitte.


12.12.33

Abgeordnete Mag. Meri Disoski (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren auf der MinisterInnenbank! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zu­seherinnen und Zuseher! Ich als Frauensprecherin der Grünen kann nicht hier am Pult stehen, ohne eingangs mein Entsetzen mit Ihnen zu teilen. In einem Interview hat gestern der ehemalige ÖVP-Nationalratspräsident und Bundespräsidentschaftskandidat Andreas Khol gemeint, SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner habe danach gerufen, ihr eine aufzulegen.

Frauen, die kritisieren und eine andere Meinung vertreten, sollen also eine Watsche kriegen? – Geht’s noch?! (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

Die Entschuldigung, die dann erfolgt ist, war mehr als nur angebracht, verringert aber nicht mein Entsetzen über diese völlig inakzeptable Verharmlosung von Gewalt an Frauen und auch den ihr zugrundeliegenden strukturellen Sexismus. Ich bin wirklich wütend darüber, dass Männer in Machtpositionen – oder Männer, die solche einmal innehatten – immer, immer, immer wieder glauben, dass sie mit Frauen so umgehen können. Das ist völlig letztklassig, umso mehr, als es vom ehemaligen Präsidenten des Hohen Hauses, dem Nationalratspräsidenten, kommt. (Beifall bei Grünen, SPÖ und NEOS.)

Nun zu meinem eigentlichen Redebeitrag im Rahmen der Generaldebatte, der auf die Pensionsanpassungen fokussiert. Mit der Anhebung der Mindestpension auf 1 000 Euro hat die Bundesregierung mitten in der schwersten Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit nicht nur einen wichtigen Schritt zur Bekämpfung von Altersarmut gesetzt, sondern auch ein starkes Zeichen für soziale Gerechtigkeit. Wie schaut das konkret aus? – Sehen wir uns die Zahlen an: Niedrige Pensionen bis 1 000 Euro steigen um 3,5 Prozent, bis 1 400 Euro fällt die Steigerung linear auf 1,5 Prozent ab und ab 2 333 Euro wird die Erhöhung mit einem Fixbetrag von 35 Euro gedeckelt. Diese Erhöhung der Ausgleichs­zulage bringt MindestpensionsbezieherInnen zusätzlich 440 Euro pro Jahr.

Die Pensionserhöhungen im unteren Bereich kommen insbesondere Frauen zugute. Wieso ist das so? – Von der Anhebung der Ausgleichszulage auf 1 000 Euro profitieren insgesamt rund 200 000 Mindestpensionsbezieherinnen und -pensionsbezieher, über zwei Drittel davon sind Frauen. Mit 42 Prozent ist die geschlechtsspezifische Pensions­lücke zwischen Frauen und Männern in Österreich beschämend hoch, auch im euro­päischen Vergleich. Nur in Malta, in Luxemburg und in den Niederlanden ist der soge­nannte Genderpensiongap höher als in Österreich. Deswegen ist es gut, dass wir mit dieser überdurchschnittlichen Anhebung niedriger Pensionen den Pensiongap abmil­dern. Das freut mich als Frauensprecherin, das freut uns als Grüne natürlich sowieso, weil uns der Kampf gegen Altersarmut bei Frauen ein zentrales Anliegen ist. Mit diesen Pensionsanpassungen gehen wir einen dringenden, wichtigen Schritt, und das ist gut so. (Beifall bei den Grünen.)

Klar ist auch, dass weitere Schritte notwendig sind, dass weitere Schritte folgen müssen. Das sieht man auch, wenn man sich die Trapezstudie anschaut, die das Bundes­kanz­leramt – Sektion Frauen und Gleichstellung – mit Wifo und Forba gemacht hat, die


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beiden Expertinnen Mayrhuber und Mairhuber haben diese Studie durchgeführt. Sie kommen in dieser Studie zu dem Ergebnis, dass wir vor allem auf den strukturellen Ebenen aktiv werden müssen, hinsichtlich Arbeitsmarktpolitik aktiv werden müssen, Lohntransparenz ist ein großes Thema, die strukturellen Rahmenbedingungen im Sinne eines Ausbaus der Kinderbetreuung sind ein großes Thema. Natürlich ist auch die ungleiche Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit von Frauen und Männern ein großes Thema. Das sind die Hauptgründe für diesen Pensiongap im Pensionssystem.

Mit der Ausgleichszulage, die wir heute hoffentlich beschließen werden, gehen wir einen ersten Schritt. Wir werden später im Rahmen des Dringlichen Antrages auch über einen nächsten Schritt sprechen, debattieren, den wir gemeinsam gehen, das ist der Früh­star­terInnenbonus.

Den Grünen und mir als Frauensprecherin ist es natürlich wichtig, dass wir auch im Bereich Arbeitsmarkt bei der ungleichen Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit nächste Schritte gehen. Dafür werden wir uns einsetzen, denn Frauen verdienen Fairness. Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.16


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek. – Bitte.


12.16.55

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Frau Präsidentin! Mitglieder der Bun­desregierung! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zu­seher! Es wurde heute schon sehr viel von Entgleisungen gesprochen. Auch ich kann nicht hier stehen ohne festzustellen, dass der Respekt hier im Hohen Haus manches Mal zu wünschen übrig lässt. Ich muss und will darauf hinweisen, dass ein fast achtzigjähriger ehemaliger Nationalratspräsident absolut nicht angebrachte Äußerungen getätigt hat (Beifall bei der SPÖ) und sich diese verbale Gewalt und diesen Sexismus sparen kann, und übrigens auch manche Kollegen hier – auch hier ist das schon vor­gekommen. Man hat einer Parteivorsitzenden, einer Klubchefin so etwas nicht aus­zurichten! Punkt! Schluss! (Beifall bei SPÖ und NEOS. Abg. Belakowitsch: ... nicht nur ... Parteichefin!)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ein Budget muss Arbeitsplätze sichern, Unter­nehmen retten. Betreffend das Sichern von Arbeitsplätzen ist dieses Budget, obwohl es ein Krisenbudget ist, sehr lasch unterwegs. Die 700 Millionen Euro für das AMS sind bestenfalls ein Zurückgeben von Geld, das schon einmal teilweise weggenommen wurde. Ein Aufstocken des Personals beim AMS – das wurde in vergangener Zeit auch schon einmal zurückgefahren, da wird jetzt wieder ein bisschen dazugegeben. Die soge­nannte Coronaarbeitsstiftung, Zukunftsstiftung – wie immer Sie das nennen wollen – ist ein Qualifizierungsprogramm für die Zukunft und hilft jetzt Arbeitsuchenden viel weniger, als es sein müsste. Das heißt, Arbeitsplätze retten kann dieses Budget nur mangelhaft bis gar nicht.

Unternehmen retten, dazu haben wir heute schon vieles gehört, funktioniert einmal mehr, einmal weniger, im Moment etwas besser. Das sei allen Unternehmerinnen und Unter­nehmern, die jetzt in dieser Krise sehr, sehr leiden, so etwas von gegönnt. Worauf ich heute aber hinaus will, ist: Ein Budget muss auch kleine Einkommen sichern, muss armutsfest und sozialfest gestaltet sein. Auch das findet sich in diesem Budget gar nicht. Wir haben vorige Woche die Budgetbegleitgesetze im Budgetausschuss diskutiert: Die­ser Hunderter für Kinder von Mindestsicherungsbezieherinnen und -beziehern oder Bezieherinnen und Beziehern der Sozialhilfe Neu ist mit 20 Millionen Euro dotiert. Nur


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wenn da Geld übrig bleibt, gibt es auch einen Energiehunderter für ganz arme Familien. Ich sage dazu: Sozialfest ist etwas anderes, das ist damit nicht erfüllt. (Beifall bei der SPÖ.)

Zum Beispiel ist durch die Erhöhung des Frauenbudgets gerade einmal die wichtige Zeitverwendungsstudie abgedeckt, mit der wir nach zehn Jahren wieder einmal fest­stellen können sollten, wer welche Arbeit verrichtet, bezahlt/unbezahlt, um auch als Poli­tikerin und Politiker unsere Schlüsse daraus ziehen zu können. Auch in diesem Bereich ist nicht genug Geld für wirkliche Gewaltschutzmaßnahmen und anderes da.

Weil eine Regierung auch vorausschauend sein müsste, ist diesbezüglich sehr vieles vor den Mikrofonen und bei Pressekonferenzen angekündigt worden, aber sehr wenig davon wurde umgesetzt. Ich möchte nun im Namen meiner Parteivorsitzenden Dr.in Pa­mela Rendi-Wagner einen Entschließungsantrag einbringen, es braucht nämlich, um als Regierung vorausschauend zu sein, Datentransparenz und Kontrolle der Wirksamkeit der Covid-Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung. Es wurde nicht einmal, sondern schon oftmals gefordert, dass es wichtig ist, zu schauen, dass Datengrundlagen trans­parent gemacht werden, dass auch eine wissenschaftliche Begleitung, ein Monitoring erfolgt – von Expertinnen und Experten, die wöchentlich dem Nationalrat, uns, zu berich­ten haben, wie sich die Maßnahmen entwickelt haben. Der Oberste Sanitätsrat ist nicht nachbesetzt worden, der könnte das zum Beispiel leisten.

Ich möchte daher folgenden Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend „notwendige Daten-Transparenz und Kontrolle der Wirksamkeit der Covid-Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung“

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird aufgefordert, sofort eine unabhängige und damit wei­sungsfreie ExpertInnengruppe, einzusetzen. Diese ExpertInnengruppe soll die gelten­den Maßnahmen begleitend evaluieren und deren Treffsicherheit und Wirksamkeit laufend überprüfen, sowie evidenzbasiert Vorschläge für deren Lockerung erarbeiten.

Die ExpertInnengruppe hat dem Nationalrat wöchentlich über ihre Arbeit, inklusive der ihrer Arbeit zugrundeliegenden Daten, einen kurzen Bericht zu übermitteln und diesen auch zu veröffentlichen.“

*****

Das wäre zukunftsfest. (Beifall bei der SPÖ.)

12.22

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr.in Pamela Rendi-Wagner, MSc, Genossinnen und Genossen

betreffend notwendige Daten-Transparenz und Kontrolle der Wirksamkeit der Covid-Maß­nahmen zum Schutz der Bevölkerung


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eingebracht im Zuge der Debatte zum Budgetbegleitgesetz 2021 inklusive Gene­ral­debatte

Die Corona-Pandemie hat Österreich weiter fest im Griff und diese Bundesregierung ist nicht im Stande vorausschauend zu handeln. Die wesentlichste Kritik an der türkis/grü­nen Bundesregierung liegt in der Verabsäumung der Vorbereitung und an dem „Nichts­tun“ über die Sommermonate. Längst hätten die Maßnahmen gut durchdacht, überlegt und mit Begutachtung vorbereitet werden können, denn viele Expertinnen und Experten haben vor der Verbreitung des Virus im Herbst und Winter gewarnt. Doch die Regierung hat die Zeit verschlafen.

Jetzt musste wieder überhastet gehandelt werden, weil die Infektionszahlen in die Höhe katapultiert sind und das Gesundheitssystem zu überlasten drohte.

Obwohl die Entwicklungen vorhersehbar waren, hat die türkis/grüne Regierung die Kon­trolle über das Infektionsgeschehen verloren. Die schwierige Situation, vor der wir jetzt stehen, hat die Bundesregierung zu verantworten.

Eine Überbelastung der Intensivstationen, deren Auswirkung jede und jeden von uns treffen kann, vor allem aber unsere ältere Generation besonders gefährdet, muss mit allen Mitteln verhindert werden. Aufgrund des Versagens der Regierung musste jetzt mit drastischen Maßnahmen gehandelt werden.

Gerade deshalb muss die Zeit des 2. Lockdowns dafür genützt werden, um auf eine langfristig wirksame Corona-Strategie umzustellen. Es ist dringend erforderlich, dass Datengrundlagen transparent aufbereitet werden, die dann für jeden ganz klar den Zusammenhang zwischen den gesetzten Maßnahmen und den zugrundeliegenden Daten und Fakten erkennen lassen.

Dazu braucht es aber eine wissenschaftliche Begleitung und Aufbereitung der nunmehr gesetzten Maßnahmen. Eine unabhängige und weisungsfreie ExpertInnengruppe muss sofort eingesetzt werden, die dieses Monitoring übernimmt. Es muss laufend untersucht werden, ob die Maßnahmen treffsicher und wirksam sind und auch, ob sie das gelindeste Mittel zur Zielerreichung darstellen. Es handelt sich dabei ja um starke Eingriffe in unser aller Grund- und Freiheitsrechte, wie zB bei den Ausgangsbeschränkungen, und diese dürfen nicht länger als unbedingt erforderlich in Geltung sein.

Dieses Monitoring ist unbedingt erforderlich um, evidenzbasiert Lockerungen und An­passungen vorzunehmen, sowie für die Zeit nach den Beschränkungen lernen zu kön­nen. Das muss rechtzeitig evidenzbasiert vorbereitet und nicht wieder alleine der Bundesregierung überlassen werden.

Es braucht die notwendige Transparenz dieses Monitorings durch regelmäßige Berichte der ExpertInnengruppe an das Parlament, damit auch die erforderliche Kontrolle gewährleistet

Der Oberste Sanitätsrat könnte als dieser Corona-Expertenrat fungieren. Dieser wurde zur Pockenepidemie im 19. Jahrhundert installiert, aber im Dezember 2019 nicht mehr nachbesetzt.

Nur durch Transparenz und Kontrolle kann erreicht werden, dass freiheitsbe­schrän­kende Maßnahmen durch die Bevölkerung mitgetragen werden. Und nur diese Akzep­tanz der Bevölkerung wird das Virus zurückdrängen können.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachfolgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:


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„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird aufgefordert, sofort eine unabhängige und damit weisungsfreie ExpertInnengruppe, einzusetzen. Diese ExpertInnengruppe soll die gel­tenden Maßnahmen begleitend evaluieren und deren Treffsicherheit und Wirksamkeit laufend überprüfen, sowie evidenzbasiert Vorschläge für deren Lockerung erarbeiten.

Die ExpertInnengruppe hat dem Nationalrat wöchentlich über ihre Arbeit, inklusive der ihrer Arbeit zugrundeliegenden Daten, einen kurzen Bericht zu übermitteln und diesen auch zu veröffentlichen.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Auch dieser Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß ein­gebracht und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Carmen Jeitler-Cincelli. – Bitte.


12.22.33

Abgeordnete Mag. Carmen Jeitler-Cincelli, BA (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Regierungsmitglieder! Werte Abgeordnete! Geschätzte Zuseherinnen und Zuse­her! Ich muss jetzt leider doch kurz darauf eingehen, Frau Heinisch Hosek, auch wenn es für meine Rede nicht geplant war, aber offen gesagt bin ich ein bisschen baff. Man kann doch nicht immer nur Antidiskriminierung vertreten, wenn es einem gerade ins Kon­zept passt.

Ich meine, wenn man nach Tirol sieht, das sieht, was Ihr Kollege dort von sich gegeben hat, mit „Horizontalen“ und solche Sätze, erlebe ich das genauso. Sie stellen sich allerdings her und sagen: Reden wir über den Ton! – Ich habe noch nie einen Ausschuss wie den letzten mit Bundesministerin Raab erlebt, in dem von Ihrer Fraktion dermaßen aggressiv mit der Ministerin geredet worden ist. (Abg. Heinisch-Hosek: Waren Sie bei ...? Ich meine, ich weiß es ja nicht! Unglaublich!) Sie ist hier gesessen und hat mir unglaublich leidgetan. Ich habe mir gedacht, es kann eigentlich nicht wahr sein, dass man sie in einem normalen Ausschuss so angreift – zumal sie es geschafft hat, 43 Prozent mehr Budget für Frauenangelegenheiten zu generieren. Irgendwie habe ich das Gefühl, bei Ihnen geht es da um etwas anderes. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Es hat damals, glaube ich, einen Schulterschluss zwischen Maria Rauch-Kallat und Ihnen gegeben – das ist etwas, was in diesem Haus passiert ist; man kann es gut finden oder nicht –, dass sogar die Bundeshymne umgedichtet wurde, damit das passt. Ich glaube, Sie sind dem Geist, den Sie damals hatten, nicht mehr in diesem Sinne verbunden (Zwischenrufe der Abgeordneten Heinisch-Hosek und Kollross), weil damals ein anderer Schulterschluss unter Frauen vorhanden war. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Belakowitsch: Sagen Sie das zum Khol auch?)

Zu meinem eigentlichen Punkt: Österreich als Land von Familienbetrieben. Wir haben da draußen Unternehmerinnen und Unternehmer, die auch Väter, Mütter, Coaches, Lehrausbildende und Sponsoren ihrer örtlichen Vereine, angefangen von Fußball- bis zu Sozialvereinen, sind. Diese Menschen sind verzweifelt, und wir haben mit diesem Bud­get in erster Linie dafür zu sorgen, dass wir ihnen in dieser schwierigen Situation helfen.

Jetzt muss ich auch noch auf die NEOS eingehen, weil Sepp Schellhorn – er ist jetzt, glaube ich, nicht mehr im Saal – vorhin gesprochen hat. Ich empfinde das als zutiefst populistisch. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.) Beate Meinl-Reisinger ist hier, ich kann auf sie replizieren: Ich finde, das, was Sie hier sagen, ist die Populismuskeule pur, das ist nichts anderes als das, was teilweise aus einer anderen Ecke kommt, als Strache für


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Akademiker würde ich das bezeichnen. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe der Abge­ordneten Eypeltauer und Meinl-Reisinger.)

Frau Meinl-Reisinger, Mut ist nicht immer laut, Mut ist auch manchmal verantwortlich leise, zurückgezogen und nicht eskalierend. (Abg. Loacker: Womit kennen Sie sich aus? Mit Mut? Das Wort können Sie nicht einmal schreiben! – Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.) Ich erlebe diese permanente Eskalation in einer Seuchensituation, in der wir sind, in der die Unternehmerinnen und Unternehmer wirklich nicht mehr wissen, wie sie weiterkommen – auch die Eltern, keine Frage –, aber manchmal wäre es gut, sich ein bisschen leiser zurückzuziehen und auch an diesem Budget etwas zu lassen.

Ich bin jetzt leider am Ende meiner Redezeit, eigentlich wollte ich auf etwas ganz ande­res eingehen (Ruf: Das ist der Segen der Geschäftsordnung!), auf den ÖHT-Haftungs­rahmen, der für die Hotellerie, aber auch für alle anderen Unternehmen in den Regionen sehr, sehr gut ist. (Abg. Meinl-Reisinger: Nicht so schön formuliert – heißt das, die Opposition möge bitte schweigen?) Wir haben da draußen Bäckereien, die davon abhängig sind. Wir haben da draußen Tischler, wir haben MalerInnen, wir haben Installateure und all die Handelsbetriebe, die dranhängen, die davon profitieren. Ich kann auch nicht nachvollziehen, warum die SPÖ gegen dieses Fördergesetz stimmt. Vielleicht ist es dem Umstand geschuldet, dass in ihren Reihen, wie ich glaube – ich habe eben durchgezählt –, nur drei Menschen mit unternehmerischem Background sind. Ich ver­stehe nicht, warum man bei so etwas nicht mitstimmt, obwohl das eine wirkliche Rettungsaktion für unsere Wirtschaft ist. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Ernst-Dziedzic.)

12.26


Präsidentin Doris Bures: Der nächste Redner ist Herr Abgeordneter Gerhard Kaniak. – Bitte.


12.26.08

Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geschätzte Zuhörer! Man sagt, das Budget ist in Zahlen gegossene Politik. Wenn man das so will, dann muss man sagen, dass das aktuelle Budget das in Zahlen gegossene Versagen der Bundes­regierung bei der Bewältigung der Coronakrise und eine Fortsetzung der Desinfor­mationsideologie gegenüber dem österreichischen Parlament und der österreichischen Bevölkerung ist.

Unser sehr geehrter Herr Bundesfinanzminister Blümel rechnet für das kommende Jahr bei Einnahmen von 75 Milliarden Euro mit Ausgaben von knapp 98 Milliarden Euro und damit mit einem satten Defizit von 22,6 Milliarden Euro beziehungsweise einem Maastrichtdefizit von 9,8 Prozent. Diese Zahlen, sehr geehrte Damen und Herren, sind sogar noch schöngerechnet, ja veraltet, denn sie basieren auf einer Prognose, die den aktuellen harten Lockdown gar nicht berücksichtigt.

Lassen Sie es mich plastisch und bildlich formulieren: Der Herr Bundesminister für Finanzen Blümel steuert das Schiff der österreichischen Finanzen durch den Nebel von falschen Zahlen auf eine düstere Zukunft für unsere Bevölkerung zu. Die Regierung hat offensichtlich aus den Erkenntnissen und den Erfahrungen des ersten Lockdowns und der ersten Welle überhaupt nichts gelernt, denn eines ist klar, ein Lockdown, wie er jetzt durchgeführt wird, richtet mehr Schaden an, als dass er hilft. (Beifall bei der FPÖ.)

Nicht Sars-Cov-2 ist schuld an der finanziellen Misere, dem riesigen Budgetdefizit und der Wirtschaftskrise, in der wir uns befinden und die nun durch die Maßnahmen der Regierung prolongiert wird, nein, die Regierung selbst trägt mit ihren Maßnahmen maß­geblich Schuld daran.


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Lassen Sie mich das kurz erläutern: Hotellerie und Gastronomie sind zugesperrt, ohne Planung, ohne Perspektive, ab wann wieder ein geregeltes Geschäft möglich sein wird. Die Geschäfte sind geschlossen, und man nimmt schulterzuckend in Kauf, dass die Umsätze zu internationalen Onlinehändlern abwandern, die keinen Cent Steuern in Österreich zahlen. Die Menschen in Österreich werden eingesperrt, vollkommen egal, ob sie negativ getestet sind und damit keine Gefahr für andere Menschen darstellen oder nicht, die Schulen werden geschlossen und die Kinder ihres Rechts auf Bildung beraubt. Dafür werden aber willkürliche und gleichheitswidrige Umsatzentschädigungen gezahlt, ganz nach Gutdünken des Herrn Finanzministers und der Bundesregierung, um jene Schäden zu kompensieren, die ohne die Maßnahmen der Bundesregierung gar nicht aufgetreten wären. (Abg. Amesbauer: Genau so ist es! – Zwischenruf bei der ÖVP.)

Lassen Sie mich aber einen alternativen Vorschlag machen: Was wäre denn, wenn wir zumindest einen Teil dieser Milliarden hernehmen und sie direkt in das österreichische Gesundheitssystem investieren würden? Was wäre, wenn wir mit diesem Geld die Ärzte und Pfleger besser bezahlen würden, wenn wir versuchen würden, die Zahl der Pflegekräfte aufzustocken oder Pflegekräfte sogar aus der Pension zurückzuholen und wieder zu aktivieren? Was wäre, wenn wir dafür Sorge tragen würden, dass mit diesem Geld zusätzliche Epidemieärzte und Personen für die Kontaktnachverfolgung angestellt werden würden? Was wäre, wenn wir dieses Geld nutzen würden, um die Kapazitäten im stationären Bereich und im intensivmedizinischen Bereich zu erhöhen und um Kooperationen mit den Privatkliniken einzugehen? Was wäre, wenn wir dieses Geld nutzen würden, um das Heeressanitätswesen wieder zu jener strategischen Reserve auszubauen, die es im österreichischen Gesundheitswesen auch sein könnte, indem wir die drei Feldambulanzen und die Heeressanitätszentren endlich wieder einsatzbereit machen?

Ja, und was wäre, wenn wir das Geld auch in die Erhebung von soliden und verlässlichen Zahlen investieren würden, damit wir die aktuelle Lage auch tatsächlich besser ein­schätzen könnten? Anstatt herumzutesten, bräuchten wir wirklich regelmäßige Quer­schnittstestungen der österreichischen Bevölkerung, und zwar nicht nach dem totalen Lockdown, wie das Herr Bundeskanzler Kurz vorschlägt, sondern vorher, als evidenz­basierte Grundlage für weitere Maßnahmen. (Zwischenruf des Abg. Gödl.)

Was wäre, wenn wir die Dunkelziffer in der ersten Welle erhoben hätten und vielleicht auch jetzt am Beginn der zweiten Welle kennen würden? – Dann bräuchten wir uns nicht zu Tode zu fürchten, sondern dann könnten wir tatsächlich auf wissenschaftlicher Datenbasis agieren.

Zu guter Letzt: Was wäre, wenn wir auch ein bisschen von dem Geld in die Hand genommen hätten, um auch in Österreich die Erkrankung Covid-19 besser zu erforschen und um abzuklären, woran die vielen Toten denn tatsächlich gestorben sind, indem einmal vernünftige Obduktionen der Covid-Toten durchgeführt werden? (Zwischenruf des Abg. Obernosterer.)

Nichts von all dem ist über den Sommer und in den Herbst hinein passiert, meine sehr geehrten Damen und Herren. Stattdessen befinden wir uns nun im zweiten harten Lockdown, und das durch Zahlen, die das in keiner Weise hergeben. Bei den letzten drei Zahlen – wenn man diesen Zahlen glauben darf, die offiziell veröffentlicht werden – gibt es eine Halbierung der Fallzahlen und bereits einen beginnenden Rückgang bei der Zahl der Intensivpatienten. Wie das als Begründung für einen harten Lockdown herhalten soll, das erschließt sich mir in keiner Weise.

Deshalb sage ich Ihnen eines, sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung: Hören Sie auf, gegen die Menschen in diesem Land zu arbeiten! (Beifall bei der FPÖ.) Machen Sie Ihre Hausaufgaben! Sorgen Sie für einen effektiven Schutz der Risikogruppen! Bauen


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Sie entsprechende Behandlungskapazitäten auf, damit wir sicher durch den Winter kommen, und beenden Sie die Freiheitseinschränkungen der österreichischen Bevölke­rung, denn nur so bekommen Sie unsere Unterstützung und auch die Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger! (Beifall bei der FPÖ.)

12.31


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Ralph Schallmeiner. – Bitte.


12.31.49

Abgeordneter Ralph Schallmeiner (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause vor den Bildschirmen! Eine erste Replik auf Kollegen Kaniak: Das sind schöne Wünsche, fromme Wünsche. Ich würde dich bitten, dass du sie unter anderem auch an den Bürgermeister von Wels richtest, wo wir beim Contacttracing momentan neun Tage hinterher sind. Dort hätte man das nämlich beispielsweise gleich selbst in der Hand und könnte entsprechend Personal einstellen. Also nicht nur immer Wünsche an die Regierung richten, sondern dort, wo man selbst Verantwortung hat, diese auch wahrnehmen! (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Kommen wir zurück: Kollege Kaniak hat gerade bei den Zahlen, die dem Lockdown zugrunde liegen, so getan, als ob diese nicht stimmen würden. Ich liefere sie nach: In den letzten 24 Stunden gab es 6 000 Neuinfizierte, gab es 4 525 Menschen, die mit Covid-19 in Spitälern liegen, gab es 658 Menschen, die auf ICU-Stationen, sprich im Intensivbereich, behandelt werden müssen, und gab es 58 zusätzlich an Covid-19 Verstorbene – das sind die Zahlen.

Das ist der Grund, warum es eben seit Mitternacht einen harten Lockdown gibt. Das ist der Grund, warum auch dieser Lockdown alternativlos ist, weil die Medizinerinnen, die Mediziner, die Sanitäterinnen und Sanitäter, die Menschen, die in den Spitälern arbeiten, die dort jeden Tag dafür sorgen sollen, dass Menschen gepflegt werden, dass Menschen gesund gemacht werden, momentan mit dem Rücken zur Wand stehen. Es ist unsere Aufgabe als Politiker, diesen Menschen zu helfen, und das geht halt am besten, indem wir den Zustrom von erkrankten Menschen minimieren, und deshalb gibt es den Lock­down. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Das hat auch etwas mit dem Übernehmen von Verantwortung zu tun. Das hat auch damit zu tun, was wir letzten Sonntag hier herinnen im Hauptausschuss gemacht haben, nämlich die Verantwortung zu übernehmen und zu sagen: Okay, angesichts dieser Zahlen, angesichts dieser Situation müssen wir handeln. Es hat nichts mit Verantwortung zu tun, wenn man die Pandemie und die Belastungen im Gesundheitswesen negiert oder einfach kleinredet, so wie es die Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ gerne machen. (Ruf bei der FPÖ: Blödsinn!) Es hat auch nichts mit Verantwortung zu tun, wenn man hergeht und nach Ausreden sucht, um hier nicht mitzustimmen, so wie das am Sonntag seitens der Sozialdemokratie passiert ist.

Es zeugt auch nicht unbedingt von Verantwortung, wenn man Fünfpunktepläne in der Früh auf den Weg bringt, wobei alle fünf Punkte sich entweder gerade in Umsetzung befinden oder einfach so nicht möglich sind. Es zeugt auch nicht von Verantwortung, bereits gemachte Zu- und Aussagen zur Finanzierung des Gesundheitswesens einfach ständig zu negieren und sich hier herauszustellen und immer herumzurechnen, obwohl es bereits entsprechende Zu- und Aussagen der Bundesminister zu diesem Thema gibt.

Bis 6.12. werden die Zahlen hoffentlich so weit herunten sein, dass wir aus diesem Lockdown wieder aussteigen können. Die Zahlen werden dann hoffentlich auch so weit herunten sein, dass wir keinen dritten Lockdown mehr brauchen. Bis dorthin ist natürlich


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das Contacttracing – da bin ich schon dabei – entsprechend aufzustocken. Die Länder, die Bezirke sind da gefordert. Kollege Kaniak, wie schon gesagt, sag es bitte deinem eigenen Bürgermeister! Er könnte da schon einen Anteil leisten.

Ich hoffe auch, dass die Opposition bis dahin wieder Verantwortungsbewusstsein ent­deckt, weil wir es dann brauchen. Die Pandemie wird dann nämlich noch immer nicht beendet sein. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.35


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Johannes Margreiter. – Bitte.


12.35.26

Abgeordneter Dr. Johannes Margreiter (NEOS): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Das Gesetz, namentlich das Bundesbahngesetz, schreibt vor, dass alljährlich für einen Zeitraum von sechs Jahren der ÖBB-Rahmenplan von der ÖBB-Infrastruktur AG zu erstellen ist.

Was wird aktuell von einem solchen Rahmenplan zu erwarten sein? – Ganz klar: Es geht um die Dekarbonisierung des Verkehrs ganz allgemein. Da spielt natürlich die Inves­titionstätigkeit im Bereich der Bahninfrastruktur eine ganz maßgebliche Rolle. Dieser Rahmenplan, der aktuell im Oktober von der Frau Bundesminister vorgelegt worden ist, kann sich ja durchaus sehen lassen. Er entspricht tatsächlich den Anforderungen, dass Güterverkehr auf die Schiene verlegt wird, dass die Bahn als Träger des öffentlichen Personennahverkehrs attraktiver gemacht wird. Es sind Stationsbauten vorgesehen, es sind Bahnhofsumbauten vorgesehen, es soll die Barrierefreiheit gefördert werden. – Das ist alles gut und recht.

Dieser Plan findet also durchaus unsere Zustimmung und kann auch durchaus gelobt werden, das Problem ist: Es ist nur ein Plan. Dieser Rahmenplan wird von der Frau Bundesministerin – sie macht das ja recht gerne, so wie sie auch das Klimabudget mit dem Etikett Klimabudget versieht, so verteilt sie ja recht gerne Etiketten – also auch wieder als der bisher größte Rahmenplan vorgestellt. Rein ziffernmäßig ist er es, ob er es tatsächlich sein wird, wird sich erst weisen, wenn er auch umgesetzt wird.

Da will ich halt doch an die Frau Bundesminister einmal ein Angebot richten, aber auch eine gewisse Warnung: Wie man im Zusammenhang mit der sehr aufwendigen Entwicklung des 1-2-3-Jahrestickets sieht, kommen jetzt schon ganz massive Wider­stände aus von Türkis oder Schwarz regierten Bundesländern. Ich habe so den Ver­dacht, das Etikettenverteilen verbindet die grüne Partei mit der türkisen Partei. Ich würde der Ministerin auch zugestehen, dass sie das mit dem Etikett sehr ernst meint, nur glaube ich, dass es bei der ÖVP eher so ist, dass es tatsächlich nur um das Etikett geht. Wenn die ÖVP sich als Klimapartei positionieren will, werde ich sehr misstrauisch und sehr skeptisch. Wie gesagt: Alles, was wir jetzt schon im Zusammenhang mit dem 1-2-3-Ticket erleben, deutet ganz deutlich in diese Richtung.

Ich möchte also der Frau Bundesminister wirklich sagen: Seien Sie mit Ansagen sehr vorsichtig, denn Sie werden auch an den Taten und an der Umsetzung gemessen werden und nicht nur an einem Plan, der zugegebenermaßen ein guter Plan ist.

In diesem Sinne biete ich die Unterstützung bei der Verwirklichung dieses Plans an, es wird aber mit der ÖVP sehr schwierig werden. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

12.38


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Andreas Hanger. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 116

12.39.05

Abgeordneter Mag. Andreas Hanger (ÖVP): Frau Präsidentin! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Budget­debatten haben ein bestimmtes Ritual, offensichtlich gehört es zu den Aufgaben der Oppositionsparteien, das Budget zu kritisieren. Das ist heute so, das war in den ver­gangenen Jahren so. Eigentlich geht es dann um die Frage: Welche Substanz hat denn eigentlich diese Kritik, die da geübt wird?

Ich möchte exemplarisch einen Bereich herausgreifen, den ich wirklich bemerkenswert finde, weil da ganz einfach wenig Substanz gegeben ist: Die SPÖ sagt in jedem zweiten Redebeitrag, auch schon vorher, die Regierung tue momentan nichts für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, für den Arbeitsmarkt. Ich behaupte, wer so etwas sagt, der kann entweder nicht sinnerfassend lesen oder versteht wirtschaftliche Zusammen­hänge nicht. (Beifall bei der ÖVP.)

Zu den Fakten: Es wurden für Kurzarbeit – das teuerste Instrument der Krisen­bekämp­fung – mittlerweile 5 Milliarden Euro ausbezahlt. Die Kurzarbeit wurde verlängert und geht nun auch in einer nächsten Phase in das neue Jahr, weil die Pandemiekrise natür­lich noch lange nicht zu Ende ist.

Es gibt natürlich die Arbeitsstiftung, aktive Arbeitsmarktpolitik: 700 Millionen Euro, die für die Qualifizierung von Menschen ohne Beschäftigung zur Verfügung gestellt werden. Es gibt die einmalige Erhöhung des Arbeitslosengeldes, auch wirklich viel im Bereich klas­sische Arbeitsmarktpolitik, aber – das ist mir total wichtig – wenn man wirtschaftliche Zusammenhänge verstehen will, muss man schon wissen, dass es natürlich nicht nur darum geht, dem AMS möglichst viel Geld zu geben, um dann die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, sondern man muss die Wirtschaft ankurbeln, und das ist das viel Ent­scheidendere. Ganz wichtig in diesem Zusammenhang ist die Investitionsprämie. Es wurden innerhalb kürzester Zeit 2 Milliarden Euro beantragt, das löst insgesamt 20 Mil­liar­den Euro an Investitionen aus – vielfach auch unter dem Aspekt der Klimaneutralität. Das ist Wirtschaftsankurbelung, das schafft auch Arbeitsplätze.

Ein anderes Beispiel ist das Kommunalinvestitionsgesetz: 1 Milliarde Euro für die Gemeinden, damit die Gemeinden ihre Investitionen aufrechterhalten können. Ich habe vor Kurzem selbst mit 20 Bürgermeistern aus meinem Wahlkreis gesprochen, weil es immer wieder Diskussionen darüber gibt, ob diese Gelder abgeholt werden oder nicht: Natürlich werden sie abgeholt! Ich habe keinen einzigen Bürgermeister in meinem Wahlkreis gehört, der gesagt hat: Ich hole mir das Geld nicht ab! – Manche warten noch zu, weil die Projekte erst in der Zukunft passieren werden. Auch dieses Instrument funktioniert, und auch das schafft wieder Arbeitsplätze, weil damit natürlich die Wirtschaft angekurbelt wird, und das ist, denke ich, in Zeiten wie diesen enorm notwendig. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zum Non-Profit-Sektor – weil es mir persönlich auch ein Anliegen ist –: Es gibt immerhin 250 000 Beschäftigte in diesem Sektor und auch dort haben wir die Programme geschnürt. Die Organisationen holen sich die Gelder ab und natürlich sichert und schafft das auch Arbeitsplätze.

Die Liste ließe sich wirklich lange fortsetzen: Fixkostenzuschuss, es gibt nun einen Umsatzersatz für die Gastronomie und die Hotellerie und vieles, vieles mehr.

Ich möchte wirklich auch einmal dem Finanzministerium dafür danken – weil ich immer wieder in Kontakt bin –, was da innerhalb kürzester Zeit an Programmen auf den Weg gebracht worden ist. Das ist schon wirklich beachtlich. Da wurden auch viele Nacht­schichten eingelegt. Dafür braucht es, denke ich, auch wirklich einmal ein großes Dankeschön. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Weratschnig.)


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Abschließend möchte ich noch eine Frage thematisieren, die momentan auch sehr oft herangetragen wird: Können wir uns das, was wir da tun, leisten? – Faktum ist, wir werden heuer im Budgetvollzug 28 Milliarden Euro neu finanzieren müssen, und in der Budgetplanung für 2021 sind es noch einmal 22,6 Milliarden Euro. Ich möchte diese Frage mit einem eindeutigen Ja beantworten. (Zwischenruf des Abg. Kassegger.)

Ja, Gott sei Dank, wir können uns das leisten. Wieso? – Dafür gibt es drei Gründe: Der erste Grund ist, dass wir in den letzten Jahren einfach gut gewirtschaftet haben. Wir hatten 2019 erstmals gesamtstaatlich seit vielen, vielen Jahren wieder einen Budget­überschuss. Der zweite wesentliche Grund ist, dass wir Gott sei Dank ein niedriges Zinsniveau haben, das muss man auch ganz ehrlich sagen. Interessanterweise ist es ja so, dass auch in der mittelfristigen Finanzplanung die Zinsaufwände trotz neuer Schul­den zurückgehen werden; das ist natürlich ein ganz wichtiger Aspekt. Der dritte wesentliche Grund ist, wir müssen nach der Pandemie natürlich wieder auf einen Wachstumspfad zurückkehren. Wenn wir dann wieder ein gesundes Wachstum haben, dann haben wir auch eine starke wirtschaftliche Substanz.

Die Programme sind wichtig, und was es jetzt noch braucht, ist Optimismus für die Zukunft, für die Zeit, wenn wir die Gesundheitskrise überstanden haben. Die Grundlagen dafür sind da. Ich darf alle herzlich dazu einladen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Ernst-Dziedzic und Weratschnig.)

12.43


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Andreas Kollross. – Bitte.


12.43.37

Abgeordneter Andreas Kollross (SPÖ): Frau Präsidentin! Werte Regierungsmit­glieder – der Herr Finanzminister nimmt gerade eher nicht an seiner Budgetdebatte teil! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher vor den Fernseh­schirmen! Wer erhält und finanziert das Feuerwehr- und Rettungswesen, Spitäler, Berufsschulen, Einrichtungen der Jugendwohlfahrt? Wer baut Straßen, Gehwege, Schulen, Kindergärten, Freizeiteinrichtungen, Sportstätten, Pflegeeinrichtungen, Spiel­plätze und Parkanlagen? (Zwischenruf des Abg. Haubner.) Wer erhält Schulen, Kinder­gärten, Horte, Kleinkinderbetreuungseinrichtungen, schulische Nachmittagsbetreuung? Wer baut und erhält die Abwasserentsorgung und die Wasserversorgung? Wer gestaltet das sportliche, soziale und kulturelle Leben in unserem Land? Wer investiert vor Ort und schafft somit für die regionale Wirtschaft Arbeitsplätze und unterstützt das Klein­gewerbe? – Es sind die Gemeinden und Städte in unserer Republik.

Die Frage, die wir uns leider stellen müssen, ist: Wie lange noch?, denn so wie Menschen in Arbeitslosigkeit, UnternehmerInnen, EPUs, Kulturschaffende und so weiter unter Coronamaßnahmen leiden, so leiden auch die Gemeinden und Städte darunter. Heuer fehlen den Gemeinden und Städten aufgrund verschiedenster Regierungs­maß­nahmen 2 Milliarden Euro.

Aufgrund des neuen Lockdowns kann man davon ausgehen, dass im Jahr 2021 ebenfalls 2 Milliarden Euro für alle 2 095 Gemeinden in Österreich fehlen werden. Die Regierung ist in Wirklichkeit – auch wenn der Kollege das Kommunalinvestitionsgesetz gerade schöngeredet hat – nicht bereit, zu helfen und Abhilfe zu schaffen. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Das, was wir erleben, ist, dass die Regierung zu diesen 4 Milliarden Euro sagt: Okay, wir wissen, 2020 und 2021 fehlen euch 4 Milliarden Euro, aber 1 Milliarde Euro bekommt ihr von uns! Die bekommt ihr aber nur dann, wenn ihr selbst zuerst einmal 1 Milliarde Euro aufbringt. Das heißt, ihr braucht 5 Milliarden Euro, damit ihr am Ende des Tages wieder 4 Milliarden Euro Fehlbetrag habt.


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Um zu sehen, dass sich das nicht ausgehen kann, dafür braucht man, glaube ich, kein großes mathematisches Genie zu sein. Die Gemeinden – wir erleben es ja gerade; Kollege Schellhorn hat es vorhin über die Betriebe gesagt, aber es trifft ja auch auf die Gemeinden zu – machen auch gerade Budgets, und die Gemeinden erleben, dass sie genauso wenig in die Lage versetzt werden, ihr Budget zu gestalten, ihr Budget ausgeglichen zu bilanzieren, weil eben ganz einfach die Liquidität fehlt.

Nur eine kurze Erklärung vor allem in Richtung ÖVP, dort sitzen einige Bürger­meisterinnen und Bürgermeister – ihr wisst ja, wovon ich rede (Zwischenruf des Abg. Hafenecker–, wie eine Gemeinde ein Budget gestaltet: Zuerst gibt es einmal den ordentlichen Haushalt. Da ist alles drinnen, was Standardleistungen sind (Zwischenruf bei der ÖVP), also all das, was Kindergarten, Schule, Gemeindebedienstete, Schnee­räumung, öffentliche Beleuchtung und so weiter und so fort betrifft. Dann wird ein Strich gemacht, und wenn etwas übrig bleibt, dann kommt das in den außerordentlichen Haushalt, und da wird investiert. Das Problem ist, und das erleben gerade sehr viele Gemeinden: Wenn sie jetzt beim ordentlichen Haushalt einen Strich machen, bleibt nichts mehr übrig, da gibt es nichts mehr zu investieren. Das ist doch das Problem, und ihr wisst doch auch selbst, dass es so ist.

Nicht nur, dass es diese Finanzmittel nicht gibt – man kann es ja nicht einmal budge­tieren! Ich möchte das anhand eines Beispiel zeigen – und auch das wisst ihr in Wirklichkeit, eure Bürgermeisterinnen und Bürgermeister erzählen es mir ja, sie sagen nur: Unseren darf man es nicht erzählen, aber bitte tu weiter, weil wir wissen, dass es dieses Problem gibt! –: Nehmen wir einmal an, eine Gemeinde mit der Einwohnerzahl 2 500 – das ist in Wirklichkeit der Schnitt der Gemeinden in Österreich, die Mehrheit der Gemeinden hat nicht mehr EinwohnerInnen – bekommt vom Bund theoretisch 250 000 Euro, aber nur dann, wenn sie selber 250 000 Euro aufbringt. Das heißt, sie muss im außerordentlichen Haushalt 500 000 Euro budgetieren, hat aber keine Deckung, weil sie nur 250 000 Euro kriegt. Das heißt, sie bringt das Budget in Wirk­lichkeit gar nicht zusammen. (Zwischenruf des Abg. Hanger.)

Zum Schluss kommend deshalb unser Vorschlag und die wirklich eindringliche Bitte, denn es geht um das soziale Leben in unserer Republik: Zahlt diese 1 Milliarde Euro sofort aus, damit die Liquidität in den Gemeinden gesichert ist (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Rauch), damit die Budgets gesichert sind, und arbeiten wir gemeinsam für das Jahr 2021 ein neues Kommunalinvestitionsgesetz aus! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

12.48


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Klaus Lindinger. – Bitte.


12.49.04

Abgeordneter Ing. Klaus Lindinger, BSc (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Mit­glieder der Bundesregierung! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Zuse­herinnen und Zuseher! Wenn wir – wir haben es im letzten Budgetausschuss auch diskutiert – den Bundesrechnungsabschluss 2019 hernehmen, dann sehen wir, dass dieser äußerst positiv und vor allem viel besser als veranschlagt ist. Das Nettoergebnis als Gradmesser für die Wirtschaftlichkeit und der Nettofinanzierungssaldo als Grad­messer für die Zahlungsfähigkeit des Bundes fallen durchaus positiv aus. Der Grund dafür sind die guten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in diesem Jahr, in dem es auch einen Beschäftigungszuwachs und ein Wirtschaftswachstum gegeben hat und der Schuldenstand zurückgegangen ist.

Dieser Blick in die Vergangenheit zeigt uns aber auch, dass wir mit diesem Budget eine gute Ausgangsbasis für das heute hier diskutierte Budget 2021 vorfinden. Die Ziele des


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Budgets für das Jahr 2021 sind vor allem, das Gesundheitssystem zu unterstützen, die Arbeitsplätze zu retten und den Wirtschaftsstandort und somit auch den Wohlstand zu erhalten. Dafür, meine sehr geehrten Damen und Herren, stehen wir als Volkspartei! (Beifall bei der ÖVP.)

Was mir aber in dieser schwierigen Zeit der Coronapandemie vor allem unverständlich ist, ist, wie die Opposition hier agiert. Statt mit konstruktiven Beiträgen wird prinzipiell nur dagegengearbeitet, es gibt Falschaussagen und Neiddebatten werden geschürt, Maß­nahmen werden schlechtgeredet, frei nach dem Motto: Irgendetwas wird schon hängen bleiben. Das hat der „ehemalige“ amerikanische Präsident Donald Trump unter der Bezeichnung Trumpismus geprägt.

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen der Opposition, ich sage euch eines: Im Nachhinein weiß immer jeder alles besser. Ihr aber solltet jetzt einmal anfangen, umzu­denken! (Zwischenrufe der Abgeordneten Belakowitsch und Hafenecker.) Anstatt immer zu kritisieren, könntet ihr euch entsprechend konstruktiv einbringen, damit wir gemeinsam für unser Österreich arbeiten. Jetzt ist Zusammenhalt gefragt, meine sehr geehrten Damen und Herren, und nicht, sich auseinanderdividieren zu lassen. (Zwi­schenruf des Abg. Zanger.) Jeder und jede da draußen kann einen Beitrag leisten. Mit den Maßnahmen der Bundesregierung und den schon bekannten Maßnahmen – regel­mäßiges Händewaschen, Abstand halten und Maske tragen – können wir unser Ge­sund­heitssystem vor einem Kollaps schützen. (Abg. Belakowitsch: ... Lockdown!) Hal­ten wir gerade in dieser schwierigen Zeit zusammen! Schützen wir uns gegenseitig! Österreich hat schon viel durchgestanden, und gemeinsam meistern wir auch diese Krise. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf noch einen Abänderungsantrag der Abgeordneten Gabriel Obernosterer, Mag. Dr. Jakob Schwarz, Kolleginnen und Kolle­gen zum Budgetbegleitgesetz in der Fassung des Ausschussberichtes, 440 der Beila­gen, einbringen, den ich in den Kernpunkten erläutern darf.

Zum einen geht es um die Umsetzung der EU-Kontrollverordnung, zum Zweiten um die Finanzierung der Ages, der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit, für die kommenden Jahre, und zum Dritten wird damit ein Bundesamt für Verbraucher­gesund­heit eingesetzt.

Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

12.52

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Gabriel Obernosterer, Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA, Kolleginnen und Kollegen

zur Regierungsvorlage (408 der Beilagen) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Gewährung eines Bundeszuschusses und sonstiger Förderun­gen aus Anlass der 100. Wiederkehr des Jahrestages der Volksabstimmung in Kärnten (Abstimmungsspendegesetz 2020), ein Bundesgesetz über einen Zweckzuschuss aufgrund der Abschaffung des Zugriffs auf Vermögen bei Unterbringung von Personen in stationären Pflegeeinrichtungen für die Jahre 2021 bis 2024, ein Bundesgesetz, mit dem zur Abdeckung des Bedarfes an Covid-19-Impfungen und -Schnelltests Ermächti­gun­gen zur Verfügung über Bundesvermögen erteilt werden, ein Bundesgesetz über die Finanzierung des Vereins für Konsumenteninformation im Jahr 2021 und ein Bun­desgesetz zur Bekämpfung pandemiebedingter Armutsfolgen (COVID-19-Gesetz-Armut)


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erlassen sowie das Gebührenanspruchsgesetz, das Gerichtsorganisationsgesetz, das Sachverständigen- und Dolmetschergesetz, das Bundesgesetz über die Errichtung eines Non-Profit-Organisationen Unterstützungsfonds, das COVID-19-Förderungsprü­fungsgesetz, das Buchhaltungsagenturgesetz, das Bundesgesetz über die Errichtung des COVID-19-Krisenbewältigungsfonds, das Finanzausgleichgesetz 2017, das Fa­milien­lastenausgleichsgesetz 1967, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Arbeitsmarktservicegesetz, das Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetz 1957, das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, das Betriebliche Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Ge­werbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, das Opferfürsorgegesetz, das Impfschaden­gesetz, das Verbrechensopfergesetz, das Heimopferrentengesetz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheaterpensionsgesetz, das Bundesbahn-Pensionsgesetz, das Nacht­schwerarbeitsgesetz, das Behinderteneinstellungsgesetz, das Covid-19-Zweckzu­schuss­gesetz, das Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz, das Universitäts­gesetz 2002, das Forschungsförderungsgesellschaftsgesetz, das Bundesmuseen-Gesetz 2002 und das Luftfahrtgesetz geändert werden (Budgetbegleitgesetz 2021), in der Fassung des Ausschussberichtes (440 d.B.)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert

1. Im Titel wird die Wortgruppe „Bundesgesetz, mit dem zur Abdeckung des Bedarfes an Covid-19-Impfungen und -Schnelltests Ermächtigungen zur Verfügung über Bundesvermögen erteilt werden“ durch die Wortgruppe „Bundesgesetz, mit dem zur Abdeckung des Bedarfes zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie Ermächtigungen zur Verfügung über Bundesvermögen erteilt werden“ ersetzt.

2. Art 31 (Bundesgesetz, mit dem zur Abdeckung des Bedarfes zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie Ermächtigungen zur Verfügung über Bundesvermögen erteilt werden) wird wie folgt geändert:

§1 lautet:

„§ 1. (1) Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird ermächtigt, über folgende zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie angeschafften erforderlichen Waren durch Verteilung an inländische Rechtsträger zu verfügen:

1. COVID-19 Impfstoffe, die im Rahmen des „Joint EU Approach to COVID-19 vaccines procurement“ angeschafft wurden;

2. Bedarfsmaterial zur Verabreichung der Impfstoffe gemäß Z 1.;

3. COVID-19 – Schnelltests;

4. COVID-19 Medikament, das im Rahmen des „Joint Procurement Veklury (Rem­desivir)“ von der EU angeschafft wurde.

(2) Die Verfügung erfolgt durch unentgeltliche Übereignung, soweit dies im Rahmen der Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Krise erforderlich ist.“

3. Art. 34 (Änderung des Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetzes) lautet:


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„Artikel 34

Änderung des Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetzes

Das Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz – GESG, BGBl. I Nr. 63/2002, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 37/2018, wird wie folgt geändert:

1. Der Titel dieses Bundesgesetzes lautet:

„Bundesgesetz, mit dem die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungs­sicherheit GmbH errichtet und das Bundesamt für Ernährungssicherheit, das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen sowie das Bundesamt für Verbrauchergesundheit eingerichtet werden (Gesundheits- und Ernährungssicherheits-gesetz – GESG)“

2. In den § 6a Abs. 5a und 6, § 6b Abs. 1, 2, 3 Z 1 sowie Abs. 4 bis 8, § 8a Abs. 1 und 2, § 12 Abs. 8, § 13 Abs. 14 sowie § 20 Abs. 7 werden das Wort „Gesundheit“, in den § 6 Abs. 4, § 6a Abs. 2 und 4, § 7 Abs. 2 2. und 3. Satz sowie Abs. 6, § 8 Abs. 3 Z 1 sowie Abs. 6 und 8, § 10 Abs. 2 und 3 Z 1 und 4 sowie Abs. 5, § 11 Abs. 2, 5a und 6 sowie 8, § 12 Abs. 4, § 16, § 20 Abs. 2 bis 4 die Wortfolge „Gesundheit und Frauen“ und in den §§ 6a Abs. 1 Z 8 die Wortfolge „Gesundheit, Familie und Jugend“ jeweils durch die Wortfolge „Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz“ ersetzt.

3. In den § 6 Abs. 2 und 4, § 6b Abs. 1, § 7 Abs. 2 2. und 3. Satz sowie Abs. 6, § 8 Abs. 2a, 3 und 6, § 8a Abs. 1, § 10 Abs. 2, 3 Z 2 und Abs. 5, § 11 Abs. 4, 7 und 8, § 12 Abs. 8, § 13 Abs. 14, § 16, § 19 Abs. 2 sowie § 20 Abs. 3 werden die Wortfolge „Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft“ jeweils durch die Wortfolge „Land­wirtschaft, Regionen und Tourismus“ ersetzt.

4. In den § 12a Abs. 3 und § 20 Abs. 6 wird die Wortfolge „Wirtschaft, Familie und Jugend“ jeweils durch die Wortfolge „Digitalisierung und Wirtschaftsstandort“ ersetzt.

5. Soweit in den in Z 3 und 4 angeführten Rechtvorschriften die Behördenbezeichnung „Bundesminister“ verwendet wird, ist diese jeweils durch die Bezeichnung „Bundes­ministerin“ in der grammatikalisch richtigen Form zu ersetzen.

6. Dem § 1 Abs. 1 wird folgender Satz angefügt:

„Mit 1. Jänner 2021 wird zur Unterstützung des Bundesministeriums für Soziales, Ge­sundheit, Pflege und Konsumentenschutz das Bundesamt für Verbrauchergesundheit eingerichtet; dieses nimmt seine Tätigkeit mit 1. Jänner 2022 auf.“

7. Dem § 1 Abs. 3 werden folgende Abs. 4 und 5 angefügt:

„(4) Zur Wahrung der Sicherheit und Qualität entlang der Lebensmittelkette ist ein hohes Niveau des Gesundheitsschutzes und des Schutzes der Verbraucherinteressen, insbe­sondere betreffend den Schutz vor Täuschung, anzustreben. Zur Prävention und Be­kämpfung von Tierseuchen ist ein hohes Niveau des Gesundheitsschutzes unter Beach­tung des Standes der Wissenschaften anzustreben.

(5) Zur Wahrung der Erhaltung der Boden- und Pflanzengesundheit und des Naturhaus­haltes sowie eines hohen Selbstversorgungsgrades in der landwirtschaftlichen Pro­duktion zur Sicherstellung einer nachhaltigen Ernährungsgrundlage ist ein hohes Niveau unter Berücksichtigung der Kreislaufwirtschaft, der Ressourceneffizienz und des Vorsor­geprinzips zum Schutz von Mensch, Tier und Umwelt anzustreben.“

8. Beim Titel des Zweiten Hauptstückes ist nach der Wortfolge „Einrichtung des Büros für veterinärbehördliche Zertifizierung“ die Wortfolge „, des Bundesamtes für Ver­brauchergesundheit, des Büros für Tabakkoordination“ einzufügen.


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9. In § 6 Abs. 1 Z 7 wird der Beistrich durch das Wort „und“ ersetzt, in der Z 8 wird das Wort „und“ durch einen Punkt ersetzt und die Z 9 entfällt.

10. § 6 Abs. 3 lautet:

„(3) Der Agentur obliegt – unbeschadet der Untersuchungs- und Sachverstän­digen­tätigkeiten gemäß § 8 Abs. 2 Z 8 bis 12 – die fachliche Koordination zur Vollziehung der in Abs. 1 angeführten Bundesgesetze und darauf beruhender einschlägiger Rechts­vorschriften der Europäischen Union, wie insbesondere der Verordnung (EU) 2017/625 über amtliche Kontrollen und andere amtliche Tätigkeiten zur Gewährleistung der Anwendung des Lebens- und Futtermittelrechts und der Vorschriften über Tiergesund­heit und Tierschutz, Pflanzengesundheit und Pflanzenschutzmittel, ABl. Nr. L 95 vom 07.04.2017 S. 1. Dazu zählen insbesondere auch die Unterstützung im Sinne der in § 8 Abs. 2 Z 25 bis 29 sowie Abs. 2a sowie § 9a angeführten Tätigkeiten.“

11. In § 6 Abs. 7 Z 1 wird nach dem Wort „Bundesgesetze“ die Wortfolge „und auf Grund von EU-Rechtsakten erforderliche Aktualisierungen, insbesondere hinsichtlich der Anwendung von Richtlinien oder Beschlüssen der Europäischen Kommission ent­sprechend dem Stand der Wissenschaft und Technik“ eingefügt.

12. Nach § 6b werden folgender Dritter Abschnitt und Vierter Abschnitt eingefügt:

„Dritter Abschnitt

Einrichtung des Bundesamtes für Verbrauchergesundheit

Bundesamt für Verbrauchergesundheit

§ 6c. (1) Dem Bundesamt für Verbrauchergesundheit obliegt die Vollziehung folgender Aufgaben, die ihm in den jeweiligen Bundesgesetzen zugewiesen sind:

1. Organisation und Durchführung der amtlichen Kontrollen von Sendungen, die beim Eingang in die Europäische Union gemäß Titel II Kapitel V der Verordnung (EU) 2017/625 samt Änderungsrechtsakten, delegierten Rechtsakten und Durchführungs­rechtsakten kontrolliert werden sowie von Tieren und Waren, die aufgrund veterinär- oder lebensmittelrechtlicher Bestimmungen sowie den Bestimmungen nach dem EU-Qualitätsregelungen-Durchführungsgesetz (EU-QuaDG), BGBl. I Nr. 130/2015, beim Eingang in die Europäische Union zu kontrollieren sind, sofern hierfür die Zuständigkeit des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz gegeben ist;

2. Erteilung von Ausfuhrberechtigungen, die aufgrund veterinär- oder lebensmittel­rechtlicher Bestimmungen sowie den Bestimmungen nach dem EU-QuaDG, erforderlich sind, sowie die damit zusammen¬hängenden Kontrollen;

3. Ausstellung amtlicher Bescheinigungen oder amtlicher Attestierungen für Tiere, Waren und Erzeugnisse nach den geltenden veterinärrechtlichen und lebensmittel­rechtlichen Bestimmungen über die freie Handelbarkeit sowie zum Zwecke der Ausfuhr von solchen Tier- und Warensendungen in Drittländer auf Antrag des Verfügungs­befugten, wenn für den jeweiligen Staat eine solche vorgesehen ist. Grundlage für die Ausstellung dieser Bescheinigungen oder Attestierungen sind Verkehrsfähigkeits­gut­achten, die von der Agentur gemäß § 65 LMSVG, einer Untersuchungsstelle der Länder gemäß § 72 LMSVG oder von einer gemäß § 73 LMSVG hierzu berechtigen Person, stammen;


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4. Amtliche Kontrolle von Waren, die dem LMSVG unterliegen und über das Internet oder andere Fernabsatzkanäle aus Vertragsstaaten der EU, EWR-Staaten oder Dritt­staaten in Österreich zum Verkauf angeboten werden, einschließlich „mystery shopping“ gemäß Art. 36 der Verordnung (EU) 2017/625 oder Schwerpunktaktionen der Euro­päischen Kommission und

5. Festlegung und Einhebung sämtlicher mit der Aufgabenerfüllung des Bundesamts für Verbrauchergesundheit in Zusammenhang stehenden Gebühren.

(2) Das Bundesamt für Verbrauchergesundheit ist eine unmittelbar nachgeordnete Dienststelle des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumen­tenschutz. Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumenten­schutz ist die weisungsberechtigte Oberbehörde.

(3) Ein Mitglied der Geschäftsführung ist durch Ernennungsbescheid, der vom Bundes­minister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz im Einvernehmen mit der Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus zu erlassen ist, mit der Leitung des Bundesamtes für Verbrauchergesundheit zu betrauen. In dieser Funktion führt dieses Mitglied der Geschäftsführung den Amtstitel „Direktor des Bun­desamtes für Verbrauchergesundheit“.

(4) Das Bundesamt für Verbrauchergesundheit hat sich grundsätzlich, um die Vollziehung der in Abs. 1 angeführten hoheitlichen Aufgaben zu bewirken, aller der Agentur zu Gebote stehenden Mittel zu bedienen, fachlich befähigte Kontrollorgane einzusetzen und ihnen zu diesem Zweck eine entsprechende Ausweisurkunde sowie ein Dienstzeichen auszustellen. Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz kann durch Verordnung nähere Vorschriften über die Ausbildung der Kontrollorgane erlassen, wobei jedenfalls die Anforderungen der Verordnung (EU) 2017/625 zu berücksichtigen sind.

(5) Das Bundesamt für Verbrauchergesundheit hat zur ordnungsgemäßen Wahr­nehmung seiner Aufgaben eine Geschäftsordnung und –einteilung zu erlassen.

(6) Die Kontrollorgane haben sich bei der Ausübung ihrer Tätigkeit durch eine Ausweis­urkunde oder ein sichtbar zu tragendes Dienstabzeichen auszuweisen, soweit es sich nicht um die Tätigkeiten gemäß § 6c Abs. 1 Z 4 handelt, die eine verdeckte Proben­nahme erfordern. Das Bundesamt für Verbrauchergesundheit hat durch Verordnung nähere Regelungen über Form und Gestaltung des Dienstabzeichens oder der Ausweis­urkunden zu treffen.

(7) Verordnungen, Beschlüsse und der Gebührentarif des Bundesamtes für Ver­braucher­gesundheit sind auf der Internetseite des Bundesamtes für Verbraucherge­sundheit einschließlich des Datums der Veröffentlichung allgemein zugänglich kund­zumachen.

(8) Das Bundesamt für Verbrauchergesundheit hat Parteistellung einschließlich Rechts­mittelbefugnis in Verfahren gemäß den in Abs. 1 angeführten Tätigkeiten, die vor den Bezirksverwaltungsbehörden oder dem Bundesverwaltungsgericht durchgeführt wer­den. Bescheide, Erkenntnisse und Beschlüsse sind dem Bundesamt für Verbraucher­gesundheit zuzustellen. Dem Bundesamt für Verbrauchergesundheit steht das Recht auf Erhebung der Revision an den Verwaltungsgerichtshof zu.

(9) Sachverständige der Europäischen Kommission und Bedienstete des Bundes­ministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz können die Kontrollorgane bei der Durchführung von Tätigkeiten im Rahmen der in Abs. 1 ange­führten Aufgaben begleiten.


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Gebührentarif des Bundesamtes für Verbrauchergesundheit

§ 6d. (1) Für Tätigkeiten des Bundesamtes für Verbrauchergesundheit anlässlich der Vollziehung der in § 6c Abs. 1 angeführten hoheitlichen Aufgaben sind mit Ausnahme von Gebühren nach § 17d kostendeckende Gebühren nach Maßgabe eines Tarifes (§ 57 AVG) zu entrichten, wobei insbesondere die Bestimmungen der Verordnung (EU) 2017/625 zu beachten sind. In diesem Tarif können Vorschriften über Mahngebühren, Zuschläge, Pauschalierungen sowie die Einhebung der Gebühr, insbesondere über den Zeitpunkt der Entrichtung, vorgesehen werden. Bis zur Erlassung dieses Tarifs bleiben die nach den in § 6c Abs. 1 angeführten Bundesgesetzen jeweils erlassenen Tarife in Geltung.

(2) Der Gebührentarif bedarf der Zustimmung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz und des Bundesministers für Finanzen. Die Zustimmung gilt als erteilt, sofern innerhalb einer Frist von einem Monat ab Einlangen im jeweiligen Ressort kein schriftlicher Widerspruch durch zumindest einen der angeführten Bundesminister erfolgt.

(3) Die Tarife, die bei Beginn eines Abfertigungsverfahrens in Geltung sind, bleiben bis zu dessen Beendigung in Kraft.

(4) Die Ansätze des Gebührentarifs sind anhand des von der Statistik Austria Bundesanstalt Statistik Österreich verlautbarten Verbraucherpreisindex (VPI 2015) oder des an seine Stelle tretenden Index wertgesichert und sind jährlich, erstmals ab dem 1. Jänner 2022, jeweils mit Wirkung zum 1. Jänner eines jeden Kalenderjahres anzu­passen. Die Anpassung erfolgt unter Berücksichtigung der durchschnittlichen Indexver­änderung vom November des vorvorigen Jahres bis Oktober des Vorjahres. Aus­gangsbasis für die Wertanpassung ist die für den Monat Jänner des Jahres 2020 verlautbarte Indexzahl.

(5) Sind in Abkommen zwischen der Europäischen Union und Drittstaaten die vorge­sehenen Gebühren besonders geregelt, so sind die Bestimmungen des Abkommens anzuwenden.

Vierter Abschnitt

Büro für Tabakkoordination

Einrichtung und Aufgaben des Büros für Tabakkoordination

§ 6e. (1) Als gemeinsame Einrichtung des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz sowie der Agentur wird ein Büro für Tabakkoordination (im Folgenden als „Tabak-Büro“ bezeichnet) eingerichtet.

(2) Vom Tabak-Büro sind im Auftrag des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz insbesondere folgende Aufgaben in Zusammenhang mit der Vollziehung des Tabak- und Nichtraucherinnen bzw. Nichtraucher­schutzge­setzes – TNRSG, BGBl. Nr. 431/1995, wahrzunehmen:

1. Planung der gesetzlich vorgesehenen Überwachung und Kontrolle von Tabak- und verwandten Erzeugnissen nach den Vorgaben des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, einschließlich weiterer Veranlassungen und Ergebnisdokumentation;


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2. Überwachung und Beprobung der in Verkehr stehenden Tabak- und verwandten Erzeugnisse, im Umfang des jeweiligen jährlichen Prüfplanes bzw. im Anlassfall, durch besonders geschulte Organe der Agentur;

3. Untersuchung, Analytik, Begutachtung und Risikobewertung von Tabak- und ver­wandten Erzeugnissen, einschließlich der Überwachung der Berichterstattung von Herstellern oder Herstellerinnen bzw. Importeuren oder Importeurinnen, sowie Kontrolle und Bewertung der Meldedaten;

4. Vorbereitung des Schriftverkehrs mit Behörden, Handelsbetrieben und Wirtschafts­unternehmen insbesondere im Falle von Mängelfeststellungen bei Tabak- und ver­wandten Erzeugnissen, einschließlich der Vorbereitung der Einleitung von Verwal­tungsstrafverfahren und deren Dokumentation;

5. Mitbetreuung der Schnellwarn-, Kommunikations- und Informationssysteme, insbe­sondere der Schnittstellen zu RAPEX, iRASFF, ICSMS, EWS/EBDD und der Ver­giftungszentrale der Gesundheit Österreich GmbH unter Berücksichtigung der Bestimmungen des § 8 Abs. 2 Z 23 soweit Tabak- und verwandte Erzeugnisse betroffen sind;

6. Fachliche und rechtliche Bearbeitung von Eingaben und Anfragen durch Behörden, Wirtschaftsvertreter oder Wirtschaftsvertreterinnen, Interessenvertretungen, internatio­nalen Organisationen und Personen der Allgemeinbevölkerung, in Vorbereitung der Erledigung der Eingaben und Anfragen durch den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz als zuständige Behörde. Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung oder Eingaben, deren Erledigung sich der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz vorbehält, verbleiben in der unmittelbaren Zuständigkeit des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz;

7. Fachliche und organisatorische Angelegenheiten der pauschalierten Jahresgebühren gemäß § 9 Abs. 9 TNRSG in Verbindung mit der Festlegung einer kostendeckenden Jahresgebühr für die Überwachung von Tabakerzeugnissen für die Zulassung neuartiger Tabakerzeugnisse – TabGebV, BGBl. II Nr. 43/2017 einschließlich der Durchführung der Evaluierung gemäß § 9 Abs. 10 TNRSG;

8. Fachliche Beurteilung im Rahmen der Zulassung von neuartigen Tabakerzeugnissen gemäß § 10a TNRSG in Verbindung mit der Verordnung der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen hinsichtlich der Zulassung neuartiger Tabakerzeugnisse – NTZulV, BGBl. II Nr. 42/2017;

9. Fachliche Aufgabenstellungen der Erhebung der Inhaltsstoffe von Tabakerzeugnissen nach der Tabakerzeugnis-Inhaltsstoffe-Erhebungsverordnung – TIEV, BGBl. II Nr. 16/2010;

10. Veröffentlichung von fachlichen Informationen zu Tabak- und verwandten Erzeug­nissen;

11. Erstattung von fachlichen Berichten, Gutachten, Evaluierungen und Stellungnahmen zu Tabak- und verwandten Erzeugnissen;

12. Mitwirkung an nationalen und internationalen Projekten und Arbeitsgruppen im Fachbereich.

(3) Ein Mitglied der Geschäftsführung der Agentur ist durch Ernennungsbescheid, der vom Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz zu erlassen ist, mit der Leitung des Tabak-Büros zu betrauen. In dieser Funktion ist dieses Mitglied der Geschäftsführung als Leiter des Tabak-Büros in fachlichen Angelegen­hei­ten an die Weisungen des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und


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Konsumentenschutz gebunden. Dieses Mitglied der Geschäftsführung der Agentur als Leiter des Tabak-Büros kann, sofern zweckmäßig, im Einvernehmen mit dem Bun­desminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz einen fachkun­digen Bediensteten der Agentur mit der administrativen stellvertretenden Leitung des Büros betrauen.

(4) Gebühren gemäß § 10g TNRSG fließen unmittelbar der Agentur zu. Die Gebühren sind ausschließlich zur Abdeckung der Erfordernisse und Aufwendungen des Tabak-Büros gemäß Abs. 2 heranzuziehen.

(5) Das Tabak-Büro hat zur Erfüllung der in Abs. 2 angeführten Aufgaben eine aus­reichende Anzahl fachlich und rechtlich befähigter Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen und geeignete technische Ausrüstung einzusetzen sowie sich dazu der Agentur zu Gebote stehenden Mittel zu bedienen. Wenn es zweckmäßig und kostensparend ist, kann das Tabak-Büro zur Erfüllung seiner Aufgaben auch externe Sachverständige anderer Stellen mit einschlägiger Qualifikation oder technische Ausrüstung externer Stellen heranziehen.“

13. Der bisherige Dritte Abschnitt des Zweiten Hauptstückes erhält die Bezeichnung „Fünfter Abschnitt“.

14. § 8 Abs. 2 Z 2 lautet:

„2. Erfassung und Beobachtung der epidemiologischen Situation betreffend über­tragbare Krankheiten, Beratung und Unterstützung der zur Vollziehung von Rechts­vorschriften zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zuständigen Behörden; über­tragene Aufgaben gemäß Epidemiegesetz 1950, BGBl.  Nr. 186/1950; Vorbereitung der Erstellung eines österreichischen Zoonosenberichtes,“

15. Nach § 8 Abs. 2 Z 6a wird folgende Z 6b angefügt:

„6b. Bewertung von Ernährungsrisiken und Schaffung von Datengrundlagen für Maß­nahmen im Bereich der ernährungsbezogenen Prävention; Durchführung von Erhebun­gen des Lebensmittelangebots (insbesondere Nährwerte) und Ernährungsverhaltens sowie die Bereitstellung von transparenten Ernährungsinformationen. Die Agentur ist berechtigt die Ergebnisse ihrer Erhebungen und Bewertungen der Öffentlichkeit in angemessener Weise, etwa in Form von bewertenden Berichten auf ihrer Internetseite, zur Verfügung zu stellen;“

16. Nach § 8 Abs. 2 Z 12 wird die Z 12a eingefügt:

„12a. Untersuchungen für die Chargenfreigabe von Arzneispezialitäten;“

17. § 8 Abs. 2 Z 17 lautet:

„17. Anbau von Pflanzen der Gattung Cannabis zwecks Gewinnung von Suchtgift für die Herstellung von Arzneimitteln sowie damit verbundene wissenschaftliche Zwecke (§ 6a des Suchtmittelgesetzes) sowie die Prüfung von Sorten, Saatgut, Kultivaren, Linien, Pflanzen und Pflanzenteilen von Pflanzen der Gattung Cannabis für die Herstellung von Arzneimitteln;“

18. § 8 Abs. 2 Z 19 lautet:

„19. Radioaktivitätsüberwachung von Lebensmitteln und sonstigen dem LMSVG unter­liegenden Waren gemäß § 125 Abs. 1 Z 2 und Abs. 3 Strahlenschutzgesetz 2020 – StrSchG 2020, BGBl. I Nr. 50/2020;“

19. § 8 Abs. 2 Z 20 lautet:

„20. Schaffung von Datengrundlagen und Bewertung von Risiken für den integrier­ten Pflan­zenschutz, einschließlich alternativer Methoden zur ressourcenschonenden


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Bekämp­fung von Schadorganismen in der pflanzlichen Produktion, sowie im Hinblick auf einen qualitativen und quantitativen Bodenschutz;“

20. § 8 Abs. 2 Z 23 lautet:

„23. Mitwirkung bei den Aufgaben des Büros für Tabakkoordination;“

21. Nach § 8 Abs. 2 Z 23 werden folgende Z 24 bis Z 30 angefügt:

„24. Fachkoordination sowie Untersuchungs- und Sachverständigentätigkeiten betref­fend Herkunft- und Spezialitätenschutz sowie Integrität in der Lebensmittelkette; Einrichtung und Betrieb eines Lebensmittelkompetenzzentrums zur Unterstützung des Landeshauptmannes sowie zielgruppen-spezifischen Beratung und Koordinierung im Bereich des gesamten Lebensmittelrechts;

25. Betreuung von europäischen Schnellwarn-, Kommunikations- und Informations­systemen, die der Agentur durch dieses Bundesgesetz sowie weitere Bundesgesetze zugewiesen sind; Betreuung der Informationsmanagementsysteme gemäß Art. 131ff der Verordnung (EU) 2017/625, insbesondere IMSOC, iRASFF, TRACES NT und EUROPHYT. Weiters sind RAPEX und ICSMS soweit es Waren des LMSVG betrifft, OFIS und INFOSAN von der Agentur zu betreuen. Die Aufgaben umfassen insbe­sondere die Funktion als Kontaktstelle, die Übermittlung der Daten sowie die Koor­dinierung der gemeldeten Informationen. Dabei sind spezifische Vorgaben der Euro­päischen Union zu berücksichtigen;

26. Unterstützung im Rahmen der Durchführung der amtlichen Kontrollen durch die Bun­desämter gemäß §§ 6, 6a und 6c von Waren, die über das Internet oder andere Fernabsatzkanäle in Verkehr gebracht werden; Unterstützung der Behörden bei der Aufklärung betrügerischer Praktiken im Sinne der Verordnung (EU) 2017/625. Die in den jeweiligen Bundesgesetzen festgelegten Zuständigkeiten für die Durchführung der amtlichen Kontrollen von diesen Waren bleiben unberührt;

27. Funktion als Kontaktstelle zur Organisation von Schulungen, die gemäß Art. 130 Abs. 1 zweiter Unterabsatz der Verordnung (EU) 2017/625 und allenfalls zusätzlich erlassener Durchführungsrechtsakte gemäß Art. 130 Abs. 6 der Verordnung (EU) 2017/625 von der Europäischen Kommission gemeinsam mit den Mitgliedstaaten zu organisieren sind; Erstattung von Empfehlungen für die inhaltliche und organisatorische Gestaltung von Aus- und Weiterbildungen von Personal der amtlichen Kontrolle im Anwendungsbereich der Verordnung (EU) 2017/625;

28. Unterstützung bei der Erstellung und Aktualisierung des mehrjährigen nationalen Kontrollplans (MNKP) im Sinne der Art. 109ff der Verordnung (EU) Nr. 2017/625; Unterstützung bei der jährlichen Erstellung von nationalen Kontrollplänen für die amt­lichen Kontrollen von Unternehmen, Tieren und Waren auf Basis von Risikobewertungen und statistischen Daten;

29. Unterstützungsleistungen im Rahmen der Umsetzung von internen Audits gemäß Art. 6 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2017/625, die der Agentur in den jeweiligen Bundes­gesetzen zugewiesen sind;

30. Mitwirkung bei der Erarbeitung und Umsetzung von Maßnahmen zur Erhöhung der Resilienz von vernetzten Systemen für Medizinprodukte, Arzneimittel, Blut- und Gewebevigilanz sowie zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit in Bezug auf übertragbare Krankheiten.“

22. Nach § 8 Abs. 2a wird folgender Abs. 2b eingefügt:

„(2b) Die Agentur hat im Rahmen der Früherkennung und Bewältigung von außer­gewöhnlichen Situationen, beispielsweise einer Krise, eines Notfalles oder eines


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außergewöhnlichen Ereignisses, im Bereich der öffentlichen Gesundheit, Tiergesund­heit, Lebensmittelsicherheit, Ernährungssicherheit und Landwirtschaft sowie des Bereichs der Arzneimittel- und Medizinproduktesicherheit die Aufgaben gemäß § 9a wahrzunehmen.“

23. § 8 Abs. 3 Z 4 lautet:

„4. die Abgabe genereller Gutachten sowie die Erstellung von Prüfberichten und Gutachten im Einzelfall im Auftrag des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz und der Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus;“

24. In § 8 Abs. 3 Z 5 wird der Strichpunkt durch einen Beistrich ersetzt und die Wortfolge „sowie die Erstellung von zusammenfassenden Berichten über Kontrollergebnisse auf der Grundlage des mehrjährigen nationalen Kontrollplanes;“ angefügt.

25. § 8 Abs. 3 Z 7 lautet:

7. Führung von einschlägigen Referenzzentralen und Referenzlaboratorien;“

26. Nach § 8 Abs. 3 wird folgender Abs. 3a eingefügt:

„(3a) Die Agentur kann über die ausdrücklich genannten Aufgaben hinaus nach Ressourcenverfügbarkeit auch von anderen Bundes- und Landesbehörden gegen zumindest marktübliches Entgelt zur einschlägigen Unterstützung bei deren Vollzugs­aufgaben betraut und ermächtigt werden; die Agentur hat den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz und die Bundesministerin für Land­wirtschaft, Regionen und Tourismus vor einer Betrauung oder Ermächtigung in geeigneter Weise zu konsultieren.“

27. § 8 Abs. 4 lautet:

„(4) Die Agentur hat dem Bundesamt für Ernährungssicherheit, dem Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen, dem Büro für veterinärbehördliche Zertifizierung und dem Bundesamt für Verbrauchergesundheit sowie dem Büro für Tabakkoordination sämtliche erforderlichen Mittel zur Wahrnehmung der Aufgaben gemäß §§ 6 bis 6e zur Verfügung zu stellen.“

28. In § 8 Abs. 7 wird die Wortfolge „gemäß §§ 6 und 6a und gemäß Abs. 1 bis 6“ durch die Wortfolge „gemäß §§ 6, 6a, 6c und gemäß Abs. 1 bis 6 sowie § 9a“ ersetzt.

29. Nach § 8 Abs. 8 wird folgender Abs. 9 angefügt:

„(9) Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz oder die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus können im jeweiligen Zuständigkeitsbereich mit Verordnung nähere Vorschriften über die Tätigkeit der Agentur im Rahmen der Informations- und Kommunikationssysteme gemäß Abs. 2 Z 25 erlassen und weitere Aufgaben in Bezug auf die von der Agentur zugewiesenen Informations- und Kommunikationssysteme mit Verordnung übertragen.“

30. Dem § 8a Abs. 1 wird folgender Satz angefügt:

„Betreffend die Aufgaben des § 12 Abs. 4a haben die Eigentümervertreter das Bun­desministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie in geeigneter Weise einzubinden.“

31. § 9 Abs. 3 lautet:

„(3) Eine Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht der Dienstnehmer der Agentur und der dieser zur dauernden Dienstleistung zugewiesenen Bundesbeamten erfolgt im


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Amts- und Wirkungsbereich des Bundesamtes für Ernährungssicherheit durch den Leiter des Bundesamtes für Ernährungssicherheit.“

32. Nach § 9 Abs. 3 werden folgende Abs. 3a bis 3c eingefügt:

„(3a) Eine Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht der Dienstnehmer der Agentur und der dieser zur dauernden Dienstleistung zugewiesenen Bundesbeamten erfolgt im Amts- und Wirkungsbereich des Bundesamtes für Sicherheit im Gesundheitswesen durch den Vorsitzenden des Bundesamtes für Sicherheit im Gesundheitswesen.

(3b) Eine Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht der Dienstnehmer der Agentur und der dieser zur dauernden Dienstleistung zugewiesenen Bundesbeamten erfolgt im Amts- und Wirkungsbereich des Bundesamtes für Verbrauchergesundheit durch den Leiter des Bundesamtes für Verbrauchergesundheit.

(3c) In den Bereichen, welche nicht in den Amts- und Wirkungsbereich eines der vorgenannten Bundesämter, sondern in den Aufgabenbereich der Agentur fallen, erfolgt eine Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht der Dienstnehmer der Agentur und der dieser zur dauernden Dienstleistung zugewiesenen Bundesbeamten, wenn nur ein Geschäftsführer der Agentur bestellt ist, durch diesen; sind mehrere bestellt durch die Geschäftsführer der Agentur gemeinsam. Die Agentur informiert im Falle der Entbindung gemäß diesem Absatz den jeweils zuständigen Bundesminister bzw. die jeweils zuständige Bundesministerin.“

33. § 9 Abs. 7 lautet:

„(7) Die Agentur hat in Erfüllung der Aufgaben gemäß § 8, eines Bundesamtes gemäß §§ 6, 6a und 6c sowie der Büros gemäß § 6b und § 6e personenbezogene Daten, insbesondere im Sinne einer rechtlichen Verpflichtung sowie im öffentlichen Interesse gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. c und lit. e der Verordnung (EU) 2016/679 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung), ABl. Nr. L 119 vom 4.5.2016 S.1, so zu verarbeiten, dass diese nicht für andere als die in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Zwecke verwendet, gesichert und nicht länger als unbe­dingt erforderlich gespeichert sowie anschließend gelöscht werden. Die Agentur hat in Erfüllung der Aufgaben des Bundesamtes für Sicherheit im Gesundheitswesen gemäß § 6a personenbezogene Daten besonderer Kategorien, insbesondere im Sinne eines öffentlichen Interesses im Bereich der öffentlichen Gesundheit gemäß Art. 9 Abs. 2 lit. g und lit. i Datenschutz-Grundverordnung, rechtmäßig zu verarbeiten.“

34. Nach § 9 wird folgender § 9a samt Überschrift eingefügt:

„Krisenmanagement und Notfallpläne

§ 9a. (1) Die Agentur hat zur Bewältigung von außergewöhnlichen Situationen, wie Krisen oder Notfällen, auf der Grundlage von Notfallplänen, insbesondere gemäß Art. 115 der Verordnung (EU) 2017/625 über amtliche Kontrollen sowie Art. 43 der Verord­nung (EU) 2016/429, ABl. L 084 vom 31.3.2016 S. 1, für ausreichende Laborkapazitäten Sorge zu tragen. Zur Gewährleistung dieser Ressourcen hat die Agentur in außer­gewöhnlichen Situationen entsprechend dokumentierter Verfahrensanweisungen vorzu­gehen. Bei Erstellung der Notfallpläne im Vollzugsbereich des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz hat die Agentur im Rahmen ihrer Möglichkeiten mitzuwirken. Im Vollzugsbereich des § 6 sind die Notfallpläne von der Agentur zu erstellen; bei der Erstellung der Notfallpläne sind die nach der Verordnung (EU) Nr. 2017/625 zuständigen Behörden entsprechend ihres Kompetenzbereichs ein­zu­beziehen.


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(2) Die Agentur hat, insbesondere bei der inhaltlichen Erstellung sowie der technischen Umsetzung, Folgewartung und Evaluierung der allgemeinen und speziellen Notfallpläne, die aufgrund der einschlägigen europäischen Rechtsakte erforderlich sind, mitzuwirken und dafür vor allem die fachliche Beratung, Abwicklung und administrative Unterstützung für das übergeordnete Krisenmanagement zu leisten. Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz und die Bundesministerin für Landwirt­schaft, Regionen und Tourismus können sich im Rahmen der im Notfallplan festgelegten besonderen Aufgabenorganisation der Agentur bedienen.

(3) Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz kann im Einvernehmen mit der Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus durch Verordnung für die Organisation, Durchführung und Abwicklung von außer­gewöhn­lichen Situationen gemäß Abs. 1 nähere Bestimmungen, insbesondere im Hinblick auf die Heranziehung der Agentur im Rahmen der besonderen Aufbauorgani­sationen gemäß Abs. 2, der Kommunikation und der Stabsarbeit sowie für ergänzende Unterstützungsleistungen der Agentur, festlegen.“

35. In § 10 Abs. 1 wird folgender Satz angefügt:

„Die Geschäftsführung hat regelmäßig mehrjährige Unternehmenskonzepte vorzulegen, die der Genehmigung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Kon­sumentenschutz und der Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus bedürfen.“

36. § 10 Abs. 2a lautet:

„(2a) Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz kann der Agentur oder einer Tochtergesellschaft gemäß § 6a Abs. 1 des Suchtmittel­gesetzes hinsichtlich ihrer Aufgaben gemäß § 8 Abs. 2 Z 17 zum Zweck der sicheren Gebarung mit den Cannabispflanzen und dem daraus gewonnenen Cannabis sowie zur Verhinderung deren Missbrauchs Auflagen erteilen oder den Anbau von Cannabis­pflanzen untersagen und die Vernichtung des Bestandes an Cannabispflanzen oder Cannabis anordnen, wenn dies zur Sicherheit oder Kontrolle des Verkehrs oder der Gebarung mit den Cannabispflanzen oder dem aus den Cannabispflanzen gewonnenen Cannabis oder wegen internationalen Suchtmittelübereinkommen oder Beschlüssen, Anordnungen oder Empfehlungen supranationaler oder zwischenstaatlicher Einrichtun­gen zur Kontrolle von Suchtgift geboten ist.“

37. § 10 Abs. 4 lautet:

„(4) Die gemäß Abs. 3 Z 1 bis 4 zu bestellenden Mitglieder des Aufsichtsrates werden für die Dauer von fünf Jahren bestellt. Mitglieder des Aufsichtsrates können von der bestellenden oder entsendenden Stelle jederzeit abberufen werden. Scheidet ein Mit­glied vorzeitig aus, ist der Aufsichtsrat durch Neubestellung oder Neuentsendung entsprechend Abs. 3 zu ergänzen.“

38. § 11 Abs. 1 lautet:

„(1) Für die Beratung der Agentur, des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz oder der Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus können unter anderem wissenschaftliche Beiräte eingerichtet werden.“

39. § 11 Abs. 3 lautet:

„(3) Zur Beratung der Agentur und des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz in Angelegenheiten der öffentlichen Gesundheit, insbesondere in Bezug auf die Erkennung, Verhütung und Bekämpfung von übertragbaren und nicht­übertragbaren Krankheiten sowie epidemiologischer Untersuchungen, einschließlich der Erkennung und Bewertung von Risiken sowie der Dokumentation und Information, kann


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ein Wissenschaftlicher Beirat für Öffentliche Gesundheit (Public Health) eingerichtet werden.“

40. § 11 Abs. 5 entfällt. Der bisherige § 11 Abs. 5a wird zu § 11 Abs. 5.

41. In § 12 Abs. 1 wird die Wortfolge „den §§ 6, 6b Abs. 2 und 8 Abs. 1, Abs. 2 Z 1 bis 12 einschließlich der diesbezüglich gemäß § 8 Abs. 3, 6 und 7“ durch die Wortfolge „den §§ 6, 6b Abs. 2, 6c Abs. 1 und 8 Abs. 1, Abs. 2 Z 1 bis Z 12, Z 12a, Z 18, Z 19, Z 20, Z 22, sowie Z 24 bis Z 29 einschließlich der diesbezüglich gemäß § 8 Abs. 3, 6 und 7“ ersetzt.

42. Nach § 12 Abs. 4 wird folgender Abs. 4a eingefügt:

„(4a) Das Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie hat der Agentur nach Maßgabe der im jährlichen Bundesfinanzgesetz für diese Zwecke vorgesehenen Mittel für Aufwendungen, die ihr bei der Erfüllung von Aufgaben nach dem StrSchG 2020– ausgenommen für Aufwendungen gemäß § 8 Abs. 2 Z 19 – entstehen, eine Leistungsabgeltung zu gewähren. Voraussetzung dafür ist, dass zwischen dem Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Inno­vation und Technologie und der Geschäftsführung der Agentur eine Leistungsver­einbarung abgeschlossen wird.“

43. Das Dritte Hauptstück erhält die Bezeichnung „Durchführungsbestimmungen zum Eingang von Waren und Tieren gemäß Verordnung (EU) 2017/625“ und nach § 17 werden folgende §§ 17a bis 17d samt Überschrift eingefügt:

„Zuständige Behörde

§ 17a. (1) Das Bundesamt für Verbrauchergesundheit gemäß § 6c ist die zuständige Behörde für amtliche Kontrollen des Waren- und Viehverkehrs mit dem Ausland mit Staaten, die nicht im Anhang I der Verordnung (EU) 2017/625 genannt sind oder aufgrund von Verträgen oder Abkommen wie Staaten im Anhang I der Verordnung (EU) 2017/625 zu behandeln sind, sofern hierfür die Zuständigkeit des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz gegeben ist. Das Bundesamt für Verbrauchergesundheit ist für die Organisation und Durchführung der Grenzkontrolle verantwortlich.

(2) Dem Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz obliegt die Zulassung und Benennung der Grenzkontrollstellen gemäß den Art. 59, 61 und 62 der Verordnung (EU) 2017/625.

(3) Die Führung von Grenzkontrollstellen obliegt dem Bundesamt für Verbraucher­gesundheit. Die Zulassung weiterer Kontrollstellen obliegt dem Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf Vorschlag des Bundesamtes für Verbrauchergesundheit.

(4) Das Bundesamt für Verbrauchergesundheit hat ein Verzeichnis gemäß Art. 60 der Verordnung (EU) 2017/625 über die Grenzkontrollstellen zu führen und diese auf der Internetseite des Bundesamtes für Verbrauchergesundheit zu veröffentlichen.

Ort der Grenzkontrolle

§ 17b. Der Eingang von Sendungen, die gemäß europäischer Bestimmungen an der Außengrenze der Europäischen Union zu kontrollieren sind, ist nur über eine Grenz­kontrollstelle oder eine Kontrollstelle zulässig, die gemäß der Verordnung (EU) 2017/625 und den auf Grund dieser Verordnung erlassenen unmittelbar anwendbaren Unions­vorschriften, zugelassen wurde.


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Kontrollorgane

§ 17c. Die Grenzkontrollen sind durch besonders geschulte und fachlich befähigte Organe gemäß § 6c Abs. 5, die vom Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz bestellt worden sind, durchzuführen.

Gebühren für die Grenzkontrolle

§ 17d. (1) Die Gebühren sind durch das Bundesamt für Verbrauchergesundheit mit Bescheid vorzuschreiben und müssen den Vorschriften der Europäischen Union, insbesondere Anhang IV der Verordnung (EU) 2017/625 entsprechen.

(2) Die Grenzkontrollgebühr ist dem zum Zeitpunkt der Kontrolle verantwortlichen Unternehmer, dem Anmelder oder der Anmelderin oder, wenn keine Zollanmeldung vorliegt, der Person, die die Verpflichtung nach Art. 135 Abs. 1 Unionszollkodex zu erfüllen hat, mit Bescheid vorzuschreiben. Für die Vorschreibung, Einhebung und zwangsweise Einbringung sind das AVG und das VVG anzuwenden. Der Unternehmer, der Anmelder oder die Anmelderin hat die Gebühren nachweislich an das Bundesamt für Verbrauchergesundheit zu bezahlen.

(3) Abs. 2 gilt auch für Kontrollgebühren gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1235/2008, mit Durchführungsvorschriften zur Verordnung (EG) Nr. 834/2007 des Rates hinsichtlich der Regelung der Einfuhren von ökologischen/biologischen Erzeugnissen aus Drittländern, ABl. Nr. L 334/25 S. 187, handelt, die nicht an einer Grenzkontrollstelle durchgeführt werden.

(4) Abs. 2 gilt auch für Kontrollgebühren § 48 Abs. 3 des LMSVG, BGBl. I Nr. 13/2006, in Verbindung mit § 2 Abs. 1 der LMSVG-Abgabenverordnung (LMSVG-AbV), BGBl. II Nr. 381/2006.

(5) Sind Gebühren nicht in den europäischen Bestimmungen geregelt, gelten die Bestimmungen gemäß § 6d.

(6) Bis zur Erlassung dieses Gebührentarifs bleiben die nach den in § 6c Abs. 1 angeführten Bundesgesetzen jeweils erlassenen Gebühren in Geltung.

44. Das bisherige Dritte Hauptstück erhält die Bezeichnung „Viertes Hauptstück“.

45. § 19 Abs. 15 lautet:

„(15) Einnahmen aus Tätigkeiten gemäß den §§ 6 bis 6e, 8 und 17a sowie 17d, wie insbesondere Gebühreneinnahmen, sind Einnahmen der Agentur. Die Agentur hat die Bücher in Bezug auf die Aufgaben gemäß §§ 6a und 8 Abs. 2 Z 13 bis 16 in einem gesonderten Rechnungskreis und kostenrechnungsmäßig gesondert zu führen. Die Geschäftsführung der Agentur hat sicherzustellen, dass Einnahmen nach § 6a aus­schließlich zur Finanzierung der in den §§ 6a und 8 Abs. 2 Z 13 bis 16 genannten Aufgaben verwendet werden.“

46. § 19 Abs. 26 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 104/2013 erhält die Bezeichnung § 19 Abs. 27.

47. § 19 Abs. 27 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 144/2015 erhält die Bezeichnung § 19 Abs. 28.

48. § 19 Abs. 27 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 130/2015 erhält die Bezeichnung § 19 Abs. 29.

49. § 19 Abs. 28 erhält die Bezeichnung § 19 Abs. 30.

50. Nach dem § 19 Abs. 30 werden folgende Abs. 31 bis 34 angefügt:


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„(31) Grenzkontrollstellen und Kontrollstellen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 63/2002 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XXX/2020 als Grenzkontrollstellen gemäß anderer gesetzlicher Bestimmungen zugelas­sen sind, gelten als Grenzkontrollstelle und Kontrollstelle gemäß § 17b Abs. 1 dieses Bundesgesetzes.

(32) Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 63/2002 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XXX/2020 bestellte Kontrollorgane gemäß § 6c Abs. 5 gelten als bestellte Kontrollorgane gemäß § 17c Abs. 1 dieses Bundes­gesetzes.

(33) Für die Vorbereitung der Funktionsfähigkeit des Bundesamtes für Verbraucher­gesundheit gemäß § 6c dürfen insbesondere die

1. Schaffung räumlicher Voraussetzungen,

2. Einstellung oder Zuteilung von Personal und

3. Erlassung von Gebührentarifverordnungen

bereits ab Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes durchgeführt werden.

(34) Verordnungen aufgrund dieses Bundesgesetzes dürfen bereits ab Kundmachung dieses Bundesgesetzes vorbereitet und erlassen werden, treten jedoch erst mit dem Zeitpunkt an dem die Grundlage für ihre Erlassung in Kraft tritt, in Kraft.“

51. § 20 Abs. 2 lautet:

„(2) Mit der Vollziehung der §§ 6a, 6c, 6d, 6e, 8 Abs. 2 Z 1 bis 7, 12a, 13 bis 17 sowie 19, 23 und 30, § 8 Abs. 8, § 9 Abs. 3a und 3b, § 10 Abs. 2 zweiter Satz und Abs. 2a, § 10 Abs. 3 Z 1, § 11 Abs. 2, 3, 5 und 6, § 12a, § 13 Abs. 1 Z 2, Abs. 1a, Abs. 2a, Abs. 7a und Abs. 8a, § 13 Abs. 14 zweiter Satz, §§ 17a bis 17d, § 18 Abs. 1, 1a und § 19 Abs. 19, 20 und 31 bis 33 dieses Bundesgesetzes ist der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betraut.“

52. In § 20 Abs. 3 wird die Wortfolge „8 Abs. 2 Z 8 bis 12, 68, 20 und 21 sowie Abs. 2a“ durch die Wortfolge „8 Abs. 2 Z 8 bis 12, 18, 20 und 21 sowie Abs. 2a, § 9 Abs. 3“ ersetzt.

53. In § 20 Abs. 4 wird nach der Wortfolge „Vollziehung der §§ 12“ die Wortfolge „– ausgenommen § 12 Abs. 4a –,“ eingefügt.

54. Nach § 20 Abs. 7 wird folgender Abs. 8 angefügt:

„(8) Mit der Vollziehung des § 12 Abs. 4a ist die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie im Einvernehmen mit dem Bun­desminister für Finanzen  betraut.“

55. Nach dem § 21 Abs. 4 wird folgender Abs. 5 angefügt:

„(5) Sofern im Folgenden nichts anderes bestimmt ist, treten folgende Bestimmungen in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XXX mit dem Ablauf des Tages der Kundmachung im Bundesgesetzblatt BGBl. I Nr. XXX in Kraft. § 1 Abs. 1, 4 und 5, § 6 Abs. 1 Z 7 und 8, § 6 Abs. 3, § 6e samt der Überschrift der Bezeichnung des Vierten Abschnittes im Zweiten Hauptstück, die Überschrift des Fünften Abschnittes im Zweiten Hauptstück, § 8 Abs. 2 Z 2, 17, 19, 23 und 30, § 8 Abs. 3 Z 4, 5 und 7, § 8 Abs. 3a, 4, § 8a Abs. 1 letzter Satz, § 9 Abs. 3 bis 3c, § 9 Abs. 7, 10 Abs. 1 letzter Satz, 2a, 4, § 11 Abs. 1, 3, 5, § 12 Abs. 1 und 4a, die Überschrift des Vierten Hauptstückes, § 19 Abs. 15, 27 bis 30, 33 und 34 treten in der Fassung des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. XXX mit 1. Jänner 2021 in Kraft. Der Titel dieses Bundesgesetzes, die Überschrift des Titels des Zweiten Hauptstückes, § 6c samt Überschrift und Bezeichnung des Dritten Abschnittes, § 6d samt Überschrift, § 8 Abs. 2 Z 6b, 20, 24 bis 29, Abs. 2b, 7 und 9, § 9a samt


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Überschrift, §§ 17a bis 17d samt Überschriften, § 19 Abs. 31 und 32 in der Fassung des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. XXX treten mit 1. Jänner 2022 in Kraft.“

Begründung

Allgemeiner Teil

Die aktuelle drastische Situation der weltweiten Covid-19 Epidemie hat aufgezeigt, wie unersetzlich ein funktionierendes und effizientes Krisenmanagement für die öffentliche Gesundheit eines Staates ist. Um ein möglichst reibungsloses nationales Krisen­manage­ment gewährleisten zu können, besteht die dringende Notwendigkeit, den steigenden Bedarf an personeller und administrativer Unterstützung des übergeordneten Krisenmanagements vor, während und nach einer Krise sicherzustellen.

Als bewährte Einrichtung und zentrale Drehscheibe mit einschlägigem gesetzlichen Auftrag ist die Agentur für Gesundheit- und Ernährungssicherheit GmbH (Agentur) bereits vielschichtig unterstützend tätig. Sie ist seit ihrer Gründung ein wichtiger Bestandteil der zentralen kritischen Infrastruktur und dient zur fachlichen Beratung und für einschlägige administrative Unterstützungsleistungen ihrer beiden Eigentümer­vertreter sowie deren nachgeordnete Bundesämter bei der Früherkennung und Bewälti­gung von Notfällen und Krisen im Bereich der öffentlichen Gesundheit, Tiergesundheit, Lebensmittelsicherheit, Landwirtschaft und Strahlenschutz sowie des Bereichs der Arzneimittel- und Medizinproduktesicherheit.

Durch die Expertise der Agentur steht für den Krisenfall essentielles Know-How bereit, insbesondere bezüglich der (Spezial-)Analytik, des Datenmanagements, systematischer epidemiologischer Analyse, evidenzbasierter Risikobewertung und der Erstellung von wissenschaftsbasierten Vorschlägen für Managementmaßnahmen und für die entsprechende Risikokommunikation durch die Regierung und Verwaltung.

Die Bewältigung dieser erforderlichen Unterstützungsleistungen bei einer länger an­haltenden Krisensituation unter Beibehaltung der momentanen finanziellen Grund­bedingungen kann jedoch aufgrund der aktuellen Personal- und Infrastruktur der Agentur nicht gewährleistet werden. Im Sinne einer langfristigen Planung und Sicherstellung benötigter Ressourcen, insbesondere auch für den Fall einer erneuten schwerwiegen­den öffentlichen Gesundheitskrise, bedarf es daher einer ausreichenden finanziellen Absicherung der Agentur.

Bundesamt für Verbrauchergesundheit

Die Agentur unterstützt das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK) neben den oben beschriebenen Bereichen auch seit ihrer Gründung intensiv im Veterinär- und Lebensmittelbereich. Durch diese jahrelange Tätigkeit wurde eine hervorragende Fachexpertise in unzähligen Bereichen erworben. Um einen maximalen Synergieeffekt zu erzielen, wird mit der Novelle ein Bundesamt für Verbrauchergesundheit errichtet, welches einerseits unmittelbaren Zugriff auf das Fach­wissen und die Ressourcen der Agentur hat und andererseits als weisungs­gebundene nachgeordnete Dienststelle des BMSGPK durch die flachere Hierarchie und kürzere Entscheidungsketten mehr Flexibilität bei der Wahrnehmung des operativen Geschäfts zukommt, sodass die Tätigkeiten effizienter und effektiver ausgeführt werden können.

Die Errichtung eines neuen Bundesamtes ist unerlässlich, da sich eine Übertragung der vorgesehenen Aufgaben an die bestehenden Bundesämter mangels fachlicher Anknüp­fungspunkte als nicht zielführend erweist.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 135

Im Rahmen der Restrukturierung der Veterinärverwaltung infolge umfassender Neu­gestaltung der europäischen Rechtslandschaft im Veterinär- und Lebensmittelbereich (Tiergesundheitsverordnung, EU-Kontrollverordnung, Tierarzneimittelpaket bestehend aus Tierarzneimittel-VO, Arzneifuttermittel-VO und Änderung der EMA-Gebühren-VO) werden hoheitliche Aufgaben des BMSGPK zur vollständigen und selbständigen Erledigung an das Bundesamt für Verbrauchergesundheit übertragen.

Grenzkontrolle

Mit der Kontrollverordnung (EU) 2017/625 wurde ein neuer Unionsrechtsrahmen für die geltenden Einfuhrbestimmungen festgelegt.

Um die Verordnung auf nationaler Ebene wirkungsvoll vollziehen zu können, wird nun durch die Übertragung der gegenständlichen Aufgaben an das Bundesamt für Ver­brauchergesundheit eine Bündelung der Aufgaben vorgenommen.

Synergien in der Agentur

Durch die Aufgabenübertragungen an die Agentur bzw. Mitwirkung dieser an den im gegenständlichen Entwurf genannten Tätigkeitsfeldern ergeben sich Synergieeffekte, die es im Sinne einer effizienten und sparsam tätigen staatlichen Verwaltung zu nutzen gilt. Die gelisteten Aufgaben können in der Agentur aufgrund der bereits genannten Synergieeffekte effizienter und effektiver wahrgenommen werden. 

Besonderer Teil

Zu Z 1 (Änderung des Titels):

Es handelt sich dabei um eine redaktionelle Änderung bedingt durch die Errichtung des Bundesamtes für Verbrauchergesundheit.

Zu Z 2 bis 5:

Redaktionelle Anpassungen aufgrund des Bundesministeriengesetz 1986 – (BMG), BGBl. Nr. 76/1986 in der Fassung BGBl. I Nr. 8/2020.

Zu Z 6 (§ 1 Abs. 1):

Legt fest, dass das Bundesamt für Verbrauchergesundheit mit 1. Jänner 2021 einzu­richten ist und die Tätigkeit mit 1. Jänner 2022 aufgenommen wird. Somit können Vor­bereitungstätigkeiten bereits vor Beginn der Aufnahme der Tätigkeit ausgeführt werden.

Zu Z 7 (§ 1 Abs. 4 und 5):

Im Hinblick auf die neuen Aufgaben werden als weitere Ziele die Sicherheit und Qualität von Lebensmitteln und der Sicherstellung einer nachhaltigen Ernährungsgrundlage definiert.

Zu Z 8 (Änderung des Titels des Zweiten Hauptstückes):

Es handelt sich dabei um eine redaktionelle Änderung bedingt durch die Errichtung des Bundesamtes für Verbrauchergesundheit und des Büros für Tabakkoordination.

Zu Z 9 (§ 6 Abs. 1 Z 7 bis 9)

Entfällt aufgrund der Neuverteilung gemäß dem BMG, BGBl. I Nr. 8/2020.

Zu Z 10 (§ 6 Abs. 3):

§ 6 Abs. 3 in der derzeitigen Fassung ist im Hinblick auf Art. I Abs. 2 Z 1 EGVG, Verwaltungsgerichts-barkeits-Ausführungsgesetz 2013, BGBl. I Nr. 33/2013, entbehr­lich.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 136

Im Rahmen einer Neufassung des Abs. 3 soll klargestellt werden, dass die fachliche Koordination durch die Agentur zu erfolgen hat. Dies betrifft im wesentlichen Koordi­nationstätigkeiten im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung oder zur Koordinierung des Vollzugs der Landesregierungen. Diese Klarstellung dient auch zur Aufgaben­abgrenzung im Hinblick auf die behördlichen Tätigkeiten des Bundesamtes für Ernäh­rungssicherheit (BAES) und des Bundesministeriums für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus (BMLRT).

Zu Z 11 (§ 6 Abs. 7):

Das Unionsrecht im Bereich Saatgut, Pflanzgut und Reben wird durch Richtlinien geregelt, die teilweise auf Basisrechtsakten aus den 1960-er Jahren stammen. Änderun­gen zur Anpassung an den Stand der Technik werden durch Änderungsrichtlinien der Kommission mit kurzen Umsetzungsfristen ohne jeglichem Umsetzungsspielraum vor­ge­nommen. Mit dem Änderungsvorschlag soll eine zeitgerechte Umsetzung durch eine Verlautbarung in den amtlichen Nachrichten des BAES sichergestellt werden.

Zu Z 12 (§ 6c samt Überschrift):

Der Nummerierung des Abschnittes muss aus redaktionellen Gründen geändert werden bedingt durch die Errichtung des Bundesamtes für Verbrauchergesundheit.

In Abs. 1 wird die Vollziehung bestimmter hoheitlicher Aufgaben dem Bundesamt für Verbrauchergesundheit zugewiesen.

Die Durchführung der veterinärbehördlichen Grenzkontrolle basiert auf dem Kom­petenztatbestand Waren- und Viehverkehr mit dem Ausland gemäß Art. 10 Abs. 1 Z 2 iVm Art. 102 Abs. 2 Bundesverfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 und darf daher in unmittelbarer Bundesverwaltung (derzeit) vom Bundesminister für Soziales, Ge­sundheit und Konsumentenschutz vollzogen werden.

Diese Bescheinigungen oder Attestierungen entsprechen den sogenannten Verkehrs­fähigkeitsbescheinigungen oder „free sales certificates“ und ersetzten nicht allenfalls notwendige Bescheinigungen für einzelnen Warensendungen (hinsichtlich des Tierge­sundheits- oder Hygienestatus, die von Bescheinigungsbefugten bei der Abfertigung der einzelnen Sendungen vor Ort ausgestellt werden. Die in Abs. 1 Z 3 genannten Beschei­nigungen und Atteste werden im Einzelfall auf Ersuchen eines Unternehmers ausge­stellt. Dies vor dem Hintergrund, dass Drittstaaten zum Teil solche „Zertifikate“ verlan­gen, damit beispielsweise Nahrungsergänzungsmittel oder Zusatzstoffe in Verkehr ge­bracht werden können.

Weitere Aufgabe ist die Überwachung des Internethandels für Waren des Lebensmittel­sicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes (LMSVG), BGBl. I Nr. 13/2006, soweit es den europäischen Binnenmarkt und Drittstaaten betrifft. Damit soll die Durchführung des sogenannten „mystery shoppings“, aber auch die Teilnahme an koordinierten Aktionen der Europäischen Kommission erleichtert werden. Hinsichtlich der amtlichen Kontrolle des Internethandels in Österreich ist eine entsprechende Mitwirkung der Agentur mit der amtlichen Lebensmittelaufsicht vorgesehen, deren Normierung an derer Stelle erfolgt.

Das Bundesamt für Verbrauchergesundheit soll künftig im Rahmen von Exporten in Drittstaaten die Erteilung von Ausfuhrberechtigungen auf Grundlage der veterinär- oder lebensmittelrechtlichen Bestimmungen ausstellen bzw. bestätigen, dass eine solche Ausfuhrberechtigung eines Drittstaates vorliegt.

Abs. 2 dient der Klarstellung, dass es sich beim Bundesamt für Verbrauchergesundheit um eine nachgeordnete Dienststelle des BMSGPK handelt.

Abs. 3 legt fest, dass das Bundesamt für Verbrauchergesundheit durch eine monokra­tische Führung in Form eines Leiters geführt wird. Ein Mitglied der Geschäftsführung ist


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durch Ernennungsbescheid durch den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz im Einvernehmen mit der Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus zum Leiter zu ernennen. 

Abs. 4 sieht vor, dass sich das Bundesamt für Verbrauchergesundheit, insbesondere auch der Personal- und Sachmittel der Agentur bedienen soll, soweit dies für die Erfüllung der Aufgaben erforderlich ist. Primär sind die Mittel und die Expertise der Agentur für die Erfüllung der Aufgaben heranzuziehen. Kann mit den der Agentur zu Gebote stehenden Mitteln nicht das Auslangen gefunden werden oder ist die Expertise nicht vorhanden, kann sich das Bundesamt für Verbrauchergesundheit anderer Mittel bedienen.

Weiters sieht Abs. 4 vor, dass sich das Bundesamt für Verbrauchergesundheit zur Vollziehung der gemäß Abs. 1 angeführten hoheitlichen Aufgaben, aller der Agentur zu Gebote stehenden Mittel zu bedienen, fachlich befähigte Kontrollorgane einzusetzen und ihnen zu diesem Zweck eine entsprechende Ausweisurkunde sowie ein Dienst­zeichen auszustellen hat. Gemäß § 9 Abs. 7 GESG darf die Agentur die Daten ver­arbeiten, denn zu den von der Agentur zu Gebote stehenden Mittel gehören auch die für die Aufgabenvollziehung erforderlichen Daten. Die entsprechenden Daten­schutz­bestimmungen sind in § 9 Abs. 7 GESG dargelegt.

Abs. 5 legt fest, dass eine Geschäftsordnung und –einteilung zu erlassen ist, um die Abläufe im Bundesamt für Verbrauchergesundheit effizient zu gestalten.

Abs. 6 stellt klar, dass damit Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem mystery shopping gemäß Art.  36 Verordnung (EU) 2017/625 von der Verpflichtung sich auszuweisen, ausgenommen sind.

Abs. 8 legt den Instanzenzug zum Bundesverwaltungsgericht fest. Aus rechtspolitischen Erwägungen ist es nicht sinnvoll in einem Gesetz unterschiedliche Verwaltungsgerichte festzulegen.

Abs. 9: Die Bestimmung befindet sich bereits im LMSVG.

Zu 12 (§ 6d Gebührentarif des Bundesamtes für Verbrauchergesundheit)

Abs. 1 regelt die Festsetzung eines Gebührentarifes für die Tätigkeiten des Bundes­amtes, wobei ausdrücklich auf die Bestimmungen der Verordnung (EU) 2017/625 hin­gewiesen wird.

Die Gebühren für die Grenzkontrolle gemäß § 17d sind separat geregelt, da diese teilweise europarechtlichen Vorgaben unterliegen, wie beispielsweise in Anhang IV der Verordnung (EU) 2017/625. Dort sind die Gebühren oder Abgaben für amtliche Kontrollen der Sendungen von Tieren und Waren, die in die Union verbracht werden, festgeschrieben.

Z 12 (§ 6e Einrichtung und Aufgaben des Büros für Tabakkoordination)

Zu Abs. 1: Zur Unterstützung des BMSGPK sowie als unmittelbarer Ansprechpartner für alle im Bereich der Vollziehung des TNRSG, BGBl. Nr. 431/1995 beteiligten Verkehrskreise wird als nationale Anlaufstelle das Büro für Tabakkoordination (Tabak-Büro) eingerichtet. Dadurch soll die Erfüllung der gesetzlich erforderlichen Aufgaben des öffentlichen Sektors sichergestellt werden.

Zu Abs. 2: Bereits mit § 9 des TNRSG idF BGBl. I Nr. 101/2015, welcher ua. in Umsetzung der Richtlinie 2014/40/EU erlassen wurde, erfolgte seit Mai 2016 die Einbeziehung der Agentur in behördliche Vollzugsaufgaben des Bundesministeriums für Gesundheit (nunmehr BMSGPK). Demnach hat die Agentur die Einhaltung der §§ 4 bis 4c, 8 bis 8c und 10 bis 10f des TNRSG durch besonders geschulte Organe mit


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einschlägigen Kenntnissen der Warenkunde und der einschlägigen Rechtsvorschriften zu überwachen.

Darüber hinaus wurden der Agentur durch die TabGebV, BGBl. II Nr. 43/2017, und durch die NTZulV, BGBl. II Nr. 42/2017, weitere Aufgaben im Zusammenhang mit der Einhebung von pauschalierten Jahresgebühren und der Zulassung von neuartigen Tabakerzeugnissen übertragen; sie hat auch Aufgabenstellungen zur Erhebung der Inhaltsstoffe von Tabakerzeugnissen nach der Tabakerzeugnis-Inhaltsstoffe-Erhe­bungs­verordnung – TIEV, BGBl. II Nr. 16/2010, wahrzunehmen.

Durch Abs. 2 werden somit jene Aufgaben präzisiert und festgelegt, die durch das Tabak-Büro besorgt werden.

Abs. 3 regelt die Organisation und Leitungsverantwortung des Tabak-Büros im Zusam­menwirken mit dem BMSGPK. Der Leiter des Tabak-Büros ist in fachlichen Ange­legenheiten an die Weisungen des BMSGPK gebunden.

Zu Abs. 4: Gemäß § 10g TNRSG fließen Gebühren gemäß §§ 9 Abs. 9 und 10a Abs. 7 Z 1 TNRSG der Agentur zu.

Durch Abs. 4 wird klargestellt, dass die gemäß §§ 9 Abs. 9 und 10a Abs. 7 Z 1 TNRSG einzuhebenden Gebühren – entsprechend der mit der Richtlinie 2014/40/EU intendierten Zweckbindung dieser Mittel – ausschließlich zur Abdeckung der personellen und sachlichen Aufwendungen im Zusammenhang mit der Erfüllung der Aufgaben des Büros herangezogen werden dürfen.

Abs. 5 regelt die Sicherstellung der personellen und sachlichen Ressourcen, die den Erfordernissen des Tabak-Büros zur Aufgabenerfüllung Rechnung tragen. Soweit vorhandene Ressourcen der Agentur zur Erfüllung der Aufgaben des Tabak-Büros nicht ausreichen oder von der Agentur selbst nicht bereitgestellt werden können, kann sich dieses externer Sachverständiger oder technischer Ausrüstung externer Stellen bedie­nen, wenn dies zweckmäßig und kostensparend ist.

Zu Z 13 (Änderung der Nummerierung des bisherigen Dritten Abschnittes im Zweiten Hauptstück):

Es handelt sich dabei um eine redaktionelle Änderung bedingt durch die Errichtung des Bundesamtes für Verbrauchergesundheit und Büros für Tabakkoordination.

Zu Z 14 (§ 8 Abs. 2 Z 2): 

Ein spezielles Augenmerk bei der Erfassung und Beobachtung der epidemiologischen Situation betreffend übertragbarer Krankheiten ebenso wie im Rahmen der über­tragenen Aufgaben gemäß Epidemiegesetz 1950, BGBl. Nr. 186/1950, in der Fassung BGBl. I Nr. 62/2020 ist auf die internationale Zusammenarbeit im Bereich der Seuchen, beispielsweise dem „contact tracing“ im Zusammenhang mit Menschen, Tieren und Waren, zu legen.

Zu Z 15 (§ 8 Abs. 2 Z 6b):

Die bereits bestehende Kompetenz und die Tätigkeiten der Agentur im Bereich der Be­wertung von Ernährungsrisiken in Bezug auf Lebensmittelangebot, Lebensmittelauswahl und Verzehrverhalten wird zwecks Gewährleistung einer umfassenden gesundheitlichen Risikobewertung und Maßnahmensetzung weiter ausgebaut und eine rechtliche Grundlage geschaffen werden. Die Agentur wird Monitorings etablieren und die Ernäh­rungsberichterstattung als Datengrundlage für die Risikobewertung und Ableitung von gesundheitspolitischen Maßnahmen durchführen. Parallel dazu erfolgt eine Themen- und Zielgruppenerweiterung zur Förderung der Ernährungskompetenz und des Bürger-Empowerments.


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Zu Z 16 (§ 8 Abs. 2 Z 12a):

Mit der Z 12a werden Untersuchungstätigkeiten für die Chargenfreigabe von Arznei­spezialitäten als Tätigkeiten der Agentur festgelegt. Damit ist es möglich, die Agentur-internen Synergien sowohl organisatorisch als auch budgetär zu verstärken.

Zu Z 17 (§ 8 Abs. 2 Z 17):

Im Gegensatz zum streng regulierten Bereich landwirtschaftlicher Kulturpflanzen unter­liegt das Ausgangsmaterial für medizinisches Cannabis, also das Saatgut und die Cannabispflanze (im Sinne von Sorte), bisher noch keiner umfassenden gesetzlichen Prüfung von Qualitätskriterien, Zulassung oder Registrierung.

Europaweit ist eine anhaltend gesteigerte Nachfrage nach Cannabisblüten für medizi­nische Zwecke festzustellen. In Zukunft wird die Sicherstellung der Qualität des medizinischen Produkts Cannabis, vom Saatgut bis zur Blüte, sei es als Vorprodukt, Wirkstoff oder Arzneimittel, eine noch größere Rolle spielen. Innerhalb der Agentur besteht, in dieser Form, einzigartiges ExpertInnenwissen und die entsprechende Infra­struktur. Die Agentur hat durch ihre Aufgaben für das BAES gemäß § 6 Abs. 1 GESG im Rahmen des Saatgutgesetzes 1997 und des Sortenschutzgesetzes 2001 die Kom­petenz, die Expertise und die langjährige Erfahrung Sorten- und Saatgutprüfungen sowie Zertifizierungen und Registrierungen durchzuführen.

Als Beitrag zur Sicherstellung einer hohen Qualität des Ausgangsmaterials für Arzneimittel wird nun die gesetzliche Grundlage für Qualitätsprüfungen von Sorten, Saatgut, Kultivaren, Linien, Pflanzen und Pflanzenteilen von Pflanzen der Gattung Cannabis für die Herstellung von Arzneimitteln durch die Agentur geschaffen.

Zu Z 18 (§ 8 Abs. 2 Z 19):

Aufgrund des neuen Strahlenschutzgesetz 2020 – StrSchG 2020, BGBl. I Nr. 50/2020, erfolgt eine redaktionelle Anpassung der Bestimmung betreffend die Radioaktivitäts­untersuchung der Agentur jener Waren, welche dem LMSVG unterliegen.

Zu Z 19 (§ 8 Abs. 2 Z 20):

Diese Aufgabe soll den gesellschaftlichen Diskurs um den Einsatz von Pflanzen­schutzmitteln aufgreifen und einen neuen Akzent im Tätigkeitsfeld der Agentur abbilden. Obwohl der Pflanzenschutz seit 1.1.2020 in Gesetzgebung und Vollziehung Landes­sache ist, wird mit der Aufnahme der Z 31 klargestellt, dass der Bund sich auch weiterhin für das Bereitstellen der fachlichen Grundlagen im Rahmen der Pflanzenschutz­mittelpolitik verantwortlich zeichnet und die Agentur als Bundesinstitution die Verwaltung und Politik durch entsprechende Daten und Risikobewertungen auf wissenschaftlicher Basis unterstützt.

Obwohl das Konzept des integrierten Pflanzenschutzes den Einsatz der Chemie an letzte Stelle setzt, bleiben chemische Pflanzenschutzmittel manchmal die einzige Alter­native einer praktikablen Abwehr von Schadorganismen und sind deshalb auch in der Zukunft für die Landwirtschaft und den Gartenbau ein wichtiges Betriebsmittel.

Da der chemische Pflanzenschutz zur Gesunderhaltung der Nutzpflanzen in der Bevölkerung vorwiegend kritisch gesehen wird, bleibt es eine Herausforderung der Zukunft, die Diskussion um die Notwendigkeit und die Risiken chemischer Pflanzen­schutzmaßnahmen weiter zu versachlichen und das Wissen auch in die Gesellschaft zu tragen.

Die Agentur soll dazu in Hinkunft durch Datengrundlagen und Risikobewertungen für den integrierten Pflanzenschutz verstärkt beitragen, um die Transparenz des prak­tischen, chemischen und biologischen Pflanzenschutzes zu erhöhen, eine bessere


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Annäherung an das notwendige Maß zu erreichen und das Risiko für die Verbraucher und die Umwelt weiter zu vermindern.

Zu Z 20 (§ 8 Abs. 2 Z 23):

Dient der klaren Zuweisung der Aufgaben an sowie Erfüllung durch die Agentur im Zusammenhang mit der Errichtung des Tabak-Büros.

Zu Z 21 (§ 8 Abs. 2 Z 24):

Die Agentur wird zukünftig die Eigentümervertreter noch stärker bei der Bewältigung der anstehenden Herausforderungen im Bereich der nachhaltigen Ernährung, wie auch der nationalen Umsetzung der Kommissionstrategie „Vom Hof auf den Tisch“ im Rahmen des Green Deals (vgl. COM (2020) 381 final) unterstützen.

Nicht zuletzt die Covid-19-Krise hat die Bedeutung eines belastbaren und resilienten Lebensmittelsystems gezeigt, das unter jeglichen Umständen weiter funktioniert und in der Lage ist, die Bevölkerung in ausreichendem Maße mit erschwinglichen Lebens­mitteln zu versorgen. Aktuell gewinnt insbesondere das Thema der Regionalität sowie der Herkunftskennzeichnung basierend auf der amtlichen Kontrolle der Durchfüh­rungsverordnung (EU) 2018/775 zur Herkunftskennzeichnung der primären Zutat eines Lebensmittels an Bedeutung. In den nächsten Jahren sind darüber hinaus zahlreiche weitere europäische Vorgaben in Zusammenhang mit der Lebensmittelkette und Nach­haltigkeit zu erwarten.

Aus diesem Grund ist es angezeigt – nicht zuletzt zur Koordinierung von bundes­länderübergreifenden Themen und Entlastung der Eigentümervertreterressorts – Fachexpertise und Ressourcen in Form eines Kompetenzzentrums in der Agentur aufzubauen. Fokus der Tätigkeit soll die fachliche Koordination des Schwerpunktthemas Integrität in der Lebensmittelkette (z.B. Herkunft, Echtheit, Verfälschung, Täuschungs­schutz bzw. die Mitwirkung im Bereich der Aufklärung betrügerischer Praktiken) sein sowie die Koordination und Abstimmung der Lebensmittelgutachtertätigkeiten darstellen. Weiters soll das Lebensmittelkompetenzzentrum als zielgruppenspezifische Beratungs- und Koordinierungsstelle für lebensmittelrechtliche Themen Wissen und maßge­schnei­derte Beratung für die Akteure des Lebensmittelsystems (Wissenschaft, relevante Interessenträger, Konsumenten und zuständige Behörden) zur Verfügung stellen.

Im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung wird die Agentur auch verstärkt Kapazitäten und Expertise im Bereich der Qualitätsauslobungen (insbesondere Herkunft) und Authentizität in Kooperation mit nationalen und europäischen Partnern aufbauen, um so zum Erhalt einer multifunktionalen, nachhaltigen, wettbewerbsfähigen und flächen­deckenden Lebensmittel- und Landwirtschaft, eines hohen Selbstversorgungsgrades und der Umsetzung einer Herkunftskennzeichnung beizutragen.

Zu Z 21 (§ 8 Abs. 2 Z 25):

Für die Aufgaben im Bereich der europäischen Schnellwarn-, Kommunikations- und Informationssystemen wird eine gesetzliche Grundlage im GESG geschaffen. Die Agentur übernimmt dabei die Betreuung der Systeme, teilweise auch als offizielle nationale Kontaktstelle, wie sie ihr in den jeweiligen Bundesgesetzen zugewiesen wer­den (insbesondere iRASFF, TRACES NT, EUROPHYT, RAPEX, ICSMS, OFIS, INFOSAN, EWRS).

Für diese Systeme ist die vorgesehene Vorgangsweise einzuhalten. Die Agentur hat auch einschlägige Arbeitsgruppentreffen auf internationaler und nationaler Ebene wahrzunehmen.


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Zu Z 21 (§ 8 Abs. 2 Z 26):

Im Auftrag der Bundesämter führt die Agentur Unterstützungsleistungen im Rahmen der Kontrollen im Internethandel (und sonstigen Fernabsatzkanälen) für Gesetzesmaterien im Wirkungsbereich von BMSGPK und BMLRT ressourcenschonend und wirksam durch. Sie unterstützt zudem die amtliche Lebensmittelaufsicht bei der Kontrolle des Internethandels in Österreich.

Zu Z 21 (§ 8 Abs. 2 Z 27):

Es wird eine gesetzliche Grundlage für die Übernahme der Funktion als offizielle Kontaktstelle für das europäische Schulungsprogramm der EU-Kommission „Better Training for Safer Food“ gemäß der Verordnung (EU) 2017/625 durch die Agentur geschaffen. Als Kontaktstelle ist sie für Verteilung, Organisation und Wahrnehmung der Aufgaben im Zusammenhang mit Art. 130 der Verordnung (EU) 2017/625 betreffend die Lebensmittelkette zuständig.

Darüber hinaus gehende Schulungsangebote betreffend den Anwendungsbereich der Verordnung (EU) 2017/625, insbesondere solche der Agentur oder sonstigen Rechts­trägern, freiwilliger Natur oder rechtlich verpflichtend, sind weiterhin zulässig.

Zu Z 21 (§ 8 Abs. 2 Z 28):

Die bisher nur im Materiengesetz (vgl. § 30 LMSVG) geregelte Aufgabe der Agentur für die Unterstützung im Rahmen der Erstellung und Aktualisierung des mehrjährigen nationalen Kontrollplans (MNKP) gemäß Art. 109 ff der Verordnung (EU) 2017/625 wird nun als Aufgabe im GESG klarstellend verankert.

Auch die Unterstützungsleistungen der Agentur im Rahmen der jährlichen Erstellung von nationalen Kontrollplänen in allen Kontrollbereichen der Verordnung (EU) 2017/625 wird als Aufgabe der Agentur gesetzlich verankert.

Zu Z 21 (§ 8 Abs. 2 Z 29):

Für die Umsetzung von internen Audits gemäß Art. 6 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2017/625 sowie zur Gewährleistung einer gleichmäßig hohen Qualität und der Koor­dinierung sowie dem Informationsaustausch ist es zweckmäßig und effizient, dass die Agentur einschlägige Unterstützungsleistungen im Bereich der internen Audits erbringt.

Zu Z 21 (§ 8 Abs. 2 Z 30):

Aufgrund des zunehmenden Vernetzungsgrades im Gesundheitswesen ist die Resilienz von vernetzten Systemen, insbesondere im Bereich der Medizinprodukte, Arzneimittel, Blut- und Gewebevigilanz von fundamentaler Bedeutung. Daher hat die Agentur den für Gesundheit zuständigen Bundesminister entsprechend zu unterstützen, ebenso wie bei der Gewährleistung der Versorgungssicherheit und den die Integrität sicherstellenden Informationsaustausch, insbesondere auch in Bezug auf übertragbare Krankheiten.

Zu Z 22 (§ 8 Abs. 2b):

Es soll klargestellt werden, dass die Agentur im Falle eines außergewöhnlichen Ereignisses die Aufgaben, die ihr gemäß § 9a zugewiesen sind, wahrnimmt.

Zu Z 23 (§ 8 Abs. 3 Z 4):

Es handelt sich um eine klarstellende Ergänzung, dass die Agentur im Auftrag der Eigentümervertreter Gutachten und Prüfberichte abgeben kann. Dies ist in Abgrenzung zu sehen mit der nun eingeführten ausdrücklichen Möglichkeit von Unterstützungs­leistungen der Agentur zugunsten anderer Bundes- und Landesbehörden gegen zumin­dest marktübliches Entgelt.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 142

Zu Z 24 (§ 8 Abs. 3 Z 5):

Dient der Ergänzung des Aufgabenbereiches der Agentur.

Zu Z 25 (§ 8 Abs. 3 Z 7):

Aktuell ist die Agentur bereits vielfach von den Eigentümervertretern als offizielles nationales (und europäisches) Referenzlabor und Referenzzentrale benannt. Umfasst sind ressortübergreifend insbesondere die Bereiche Landwirtschaft, Lebensmittel­sicher­heit, Ernährungssicherheit, Tiergesundheit und öffentliche Gesundheit. Aktuell sind diese Tätigkeiten nur vereinzelt im GESG normiert gewesen, wie beispielsweise im Rahmen des § 8 Abs. 2 Z 2. Eine Zusammenführung durch eine allgemeine Bestimmung zur prinzipiellen Möglichkeit der Agentur zur Führung von facheinschlägigen Referenz­zentralen und Referenzlaboren war zwecks gesetzlicher Abbildung des Status-Quo geboten und wird nun eingeführt.

Zu Z 26 (§ 8 Abs. 3a):

Als Beitrag zur Effizienzsteigerung im Rahmen der Verfahrensabwicklung und im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit und Sparsamkeit der Verwaltung wird die Möglichkeit eingeführt, dass andere Bundes- und Landesbehörden die Ressourcen und die Fachexpertise der Agentur, im Rahmen der Vollzugsaufgaben der jeweiligen Be­hörden gegen zumindest marktübliches Entgelt, nutzen können. Dies kann insbe­sondere erfolgen indem die Agentur als zur Verfügung stehender Amtssachverständiger gemäß § 52 Abs. 1 AVG oder als Organ im Rahmen von Kontrollen und Inspektionen im Namen von beauftragenden Behörden bestellt wird. Die hoheitliche Entscheidungs­befug­nis verbleibt dabei bei der jeweiligen zuständigen Behörde. Der konkrete Leis­tungsumfang und die Details hinsichtlich der zumindest marktüblichen Entlohnung sind schriftlich festzulegen. Im Falle der Übertragung von Aufgaben im Anwendungsbereich der Verordnung (EU) 2017/625 an die Agentur, sind die Anforderungen gemäß Art. 28ff der Verordnung (EU) 2017/625 einzuhalten.

Die Agentur hat vorab ein Arbeitsprogramm und ein Unternehmenskonzept zu erar­beiten. Die inhaltliche Abstimmung ist mit den Eigentümervertreter gemäß § 8a durch­zuführen. Daraus sind auch die künftigen Aufgaben erkennbar.

Zu Z 27 (§ 8 Abs. 4):

Aufgrund der Einrichtung des Bundesamtes für Verbrauchergesundheit und des Tabak-Büros war eine Ergänzung der Regelung zur Ressourcenbereitstellung durch die Agentur notwendig.

Zu Z 28 (§ 8 Abs. 7):

Dient der Ergänzung aufgrund der Errichtung des Bundesamtes für Verbraucher­gesundheit, dass die Agentur, soweit es die Erfüllung der Aufgaben des Bundesamtes für Verbrauchergesundheit zulässt und es im Allgemeininteresse liegt, auch gegenüber Dritten Leistungen erbringen kann.

Zu Z 29 (§ 8 Abs. 9):

Der jeweils zuständige Bundesminister oder die jeweils zuständige Bundesministerin kann aufgrund der Verordnungsermächtigung nähere Regelungen über die Tätigkeit der Agentur in Bezug auf die Informations- und Kommunikationssysteme erlassen und für den Fall, dass weitere Informations- und Kommunikationssysteme in diesem Bereich hinzukommen auch die Betreuung dieser an die Agentur übertragen.


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Zu Z 30 (§ 8a Abs. 1):

Aufgrund der BMG-Novelle 2020 liegen die Aufgaben gemäß § 12 Abs. 4a nunmehr nicht mehr im Bereich der Eigentümervertreter, sondern beim Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK). Daher bedarf es in Strahlenschutzbelangen einer Abstimmung des Arbeitsprogramms mit dem BMK.

Zu Z 31 und 32 (§ 9 Abs. 3, 3a, 3b, 3c):

Es wird eine Neuregelung im Sinne einer Verwaltungserleichterung vorgenommen.

Vereinzelt sind Beamte eines Ressorts in der Agentur in Angelegenheiten des anderen Ressorts eingesetzt, sodass die Zuständigkeit für die Entbindung nach Zuständigkeit für die jeweilige Angelegenheit (inklusive zugehöriger „schlichter Hoheitsverwaltung“ wie Amtssachverständigen¬tätigkeit) und nicht nach Zugehörigkeit des Beamten zu einem Ressort erfolgen sollte.

Die Geschäftsführer der Agentur sollen alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Ange­legenheiten, die nicht einem der Bundesämter im weitesten Sinne (inklusiver schlicht hoheitlicher Tätigkeiten) zuzurechnen sind, selbst entbinden können. Kriterien für die Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht der Dienstnehmer sind in der Geschäfts­ordnung des Bundesamtes für Verbrauchergesundheit festzulegen.

Zu Z 33 (§ 9 Abs. 7):

Die Änderung der Datenschutzbestimmung ist notwendig, da eine Klarstellung hin­sichtlich der rechtlichen Grundlage und der Rechtmäßigkeit einer Datenverarbeitung bei Aufgabenerfüllung zu erfolgen hat. Die Verarbeitung von personenbezogenen Daten der Agentur gemäß § 8, der Bundesämter gemäß § 6, 6a und 6c, sowie der Büros gemäß §§ 6b und 6e erfolgt in Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben und somit gemäß Art. 6 Abs. 1 lit c Datenschutz-Grundverordnung rechtmäßig.

Das Bundesamt gemäß § 6a ist ua. als für die Vollziehung des Arzneimittelgesetzes (AMG), BGBl. Nr. 185/1983, zuständige Behörde verantwortlich für die Zulassung, die Verbesserung der Sicherheit von Arzneimitteln, deren Risikoerfassung und -bewertung und die Überwachung des Verkehrs mit diesen. Oberstes Ziel aller Maßnahmen ist die Erhöhung der Arzneimittel- und damit der Patientensicherheit und die Abwehr von Gesundheitsgefahren. Die Verarbeitung von personenbezogenen Daten und personen­bezogenen Daten besonderer Kategorien des Bundesamtes gemäß § 6a erfolgt in Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben gemäß Art. 9 Abs. 2 lit g und lit i Datenschutz-Grundverordnung, ABl. Nr. L 110, aus Gründen des öffentlichen Interesses im Bereich der öffentlichen Gesundheit.

Zu Z 34 (§ 9a):

Da außergewöhnliche Situationen im Bereich der öffentlichen Gesundheit, betreffend Menschen, Tiere und Lebensmittel (z.B. Pandemien, Epidemien, Tierseuchen, Erkran­kun­gen bei Menschen aufgrund lebensmittelbedingter Krankheitsausbrüche) in die Zuständigkeit des BMSGPK fallen, wird hier festgeschrieben, dass die Agentur zur Erfüllung der entsprechenden Notfallpläne als unerlässliches Hilfsmittel bei der Bekämp­fung solcher Situationen im Vorfeld dafür Sorge zu tragen hat, dass entsprechende Laborkapazitäten für die notwendigen Untersuchungen zur Verfügung stehen. Aufgrund der Streichung des § 8 Abs. 3 Z 7 wird zur Sicherstellung der Bereitstellung von ausreichenden Laborkapazitäten der Agentur an dieser Stelle verankert.

Bezüglich der anfallenden Tätigkeiten im Rahmen der Bekämpfung einer solchen Situ­ation kommt in weiterer Folge der Agentur eine wesentliche Rolle zu. Vor allem, weil sich die Agentur im Eigentum des Bundes befindet und sich somit für diese Tätigkeiten


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besonders eignet. In der Agentur werden die nötigen Kapazitäten zur Krisenbewältigung gewährleistet werden. Es hat sich gezeigt, dass es erforderlich ist, dass die Agentur auch interne Notfallpläne vorliegen hat um in Notsituationen vorgehen zu können und weiter­hin eine effektive und effiziente Aufgabenerfüllung sichergestellt ist. Zu diesem Zweck ist die Agentur bereits in die Erstellung der Notfallpläne einzubinden oder mit der Erstellung solcher Pläne zu beauftragen.

Ebenso wird für den Vollzugsbereich des BMLRT festgelegt, dass die Agentur aus­reichende Laborkapazitäten zur Bewältigung von Krisen u.ä. bereitzustellen hat. Bei der Erstellung der Notfallpläne ist – entsprechend der Kompetenzverteilung des B-VG – sicherzustellen, dass die zuständigen Behörden entsprechend eingebunden werden.

Zur Bewältigung solch außergewöhnlicher Situationen kann das BMSGPK im Ein­vernehmen mit dem BMLRT durch Verordnung festlegen wie die Hernaziehung der Agentur bezüglich Aufbauorganisation, Kommunikation und Stabsarbeit gestaltet sein muss. Hier muss einerseits Flexibilität gewährleistet sein, andererseits wird durch die Ermächtigung für die Erlassung einer Verordnung auch Rechtssicherheit normiert.

Zu Z 35 (§ 10 Abs. 1):

Es erfolgt eine Bereinigung und Klarstellung der bereits bestehenden Pflicht der Ge­schäfts­führung der Agentur zur Erstellung eines mehrjährigen Unternehmenskonzepts.

Zu Z 36 (§ 10 Abs. 2a):

Die Möglichkeit der Untersagung aus Bedarfsmangel wurde in Anbetracht der inter­national unterschiedlichen Ermittlungsweisen des Bedarfes als nicht zielführend ge­strichen. Die einschlägigen Bestimmungen der Einzigen Suchtgiftkonvention 1961 (ESK), BGBl. Nr. 531/1978, insbesondere zu Schätzungen des Bedarfs an medizini­schem Cannabis (vgl. Art. 19) decken ausreichend den Regelungsbedarf und sind einzuhalten.

Zu Z 37 (§ 10 Abs. 4):

Die Befristung galt auch bisher nur für die Kapitalvertreter, was sich aus der durch die Wortwahl erfolgten Unterscheidung zwischen bestellten und entsendeten Mitgliedern in Zusammenschau mit dem ArbVG ergab. Eine Befristung ist auch dem Arbeitsverfas­sungsgesetz (ArbVG), BGBl. Nr. 22/1974, nicht zu entnehmen. Eine ausdrückliche Klarstellung erscheint zur Rechtssicherheit jedoch zielführend.

Es handelt sich hier weiters um eine Anpassung an das GmbH-Recht, welches in § 30c GmbH-Gesetz, RGBl. Nr. 58/1906, eine Abberufung von Kapitalvertretern durch die berechtigte Stelle jederzeit auch ohne wichtigen Grund ausdrücklich zulässt. Gleichzeitig soll klargestellt werden, dass die Befristung eine vorzeitige Abberufung nicht aus­schließt.

Die Möglichkeit der jederzeitigen Abberufung gilt auch nach ArbVG für die Arbeitneh­mervertreterInnen.

Weiters erfolgt eine Anpassung an das GmbH-Recht auch dahingehend, dass bei der GmbH nach der herrschenden Meinung ein Rücktritt auf eigenen Wunsch des Mit­gliedes, auch wenn eine ausdrückliche gesetzliche Regelung dazu fehlt, möglich ist und bereits mit der Rücktrittserklärung, die der Gesellschaft zugehen muss, wirksam wird. Eine Abberufung ist hierfür nach der herrschenden Meinung nicht notwendig. Der Rücktritt darf dabei nach der hM nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes, oder, wenn ein solcher fehlt, nicht zur Unzeit erfolgen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 145

Zu Z 38 und Z 39 (§ 11 Abs. 1 und 3):

Es handelt sich um eine gesetzliche Klarstellung, dass eine Einrichtung, insbesondere von wissenschaftlichen Beiräten, durch die Bundesministerien erfolgen kann, aber nicht muss.

Die aktuelle Covid-19 Krise hat den zusätzlichen Bedarf gezeigt, Kapazitäten und Know-How in den Bereichen Public Health, Epidemiologie und Infektiologie aufzubauen und einschlägiges Expertenwissen und mögliche Synergien umfassend zu nutzen. Aus diesem Grund soll ein einschlägiger Wissenschaftlicher Beirat für Öffentliche Gesundheit (Public Health) zur Bündelung einschlägigen fachlichen Know-Hows zur Beratung eingerichtet werden.

Derzeit ist auch ein wissenschaftlicher Beirat gesetzlich eingerichtet, welcher nicht aktiv ist. Eine gesetzliche Bereinigung und Beschränkung auf die aktiven und gewünschten Beiräte war daher geboten.

Zu Z 40 (§ 11 Abs. 5):

Es besteht keine weitere Notwendigkeit zur Fortsetzung des gegenständlichen Beirats gemäß die bisherigen Abs. 5, sodass die Nummerierung nachzuziehen wäre.

Zu Z 41 (§ 12 Abs. 1):

Klarstellung, dass die Erweiterung des Aufgabenbereiches der Agentur auch von der Basiszuwendung vom Bund umfasst ist.

Zu Z 42 (§ 12 Abs. 4a):

Die Agentur hat zusätzlich zu den Aufgaben gemäß § 8 Abs. 2 Z 19 Leistungen zu erbringen, die ihr gemäß StrSchG 2020 zugewiesen sind, insbesondere die labor­gestützte Radioaktivitätsüberwachung gemäß § 125 Abs. 1 StrSchG 2020, soweit nicht von § 8 Abs. 2 Z 19 erfasst. Darüberhinaus betreffen die Aufgaben gem. § 12 Abs. 4, die einschlägige Unterstützung der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie bei den Vollzugsaufgaben gemäß StrSchG 2020, bei der Erfüllung von Aufgaben im Radonschutz gemäß § 96 StrSchG 2020 sowie im Rahmen der behördlichen Notfallvorsorge und bei bestehenden Expositionssituationen infolge von kontaminierten Waren und radioaktiven Altlasten gemäß StrSchG 2020.

Zu den Aufgaben der Agentur zählt daher auch die einschlägige fachliche Unterstützung der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie bei ihren Aufgaben gemäß StrSchG 2020 und darauf beruhender Maß­nahmenpläne, Rechts- und Verwaltungsakte, bei ihren Aufgaben gemäß EURATOM Vertrag und darauf beruhender Rechtsakte sowie gemäß internationalen Bestimmungen – soweit vereinbart.

Aufgrund der Ressortverschiebung der Strahlenschutzagenden vom vormaligen BMNT (jetzt BMLRT) zum BMK sowie der Novellierung des Strahlenschutzrechtes mit dem StrSchG 2020 erfolgt die gesetzliche Klarstellung der Notwendigkeit einer Leistungs­vereinbarung zwischen BMK mit der Agentur bezüglich der gemäß StrSchG 2020 gesetzlich festgelegten Aufgaben.

Zu Z 43 und 44 (Änderung der Überschriftenbezeichnung):

Aufgrund der Ergänzung neuer Bestimmungen wurde ein Hauptstück ergänzt und die Nummerierung der Überschrift angepasst.

Zu Z 43 (§ 17a):

Im Rahmen der Neuregelung der Kontrollen entlang der Lebensmittelkette hegte die Europäischen Union den Wunsch nach einer europäischen einheitlichen Durchführung


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der Grenzkontrolle, welche in der umfangreichen Regelung der Kontrollen in der EU-Kontrollverordnung (EU) 2017/625 mündete.

National wird das Bundesamt für Verbrauchergesundheit die amtlichen Kontrollen bei Tieren und Waren wahrnehmen, soweit die Zuständigkeit des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz gegeben ist, die gemäß Art. 43ff der Verordnung (EU) 2017/625 in die Union verbracht werden. In diesem Zusam­menhang ist besonderes Augenmerk auf die unmittelbar geltenden delegierten und Durchführungsrechtsakte der Europäischen Union zu legen, die detaillierte Bestim­mungen zu den Tätigkeiten in diesem Zusammenhang vorgeben.

Zu Z 44 (§ 17a Abs. 4):

Unter der „Führung der Grenzkontrollstelle“ sind jene Aufgaben der Grenzkontrollstelle zu verstehen, die nicht die Durchführung der unmittelbaren Kontrolle betreffen, bei­spielsweise die Einrichtung und Organisation der Grenzkontrollstelle sowie Personal­angelegenheiten.

Zu Z 44 (§ 17c):

§ 17c legt die fachliche Voraussetzung für die Ausübung der Tätigkeit als Kontrollorgane fest. Jedenfalls sind Tierärzte mit abgeschlossenem Physikat als solche zu werten sowie Personen, die als Zusatzpersonal gemäß der delegierten Verordnung (EU) 2019/1081 geschult sind. Die diesbezüglichen weiterführenden Voraussetzungen der veterinär­behördlichen Grenzkontrolle sind in der Verordnung (EU) 2017/625 sowie den dazu­gehörigen delegierten und Durchführungsrechtsakten normiert. 

Zu Z 44 (§ 17d):

Die Gebühren für die veterinärbehördliche Grenzkontrolle sind, insbesondere im Anhang IV der Verordnung (EU) 2017/625 festgelegt.

Zu Z 45 (§ 19 Abs. 15):

Weiterhin soll eine gesetzliche Klarstellung erfolgen, dass sämtliche Einnahmen der Bundesämter, insbesondere Gebühreneinnahmen, Einnahmen der Agentur sind.

Gründungsziel der Agentur ist unter anderen die bereichsübergreifende Effizienz- und Effektivitätssteigerung (Kostenreduktion durch Synergien statt Kompetenzsplitterung in der Ernährungskette). Neben der Erleichterung des administrativen Aufwandes gebieten es die geltenden haushaltsrechtlichen Erfordernisse und die wirkungsorientierte Aus­richtung der Agentur anhand geschäftsfeldübergreifenden Wirkungsziele, die strikte Trennung der Finanzierung der Aufgaben der Agentur aufzuheben.

Im Rahmen dieser gesetzlichen Novellierung wird festgehalten, dass die bisher verankerte gesetzliche Zweckwidmung der Einnahmen nach § 6a (gemäß § 19 Abs. 15) nicht der zukünftigen Verwendung allfälliger Rücklagen der Agentur auch für andere Verwendungszwecke als die Aufgaben gemäß §§ 6a und 8 Abs. 2 Z 13 bis 16 ent­gegensteht. Dies trifft insbesondere auch auf jene Rücklagen zu, welche bis zum Zeitpunkt der vorliegenden Novellierung durch die Agentur gebildet wurden, auch wenn diese teilweise oder ganz aus Einnahmen nach § 6a GESG gebildet wurden.

Zu Z 46 bis 49 (§ 19 Abs. 27 bis 30):

Redaktionelle Anpassung doppelter Absatzbezeichnungen.

Zu Z 50 (§ 19 Abs. 31 bis 34):

Übergangsbestimmungen für bestehende Grenzkontrollstellen sowie Kontrollorgane werden festgelegt. Weiters können Vorbereitungstätigkeiten für das neue Bundesamt für Verbrauchergesundheit bereits vorab durchgeführt werden.


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Zu Z 51 bis 54 (§ 20 Abs. 2, 3, 4 und 8):

Die Vollzugsklauseln waren aufgrund der Einrichtung des Bundesamtes für Ver­braucher­gesundheit und des Büros für Tabakkooperation sowie aufgrund der BMG-Novelle 2020 anzupassen.

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Abänderungsantrag wurde an alle Abgeordneten verteilt sowie in den Grundzügen erläutert und steht daher mit in Verhandlung.

Der nächste Redner ist Herr Abgeordneter Hermann Brückl. – Bitte.


12.52.47

Abgeordneter Hermann Brückl, MA (FPÖ): Frau Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Charles Dickens hat einmal gesagt: In der kleinen Welt, in der unsere Kinder leben, gibt es nichts, das so deutlich von ihnen erkannt und gefühlt wird, als Ungerechtigkeit. – Hohes Haus, es ist ungerecht und unsere Kinder verstehen es nicht, dass sie schon wieder entgegen aller Expertenmeinungen in eine soziale Isolation geschickt werden. Wenn sie ihre Freunde nicht zumindest in der Schule sehen können, verstehen sie es nicht. Wenn ihr Wissenshunger nicht gestillt wird, verstehen sie es auch nicht.

Hohes Haus! Wir erheben als Land Österreich, als Republik den Anspruch, eines der besten und zuverlässigsten Bildungssysteme auf dieser Welt zu haben. Das bedeutet aber auch, dass man Geld in die Hand nehmen muss und dass man sich die Notwen­digkeit und die Bedeutung eines Bildungssystems auch immer wieder in Erinnerung rufen muss. Der Herr Finanzminister hat vor vier Wochen in seiner Budgetrede gerade einmal drei Sätze zum Bildungsbudget, zu unseren Schulen verloren. Das ist ungerecht!

Es ist ungerecht, Herr Finanzminister, dass Sie kein Wort darüber verloren haben, dass die Ausgaben für die klassischen Integrationsagenden im Schulbereich wie Unterrichts­sprache, Werteerziehung und Konfliktlösung laufend steigen. Kein Wort gab es von Ihnen darüber, dass durch das ständige Schule-auf-Schule-Zu, durch den laufenden Wechsel von Präsenzunterricht zu Distancelearning und wieder zurück nicht nur Unsicherheit und Verwirrung entstehen, sondern dass wir aufgrund dieser Maßnahmen, mit diesen Schulschließungen vor allem eine ganze Generation von Kindern schaffen, die mit Bildungsnachteilen ins Leben starten müssen. Die Regierung, nein, nicht die Regierung, sondern Bundeskanzler Kurz im Alleingang sorgt dafür, dass eine ganze Coronageneration geschaffen wird. Das ist ungerecht, Hohes Haus!

In der Budgetrede des Finanzministers hörte man kein Wort darüber, wie man den Lockdownverlierern budgetär unter die Arme wird greifen können, kein Wort darüber, welche Mittel vorgesehen sind, um Maßnahmen zu treffen, die die Folgeschäden des Lockdowns der Schulen zumindest so gering wie möglich halten – auch das ist unge­recht. (Beifall bei der FPÖ.)

Es braucht den Einsatz monetärer Mittel, um Bildungsrückstände und Bildungsverluste so weit als möglich hintanzuhalten. Es braucht eine Vorsorge für die Sommerschulen, Hohes Haus, für alle Schüler, die diese in Anspruch nehmen wollen, auch um Rück­stände aufzuholen, die in den letzten Monaten, in den letzten zwei Semestern bereits entstanden sind. Es braucht ein Budget für spezielle Förderangebote, um die durch Lockdowns verlorene Bildungszeit wieder aufholen zu können.

Hohes Haus! Ein Budget braucht Investitionen in die Bildung, weil Investitionen in die Bildung Investitionen in die Zukunft unserer Jugend sind, weil Investitionen in die Bildung


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unseren Kindern eine Grundlage für ein erfülltes Leben schaffen und weil Investitionen in die Bildung auch für Wirtschaftswachstum sorgen.

Die Frau Präsidentin des Rechnungshofes hat vorhin in ihrer Rede gesagt: Die Regie­rung muss liefern. – Ja, die Regierung müsste liefern. Das, was diese Bundesregierung seit Monaten liefert, sind Angst, Furcht und Panik! Liefern müsste sie Zuversicht, Hoffnung, Zuspruch und Mut. Das tut sie aber nicht. (Beifall bei der FPÖ.)

12.56


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Johann Singer. – Bitte.


12.56.51

Abgeordneter Johann Singer (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Sehr geehrte Damen und Herren hier im Haus und zu Hause! Wir behandeln heute auch – Frau Bundesminister Gewessler und einige Kollegen haben es schon angesprochen – den ÖBB-Rahmenplan für die Jahre 2021 bis 2026. In diesem Zeitrahmen sind Investitionen in Höhe von 17,5 Mil­liarden Euro vorgesehen. Natürlich ist das eine besondere Herausforderung, sowohl für das aktuelle Budget 2021 als auch für die kommenden. Ich möchte insbesondere die Auswirkungen auf den ländlichen Raum skizzieren.

Grundlage dieses Rahmenplanes ist übrigens das beschlossene Regierungsprogramm. Dieses Regierungsprogramm hat insofern Wirkung gezeigt, als zusätzliche Maßnahmen in diesem Rahmenplan vorgesehen sind, die insgesamt Kosten in der Höhe von 8 Mil­li­arden Euro ausmachen. Das bedeutet hohe Investitionen in ein modernes Schienen­netz.

Wir investieren damit durchschnittlich 329 Euro pro Kopf und Jahr in das Schienennetz. In Deutschland sind es im Vergleich dazu nur 188 Euro, wir investieren also 131 Euro mehr als Deutschland. Das bedeutet, dass wir die Schiene attraktivieren, und zwar in allen Bundesländern.

Was sind nun die Schwerpunkte für den ländlichen Raum? – Zum einen sind es der Streckenausbau und die Attraktivierung der Bahn insgesamt. In meinem Heimatbundes­land Oberösterreich sind dies die Pyhrnbahnstrecke, die Salzkammergutbahn, die Hausruckbahn, Mühlkreis- und Summerauerbahn.

Ein zweiter wichtiger Schwerpunkt ist die Elektrifizierung von Bahnstrecken. Da ist ein besonders interessanter Aspekt, dass bis zum Jahr 2030 die Elektrifizierung von rund 500 Bahnkilometern in Österreich vorgesehen ist. Ziel ist es, die vollständige Dekar­bonisierung des Bahnverkehrs sowohl strecken- als auch fahrzeugseitig zu bewerk­stelligen. In Oberösterreich sind davon die Mattigtalbahn, die Innkreisbahn, die Donau­uferbahn und die Almtalbahn betroffen.

Ein ganz wichtiger Punkt ist auch die Modernisierung der Bahnhöfe. Einige Aspekte dazu: barrierefreier Zugang, Ausbau der Servicevielfalt, digitale Kundeninformations­systeme und der Ausbau der Bahnhöfe zu Mobilitätsdrehscheiben. Das sind sehr, sehr wichtige Schwerpunkte.

Als Pendler möchte ich noch anführen: Ein Ausbau der Park-and-Ride-Plätze in Oberösterreich, mit zusätzlichen insgesamt 2 400 Parkplätzen, ist bis 2026 vorgesehen. Wie gesagt, das ist eine ganz wichtige Maßnahme für die Pendler. (Präsident Hofer übernimmt den Vorsitz.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Mit diesem Rahmenprogramm wird der Schienen­verkehr wesentlich attraktiver, wird ein wichtiger Beitrag zur Klimaneutralität geleistet, wird die Konjunktur gestärkt, und es ist Teil des Kampfes um jeden Arbeitsplatz, um jeden Betrieb. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Stögmüller.)

13.00



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 149

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Mag. Karin Greiner. – Bitte, Frau Abgeordnete.


13.01.06

Abgeordnete Mag. Karin Greiner (SPÖ): Ich halte fest, der Herr Finanzminister zieht es vor, dieser Debatte nicht beizuwohnen. Schade!

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir befinden uns in der größten Wirtschaftskrise der Zweiten Republik. Seit heute sind wir im zweiten Lockdown und – wir haben es schon gehört – die Folgen dieses Lockdowns sind nicht im Budget eingepreist.

Was brauchen wir in dieser Krise? Wir diskutieren hier zwar ein Budget, das bereits Makulatur ist, eine essenzielle Frage aber ist: Was braucht es in dieser Krise? – Es bedarf zuallererst einer aktiven Arbeitsmarktpolitik. Das war auch lange Zeit so, aber in den letzten Jahren hat es da drastische und sukzessive Kürzungen gegeben. Wenn wir wissen, dass für 2021 lediglich gleich viel aktive Mittel eingestellt sind wie für 2017, dann ist das angesichts der drastisch steigenden Arbeitslosenzahlen doch sehr erstaunlich.

Was braucht es noch? – Es braucht eine Absicherung der geringen Einkommen. Was macht die Bundesregierung? – Die Bundesregierung verzichtet auf eine Steuerreform und tut damit nichts zur Sicherung kleinerer Einkommen. (Zwischenruf des Abg. Lindinger.– Wir haben es im Budgethearing gehört, von Experten bestätigt bekom­men, Sie müssten es auch wissen (Zwischenruf des Abg. Lindinger): Gerade dann, wenn man Mittel in die unteren Einkommenssegmente fließen lässt, fließen sie direkt in den Konsum. Genau das würden wir jetzt bitter benötigen. (Beifall bei der SPÖ. – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Lindinger.)

Was aber macht die Regierung? – Bei Langzeitversicherten, die 45 Beitragsjahre haben, braucht man nicht so großzügig zu sein, da kann man ruhig etwas wegnehmen! – Sie verkaufen es auch noch als Erfolg, wenn Sie einer Familie 300 Euro wegnehmen und sagen: Wir geben ja eh 60 Euro zurück! Wie geht sich das in der Summe als Erfolgs­rechnung aus? (Zwischenruf des Abg. Lindinger.) Herr Kollege! Bitte, Herr Kollege!

Weiters ist es unabdingbar, öffentliche Investitionen zu forcieren. Mein Vorredner Kollross hat es angesprochen: Diese Investitionen erfolgen in den Gemeinden, und Sie alle, die Sie hier sitzen, wissen, wir alle wissen, die Gemeinden haben herbe Verluste einzustecken – weniger Ertragsanteile, bittere Verluste bei den Kommunalsteuern, mehr als 2 Milliarden Euro für heuer.

Jetzt sagt der Herr Finanzminister im Ausschuss, na ja, wir haben eh 1 Milliarde Euro vom Kommunalinvestitionsgesetz. Herr Minister in Abwesenheit! 2,5 Milliarden Euro minus, 1 Milliarde Euro bekommt man. Wie geht sich das aus? Wo (durch abwech­selndes Heben und Senken der Hände unterschiedliche Höhen darstellend) kommt man da auf gleich? Der Bund hat die Aufgabe, diese Einnahmenausfälle zu kompensieren, aber dieser Aufgabe kommt er nicht entsprechend nach. (Beifall bei der SPÖ.)

Wollen Sie, dass die qualitätsvollen - - (Abg. Lindinger schüttelt den Kopf) – Sie können den Kopf schütteln, wie Sie wollen, ich spreche von Fakten. (Zwischenruf des Abg. Lindinger.) Wollen Sie, dass die sozialen Dienstleistungen in den Gemeinden schlechter werden? Wollen Sie, dass die Betreuungseinrichtungen nicht mehr diese Qualität liefern können? Die Gemeinden brauchen jetzt unsere tatkräftige Unter­stützung, denn Gemeinden investieren arbeitsplatzwirksam, schnell und nachhaltig. (Zwischenrufe der Abgeordneten Haubner und Lindinger.) Sie hätten im Budget die Möglichkeiten dazu, aber leider setzt die Bundesregierung falsche Schwerpunkte. Sie setzt sie nämlich nicht bei den Arbeitslosen, sie setzt sie nicht bei den geringen


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Einkommen und sie setzt sie leider nicht bei den Gemeinden – das ist sehr bedauerlich. (Beifall bei der SPÖ.)

13.04


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Lukas Brandweiner. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


13.05.12

Abgeordneter Lukas Brandweiner (ÖVP): Herr Präsident, lassen Sie mich auch anmerken: Es freut mich, dass Sie wieder gesund und fit unter uns sind! Werte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuse­he­rinnen und Zuseher zu Hause vor den Bildschirmen! Mein Kollege Hans Singer hat schon viel zum ÖBB-Rahmenplan gesagt, ich darf dazu auch noch einiges ausführen: Mit 17,5 Milliarden Euro ist es das mit Abstand größte Budget, das wir je für den Ausbau des Schienennetzes beschlossen haben; im Vergleich dazu waren es im letzten Fünfjah­resplan mit 13,9 Milliarden Euro doch deutlich weniger. Das bedeutet auch, dass konkret ab 2021, also ab nächstem Jahr, insgesamt 3 Milliarden Euro jährlich investiert werden.

Gerade jetzt sind diese Investitionen wichtig und richtig. Sie sichern und schaffen 15 000 Arbeitsplätze. Mein Kollege hat auch den Vergleich zu Deutschland gezogen, wo nur knapp die Hälfte investiert wird, wenn man es pro Kopf und pro Jahr rechnet. Ich denke, das kann sich durchaus sehen lassen.

Weiters positiv hervorstreichen möchte ich auch die Attraktivierung der Regionalbahnen. Dazu zählen zeitgemäße Kundeninformationssysteme, natürlich auch moderne Halte­stellen und Bahnhöfe, Streckenattraktivierungen, aber auch die Sicherheit an den Bahnübergängen und Kreuzungen – es hat schon zu viele Horrormeldungen von folgenschweren Unfällen gegeben.

Eines der Ziele im Kampf gegen die Klimakrise ist natürlich auch die Verlegung des Güterverkehrs auf die Schiene; diese ist weiter voranzutreiben. Es gilt aber auch, mit der Elektrifizierungsoffensive voranzuschreiten. Da freut es mich besonders, dass auch in meinem Heimatbundesland Niederösterreich einige Projekte umgesetzt werden. Ich erwähne hier die Elektrifizierung der Strecke Krems–Sankt Pölten. Ich als Waldviertler Abgeordneter möchte aber auch – und das freut mich wirklich besonders – auf die Planung des zweigleisigen Ausbaus zwischen Absdorf-Hippersdorf und Sigmundsherberg und natürlich auch auf die Direktanbindung an die Bezirkshauptstadt Horn hinweisen. Das ist ganz wichtig, und das sind positive Signale für die Franz-Josefs-Bahn, für das Waldviertel. Ich möchte mich auch bei allen politisch Verantwortlichen bedanken, die in den letzten Jahren mitgekämpft haben, angefangen bei den Bürgermeistern über die Abgeordnetenkollegen bis hin zu unserem Verkehrslandesrat Ludwig Schleritzko.

Meine Bitte: Arbeiten wir gemeinsam an Verbesserungen weiter! Und meine Bitte an Sie, liebe Frau Ministerin, ist, dass Sie uns da auch weiterhin tatkräftig unterstützen.

Meine Damen und Herren! Mit dem Rahmenplan 2021 bis 2026 setzen wir die not­wendigen Schritte für ein modernes und zukunftsfittes Bahnnetz, und deshalb bitte ich Sie auch um Ihre Unterstützung! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

13.08


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Christian Hafenecker. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.08.29

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Herr Präsident! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Frau Bundesministerin! Ich habe Ihnen vorher aufmerksam zugehört,


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als Sie gesagt haben, das Budget sei eine Errungenschaft, gerade im verkehrs­politi­schen Bereich, es wäre ein Klimabudget und es sind Investitionen, die schlussendlich dann auch die Coronakrise sozusagen wirtschaftlich auflösen sollen. Frau Bundes­minis­terin, das war schon der erste Schmäh, den Sie uns heute da herinnen verkündet haben, denn es ist ein Budget, gerade auch der Rahmenplan, das erst 2022 wirksam wird. Das heißt, es ist mitten drin noch ein volles Jahr Zeit, bevor das einmal greift.

Frau Bundesministerin, Sie haben damit gleich zwei Probleme: Das erste Problem ist, dass die Wirtschaft, die Sie dann stützen wollen, bis dahin bereits zusammengebrochen sein wird, und das zweite Problem ist, da schaue ich zur ÖVP rüber, dass Sie bis dahin nicht mehr Ministerin sein werden. (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Gewessler.) Das heißt, dieses ganze Programm, das Sie da jetzt aufgemalt und erklärt haben, werden Sie am Ende des Tages nicht umsetzen.

Wenn man sich den Rahmenplan genauer anschaut, dann sieht man auch, welcher Etikettenschwindel dem eigentlich zugrunde liegt, denn im Prinzip ist es der Rah­menplan, den der hinter mir sitzende Präsident Hofer bereits erstellt hat. Sie haben ihn in Wahrheit nur mit ein paar Fahrradparkplätzen garniert, aber im Wesentlichen war es das dann auch schon wieder.

Im Übrigen stelle ich mir auch die Frage, Frau Bundesministerin, wie Sie denn diesen Rahmenplan umsetzen wollen. Wie soll das funktionieren? Wenn ich mir Ihre Heran­gehensweise beim 1-2-3-Ticket anschaue, dann komme ich zum Schluss, dass der Rahmenplan, der 2022 greifen soll, 2030 noch nicht fertig sein wird. Also wenn Sie weiterhin dieses Tempo an den Tag legen, dann sehe ich für Sie, Frau Bundes­ministerin – und das wird auch Ihr Schicksal sein –, leider Gottes schwarz. (Beifall bei der FPÖ.)

Auch sonst haben wir im Bereich der Bahn eigentlich nur Chaos. Frau Bundesministerin, schauen Sie sich einmal im Detail an, was bei der Bahn abläuft: Es werden Takte verändert und damit auf der anderen Seite Regionalbahnen unbrauchbar gemacht. Es werden Bahnhofsgebäude geschlossen und damit wird „sichergestellt“ – unter Anfüh­rungszeichen –, dass die Pendler nur mehr im Regen stehen können und dass sie nicht einmal mehr eine Toilette vorfinden.

Frau Bundesministerin, das ist Ihre Eisenbahnpolitik? Das ist die große Show, die Sie abziehen, um Leute zum Bahnfahren zu bewegen? Sie machen ganz genau das Gegenteil davon.

Frau Bundesministerin, Sie sind ja eines der Regierungsmitglieder gewesen, die im Vorfeld sehr massiv gelobt worden sind, aufgrund Ihrer angeblichen Fachkompetenz, aber ich frage mich schon: Was ist aus Ihren Ambitionen in der Zwischenzeit geworden? Sie haben es geschafft, Frau Bundesministerin, in Ihrer bisherigen Amtszeit ganze zwei Regierungsvorlagen zu liefern – zwei Stück! Frau Bundesministerin, das ist ja noch weniger konstruktiv als das, was Bundesminister Blümel vorlegt. Vonseiten des Ver­kehrsministeriums, dieses großen Ressorts so wenig zu bringen, und das mit den Ambitionen, von denen Sie vorher erzählt haben, dass Sie die haben, das ist für mich nicht nachvollziehbar und eigentlich eher eine Chuzpe. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie haben vorhin gesagt: Klimaschutz jetzt! – Ja, Frau Bundesministerin, da gebe ich Ihnen recht, aber dann erklären Sie mir, warum Sie gute, bereits vorliegende Programme vom damaligen Minister Hofer zertrümmern. Es ist die Nahverkehrsmilliarde bereits vorgelegen, die hätten Sie nur mehr umzusetzen brauchen, dann hätten Sie sofort mit Klimaschutz beginnen können. Was haben Sie gemacht? – Sie haben sie filetiert, Sie haben die Milliarde irgendwo im Budget unauffindbar gemacht – sie ist nicht mehr vor­handen.


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Wissen Sie, ich unterstelle Ihnen da schon eines: Sie wollen das Klima gar nicht schützen, sondern das, was Sie wollen, ist Zeit gewinnen, damit wieder irgendwelche Fahrradlobbyisten sündteure Konzepte für Sie schreiben können. Das ist der Grund. Um die Umwelt geht es Ihnen nicht, es geht Ihnen um die Posten, die Sie im Ministerium besetzen wollen.

Im Verkehrsministerium gibt es viele Bereiche, Frau Bundesministerin, in denen Sie versagt haben. Ich kann mich noch erinnern, wie wir in der Bundesregierung geprügelt worden sind, weil wir den Rechtsabbiegeassistenten nicht zwei Tage nach einem tragi­schen Unfall umgesetzt haben. Ich kann mich erinnern, wie Frau Vassilakou im Ver­kehrsministerium gestanden ist und nahezu Terror gemacht hat, dass das sofort passieren müsse. Ich kann mich erinnern, dass wir dafür gesorgt haben, dass auf EU-Ebene sofort alles in Gang gesetzt werden muss, um eine Harmonisierung der tech­nischen Herausforderungen herbeizuführen. Alles das haben Sie bis jetzt nicht in die Zielgerade gebracht.

Frau Bundesministerin, wie schaut es denn mit dem Bundesstraßenausbauplan aus? – Der ist bis heute nicht fertig. Sie überlegen zwar neue Fahrradwege und installieren Fahrradparkplätze auf Bahnhöfen, aber wie es mit den Autobahnen und mit den Schnellstraßen weitergeht, darüber haben Sie noch nichts vorgelegt. Auch da haben Sie leider Gottes versagt. Zwei Beispiele dafür: S 34, B 334. Frau Bundesministerin, Sie lassen vor allem die Pendler im ländlichen Bereich, die aufs Auto angewiesen sind, absolut im Stich. (Beifall bei der FPÖ.)

Was machen Sie stattdessen? – Sie betreiben lupenreines Autofahrerbashing, Sie fabulieren über eine CO2-Steuer, Sie wollen den Diesel verteuern, was in erster Linie die Landwirtschaft und die Logistiker trifft, und am Ende des Tages wird der Konsument die Zeche dafür zahlen. Auch das Gelegenheitsverkehrs-Gesetz haben Sie komplett umgekrempelt. Was uns damals wichtig gewesen ist – dass eine Deutschpflicht für Taxifahrer kommt –, auch das haben Sie vereitelt. Da haben Sie offensichtlich ganz andere Interessen. Im Prinzip fördern Sie in erster Linie jene Leute, jene Mietwagen­unternehmer, die ihre eigenen Fahrer ausnützen und Sozialdumping betreiben. Auch da sind wir also ganz weit weg von linker Politik, die Sie immer vorgeben zu machen, Frau Bundesministerin. Auch da haben Sie leider versagt.

Jetzt habe ich sehr, sehr oft das Wort versagen gebraucht, und zum Schluss möchte ich noch ein Beispiel bringen, das dieses Gesamtversagen wirklich sehr deutlich macht. Frau Bundesministerin, 450 Millionen Euro, sagt Ihnen die Zahl etwas? – Das war der AUA-Deal. Wenn man sich heute anschaut, wie der AUA-Deal ausgegangen ist, und wenn wir davon ausgehen, dass es ein zweites Hilfspaket geben wird oder geben muss, um die AUA zu retten, dann kann man nur sagen, es wäre doch gescheit gewesen, wenn man zumindest irgendwie staatliche Eingriffsmöglichkeiten vorgesehen hätte. Das war sozusagen das Meisterstück von Ihnen und Finanzminister Blümel – Gratulation! (Beifall bei der FPÖ.)

13.14


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Selma Yildirim. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


13.14.29

Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! In Österreich, meine sehr geehrten Damen und Herren, beträgt der Anteil öffentlich Bediensteter an der Erwerbsbevölkerung 15,9 Prozent. Im internationalen Vergleich unter den westlichen Industrieländern liegen wir damit im hinteren Mittelfeld. Zum Vergleich: In den skandinavischen Ländern liegt der Anteil bei


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30 Prozent. (Zwischenruf des Abg. Loacker.) Ich erwähne dies, um zu unterstreichen, wie professionell unsere Verwaltung und unsere Gerichte gerade in so schwierigen Zeiten, gerade in der Krise trotz jahrzehntelangem Mangel an personellen und finan­ziellen Ressourcen arbeiten. – Danke dafür!

Allerdings rächt sich dieser Kahlschlag gerade in der Krise. Denken wir an die Bedin­gungen, unter denen das medizinische Personal, LehrerInnen, PolizistInnen derzeit arbeiten müssen! Überall fehlt es an finanziellen und personellen Ressourcen, um den gesetzlichen Auftrag gut erfüllen zu können. Einen Teil der öffentlichen Leistungen erbringen auch Gerichtsdolmetscherinnen und Gerichtsdolmetscher. Auch sie leisten vor Gericht oder vor Verwaltungsbehörden einen wichtigen Beitrag, damit Menschen zu ihrem Recht kommen. Korrekte und kompetente Übersetzungen können nicht nur über Schuld und Unschuld entscheiden, vielmehr ist eine kompetente und richtige Überset­zung in vielen Verfahren unabdingbar, um gerechte Entscheidungen treffen zu können.

Der Gerichtsdolmetscherverband fordert mit Nachdruck die Erhöhung der Tarife für Übersetzungsarbeiten. Warum dies? – Seit 13 Jahren, also seit 2007, wurden die Tarife nicht erhöht, gab es nicht einmal eine Inflationsanpassung, also im Grunde genommen ist das ein Minusgeschäft für diese Berufsgruppe. Wenig überraschend ist die Zahl der gerichtlich zertifizierten Dolmetscherinnen und Dolmetscher in den letzten 14 Jahren um die Hälfte auf rund 730 gesunken. Das Durchschnittsalter steigt und liegt derzeit bei rund 60 Jahren.

Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, hat dramatische Auswirkungen auf den Rechtsstaat: Gerichte, Polizei, Asylbehörden müssen improvisieren und oft auf nicht zertifizierte DolmetscherInnen zurückgreifen, und darunter leidet mitunter die Qualität. Während im Budget 2021 zumindest ein erster Schritt für die Sachverständigen gesetzt wurde, die Gebühren für die psychiatrischen Sachverständigen erhöht wurden, werden die DolmetscherInnen einmal mehr auf die Zukunft vertröstet. Eine Tarifanpassung ist aber längst überfällig, daher bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen betreffend „die längst überfällige höhere Entlohnung für Gerichts-DolmetscherInnen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Justiz wird ersucht,

- sich mit aller Kraft dafür einzusetzen, dass im Sinne des Rechtsstaates, aber auch der Gerechtigkeit gegenüber den GerichtsdolmetscherInnen es zu einer deutlichen Erhöhung des Stundenlohnes für GerichtsdolmetscherInnen kommt, welche zumindest die Inflationsentwicklung seit 2007 abdeckt und

- dem Nationalrat in diesem Sinn eine Novellierung des Gebührenanspruchsgesetzes zuzuleiten.“

*****

In diesem Sinne danke ich. (Beifall bei der SPÖ.)

13.18

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 154

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag.a Selma Yildirim,

Genossinnen und Genossen

betreffend die längst überfällige höhere Entlohnung für Gerichts-DolmetscherInnen

eingebracht in der 62. Sitzung des Nationalrates am 17. November 2020 zu TOP 1

Das Recht auf Beiziehung einer/s Dolmetschers/in hat eine starke grundrechtliche Dimension: so wird etwa in „Art. 6 – Recht auf ein faires Verfahren“ der Europäischen Menschenrechtskonvention unter litera e festgelegt, dass jeder Angeklagte das Recht hat „die unentgeltliche Beiziehung eines Dolmetschers zu verlangen, wenn der Angeklagte die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder sich nicht darin ausdrücken kann.“

Im Strafverfahren kann die korrekte Übersetzung eines Wortes über Schuld oder Un­schuld entscheiden, aber auch im zivilgerichtlichen Verfahren spielen kompetente fachliche Übersetzungsleistungen eine wichtige Rolle. Hinter falschen Übersetzungen muss keine böse Absicht stecken, sondern sie können auch einfach in der mangelhaften Ausbildung begründet sein. Dolmetschen ist eine schwierige Technik, die mühsam erlernt werden muss und eine hohe fachliche Qualifikation auf diesem Gebiet ist für den Rechtsstaat unbedingt erforderlich. Die DolmetscherInnen leisten einen ganz wichtigen Beitrag dafür, dass die BürgerInnen zu ihrem Recht kommen.

Vor diesem Hintergrund ist es besonders dramatisch, dass die finanzielle Situation der DolmetscherInnen seit vielen Jahren prekär ist. Die Tarife nach dem Gebühren­anspruchsgesetz wurden für DolmetscherInnen seit 2007 nicht mehr erhöht, zugleich ist die Zahl der gerichtlich zertifizierten DolmetscherInnen seit 2006 um fast die Hälfte auf rund 730 gesunken. Das Durchschnittsalter der DolmetscherInnen liegt bei rund 60 Jahren.

Die DolmetscherInnen werden nach dem Gebührenanspruchsgesetz bezahlt, welches aus dem Jahr 1975 stammt und zuletzt 2007 angepasst wurde. Für die erste halbe Stunde gibt es 24,50€, für jede weitere 12,40€.

Es ist auf Dauer ein unerträglicher Zustand, dass die DolmetscherInnen zwar hoch­qualifizierte Arbeit leisten, die für den Rechtsstaat unerlässlich ist, aber gleichzeitig sehr schlecht bezahlt werden und dass seit 13 Jahren nicht einmal mehr die Inflation abge­golten wird.

Während mit dem Budget 2021 immerhin ein erster Schritt für die Sachverständigen gesetzt wurde und die Gebühren für die psychiatrischen Sachverständigen erhöht wurden, werden die DolmetscherInnen einmal mehr auf die Zukunft vertröstet.

Kein Wunder, dass damit die DolmetscherInnen auch vor einem Überalterungsproblem und einem Nachwuchsproblem stehen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesministerin für Justiz wird ersucht,

-             sich mit aller Kraft dafür einzusetzen, dass im Sinne des Rechtsstaates, aber auch der Gerechtigkeit gegenüber den GerichtsdolmetscherInnen es zu einer deutlichen


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 155

Erhöhung des Stundenlohnes für GerichtsdolmetscherInnen kommt, welche zumindest die Inflationsentwicklung seit 2007 abdeckt und

-             dem Nationalrat in diesem Sinn eine Novellierung des Gebührenanspruchs­gesetzes zuzuleiten.

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, er ist ordnungsgemäß eingebracht und steht somit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gelangt Mag. Gerald Hauser. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.18.28

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Minister! Hohes Haus! Eingangs nur eine Bemerkung zu Klubobfrau Maurer, die gerade wieder herein­gekommen ist: Uns kann in Wahrheit jeder maßregeln, nur Sie, Kollegin Maurer, nicht. Sie haben der kompletten Republik den Stinkefinger gezeigt. Ich glaube, Sie sind wirklich die Letzte, die in unsere Richtung irgendwelche moralischen Ansprüche stellen sollte und stellen kann. (Beifall bei der FPÖ.)

Zu den heute auch von Klubobmann Wöginger angesprochenen 50 Milliarden Euro: Es ist gut und richtig, dass man hilft, aber die Hilfen müssen zielgerecht sein, sie müssen sozial gerecht sein, sie dürfen niemanden ausschließen und sollen auch niemanden bevorzugen. Das ist das, was ich mir unter einer raschen Hilfe vorstelle.

Wie schaut der Faktencheck in der Realität aus? – Ich muss euch sagen, ich bräuchte hier eine halbe Stunde, um den Faktencheck tatsächlich durchgehen zu können, aber ich mache das im Schnellverfahren. Ich fange bei meinen privaten Vermietern an. Die privaten Vermieter werden seit Anbeginn der Epidemie benachteiligt. Natürlich gibt es dann wieder Verbesserungen aufgrund massiven politischen Drucks. Fakt ist aber, dass es eine Benchmark gibt. Da gibt es die bäuerlichen privaten Vermieter, denen ich jeden Cent gönne, keine Frage. Ich bin Vertreter des ländlichen Raums und neide niemandem einen Cent. Diese Benchmark müsste aber auch für die privaten Vermieter nicht bäuerlicher Bereiche gelten.

Wie ist das seit Anbeginn? – Ende März gibt es bereits die erste Verordnung, dass die bäuerlichen Privatvermieter über den Härtefallfonds entschädigt werden. Zu diesem Zeitpunkt wird kein nicht bäuerlicher Privatunternehmer erwähnt. Man darf nicht ver­gessen: Es gibt 40 000 Privatunternehmer, die 300 000 Gästebetten haben. Das ist die Mehrzahl der touristischen Betriebe in Österreich. (Ruf bei der FPÖ: Ganz recht hat er!) Es war ein langer Kampf unsererseits, bis die Privatzimmervermieter Ende April im Fonds berücksichtigt wurden. Es hat dann bis Mitte Juni gedauert – und dazu haben wir und speziell auch ich einen Beitrag geleistet –, dass die privaten Ferienwohnungs­vermieter im Härtefallfonds berücksichtigt wurden – ein langer Kampf. (Abg. Hörl: Ich war auch dabei! – Zwischenruf des Abg. Wurm.)

Es müsste sich eigentlich mittlerweile im Ministerium herumgesprochen haben, dass es Privatvermieter gibt. Noch einmal: 40 000 Privatvermieter mit 300 000 Gästebetten. Wie geht das weiter? – Jetzt wird vom Umsatzentgang gesprochen. Was passiert da wieder? – Wieder kommen die privaten Vermieter nicht vor und wieder braucht es auch die Hilfe der Medien (eine vergrößerte Kopie eines Zeitungsartikels mit der Überschrift „FPÖ: ‚Zwei Klassen im Tourismus‘“ auf das Rednerpult stellend), die feststellen: Es gibt eine Zweiklassengesellschaft. (Ruf: Das darf doch nicht wahr sein!) Da sind die Gewerbebetriebe, die privaten Vermieter nicht bäuerlicher Natur und auf der anderen Seite die große Anzahl der Privatvermieter, die auch beim Umsatzersatz vergessen


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 156

wurden. Das wurde jetzt Gott sei Dank korrigiert – aber ist das notwendig, die permanente Bettelei und dann auch der Vorwurf in unsere Richtung, wir würden nur nörgeln? Da mussten wir etwas erkämpfen und dazu hat es die Hilfe der Medien gebraucht. (Beifall bei der FPÖ.)

Weiter geht es mit den kleinen Gewerbebetrieben. Folgendes Beispiel, das noch nicht korrigiert wurde (der Redner stellt eine Tafel mit einem Text und der Überschrift „Fixkostenzuschuss – Antrag entspricht nicht den geförderten Kriterien“ auf das Rednerpult): Ein Vermieter von vier Ferienwohnungen mit 28 Betten gilt als Gewer­bebetrieb, ist angemeldet, zahlt die Steuern pünktlich, ist Pflichtmitglied bei der Wirt­schaftskammer und leistet auch die Abgaben im Tourismusverband. Fixkostenzuschuss bekommen diese Betriebe aber keinen – mit dem Argument, dass diese Betriebe steuerrechtlich gemäß Vermietung und Verpachtung abrechnen.

Es bekommen nur all jene Betriebe eine Entschädigung, die in der Verordnung angeführt sind. (Zwischenruf des Abg. Hörl.) Das sind der Reihe nach wieder nur jene, die unter § 21 Land- und Forstwirtschaft, § 22 Selbständige Arbeit und § 23 Gewerbebetriebe fallen. Vergessen hat man § 28 – ich sage bewusst, man hat darauf vergessen –, auf all jene Gewerbebetriebe, die gemäß Vermietung und Verpachtung abrechnen, aber Gewerbebetriebe sind. Diese Kleinen werden immer wieder vergessen. Ich verstehe das nicht, dass die Kleinen – angefangen bei den Privatvermietern bis hin zu den kleinen Gewerbebetrieben – von dieser Regierung immer wieder vergessen werden. Da gibt es eine Spreizung: Die Kleinen bleiben auf der Strecke, man muss das nachjudizieren, und die Großen werden natürlich bedient.

Jetzt noch ein Wort zum Epidemiegesetz. (Der Redner stellt eine Tafel mit einem Text und der Überschrift „So schauen die von der Regierung versprochenen ‚schnellen Entschädigungen‘ aus!“ auf das Rednerpult. – Abg. Loacker: Das ist ja kleiner als beim Anschober!) Sie wissen, es war von Anfang an eine unserer Forderungen, all jene Betriebe zu entschädigen, die gemäß einer Verordnung der Bezirkshauptmannschaften behördlich, gemäß einem bestehenden Gesetz, geschlossen wurden – zumindest für den Zeitraum, bis diese Verordnung außer Kraft gesetzt wurde. Das war zumeist Ende März der Fall, also hätte man zumindest für diese 16 Tage bereits eine Entschädigung auszahlen müssen.

Wie ist da der Stand der Dinge? – Bis man diesbezüglich in die Gänge gekommen ist, ist es Juli geworden. April, Mai, Juni, Juli – vier Monate sind vergangen, bis das Minis­terium überhaupt eine Verordnung erlassen hat, aus der hervorgeht, wie dieser Verlust, diese Entschädigung zu berechnen ist. Erst dann ist der Erlass gekommen, eine Excel-Verordnung, das ist ein Schreiben, und jetzt teilt man den Betrieben mit, es dauert halt so lange. Bezug nehmend auf Tirol: Dort gibt es 20 000 Betriebe, die einen Entschä­digungsanspruch gestellt haben. Übrig bleiben 4 000, weil man in Tirol letzte Woche beschlossen hat, dass die Gastronomie keine Entschädigung bekommt. So schaut diese Sache aus. Wir müssen permanent nachbessern.

Wundert euch deswegen bitte nicht, dass wir mit der Umsetzung dieser Hilfsmaßnahmen nicht zufrieden sind und vor allem eines nicht akzeptieren können: dass die Kleinen permanent auf der Strecke bleiben. (Beifall bei der FPÖ. – Ruf: Antrag!)

13.25


Präsident Ing. Norbert Hofer: Herr Abgeordneter, Sie wollen keinen Antrag einbringen?

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Mag. Meri Disoski zu Wort gemeldet. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 157

13.25.26

Abgeordnete Mag. Meri Disoski (Grüne): Ich melde mich zu einer tatsächlichen Berichtigung, Herr Präsident. Abgeordneter Hauser hat eben gesagt, die grüne Klub­obfrau Sigi Maurer habe der gesamten Republik den Stinkefinger gezeigt. (Abg. Belakowitsch: ... den Wählern!) – Das ist nicht richtig.

Ich berichtige tatsächlich: Klubobfrau Maurer hat Hasspostern, die ihr körperliche Gewalt angedroht und sie mit Vergewaltigungsandrohungen überschüttet haben, ihren Mittel­finger gezeigt. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ. – Ruf bei der FPÖ: Eine blöde Ausrede! – Ruf bei den Grünen: Das ist keine Ausrede!)

13.25


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme hat sich Frau Bundesministerin Leonore Gewessler zu Wort gemeldet. – Bitte schön, Frau Bundesminister.


13.26.00

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Wir werden ja auch am Donnerstag noch genug Zeit haben, die vielen Initiativen im Verkehrsbereich, auch im Klimaschutzbereich und in vielen weiteren Bereichen, ausführlich zu diskutieren, aber ich möchte vielleicht ganz kurz einen Aspekt herausgreifen: Wie vielen von Ihnen aufgefallen sein wird, ist zwischen einem Rahmenplan 2018 bis 2023 und einem Rahmenplan 2021 bis 2026 viel Pause – die kommt nicht von ungefähr.

Wenn ich Ihnen auch noch etwas anderes sagen darf: Am 24.3.2020 habe ich den Zuschussvertrag unterzeichnet, der diesen Rahmenplan 2018 bis 2023 überhaupt erst operationalisierbar macht. Also vielleicht ist das der Unterschied: Ich baue nicht Luft­schlösser, sondern tatsächlich Schienen und Bahnhöfe – sehr konkret. (Anhaltender Beifall bei den Grünen sowie Beifall bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Hafenecker: Aber mit allem anderen werde ich recht gehabt haben, oder?! – Zwischenruf bei den Grünen. – Abg. Kickl: Na ja, der entscheidende Punkt!)

13.26


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Herr Dr. Christoph Matznetter. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.27.20

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Wieder eine neue Folge der beliebten Serie „Pleiten-, Pech- und Pannendienst“, der Hauptdarsteller Gernot Blümel ist erst jetzt vor wenigen Sekunden zurückgekommen. Das wundert mich nicht: Der Herr Bundeskanzler hat es ja überhaupt vorgezogen, nicht teilzunehmen. Ich verstehe das, nach diesen Zuständen, die wir schon im Frühjahr hatten.

Abgeordneter Krainer hat zu Recht daran erinnert, dass hier ein Beschluss zum Budget mit 102 000 Euro statt 102 Milliarden Euro gefasst worden wäre, hätte er nicht nach der zweiten Lesung die Helping Hands angeboten und Ihnen den Ausweg gezeigt, das über Nacht auszubessern – und jetzt liefert unser Hauptdarsteller beim „Pleiten-, Pech- und Pannendienst“ erneut ein Budget, dessen Zahlen nichts mit der Wirklichkeit zu tun haben. Die Hilfestellungen, die wir angeboten haben – Rückverweis, überarbeiten, den nächsten Lockdown berücksichtigen –, werden schnöde abgewiesen. Nein, am ersten Tag des harten Lockdowns versammeln sich 183 plus 20 – nein, der Bundeskanzler ist weggeblieben – plus Personal hier, um ein Budget zu diskutieren, das Makulatur ist. Was soll das, meine Damen und Herren? (Zwischenruf des Abg. Deimek. – Abg. Hafenecker: Keine Wahrnehmung ...!)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 158

Gleichzeitig sind dieselben Regierungsfraktionen, die das durchziehen, nicht bereit, bei ihren Maßnahmen Sorgfalt an den Tag zu legen. Gleichzeitig gibt es für einen Teil der Branchen 80 Prozent Umsatzentschädigung ohne Anrechnung von Kurzarbeit – super für die Betroffenen und vielleicht für den einen Monat ein bisschen eine Entschädigung dafür, dass Sie bis heute vergessen haben, für den Lockdown eins im Frühjahr den Großteil auszubezahlen. Es sind ja beim Härtefallfonds erst 700 Millionen Euro von 2 Milliarden Euro, Herr Kollege Schwarz, und bei den Fixkosten 252 Millionen Euro statt Milliarden ausgezahlt worden. Sie haben sie nicht entschädigt, und jetzt versuchen Sie, einen Teil mit 80 Prozent zu ködern. Da passiert es ja wiederum: Die Glücksspielhöllen – so hat man früher gesagt, in meiner Jugend –, die wir in Wien schon lange verboten haben, kriegen 80 Prozent vom Umsatz ersetzt, Herr Finanzminister?! (Ruf: Nein!) Die Zulieferer für die Weihnachtsmärkte, die null Umsatz haben werden, schauen aber durch die Finger. Sie können es einfach nicht, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von FPÖ und NEOS.)

Es gibt zwei Möglichkeiten: Treten Sie zurück und schauen Sie, dass andere kommen, oder versuchen Sie, eine Lernkurve zu haben, die ein bisschen steiler ist als bisher – ein bisschen! Versuchen Sie, das nächste Mal etwas vorzulegen, das passt! (Zwischenruf des Abg. Hafenecker.) Bitte, Herr Blümel, das werden Sie doch hoffentlich früher oder später hinkriegen, denn wenn Sie jetzt fünf Jahre so weitermachen, müssen wir keine Budgets mehr beschließen: Ist eh wurscht, was drinsteht; schreiben wir ein paar Nullen rein oder nicht! – Ich fürchte, die Serie „Pleiten‑, Pech- und Pannendienst“ wird noch eine Weile lang so weitergehen, meine Damen und Herren. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haubner: Furchtbar!)

13.30

13.30.45


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ist seitens der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Bevor wir in den Abstimmungsvorgang eingehen, frage ich die Klubs, ob eine Sitzungs­unterbrechung gewünscht wird. – Auch das ist nicht der Fall.

Zunächst ist über den vorliegenden Rückverweisungsantrag abzustimmen.

Zu Tagesordnungspunkt 1 liegt ein Rückverweisungsantrag des Abgeordneten Kai Jan Krainer vor.

Ich lasse daher sogleich darüber abstimmen, den Entwurf betreffend Budget­begleit­gesetz 2021 in 440 der Beilagen an den Budgetausschuss rückzuverweisen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist abgelehnt. (Abg. Matznetter: Helping Hands nicht angenommen! – Abg. Krainer: ... Fehler!)

Wir kommen jetzt zu den Abstimmungen getrennt nach Ausschussantrag.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 1: Entwurf betreffend Bud­get­begleitgesetz 2021 in 440 der Beilagen.

Hierzu liegen ein Abänderungsantrag der Abgeordneten Obernosterer, Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA, Kolleginnen und Kollegen, ein Zusatz- beziehungsweise Abände­rungs­antrag der Abgeordneten Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen sowie ein Abänderungs­antrag der Abgeordneten Dipl.-Ing. Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen vor.

Weiters liegt ein Verlangen auf getrennte Abstimmung des Abgeordneten Kickl vor.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 159

Ich werde daher zunächst über die von den erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abänderungsanträgen sowie vom Verlangen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile – der Systematik des Gesetzentwurfes folgend – und schließlich über die rest­lichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Da zwei der erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abänderungsanträge Verfassungs­bestimmungen enthalten, stelle ich zunächst im Sinne des § 82 Abs. 2 Z 1 der Ge­schäftsordnung die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungs­mäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten fest.

Die Abgeordneten Obernosterer, Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA, Kolleginnen und Kolle­gen haben einen Abänderungsantrag betreffend Änderung des Titels eingebracht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein zustimmendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Wir kommen zur getrennten Abstimmung über die Artikel 10 bis 15 in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist ebenfalls mehrheitlich angenommen.

Die Abgeordneten Dipl.-Ing. Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abän­derungsantrag betreffend Artikel 16 eingebracht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dieser Änderung beitreten, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Abänderungsantrag ist somit abgelehnt.

Ferner haben die Abgeordneten Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag betreffend Artikel 16 eingebracht.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Abän­derungsantrag ist somit abgelehnt.

Wir kommen zur getrennten Abstimmung über Artikel 16 in der Fassung des Aus­schussberichtes.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein zustimmendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich ange­nommen.

Die Abgeordneten Dipl.-Ing. Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abän­derungsantrag betreffend Artikel 17 eingebracht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dieser Änderung beitreten, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Ferner haben die Abgeordneten Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen einen Abände­rungsantrag betreffend Artikel 17 eingebracht.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist abge­lehnt.

Wir kommen zur getrennten Abstimmung über Artikel 17 in der Fassung des Ausschuss­berichtes.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein zustimmendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Die Abgeordneten Dipl.-Ing. Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag betreffend Artikel 18 eingebracht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dieser Änderung beitreten, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 160

Ferner haben die Abgeordneten Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen einen Abände­rungsantrag betreffend Artikel 18 eingebracht.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir kommen nun zur getrennten Abstimmung über Artikel 18 in der Fassung des Aus­schussberichtes.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein zustimmendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich ange­nommen.

Die Abgeordneten Dipl.-Ing. Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag betreffend Streichung der Artikel 19 bis 23 eingebracht.

Wer sich hiefür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur getrennten Abstimmung über diese Artikel in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung erteilen, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit, angenommen.

Die Abgeordneten Dipl.-Ing. Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag betreffend Artikel 24 bis 26 eingebracht.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur getrennten Abstimmung über diese Teile des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein bejahendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit, angenommen.

Wir kommen zur getrennten Abstimmung über Artikel 27 bis 30 in der Fassung des Ausschussberichtes.

Jene Mitglieder des Hohen Hauses, die dafür sind, bitte ich um ein zustimmendes Zeichen. – Auch das ist mehrheitlich angenommen.

Die Abgeordneten Obernosterer, Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA, Kolleginnen und Kolle­gen haben einen Abänderungsantrag betreffend Artikel 31 eingebracht.

Bei Zustimmung bitte ich um ein bejahendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Dann kommen wir zur getrennten Abstimmung über Artikel 32 in der Fassung des Ausschussberichtes.

Jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, ersuche ich um ein Zeichen der Zu­stim­mung. – Das ist einstimmig angenommen.

Die Abgeordneten Obernosterer, Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA, Kolleginnen und Kolle­gen haben einen Abänderungsantrag betreffend Artikel 34 eingebracht.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein bejahendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich ange­nommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 161

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung erteilen, um ein bejahendes Zeichen. – Auch das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Dr. Pamela Rendi-Wagner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ein Budget der gebrochenen Versprechen“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erhöhung der Netto­ersatzrate beim Bezug des Arbeitslosengeldes (COVID-19-Maßnahme)“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Österreich-Gutschein“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Vorschlag für ein Gesamt­kon­zept für Wirtschaftshilfen“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Auch das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Dr. Pamela Rendi-Wagner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „notwendige Daten-Transparenz und Kontrolle der Wirksamkeit der Covid-Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, um ein Zeichen der Zustim­mung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen zu Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen betreffend „die längst überfällige höhere Entlohnung der Gerichts-DolmetscherInnen“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 2: Entwurf betreffend COVID-19-Lagergesetz samt Titel und Eingang in 441 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit, angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 162

Nun gelangen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 3: Entwurf betreffend Bundesrechnungsabschluss für das Jahr 2019 in 443 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Mehr­heit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 4: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Begründung von Vorbelastungen durch die Bundes­minis­terin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort genehmigt wird, samt Titel und Eingang in 343 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist einstim­mig. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 5: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Begründung von Vorbelastungen durch die Bundes­minis­terin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie genehmigt wird, samt Titel und Eingang in 447 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 6: Antrag des Ver­kehrsausschusses, den Bericht betreffend ÖBB-Rahmenplan 2021-2026, III-189 der Beilagen, zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für dessen Kenntnisnahme eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 7: Entwurf betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Sanierung des Parlaments­ge­bäudes geändert wird, samt Titel und Eingang in 442 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist einstim­mig. Damit ist der Gesetzentwurf auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 8: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über besondere Förderungen von kleinen und mittleren Unternehmen geändert wird, samt Titel und Eingang in 445 der Beilagen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 163

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung dem vorliegenden Ge­setzentwurf ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist ein­stimmig. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 9: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über österreichische Beiträge an internatio­nale Finanzinstitutionen erlassen und das Bundesschatzscheingesetz geändert wird, samt Titel und Eingang in 410 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Auch das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

13.43.47 10. Punkt

Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (381 und Zu 381 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzrahmengesetz 2021 bis 2024 erlassen wird – BFRG 2021-2024 (448 d.B.)

11. Punkt

Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (380 d.B.): Bundes­gesetz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2021 (Bun­desfinanzgesetz 2021 – BFG 2021) samt Anlagen (449 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen nun zu den Punkten 10 und 11 der Tages­ordnung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

UG 01: Präsidentschaftskanzlei

UG 02: Bundesgesetzgebung

UG 03: Verfassungsgerichtshof

UG 04: Verwaltungsgerichtshof

UG 05: Volksanwaltschaft

UG 06: Rechnungshof

UG 10: Bundeskanzleramt

UG 17: Öffentlicher Dienst und Sport


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Erste gelangt Frau Abgeordnete Petra Bayr zu Wort. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 164

13.44.05

Abgeordnete Petra Bayr, MA MLS (SPÖ): Die ganze Welt steht momentan vor großen Herausforderungen, und ich wage zu behaupten, Österreich tut das im Besonderen, denn der Weg von: Wir sind ja relativ gut durch die Krise gekommen!, zu: Wir haben die höchsten Neuinfektionszahlen weltweit!, war ein ziemlich kurzer Weg.

Ich würde sagen, dieser Abschneider der österreichischen Bundesregierung war eher ein ziemlich verhängnisvoller, der dazu geführt hat, dass wir die größte Wirtschaftskrise der Zweiten Republik haben, die höchsten Arbeitslosenzahlen, einen prognostizierten BIP-Einbruch von 7,7 Prozent, Bildungsverlust von jungen Menschen und das Zemen­tieren von tradierten Geschlechterrollen. Darin sind lauter verpasste Chancen, die sich ergeben haben, denn man hätte die Krise auch dazu nutzen können, eine Trendwende in ganz vielen Politikbereichen einzuleiten. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein klarer Fingerzeig, wohin denn eine solche Trendwende gehen könnte, sind die nach­haltigen Entwicklungsziele, die Sustainable Development Goals, von den UN im Jahr 2015 beschlossen, mit Zielen bis 2030 ausgestattet, bei denen es darum geht, niemanden zurückzulassen, Herausforderungen, vor denen wir stehen, in ihrer sozialen, ökolo­gischen und wirtschaftlichen Dimension zu erkennen und systematische Änderungen, das heißt Änderungen im System, auch im Wirtschaftssystem, herbeizuführen.

Die SDGs sind jedenfalls nicht dazu da, um als Behübschungslogo für irgendetwas zu dienen – wie etwa für Broschüren von Firmen oder von Regierungen, in denen dar­gestellt wird, wie gut man nicht ist –, sondern die SDGs sind dazu da, uns wirklich Wege aus einer Krise heraus zu zeigen – und nicht um zu sagen, wir sind eh schon so gut, wir machen eh schon alles ganz brillant. Wenn wir nämlich alle die Probleme, vor denen wir stehen, schon gelöst hätten, dann würde es uns hier nicht brauchen, dann könnten wir jetzt alle nach Hause gehen und müssten nicht die nächsten vier Tage diskutieren.

Der Budgetdienst hat dieses Jahr einen SDG-Atlas herausgegeben. Das finde ich sehr, sehr toll, weil es wirklich auch eine Datengrundlage bietet, von der ausgehend wir diskutieren können. Der Rechnungshof hat einen Bericht, hat Empfehlungen herausge­geben, wie ein anderes Arbeiten funktionieren könnte, denn wir werden den komplexen Herausforderungen der Zukunft nicht mit unserem Silodenken – Ministerium für Minis­terium für Ministerium, Ausschuss für Ausschuss für Ausschuss – gerecht werden. Wir werden auch im Parlament andere Wege gehen müssen, um angesichts dieser Inter­konnektivität von Herausforderungen diese wirklich zukunftsfähig bestehen zu können.

Wofür ich plädieren möchte, ist einfach, dass wir hier im Parlament die SDGs wirklich ernst nehmen, auch versuchen, uns neuer Arbeitsweisen zu bedienen, wenn wir Probleme lösen wollen, keine Nabelschau zu betreiben, sondern über den Tellerrand hinauszuschauen. Vielleicht gibt das dann auch die Möglichkeit, dass wir als Parlament einen wesentlich selbstbestimmteren Parlamentarismus leben können. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Disoski und Rössler.)

13.47


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Mag. Wolfgang Gerstl. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.47.55

Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Volksanwälte! Sehr geehrte Frau Rech­nungshofpräsidentin! Meine Damen und Herren! Ich darf heute auch zu den Kapiteln Oberste Organe und Bundeskanzleramt reden, und weil meine Vorrednerin gerade ein Weltwirtschaftssystem angesprochen hat, möchte ich dazu einen Satz sagen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 165

Globale Marktwirtschaft hat viele Vorteile, doch gerade in einer Krise sieht man, wie es ist, wenn man knappe Güter nur von bestimmten Ländern bekommt. Daher möchte ich sagen, ich bin sehr, sehr dankbar, dass der Herr Bundeskanzler und die gesamte Bundesregierung in Europa dafür gesorgt haben, dass in Zukunft Mund-Nasen-Schutz­masken selbstverständlich in Europa produziert werden und wir diesbezüglich nicht mehr von China abhängig sind. Herzlichen Dank, Herr Bundeskanzler! (Beifall bei der ÖVP.)

Zu den Kapiteln Parlament und Oberste Organe: Betreffend das Parlament sei nur ganz kurz gesagt, dass es im Parlamentsbudget eine Steigerung von 38 Millionen Euro gibt. Warum? – Weil es notwendig ist, die Parlamentssanierung weiter voranzutreiben und es durch die Covid-Krise zu Bauverzögerungen kam. Wir schaffen auch einen weiteren abhörsicheren Raum, der im Zuge der vermehrten Inanspruchnahme des Instruments der Untersuchungsausschüsse leider auch notwendig ist.

Was mir beim Parlament noch wichtig ist, ist, dass das Parlament ein Ort der Begegnung, ein Ort des Zusammenkommens ist. Wir sind hier die Repräsentanten der Bevölkerung, und es ist mir wichtig, dass dieser Bogen zwischen den Vertretern und den Vertretenen immer zusammenpasst und dass er nie gebrochen wird. Daher unterstütze ich die Maßnahmen, die Nationalratspräsident Sobotka in Richtung mehr politische Bildung und auch Erweiterung des Informationsangebotes für die Bevölkerung gesetzt hat.

Was den Verfassungsgerichtshof und den Verwaltungsgerichtshof betrifft: Vielen Dank für das, was Sie da zustande gebracht haben, auch dass Sie mit begrenzten Ressourcen wei­terhin sehr, sehr gute Arbeit leisten. Ich möchte da insbesondere den Verfassungs­gerichts­hof hervorheben: Er hat es geschafft, nicht nur die vermehrten Anträge und Beschwerden, die er auch im Bereich Covid und den Maßnahmen, die diesbezüglich gesetzt wurden, bekommen hat, zu bearbeiten, er hat in diesem Jahr im Verhältnis zum vergangenen Jahr auch noch mehr Entscheidungen getroffen. Dafür ein ganz beson­deres Danke.

Meine Damen und Herren, es steht hier die Behandlung des Kapitels Bundeskanzleramt und Verfassung an, erlauben Sie mir aber noch einen kurzen Seitenhieb auf die Koalitionsregierung, die nun in Wien bevorsteht: Da gab es ja eine Partei, die hier sehr, sehr oft bestimmte Forderungen auch betreffend Wien eingebracht hat, wie zum Beispiel bezüglich nicht amtsführende Stadträte. Diese Koalition kann jetzt gleich beweisen, ob sie mit nicht amtsführenden Stadträten antreten wird oder nicht. Der Koalitionsvertrag zeigt mir leider Gegenteiliges. Sie schieben es auf die Bundesregierung; damit machen sich die NEOS nur zum Steigbügelhalter der SPÖ. (Zwischenruf des Abg. Scherak.) Meine Damen und Herren, Sie von den NEOS haben da leider vollkommen verloren. (Beifall bei der ÖVP.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den NEOS, wir hatten gemeinsam für den Antrag gestimmt, eine zwingende Veröffentlichung von durch Steuergelder finanzierten Studien zu veranlassen. Davon findet sich kein einziges Wort im Vertrag zwischen NEOS und SPÖ. Wir wollten, dass die Förderrichtlinien gemeinsam erstellt werden, aber was findet sich im neuen Vertrag? – Im neuen Vertrag findet sich, dass es sich SPÖ und NEOS nun alleine mit sich ausmachen und niemand anderer mehr mitreden darf.

Was machen SPÖ und NEOS in Wien, wenn es um die Informationsfreiheit geht? – Sie sagen: Wir warten einmal darauf, was der Bund macht!, anstatt selbst dafür zu sorgen, dass alle Wienerinnen und Wiener endlich Auskunft darüber bekommen, was in den Wiener Verkehrsbetrieben passiert, was bei den Wiener Friedhöfen passiert, was bei Wiener Wohnen betreffend die Vergabe von Gemeindewohnungen passiert et cetera.

Sie haben sich mehr Transparenz als Ziel gesetzt. Heute sind Sie dort angelangt, dass das einzig Neue an Ihnen ist, viel, viel alte Politik der SPÖ zu machen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

13.52



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 166

Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächste Rednerin ist Frau Dr. Susanne Fürst. – Bitte, Frau Abgeordnete.


13.52.40

Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir diskutieren hier nun das Kapitel Verfassung. Darin sind die Finanzierung des Weges der Bundesgesetzgebung und auch die verfassungsgerichtliche Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts, Verfassungsgerichtshof und Verwaltungsgerichtshof, enthalten. Da ist Geld eigentlich sehr gut investiert. Wir reden vom Zentrum unseres Staates, vom Kern unserer Republik, die heuer auch ihr 75-jähriges Bestehen feierte – eine Erfolgsgeschichte, wie ich meine.

Die österreichischen Staatsbürger haben Österreich durch viel Arbeit und Leistungs­bereitschaft zu einem sicheren, freien und wohlhabenden Land mit sozialer Sicherheit geformt. Das war die Leistung der Staatsbürger, die in Eigenverantwortung mit großem Engagement agiert haben, die Unternehmen gegründet haben, Arbeitsplätze geschaffen haben und immer mehr als das Notwendige geleistet haben, die Familien gegründet haben, Kinder in die Welt gesetzt haben, sie zu leistungsbereiten Menschen erzogen haben, ihnen beigebracht haben, dass Bildung das Wichtigste ist, dass man damit alles, auch das Überwinden sozialer Schranken, erreichen kann.

Die Leistung von Eltern, die ihre Kinder zu Selbstverantwortung erzogen haben, die ihnen beigebracht haben, dass man sich am besten auf sich selbst und sein Können und nicht auf den Staat verlässt, war das Rezept des Erfolgsmodells Österreich. Dabei wurden die Menschen von einer Bundesverfassung, die genau dies ermöglichte, begleitet: eine, die die Staatsbürger vor staatlichen Übergriffen geschützt hat und sie zu Trägern von umfassenden verfassungsgesetzlich gewährleisteten Grundrechten machte, die ihnen die persönliche, gesellschaftliche und wirtschaftliche Freiheit brachte. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Verfassung sieht auch Grundrechtseingriffe vor. Es gibt da einen Gestaltungs­spiel­raum des einfachen Gesetzgebers, aber die Verfassung sieht vor, dass diese Eingriffe durch das Gesetz konkret sein müssen. Sie müssen mit ausreichender Bestimmtheit nachvollziehbar umschreiben, warum diese Eingriffe notwendig sind und unter welchen Voraussetzungen sie sich abspielen. Die Eingriffe müssen sich einer strengen Verhält­nismäßigkeitsprüfung stellen, einer sachlichen Rechtfertigungsprüfung, und die Eingriffe müssen stets zeitlich, persönlich und sachlich auf das Allernotwendigste beschränkt sein, was tagtäglich geprüft werden muss.

Das heißt, die Maßnahmen müssen auf konkreten, validen Daten beruhen, die aber auch vorgelegt werden müssen. Es reicht nicht, die Notwendigkeit der Eingriffe in Pressekon­ferenzen zu verkünden und zu behaupten. Das heißt, wir sind von diesen verfassungs­gesetzlichen Erfordernissen im heurigen sozusagen Coronajahr Lichtjahre entfernt.

Eine für die Verfassung zuständige Ministerin, die jetzt nicht anwesend ist, hätte schon mehrmals aufschreien müssen. Gesetze und Recht haben hier im Parlament erschaffen und nicht in Pressekonferenzen verkündet zu werden. Auf diesen Gesetzen basierende Verordnungen entstehen unter anderem zum Beispiel im Gesundheitsministerium, müssen sich aber innerhalb der gesetzlichen Vorgaben entfalten und konkretisieren. Wenn ich mir diesbezüglich die neue COVID-19-Notmaßnahmenverordnung anschaue, die den zweiten Lockdown begründet, kann ich nur auflachen, da diese einfach schon aufgrund ihrer Pauschalität und nicht nachvollziehbarer Begründung verfassungswidrig ist.

Hören Sie auch auf – das ist an die Vertreter der Regierungsparteien gerichtet –, Men­schen, kritische Bürger oder Mediziner, die die Regierungslinie hinterfragen, immer für


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 167

die Ausbreitung der Infektionskrankheit oder für die Notwendigkeit des angeblich notwendigen zweiten Lockdowns verantwortlich zu machen! Menschen, die der Meinung sind, dass man auch in Zeiten einer Infektionskrankheit arbeiten gehen muss, dass die Kinder in die Schule gehen müssen, dass man auch da Familie lebt, Großeltern und Kinder umarmt, sind keine Coronaleugner oder -verharmloser, sondern sie sind verant­wortungsvolle Bürger (Beifall bei der FPÖ), die sich vielleicht nur nicht als gehorsame Untertanen eignen. Das war aber bisher eigentlich immer ein Qualitätsmerkmal, und ich sehe das nach wie vor so.

Vergessen Sie auch in all der Angst und Hysterie, die Sie hier betreffend eine Infek­tionskrankheit schüren, nicht andere Gefahren, die unsere Gesellschaft und unser Erfolgsmodell Österreich langfristig zerstören werden. Der Innenminister hat ja in einer beispiellosen Entgleisung im Frühjahr 2020 Bürger, die vielleicht am Gehsteig nicht den notwendigen Abstand einhielten, als Gefährder, als „Lebensgefährder“ bezeichnet. Er hat dabei die wahren Gefährder unserer Gesellschaft aus dem Blick verloren, und einer dieser Gefährder konnte daher am 2.11. ein grauenhaftes Attentat verüben.

Ich bringe daher zwei Anträge zum Schutz unserer Verfassung und Republik ein. Der erste Antrag lautet wie folgt:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Susanne Fürst, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schaffung eines Verbotsgesetzes für den politischen Islam“

Der Nationalrat wolle beschließen: 

„Die Bundesregierung wird aufgefordert dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzu­leiten die ein Verbotsgesetzes für den politischen Islam schafft, welches die folgenden Punkte beinhaltet:

- die Betätigung für den politischen Islam oder dessen Ziele ist verboten

- Moscheen und Organisationen des politischen Islam werden aufgelöst, ihre Neubildung ist verboten

- das Vermögen von Moscheen und Organisationen des politischen Islam wird ein­gezogen

- wer Teil einer Organisation des politischen Islam ist, oder eine solche unterstützt, dem ist die österreichische Staatsbürgerschaft abzuerkennen, unabhängig davon, ob dieser staatenlos wird“

*****

Weiters bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Susanne Fürst, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Förderstopp für den politischen Islam durch den NPO-Fonds“

Der Nationalrat wolle beschließen:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 168

„Der Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport wird aufgefordert, die NPO-Fonds-Richtlinienverordnung dahingehend zu präzisieren, dass Zahlungen durch den NPO-Fonds an Organisationen des politischen Islam ausgeschlossen sind.“

*****

Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

13.59

Die Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Fürst

und weiterer Abgeordneter

betreffend Schaffung eines Verbotsgesetzes für den politischen Islam

eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 11, Bericht des Bud­getausschusses über die Regierungsvorlage (380 d.B.): Bundesgesetz über die Be­willigung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2021 (Bundesfinanzgesetz 2021 – BFG 2021) samt Anlagen (449 d.B.), Untergliederung UG 10 – Bundeskanzleramt, in der 62. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 17. November 2020

Die Bundesregierung will in Folge des islamistischen Terroranschlages in Wien verstärkt gegen Islamisten und islamistischen Terror vorgehen. Der Nährboden für solche Gräuel­taten wurde jedoch bereits vom politischen Islam, der sich unter dem Deckmantel der Religionsfreiheit in Österreich und ganz Europa ausgebreitet hat, gelegt.

Die jüngste islamistische Terrorwelle begann mit der Ermordung eines Lehrers in der Nähe von Paris, darauf folgten drei Tote und sechs Verletzte bei einem Anschlag in Nizza. In Wien-Favoriten stürmen türkische Jugendliche eine Kirche und randalieren, tags darauf rief ein „geistig verwirrter“ Afghane im Stephansdom islamische Parolen und zu Allerseelen kommt es zu einem islamistischen Anschlag in der Wiener Innenstadt, welcher vier Menschleben kostet. Eine Demonstration von Islamisten in Wien gegen die französische Regierung, welcher „Islamophobie“ unterstellt wird, wird wenige Tage nach dem Anschlag untersagt.

Durch den politischen Islam werden nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa Konflikte und Probleme in der Gesellschaft hervorgerufen, denen entschlossen ent­gegengetreten werden muss. Diese Probleme müssen erkannt, offen angesprochen und gelöst werden. Sie dürfen nicht aus falsch verstandener Toleranz verschwiegen werden. Es gilt einer zunehmenden Radikalisierung, dem Entstehen von Parallelgesellschaften sowie einem vermehrten Einfluss aus dem Ausland wirksam entgegengetreten.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzu­leiten die ein Verbotsgesetzes für den politischen Islam schafft, welches die folgenden Punkte beinhaltet:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 169

•             die Betätigung für den politischen Islam oder dessen Ziele ist verboten

•             Moscheen und Organisationen des politischen Islam werden aufgelöst, ihre Neubildung ist verboten

•             das Vermögen von Moscheen und Organisationen des politischen Islam wird eingezogen

•             wer Teil einer Organisation des politischen Islam ist, oder eine solche unterstützt, dem ist die österreichische Staatsbürgerschaft abzuerkennen, unabhängig davon, ob dieser staatenlos wird“

*****

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Susanne Fürst

und weiterer Abgeordneter

betreffend Förderstopp für den politischen Islam durch den NPO-Fonds

eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 11, Bericht des Bud­getausschusses über die Regierungsvorlage (380 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2021 (Bundesfinanzgesetz 2021 – BFG 2021) samt Anlagen (449 d.B.), Untergliederung UG 17 – Öffentlicher Dienst und Sport, in der 62. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 17. November 2020

Die Bundesregierung will in Folge des islamistischen Terroranschlages in Wien verstärkt gegen Islamisten und islamistischen Terror vorgehen. Der Nährboden für solche Gräuel­taten wurde jedoch bereits vom politischen Islam, der sich unter dem Deckmantel der Religionsfreiheit in Österreich und ganz Europa ausgebreitet hat, gelegt.

Dennoch sind Organisationen des politischen Islam nicht von der Förderwürdigkeit durch den NPO-Fonds ausgeschlossen. Dieser wurde eingerichtet, da auch die sogenannten Non-Profit-Organisationen (NPO) von der Corona-Krise wirtschaftlich stark betroffen sind. Bereits aufgrund des erzwungenen ersten Lockdowns, mussten viele dieser Orga­ni­sationen ihren Betrieb stark einschränken bzw. komplett einstellen. Dadurch waren diese mit starken finanziellen Einbußen und dem Fehlen von Sponsoring, Spenden und Mitgliedsbeiträgen etc. konfrontiert gewesen.

Gefördert werden nunmehr gemeinnützige Organisationen aus allen Lebensbereichen, vom Sozialbereich über Kultur bis zum Sport und zu den freiwilligen Feuerwehren. Es werden aber auch gesetzlich anerkannte Kirchen, Religionsgemeinschaften und Einrich­tungen, denen auf Grund religionsrechtlicher Bestimmungen nach staatlichem Recht Rechtspersönlichkeit zukommt, mit Zuschüssen bedacht.

Durch den politischen Islam werden nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa Konflikte und Probleme in der Gesellschaft hervorgerufen, denen entschlossen entge­gen­getreten werden muss. Diese Probleme müssen erkannt, offen angesprochen und gelöst werden. Sie dürfen nicht aus falsch verstandener Toleranz verschwiegen werden. Keinesfalls dürfen sie staatlich gefördert werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 170

„Der Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport wird aufgefordert, die NPO-Fonds-Richtlinienverordnung dahingehend zu präzisieren, dass Zahlungen durch den NPO-Fonds an Organisationen des politischen Islam ausgeschlossen sind.“

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Die Entschließungsanträge sind ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und stehen mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun David Stögmüller. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.59.24

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minis­terin! Sehr geehrte Volksanwälte! Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Ich glaube, zur vorigen Rednerin und ihren Anträgen muss ich nichts sagen; das ist ja haarsträubend!

Worum geht es aber jetzt bei diesem Punkt? – Es geht um Transparenz, und Trans­parenz ist ein wichtiger Bestandteil einer funktionierenden Demokratie. Deshalb freut es mich auch ganz besonders, heute über zwei Institutionen zu reden: zum einen über den Rechnungshof und zum anderen über die Volksanwaltschaft.

Beginnen möchte ich mit dem Rechnungshof, denn der Rechnungshof kontrolliert trans­parent die Verwendung staatlicher Mittel der Vollziehung und von Staatsbetrieben. Dieser Prüfungstätigkeit kommt eine enorme Wichtigkeit zu, die uns hilft, Transparenz in das System zu bringen, aber auch – und das ist wichtig – Verbesserungen aufzuzeigen und Kritik aufzuzeigen, wo nämlich in diesem System Probleme herrschen. Für diese wichtige Arbeit möchte ich mich ganz bewusst bei Ihnen (in Richtung Rechnungs­hofpräsidentin Kraker) und beim gesamten Rechnungshof, bei Ihren MitarbeiterInnen, bedanken. Vielen Dank dafür!

Die Volksanwaltschaft kontrolliert demgegenüber die Verwaltung in der Weise, dass sie betroffenen BürgerInnen hilft, ihre Rechte durchzusetzen. Sie weist auch auf Missstände hin, gerade was die Verwaltung betrifft. Auch hier meinen Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Volksanwaltschaft.

Dass uns diese Institutionen wichtig sind, zeigt sich auch bei der Budgetierung dieser Stellen. So sind auch 2021 für beide Stellen Mittelerhöhungen vorgesehen. Ich finde das auch richtig und wichtig. Wie es oft sein kann und auch oft ist: Es könnte natürlich immer etwas mehr sein, es könnte immer mehr gefordert werden. Ich glaube aber, an diesem Budget kann man auch sehen, dass entsprechend mehr bereitsteht. Das ist auch großartig. (Beifall bei den Grünen.)

Insbesondere bei der Volksanwaltschaft muss man ja das Budget für dieses Jahr in Zusammenschau mit dem Budget 2021 sehen. So war es möglich, elf neue Planstellen zu schaffen. Die Besetzung dieser neuen Stellen ist, wie wir auch im Budgetausschuss besprechen konnten, weitgehend abgeschlossen, und das trägt bereits jetzt erste Früchte. So konnte etwa gerade im wichtigen Bereich der Bearbeitung der Heim­opferrentenfälle der Rückstau bereits aufgearbeitet werden. Das ist auch ein wichtiges Zeichen der Wertschätzung gerade gegenüber jenen Betroffenen, die in Heimen Gewalt und Missbrauch erfahren mussten.

Eine Bundesregierung darf natürlich nicht nur in die Vergangenheit blicken, gerade auch in Krisenzeiten, in denen viele Bürgerinnen und Bürger unverschuldet in die Lage kom­men, Arbeitslosenunterstützung oder andere Leistungen, etwa seitens der Kranken­kasse, in Anspruch nehmen zu müssen. Es gibt viele Zivildiener – die mir als Zivildienst­sprecher natürlich ein besonderes Anliegen sind –, die einen wertvollen Beitrag leisten,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 171

um die Covid-Krise zu bewältigen. Da gibt es jetzt Probleme, etwa bei der Auszahlung der ihnen zustehenden Vergütungen. Das sind die Probleme der unterschiedlichen Be­zahlung zwischen denen, die sich freiwillig gemeldet haben, und denen, die eingezogen und verlängert worden sind. Solche Fälle häufen sich. Diese Betroffenen hoffen auf Unterstützung und bekommen auch entsprechende Unterstützung bei der Volksanwalt­schaft, sodass sie hoffentlich ihre Ansprüche durchsetzen können.

Es ist auch ganz klar: Wenn es mehr Behördentätigkeit gibt, dann gibt es automatisch mehr Fälle, in denen etwas nicht glattläuft. Deshalb ist es wichtig, dass es die Volks­anwaltschaft gibt und sie genau in diesen Fällen BürgerInnen unterstützt; für diese Unterstützung sollte die Volksanwaltschaft eben mit dieser Ausstattung gut gerüstet sein.

Was man am Budget der Volksanwaltschaft ganz deutlich sieht, ist, dass es dieser Bun­desregierung wichtig ist, dass niemand auf der Strecke bleibt, sondern alle Betroffenen schnelle, kompetente und kostenfreie Hilfe in Anspruch nehmen können, wenn etwas nicht so gut geht, wie es gehen sollte.

Ich bin sehr froh darüber, dass mit diesem Budget sowohl der Rechnungshof als auch die Volksanwaltschaft – beide – mehr Mittel bekommen und wir hier den hohen Stel­lenwert für Kontrolle und Transparenz auch sichtbar machen können. Also nochmals vielen Dank den beiden Institutionen! (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Diesner-Wais.)

14.04


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Dr. Nikolaus Scherak. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.04.09

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Herr Präsident! Frau Bundes­ministerin! Sehr geehrte Volksanwälte! Frau Rechnungshofpräsidentin! Es ist ja quasi gute Tradition, dass man sich, nachdem Wahlen geschlagen sind und Koalitionsver­hand­lungen abgeschlossen wurden, als nicht der Regierung angehörige Fraktion – auf Bundesländerebene, im Bundesland Wien in dem Fall – das Koalitionspapier anschaut und daran Kritik übt. Das ist ja auch durchaus legitim.

Kollege Gerstl hat nur gerade etwas Besonderes geschafft, was ich so noch nicht erlebt habe. Normalerweise schaut man sich an, was man selbst im Wahlkampf gefordert hat, schaut, was die – jetzt – Regierungsparteien im Wahlkampf gefordert haben, und kriti­siert dann, wieso das nicht drinsteht.

Kollege Gerstl hat ja zwei Dinge aus dem Wiener Koalitionspapier angesprochen: einer­seits die nicht amtsführenden Stadträte. Das ist das, was die ÖVP immer weiter bewah­ren will. Insofern ist das ein bisschen skurril. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeord­neten der SPÖ.) Außerdem sollte insbesondere Herr Kollege Gerstl, der ja Verfassungs­sprecher der ÖVP ist, wissen, dass es eine Verfassungsänderung braucht, um das ent­sprechend zu beenden.

Das Zweite, das er angesprochen hat, ist Informationsfreiheit. Er hat gemeint, betreffend Wien stehe da nichts drinnen. Es ist auch die ÖVP, es ist insbesondere die ÖVP, die, obwohl der Bundeskanzler vor, glaube ich, zehn oder zwölf Jahren einmal gesagt hat, er will Informationsfreiheit, da seit Jahren leider nichts weitergebracht hat. Wenn Kollege Gerstl sich das Koalitionspapier genau anschauen würde, dann sähe er, dass natürlich viel im Wiener Koalitionspapier steht, nämlich erstens werden die Fristen für die Aus­kunftspflicht verkürzt. Es ist so, dass es einen Informationsfreiheitsbeauftragten geben soll; das ist das, was die ÖVP auch im Bund in diesem Bereich nicht haben will. Und es ist außerdem so, dass bewusst, ganz explizit, proaktiv Studien veröffentlicht werden


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 172

sollen. Also: Natürlich zeigt Wien gerade in diesem Bereich etwas vor, das die ÖVP im Bund seit Jahren entsprechend blockiert. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir reden hier aber eigentlich über etwas anderes, nämlich über die obersten Organe. Gerade Zeiten wie jene der Coronakrise, aber auch andere schwierige Zeiten zeigen, wie wichtig diese Institutionen sind: das Parlament, der Bundespräsident, die Volks­anwälte, der Rechnungshof, der Verfassungsgerichtshof, der Verwaltungsgerichtshof. Gerade in solchen Zeiten sollte man die Bedeutung dieser Institutionen besonders schätzen, das bedeutet natürlich auch, dass man sie mit den notwendigen Ressourcen ausstatten muss, damit sie ihre Arbeit machen können.

Es gibt normalerweise immer die Diskussion, dass beide Höchstgerichte sagen, dass sie mit den Ressourcen nicht auskommen. Das ist dieses Mal zum ersten Mal offensichtlich nicht der Fall, aber es führt wiederum eine absurde Debatte vor Augen – dass wir diese Debatte jedes Mal führen müssen, dass wir uns ernsthaft darüber unterhalten müssen –: ob wir denn den Höchstgerichten genug Geld zur Verfügung stellen. Und das sollte ja vor dem Hintergrund, dass unsere Verfassung und die Rechtsstaatlichkeit uns allen ein Anliegen sein sollte, eigentlich nicht der Fall sein. Die finanziellen Ressourcen reichen oft nicht aus. Da geht es nur um das, was die Höchstgerichte jetzt schon machen, und gar nicht um die Frage eines etwaigen Mehrbedarfs, wenn man beispielsweise ein Schnellverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof etablieren würde, wie es dies in Deutschland gibt, was gerade in Zeiten der Coronakrise, bei umfassenden Einschrän­kungen von Grund- und Freiheitsrechten, natürlich dazu führen würde, dass der Grund­rechtsschutz noch engmaschiger ist.

Die Höchstgerichte werden sich mit den Maßnahmen der Regierungsparteien noch viel beschäftigen, der VfGH hat das schon gemacht und hat die entsprechenden Verordnun­gen schon aufgehoben. Es wird, glaube ich, noch viele andere Verfahren geben, und das bedeutet, dass der Arbeitsanfall noch steigen wird; genauso wie der Arbeitsanfall beim Verwaltungsgerichtshof, der schon jetzt enorm ist. Er ist aber trotzdem – und das ist ja das Beeindruckende –, obwohl wir die Höchstgerichte in der Regel mit zu wenig Budget ausstatten, unfassbar schnell, unfassbar effizient. Ein Verfahren dauert in der Regel knapp vier Monate, was eine beeindruckende Leistung ist.

Zum Schluss noch ganz kurz zum Parlament: Wir verhandeln ja auch das Parlaments­budget. Da geht es unter anderem auch um die Mittel für den Rechts- und Legislativ­dienst. Dieser macht eine ausgezeichnete Arbeit hier im Hohen Haus. Leider ist es aber so, dass es nicht wie im Deutschen Bundestag so ist, dass wir als Abgeordnete, als Parlamentsfraktionen auf den Rechts- und Legislativdienst zugehen können.

Der Herr Nationalratspräsident hat im Budgetausschuss gemeint, das sei eine Maß­nahme, die er sich sehr gut vorstellen könne, mit der man auch die einzelnen Abge­ordneten stärkt. Ich nehme ihn da beim Wort. Es liegt natürlich auch an uns als Fraktio­nen, uns gemeinsam drauf zu einigen, dass wir es mit einer besseren Ausstattung des Rechts- und Legislativdienstes auch schaffen, unsere Arbeit besser zu gestalten und dass wir nicht – wie leider in so vielen Fällen – schlechte Gesetze machen, die am Schluss dann doch wieder vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben werden. (Beifall bei den NEOS.)

14.08


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Hermann Gahr. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 173

14.08.46

Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Volksanwälte! Frau Bundesminister! Frau Präsident des Rechnungshofes! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Trotz schwierigen Umfeldes – es wurde im Vorfeld schon betont – ist es gelungen, gerade im Bereich Rechnungshof für 2021 ein stabiles, aber auch solides Budget zu erstellen, und damit ist es möglich, dass der Rechnungshof als Kontrollorgan des Natio­nal­rates seinem Auftrag nachkommen kann.

Insgesamt hat der Rechnungshof für 2021 ein Budget von 36,5 Millionen Euro, das bedeu­tet eine geringfügige Steigerung von 1,4 Prozent oder 500 000 Euro. Zusätzlich – das hat die Frau Präsident im Budgetausschuss ja betont – gibt es auch noch Rücklagen in der Höhe von 911 000 Euro, die eingebracht werden, weil es durch weniger Prüfungen in diesem Jahr eben Rücklagen gibt beziehungsweise diese im Budget fortgeschrieben werden können.

Ein Ausblick in die Zukunft zeigt, dass der Rechnungshof zukünftig, bis 2024, ein Budget von in etwa 38 Millionen Euro erhalten sollte, um seinem Auftrag nachkommen zu kön­nen. Alles in allem geht es um Personal im Rechnungshof. In den letzten Jahren wurde der Personalstand, sage ich, stabil gehalten, leicht aufgestockt. Es sind derzeit 323 Plan­stellen, was eine Auslastung von 87,5 Prozent bedeutet.

Im Regierungsprogramm vorgesehen ist auch eine Kompetenzerweiterung, und in die­sem Zusammenhang wurde von der Frau Präsident klar betont, dass es in Abstimmung mit dem Rechnungshof natürlich auch die notwendigen Ressourcen braucht, um diese – sage ich – Prüfungskompetenzausweitung durchführen zu können.

Ein Schwerpunkt im Rechnungshof aktuell und für die Zukunft ist natürlich die Digita­lisierung, die in allen Bereichen, im staatsnahen Bereich speziell, neu aufgestellt und forciert werden muss, da es zukünftig verstärkt auch im Rechnungshof eine digitale Be­richterstattung geben soll. Dazu werden intern in den Jahren 2021 und 2022, speziell was die flexible Arbeit betrifft, Laptops flächendeckend neu angeschafft, damit das externe und digitalisierte Arbeiten möglich ist.

Ein Prüfungsschwerpunkt in den letzten Jahren ist der sogenannte Bürgernutzen. Dieser wird aktuell auch aufgrund der Covid-Krise um ein Jahr verlängert. Wir haben nach Rücksprache mit der Frau Präsident in Erfahrung bringen können, dass der Rech­nungshof aktuell bereits in die Kontrolle der Covid-Maßnahmen eingebunden ist. Es wird der Härtefallfonds geprüft, der Bundesrechnungsabschluss 2020, und es ist zu erwarten, dass mit Mitte, Ende 2021 erste Prüfergebnisse vorliegen.

Zentral ist die Abstimmung zwischen den Rechnungshöfen, zentral ist auch die Ausbil­dung, die über die Jahre bestens funktioniert, auch in Abstimmung mit den Landes­rech­nungshöfen, aber auch auf internationaler und europäischer Ebene, um Doppelgleisig­keiten zu vermeiden und die Effizienz und die Abstimmung zu verbessern.

Abschließend richtet sich mein Dank an die Frau Präsident dafür, dass es gemeinsam gelingt, die Berichte hier auch zügig und zeitnah abzuarbeiten; ich glaube, wir bemühen uns im Ausschuss. Der Rechnungshof soll auch in Zukunft seinem Auftrag nachkommen. Mit dem Budget 2021 ist eine Stabilität gewährleistet, und dafür setzen wir uns ein. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Rössler.)

14.12


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Christian Drobits. – Bitte, Herr Abgeordneter.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 174

14.12.40

Abgeordneter Mag. Christian Drobits (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzte Damen und Herren! Hohes Haus! Ich darf heute zum Kapitel oberste Organe explizit über drei sprechen, und zwar einerseits über die Höchstgerichte, über den Verfassungsgerichtshof und über den Verwaltungsgerichtshof, und andererseits über die Präsidentschaftskanzlei.

Beginnen möchte ich mit dem, was mir ganz wichtig ist: Während der Covid-Phase waren gerade die Höchstgerichte diejenigen, die durch schnelle Vorgehensweisen Rechtssicherheit geschaffen haben, weil die parlamentarische Demokratie durch fehlende Begutachtungsverfahren ausgeschaltet wurde. Deshalb möchte ich mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Verfassungsgerichtshofes, aber auch des Verwaltungsgerichtshofes zunächst einmal herzlich bedanken.

In weiterer Folge ist es mir auch wichtig, zu sagen, warum: Der VfGH hat es geschafft – und dafür Dank auch stellvertretend an Präsident Grabenwarter –, weiterhin die vier­monatige Verfahrensdauer einzuhalten. Und er hat es auch geschafft, dass gerade in Covid-Zeiten die 80 Verfahren zu Covid rasch durchgeführt wurden. Es ist auch ge­lungen, dass komplexe Gesetzesprüfungsverfahren wie etwa betreffend die Reform der Sozialversicherung – mit dem Sozialversicherungs-Organisationsgesetz – relativ rasch und gut abgewickelt wurden.

Damit ist klar, dass der Verfassungsgerichtshof mit seinen 105 Planstellen und mit einem Budget von 18,1 Millionen Euro auch im Jahr 2021 gut ausgestattet ist. Auch der Präsident spricht davon, dass er mit dem Personal sein Auslangen findet. Es wurden gerade 100 Jahre Bundesverfassung und 100 Jahre Verfassungsgerichtshof gefeiert – das zeigt, wie wichtig es ist, diese Institutionen zu stärken.

Abschließend zum Verfassungsgerichtshof: Die Roadshow oder Wanderausstellung, das Projekt „Verfassung macht Schule“ in den Bundesländern wird 2021 folgen beziehungsweise fortgesetzt. Für mich ist das ein wichtiger Bereich, um die Bevölkerung zu sensibilisieren, und das wird auch gut angenommen.

Der Verwaltungsgerichtshof ist ähnlich dem Verfassungsgerichtshof gut aufgestellt, hat wiederum die Funktion, als Garant für Rechtssicherheit zu dienen, und wird zukünftig durch die Digitalisierungsoffensive, insbesondere aufgrund der Einführung des Elektro­nischen Gerichtsaktes, auch noch besser agieren können. Kritisch merke ich nur die Umlaufbeschlüsse an, die zukünftig als Dauerrecht eingeführt werden sollen.

Abschließend zur Präsidentschaftskanzlei: Auch dort haben wir ein unverändertes Budget. Es beträgt 11,5 Millionen Euro und umfasst 85 Planstellen.

Ich möchte nur betonen, dass gerade bei den Kleinen nicht gespart werden soll, wenn bei den großen oder obersten Organen nicht gespart wird. Dieses Kostenbewusstsein schärfe ich sehr stark, gebe das auch dem Bundeskanzler und natürlich auch der Präsidentschaftskanzlei weiter. Ich rege an, dass gerade in Zeiten wie diesen gerade auf dieses Kostenbewusstsein genau geschaut wird. Konkret spreche ich die Dienstreisen an, diesbezüglich fließen nämlich die Repräsentationsausgaben und deren Erhöhung im Budget in die Rücklagen. Wir werden diese Rücklagen und auch das Budget 2021 beim Rechnungsabschluss genau beäugen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

14.15


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Mag. Eva Blimlinger. – Bitte, Frau Abgeordnete.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 175

14.16.03

Abgeordnete Mag. Eva Blimlinger (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Präsidenten/Präsidentinnen der obersten Organe! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! In den Budgetausschusssitzungen letzte Woche haben die NEOS die Ressortver­ant­wortlichen immer danach gefragt, ob wohl die Beamten/Beamtinnen Prämien bekommen haben, und der Unterton in der Frage war schon immer von der antietatistischen Haltung geprägt: hoffentlich nicht. Ich kann dazu nur im Gegenteil sagen: hoffentlich schon!

Der öffentliche Dienst hat gewährleistet, dass sowohl beim ersten Lockdown als auch jetzt beim zweiten der Staat reibungslos funktioniert (Abg. Loacker: Das ist deren Job!), auch wenn das manche anders sehen. Das ist ein ganz zentraler Bereich. Das beginnt, wenn Sie so wollen, bei der Polizei, beim Bundesheer, gilt aber selbstverständlich natürlich auch in der Verwaltung, auch in Krankenhäusern, überall dort, wo der öffent­liche Dienst zum Einsatz kommt.

Es ist geplant, dass es im nächsten Jahr und in den Folgejahren eine Weiterentwicklung des Dienstrechts geben soll; nicht zuletzt deswegen, um genau solch einer Situation, wie sie jetzt gegeben ist, Rechnung zu tragen, indem es Regelungen gibt, wie das Homeoffice aussehen soll, wie sozusagen Digitalisate im amtlichen Verkehr verwendet werden können.

Es wird darum gehen, sich verstärkt um ein Recruiting von Menschen mit Behinderung anzunehmen, das heißt, Settings zu entwickeln, dass Menschen mit Behinderung gute Chancen haben, in den Bundesdienst aufgenommen zu werden, im öffentlichen Dienst zu arbeiten. Es wird dazu eigene Entwicklungen im Dienstrecht geben.

Es steht eine größere Dienstrechts-Novelle an, in der all das Berücksichtigung finden soll. Das kostet natürlich auch etwas Geld, und es ist gut, dass wir gerade in Zeiten wie diesen in den Staat, in den öffentlichen Dienst investieren, um den Staat zu stärken.

In diesem Sinne darf ich vielleicht anregen – und mein Dank gilt wirklich den Beam­ten/Beamtinnen, aber natürlich auch den Vertragsbediensteten, die ja bei Erwähnung des öffentlichen Dienstes sehr oft zu kurz kommen; also diese beiden Gruppen sind ganz zentral, sie halten unseren Staat aufrecht –: Lassen Sie sich nicht von den NEOS abbringen (Zwischenruf des Abg. Loacker), sondern folgen Sie meinem Wunsch und zahlen Sie durchaus Prämien an all jene, die während des Lockdowns, aber auch im Sommer dieses Jahres Großes geleistet haben, aus! Mein Dank gilt – noch einmal – all diesen Kollegen und Kolleginnen.

Und wie Sie schon wissen und wie ich auch in Zukunft immer wieder sagen werde, und zwar so lange, bis es erreicht ist: Im Übrigen bin ich dafür, die Windisch-Kaserne in Richard-Wadani-Kaserne umzubenennen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

14.19


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wolfgang Zanger. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.19.23

Abgeordneter Wolfgang Zanger (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Her­ren auf der Regierungsbank! Rechnungshof: Ja, wichtig ist, dass der Rechnungshof seine Aufgaben erfüllen kann. Das ist für jetzt einmal sichergestellt, so wie die Frau Präsidentin das im Ausschuss auch erwähnt hat. Es müssen darüber hinaus aber auch geplante Ausweitungen der Prüfkompetenz abgedeckt werden, insbesondere die Prü­fung von Unternehmen ab 25 Prozent Beteiligung des Bundes. Dies würde allerdings mehr Personal bedingen, konkret eine Aufstockung der Vollbeschäftigungsäquivalente


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 176

von derzeit 282,5 auf rund 290. Dies sollte das Ziel sein, aber das scheint die Regierung derzeit nicht zu wollen, so wie sie derzeit vieles nicht will, was sonst in einer Demokratie selbstverständlich ist.

Beispielsweise will sie nicht, dass sich Menschen kritisch über die Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus äußern, und ich spreche nicht davon, dass sie sich kritisch über das Virus äußern, nein, sondern über die Maßnahmen (Beifall bei der FPÖ) – aber egal, das haut ihr sowieso gleich alles in einen Topf hinein. Und dann werden alle als Verschwörungstheoretiker abgestempelt, mundtot gemacht und in letzter Konsequenz sogar um ihre Existenz gebracht – und das ist eine Diskussionskultur in diesem Lande, da lachen ja die Hühner! (Beifall bei der FPÖ.)

Meinungsmäßig darf sowieso nur geäußert werden, was aus den kontrollierten Ergüssen des Chaosquartetts Kurz, Kogler, Anschober und Nehammer stammt. Die Menschen hetzt ihr gegeneinander auf, indem ihr Angst streut. Statt Mut, Hoffnung und Zuversicht zu verbreiten, betreibt ihr das Spiel mit der Angst – und leider Gottes mit Erfolg, denn die Leute in unserem Land reagieren genau so, wie es von euch gewünscht wird, nämlich mit Aggressionen gegeneinander.

Eltern, die sich in ehrlicher Sorge um die psychische Gesundheit ihrer Kinder öffentlich dagegen wehren, dass Zwangstests und Maskenzwang die Kinder traumatisieren, wer­den von solchen, die sich allem unterwerfen, als Coronaleugner angeprangert. Leute, die keine Maske tragen, müssen froh sein, wenn sie heimkommen, ohne von ihren maskierten Mitmenschen gedroschen zu werden, und es wird nicht einmal hinterfragt, ob möglicherweise medizinische Gründe und folglich eine Befreiung dahinterstecken. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das habt ihr gut hinbekommen! Das hat Herr Nehammer super hinbekommen, indem er alle als Lebensgefährder bezeichnet, und das hat Herr Kurz gut hinbekommen, indem er mit der Angst der Menschen regiert.

Das hat aber nichts mit einer Demokratie zu tun. Das folgt einem alten Prinzip: Divide et impera!, das werdet ihr kennen. Das hier (eine Tafel, auf der ein Foto von Bundeskanzler Kurz und ein Gemälde, das Niccolò Machiavelli darstellt, nebeneinander abgebildet sind, in die Höhe haltend) ist Herr Machiavelli, und daneben Kurz. Wenn man das anschaut, dann kommt einem eh vor, als ob Kurz die Reinkarnation von Machiavelli wäre. (Heiter­keit bei Abgeordneten der FPÖ sowie des Abg. Loacker.) Da hätte man dann auch schon eine Begründung, warum Politik heute so gemacht wird wie vor 500 Jahren. – Und das lasse ich jetzt da. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Schallmeiner. – Der Redner stellt die Tafel auf das Rednerpult.)

Teile und herrsche, spalte das Volk, etikettiere es – der eine Teil die Braven, der andere Teil die nicht so Braven –, lass sie aufeinander los, dann hast du Ruhe beim Regieren! Das ist das, was ihr jetzt macht – und das ist verwerflich. (Beifall bei der FPÖ. – Heiterkeit des Abg. Loacker. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Und ihr Schwarz-Grünen sitzt da noch erste Reihe fußfrei und klatscht Applaus! Es kann ja kein größeres Trauerspiel geben. Ihr sperrt die Leute ein, ihr stehlt den Kleinsten, den Kindern, die Kindheit, den Jugendlichen die Jugend und den Älteren die Würde. Eine derartige Charakterlosigkeit ist mir mein Lebtag noch nicht begegnet.

Es wird noch dauern, aber die Zeit wird kommen: Das Volk ist nicht dumm, und die nächsten Wahlen kommen bestimmt. Die Kollegin von der ÖVP, die jetzt nach mir redet, kann das Bild dann mitnehmen und gleich neben euren Dollfuß hängen. (Beifall bei der FPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Ordnungsruf! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

14.22



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 177

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Kollegin Martina Diesner-Wais. – Bitte, Frau Abgeordnete. (Abg. Diesner-Wais nimmt – am Rednerpult angelangt – die Tafel vom Rednerpult und legt sie auf dem Tisch davor ab.)


14.23.11

Abgeordnete Martina Diesner-Wais (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Liebe Volksanwälte! Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich werde jetzt wieder zum Budget zurückkehren. Als Vorsitzende des Volksanwalt­schaftsaus­schus­ses möchte ich zum Bereich Volksanwaltschaft sprechen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Volksanwaltschaft ist im Laufe ihrer immerhin über 40-jährigen Tätigkeit zu einer der beliebtesten und auch bekanntesten Einrichtungen ge­worden und hilft den Bürgerinnen und Bürgern bei Beschwerden im Bereich der öffent­lichen Verwaltung. Aus dem Bericht 2019 geht hervor, wie beliebt sie ist, denn 2019 haben sich 16 641 Menschen an die Volksanwaltschaft gewandt.

Die Aufgaben der Volksanwaltschaft sind sehr vielfältig. Die meisten kennen sie nur durch die überprüfende Kontrolle der öffentlichen Verwaltung. Darüber hinaus gibt es aber noch viele andere Bereiche, ich erwähne nur die internationale Zusammenarbeit im IOI – da ist Österreich auch Sitzstaat –, das Heimopferrentengesetz – die diesbe­züg­lichen Anträge werden von der Volksanwaltschaft abgewickelt –, die Kontrolle der Ein­haltung der UN-Behindertenrechtskonvention und das sogenannte Opcat-Mandat, im Zuge dessen Einrichtungen, die Freiheitsentzug oder Freiheitsbeschränkungen vorneh­men, kontrolliert werden und Präventionsmaßnahmen gesetzt werden.

Es gibt aber auch in Zukunft noch viele neue Herausforderungen. Wenn wir an die Covid-19-Maßnahmen denken, so werden diese sicher einen Anstieg der Fälle mit sich bringen, in denen man sich an die Volksanwaltschaft wendet. Es erfolgte aber auch eine Erwei­terung der Aufgabengebiete – ich habe schon das Heimopferrentengesetz erwähnt, das natürlich zusätzliche Aufgaben mit sich gebracht hat –; dem wurde bereits im Budget 2020 Rechnung getragen, und 2021 wird das fortgeschrieben. Im Personalplan 2020 stehen 89 Planstellen, das ist eine Steigerung um 11 Planstellen gegenüber dem vor­hergehenden Jahr.

Wir als Parlament sind natürlich bestrebt, die besten Voraussetzungen dafür zu schaffen, damit die Volksanwaltschaft auch gut im Sinne unserer Bürgerinnen und Bürger agieren kann.

Wenn ich jetzt zu den Budgetzahlen für 2021 kommen darf, so haben wir ein Budget von 12,42 Millionen Euro veranschlagt. Das sind um 190 000 Euro mehr als 2020, also eine Steigerung um 1,5 Prozent.

Die Volksanwaltschaft hat sich das Ziel gesetzt, in Zukunft auch bei den Jüngeren und bei den Frauen bekannter zu werden, denn zwei Drittel der Beschwerden kommen von Männern. Die Volksanwaltschaft will in die Schulen gehen und durch ihre Fernseh­sen­dung besser publik werden.

Ein weiteres Ziel ist es auch, bei den Vorortprüfungen im Rahmen des Opcat-Mandats thematische Schwerpunkte zu setzen.

Sehr geehrte Damen und Herren, die Beibehaltung der hohen Prüfqualität der Volksan­waltschaft sowie der formlose, kostenlose und einfache Zugang zur Volksanwaltschaft, den unsere Bevölkerung genießt und schätzt, sowie deren weiterer Ausbau sind natür­lich auch eines der Wirkungsziele für die Zukunft.

Wir als Parlament sind natürlich bestrebt, die nötigen Rahmenbedingungen zu schaffen, um die Volksanwaltschaft wirklich gut zu unterstützen. In diesem Sinne möchte ich den drei Volksanwälten, die sich wirklich einsetzen und ihre Bereiche gut abdecken, vor allem


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aber auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die in der Volksanwaltschaft tätig sind, meinen ganz besonderen Dank aussprechen und wünsche ihnen allen auch weiterhin eine gute Arbeit im Sinne unserer Bürger und Bürgerinnen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

14.27


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Yannick Shetty. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.27.34

Abgeordneter Yannick Shetty (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Bundesminister, insbesondere Frau Bundesministerin für Integration! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Hinsichtlich des Integrationsbudgets müssen wir leider feststellen, dass es wieder eine Enttäuschung ist. Es ist uns zu wenig, es ist nicht aussagekräftig und es ist unambitioniert. Das Budget steigt zwar, das ist aber haupt­sächlich einer Umschichtung von 28 Millionen Euro geschuldet, die vom AMS ins Inte­grationsressort wandern. Auch unabhängig davon gibt es eine leichte Steigerung um 7,4 Millionen Euro, was wir natürlich begrüßen, aber ich sage dann gleich, warum uns das nicht ausreicht und warum auch die Widmung dieser Steigerung für uns unzu­frie­denstellend ist.

Gleichzeitig gibt es aber abseits dieser budgetären Steigerung kein eigenes, reines Inte­grationswirkungsziel mehr. Die Relevanz von Integration in dem Ministerium wurde also offiziell zurückgestuft, und das in diesem sehr jungen Politikfeld, das bisher schon als Querschnittsmaterie überall untergegangen ist – und jetzt, da es ein eigenes Inte­gra­tions­ministerium gibt, streicht man im Budget das eigene Wirkungsziel für die Integration.

Was aber wirklich ein Armutszeugnis ist: Der Integrationsfonds, der ÖIF, erhält eben durch diese Umschichtung der 28 Millionen Euro mehr und auch von der Steigerung um 7 Millionen Euro einen Großteil, also substanziell mehr Budget und Kompetenzen, er soll auch in Zukunft die Sprachkursagenden des AMS übernehmen – also mehr Geld für den ÖIF, aber gleichzeitig sinkt die Leistungserwartung an den ÖIF. So haben zum Beispiel im Jahr 2019 91,3 Prozent aller Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigen einen Werte- oder Orientierungskurs besucht. Als Ziel für das nächste und für das übernächste Jahr nennt das Integrationsministerium aber einen Zielwert von 80 Prozent, also unter dem, was wir im Jahr 2019 und 2018 erreicht haben.

Ich verstehe das nicht. Wie unambitioniert ist diese Zielsetzung bitte, bei gesteigerten Budgetmitteln für den ÖIF! Es ist aber symptomatisch für diese Bundesregierung: Sie machen die Probleme groß und nicht die Lösungen, wobei es aber wichtig wäre, dass man sich derer annimmt.

Deshalb freut es mich – wir haben es heute auch schon ein paar Mal hier andiskutiert –, dass wir in Wien mit der neuen rot-pinken Koalition einen anderen Weg in diesem Be­reich gehen und, wenn man so will, auch einen Gegenentwurf zur Politik dieser Bundes­regierung machen.

Im Bereich der Integration heißt es zum Bespiel in unserem Regierungsprogramm wort­wörtlich: „Wir bekennen uns daher zu einem lösungsorientierten Weg [...]“, der „weder die Augen vor den Problemen verschließt, noch hoch emotionalisierte Debatten be­feuert. Im Mittelpunkt muss die konkrete Arbeit im Integrationsbereich [...] stehen.“

Wir füllen diese Floskel in der Präambel auch mit Daten, ganz konkret: Was die Werte- und Orientierungskurse betrifft, werden wir diese in Wien ausbauen und sozusagen das bewerkstelligen, was der Bund nicht ausreichend zustande bringt, und in Wien zu­sätzliche Plätze für Werte- und Orientierungskurse schaffen.


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Auf die Frage im Ausschuss, wie viel Budget im Jahr 2021 für Deradikalisierungs­maß­nahmen zur Verfügung steht, meinten Sie, Frau Integrationsministerin, und zwar wört­lich, Sie seien für Deradikalisierung nicht zuständig und hätten daher auch kein Budget dafür vorgesehen. – Dafür, dass Sie nicht für Deradikalisierung zuständig sind, waren Sie in den vergangenen Tagen aber recht häufig auf einschlägigen Pressekonferenzen unterwegs. Dabei muss doch gerade Deradikalisierung im Integrationsbereich überall mit­gedacht werden, sei es in der Dialog- und Friedensförderung zwischen Glaubens­gemeinschaften, bei der Förderung von Jugendprojekten oder auch anderweitig.

Abschließend: Wissen Sie, was ich so schade finde? – Sehr viele Menschen haben die ÖVP wegen des Schlagwortes Integration gewählt, auch in Wien – ich glaube, das kann durchaus anerkannt werden –, aber wenn mehr Leute sehen würden, wie egal Ihnen eine gelungene Integrationspolitik tatsächlich ist, würden sich sehr viele dieser Men­schen von Ihnen abwenden. Die Menschen in Österreich, auch und gerade die Men­schen, die Sie wegen der Integrationspolitik wählen, sind daran interessiert, dass die Lösungen großgemacht werden und nicht nur die Probleme. (Beifall bei den NEOS.)

14.31


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme hat sich nun Frau Bundes­ministerin MMag. Dr. Susanne Raab zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Bundesminister.


14.31.33

Bundesministerin für Frauen und Integration im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Werte Volksanwälte! Hohes Haus! Als Kanzleramtsministerin darf ich Ihnen heute einen Einblick in das Budget des Bundeskanzleramtes geben und insbesondere meine Schwer­punkte für das nächste Jahr darlegen.

Für das BKA ist für das Jahr 2021 ein Gesamtbudget in der Höhe von 458,1 Millionen Euro vorgesehen. Die Erhöhung im Vergleich zum letzten Budget geht insbesondere auf ein höheres Budget in den Bereichen Integration, die Erhöhung des Frauenbudgets und auch die Erhöhung des Volksgruppenbudgets zurück.

Im Volksgruppenbereich stellt die Verdoppelung der Volksgruppenförderung einen ganz besonderen Meilenstein dar. Wir haben die Volksgruppenförderung um 4 Millionen Euro erhöht, sie beträgt jetzt insgesamt mehr als 7,8 Millionen Euro. Das ist die erste Erhö­hung seit 25 Jahren und wirklich ein Meilenstein und ein Ausdruck der Wertschätzung gegenüber unseren sechs anerkannten Volksgruppen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ich freue mich sehr, dass wir nun bereits in den ersten Jahren unseres Wirkens dem Bekenntnis einer zeitnahen Erhöhung der Volksgruppenförderung nachgekommen sind.

Sehr geehrte Damen und Herren! Dieses Jahr war und auch das nächste Jahr wird extrem herausfordernd für uns alle. Seit Monaten kämpfen wir gegen eine Pandemie und auch gegen die Folgen für die Gesellschaft, für die Wirtschaft, für uns alle. Dieses Budget, und das spiegelt sich auch im Budget des Bundeskanzleramtes wider, ist ein Ausdruck dieser gemeinsamen Kraftanstrengung, die wir alle leisten, um die Krise zu bewältigen.

Auch im Integrationsbereich stellt uns die Pandemie vor Integrations­herausforde­run­gen – schlichtweg deswegen, weil gewisse Kursmaßnahmen nicht stattfinden können und weil wir gefordert waren, auch neue Wege zu finden, damit Integrationsfortschritte weiter möglich sind. Diese Wege haben wir gefunden: Wir haben intensiv investiert, auch in digitale Integrationsformate, wir haben die Onlineangebote massiv ausgebaut. Diesen Weg möchte ich weitergehen, auch im nächsten Jahr, auch mit diesem Budget, aber klar


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ist auch: Interaktion ist die Grundvoraussetzung für gelungene Integration, und daher kann das kein Ersatz sein, sondern wir müssen auch weiterhin auf persönliche Inte­gra­tionsmaßnahmen setzen, auf persönlichen Austausch, auf Maßnahmen, bei denen Menschen miteinander in Verbindung treten.

Unser inhaltlicher Kurs des Förderns und Forderns wird 2021 konsequent weiterge­tragen. Wir nehmen dafür auch mehr Geld in die Hand, für verbindliche Integrations­maßnahmen und um die Integrationsarbeit in Österreich weiter zu stärken. Dabei geht es mir zum einen natürlich um den Erwerb von Deutschkenntnissen, denn Deutsch zu können ist die Basis dafür, dass ich an allen gesellschaftlichen Bereichen teilhaben kann, dass ich eben mit Menschen in Kontakt treten kann, dass ich einen Job habe, aber wir werden auch die verpflichtenden Werte- und Orientierungskurse, die vorhin auch ange­sprochen wurden, sowohl inhaltlich als auch zeitlich erweitern – inhaltlich um neue Aspekte, wie beispielsweise eine Antisemitismuseinheit, die wir da einfließen lassen werden.

Ich weiß aus meiner Erfahrung in den letzten Jahren im Integrationsbereich, wie gut auch das Ehrenamt funktioniert, wie gut es als Integrationsschlüssel wirkt – wenn Menschen mit und ohne Migrationshintergrund im Ehrenamt zusammenkommen, wenn auch die ersten Arbeitserfahrungen in einem ehrenamtlichen Kontext gesammelt werden können. All das führt dazu, dass das Ehrenamt eine wichtige Säule im Integrationsbereich ist, was ich auch aus dem Ressort heraus unterstützen werde.

Ein ganz besonderer Schwerpunkt, wie Sie ja sicher auch wissen, ist für mich, Frauen mit Migrationshintergrund zu stärken. Sie sind die Integrationsmotoren, sie sind die­jenigen, die die Werte an die Kinder weitergeben, diejenigen, die vielfach auch für die Bildung zuständig sind. Ich möchte sie stärken, aber ich möchte sie auch vermehrt schützen, schützen vor kulturell bedingter Gewalt, schützen vor Gewaltformen wie Zwangsheirat, weiblicher Genitalverstümmelung, patriarchalen Ehrkulturen. Das ist mir als Frauenministerin auch so wichtig, denn ich möchte nicht, dass wir hier Rückschritte in der Gleichberechtigung von Mann und Frau machen und Rückschritte in unseren hart erkämpften Rechten, die wir als Frauen uns in den letzten Jahrzehnten erworben haben.

Lassen Sie mich noch zu einem zweiten Aspekt kommen, der unsere Gesellschaft in diesem Jahr ganz besonders herausfordert: Neben der Coronapandemie haben wir vor mehr als zwei Wochen mitten in Wien einen islamistischen Terroranschlag erlebt, der uns allen gegolten hat, die wir in Österreich friedlich zusammenleben. Als Integrations­ministerin möchte ich auch betonen, dass es das Ziel des Terrors ist, einen Keil in unsere Gesellschaft zu treiben, zwischen Christen und Muslime, und auch Hass zwischen Bevölkerungsgruppen zu säen, und dass wir nicht in diese Falle tappen dürfen. Wir müssen weiter zusammenhalten und wir müssen gemeinsam – unabhängig von der Religionszugehörigkeit – gegen islamistischen Extremismus kämpfen.

Neben neuen Maßnahmen gegen Terroristen und Gefährder steht für mich dabei ins­besondere auch der Kampf gegen den politischen Islam an vorderster Stelle, der den Nährboden für den blinden Hass und auch für diese ideologische Basis bildet. Überall dort – und darauf möchte ich kurz eingehen –, wo der Nährboden für Gewalt und für Radikalisierung da ist, also nicht erst, wenn Radikalisierung stattgefunden hat und Deradikalisierung stattfinden muss, sondern überall dort, wo wir eine Ideologie vorfinden, die antiwestlich ist, die uns spalten will, die vielleicht vielfach noch nicht strafrechtlich relevant ist, aber die die Integration behindert und die Basis für den Hass bildet und auch die Basis für den Terror und die Gewalt bilden kann, müssen wir ansetzen.

Mit der neu geschaffenen Dokumentationsstelle politischer Islam sind wir in Österreich Vorreiter im Kampf gegen diese extremistische Ideologie geworden. Die Dokumenta­tions­stelle wird unabhängig und wissenschaftlich genau bei jenen gefährlichen Ideologien


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 181

ansetzen, die eben den Nährboden der Gewalt bilden und unseren Zusammenhalt ge­fährden.

Wir werden den Kampf mit aller Kraft führen, dafür auch die notwendigen rechtlichen Grundlagen schaffen und mit diesem Budget auch die budgetären Mittel zur Verfügung stellen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

14.38


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun die Präsidentin des Rechnungs­hofes Dr.in Margit Kraker. – Bitte schön, Frau Präsidentin.


14.38.26

Präsidentin des Rechnungshofes Dr. Margit Kraker: Herr Präsident! Herr Vize­kanzler! Sehr geehrte Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich mich einleitend dafür bedanken, dass Sie schon in mehreren Redebeiträgen den Stellenwert von Trans­parenz und Kontrolle hervorgehoben haben, und ich bedanke mich auch vonseiten des Rechnungshofes für die gute Zusammenarbeit mit dem Hohen Haus.

In der Krise, das haben wir auch gehört, muss es eine gemeinsame Kraftanstrengung geben, müssen wir alle Kräfte bündeln und muss jeder seinen Beitrag leisten. Ich kann Ihnen versichern, dass auch der Rechnungshof im Rahmen seiner Ressourcen die ihm übertragene Verantwortung in dieser Situation voll wahrnehmen und seinen Beitrag leisten wird.

Es wurde so viel von Krise gesprochen: Krise und Kritik leiten sich ja vom selben Wortstamm ab. In der Krise geht es darum, Entscheidungen zu treffen, damit man eben alles tut, um eine Krise zu überwinden. Bei der Kritik geht es darum, nachträglich die Beurteilung der gesetzten Maßnahmen zu treffen. Soweit es sich um finanzielle staat­liche Mittel handelt, ist dafür der Rechnungshof zuständig.

Der Rechnungshof sieht es daher als seine Verpflichtung und Verantwortung an, seine Prüftätigkeit auch auf die vielfältigen Covid-19-Krisenbewältigungsmaßnahmen auszu­weiten, um im Nachhinein dem Hohen Haus, Ihnen und der Öffentlichkeit Prüfberichte zu allen wesentlichen Ausgabenbereichen vorlegen zu können.

In der Zeit nach der Krise werden wir beurteilen können, was richtig gemacht wurde und was hätte besser laufen können, wie wir uns insgesamt verbessern müssen, um die richtigen Lehren aus der Krise zu ziehen. Nach einer Krise wie der jetzigen, nach einer Pandemie, die alle Systeme bremst, kann es auch keine Tabus mehr geben. Das heißt, es geht darum, Reformen anzugehen, nachhaltige Finanzen wiederherzustellen und sich nicht auszuruhen. In einer Demokratie geht es immer um Rechenschaft, Transparenz und Kontrolle.

Vonseiten des Rechnungshofes sehen wir es als unsere Verpflichtung an, die Förder- und Hilfsmaßnahmen umfassend zu kontrollieren. Es muss sichergestellt sein, dass die Mittel bedarfsorientiert und wirksam eingesetzt werden. Finanzielle Nachhaltigkeit und Schaffung von Transparenz stehen im Fokus unserer Überlegungen, und auch der Prüf­schwerpunkt Bürgernutzen passt dazu, denn es geht um die Leistungserbringung für die Bürgerinnen und Bürger – so sieht sich eben der Rechnungshof als Anwalt der Öffent­lichkeit. Selbstverständlich werden wir unser Prüfprogramm weiterhin sehr ausgewogen gestalten, auch im Sinne unserer Funktion, präventive Wirkung herbeizuführen.

Ich komme nun zum Budget des Rechnungshofes. Das Budget des Rechnungshofes umfasst 36,5 Millionen Euro, das ist eine geringfügige Zunahme um 1,4 Prozent im Vergleich zum Budget 2020. Wir können damit die 282,5 Vollbeschäftigungsäquivalente halten, sind aber natürlich meilenweit davon entfernt, den Personalplan, der an sich 323 Stellen vorsieht, zu finanzieren. Wir sind bei unseren Bestrebungen insofern auch


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realistisch, aber wir haben ein mittelfristiges Ziel, auf 290 VBs für den Rechnungshof zu kommen, und ich kann dazu sagen: Die große Aufgabenfülle, vor der wir stehen, würde das auf alle Fälle jetzt schon rechtfertigen.

Die Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen Prüf- und Kontrollarbeit hat daher für uns als Rechnungshof absolute Priorität, auch besonders für mich. Es geht darum, dass wir Planungssicherheit haben, dass der mittelfristige Budgetplan passt.

Ich weise auch darauf hin, dass im Rechnungshof in den nächsten vier Jahren – wie in vielen anderen öffentlichen Institutionen auch – eine hohe Anzahl von Bediensteten das Pensionsalter erreichen wird. Ich möchte in diesem Zusammenhang einen Dank an meine Prüferinnen und Prüfer aussprechen, denn sie sind das Rückgrat des Rech­nungshofes, sie leisten die wertvolle Prüfungsarbeit (Beifall bei SPÖ und NEOS sowie bei Abgeordneten der ÖVP) und bringen in dieser schwierigen Situation, vor der auch der Rechnungshof steht – das Prüfen ist anders geworden –, die notwendige Flexibilität auf.

Grundsätzlich möchte ich auch sagen, dass ich natürlich hoffe und zuversichtlich bin, dass wir bald wieder ernsthaft über eine Ausweitung der Prüfkompetenzen des Rech­nungshofes reden können. (Beifall der Abgeordneten Hoyos-Trauttmansdorff, Lausch und Loacker.) Es gibt die Vorhaben im Regierungsprogramm betreffend das Thema Parteienfinanzierung und die Prüfung öffentlicher Unternehmen. Es gibt darüber hinaus noch weitere Prüflücken.

Schwerpunkt des Rechnungshofes für das kommende Jahr ist sicherlich die Digita­lisierung. Digitalisierung erleben wir: Es geht um den Hardwareaustausch. Wir sind ja schon sehr dezentral ausgelegt, weil wir Prüferinnen und Prüfer haben, die es gewohnt sind, auch außer Haus zu arbeiten, aber dafür brauchen wir die notwendigen Hilfsmittel, deshalb werden wir dafür die erforderlichen Instrumente einsetzen. Natürlich werden wir die gesamte Prüfarbeit auch weiter digitalisieren und Arbeitsabläufe sicherer und effizienter gestalten.

Es freut mich auch, dass die Nachhaltigkeitsziele heute schon erwähnt wurden. Das ist ja auch etwas, was wir im Rahmen der Intosai sehr stark betreiben, deren weltweite Koordinierungsplattform wir sind.

Zusammengefasst kann ich Ihnen sagen, dass wir mit unserem Budget einen enga­gierten Beitrag zur Bewältigung aller Herausforderungen des Staates leisten wollen.

Abschließend ein grundsätzlicher Hinweis in eigener Sache: Wir haben in unseren Wirkungszielen festgelegt, dass wir Sie – die Abgeordneten des Nationalrates und der Landtage – um Feedback hinsichtlich der Zufriedenheit mit unserer Arbeit im Dreijahres­rhythmus befragen werden. Im Laufe dieser Woche werden Sie hierzu entsprechende Fragen zugeschickt bekommen, damit wir das Wirkungsziel, das wir uns gesetzt haben, hoffentlich auch erfüllen können. Jedenfalls haben wir den Prozess dazu eingeleitet, für den Rest ersuche ich Sie um Ihre Unterstützung. Wie gesagt, danke für die Zusam­menarbeit und für das Vertrauen. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

14.45


Präsident Ing. Norbert Hofer: Frau Mag.a Agnes Sirkka Prammer gelangt nun zu Wort. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.45.25

Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer (Grüne): Herr Präsident! Geschätzte Mit­glieder der Bundesregierung! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 183

Zuseher! Ich darf meine Redezeit auf zwei sehr wichtige Bereiche aufteilen, nämlich einerseits auf die beiden Höchstgerichte, Verfassungsgerichtshof und Verwaltungs­ge­richtshof, und andererseits auf den Sport. Weil ich nicht weiß, wie ich sie sinnvoll verknüpfen kann, versuche ich das erst gar nicht, sondern widme mich ihnen einzeln.

Ich freue mich, dass die Budgets für die Höchstgerichte es ermöglichen, dass die Verfahren sehr, sehr rasch durchgeführt werden können. Beide sind im internationalen Vergleich unter den Spitzenreitern. Auch wenn es Einzelnen im eigenen Verfahren nicht schnell genug gehen kann, so sind wir bei der Bearbeitungsdauer eines durch­schnitt­lichen Verfahrens kaum mehr in einem Bereich, in dem man noch irgendetwas opti­mieren könnte, und das dank der guten Ausstattung der beiden Gerichte. Das ist sehr wichtig. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Gerade im heurigen Jahr haben wir gesehen, wie wichtig und wertvoll das Zusam­menspiel zwischen der Gesetzgebung einerseits und dem Höchstgericht andererseits ist, weil eigentlich fast modellhaft vorgeführt wurde und man wie im Zeitraffer beobachten konnte, wie der Ablauf von der Gesetzgebung zur korrigierenden Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes und wieder zurück in eine verbesserte Gesetzgebung funktioniert. Das ist eigentlich sehr gut vorexerziert worden, dafür vielen herzlichen Dank an die Höchstgerichte.

Ohne krampfhafte Überleitung komme ich jetzt zum Sport – auch da gibt es sehr viel Erfreuliches zu berichten. Was vor allem hervorsticht, ist der Schwerpunkt, der auf die Förderung von Frauen im Sport gelegt wird. Wir wissen nicht erst seit der verunglückten Veröffentlichung eines Fotos, dass es ganz wichtig ist, die Männerriegen im organi­sierten Sport zu durchbrechen. Dafür wird es nicht nur eine gezielte Förderung von Frauen im NachwuchssportlerInnenbereich geben, sondern vor allem auch ein speziel­les Traineeprogramm, mit dem Absolventinnen von sportwissenschaftlichen Studien unterstützt werden sollen, in Organisationen und Verbänden Fuß zu fassen. Das ist nämlich im Ergebnis viel, viel mehr wert als ein Gruppenbild mit Dame. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es wird ja auch in den Infrastrukturbereich investiert, zum Beispiel in die Errichtung des Dameneishockeybundesleistungszentrums in Villach. Genauso wichtig ist es auch, dass ein Schwerpunkt auf den Schutz vor sexualisierter Gewalt im Sport gesetzt werden wird, einen Bereich, der sehr wichtig ist und in dem auf jeden Fall hingeschaut werden muss. Es ist sehr gut, dass auch da wieder wichtige Akzente gesetzt werden können.

Auch im Bereich der Sportgroßveranstaltungen werden wichtige grüne Akzente gesetzt. Ja, es wird sie wieder geben, die Veranstaltungen, bei denen wir die Sportlerinnen und Sportler anfeuern und mit ihnen ihre Erfolge feiern können. Je mehr wir jetzt zusam­menhelfen, desto einfacher wird der Weg dorthin wieder sein. Es werden ganz beson­dere Veranstaltungen werden, denn wir werden dafür eine ganz spezielle, den Not­wendigkeiten des Sports angepasste Form der Green Events entwickeln, und wir werden damit Kriterien der Nachhaltigkeit vorgeben und auch einfordern. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.49


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Reinhold Einwallner. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


14.49.18

Abgeordneter Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich werde mich in meinem Debattenbei­trag auf das Kapitel Volksanwaltschaft beziehen und darf allem voran einen Dank an die Volksanwälte und an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Volksanwaltschaft


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aussprechen, die in dieser Zeit große Herausforderungen bewältigt haben. Ich glaube, es ist gut, einmal Danke zu sagen. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Hoyos-Trauttmansdorff.)

Wir haben heute ja schon in vielen Debattenbeiträgen gehört, dass das ein Budget ist, in dem die Zahlen nicht stimmen, das zweite Budget, das Finanzminister Blümel vorlegt, in dem hinten und vorne keine Zahl stimmt – über weite Strecken ist das so.

Beim Budget für die Volksanwaltschaft muss man eine kleine Ausnahme machen, das ist von der Budgetgröße und auch hinsichtlich der Anforderungen, die in der Zukunft kommen, relativ überschaubar, also werden die Zahlen da relativ gut passen. Das hängt aber eben, wie gesagt, weniger mit der Expertise des Finanzministers zusammen, son­dern mit der Eigenart des Budgets.

Meine geschätzten Damen und Herren, es ist so, dass trotz allem große Heraus­for­derungen auf die Volksanwaltschaft zukommen werden. Wir haben in der ersten Lock­downphase gesehen, wie stark die Zahl der Anfragen bei der Volksanwaltschaft ge­stiegen ist und wie notwendig es auch ist, Sonderprüfungen und Sonderberichte zu machen. Genau für diese Zwecke braucht es die entsprechenden Ressourcen und die entsprechenden Mittel, und diese müssen in einem Budget, das auch die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger dementsprechend berücksichtigt, sichergestellt sein.

Wenn man sich das anschaut, dann sieht man, dass das eine Situation ist, die für die Volksanwaltschaft nicht einfach war. Kontrollbesuche konnten während der Covid-Krise nicht in der Form durchgeführt werden, wie man es gewohnt war, und auch Sprech­stunden und Sprechtage in den Bundesländern konnten nicht in der Art und Weise durchgeführt werden – das ist gerade für die Menschen in den Wien etwas ferneren Bundesländern ein großer Faktor, um direkt mit dem Volksanwalt in Kontakt zu treten. Darum glaube ich, dass es wichtig ist, dass man hier Lösungen findet, die dem in Zukunft auch entsprechen.

Ich habe es schon im Ausschuss gesagt: Ich würde anregen, das Onlineangebot der Volksanwaltschaft etwas auszudehnen, um einerseits in Zeiten wie diesen gerüstet zu sein und um damit andererseits auch ein bisschen ein jüngeres Publikum anzusprechen, denn wir wissen, das Hauptpublikum der Volksanwaltschaft sind nicht die allerjüngsten Bürgerinnen und Bürger. So gesehen gibt es auch in diesem Bereich einiges zu tun.

Abschließend noch einmal ein Dank an die Volksanwaltschaft und deren Mitarbei­terinnen und Mitarbeiter, die Ausgezeichnetes leisten. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

14.52


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Mag. Ernst Gödl. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.52.21

Abgeordneter Mag. Ernst Gödl (ÖVP): Herr Präsident! Meine geschätzten Damen und Herren! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Geschätzte Frauen Ministerinnen! Alle Damen und Herren auf der Regierungsbank! Seit einigen Jahrzehnten sind die west­europäischen Länder mehr oder weniger starker Zuwanderung ausgesetzt. Mindestens 20 Prozent der Bevölkerung in den westeuropäischen Ländern haben Migrations­hinter­grund, und so ist es auch bei uns. Deswegen kommt natürlich der Integration eine ganz besondere Bedeutung für das Funktionieren der Gesellschaft zu. So ist es auch im Regierungsprogramm geschrieben: „Ziel der Integration ist die gleichberechtigte Teil­habe am gesellschaftlichen Leben.“


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Dass unsere Regierung das Thema Integration sehr ernst nimmt, beweist zum einen die Tatsache, dass ein eigenes Ministerium dafür eingerichtet wurde und dass mit unserer Frau Bundesministerin Susanne Raab eine wirklich sehr starke, kompetente und erfahrene Person an der Spitze dieses Ministeriums steht. Zum anderen zeigt es aber auch die Tatsache, dass wir in diesem vorliegenden Budgetentwurf die Mittel für die Integration erhöhen. Dies geschieht nicht nur dadurch, dass für die Abhaltung von Deutschkursen 28 Millionen Euro vom Arbeitsmarktbudget zum Integrationsbudget um­geschichtet werden, sondern auch dadurch, dass weitere 7 Millionen Euro für be­sondere Schwerpunktsetzungen vorgesehen sind. In Summe wird das Integrations­budget für das nächste Jahr 103 Millionen Euro umfassen.

Meine Damen und Herren, Integration beruht prinzipiell auf einem Prinzip der Zweiseitig­keit. Auf der einen Seite steht eine Gesellschaft, die bereit ist, Menschen aufzunehmen, die dafür mit ihren Institutionen auch genügend Angebote zur Verfügung stellt. Genau das bildet sich auch im Budget des nächsten Jahres ab. Wirklich spielentscheidend ist am Ende des Tages aber, ob eben jene Menschen, die zu uns zuwandern und sich rechtmäßig bei uns aufhalten, auch bereit sind, die eigene Integration in unsere Ge­sellschaft voranzutreiben.

Dabei muss es die ganz klare Botschaft der Gesellschaft und auch von uns in der Politik sein: Integration ist Pflicht! Integration ist etwas, das eingefordert wird. Integration ist kein Hobby, Integration ist keine freiwillige Freizeitveranstaltung. Nein, Integration ist Pflicht! Und was heißt das nun mal? – Die Frau Minister hat es schon angesprochen: zum einen natürlich, unsere Sprache zu erlernen. Auch dafür sind wieder mehr Mittel vorgesehen, um eben Deutschkurse anzubieten.

Das heißt natürlich auch, unsere Werte zu verstehen und zu respektieren. Die Werte- und Orientierungskurse sollen in der kommenden Periode sogar noch stärker angeboten und auch verlängert werden. Das heißt natürlich auch, sich in den Arbeitsmarkt zu inte­grieren versuchen. Auch da bedarf es besonderer Anstrengungen, wenn wir wissen, dass beispielsweise auch vor der Coronakrise an die 30 000 Menschen, Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte, arbeitslos waren. Was heißt das noch? – Auch das hat die Frau Minister angesprochen: einen Fokus auf das Ehrenamt als einen guten Motor für Inte­gration in die Gesellschaft zu legen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Trotz aller Bemühungen gibt es leider immer Menschen, die es mit der Integration nicht ernst meinen, die zwar hier bei uns leben, vielleicht sogar den Sozialstaat ausnutzen, trotzdem aber keinen Schritt zur Integration tun, sondern womöglich sogar unsere offene Gesellschaft bekämpfen. Eine leidvolle Erfahrung war der Terroranschlag vor zwei Wochen. Daher ist es ganz klar, dass auch das eine Aufgabe ist, der wir uns stellen müssen, nämlich extremistischen Tendenzen den Kampf anzusagen.

So war es völlig richtig und wichtig, dass unsere Frau Bundesminister gemeinsam mit der gesamten Regierung bereits im Juli die Dokumentationsstelle politischer Islam ein­gerichtet hat. Auch diese Dokumentationsstelle wir im kommenden Budget abgebildet, indem sie mit 900 000 Euro bedeckt wird.

Alles in allem, meine Damen und Herren, ist Integration etwas, das wir mit aller Vehe­menz einfordern müssen. Für diese Pflichterfüllung des Einzelnen bedarf es aber eben umfassender Angebote des Staates. Dazu braucht es eine konsequente Politik und natürlich auch entsprechende finanzielle Ressourcen, und das ist in diesem Budget abgebildet. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

14.56


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Alois Kainz. – Sie haben 3 Minuten geplant und werden sicher eine Punktlandung schaffen. Bitte, Herr Abgeordneter.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 186

14.57.07

Abgeordneter Alois Kainz (FPÖ): Herr Präsident! Frau Rechnungshofpräsidentin! Geschätzter Herr Bundeskanzler! Geschätzte Regierungsmitglieder! Sehr geehrte Volksanwälte! Hohes Haus! Geschätzte Zuseher! Staatliche Organe üben die ihnen übertragene Staatsmacht treuhändig im Namen des Volkes aus und sind diesem auch für ihre korrekte Amtsführung verantwortlich. Um eben den Missbrauch dieser Macht zu verhindern, gibt es verfassungsrechtlich vorgesehene Kontrolleinrichtungen wie unter anderem den Rechnungshof.

Der Rechnungshof kann aber nur dann seine Arbeit in vollem Ausmaß erledigen, wenn er auch genug Budget zur Verfügung hat. Das Budget für den Rechnungshof beträgt 2021 36,6 Millionen Euro, das heißt, es gab im Vergleich zum Vorjahr eine Steigerung von 1,4 Prozent. Diese kleine Erhöhung ist auf der einen Seite natürlich erfreulich, aber auch wieder enttäuschend, denn leider kann der für den Rechnungshof vorgesehene Personalplan von 323 Planstellen damit wieder nicht erfüllt werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Rechnungshof kann mit seinem Budget für das Jahr 2021 282,5 Voll­beschäftigungsäquivalente aufrechterhalten, er kann jedoch kein neues Personal ein­stellen.

Frau Präsidentin des Rechnungshofes, Sie haben erst vor Kurzem bekannt gegeben, dass der Rechnungshof angesichts der Coronakrise seinen Prüfplan ändern wird. Be­denkt man, dass es angesichts der ganzen Coronamaßnahmen einen erhöhten Prü­fungsbedarf gibt, ist es geradezu fatal, dass der Rechnungshof nicht genug Budget hat, um mehr Personal einzustellen. (Präsident Sobotka übernimmt den Vorsitz.)

Bei vielen Vorgängen in unserem Staat besteht ein enormes Einsparungspotenzial. Die Analysen und lösungsorientierten Empfehlungen des Rechnungshofes sind daher unge­mein wichtig, helfen dabei, dies zu erkennen, und erleichtern die Optimierungs­prozesse. Deshalb hätte ich mir gerade angesichts der Coronakrise gewünscht, ein an die tatsächliche Arbeit des Rechnungshofes angepasstes Budget zu bekommen. (Beifall bei der FPÖ.)

14.59


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich unterbreche die Sitzung bis zum Aufruf des Dringlichen Antrages um 15 Uhr.

*****

(Die Sitzung wird um 14.59 Uhr unterbrochen und um 15 Uhr wieder aufgenommen.)

*****

 

15.00.26Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Rainer Wimmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schluss mit den sozialpolitischen Fehltritten dieser Bundesregierung – die abschlagsfreie Pension nach 45 Arbeitsjahren muss bleiben!“ (993/A)(E)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und unterbreche die Verhandlungen über die Tagesordnungspunkte 10 bis 11, damit die Behandlung des Dringlichen Antrages gemäß der Geschäftsordnung um 15 Uhr stattfin­den kann.

Wir gelangen zur dringlichen Behandlung des Selbständigen Antrages 993/A(E).


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 187

Da dieser inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Der Dringliche Antrag hat folgenden Wortlaut:

Mit Beschlussfassung vom 19. September 2019 wurden Pensionsleistungen mit 540 Beitragsmonaten aus Erwerbstätigkeit mit Pensionsantritt ab 1.1.2020 abschlagsfrei ge­stellt. Seit diesem Beschluss ist vor allem die ÖVP bemüht, diese Regelung als unge­recht und unsozial darzustellen und deren Abschaffung voranzutreiben. Zuletzt hat Bundeskanzler Kurz angekündigt, dass die abschlagsfreie Pension mit 45 Arbeitsjahren abgeschafft wird und damit hohe Abschläge für Langzeitversicherte wieder eingeführt werden. Ein Bundeskanzler, der sich noch nie am freien Arbeitsmarkt beweisen musste, fordert die Kürzung der Pensionsleistung von Menschen, die mindestens 45 Jahre lang in das Pensionssystem eingezahlt haben.

Bei der Korridorpension ab 62 Jahren werden Abschläge bis zu insgesamt 12,6 % von der Pensionshöhe abgezogen (4,2 % pro Jahr, bei 3 Jahren vor dem 65.Lebensjahr sind es insgesamt 12,6 %). Diese Abschläge wurden auch schlagend, wenn der Versicherte bereits 45 Arbeitsjahre oder mehr vorweisen konnte, ausschließlich deshalb, weil er vor dem Regelpensionsalter eine Pension in Anspruch genommen hat.

Diese Abschläge sind sozialpolitisch nicht gerechtfertigt. Jemand der tatsächlich 45 Arbeitsjahre lang seine Beiträge in das Pensionssystem abgeführt hat, soll bei Inan­spruchnahme seiner Pension, keine Abschläge haben. Dabei handelt es sich um jene Leistungsträger, die doch der ÖVP immer so am Herzen liegen, für die sie aber, wenn es um die Honorierung der Leistung geht, nichts übrig hat. Das beweist sie auch bei der bevorstehenden Pensionsanpassung, denn für diese betroffenen PensionsbezieherIn­nen gibt es nicht einmal die Inflationsabgeltung. So belohnt die türkis/grüne Regierung Leistungsträger.

Aber nicht nur der Bundeskanzler will die abschlagsfreie Pension mit 45 Arbeitsjahren abschaffen, auch Vizekanzler Kogler hat das bereits gefordert. Ein vermeintliches Argu­ment beider Regierungsmitglieder ist, dass sie ausschließlich Männern zugutekommt.

Die Abschaffung dieser Pensionsart ist aber der vollkommen falsche Weg. Dadurch würde sich das Leben der arbeitenden Frauen in Österreich in keiner Hinsicht verbes­sern. Im Gegenteil, man rechtfertigt ein Unrecht mit einem anderem Unrecht.

Um die Pensionen der Frauen anzuheben, braucht es eine Reihe von Maßnahmen, vor allem aber den flächendeckenden Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen, damit Frauen nicht aufgrund von Betreuungspflichten zur Teilzeitarbeit gezwungen werden. Teilzeitbeschäftigung reduziert das Einkommen, senkt damit die Pensionshöhe und erhöht die Gefahr der Altersarmut. Auch die verbesserte Anrechnung von Kinderer­ziehungszeiten ist dringend notwendig.

Das vermeintliche Argument, dass Frauen von dieser abschlagsfreien Pension nicht profitieren würden, trifft auch gar nicht zu. Frauen profitieren NOCH nicht davon. Die Anpassung des Frauenpensionsalters an das der Männer beginnt schrittweise mit Jahresbeginn 2024, bis zum Jahr 2033 soll sie abgeschlossen sein. Diese schrittweise Anpassung trifft alle Frauen, die nach dem 2.12.1963 geboren sind. Frauen, die ab dem 2.6.1968 zur Welt gekommen sind, haben bereits das gleiche Regelpensionsalter wie Männer. Ebenso wird nicht erwähnt, dass bei der abschlagsfreien Pension nach 45 Arbeitsjahren Kindererziehungszeiten im Ausmaß von fünf Jahren bzw. 60 Monaten angerechnet werden, um Benachteiligungen von Frauen zu vermeiden. Darüber hinaus muss auch klargestellt werden, dass Frauen nach wie vor ab dem 60. Lebensjahr ab­schlagsfrei in Pension gehen können.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 188

Es wird versucht, mit fadenscheinigen Argumenten Frauen gegen Männer auszuspielen, um die Abschaffung der abschlagsfreien Pension mit 45 Arbeitsjahren zu rechtfertigen.

Die abschlagsfreie Pension mit 45 Arbeitsjahren steht eigentlich schon seit der Be­schlussfassung auf der Abschussliste der ÖVP, obwohl sie dem Beschluss vor der Wahl ebenfalls zugestimmt hat. Offensichtlich gilt dieser Beschluss für die ÖVP nach der Wahl nichts mehr: Bereits zu Jahresbeginn hatte Kanzler Sebastian Kurz die Möglichkeit, mit 45 Beitragsjahren ab dem Alter von 62 ohne Abschläge in Pension zu gehen, mit einem Ablaufdatum versehen. Doch nun wollen die Türkisen einen Durchbruch erzielt haben. Es sei mit den Grünen vereinbart, dass die abschlagsfreie Pension mit 45 Arbeitsjahren in dieser Form Geschichte sei, entnimmt man den Medien. Noch im November solle der Beschluss im Nationalrat fallen.

Auch der zuständige Bundesminister Anschober ergreift nicht das Wort für jene Men­schen, die so lange Jahre gearbeitet haben, sondern redet sich auf Kommissions­gut­achten aus. Manchmal braucht es aber neben wissenschaftlicher Expertise auch po­litische Entscheidungskraft um den Menschen das zukommen zu lassen, was ihnen gebührt.

Rund 7.000 ASVG-, GSVG- und BSVG-Versicherte profitieren jährlich von dieser Pensionsregelung, deren Abschaffung für ASVG-Pensionisten pro Jahr Einbußen von bis zu rund 5.000 Euro und damit eine wesentliche Kürzung ihrer Pensionen bedeuten würde. In der größten Arbeitsmarktkrise, in der die Arbeitslosigkeit bei den Über-50-Jährigen weiterhin extrem steigt, die Langzeitarbeitslosigkeit gerade bei älteren Arbeits­losen ebenfalls stark ansteigt und die Unternehmen oftmals ältere Beschäftigte in die Pension drängen, ist es kontraproduktiv und der völlig falsche Weg, diese Pensionsart abzuschaffen und damit hohe Abschläge für Versicherte, die 45 Arbeitsjahre ins Pen­sionssystem eingezahlt haben, wieder einzuführen.

Auch das Finanzierungsargument geht ins Leere, denn es muss mehr als genug Geld vorhanden sein, wenn für Steuergeschenke an Konzerne, Superreiche und Großbauern rund 2 Milliarden Euro jährlich zur Verfügung stehen. Alleine die gerade erst abge­schaffte Schaumweinsteuer würde jährlich jenen Betrag bringen, der für die abschlags­freie Pension mit 45 Arbeitsjahren aufgewendet werden muss. Es kann dann wohl auch kein Problem sein, wenn rund 30 Millionen Euro pro Jahr für Pensionen von lang arbeitenden Menschen ausgegeben werden.

Jetzt bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu sparen, von denen viele aktuell ohnehin mit finanziellen Schwierigkeiten und ungewissen Zukunftsaussichten konfron­tiert sind, ist absolut abzulehnen.

Es muss im Gegenteil dazu eine Ausdehnung der abschlagsfreien Pension mit 45 Arbeitsjahren auf alle Berufsgruppen erfolgen. Auch sollte die Anrechnung von Präsenz- und Zivildienst-Ersatzzeiten als Beitragszeiten erfolgen, denn wer dieser Verpflichtung nachgekommen ist, darf nicht gegenüber jenen, die diesen Dienst nicht abgeleistet haben, benachteiligt werden. Auch die Neuberechnung der Pensionsleistung jener be­nachteiligten Jahrgänge, die zwischen der Abschaffung der alten „Hacklerregelung“ und dem Inkrafttreten der abschlagsfreien Pension mit 45 Arbeitsjahren trotz 540 Beitrags­monaten mit hohen Abschlägen in Pension gegangen sind, ist eine Frage der Gerechtig­keit.

Die Regierung begeht mit der Abschaffung der abschlagsfreien Pension mit 45 Arbeits­jahren und damit der Wiedereinführung von Abschlägen für Langzeitversicherte wieder einen sozialpolitischen Fehltritt. So wie schon bei der Einmalzahlung zum Arbeits­losengeld, dem fehlenden Rechtsanspruch auf Sonderbetreuungszeit oder dem man­gelnden Engagement bei der Bekämpfung der größten Arbeitsmarktkrise.


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Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachstehenden

Entschließungsantrag

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, die abschlagsfreie Pension bei 540 Beitrags­monaten beizubehalten und keine Maßnahmen zu setzen, um diese Pensionsart wieder abzuschaffen.

Darüber hinaus wird die Bundesregierung aufgefordert, die bestehende abschlagsfreie Pension mit 45 Arbeitsjahren dahingehend zu adaptieren, dass

•             alle Berufsgruppen diese Pensionsmöglichkeit erhalten,

•             eine Neuberechnung aller Pensions- und Ruhegenussleistungen mit 1.1.2021, die auf § 15 APG (Kontoerstgutschrift) beruhen oder die mit einem Stichtag ab 1.1.2014 und vor 1.1.2020 gewährt wurden und somit Abschläge bis zu 12,6 Prozent trotz 540 Beitragsmonaten aufweisen, durchgeführt wird, damit diese Leistungen ab dem 1.1.2021 ohne Abschläge ausbezahlt werden und

•             Zeiten des Präsenz- und Zivildienstes als Beitragsmonate der Erwerbstätigkeit für den Pensionsanspruch der abschlagsfreien Pension mit 45 Arbeitsjahren anerkannt werden.“

In formaler Hinsicht wird verlangt, diesen Antrag gem. § 93 Abs. 1 GOG-NR zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu behandeln und einem Antragsteller/einer Antragstellerin Gelegenheit zur mündlichen Begründung zu geben.

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf Abgeordnetem Wimmer als Antragsteller zur Begründung des Dringlichen Antrages das Wort erteilen. Gemäß § 74a Abs. 5 der Geschäftsordnung darf die Redezeit 20 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Herr Abge­ordneter.


15.01.14

Abgeordneter Rainer Wimmer (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Geschätzte Damen und Herren der Bundesregierung! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir führen heute eine Debatte, die zeigen wird, welche Parteien für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Land stehen oder, anders gesagt, welche Parteien den Arbeitnehmern an den Kragen wollen. Wir werden heute ein ganz klares Bild zeichnen, Sie werden sich nicht drüberschwindeln können. Herr Bundes­kanzler, ganz besonders Sie werden sich nicht drüberschwindeln können.

Die Katze ist ja aus dem Sack: Herr Bundeskanzler, Sie wollen die Abschläge wieder einführen und die Menschen bestrafen. Ich glaube, Sie haben kein Gefühl dafür, was Sie damit anrichten. Sie haben kein Gefühl dafür, was die Menschen mitmachen, wenn Sie die Abschläge wieder einführen. Dabei geht es für die Kolleginnen und Kollegen um so viel Geld. Ich habe es ausgerechnet: Durchschnittlich 4 500 Euro im Jahr würden die Abschläge ausmachen – 4 500 Euro Jahr für Jahr, und das lebenslang.

Kolleginnen und Kollegen, um wie viel Geld es wirklich geht, sehen wir, wenn wir an­nehmen, dass wir in der Pension noch durchschnittlich 15 oder 20 Jahre leben dürfen. Da geht es um eine Summe, die abenteuerlich ist: Es geht um mehr als 100 000 Euro – um diese Summe geht es, wenn wir von Abschlägen sprechen. Ich bin nicht ganz sicher, Herr Bundeskanzler, ob Sie das in dieser Form realisiert haben. (Beifall bei der SPÖ.)


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In Wirklichkeit ist dies eine Pensionskürzung, die schäbig ist, meine Damen und Herren. Sie können von unserer Stelle ganz sicher mitnehmen, dass wir Widerstand leisten werden, weil wir klar sagen: Wer 45, 46, 47 Jahre gearbeitet hat und 62 Jahre alt ist, hat es sich verdient, ohne Abschläge in Pension gehen zu dürfen, Kolleginnen und Kollegen! (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ.)

Ich frage mich schon, Herr Bundeskanzler: Warum tun Sie das? Warum jagen Sie die Arbeitnehmerinnen und die Arbeitnehmer? Ich möchte fast sagen: Warum jagen Sie die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wie die Hasen? Sie sind doch diejenigen, die dieses Land reich gemacht haben, die mit ihrem Fleiß, ihrem Einsatz und ihrem Geschick die Produktion und das Land hochhalten. Gerade jetzt, in der schwierigen Zeit – in der Zeit der Pandemie –, sind das jene Leute, die unser Land am Laufen halten. Sie zum jetzigen Zeitpunkt so zu behandeln, ist verwerflich, Kolleginnen und Kollegen! (Beifall bei der SPÖ.)

Es sind ja jene Menschen, die nicht wirklich das große Geld verdient haben. Schauen wir uns das einmal an: In der Metallindustrie haben wir Löhne und Gehälter von 2 500, 2 600 Euro brutto im Aktivbezug. Wenn sie dann 45, 46 und 47 Jahre gearbeitet haben, werden sie eine Pension von rund 1 700, 1 800 Euro netto haben. Es ist ein riesiger Unterschied, meine sehr geschätzten Damen und Herren, hier am Rednerpult zu ste­hen – und es werden dann sehr viele herauskommen –, gescheit zu reden und das große Wort zu führen oder tatsächlich vor Ort in den Produktionsbetrieben die manuelle Arbeit zu verrichten – das ist ein wesentlicher Unterschied. (Beifall bei der SPÖ.)

Sprechen Sie mit den Menschen, sprechen Sie mit den Betroffenen: Sprechen Sie mit den Spenglern, den Bauarbeitern, den Bergmännern, den Mineuren! Sprechen Sie mit den Asphaltierern, sprechen Sie mit den Stahlarbeitern, den Elektrikern und den Auto­mechanikern! Ich kann Ihnen sagen: Bei uns laufen die Telefone heiß, die Menschen sind verunsichert, die Menschen sind enttäuscht. Es gibt Kolleginnen und Kollegen – das muss man einmal tatsächlich sehen –, die einfach nicht mehr können. Es sind nicht die, die am Schreibtisch sitzen, liebe KollegInnen. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Nein, es sind die, die wirklich hackeln, die wirklich arbeiten müssen, liebe Freundinnen und Freunde. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Loacker.)

Sie hanteln sich zum 62. Lebensjahr und haben jetzt die Chance – zu Recht –, ab­schlagsfrei in Pension zu gehen. Sie werden dann in die Falle tappen. Sie können nicht mehr, sind krank und werden dann noch bestraft. Das ist der Weg, den wir nicht mitgehen wollen, liebe Kolleginnen und Kollegen, und das werden wir in aller Deutlichkeit aufzei­gen. (Beifall bei der SPÖ.)

Genau um diese Menschen geht es, die Sie heute hier bestrafen werden. Ich wiederhole es immer wieder: 4 500 Euro – so viel Geld im Jahr, und das lebenslang. Herr Bundes­kanzler, das ist in Wirklichkeit ein Pensionsraub, den Sie durchführen. Er ist unverfroren, unerhört, respektlos und vor allen Dingen menschenverachtend, meine lieben Kollegin­nen und Kollegen. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie haben es in den letzten Jahren ja immer wieder bewiesen, Herr Bundeskanzler: Sie meinen es mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nicht gut. Ich sage und pro­phezeie Ihnen: Sie werden als jener Bundeskanzler in die Geschichte eingehen, der den Arbeitnehmern so richtig wehgetan hat. Das zieht sich wie ein roter Faden durch, und glauben Sie ja nicht, dass Ihnen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer das verges­sen werden!

Ich erinnere daran, wie Sie den Menschen den 12-Stunden-Tag wieder umgehängt haben – ohne Mitbestimmung der Betroffenen, liebe Freundinnen und Freunde. Es war völlig überflüssig. Die Menschen haben immer schon 12 Stunden arbeiten können, sie haben nicht darauf warten müssen, dass Sie das anschaffen, Herr Bundeskanzler. Jeder


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Arbeitsauftrag wurde abgearbeitet, aber mit einem feinen Unterschied (Zwischenruf der Abg. Steinacker): Die Arbeitnehmer hatten auch die Möglichkeit, nein zu sagen, wenn sie vielleicht etwas Wichtiges zu tun hatten. Genau dieses Recht haben Sie den Arbeit­nehmerinnen und Arbeitnehmern genommen. Das ist verwerflich, das ist eine Entrech­tung der Arbeitnehmer, die Sie, Herr Bundeskanzler, zu verantworten haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Erinnern wir uns noch ganz kurz: Sie haben die Sozialversicherung der Arbeiter und der Angestellten dem Erdboden gleichgemacht. Das waren nicht zufällig die roten Kassen, es war nicht zufällig die Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau, es waren nicht zufällig die Gebietskrankenkassen. Sie haben damals versprochen: gleiche Leis­tungen für alle!

Na wo sind wir denn heute, liebe Kolleginnen und Kollegen? – Mit der gemeinsamen Gesundheitskasse haben wir genau das Gegenteil zusammengebracht. Die Sozialver­sicherung zum Beispiel, bei der wir alle hier versichert sind – Herr Bundeskanzler, bei der auch Sie versichert sind –, hat Geld und Überschüsse bis zum Umfallen. Sie kann ganz andere Leistungen zahlen. (Abg. Zarits: ... Kassen zusammenlegen ...!) Es ist schon ein Unterschied, ob ich für ein Implantat, wie ihr, liebe Freundinnen und Freunde, 380 Euro oder, wie die bei der Gesundheitskasse Versicherten, 0 Euro bekomme. Es ist Medizin zweiter Klasse, die damit verursacht wurde, und dafür haben auch Sie die Verantwortung zu übernehmen. (Beifall bei der SPÖ.)

Weil man es ja so schnell vergisst: Sie haben keine Sekunde gezögert, die evan­gelischen Arbeitnehmer über die Klinge springen zu lassen. Schnell ist es gegangen, dass Sie den Karfreitag wieder zu einem Arbeitstag gemacht haben. (Abg. Hörl: Das war ein Gerichtsurteil!) Sie demütigen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und sind noch stolz darauf, Herr Bundeskanzler, und jetzt schlagen Sie mit der Abschaffung der Hacklerregelung das nächste Kapitel auf.

Einer – jetzt ist August Wöginger nicht da – war immer dabei, wenn es darum gegangen ist, den Arbeitnehmern etwas wegzunehmen: Der oberste schwarze Gewerkschafter wurde vom Bock zum Gärtner gemacht. (Zwischenruf des Abg. Zarits.) Klubobmann Wöginger steht in der ersten Reihe, wenn es darum geht, den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu schaden und ihnen etwas wegzunehmen. (Zwischenruf des Abg. Wurm.) Lieber Klubobmann, ich bin ja Gott sei Dank nicht dabei, wenn Sie sich in der Früh in den Spiegel schauen (Heiterkeit der Abg. Belakowitsch), aber ich sage das ganz offen: Du hast die Arbeitnehmer nicht nur enttäuscht, du hast die Arbeitnehmer nicht nur einmal bodenlos verraten, und das werden dir die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht vergessen! (Beifall bei der SPÖ.)

Du warst der Sprengmeister bei der Selbstverwaltung. Als es um den Karfreitag ging, hast du zugeschaut. – Ich verstehe das nicht: Am Sonntag geht er in die Kirche, geht abspeisen, und am Montag denkt er nach, was er den Arbeitern antun kann.

Nun kommt die Abschaffung der Hacklerpension, und ich sage euch, liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt auch Widerstand aus den eigenen Reihen (Zwischenruf des Abg. Hörl), und ich verstehe absolut nicht: Ist es Ihnen völlig wurscht, was Ihnen Ihre Freundinnen und Freunde ausrichten? (Zwischenruf des Abg. Gahr.)

Ich habe heute Gelegenheit gehabt, mit meinem schwarzen Arbeitnehmervertreter Kapplmüller Karl – August Wöginger kennt ihn ja sehr gut – ein paar Worte zu wechseln. Der ist maßlos enttäuscht. Ich war ein bisschen überrascht, als er mir heute dieses Plakat (ein Plakat in die Höhe haltend) überreicht hat. Er hat gesagt: Lieber Wimmer Rainer, wir als FCG haben ein Plakat gemacht: „45 Jahre sind genug! Ohne Abschläge in Pension! Seit 1. Jänner 2020 können Menschen, die 45 Jahre lang gearbeitet haben,


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endlich wieder ohne Abschläge in Pension gehen.“ – Bravo, die schwarzen Arbeitneh­mervertreterkolleginnen und -kollegen! Da müsst ihr einmal darüber nachdenken, was eure Leute über euch denken, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Ich will jetzt nicht alle aufzählen, aber es gibt ganz viele, die sich da einreihen. Beate Palfrader aus Tirol, ÖAAB-Obfrau, sagt: „lch lehne“ die Abschaffung der Hacklerregelung „absolut ab“. Die Argumentation der ÖVP sei „widersinnig und fadenscheinig“. – Recht hat sie, die Kollegin. Harald Witwer, ÖAAB-Obmann in Vorarlberg, meinte dazu, das sei „ein komplett falsches Signal“. Redet einmal mit den Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen, damit ihr wisst, was bei der Basis wirklich vorgeht!

Oder wenn ich an jenen Menschen denke, bin ich da sein Freund: Fritz Pöltl, FCG-ÖAAB-Obmann und Fraktionsführer der Arbeiterkammer Wien, der meint, die „Regie­rung hat keine Skrupel, den ASVG-Versicherten den letzten Euro aus der Tasche zu ziehen“. – Er hat völlig recht, Sie ziehen den ASVG-Versicherten den letzten Euro aus der Tasche.

Nun kann man sagen, der Präsident der Arbeiterkammer Tirol ist ein Schreihals, aber für die Arbeitnehmer setzt er sich wirklich ein, und er sagt euch genau, wie es geht. Heute hat er eine Presseaussendung gemacht, in der er sagt: Die Abschaffung der Hacklerregelung ist eine „demokratiepolitische Bankrotterklärung“!

Hubert Hämmerle, der schwarze AK-Präsident aus Vorarlberg, hat es wirklich auf den Punkt gebracht: „Sebastian Kurz wird zum Herzlos-Kanzler, die türkise ÖVP zum Erfüllungsgehilfen der neoliberalen Industriellenvereinigung!“ – Kolleginnen und Kolle­gen, das muss euch doch Anlass zum Nachdenken geben! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Lieber August Wöginger, wo immer du dich jetzt versteckt hast (Abg. Belakowitsch: Er geniert sich!), du wirst irgendwann zur Kenntnis nehmen müssen, dass du die Arbeit­nehmer nicht wie Sklaven behandeln kannst, sonst werden sie auch dich einmal abwäh­len!

Die Argumentation der ÖVP war ja hochinteressant. Sie hat sich gewunden wie ein Chamäleon (Heiterkeit und Zwischenrufe bei der ÖVP) und der Situation angepasst. Man hat den Eindruck, die ÖVP wird so richtig kreativ, wenn es darum geht, den Arbeitneh­mern eins auszuwischen, den Arbeitnehmern zu schaden.

August Wöginger hat am 23. Oktober in den „Salzburger Nachrichten“ gemeint: Ab­schlagsfreie Pensionen können wir uns nicht leisten, das geht alles nicht, das ist ungerecht, weil die öffentlich Bediensteten ausgeschlossen und die Jahrgänge 54 bis 57 nicht dabei sind.

Kolleginnen und Kollegen, ärger geht es nicht mehr! Ihr wart doch die, die unsere Anträge abgelehnt haben! Ihr wart doch diejenigen, die im Ausschuss diesen Antrag abgelehnt haben, in dem wir gesagt haben: Die öffentlich Bediensteten, die Postler, die Eisenbahner und so weiter müssen dabei sein, die Präsenzdienstzeiten müssen angerechnet werden. Ihr wart die, die genau das verhindert haben! Und jetzt sagen Sie, es ist ungerecht, dass die nicht dabei sind?! Das glaubt ihr wohl selber nicht, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Aber ich kann Sie beruhigen: Wir werden heute den Antrag wieder einbringen, und Sie haben heute Gelegenheit, da mitzustimmen – anstatt sich herauszureden – oder Farbe zu bekennen und zu sagen: Nein, wir wollen das nicht, wir wollen den Arbeitnehmern schaden! Gebt es zu, ihr macht das ja die ganze Zeit!

Dann gibt es das Argument, die abschlagsfreie Pension sei deswegen ungerecht, weil sie nur Angestellte und kaum Arbeiter beträfe. – Na ja, das ist kein sehr schweres


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Rechenbeispiel. Wir haben in Österreich mittlerweile 60 Prozent Angestellte und 40 Pro­zent Arbeiter, und genau so ist dieses Verhältnis auch in der Pension. Natürlich müssen mehr Angestellte die Hacklerregelung in Anspruch nehmen, das ist halt einmal so, eins und eins ist ja immer noch zwei.

Interessant ist, dass man da den Angestellten vorwirft, dass sie nicht ganz so fleißig arbeiten würden oder, wie Sie das richtig sagen, Herr Rechtsanwalt, vielleicht nicht gar so hackeln. Spannend, was dazu Wifo-Chef Professor Badelt gestern gemeint hat: An­gestellte haben keine so schwere Arbeit! Er hat gesagt, das wäre nicht so anstrengend, und in einem Zwischensatz hat man herausgehört: Die Angestellten schlafen in der Pendeluhr. – Dazu sage ich von dieser Stelle aus, liebe Kolleginnen und Kollegen: Das ist nicht der Fall! Die Angestellten arbeiten genauso fleißig! Wir lassen nicht zu, dass Arbeiter und Angestellte auseinanderdividiert und gegeneinander ausgespielt werden! (Beifall bei der SPÖ.)

Ein nächstes Argument im Sozialausschuss, wieder von Wöginger – immer wieder der Wöginger –: Jene Personen, die die Hacklerpension in Anspruch nehmen, haben eine überdurchschnittliche Pension. – No na, die haben 45, 46, 47 Jahre lang eingezahlt! Ich würde heute gerne ein ganz kleines Quiz veranstalten und Herrn Wöginger folgende Frage stellen: Wenn einer lange versichert ist, kriegt er dann mehr Pension oder kriegt er dann weniger Pension? – Bingo, er kriegt mehr Pension! Und wenn Menschen 45, 46 oder 47 Jahre gearbeitet haben, haben sie natürlich eine höhere Pension, liebe Kolle­ginnen und Kollegen. Im Hacklerbereich liegen im Durchschnitt 553 Versicherungs­monate vor, bei allen anderen Pensionen sind es im Durchschnitt 428 Versicherungsmo­nate. Der Hackler arbeitet um zehn Jahre länger als die anderen Kolleginnen und Kollegen, daher hat er auch eine höhere Pension, und die hat er sich auch verdient, liebe Freundinnen und Freunde! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Liebe FreundInnen von den Grünen, insbesondere Frau Maurer, weil ich bemerkt habe, dass Sie mir da ein bisschen dreingeredet haben. Sie haben immer gesagt, das sei so ungerecht, weil Männer davon mehr profitieren als Frauen. Ich bringe Ihnen in Erinne­rung: Die Frauen haben noch bis 2023 Abschlagsfreiheit, die haben bisher noch keine Abschläge. Das werden Sie ändern, ich weiß das. Ab 2024 werden Frauen massiv davon betroffen sein. Ich sage Ihnen auch: Keine Frauenpension wird höher werden, wenn Sie die anderen Pensionen kürzen.

Sie haben aber jetzt, da Sie in der Regierung sind, die Gelegenheit, für Frauen wirklich etwas zu tun. (Abg. Disoski: Was haben Sie gemacht?) Gehen Sie her und schaffen Sie flächendeckend Kinderbetreuungseinrichtungen! Das ist etwas, das wir schon ewig fordern. Gehen Sie her und machen Sie eine bessere Anrechnung von Kindererzie­hungszeiten! Da versagt die Bundesregierung, meine sehr geschätzten Damen und Herren. Und hören Sie endlich auf, Frauen und Männer gegeneinander auszuspielen! Das macht ihr Grünen da ganz besonders. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich habe den Herrn Bundeskanzler nicht vergessen. Herr Bundeskanzler, Sie haben am 27. Oktober in der „Tiroler Tageszeitung“ gemeint, die Hacklerregelung wäre unfinan­zierbar. Nun habe ich mir das ein bisschen angeschaut: Was meinen Sie damit? Warum ist das nicht finanzierbar? Wir haben dazu eine parlamentarische Anfrage eingebracht, nämlich damals bei Bundesministerin Zarfl, und sie hat uns bestätigt: Die Hackler­regelung kostet ungefähr 26 Millionen Euro. Dann haben wir Finanzminister Müller gefragt – der war schon ein bisschen näher bei der ÖVP –, er hat gesagt: Na ja, das wird 70 Millionen Euro kosten. Wir haben dann sicherheitshalber noch einmal bei der Pensionsversicherung nachgefragt, und die sagten uns, das würde 40 bis 50 Millionen Euro kosten. (Abg. Loacker: Im ersten Jahr!)


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Ich habe ja schon darauf gewartet, lieber Loacker, dass du dich jetzt meldest. Gott sei Dank haben euch die Wähler dorthin gegeben, wo ihr heute seid, sonst hätten wir heute keine Spitalsbetten, keine Intensivbetten, keine Arbeiterkammer. (Abg. Loacker: Das sind Genossen ...!) Sie hätten den Arbeitnehmern noch mehr geschadet! Gut, dass Sie dort sind mit Ihren 9 Prozent, und gut, dass Sie nichts zu reden haben! Gut, dass Sie nichts zu reden haben! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den NEOS. – Heiterkeit des Abg. Loacker.)

Das heißt, es geht hier also um 40 Millionen Euro. (Unruhe im Saal. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.) Zum selben Zeitpunkt hat aber der Herr Bundeskanzler das Füllhorn über die Bauern ausgeschüttet. Ich möchte da wirklich keine Zwietracht säen, aber zu sagen, wir können uns die Hacklerregelung nicht leisten, und auf der anderen Seite 400 Millionen Euro in das System der Bauern zu schütten, das ist hanebüchen, das ist nicht fair, das ist wirklich ein Witz! Erhöhung der Bauernpension: 450 Euro im Jahr, macht 9 Millionen Euro; Absenkung der Sozialversicherungsbeiträge: 7 Millionen Euro (Zwischenrufe bei der ÖVP); Solidaritätsbeitrag gestrichen: 0,5 Prozent, das sind 11 Millionen Euro; Jungbauernförderung: Bis zum 27. Lebensjahr zahlen die Jung­bauern keinen Sozialversicherungsbeitrag, das zahlt der Steuerzahler; 20 Millionen Euro Steuergeschenke, Pauschalierung und Gewinnglättung haben Sie das genannt. – Ich weiß, die Bauern schauen schon auf sich. So schnell brauchen wir gar nicht zu schauen, habt ihr alles in der Tasche, meine sehr geschätzten Damen und Herren. – Weiters 350 Millionen Euro für den Waldfonds, weil man ja auf die Großgrundbesitzer auch noch ein bissel hat schauen müssen. (Zwischenruf des Abg. Sieber.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dann herzugehen und zu sagen, es ist unfinanzierbar, und gleichzeitig noch einen Kniefall vor der Wirtschaft zu machen – ich habe nie ver­gessen, Herr Bundeskanzler, dass Sie die Schaumweinsteuer abgeschafft haben; jedem Menschen ist das wurscht (Zwischenrufe bei der ÖVP), ob er einen Euro mehr oder weniger für den Schampus zahlt, aber Sie haben das Schampustrinken billiger ge­macht – und auf der anderen Seite den Arbeitnehmern das Geld aus der Tasche zu ziehen, das ist nicht okay, das ist ein Wahnsinn! (Beifall bei der SPÖ.)

So, ich muss mich jetzt ein bissel zusammenreißen. (Beifall bei der ÖVP. – Ruf bei der ÖVP: Das ist schön!) – Ja, das ist schön, aber applaudieren Sie nicht zu viel!


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Den Schlusssatz bitte, Sie haben 20 Minuten schon ausgeschöpft!


Abgeordneter Rainer Wimmer (fortsetzend): Wenn ich jetzt an die Pressekonferenz denke, daran, was ihr jetzt vorhabt, dann ist das nicht nur eine Schnapsidee, sondern mit diesem 1 Euro pro Beitragsmonat zwischen dem 15. und dem 20. Lebensjahr auch eine Verhöhnung der Frauen.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, wir werden heute genau hinschauen, wie die Dis­kussion verläuft, aber ich kann Ihnen von dieser Stelle aus nur eines mitgeben: Wir werden uns als Sozialdemokraten mit ganzer Kraft dafür einsetzen, die Abschläge zu verhindern. Sie werden dieses Mal mit der Mehrheit drüberfahren, Sie werden diesen Akt setzen, aber wir werden nicht ruhen - -


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Den Schlusssatz bitte!


Abgeordneter Rainer Wimmer (fortsetzend): Wir werden nicht ruhen, sodass wir das, was Sie eingeführt haben, tatsächlich auch wieder abschaffen werden. Das versprechen wir von dieser Stelle aus unseren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. – Danke. (Lang anhaltender Beifall und Bravorufe bei der SPÖ.)

15.22



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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zur Abgabe einer Stellungnahme ist der Herr Bundeskanzler zu Wort gemeldet. – Bitte.


15.22.43

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich wollte den Applaus jetzt nicht unterbrechen, denn Sie, Herr Abgeordneter, haben sich so enthusiastisch hineingesteigert, dass ich fast schon ange­tan war und mitklatschen wollte, weil es wirklich Unterhaltungswert hatte. (Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg. Wurm: ... ist es nicht, das ist nicht so lustig!) Ich fürchte, ich kann jetzt mit meiner etwas sachlichen Rede im Vergleich dazu nicht mithalten, aber ich hoffe sehr, dass August Wöginger als nächster Redner ähnlich unterhaltsam und wortgewaltig miteinsteigen kann. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Herr Abgeordneter, ich versuche (Ruf bei der SPÖ: ... wieder in die Lächerlichkeit!), da wir hier im Hohen Haus sind, doch wieder zur Realität zurückzukehren und ein bisschen von all den Behauptungen wegzukommen. Herr Abgeordneter Wimmer, ich möchte viel­leicht mit drei ganz kurzen, nicht sehr emotional hinübergebrachten, aber doch entschei­denden Fakten beginnen.

Erstens: Seitdem ich Bundeskanzler bin und eine Bundesregierung anführen darf, haben wir die Steuerlast für arbeitende Menschen, vor allem für kleine Einkommen, massiv gesenkt, anders als Regierungen zuvor. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Das zweite Faktum: Seitdem ich Bundeskanzler sein darf, haben wir zunächst mit der Freiheitlichen Partei und jetzt mit den Grünen insbesondere kleine Pensionen über der Inflation angepasst, also höher erhöht, als das Bundeskanzler vor mir getan haben. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Das dritte Faktum: Jetzt in der Wirtschaftskrise haben wir gemeinsam mit den Sozial­partnern, bei denen ich mich herzlich bedanken möchte, mit der Arbeitsministerin, aber auch mit dem Koalitionspartner ein Kurzarbeitsmodell ausgearbeitet, mit dem wir nicht nur viele Jobs retten, sondern das deutlich großzügiger als in fast allen anderen Ländern dieser Welt ist.

Das sind drei Fakten, die ich nicht sehr emotional, aber doch mit Ihnen teilen wollte. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Jetzt zur sogenannten Hacklerregelung: Es war ein Sozialminister, den ich schätze, mit dem ich zusammenarbeiten durfte, als ich in der Bundesregierung war, der der Sozial­demokratischen Partei angehörte, der diese abgeschafft hat. Es war Rudolf Hundstorfer, der die sogenannte Hacklerregelung abgeschafft hat. Warum? – Weil sie ungerecht war. Sie war ungerecht gegenüber jungen Menschen. Sie war zum Zweiten ungerecht gegen­über all jenen, die vor Kurzem noch mit Abschlägen in Frühpension gegangen sind, und sie war zum Dritten ungerecht gegenüber Frauen, da nur Männer mit ohnehin über­durchschnittlich hohen Pensionen fast 400 Euro dazubekommen haben, während Frauen leer ausgegangen sind. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Es war Rudolf Hundstorfer, der diese sogenannte Hacklerregelung abgeschafft hat. Ja, es stimmt, im Wahlkampf 2019, kurz vor der Wahl – wo ja bekanntlich oft im Parlament in solchen Nacht-und-Nebel-Aktionen die besten und nachhaltigsten Entscheidungen getroffen werden –, wurde von manchen Parteien als Wahlzuckerl wieder eine soge­nannte Hacklerregelung eingeführt, eine massive Bevorzugung mancher (Zwischenruf der Abg. Greiner – Abg. Heinisch-Hosek: Unglaublich: „Nacht-und-Nebel-Aktion“! – Ruf bei der SPÖ: War die ÖVP dabei? – weitere Zwischenrufe bei der SPÖ), vor allem von Männern, und gleichzeitig ein System, das ungerecht ist und von dem insbesondere Frauen nicht profitieren. (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.– Und was ungerecht


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ist, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, gehört beendet und repariert, und genau das tun wir als Bundesregierung. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir stehen als Bundesregierung für ein faires Pensionssystem, das allen Menschen im Alter ein würdiges Leben bieten soll, und das bedeutet zum Ersten, dass wir weiterhin vorhaben, insbesondere kleine Pensionen über der Inflation abzugelten und sie so schritt­weise zu erhöhen. Das bedeutet zum Zweiten, dass Menschen, die 45 Beitragsjahre erreicht haben, die ihr Leben lang fleißig gearbeitet haben, auch eine angemessene Pension bekommen sollen. Daher wird die Bundesregierung mit dem Früheinsteiger­bonus einen Schritt setzen, um in Zukunft Lehrzeiten zusätzlich besonders zu berück­sichtigen und die Pensionen für all jene zu erhöhen, die besonders lange gearbeitet haben, die schon eine Lehre gemacht haben, die 45 Beitragsjahre erreicht und so einen überproportional großen Beitrag in unserer Gesellschaft geleistet haben.

Das ist ein Schritt in Richtung mehr Gerechtigkeit. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Es ist ein Schritt, von dem nicht nur einige wenige Männer profitieren, sondern Männer und Frauen gleichermaßen. Es ist ein Schritt, von dem vor allem Menschen profitieren, die auch körperlich gearbeitet haben, die eine Lehre gemacht haben und lange im Berufsleben ihren Beitrag geleistet haben. Es ist ein Schritt zu mehr Gerechtigkeit (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek), und ich bin froh, dass wir diesen Schritt setzen. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Maurer.)

Darüber hinaus sind im nächsten Budget 39 Milliarden Euro für Wirtschaft und Beschäf­tigung vorgesehen, denn, und das möchte ich schon auch dazusagen: Ein nachhaltiges Pensionssystem, finanzierbare Pensionen wird es in Zukunft nur geben, wenn wir als Republik Österreich auch ein wirtschaftsstarkes Land sind. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Daher ein großes Danke an all die mutigen Unternehmerinnen und Unternehmer, an die fleißigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, an all jene, die dazu beitragen, dass Öster­reich wirtschaftlich gut dasteht, dass wir gut durch diese Krise kommen und auch danach wieder die Wirtschaftskraft entfalten können, die wir zuvor immer hatten. Wenn uns das gelingt, dann können wir auch in Zukunft unser Pensionssystem finanzieren und sichern und allen Menschen im Alter ein würdiges Dasein garantieren. Wichtig ist, dass es ein gerechtes und kein ungerechtes System ist. Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grü­nen.)

15.30


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Klubobmann Leichtfried. – Bitte.


15.30.21

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Bevor ich zum Thema komme, lassen Sie mich eine Frage an die ÖVP stellen. (Ruf bei der ÖVP: Gerne!) Diese Frage hören Sie manchmal von mir, die ist ganz einfach: Was ist mit euch, liebe Kolleginnen und Kollegen?

Es ist circa 15.30 Uhr. Ich habe mitgezählt, es waren 14 Rednerinnen und Redner von der ÖVP hier heraußen, es haben sich einige Regierungsmitglieder gemeldet, aber kein Einziger und keine Einzige wäre auf die Idee gekommen, sich dafür zu entschuldigen, dass der ehemalige Nationalratspräsident Khol (Zwischenruf der Abg. Pfurtscheller), dass der ehemalige Präsidentschaftskandidat Khol die Vorsitzende der österreichischen Sozialdemokratie persönlich, körperlich bedroht hat. Das ist meines Erachtens wirklich bemerkenswert, dass das niemandem von Ihnen gelungen ist. (Beifall bei der SPÖ.)


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Es gab am 19. September 2019 hier in diesem Haus die Debatte zur Hacklerregelung. Der Klubobmann der ÖVP, August Wöginger, hat bei dieser Debatte gesagt: „Wer sein Leben lang gearbeitet hat, darf in der Pension nicht der Dumme sein.“ Jetzt haben wir den 17. November 2020, und nach der Rede des Herrn Bundeskanzlers, in der er sinngemäß gesagt hat: Wer sein Leben lang hart gearbeitet hat, der kann gerne in der Pension der Dumme sein!, wissen wir, wer sich in der ÖVP durchgesetzt hat, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Danke, Herr Bundeskanzler, danke, dass Menschen, die ihr Leben lang gearbeitet haben und die, weil sie nicht mehr können und nicht weil sie lustig sind, vielleicht etwas früher in Pension gehen, jetzt in Zukunft an die 300 Euro im Monat weniger haben! Herzlichen Dank, Herr Sebastian Kurz, dass Sie das durchgesetzt haben und durchsetzen werden!

Geschätzte Damen und Herren! Ich habe aber das Gefühl, dass in dieser ganzen Debatte einige von Ihnen doch ein bisschen ein schlechtes Gewissen gehabt haben, denn wir haben jetzt die größte Arbeitslosigkeit seit 1946, wir haben die größte Wirt­schafts­krise seit 1946. Die Menschen haben immer mehr Angst um ihren Arbeitsplatz, immer mehr Menschen werden arbeitslos. Da war es wohl das schlechte Gewissen, dass man plötzlich so vorgegangen ist, wie Sie das gemacht haben, nämlich still und heimlich zu versuchen, diese Regelung durchzusetzen, sie nicht im Sozialausschuss zu debat­tieren, diese Änderung nicht begutachten zu lassen. (Zwischenruf des Abg. Ofenauer.) Genau in der Woche, in der es wieder einen Lockdown gibt und das Thema wahr­scheinlich überlagert wird, habt ihr versucht, das durchzubringen, aber ich sage euch eines: Das werden wir euch nicht durchgehen lassen! Die Menschen sollen wissen, wer ihnen diese Pension gestohlen hat: Es war die ÖVP und es waren auch die Grünen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich höre auch immer, dass diese Pensionskürzung ja niemanden so wirklich betrifft: Das sind die, denen es eh gut geht, das sind die, die eh nicht so hart arbeiten müssen. – Dann reden Sie einmal mit einem Bäckereiangestellten, der vielleicht schon 43 Jahre am Backofen gearbeitet hat! Reden Sie einmal mit einem Dachdecker, der 43 Jahre jeden Tag auf ein Dach hat klettern müssen! Reden Sie einmal mit einem Tischler, der vielleicht durch seine Arbeit schon einen Finger verloren hat und nicht mehr so gut arbeiten kann, der spürt, wie schwer diese Arbeit war, wie weh es schon tut! Reden Sie mit jemandem, der in einer Fleischerei arbeitet und vielleicht das schwere Stück Fleisch nicht mehr heben kann! (Zwischenruf des Abg. Loacker.) Um diese geht es bei dieser Debatte, und denen nehmen Sie die Pension weg, geschätzte Damen und Herren! – Das ist einmal ganz klar anzumerken. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundeskanzler! Sie haben hier den Begriff „Realität“ verwendet und gesagt, dass Sie die Realität verkörpern. Ich sage Ihnen eines: Das Leben, das Sie führen, ist nicht die Realität. Das Leben, das die Menschen führen, die Sie jetzt um ihre Pension bringen, das ist die Realität. Diese Menschen haben Sie vielleicht gewählt, aber beim nächsten Mal wählen diese Sie sicher nicht mehr, und das verstehe ich vollkommen. Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. Zwischenrufe bei der ÖVP.)

15.35


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Abgeordneter Muchitsch zu Wort gemeldet. – Bitte.

15.35.05


Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Bun­deskanzler Kurz hat in seinem Statement ausgeführt, dass es vor der letzten Natio­nalratswahl im September 2019 in einer „Nacht-und-Nebel-Aktion“ ein „Wahlzuckerl“ „mancher Parteien“ für eine abschlagsfreie Pension gegeben hat.


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Ich berichtige: Bei diesen „manchen Parteien“ war vor der Nationalratswahl auch die ÖVP mit dabei und hat mitgestimmt. (Bundeskanzler Kurz schüttelt den Kopf und bewegt den Zeigefinger der rechten Hand hin und her.) Das ist einfach nur scheinheilig, vor der Wahl den Menschen etwas zuzugestehen, um ihnen das nach der Wahl wieder zu nehmen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Kickl.)

15.35


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Abgeordneter Stöger zu Wort gemeldet. – Bitte.


15.36.00

Abgeordneter Alois Stöger, diplômé (SPÖ): Herr Bundeskanzler Kurz hat behauptet, mein Amtsvorgänger Rudi Hundstorfer hätte die Hacklerregelung abgeschafft. – Das ist unrichtig.

Der richtige Sachverhalt lautet: Es war Schwarz-Blau, die die Abschläge eingeführt haben. (Bundeskanzler Kurz schüttelt den Kopf.) Richtig ist, dass Rudi Hundstorfer nicht zugelassen hat, dass sich Beamte umdrehen und dann in eine solche Regelung gehen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Zweitens: Der Herr Bundeskanzler hat behauptet, Frauen seien durch diese Pension benachteiligt. – Ich berichtige tatsächlich: Frauen gehen mit 60 abschlagsfrei in Pension. (Beifall bei der SPÖ.)

15.37


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Klubobmann August Wöginger ist zu Wort gemel­det. – Bitte.


15.37.03

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Auftritte, meine Damen und Herren, zeigen den Zustand dieser Sozialdemokratie, zeigen, in welcher Verfassung sich diese Partei befindet! (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten der Grünen sowie des Abg. Loacker.)

Ruft einmal bei Doskozil oder bei Kaiser an, ruft wenigstens eure Landeshauptleute einmal an und fragt einmal nach – oder jetzt ist ja Ludwig der große Macher, mit den NEOS im Gepäck, man findet nur in dem ganzen Programm nichts von den NEOS (Zwischenrufe bei der SPÖ) –, vielleicht sind die noch in der Lage, zu beurteilen, was ihr hier zum Besten geben könnt, denn das ist unfassbar (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek), wie tief diese Partei gesunken ist! (Beifall bei der ÖVP. Zwischenruf des Abg. Lercher. Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Warum steht ihr nicht einfach zu dem, was ihr wenige Tage vor der Wahl angerichtet habt? (Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.) Das war nicht einmal eine Nacht-und-Nebel-Aktion, denn es hat nicht einmal eine Nacht davor gegeben. Der Antrag, ein Abänderungsantrag zur Pensionserhöhung 2020, ist am Vormittag eingebracht worden. (Zwischenrufe der Abgeordneten Heinisch-Hosek und Belakowitsch.) Das ist die Wahrheit! Ihr habt einen Abänderungsantrag eingebracht, den wir vorher nie gesehen haben, dann habt ihr die Abschläge in den ganzen Bereichen abgeschafft, und am Abend des gleichen Tages habt ihr das beschlossen. (Zwischenrufe der Abgeordneten Heinisch-Hosek und Stöger. Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.) Und dann erzählt ihr uns, dass wir die Anträge drei, vier Tage früher einbringen sollen. Ihr brecht jegliche Usancen dieses Hauses und fahrt drüber, wenn es euch passt, aber wenn es die anderen tun, dann ist es verboten und darf es nicht sein. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)


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Steht wenigstens zu eurem Wahlzuckerl! (Zwischenruf des Abg. Matznetter.) – Matznetter, kannst du einmal aufhören? Du hast im Übrigen diese Wiedereinführung der Abschlä­ge mitbeschlossen, du hast sie mitbeschlossen! (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Matznetter. Ruf: Schrei nicht so!)

Wisst ihr, wer sich im Grabe umdreht und wen ich wirklich immer geschätzt habe? – Es war ein politischer Freund von mir: Rudi Hundstorfer. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch. Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das war noch ein Politiker der Sozial­demokratie, auf den man sich verlassen konnte, mit dem man auch noch Dinge ver­einbaren konnte. Er hat die Sozialpolitik noch verstanden, meine Damen und Herren, und er würde sich im Grabe umdrehen. Was haben wir damals, 2010, es ist fast zehn Jahre - - (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Nein, es ist nicht möglich, zu reden. Ihr schreit hier herinnen, denn draußen hört euch niemand mehr zu. Das ist das Problem, das ihr habt. (Beifall bei der ÖVP.)

Rudi Hundstorfer – es ist mir ein Anliegen, das zu sagen – hat die Nachhaltigkeit des Systems gestärkt und hat mehr Gerechtigkeit in das System gebracht, weil wir damals, 2010, gemeinsam in der Regierung ein Bonus-Malus-System beschlossen haben, das dann letzten Endes 2014 in Kraft getreten ist. Warum? – Zum Ersten, weil wir gesehen haben, dass die Zahlen explodieren, und zum Zweiten, weil man immer schon gemeint hat: Wenn man ein Leben lang arbeitet, ist es in Ordnung, dass man eine dement­sprechende Pension bekommt. Wir reden da aber nicht von den niedrigen Pensionen, wir reden hier von einer Durchschnittspension – und das haben sich die Menschen verdient (Zwischenruf bei der SPÖ), dem widerspricht ja gar niemand – von derzeit fast 3 000 Euro. Damals, im Jahre 2019, betrug die Durchschnittspension 2 650 Euro in der Langzeitversichertenregelung – so heißt sie nämlich (Zwischenruf des Abg. Wimmer), weil die wirklichen Hackler und Buckler am Bau eine andere Lösung in Anspruch neh­men: ein Überbrückungsgeld und dann die Schwerarbeiterregelung, die es mit 60 gibt.

Das sind Langzeitversicherte, und wir schaffen diese Regelung auch nicht ab, aber wir führen wieder ein Bonus-Malus-System ein, so wie wir es damals gemeinsam gemacht haben. Genau auf Punkt und Beistrich setzen wir das erneut um, weil wir wollen, dass Frauen und auch jene, die nach der Schule sofort zu arbeiten begonnen haben, einen Bonus bekommen, den sogenannten Frühstarterbonus. Diesen wollen wir, weil das gerechter ist, denn den bekommen alle (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek) und nicht nur eine kleine Gruppe, meine Damen und Herren. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Frau Kollegin Heinisch-Hosek – und wo ist Präsidentin Bures?  (Zwischenruf des Abg. Amesbauer) –, ihr müsstet ja eigentlich bei dieser Diskussion davonrennen. (Ruf bei der SPÖ: Du bist davongerannt!) Eine Frau hat im ersten Halbjahr 2020 von dieser Langzeitversichertenregelung profitiert, eine einzige, und 7 250 Männer. Ich habe nichts gegen die Männer, die haben halt gearbeitet, und es steht ihnen auch zu – aber es ist nur eine Frau, und dann geht ihr her und sagt, das stimmt nicht. (Abg. Heinisch-Hosek: Was redest du da?) Die nächsten sieben Jahre profitieren de facto die Frauen nicht davon: keine Friseurin, keine Bürokauffrau, keine Verkäuferin. Wir schaffen mit dem Frühstarterbonus eine Lösung, dass diese Frauen, die nach der Schule zu arbeiten begonnen haben (Zwischenruf des Abg. Wimmer), bis zu 60 Euro im Monat mehr bekommen, 840 Euro im Jahr. Das ist eine Anerkennung der Leistungen jener Men­schen, die früh zu arbeiten begonnen haben, und nicht so ein kaputtes System. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ihr wisst es ganz genau, der Gewerkschaftsbund ist ja nicht nur für Brandreden in manchen Örtlichkeiten da, sondern ihr habt ja gescheite Leute, die das berechnen: Im heurigen Jahr erwarten wir in der Langzeitversichertenregelung 12 000 Antritte, die Mehrkosten belaufen sich auf 60 Millionen Euro. Und das sage ich dir auch, Kollege Wimmer: Ich schätze dich an und für sich, du bist Bürgermeister in Hallstatt gewesen,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 200

du bist ein ordentlicher Gewerkschaftsvertreter, ein fleißiger Betriebsrat, ich schätze dich (Heiterkeit des Abg. Wimmer), aber ihr spielt ständig die Berufsgruppen gegeneinander aus. Während der Borkenkäfer in Österreich ganze Regionen kahl frisst und Bauern eine Mindestpension von nicht einmal 800 Euro haben (Zwischenruf des Abg. Kollross), stellst du dich her und sagst zum Forstpaket: Das ist ungerecht, dass wir das Geld dafür verwenden. Das lassen wir von der Volkspartei nicht zu, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ihr wisst ganz genau, wenn ich diese 60 Millionen Euro auf 20 Jahre eines Pensions­jahrganges hochrechne, dann haben wir erwartete Mehrkosten von 1,2 Milliarden Euro. Wir reden hier nicht von den niedrigsten Pensionen, ich habe es gesagt: 3 000 Euro jetzt, 2 700 werden es etwa auch in Zukunft sein. Wir schaffen ja diese Regelung nicht ab (Abg. Kollross: ... Abschläge ...!), und hört endlich einmal auf, uns das ständig zu unterstellen! Ihr habt gemeinsam mit Kickl ein Wahlzuckerl beschlossen, Hofer war ja eh nicht so dafür (Abg. Heinisch-Hosek: Du hast es mitbeschlossen!), aber Herr Kickl war dafür – wie immer, wenn es um Sozialprogramme in diesem Bereich geht. (Heiterkeit des Abg. Kickl.) Du hast mehr Schaden hinterlassen, nicht nur da, das wissen wir eh. Es geht doch darum, dass wir wieder ein gerechteres und nachhaltigeres System schaf­fen. Es geht ja auch um die künftigen Generationen, es geht ja auch um die Zukunft in diesem Lande. (Zwischenruf des Abg. Wurm.) Wir haben ja die Verantwortung als Politikerinnen und Politiker, dass wir auch jenen, die heute in die Lehre gehen, die 20, 30, 40 Jahre alt sind, noch eine Pension sichern können – und deshalb müssen wir das tun. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Das, was ihr zu vermitteln versucht: Arbeitnehmerpolitik ist die Erbpacht des roten ÖGB. Erstens einmal: Räumt zuerst in euren eigenen Reihen zusammen! Und das Zweite: Ihr habt lang genug sozialdemokratische Bundeskanzler und Sozialminister gehabt. (Ruf bei der SPÖ: Aber leider nur mit euch! – Abg. Amesbauer: Da seid ihr aber selber schuld!) Weder die Kanzler noch die Minister haben in vielen Bereichen etwas weiter­gebracht – das geschieht erst, seit Sebastian Kurz Kanzler ist. (Beifall bei der ÖVP. – Ah-Rufe bei SPÖ und FPÖ.)  Ja, das ist euer Problem. Das ist das Problem der Sozialdemokratie, dass wir einen erfolgreichen Kanzler namens Sebastian Kurz haben, den die Menschen mögen (anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ), der für dieses Land da ist, der für sie eintritt und einsteht und der genau das tut, was die Menschen von einem Politiker verlangen. (Beifall bei der ÖVP. – Präsident Sobotka gibt das Glocken­zeichen.) Er hört nämlich den Menschen auch zu, und genau das ist euer Problem, das ist euer Problem, meine Damen und Herren, sonst nichts! (Zwischenruf des Abg. Amesbauer.)

Familienbonus, Steuerentlastung, Mindestpensionen angehoben, alles unter diesem Kanz­ler. (Heiterkeit der Abgeordneten Kickl und Wurm.– Ja, du musst auch mittun, Kickl, es hilft nichts, denn ihr wart ja zur Hälfte mit dabei, es waren gar keine so schlechten Zei­ten – bis zum Ibizaskandal, das möchte ich auch betonen. Das ist euer Grundproblem.

Meine Damen und Herren, diese Regelung führen wir auf das Niveau zurück, das wir mit euch beschlossen haben. Es ist eigentlich eine Hundstorfer-Regelung, die wir jetzt wieder einführen. Wir schaffen es nicht ab, aber was wir einführen und heute vorgestellt haben, ist ein gerechter Bonus (Zwischenruf des Abg. Wimmer) für jene, die nach der Pflichtschule zu arbeiten begonnen haben, die eine Lehre gemacht haben, die zwischen dem 15. und 20. Lebensjahr gearbeitet haben. Ihnen geben wir als Anerkennung eine zusätzliche Unterstützung. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Das ist christlich-soziale Politik, das ist eine moderne Politik (Abg. Wurm: Ja, freilich!) und keine Motten­kistenpolitik! (Lebhafter, lang anhaltender Beifall und Bravorufe bei der ÖVP sowie Beifall bei Abgeordneten der Grünen.)

15.46



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 201

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu einer tatsächlichen Berichtigung gelangt Abgeordneter Koza zu Wort. – Bitte.


15.46.48

Abgeordneter Mag. Markus Koza (Grüne): Eine tatsächliche Berichtigung zu den Ausführungen des Kollegen Alois Stöger (Zwischenrufe bei der SPÖ): Kollege Alois Stöger hat behauptet, dass Frauen im 60. Lebensjahr (Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen) abschlagsfrei in Pension gehen können. (Ruf: Das ist keine tat­säch­liche Berichtigung!)

Der Begriff Abschlagsfreiheit ist in dem Sinne nicht sinnstiftend, denn 60 Jahre ist das reguläre Pensionsantrittsalter für Frauen, es gibt da keine Abschläge. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

15.47


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zur Geschäftsordnung gelangt Herr Abgeordneter Leichtfried zu Wort. – Bitte.

*****


15.47.30

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsi­dent! Ich möchte Sie nur darauf aufmerksam machen, dass das, was der Kollege gerade gemacht hat, keine tatsächliche Berichtigung war, denn, ich glaube, der § 58 der Ge­schäftsordnung sieht nicht vor (Ah-Rufe bei der ÖVP), dass es auf eine tatsächliche Berichtigung eine tatsächliche Berichtigung gibt. (Ruf bei der ÖVP: Richtig!) Er könnte höchstens eine persönliche Erwiderung machen, wenn er angesprochen worden wäre, was er aber nicht ist. Ich bitte Sie daher, das auf die Redezeit der Grünen aufzuschlagen. (Ruf: Und die Geschäftsordnung lernen!)

15.48


*****

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Das ist tatsächlich richtig, das ist gar keine Frage. Ich wusste auch vorher nicht, dass es sich auf die Berichtigung bezieht, sondern es hätte auch etwas anderes sein können, daher wird es auch in die Redezeit eingerechnet.

Zu einer tatsächlichen Berichtigung gelangt Frau Abgeordnete Heinisch-Hosek zu Wort. Schauen wir – ich weiß auch nicht, was sie sagt. (Heiterkeit bei der ÖVP.)


15.48.21

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Aber ich weiß es! – Herr Abgeordneter Wöginger hat soeben in seiner Rede behauptet: Ihr habt die Langzeitversicher­ten­regelung beschlossen.

Ich berichtige tatsächlich: Wir haben sie gemeinsam hier im Hohen Haus beschlossen. (Abg. Wöginger: Ah!) Du warst auch dabei, August Wöginger.

Zweitens hat Herr Kollege Wöginger in seiner Rede soeben behauptet, die Frauen würden auch von diesem Frühstarterbonus – FrühstarterInnenbonus kommt ihm nicht über die Lippen (Abg. Zarits: Entschuldigung!) – profitieren.

Ich berichtige tatsächlich: Nicht alle Frauen werden profitieren. Ein Drittel – jene, die zwischen 15 und 20 gearbeitet haben – profitiert vielleicht, aber nicht alle Frauen! (Abg. Pfurtscheller: Die Mehrheit!)


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Also bleib bitte bei der Wahrheit! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Zarits.)

15.49


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gelangt Abgeordneter Wurm. – Bitte.


15.49.12

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Herr Präsident! Werter Kanzler! Frau Minister! Hohes Haus! Es ist immer recht lustig, wenn man nach Kollegen Wöginger ans Red­nerpult treten darf. Er hat ja einiges ausgeführt. Ich darf auch die Glaubwürdigkeit von einem August Wöginger und von der ÖVP (Ruf bei der SPÖ: Gibt’s nicht!) kurz auf die Probe stellen; ich möchte aus dem Nationalratsprotokoll vom 19. September 2019 zitieren, 10.44 Uhr – das war jener Tag, als eben diese ominöse Hacklerregelung ein­geführt wurde, wo die ÖVP mitgestimmt hat. August Wöginger hat damals gesagt: „Das, was wir zugesagt haben, halten wir ein, meine Damen und Herren, das ist die Politik der Volkspartei in den letzten Jahren, das ist die Politik heute.“ (Zwischenruf der Abg. Pfurtscheller.) – Zitat aus dem Protokoll dieser Sitzung im September 2019. So viel in Richtung ÖVP nur dazu, was man von eurer Handschlagsqualität halten darf.

Es gibt dazu noch einen Zwischenruf von Abgeordnetem Kickl – Herbert, du hast damals gesagt –: „Da muss er selber lachen!“ – Du hast damals und auch heute recht gehabt. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich bin jetzt sieben Jahre hier im Hohen Haus und habe zwei Ordnungsrufe erhalten. Ich bin guter Hoffnung, dass ich das heute, auch unter Mithilfe des Präsidenten, steigern darf und kann. An die ÖVP und an die Grünen: Seid ihr irre?! Die Hacklerregelung abzuschaffen ist eine Schweinerei! Das sage ich hier von diesem Rednerpult aus ganz klar. Wenn kein Ordnungsruf kommt, freue ich mich. (Beifall bei der FPÖ.)

Jene, die 45 Jahre gearbeitet haben, die Steuern gezahlt haben, Sozialabgaben gezahlt haben, wollt ihr jetzt strafen. Die Aussage, die ihr damit trefft, und auch die Botschaft halte ich für fatal, nämlich: Fleiß, Ausdauer, Einsatz, das alles ist plötzlich – vor allem für die ÖVP – nichts wert.

Es ist ja ganz spannend, dass ich da die zwei Richtigen sitzen habe: Frau Kollegin Maurer und auch Bundeskanzler Kurz. Dass natürlich für Sie beide die Vorstellung, mit 15, 16, 17 Jahren zu arbeiten anzufangen, völlig jenseitig ist, Frau Kollegin Maurer und Herr Bundeskanzler, ist mir schon klar, aber für Hunderttausende Österreicherinnen und Österreicher ist und war das immer ganz normal. Das ist auch der Grund, warum wir heute als Österreich nach dem Zweiten Weltkrieg so dastehen: weil unzählige Öster­reicherinnen und Österreicher fleißig waren und über Jahrzehnte durchgehend gear­beitet haben und dieses System am Leben gehalten und gefüttert haben. Das vergesst ihr alles, und das alles ist für euch nichts mehr wert. Mit einem Federstrich ist das plötzlich vom Tisch. (Beifall bei der FPÖ.)

Zu den Fakten noch einmal ganz kurz: Es betrifft derzeit rund 7 000, die in den Genuss der abschlagsfreien Pension kommen und sich Abschläge von bis zu 12,6 Prozent ersparen. Ich darf schon noch einmal darauf hinweisen: Die Kosten belaufen sich auf 30 bis 40 Millionen Euro pro Jahr. Das ist ein Betrag – in den letzten Monaten habt ihr Milliarden mehr oder weniger hinausgeschmissen (Abg. Wöginger: Das ist doch nicht wahr!) –, der kann ja gar keine Rolle spielen.

Auch in Richtung der NEOS, weil Kollege Loacker das ja immer hochrechnet, ein ganz entscheidender Hinweis (Zwischenruf des Abg. Hörl), ein wichtiger Hinweis: Die Lebenserwartung von Arbeitern ist in Österreich im Vergleich zu der von Akademikern um sechs Jahre geringer. Das heißt, jene Menschen, von denen wir hier sprechen, haben eine um sechs Jahre geringere Lebenserwartung, und das wird in keinem Modell,


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in keinem Budgetmodell – auch bei der ASVG – einberechnet, aber die Leute sollten es wissen. Die Arbeiter leben auch alle im Durchschnitt um sechs Jahre kürzer.

Wie gesagt, das ist typisch ÖVP und Grüne. Das ist auch offensichtlich nicht mehr eure Wählerklientel, das interessiert euch nicht. Ihr vergesst nur eines, nämlich das, was ihr jetzt auch aktuell bei der Coronakrise immer anführt: Diese Lebensretter, die ominöse Billa-Verkäuferin oder die Krankenschwester, auch das sind jene Frauen, die von dieser Regelung in Zukunft profitieren werden, weil die Anpassung des Pensionsalters für Frauen kommt, und zwar bereits ab den Jahrgängen 1963 aufwärts. Spätestens mit dem Jahrgang 1968 geht es den Frauen ganz gleich wie den Männern, die müssen dann 45 Jahre arbeiten und haben dann die Abschläge. Das ist für die Grünen nichts wert und auch für die ÖVP nichts wert. Das ist eine wilde Frauenpolitik. (Beifall bei der FPÖ.)

Der Marketinggag – das ist eben auch typisch für diese Regierung – mit diesem Früh­bucherbonus oder Neueinsteigerbonus oder wie das heißen soll, schaut so aus: Ihr wollt 60 Euro brutto hergeben und nehmt 300 Euro weg. Glaubt mir das: So dumm sind die Leute nicht, wie ihr immer glaubt! Irgendwann einmal ist diese Reise von euch zu Ende. Die Leute wachen auf, und sie werden sehen, dass das System, das Grüne und ÖVP da vertreten, nicht zu ihrem Nutzen ist. Es gibt einen schönen Spruch von Brecht, wenn ich ihn richtig im Kopf habe – da muss ich nachlesen –: Nur die dümmsten Kälber wählen ihren Schlächter selbst. Es wird irgendwann einmal auch jedem klar werden, was er da gewählt hat und was da auf ihn zukommt.

Wie gesagt: Das, was mir abgeht, ist einfach Respekt vor der Arbeit, vor Fleiß, Einsatz, Leistungsbereitschaft. Sie sind meiner Meinung nach komplett abgehoben und asozial. Ich kann nur sagen: Alles, was Sie in letzter Zeit für die Arbeitnehmer und Arbeiter abliefern, ist eigentlich ein Offenbarungseid, und ich hoffe, dass die Leute irgendwann aufwachen und das auch einmal eindeutig abstrafen.

Bevor ich es vergesse, möchte ich einen Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Bei­behaltung und Adaptierung der abschlagsfreien Pensionen mit 540 Beitragsmonaten für alle Berufsgruppen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz sowie der Bundesminister für Finanzen werden aufgefordert, dem Nationalrat unverzüglich eine Regierungsvorlage zu übermitteln, mit der

- die mit 1.1.2020 geltende Regelung grundsätzlich als Basis beibehalten wird und in § 236 Abs. 4b ASVG und den analogen Bestimmungen im GSVG und BSVG Zeiten des Präsenz- und Zivildienstes als Beitragsmonate der Erwerbstätigkeit anerkannt werden,

- der abschlagsfreie Ruhebezug bei 540 Beitragsmonaten analog der Bestimmungen des § 236 Abs. 4b ASVG für Beamtinnen und Beamte sowie für definitiv gestellte Bedienstete der Post und Bahn geregelt wird, sowie

- die Neuberechnung aller Pensions- und Ruhegenussleistungen mit 1.1.2020, die auf § 15 APG (Kontoerstgutschrift) beruhen oder die mit einem Stichtag ab 1.1.2014 und vor


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1.1.2020 gewährt wurden und somit Abschläge bis zu 12,6 Prozent trotz 540 Beitrags­monaten aufweisen. Diese Leistungen sollen rückwirkend mit dem 1.1.2020 ohne Ab­schläge ausbezahlt werden.“

*****

(Beifall bei der FPÖ.)

Ich hatte die stille Hoffnung, dass diese Abschaffung und diese Bestrafung von fleißigen Arbeitnehmern in Österreich die ÖVP noch abwenden wird, weil ich da am ehesten Hoffnung gehabt habe, dass ihr ein bisschen vernünftig seid. Bei den Grünen habe ich die Hoffnung nie gehabt. Dass die ÖVP diese Grundsätze jetzt endgültig aufgibt, ist auch für Bundeskanzler Kurz wirklich eine Bankrotterklärung. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

15.57

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Michael Schnedlitz, Peter Wurm

und weiterer Abgeordneter

betreffend Beibehaltung und Adaptierung der abschlagsfreien Pensionen mit 540 Bei­tragsmonaten für alle Berufsgruppen

eingebracht im Zuge der Debatte über den Dringlichen Antrag der Abg. Rainer Wimmer, Gabriele Heinisch-Hosek, Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schluss mit sozialpolitischen Fehltritten dieser Bundesregierung-die abschlagsfreie Pension nach 45 Arbeitsjahren muss bleiben ! (993 (A/E)) in der 62. Sitzung des Nationalrats (XXVII.GP) am Dienstag, 17. November 2020

Mit Beschlussfassung vom 19. September 2019 wurden Pensionsleistungen mit 540 Beitragsmonaten aus Erwerbstätigkeit abschlagsfrei gestellt. Diese Bestimmungen wurden im ASVG, BSVG und GSVG festgeschrieben. Nicht erfasst sind davon Beam­tinnen und Beamte sowie definitiv gestellte Bedienstete der Post und Bahn. Dies ist allen der Tatsache geschuldet, dass die Geschäftsordnung des Nationalrates eine Beschluss­fassung für diese Gruppen nicht ermöglichte. Hier ist es daher erforderlich eine analoge Regelung zu schaffen.

Außerdem sollen jene Jahrgänge, die nach Abschaffung der Langzeitversicherten­rege­lung Pensionen mit bis zu 12,6 Prozent Abschlägen trotz 540 Beitragsmonaten zuer­kannt bekamen, mit 1.1.2020 eine Neuberechnung ihrer Pensionsleistung ohne Ab­schläge erhalten.

Die aktuelle Bundesregierung aus ÖVP und Grünen wollen die sogenannte „Hackler­regelung“, d.h. die abschlagsfreie Pension für Langzeitversicherte einfach abschaffen. Ersetzt werden soll sie durch einen undurchsichtigen „Frühstarterbonus“.

ÖAAB-Arbeiterkammerpräsident Hämmerle aus Vorarlberg, ein enger Parteifreund von ÖVP-Klubobmann August Wöginger findet klare Worte dazu:

Für AK-Präsident Hämmerle ist der Frühstarterbonus "ein Schlag ins Gesicht jener, die am längsten in die Pensionsversicherung einbezahlt haben"

Geht es nach der Regierung, soll ein "Frühstarterbonus" die Hacklerregelung ersetzen. "Das ist teurer und belohnt in Wahrheit all jene, die in Frühpension gehen. Wo liegt da der Sinn?", fragt AK-Präsident Hubert Hämmerle. Die Hacklerregelung sei der Regierung


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Kurz von Beginn an ein Dorn im Auge gewesen. Sie sieht vor, dass Arbeitskräfte nach 45 "echten" Beitragsjahren mit 62 Jahren in Pension gehen können, ohne Abschläge zu erleiden. Das kostet jährlich 30 Millionen Euro. Geld, das ohnedies von den Versicherten selbst eingezahlt wurde, so die AK. Weil Präsenzdienst und Zivildienst nicht angerechnet werden, erreichen nur wenige die Abschlagsfreiheit. "Und die haben sich das – weiß Gott – verdient", betont Hämmerle.

Aber die Regierung Kurz sehe das anders. Es ist beschlossene Sache, dass die mit Anfang 2020 eigentlich gestrichenen Pensions-Abschläge ab 2022 mit jährlich 4,2 Prozent wieder eingeführt werden. An die Stelle der Hacklerregelung setzt Türkis-Grün nun einen sogenannten "Frühstarterbonus", den Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer als große Errungenschaft pries: Wer früh zu arbeiten beginnt, soll davon profitieren. Per­sonen, die bereits zwischen dem 15. und 20. Lebensjahr "gehackelt" haben, sollen in der Pension monatlich 60 Euro zusätzlich zu ihrer fixen Pension bekommen. Klingt gut? "Nicht einmal auf den ersten Blick", verneint Hämmerle.

Schon am Freitag soll dieses Modell im Nationalrat abgesegnet werden und am 1. Jänner 2022 in Kraft treten. Kosten soll die Maßnahme den Staat rund 40 Millionen Euro. "War nicht ein großes Argument gegen die Hacklerregelung ihre angebliche Unfinanzier­barkeit?", fragt Hämmerle. Jetzt entscheide sich die Bundesregierung für ein deutlich teureres Gießkannenprinzip, das alle belohne, egal, wie viel sie gearbeitet haben. Denn Voraussetzung für den "Frühstarterbonus" sind lediglich 25 Versicherungsjahre, die Aus­zahlung des Betrags soll unabhängig vom Zeitpunkt des Pensionsantritts geschehen.

Dass die Regierung mit dem Frühstarterbonus zudem Hackler und Frauen gegeneinan­der ausspiele, sei besonders perfide, so der Präsident der Arbeiterkammer: "Auch die AK ist der Ansicht, dass Frauen für ihre geleistete Arbeit eine höhere Pension gebührt. Aber Wege gäbe es da viele. Man könnte ja Kinderbetreuungszeiten stärker bewerten", schlägt Hämmerle vor. Denn die niedrigen Frauenpensionen hängen mit den Berufs­unterbrechungen durch Familienarbeit und den langen Durchrechnungszeiten zusam­men. Die AK zeige das schon lange auf.

Die neue Regelung zeige in den Augen von Hämmerle überdeutlich, wie viel der Regie­rung tatsächlich geleistete Arbeit wert ist: "Sie ist ein glatter Wortbruch und ein Schlag ins Gesicht der wirklichen Hackler."

https://www.vol.at/ak-statt-hacklerpension-teure-giesskanne/6809911

Soweit der ÖAAB-Kamerad von Klubobmann August Wöginger.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachfolgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz sowie der Bundesminister für Finanzen werden aufgefordert, dem Nationalrat unverzüglich eine Regierungsvorlage zu übermitteln, mit der

·          die  mit 1.1.2020 geltende Regelung grundsätzlich als Basis beibehalten wird und in § 236 Abs. 4b ASVG und den analogen Bestimmungen im GSVG und BSVG Zeiten des Präsenz- und Zivildienstes als Beitragsmonate der Erwerbstätigkeit anerkannt werden,


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·          der abschlagsfreie Ruhebezug bei 540 Beitragsmonaten analog der Bestim­mungen des § 236 Abs. 4b ASVG für Beamtinnen und Beamte sowie für definitiv gestellte Bedienstete der Post und Bahn geregelt wird, sowie

·          die Neuberechnung aller Pensions- und Ruhegenussleistungen mit 1.1.2020, die auf § 15 APG (Kontoerstgutschrift) beruhen oder die mit einem Stichtag ab 1.1.2014 und vor 1.1.2020 gewährt wurden und somit Abschläge bis zu 12,6 Prozent trotz 540 Beitragsmonaten aufweisen. Diese Leistungen sollen rückwir­kend mit dem 1.1.2020 ohne Abschläge ausbezahlt werden.

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Klubobfrau Maurer. – Bitte.


15.57.16

Abgeordnete Sigrid Maurer, BA (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Werte Ministerin! Werter Bundeskanzler! Als erste Frau bei dieser Debatte möchte ich schon darauf hinweisen: Ich verstehe natürlich, dass es für die Sozialdemokratie schmerzlich ist, dass das, was sie bei ihrem damaligen Antrag als Erfolg verbucht hat, jetzt zurückgenommen wird. Was ich aber nicht verstehe, ist, wie man diese Regelung nach wie vor so verteidigen kann.

Es ist eine Regelung, von der wenige Männer mit sehr hohen Pensionen, mit den höchsten Pensionen profitieren. Wir reden da von einer Pension von 2 845 Euro (Abg. Wurm: Brutto!), fast dem Zweieinhalbfachen der Frauenpension. (Zwischenrufe der Abgeordneten Heinisch-Hosek und Kickl. – Abg. Wurm: Brutto!) Im ersten Halbjahr hat nur eine einzige Frau davon profitiert, und in den nächsten sieben Jahren wird sich das auch nicht ändern. (Beifall bei den Grünen.) Eine einzige Frau hat bisher davon profitiert. Die Sozialdemokratie hat definitiv Verdienste im Bereich Feminismus, aber was diese Frage betrifft, ganz sicher nicht. (Abg. Belakowitsch: Das ist eine feministische Frage, keine Pensionsfrage!)

Worum geht es? – Es geht darum, dass wir ein Pensionssystem haben wollen, das möglichst gerecht ist, das darauf abzielt, dass die Menschen, die viele, viele Jahre ihres Lebens gearbeitet haben, eine gute Pension haben. (Abg. Kickl: ... gerade vor dem Fernsehapparat!) Es gibt ganz grundsätzlich schon einen Gender Pension Gap, der gigantisch ist, weil Frauen viel, viel niedrigere Pensionen haben als Männer. Diese Abschlagsfreiheit der Hacklerregelung hat diesen Gender Pension Gap noch weiter vergrößert. Statt einer Regelung, von der circa 8 000 bis10 000 Männer mit guten, hohen Pensionen profitieren, schaffen wir jetzt eine Regelung, von der 60 000 Menschen pro­fitieren, Männer wie Frauen. Also läuft auch Ihr Argument, da würden Männer gegen Frauen ausgespielt, ins Leere, weil es nicht richtig ist. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Von unserer neuen Systematik, von dem Frühstarterbonus profitieren beide Geschlechter, und es profitieren vor allem jene, die besonders früh in ihrem Leben zu arbeiten angefangen haben.

Herr Kollege Wurm hat gemeint, ich und der Herr Bundeskanzler, wir hätten beide nicht früh zu arbeiten begonnen. Das ist durchaus richtig, ich habe tatsächlich eine höhere Schule besucht, aber mein erster Job war mit 16 in der Metallverarbeitung (Zwischenruf bei der SPÖ), im Akkord Ventile, Schrauben und Gitterboxen mit vielen Kilo Metall durch die Gegend zerren. (Abg. Keck: Einen Monat lang!) Ich habe diese Arbeitsrealität selber gesehen, und ich weiß, wie schwer das ist und was das bedeutet. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Keck: Einen Monat lang! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. – Prä­sident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)


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Die Behauptung, die hier aufgestellt wird (Rufe bei der SPÖ: Das ist ein Wahnsinn! ... Ferialpraktikanten!), es würde hier um die klassischen Hackler im Metallbereich gehen, ist ja nicht richtig. Erstens einmal sind 55 Prozent der Menschen, die in der Regelung sind, Angestellte, und zweitens schaffen diejenigen (Zwischenruf des Abg. Stöger), die wirklich diese enorm schwierigen Schwerarbeiterjobs haben, die 45 Jahre doch gar nicht (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Stöger), die sind ja davor schon in der Invaliditäts­pension. Das ist die Realität. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Belakowitsch: Ah! – Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Keck.)

Wir verteilen mit dem Frühstarterbonus um. (Abg. Belakowitsch: Das ist eine billige Lösung!) Den Betrag, den man für die Abschlagsfreiheit aufgewendet hat, verteilen wir nun auf wesentlich mehr Menschen. (Abg. Belakowitsch: Sie wissen nicht, was Sie da sprechen!) Das sind 840 Euro im Jahr. Bei der niedrigen Frauenpension, bei der durchschnittlichen Frauenpension ist das fast eine 15. Pensionsauszahlung. (Zwischen­ruf der Abg. Belakowitsch.)

Das ist ein Modell, das die Altersarmut von Frauen bekämpft (Zwischenruf des Abg. Stöger), genauso wie im Übrigen auch die Erhöhung der Ausgleichszulage, die wir heuer schon beschlossen haben, die Altersarmut von Frauen bekämpft. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das sind tatsächlich feministische frauenpolitische Ansätze (Heiterkeit der Abg. Heinisch-Hosek – Abg. Belakowitsch: Um Gottes willen!), und nicht wenn Sie (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek) für die offensichtlich männlich dominierte Gewerkschaft immer noch Politik für Männer (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch) und nicht Politik für Frauen machen. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Ich möchte schon auch noch darauf hinweisen (Zwischenruf des Abg. Keck): Selbst­verständlich hat jeder, der 45 Jahre gearbeitet hat, das gute Recht – 45 Jahre sind genug –, frühzeitig in Pension zu gehen (Abg. Keck: Aber nicht abschlagsfrei! – weitere Zwischenrufe bei der SPÖ), aber diese Pensionen sind ziemlich hoch. Die Frauen, die sehr oft Betreuungspflichten hatten (Abg. Keck: Das ist ein Wahnsinn!), die in der Realität gar nicht in die Lage kommen (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek), 45 Jahre zu erreichen (Abg. Keck: Sie haben keine Ahnung von irgendetwas!), gehen bei dieser Regelung leer aus. (Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen. – Abg. Keck – mit sehr lauter Stimme –: Hören Sie auf! Unverschämt, was Sie hier sagen!) – Jetzt kriege ich langsam Angst hier am RednerInnenpult - - (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Keck.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte mäßigen Sie sich, auch trotz aller Emotio­nalität! Es braucht hier niemand Angst zu haben und schon gar nicht - - (Abg. Keck: Das ist eine Verhöhnung der arbeitenden Menschen in Österreich!) – Sie können sich hier zu Wort melden und Ihren Beitrag leisten! (Abg. Keck: Das wird schon noch kommen! – Heiterkeit bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.)


Abgeordnete Sigrid Maurer, BA (fortsetzend): Was mir noch wichtig ist: Es ist ein Fixbetrag, das heißt, die Menschen mit niedrigen Pensionen, also die, die am wenigsten Geld zum Leben haben, profitieren überproportional. Das ist gut und wichtig in der Bekämpfung der Altersarmut und es ist auch ein Ausgleich für die große Ungerechtigkeit, die wir in diesem Land nach wie vor zwischen Männern und Frauen, zwischen hohen und niedrigen Einkommen haben.

Ich denke, das ist eine sehr gute Lösung, eine sehr faire Lösung, von der wesentlich mehr Menschen profitieren, nämlich sechs Mal so viele als von der derzeitigen Rege­lung. Ich glaube, wir als Politikerinnen und Politiker sind es der Gesellschaft schuldig, Systeme zu bauen, die so gerecht und sachgerecht wie möglich sind. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

16.03



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 208

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Loacker ist zu Wort gemel­det. – Bitte. (Zwischenruf bei der SPÖ.)


16.03.41

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Frau Ministerin! Die Debatte beginnt mit einer Fehlbezeichnung, nämlich mit dem Begriff Hacklerpension. Es wurde schon kurz angerissen, wer die Berufsgrup­pen sind, die typischerweise diese abschlagsfreie Frühpension – um nichts anderes geht es – nützen können. Ich gönne sie jedem, der sie bekommt, verstehen Sie mich richtig, das hat keiner gestohlen, aber man muss schauen, wem das dient.

Kollege Wimmer hat darauf hingewiesen, es wären Menschen, die viel in manueller Arbeit machen, und Kollege Leichtfried hat dann das Beispiel der Dachdecker heran­gezogen – und genau die sind es nicht. Der Dachdecker ist in der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse und ist in der Schwerarbeit, das heißt, der geht mit 58,5 ins Überbrückungsgeld und mit 60 in die Schwerarbeitspension. Der kriegt diese abschlags­freie Frühpension (Abg. Wurm: Der Bodenleger schon!), um die es heute geht, nicht, sondern typischerweise kriegen sie Menschen, die in sehr sicheren Jobs sind, die man nicht verliert (Zwischenruf des Abg. Hörl) und die man auch körperlich über lange Zeit durchhält. Typischerweise – es gibt immer Ausnahmen bei der großen Zahl an Ver­sicherten in der Pensionsversicherung (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Hörl– sind das Mitarbeiter von Kammern, von Banken, von Versicherungen (Abg. Hörl: Gemein­den!), die dort lange Zeit sichere Arbeitsplätze haben.

In Wirklichkeit ist diese Regelung, die heute wieder bereinigt wird (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), eine Regelung für die oberen Zehntausend im Pensionssystem. Das kann doch niemand wollen, dass man dort, wo es eh schon super ist, noch eins draufpickt, und das haben Sie am 19.9.2019 gemacht, damals mit Zustimmung der ÖVP – aber ich freue mich auch, wenn eine Regierungspartei sich ihrer Verantwortung besinnt.

Da möchte ich schon noch eines sagen: Da geht es um Arbeitskräfte, die in unserem Arbeitsmarkt sehr wichtig sind, und wir wissen, dass wir trotz der Wirtschaftskrise immer noch einen Fachkräftemangel haben. (Zwischenruf bei der SPÖ.) In dieser Phase des Fachkräftemangels wurde ein Anreiz gesetzt, die Arbeit früher niederzulegen und abschlagsfrei früher in Pension zu gehen. Das war schon der falsche Anreiz, und schon deswegen hätte man das nicht machen sollen.

Es geht ja um die Menschen, bei denen es im Leben nicht so super läuft, die nämlich zum Beispiel einmal einen Job verloren haben, weil es nicht funktioniert hat oder weil die Firma in Konkurs gegangen ist, und die dann einige Monate arbeitslos waren. Die sind dann halt nicht so schnell auf 45 Beitragsjahren wie die mit sicherem Job, die in einer Kammer gesessen sind. Oder wenn jemand einmal länger krank war, weil er gesund­heitliche Schwierigkeiten gehabt hat, weil er eine Krebserkrankung überwinden musste, einen Bandscheibenvorfall hatte und so weiter und viele Wochen und Monate ausge­fallen ist, hat auch der nicht diese durchgängige Berufslaufbahn, die es nachher hergibt, abschlagsfrei in Frühpension zu gehen – die bekommen das nicht. Oder wenn jemand in einer schwierigen Branche gearbeitet hat, in der es Saisonunterbrechungen gibt, kann er nicht dahin kommen.

Es könnte aber auch jemand wirklich einen solchen Job gehabt haben, beispielsweise in einer Kammer oder in einer Versicherung, und dann hat er nach 538 statt 540 Monaten einen Herzinfarkt und kann nicht weiterarbeiten. Der kriegt dann wegen zwei Monaten weniger diese Abschläge. Sie haben eine hohe Stufe ins System hineingezimmert: 12 Prozent Unterschied, ob einer einen Monat mehr oder weniger hat. Das ist nicht gerecht, und diese ungerechte Lösung haben Sie fabriziert.


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Eines wird ganz oft ausgeblendet: Es ist jedem klar, auf allen Seiten des Parlaments und auch den Bürgerinnen und Bürgern, wenn einer früher ins Berufsleben einsteigt, zum Bei­spiel mit 15, bekommt der Betreffende eine bessere Pension als einer, der mit 18 ins Berufsleben einsteigt, weil er drei Jahre länger gearbeitet hat. (Abg. Pfurtscheller: Kommt drauf an, was er verdient!) Genauso logisch ist es, dass jemand, der mit 65 aufhört, eine bessere Pension bekommt als einer, der mit 62 aufhört, weil er drei Jahre länger gear­beitet hat. Der, der mit 62 in Pension geht, bezieht ja die Leistung um drei Jahre länger, der hat ja schon drei Jahre Pension bekommen, wenn der andere erst in Pension geht.

Das muss man an den Beispielen rechnen, um die es geht. Im Schnitt 2 900 Euro 14-mal über drei Jahre: Da sind wir bei 121 000 Euro, die der schon kassiert hat, wenn der andere mit 65 in Pension geht. 121 000 Euro wollen Sie abschlagsfrei hinüberschieben? Das ist nicht gerecht gegenüber den Menschen (Abg. Lercher: Das ist eine Versiche­rungsleistung!), die es nicht so gut gehabt haben, die einmal arbeitslos geworden sind, die einmal krank geworden sind und denen im Leben halt nicht alles in den Schoß gefallen ist. (Zwischenruf des Abg. Lercher.)

Dann zu den Kosten: Da stellt sich Rainer Wimmer hier heraus und sagt: Das kostet eh nur 50 Millionen Euro! – Im ersten Jahr! Aber da kommen ja immer Jahrgänge nach, und im Vollausbau, das hat der Budgetdienst des Parlaments ausgerechnet, kostet dieses Wahlgeschenk 1,6 Milliarden Euro jedes Jahr. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeord­neten der ÖVP.)

Sosehr ich es begrüße, dass dieser Fehler nun wettgemacht wird (Zwischenruf bei der SPÖ), so sehr muss ich aber auch kritisieren, dass die Regierungsmehrheit hergeht und dieses Geld – Geld der nächsten Generation, das wir nicht haben, aber das wird Kollege Shetty noch näher ausführen – jetzt einfach auf andere umverteilt. Man kann doch nicht ein Pensionsgeschenk, das nicht finanziert ist, einfach wegnehmen und das nicht vorhandene Geld an anderer Stelle verteilen. Damit leistet man keinen Beitrag zu einer Stabilisierung des Pensionssystems.

Man muss sich schon auch anschauen, was die verschiedenen Pensionsgeschenke des Jahres 2019 gekostet haben. Der Budgetdienst hat das für unsere Fraktion ausge­rechnet. Da gab es ja mehrere Geschenke, die Sie alle mitbeschlossen haben – auch heute wieder eine 3,5-prozentige Pensionserhöhung. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried. – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Keiner Ihrer Angestellten hat eine 3,5-prozentige KV-Erhöhung bekommen, keiner Ihrer Arbeiter hat eine 3,5-prozentige KV-Erhöhung bekommen, die Pensionisten aber, deren Gage jeden Monat fix daherkommt, die kein Berufsrisiko mehr haben (neuerlicher Zwischenruf bei der SPÖ), bekommen 3,5 Pro­zent. Das kann man für gerecht halten, ich glaube, in einer Wirtschaftskrise ist es genau das nicht. (Beifall bei den NEOS.)

Es gibt jetzt Arbeiter und Angestellte, die Einkommenseinbußen haben, weil sie ihren Job verlieren, weil sie in Kurzarbeit sind, weil sie die Überstunden nicht mehr machen können, die sie jahrelang gemacht haben; sie haben Verluste. Die Selbstständigen haben Einkommensverluste, weil sie die Umsätze, die sie vorher hatten, nicht mehr machen können. Manche stehen vor dem Konkurs, haben 30 Jahre in ihr Unternehmen hineingehackelt und bekommen jetzt nichts mehr, manche haben durch die verfehlte Politik der Regierung ein Quasiberufsverbot auferlegt bekommen. Dem gegenüber – und da sind wir jetzt bei der Spaltung der Gesellschaft – stehen die Fixgehaltsbezieher: die Pensionisten, die Beschäftigten im öffentlichen Dienst und auch wir Politiker, bei denen das Geld jeden Monat fadengerade hereinkommt. In Zeiten wie diesen Geld zu denen hin zu verteilen, die kein Risiko haben, bei denen es jeden Monat direkt hereinschneit, das ist nicht gerecht, und das ist das, was Sie jetzt schon wieder machen. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenruf bei der SPÖ.)

16.11



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 210

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Herr. – Bitte.


16.11.27

Abgeordnete Julia Elisabeth Herr (SPÖ): Sehr geehrtes Hohes Haus! Hallo an alle, die zu Hause zuschauen! Die Regierung, bestehend aus ÖVP und Grünen, streicht heute die Hacklerregelung. Die Bundesregierung schafft also die Möglichkeit, nach 45 Jahren ohne Abschläge in Pension zu gehen, ab. Lustigerweise hat sogar der Bundeskanzler selbst vorhin noch erklärt, dass man sie ja erst vor einem Jahr eingeführt hat. Er hat gesagt: Einige Parteien haben das damals beschlossen. – Herr Bundes­kanzler, ich glaube, die ÖVP war es. (Bundeskanzler Kurz: Nein! – Zwischenrufe bei der ÖVP: Nein!) – Nein? Die ÖVP hat bei der Hacklerregelung nicht mitgestimmt? (Heiterkeit bei der FPÖ. – Abg. Kickl: Er war ja nicht dabei! – Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Der Punkt ist, dass August Wöginger, live hier im Zuge dieser Debatte, gesagt hat: Wer ein Leben lang gearbeitet hat, darf nicht der Dumme sein. – Das ist ja eigentlich Wahlbetrug, wenn man vor der Wahl etwas verspricht, wenn man sagt, man wird sich dafür einsetzen, und dann nach der Wahl einfach nicht mehr darüber redet, sondern es sogar abschafft. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Was heißt hier nein? Ich bin schon der Meinung, dass der ÖVP-Obmann damals Sebastian Kurz und nicht Weihnachtsmann geheißen hat – das möchte ich hier nur richtigstellen –, und ich frage Sie (Zwischenrufe bei der SPÖ): Können wir uns das nicht leisten, dass man nach 45 Jahren in Würde und Respekt altern kann, mit einer Pension, von der man gut leben kann, eben ohne Abschläge?

Sagen wir, die Hacklerregelung kostet 40 Millionen Euro, sagen wir, sie kostet sogar mehr. Setzen wir es bitte in Relation! Die Schaumweinsteuersenkung, die Sie im Frühjahr beschlossen haben, im Übrigen als Maßnahme aufgrund der von Corona ausgelösten Wirtschaftskrise (Abg. Loacker: Doch nicht jedes Jahr ... dazu! – Rufe und Gegenrufe zwischen Grünen und NEOS), kostet 26 Millionen Euro. – Ganz wichtig, diese Senkung der Schaumweinsteuer! Die Profitinteressen der Schaumweinhersteller, für die Sie die Steuer gesenkt haben, werden Ihnen ja wohl nicht wichtiger sein als die Menschen, die 45 Jahre gearbeitet haben! Das kann ja nicht wahr sein! (Beifall bei der SPÖ.)

2 Milliarden Euro sind in diesem Budget für Steuergeschenke für Millionäre und Millio­närinnen, für Konzerne und Großgrundbesitzer enthalten, nur für die Hacklerrege­lung reicht es nicht. Ob das ein Zufall ist? – Ich denke nicht. Das zeigt, für wen Sie hier Politik machen. (Ruf bei der SPÖ: Wer zahlt die Krise?)

Wie kommt man bitte überhaupt in der Zeit der größten Sozial- und Wirtschaftskrise in der Zweiten Republik, in der die Arbeitslosigkeit immer weiter steigt, auch bei den über 50-Jährigen, in der sich Armut wieder manifestiert, darauf, dass man sagt: So, und jetzt kürzen wir bei den Pensionen!? – Wie kommt man darauf? (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der SPÖ: ... ÖVP-Wirtschaft ...! – Zwischenruf des Abg. Scherak.)

Ja, es ist eine Kürzung, ich rechne es kurz nach: Für all jene, die 45 Jahre lang gearbeitet haben, bleiben jetzt bis zu 240 Euro pro Monat weniger, bei den Luxuspensionen aber – so haben es die NEOS formuliert: die Hacklerregelung sei ja für die oberen Zehntausend – wird von dieser Regierung im Übrigen nicht gekürzt. Das ist da ja noch zusätzlich eine große Ungerechtigkeit. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Loacker.)

Eines sage ich noch dazu: Es ist sicher kein Pensionsgeschenk, wenn man nach 45 Jahren, in denen man gearbeitet und in dieses System eingezahlt hat, dann zurück­bekommt, was man selbst geleistet hat. Sie nennen das Geschenk – das ist doch ein Witz! (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei den NEOS: Du weißt ja nicht, was ...!)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 211

In Wirklichkeit geht es doch darum: Welchen Wert hat Arbeit in unserer Gesellschaft? (Abg. Wöginger: Ja!) Welchen Wert hat Arbeit für diese Regierung? Was ist der Wert unserer Arbeitskraft? Was ist der Wert unserer Lebenszeit? 45 Jahre lang, mehr als die Hälfte seines Lebens, zu arbeiten, ist für Sie nicht einmal eine volle Pension wert? – Das ist doch das Problem, das wir haben, und wenn Sie immer sagen: Arbeit muss sich lohnen, wer arbeitet, darf nicht der Dumme sein!, dann hoffe ich, dass sie entweder die Hacklerregelung heute nicht zu Fall bringen oder diese Sätze nie wieder in den Mund nehmen.

Sie beweisen hier heute nämlich genau das Gegenteil: Wer 45 Jahre lang gearbeitet hat, hat in Ihren Augen kein Recht auf eine volle Pension. Das ist das wahre Problem: der Wert der Arbeit, den Sie ganz einfach missachten. 45 Jahre müssen genug sein! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Amesbauer.)

16.15


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Abgeordneter Klubobmann Wöginger zu Wort gemeldet. – Bitte.


16.16.05

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Frau Abgeordnete Herr hat behauptet, die ÖVP habe im September vorigen Jahres der Abschlagsfreiheit für die Langzeitversicher­tenregelung zugestimmt.

Ich berichtige tatsächlich: Den Abänderungsantrag, mit dem die Abschlagsfreiheit geregelt war, hat die Volkspartei abgelehnt. In der dritten Lesung haben wir zugestimmt, weil es um die Pensionsanpassung für dieses Jahr gegangen ist. (Zwischenruf der Abg. Herr. – Heftiger Widerspruch bei SPÖ und FPÖ.) Den Abänderungsantrag aber haben wir abgelehnt, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

16.16


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Zarits. – Bitte.


16.16.50

Abgeordneter Christoph Zarits (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundes­kanzler! Meine geschätzten Damen und Herren! Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause vor den Fernsehgeräten! Herr Kollege Wurm, wenn ein Abgeordneter der FPÖ gerade in dieser herausfordernden Zeit von Vernunft redet, dann kann ich dazu eigentlich nicht mehr viel sagen, das muss ich ganz ehrlich sagen; und Kollege Wimmer, zu Ihrer Rede, in der Sie so viele falsche Dinge behauptet haben, kurz zusammen­gefasst: Irren ist menschlich, immer irren ist sozialdemokratisch, glaube ich, meine geschätzten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Gehen wir 30 Jahre zurück, Herr Kollege Wimmer – frei nach dem großen SPÖ-Kanzler –: Lernen Sie Geschichte, Herr Kollege! – Ich glaube, das Pensionssystem wurde im Jahr 1970 entwickelt und seitdem ist sehr, sehr viel passiert. (Abg. Belakowitsch: 1990 ... Kreisky!) Zum Glück ist die Sozialdemokratie nicht mehr in der Regierung – das ist ein Glücksfall für diese Republik – und die Leute werden zum Glück immer älter, die Lebenserwartung steigt, weil wir ein gutes Gesundheits- und Sozialsystem haben. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Derzeit ist es so, dass jede Österreicherin, jeder Österreicher im Laufe ihres/seines Erwerbslebens im Durchschnitt nur so viel einzahlt, dass er acht Jahre in Pension sein könnte, tatsächlich ist es aber so, dass wir 23 Jahre in Pension sind, und da merkt man – dazu brauche ich nicht den Kollegen Taschner –, dass sich das irgendwann einmal nicht mehr ausgeht. Das müsste sogar Kollege Wimmer nachrechnen können, meine ge­schätzten Damen und Herren. (Zwischenruf des Abg. Rainer Wimmer.) Irgendwann


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 212

bleibt für unsere Kinder, für unsere Enkelkinder nichts mehr übrig, und darum müssen wir eingreifen. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe der Abgeordneten Belakowitsch und Stefan.)

Jeder, der sich ein bisschen auskennt – das möchte ich auch noch festhalten –, weiß, dass die Langzeitversichertenregelung, die sogenannte Hacklerregelung, unter Bundes­kanzler Dr. Wolfgang Schüssel eingeführt wurde. Sie wurde dann tausendmal geändert, der Herr Bundeskanzler hat das ja schon angesprochen. Bei jeder letzten Sitzung der jeweiligen Gesetzgebungsperiode fällt der Sozialdemokratie etwas ein und das Geld ist abgeschafft. (Zwischenruf des Abg. Wurm.) Das war so im Jahr 2008, danach hat man unter einem roten Bundeskanzler evaluiert – vielleicht kennt ihn noch jemand: Werner Faymann, das war so ein grau melierter Mann –, auf einmal ist man draufgekommen: 1,5 Milliarden Euro mehr in der GP 2008 bis 2013. (Zwischenruf des Abg. Rainer Wimmer.) So sind wir draufgekommen, dass wir etwas ändern müssen, Herr Kollege Wimmer. Gemeinsam mit der Sozialdemokratie haben wir ein Bonus-Malus-System verhandelt und eingeführt, mit 4,2 Prozent Abschlägen, weil wir auf der einen Seite die Menschen länger in Beschäftigung halten wollten, auf der anderen Seite sollte natürlich für unsere Kinder und Enkelkinder noch etwas übrig bleiben.

Dabei war Bundeskanzler Faymann; ich sehe da Kolleginnen und Kollegen, die auch dabei waren – zum Glück nicht in derselben Position wie heute, denn damals hatten sie noch Regierungsverantwortung –: Doris Bures, Gabriele Heinisch-Hosek und natürlich auch Alois Stöger. – Na, was sagt man dazu? (Zwischenruf des Abg. Wurm.) Und wer war – ich habe nachgeschaut – im Jahr 2010 noch dabei? – Damals war er Präsident der Wiener Austria, jetzt ist er Präsident des Gewerkschaftsbundes.

Jetzt sagen Sie mir, was an einem Beschluss, bei dem der jetzige Gewerkschafts­präsident vor zehn Jahren mitgestimmt hat, schlecht sein kann! Das müssen Sie mir erklären! Und wir werden die Hacklerregelung nicht abschaffen, sondern wir werden sie zu dem zurückführen, was sie vor dem 1.1.2020 war, was wir mit euch (in Richtung SPÖ weisend) im Jahr 2010 nämlich ausgemacht haben, meine geschätzten Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Das möchte ich für alle Freiheitlichen, für alle Sozialdemokraten, für alle Freunde in der Arbeiterkammer, für alle Freunde in der Gewerkschaft einmal klarstellen: Wir werden sie nicht abschaffen! Jeder, der 45 Beitragsjahre hat, das sind 540 Beitragsmonate, kann mit 62 in Pension gehen, natürlich mit Abschlägen (Abg. Wurm: Ja, ja!), aber – Gust Wöginger hat es gesagt – mit einem Bonus dazu (Zwischenruf bei der SPÖ), mit dem wir diesmal auch die Frauen mitberücksichtigen, meine geschätzten Damen und Herren.

Wir wollen ein gerechtes Pensionssystem, dafür stehen wir, und das werden wir auch umsetzen, meine geschätzten Damen und Herren! (Anhaltender Beifall bei der ÖVP und Beifall bei Abgeordneten der Grünen.)

16.20


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schnedlitz. – Bitte.


16.21.01

Abgeordneter Michael Schnedlitz (FPÖ): Herr Präsident! Werte Mitglieder der Regierung! Hohes Haus! Werte Sozialdemokraten, ich muss mit Ihnen beginnen, weil ich nicht verstehe, warum Sie dieses wichtige Thema dazu nutzen, um auf die Bauern hinzuhauen und hinzutreten, da doch Faktum ist, dass auch die Bauern schon längst die Leidtragenden dieser verfehlten türkisen Politik in diesem Land sind. Da muss man nicht noch hinten nachtreten, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)


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Herr Bundeskanzler, wenn Sie sich mit einem Grinser im Gesicht hier herausstellen und davon sprechen, dass, wenn sich Abgeordnete dafür einsetzen, den Anschlag, den Sie auf die Fleißigen in diesem Land vorhaben, zu verhindern, das Unterhaltungswert hätte, dann ist das letztklassig.

Anscheinend gibt es aber zwei Welten in diesem Land. Da gibt es auf der einen Seite die Welt der fleißigen Arbeiter und Angestellten. Das sind diejenigen, die unser Sozialsystem am Leben und am Laufen halten, sehr geehrte Damen und Herren. Das sind diejenigen, die seit den Siebzigerjahren teilweise durchgehend arbeiten. Das sind diejenigen, denen wir es zu verdanken haben, dass Österreich, dass unser Land so dasteht, wie es dasteht. Und ganz egal, aus welcher Branche oder aus welcher Berufs­gruppe, sehr geehrte Damen und Herren – das sind die Fleißigen, die ihr Leben lang gearbeitet haben. Das ist die reale Welt auf dieser Seite. Das sind diejenigen, die 45 Jahre lang eingezahlt haben. Und 45 Jahre sind genug, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)

Dann gibt es die zweite Welt, eine Art Parallelwelt, das wahre Problem, sehr geehrte Damen und Herren. Darin bewegen sich die, die glauben, sie stehen über den Dingen. Darin bewegen sich die, die die fleißigen Österreicherinnen und Österreicher nicht nur als Leibeigene während der Covid-Krise betrachten, sondern anscheinend auch als Arbeitssklaven, die man ausbeuten kann, damit sie unser Sozialsystem aufrechter­hal­ten. Ich spreche von der türkis-grünen Regierung, sehr geehrte Damen und Herren, von den türkis-grünen Regierungspolitikern (Zwischenruf des Abg. Sieber), den Privilegier­ten, denjenigen, die glauben, sie sind etwas Besseres, etwas Besseres als der fleißige Hackler, besser und höhergestellt als die Bevölkerung. – Das sind Kurz, Blümel und die Kollegen der ÖVP (Ruf bei der ÖVP: Das ist eine unglaubliche Unterstellung!), sehr geehrte Damen und Herren. Das sind die, die bei ihrem Freund Martin Ho Luxus, Sushi und Co konsumieren, während viele im realen Leben nicht einmal mehr wissen, wie sie Grundnahrungsmittel kaufen können.

Dann werden solche Artikel veröffentlicht – ich zitiere –: „Szene-Gastronom Martin Ho erhielt [...] von der ÖVP im Jahr 2018 60.000 Euro“. Allein für eine Party im engeren Kreis aus Anlass von 100 Tage Regierung gab die Partei mehr als 26 000 Euro aus! – Das ist die abgehobene Welt der ÖVP, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenrufe der Abgeordneten Pfurtscheller und Gabriela Schwarz.) 26 000 Euro – in einer Nacht geben Sie mehr aus, als ein Arbeiter, ein Hackler, ein Angestellter teilweise in einem ganzen Jahr verdient. So abge­hoben und so realitätsfremd sind Sie, sehr geehrte Damen und Herren! (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Wenn ich schon bei abgehoben und realitätsfremd bin (Abg. Pfurtscheller: Ich bin es auch!), dann ist das ein gutes Stichwort, denn dann bin ich auch schon bei den Grünen: als Paradebeispiel Frau Kollegin Maurer, die sich seit ein paar Wochen als moralische Instanz hier im Parlament aufspielt. Das ist die Kollegin, die ganz Österreich nicht wegen ihrer großartigen Leistung als Klubobfrau kennt, sondern wegen eines Fotos: mit einer Hand den Stinkefinger zeigend, mit der zweiten Hand das Champagnerglas haltend. Bravo! Champagner! – Das zeigt Ihre Geisteshaltung zur Leistung in diesem Land, das ist Ihre Welt. (Beifall bei der FPÖ.)

Die reale Welt kennen Sie gar nicht mehr auf Ihrem hohen Politikerross. Frau Kollegin Maurer – und das ist ja das Problem – kann doch gar nicht greifen, was 45 Beitragsjahre und Arbeitsjahre sind. Wahrscheinlich kann sie 100 Jahre alt werden und kommt nicht auf 45 Jahre. Das ist das Problem (Zwischenruf des Abg. Lukas Hammer), warum Sie hier so über die Bevölkerung drüberfahren. (Beifall bei der FPÖ.)


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Das ist schon keine Parallelwelt mehr, sehr geehrte Damen und Herren, das ist schon fast ein Knacks in der Matrix. Sie bewegen sich in einem unsichtbaren Parallel­univer­sum. (Zwischenruf des Abg. Lukas Hammer.) Sie sind die Raubritter des 21. Jahr­hunderts, türkis-grüne Pensionsraubritter! Das ist die Wahrheit. Sie verstehen einfach nicht, wie es ist, wenn man ein Leben lang arbeitet und schuftet. Sie verstehen nicht, was es heißt, ein Leben lang Krankenversicherungsbeiträge zu zahlen und dann monatelang auf eine notwendige Behandlung zu warten oder jetzt aufgrund der Maßnahmen seitens der Regierung wegen Covid gar nicht behandelt zu werden, obwohl man die Krankenversicherungsbeiträge eingezahlt hat. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie verstehen nicht, wie es ist, wenn man überhöhte Steuern zahlt und mit seinem Einkommen kein Auskommen mehr findet, damit Regierungspolitiker von Türkis-Grün Hunderte Millionen ins Ausland und an die EU schicken. Weil Sie so realitätsfremd sind, verstehen Sie auch nicht, wie es ist, wenn Sie in die Taschen der Fleißigen in diesem Land greifen (Zwischenrufe bei den Grünen) und die Pension angreifen und somit auch noch den Ausblick für die Zukunft nehmen. (Zwischenruf der Abg. Pfurtscheller.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Faktum ist, in einer Demokratie ist alles finanzierbar, was der Politiker finanzieren will – alles. Wenn man den Fleißigen eine würdige Pension nimmt, dann nimmt man sie ihnen nicht, weil man sie nicht finanzieren kann, dann nimmt man sie, weil man sie ihnen nehmen will.

Da die Grünen auch den Gap zwischen Frauen- und Männerpensionen angesprochen haben: Es ist nicht fair, sehr geehrte Damen und Herren, diesen Gap geringer zu machen, indem Sie den Männern die Pensionen kürzen. Fair ist es, wenn Sie die Pensionen für die Frauen erhöhen und wenn sie Kinderbetreuungszeiten anrechnen, denn nur dann haben die Frauen etwas davon. Das hat die Bevölkerung schon lange durchschaut, sparen Sie sich Ihre Taschenspielertricks! (Beifall bei der FPÖ.)

Und wenn Sie dann gleichzeitig hergehen und über eine halbe Milliarde Euro Steuer­geld – über 500 Millionen Euro Steuergeld! –, das nicht Sie erwirtschaftet haben, Herr Kurz, oder die werten Herren und Damen von den Grünen, sondern die, gegen die Sie jetzt ausrücken, um ihnen Geld aus der Tasche zu ziehen, der EU nachwerfen und ins Ausland schicken, dann ist das ein Offenbarungseid, ein Offenbarungseid, der da lautet: Ihnen ist es wichtiger, das österreichische Steuergeld für die EU, für Zuwanderung und für Auslandshilfe zu verwenden, als den eigenen Leuten in diesem Land in dieser Krise zu helfen.

Sehr geehrte Damen und Herren, das unterscheidet uns. Wir Freiheitlichen sind die einzige Arbeiterpartei, die Prioritäten in dieser Frage setzt (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPÖ – Zwischenrufe der Abgeordneten Rainer Wimmer und Stögmüller), die Einzigen, die ehrlich dazu stehen, dass uns die heimischen fleißigen Arbeiter wichtiger sind als die EU und Zuwanderung. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Stögmüller.) Unsere freiheitliche Haltung ist klar: fleißige Österreicherinnen und Österreicher zuerst! Umgangssprachlich könnte man sagen: Das Hemd ist uns näher als der Rock.

Es braucht faire Pensionen, die sich lohnen. 45 Jahre sind genug, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)

16.27


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Abgeordnete Disoski zu Wort gemeldet. – Bitte.


16.28.03

Abgeordnete Mag. Meri Disoski (Grüne): Herr Präsident! Ich berichtige tatsächlich gemäß § 58 (1): Herr Schnedlitz hat eben gesagt, die grüne Klubobfrau Sigi Maurer habe als Ausdruck ihrer Geisteshaltung mit einem Champagnerglas posiert (Abg. Kickl: Das


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war Prosecco, oder? – weitere Rufe bei der FPÖ: ... Prosecco!) und dabei den Stinke­finger gezeigt. – Das ist nicht wahr.

Ich berichtige tatsächlich: Frau Maurer hat aufgrund von sehr vielen Nachrichten, die sie auf Social Media erreicht haben, die Gewaltfantasien, die Vergewaltigungsfantasien ihr gegenüber zum Ausdruck gebracht haben, den Mittelfinger gezeigt. (Beifall bei den Grünen. – Heiterkeit und Zwischenrufe bei Abgeordneten der FPÖ.)

16.28


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Koza. – Bitte.


16.28.41

Abgeordneter Mag. Markus Koza (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte ZuseherInnen! Im Zusammenhang mit der Diskussion rund um eine ab­schlagsfreie Hacklerregelung oder Langzeitversicherungsregelung, wie sie in Wirklich­keit heißt, ob ja oder nein, wird immer wieder ins Treffen geführt und auch heute immer wieder erwähnt, man solle doch bitte nicht spalten, man solle doch bitte nicht die Frauen gegen die Männer ins Feld führen, wenn es um die Hacklerpension geht. Nein, das muss man auch gar nicht. Es fallen nämlich nicht nur Frauen um die Hacklerpension um, es fallen auch wahnsinnig viele Männer um die Hacklerpension um.

Es kommen wahnsinnig viele Männer, die große Mehrheit der Männer, die Beiträge zahlen, die hier arbeiten, die hier in diesem Land leben, nicht in den Genuss einer Hacklerregelung. Sie haben keine Chance darauf, weil sich die Arbeitswelt in den letzten Jahren und Jahrzehnten – wir alle wissen das – so geändert hat, dass praktisch die Möglichkeit einer durchgängigen Erwerbslaufbahn, die tatsächlich noch 45 Beitragsjahre erlaubt, für so gut wie niemanden gegeben ist, unabhängig davon, ob Mann oder Frau, aber ganz besonders für Frauen nicht.

Und nein, es ist kein Ausspielen! Es ist kein Ausspielen, sondern es geht um Gerechtig­keit. Es geht um Gerechtigkeit in diesem Pensionssystem für Männer und für Frauen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Was mich bei dieser Diskussion auch unglaublich gestört hat: Es ist wahnsinnig viel von den Fleißigen und Anständigen und von den Menschen in diesem Land, die anpacken, die Rede – und immer im Zusammenhang mit denjenigen, die hier 45 Jahre Beiträge geleistet haben. Das ist nicht die Lebensrealität von den meisten fleißigen Menschen in diesem Land, die hier arbeiten, hier Leistungen erbringen. Die Lebensrealität ist eine ganz andere. Das Pensionssystem ist nicht nur für diejenigen da, die 45 Beitragsjahre leisten. Es ist auch für die da, die 35 Beitragsjahre leisten, die 30 Beitragsjahre leisten oder nicht einmal das schaffen, weil sie oft von Arbeitslosigkeit betroffen sind, weil sie ihre Jobs verlieren, weil sie sich umschulen lassen müssen, weil sie die Jobs wechseln müssen, weil sie Kinder zu betreuen haben, weil sie zu pflegen haben, weil sie krank sind. Die schaffen diese 45 Jahre nicht, und unser Anspruch an ein Pensionssystem ist der, dass es allen ArbeitnehmerInnen, allen Menschen in diesem Land ein Altern in Würde und in Gerechtigkeit bietet, und das tut es jetzt viel zu wenig! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wenn wir von Gerechtigkeit reden, dann reden wir über die real existierenden Pensionen in diesem Land! Ich habe Ihnen da eine Tafel mitgebracht, die das wunderbar ver­anschaulicht, wie die Situation der Pensionistinnen und Pensionisten im Jahr 2019 war. (Der Redner hält eine Tafel in die Höhe, auf der unter der Überschrift „Vergleich Pen­sionen Neu“ ein Säulendiagramm zu sehen ist.)


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Ganz links sehen Sie die Frauenpensionen: 1 035 Euro Durchschnittspension brutto im Monat. Die Armutsgefährdungsschwelle liegt bekanntlich bei 1 200 Euro. Alle Pensio­nen, also gesetzliche Alterspensionen von Männern und Frauen, liegen durchschnittlich bei 1 313 Euro im Jahr 2019. Und da sehen Sie jene, die eine Langzeitversicher­tenpension haben: Diese liegt im Durchschnitt mit der Abschlagsfreiheit heute bei 2 845 Euro im ersten Halbjahr. Die Langzeitversichertenpensionen sind mehr als zwei­einhalb Mal so hoch wie die niedrigste Frauenpension.

Und es geht hier nicht um Neid. Es geht um Zahlen, es geht um Realitäten, es geht um Gerechtigkeit – um Gerechtigkeit auch für diejenigen, die nur 35 Jahre arbeiten, lohn­arbeiten, erwerbsarbeiten, denn arbeiten tut ein jeder, die nur 30 Jahre arbeiten oder noch kürzer, diese haben auch ein Recht auf eine faire Pension. Jene Menschen, die ihr Arbeitsleben im Alter von 15, 16 Jahren begonnen haben, die im Alter von 20 Jahren Kinder bekommen haben, die ihren Job verloren haben, die ihren Job aufgeben mussten, die den Job wechseln mussten, auch jene Menschen haben sich ein Recht auf Fairness verdient, diese haben sich ein Recht auf gerechte Pensionen verdient. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Man wird sich die Frage stellen dürfen und die Frage stellen müssen, ob es fair und gerecht ist, wenn ein großer Teil der Steuermittel zur Mitfinanzierung von hohen Pen­sionen herangezogen wird. Nicht falsch verstehen: Das ist vollkommen richtig, weil die Menschen lange Versicherungszeiten haben, weil sie lange Zeit Beiträge geleistet haben, ja, sie sollen ihre hohen Pensionen bekommen, das ist vollkommen in Ordnung, das ist total fair, und sie sollen auch mit 45 Beitragsjahren in Pension gehen können, vollkommen in Ordnung. Darüber redet kein Mensch, das will kein Mensch abschaffen – manche wollen es vielleicht doch abschaffen –, aber man wird darüber reden müssen, ob es gerecht ist, dass ein guter Teil der Steuermittel, der zusätzlichen Steuermittel genau da hineinfließt.

Wir sagen, wir finden es gerechter, wenn die Menschen, die tatsächlich lange Aus­bildungszeiten und frühe Ausbildungszeiten haben, die früh zu arbeiten begonnen haben, die genauso LeistungsträgerInnen in diesem Land sind, auch wenn sie nicht die 45 Jahre schaffen, eben aufgrund der Realitäten in der Arbeitswelt, wenn auch diese Menschen eine entsprechende Würdigung, nicht Würdigung, eine entsprechende Ent­lohnung bekommen, weil sie ihnen als Recht zusteht. Und wer davon spricht, dass 60 Euro im Monat, 840 Euro im Jahr für eine Frau mit einer Pension von 1 035 Euro ein Almosen sind, der oder die hat von Verteilungsgerechtigkeit, hat von Gerechtigkeit in diesem Land nichts verstanden! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es ist ja nicht so, wenn man Maßnahmen im Pensionsbereich setzt, dass man auf un­glaubliche Zustimmung und Begeisterung stößt, aber es hat mich schon sehr gefreut, dass eine wirklich anerkannte Pensionsexpertin in diesem Land, nämlich Christine Mayrhuber vom Wifo, gestern im „Standard“ mit den Worten zitiert wurde, dass sie den Frühstarterbonus sehr „interessant“ findet, insbesondere auch, weil die Hackler endlich neu „definiert“ werden: „Das sind nun jene, die“ schon früh eine Ausbildung gemacht haben, unabhängig von der Versicherungsdauer.

Weiters sagt sie – Herr Präsident Hofer ist jetzt leider nicht da –: Dieser Frühstarterbonus ist „ein zielgerichtetes Mittel gegen Altersarmut“, „das vor allem Frauen hilft“. (Abg. Loacker: Das ist schon einmal sicher falsch!) Dann sind wir wahrscheinlich auf der richtigen Seite, insbesondere dann, wenn Kollege Loacker sagt, wir liegen falsch. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.35


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Shetty. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 217

16.35.38

Abgeordneter Yannick Shetty (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundes­ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es geht um eine geplante Änderung im Pensionssystem, und Sie wissen, dass wir NEOS da immer eine sehr, sehr klare Haltung haben. Diese klare Haltung wird oft missverstanden und, ich würde auch unter­stellen, durchaus bewusst missinterpretiert. Deswegen würde ich gerne vorweg eine Sache klarstellen: Uns geht es nicht und uns ging es nie darum, Pensionistinnen und Pensionisten etwas wegzunehmen.

Meine Oma ist 85 Jahre alt, sie hat drei Kinder großgezogen, ihr ganzes Leben lang gearbeitet. Es gibt vermutlich niemanden, dem ich mehr als ihr – oder Menschen wie sie – eine gute Pension gönne. Ich nehme es daher persönlich, wenn uns, so wie heute auch schon, gewisse Abgeordnete im Hohen Haus plump und pauschal vorwerfen, dass wir den älteren Menschen nichts gönnen würden. Es handelt sich dabei um ein Tot­schlagargument derer, die populistische Politik machen und keine Argumente mehr haben und deswegen mit solchen „Argumenten“ hier arbeiten.

Wir gönnen jedem Pensionisten und jeder Pensionistin eine gute Pension, aber wir gönnen auch jedem Erwerbstätigen und den jungen Menschen in diesem Land, dass sie einmal eine Pension bekommen, von der sie leben können.

Wir wollen ein treffsicheres, wir wollen ein nachhaltiges und ein generationengerechtes Pensionssystem: treffsicher, indem wir jene Pensionistinnen und jene Pensionisten unterstützen, die eine besondere Hilfe wirklich benötigen – ich komme später dazu, warum das gerade jetzt nicht passiert –; nachhaltig, indem wir nicht wie heute für populistische Wahlgeschenke das Geld derer verschwenden, die es dann zahlen müs­sen; und generationengerecht, indem wir dieses System, das nicht mehr funktioniert, grundlegend erneuern – Stichwort Pensionsautomatismus.

Mein Kollege Gerald Loacker hat schon gesagt, dass das, was von SPÖ und FPÖ heute hier veranstaltet wird, eine Politik für die oberen Zehntausend des Pensionssystems ist. Warum? – Es gehen jedes Jahr 100 000 Personen in Pension, und SPÖ und FPÖ wollen mit der Abschlagsbefreiung ausgerechnet jenen 10 000 Personen, die mit den höchsten Pensionen in Pension gehen, eine noch höhere Pension zukommen lassen.

Die Durchschnittspension liegt bei 1 200 Euro. Bei jenen, die begünstigt durch die abschlagsfreie Frühpension in Pension gehen, liegt die durchschnittliche Pension auch schon vor der Abschlagsbefreiung bei 2 600 Euro. Das ist einfach nicht treffsicher.

ÖVP und Grüne sind aber nicht besser. Das, was wir jetzt präsentiert bekommen, ist wieder eine teure Pensionsregelung, da die abschlagsfreie Frühpension durch eine an­dere teure Pensionsregelung ersetzt wird, und das alles auf Kosten der nächsten Generation, der Folgegenerationen. Dabei wissen wir, dass die Armutsgefährdung ge­rade bei den jungen Menschen besonders hoch ist, der Anteil unter diesen ist höher als unter Pensionistinnen und Pensionisten.

So weist der Ökonom Bernhard Hammer regelmäßig darauf hin, dass nicht die Pen­sionistenhaushalte am meisten armutsgefährdet sind, sondern insbesondere Jungfami­lien. Die Armutsgefährdung bei Pensionistenhaushalten liegt bei ungefähr 15 Prozent, bei Jungfamilien um die 21 Prozent und bei Alleinerziehenden sogar bei über 30 Pro­zent. Während die Pensionen seit vier Jahren regelmäßig mit begrenzter sozialer Treffsicherheit über der Inflation erhöht werden, schüttet die Regierung Jungfamilien mit Bürokratie zu und wirft ihnen Knüppel zwischen die Beine. Zum anderen, um das Ganze in einen ganz aktuellen Kontext zu stellen, werden Schulen und Kindergärten ge­schlossen und wird auch der Familienhärtefonds maximal bürokratisch ausgestaltet.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 218

Sie betreiben also nicht nur eine zynische Pensionspolitik auf dem Rücken der jungen Menschen, Sie betreiben auch eine zynische Familienpolitik, vor allem für Jungfamilien.

Jetzt möchte ich noch einen Punkt ansprechen, den, glaube ich, sogar Kollegin Herr von der SPÖ angesprochen hat, nämlich die Luxuspensionen. Im Pensionsanpassungs­gesetz, das heute beschlossen wurde, haben Sie bei der Deckelung der Pensions­anpas­sung auf die Luxuspensionen vergessen. Das muss man sich einmal vorstellen: Wäh­rend die Pensionserhöhung 2021 für den ehemaligen Chauffeur von Altkanzler Franz Vranitzky mit 35 Euro beschränkt wird, wird Franz Vranitzky bei einer Monatspension von 30 000 Euro eine Pensionserhöhung von 450 Euro zugestanden! Darauf haben Sie vergessen, das ist wirklich unfassbar. Das ist nicht treffsicher, nicht nachhaltig und nicht generationengerecht. (Beifall bei den NEOS.)

Ich möchte diese gesamte Thematik abschließend auch noch im Kontext mit der Coronakrise mit Ihnen diskutieren.

In Ihrer Erklärung zur Lage der Nation haben Sie, Herr Bundeskanzler, gesagt, dass eine Gruppe besonders hart von den Maßnahmen zur Eindämmung der Coronakrise getrof­fen wurde, und zwar haben Sie die ältere Generation genannt. So sehr das auch in Bezug auf die gesundheitlichen Risiken einer Infektion stimmt, so falsch ist diese Einschätzung in Bezug auf die zahlreichen Folgen der Pandemie auf den Arbeitsmarkt, den Sozialstaat und unser Bildungssystem. Die jungen Menschen erfahren durch die Coronakrise nämlich eine multiple Krise, wie ich sagen würde. Einerseits werden sie durch die Coronakrise auch besonders hart getroffen, vielleicht nicht unmittelbar in gesundheitlicher Hinsicht durch eine Coronainfektion, aber durch die gesundheitlichen Kollateralschäden.

Wir wissen aus einer umfassenden Untersuchung der Fakultät für Psychologie der Universität Wien, dass – Zitat – in der Gruppe der Erwachsenen zwischen 20 und 30 Jahren extreme Werte festgestellt werden, und aus einer jüngst veröffentlichten Unter­suchung geht hervor, dass Personen über 65 Jahre mit Abstand am besten durch die Krise kommen, während junge Erwachsene hingegen seit Beginn der Krise eine auffallend hohe Belastung zeigen.

Die Ursachen dafür sind vielfältig und individuell sehr unterschiedlich. Sie reichen beispielsweise, wie schon angesprochen, von Sorgen um die Gesundheit über Zukunftsängste bis hin zu Angst vor Jobverlust und Einsamkeit. Diese Gruppe ist also einerseits besonders hart durch die Coronakrise getroffen, andererseits trifft sie auch die Schuldenkrise, die ja schon seit sehr langer Zeit besteht, besonders hart, weil die Jungen ja auch die Milliarden, die wir jetzt ausgeben, irgendwann schultern müssen. Drittens werden sie aber auch deswegen besonders hart getroffen – wir werden das im Rahmen der Budgetwoche noch diskutieren –, weil durch die Coronakrise andere Krisen in den Hintergrund rücken. Anders, als es heute gesagt wurde, redet niemand mehr über die Klimakrise, sie spielt überhaupt keine Rolle mehr im Budget. Niemand redet mehr über die Krise unseres schrottreifen Sozialsystems und niemand redet mehr über eine akute Bildungskrise, die durch Corona noch einmal massiv verschärft wurde.

Ich wünsche mir und ich fordere Sie auf, dass wir auch die jungen Menschen in unserer Debatte nicht vergessen und dass wir im Zuge der Bewältigung der Coronakrise nicht eine neue Krise der Jungen produzieren, deren Folgen für unser Land katastrophal wären. (Beifall bei den NEOS.)

16.42


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Nussbaum. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 219

16.42.16

Abgeordnete Mag. Verena Nussbaum (SPÖ): Herr Präsident! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Die sogenannte Hacklerregelung beziehungsweise Langzeitversicherungsregelung betrifft Menschen, die 45 Jahre und eigentlich 47 Jahre gearbeitet haben und wahrscheinlich den Großteil ihrer körperlichen und psychischen Gesundheit für ihren Job gegeben haben. Genau diesen LeistungsträgerInnen nehmen Sie jetzt etwas von ihrer schwer verdienten Pension weg. Sehen Sie 45 Jahre harte Arbeit wirklich als Privileg an? 45 Beitragsjahre sind kein Geschenk. Das ist eine lange Zeit und das sind hart verdiente Beiträge.

Ich muss schon sagen, ich habe mich in den letzten Tagen wirklich sehr geärgert. Bei der Wiedereinführung der abschlagsfreien Pension kurz vor der letzten Nationalratswahl haben Sie von der ÖVP in der dritten Lesung auch für diese gestimmt; in der Zwi­schenzeit ist das ja auch klargestellt worden. Aber warum haben Sie denn mitge­stimmt? – Offensichtlich war das nur als Stimmenfang gedacht und als sonst gar nichts. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gödl: Nein, nein! ... verstehen Sie das noch immer nicht? – Zwischenruf der Abg. Gabriela Schwarz.)

Jetzt wollen Sie von der ÖVP und auch die Grünen, deren wahres Gesicht man schön langsam erkennen kann, diese Langzeitversichertenregelung wieder abschaffen und die Abschläge wieder einführen – einfach so, still und leise, ganz feig, ohne Diskussion im Ausschuss, obwohl man von den Grünen sonst immer hört, wie wichtig ihnen die Demokratie und Diskussionen sind; in diesem Fall offensichtlich nicht.

Sie machen das in der Hoffnung, dass dies in der laufenden Budgetdebatte oder im Zuge des Lockdowns medial untergehen wird, aber ich sage es ganz deutlich: Hier geht es um Pensionsraub. Jetzt den Männern mit dem Argument, dass keine Frau diese Regelung in Anspruch nehmen kann, bis zu 300 Euro im Monat zu rauben, ist wirklich unterste Schublade. (Beifall bei der SPÖ. – Heiterkeit des Abg. Gödl.)

Den Männern etwas wegzunehmen bringt den Frauen aber keinen Cent mehr, und ich möchte für die, die es immer noch nicht begriffen haben, noch einmal betonen: Frauen können mit 60 abschlagsfrei in Pension gehen, weil das ihr Regelpensionsalter ist. Dieser Frühstarterbonus ist ein absoluter Fake, weil 60 Euro im Monat niemals aus­gleichen, was jetzt abgezogen wird. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gödl: Ha ha!)

Wenn die Gleichstellungspolitik der Bundesregierung bedeutet, dass alle immer auf das unterste Niveau herabgestuft werden sollen, dann sehe ich die soziale Sicherheit in Österreich als massiv gefährdet. Abgesehen davon würden Frauen durch die Anhebung des Pensionsantrittsalters in Zukunft ebenso von dieser Regelung, von dieser ab­schlagsfreien Pension profitieren.

Wie wäre es denn mit Maßnahmen, die Frauen wirklich etwas bringen? Fair wäre es, eine verbesserte Anrechnung von Kinderbetreuungszeiten zu ermöglichen. Fair wäre eine Abschaffung der Lohnunterschiede, die immer noch ein Drittel ausmachen (Beifall bei der SPÖ), und fair wäre es, Frauen durch eine flächendeckende Kinderbetreuung in Österreich aus der Teilzeitfalle zu holen. Diese Maßnahmen könnten etwas ändern, aber die Abschaffung der abschlagsfreien Pension ist ein rein politisches Kalkül, denn sobald Leistungsträger Arbeitnehmer sind, sind sie offensichtlich für die ÖVP und für die Grünen nichts mehr wert, im Gegenteil. Aber es wird immer Geld da sein für Konzerne, für Superreiche und für Großbauern. (Ruf: Lassen Sie die Bauern einmal in Ruhe!)

Es geht darum, zu sagen, für wen wir Politik machen – die ÖVP offensichtlich nur für diese Klientel: Konzerne, Reiche und Großbauern. Die Arbeitnehmer kommen da nicht


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 220

mehr vor, die werden nur zur Kasse gebeten, und deshalb: nach 45 Beitragsjahren eine abschlagsfreie Pension! – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Höfinger.)

16.46


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Niss. – Bitte.


16.46.30

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Niss, MBA (ÖVP): Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Gott sei Dank hat sich diese Diskussion wieder ein bisschen beruhigt, das ist nämlich nicht so gut für Ihren Blutdruck, muss ich sagen. In dieser Diskussion jetzt geht es um die Abschaffung der sogenannten Hacklerregelung. Wie wir heute schon öfter gehört haben, hat sie diesen Namen eigent­lich nicht verdient, aber es ist anscheinend eine Regelung, die die SPÖ für fair erachtet, sonst würden wir heute deshalb nicht dastehen.

Auf diese Fairness, auf diese sozialistische Fairness möchte ich ein bisschen näher eingehen. (Zwischenrufe der Abgeordneten Heinisch-Hosek und Drozda.) Gerade Sie, Herr Kollege Muchitsch, haben ja immer wieder argumentiert, dass 45 Jahre genug sind. Es ist richtig, 45 Jahre sind wirklich eine lange Zeit, aber ich weiß nicht, ob es ge­rechtfertigt ist, dass man ohne Abschläge vorzeitig in Pension geht, zumal das einen Nachteil für die nächsten Generationen bringt. Ist das die sozialistische Fairness? – Eure anscheinend schon, unsere ist es nicht. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Die abschlagsfreie Langzeitversichertenregelung wurde mit 1.1.2020 eingeführt. Davor konnte sie nicht in Anspruch genommen werden. Abschläge von 4,2 Prozent mussten in Kauf genommen werden. Jetzt frage ich mich: Ist es ein Glücksspiel, wann man geboren wurde, ob 1947 oder 1948? – Die SPÖ sieht das offensichtlich so, wir sehen das nicht so.

Die abschlagsfreie Langzeitversichertenregelung kann ab 62 Jahren in Anspruch ge­nommen werden, das heißt, quasi keine Frau kommt in den Genuss dieser abschlags­freien Langzeitversichertenregelung. Ich finde es ja ein bisschen komisch, dass die SPÖ, dass Sie, Frau Heinisch-Hosek, sich so echauffieren, dass dieser sogenannte Pen­siongap zwischen Frauen und Männern immer weiter aufgeht. Sie selbst tragen dazu bei! Letztes Jahr, im Jahr 2019, lag dieser Pensiongap bei 51 Prozent, und jetzt steigt er auf unglaubliche 67 Prozent. Ist das Ihre sozialistische Fairness, Frau Heinisch-Hosek? – Unsere ist es auf jeden Fall nicht. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich komme zum letzten Punkt in Bezug auf Fairness: Die jetzigen Pensionen, sozusagen abschlagsfrei, sind um knapp 400 Euro im Monat höher, und das im Vergleich zu ohne­hin schon hohen Pensionen. (Ruf: Sauerei! Das ist eine Sauerei!) Komisch, dass die SPÖ das fair findet, wir finden auch das nicht fair.

Grundsätzlich, meine Damen und Herren, waren sich früher die Parteien eigentlich immer einig, dass zumindest das faktische an das gesetzliche Antrittsalter angepasst werden muss, und unter Ihrem Minister Hundstorfer – nennen Sie es, wie Sie wollen, ob er das abgeschafft hat oder ob er ein Bonus-Malus-System eingeführt hat – gab es jedenfalls diese abschlagsfreie Langzeitversichertenregelung nicht mehr; und es ist gut so. (Zwischenruf der Abg. Herr.) Ihr führt das ein – ich kann mir das, ehrlich gesagt, nicht erklären –, ihr schafft es wieder ab. Ich kann mir das nicht erklären und ich finde das eurem früheren Minister gegenüber auch nicht ganz fair. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Meine Damen und Herren, die Abschaffung dieser abschlagsfreien Langzeitversicher­ten­regelung – ich gebe mir wirklich Mühe, das Wort Hacklerregelung nicht in den Mund


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zu nehmen – ist genau der richtige Schritt. Wir sind es allen Pensionisten und Pensionis­tinnen schuldig – auch denen, die zukünftig zu solchen werden –, dass sie in eine verdiente und sichere Alterspension gehen können. Deswegen müssen wir alle (Abg. Belakowitsch: Weniger kriegen!) Hintertüren schließen, die zu so einem vorzeitigen Pensionsantritt führen können. Ich kann, ehrlich gesagt, damit leben, dass wir im Gegenzug dafür einen Frühstarterbonus einführen, weil wir damit die Lehre aufwerten – und die ist für diesen Standort tatsächlich sehr wichtig. (Beifall bei der ÖVP.)

Liebe SPÖ und, ehrlich gesagt, auch liebe FPÖ! Schon Erich Kästner sagte: „Es gibt nichts Gutes / außer: Man tut es.“ – Seid euch daher eurer Verantwortung bewusst! Hört mit dieser fadenscheinigen Rhetorik auf! Regt euch wieder ab und sichert mit uns gemeinsam ein nachhaltiges Pensionssystem! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Liebe NEOS, ein Wort auch noch zu euch, weil ihr euch immer als Vertreter von einem nachhaltigen Pensionssystem einsetzt: Dieser Koalitionspakt mit der SPÖ in Wien, dieser rot-rosa Koalitionspakt, hat das Wort Pensionsreform nicht einmal im Anschein erwähnt (Zwischenrufe der Abgeordneten Brandstötter und Shetty), hat diese lang­zeitige Angleichung der Beamtenpensionen an jene des Bundes nicht erwähnt. Ganz ehrlich gesagt, weil Frau Meinl-Reisinger, die jetzt nicht hier ist, immer wieder sagt, dass die Grünen das Wort Bildung nicht mehr in den Mund nehmen sollen: Nehmt ihr bitte das Wort Pensionsreform nicht mehr in den Mund! – Danke. (Beifall bei der ÖVP. – Zwi­schenruf des Abg. Eypeltauer.)

16.51


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Belakowitsch. – Bitte.


16.51.36

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist heute schon sehr viel gesagt worden, wenn ich aber kurz auf Ihre Ausführungen replizieren darf, Frau Kollegin Niss, darauf, was Sie gerade erklärt haben, warum die Situation zwischen Männern und Frauen so ungerecht ist – das sage ich als Conclusio –: Ja, geben wir allen weniger, dann gibt es keinen Unterschied mehr; nivellieren wir also alles nach unten. (Beifall bei FPÖ und SPÖ.) Wenn das der Weg der ÖVP ist, sage ich mit vollem Stolz: Da sind wir nicht dabei.

Wenn man hört, dass das die hohen Pensionen sind und jene sind, die eh so viel haben: Die haben es weder gestohlen noch haben sie es geschenkt bekommen, sondern sie haben es sich erarbeitet (Ruf bei der SPÖ: Genau!), und daher haben sie sich diese Pensionen verdient, meine Damen und Herren! (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

Ja, es muss einen Unterschied machen. Ich frage mich: Wo ist denn eure Leistungs­gerechtigkeit und euer Leistungsanspruch? Ihr gebt doch überhaupt keinen Anreiz mehr, länger arbeiten zu gehen und mehr Leistung zu erbringen, wenn ihr den Leuten, die tatsächlich 45 Jahre einbezahlt haben, die dieses Land und dieses System über 45 Jahre erhalten haben, jetzt sagt: Sorry, jetzt wollen wir nicht mehr, jetzt machen wir das anders, denn jetzt kommt etwas Neues, weil so der Herr Bundeskanzler dann wieder eine Pressekonferenz abhalten kann.

Meine Damen und Herren! Herr Wöginger ist nicht da, Frau Maurer ist nicht da, die haben ja heute schon eine Pressekonferenz zu eben diesem Thema abgehalten, in der sie großartig und vollmundig angekündigt haben, dass der Frühstarterbonus kommen wird: Den Frühstarterbonus bekommt man, wenn man in einem Alter zwischen 15 und 20 Jahren zu arbeiten begonnen hat und mindestens 25 Versicherungsbeitragsjahre geleistet hat. – Interessant, nur offensichtlich haben die beiden Herrschaften das


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Kleingedruckte nicht gelesen, denn der Bundeskanzler hat hier vor einiger Zeit etwas ganz anderes gesagt; er hat nämlich gesagt, man müsse 45 Jahre arbeiten. Da sind Herr Wöginger und Frau Maurer also offensichtlich wieder einer List des Herrn Bundes­kanzlers aufgesessen, weil sie gar nicht mitbekommen haben, worum es da wirklich geht.

Frau Maurer ist übrigens überhaupt eine ganz besonders Gescheite, die kennt sich nämlich im Pensionssystem überhaupt nicht aus. Da frage ich mich, was sich Herr Öllinger denkt, wenn er sich seine Nachfolgepartei heute im Fernsehen anschaut. Vielleicht, Kollegen von der ÖVP, schafft ihr es, dass Generaldirektor Pinggera der Freundin von Herrn Wöginger einmal einen Schnellsiedekurs im Pensionssystem gibt, damit auch Frau Maurer ein bisschen eine Ahnung hat, bevor sie hier ans Rednerpult tritt. (Beifall bei Abgeordneten der FPÖ.)

Und wenn es heißt, das sei alles so teuer, das können wir uns nicht leisten, weil wir ja das Pensionssystem nachhaltig gestalten müssen: Ich möchte nur darauf aufmerksam machen, dass allein Ihre „Schau auf dich, schau auf mich“-Kampagne 20 Millionen Euro gekostet hat – 20 Millionen Euro! –, das ist ungefähr die Hälfte dessen, was die Hackler­pension kostet. Diese 20 Millionen Euro wären bei den Arbeitern besser aufgehoben als bei Ihren komischen Kampagnen, die nichts bringen und die nur irgendwelchen ÖVP-nahen Agenturen das Geld zuschieben, meine Damen und Herren von der ÖVP! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Sie gehen gemeinsam mit den Grünen ans Werk, mit den Grünen, die sich als neue Arbeiterverräterpartei positionieren (Heiterkeit und Widerspruch bei Abgeordneten der Grünen), die hier überhaupt nichts für die Arbeitnehmer machen. Das ist Sozialabbau in Reinkultur, den wir hier heute erleben.

Das Erste, was jetzt abgebaut wird, ist die Hacklerpension. Aber wir sind ja auch schon letzte Woche von der Frau Arbeitsminister reingelegt worden. Es ist eh schön, dass sie hier ist – es freut mich, das finde ich toll –, im Gegensatz zum Sozialminister. Den könnte es auch interessieren, es ist ja sein Themenbereich, aber den interessiert es schon gar nicht mehr, hierherzukommen. (Abg. Loacker: Der kennt sich eh nicht aus!)

Damals haben wir die Sonderbetreuungszeiten beschlossen; und die Frau Minister hat sich im Sozialausschuss noch hingestellt und gesagt: Das gilt, wenn der Lockdown kommt und die Schulen zu sind! – Der Herr Bundeskanzler stellt sich am Samstag hin und sagt: Die Schulen sind zu (Zwischenruf bei der ÖVP), aber die Sonderbetreuungs­zeit gilt jetzt nicht, weil die Schulen ja Betreuung anbieten! – Das ist der nächste Schmäh, den diese ÖVP den Österreichern aufgebürdet hat. Da lässt man die Mütter daheim im Stich, da lässt man die Familien weiterhin im Stich. Das ist diese ganze Partie von der ÖVP. Das zieht sich durch wie ein roter Faden, das geht vom Anfang bis zum Ende.

Das hat im März begonnen. Damals haben Sie gesagt: Ja, wir können das Epidemie­gesetz nicht anwenden, weil wir ja die Geschäfte nicht schließen, es gibt ja nur ein Betretungsverbot. – Es wird permanent getrickst und getäuscht, meine Damen und Herren, und die Bürger draußen sind schon dermaßen verunsichert, weil sie nicht wis­sen, wie es weitergehen wird.

Was kommt denn als Nächstes, meine Damen und Herren von den ÖVP? Sie hätten heute die Möglichkeit gehabt, kündigen Sie es doch an! – Weiterer Sozialabbau, das ist es. Das kommt, weil Sie nicht wissen, wie Sie diese Krise, in die die ÖVP und die Grünen unser Land gemeinsam gestürzt haben, überhaupt finanzieren können. Sie haben unser Land in diese Krise geführt – und ausbaden und bezahlen müssen das jetzt die kleinen Leute draußen. Das muss der Arbeiter, der Angestellte, das müssen die Unternehmer, die, die arbeiten gehen, die, die Steuern zahlen, und die, die Beiträge bezahlen, tun.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 223

(Zwischenrufe bei der ÖVP.) Von dieser Bundesregierung kann man sich da nichts erwarten. Überhaupt keinerlei Hilfe kann man sich da erwarten, denn der Herr Bundes­kanzler hat nichts anderes zu tun gehabt, als sein Repräsentationsbudget auch noch aufzustocken – und das in Zeiten einer Krise.

Gleichzeitig – da wir ja heute das Budget verhandeln – hat diese Bundesregierung das Gesundheitsbudget für das nächste Jahr reduziert. (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das ist runtergefahren worden. Na, das ist ein großartiges Krisenmanagement! Da wird den Leuten erklärt, dass unser Gesundheitssystem an seine Grenzen stößt. Was ist die Folge? – Das Geld im Gesundheitsbereich wird reduziert. Das ist Politik der ÖVP, das ist aber nicht die Politik, die die Bürger draußen brauchen – ganz bestimmt nicht, meine Damen und Herren von der ÖVP!

Es wird der Tag kommen, da werden die Bürger draußen alle erkennen, was hier herinnen tatsächlich passiert ist. (Zwischenruf des Abg. Höfinger.) Es geht Ihnen nicht darum, irgendein Menschenleben zu schützen. Das schieben Sie nur vor, das ist Ihr Totschlagargument. Ihnen geht es um die totale Überwachung. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ihnen geht es um den Umbau des Staates und Ihnen geht es einzig und allein um Machterhalt. (Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP.) Der Herr Bundeskanzler richtet sich weder nach Krankenhauszahlen noch nach Belegbetten in den Krankenhäusern, sondern er richtet sich nach seinen Wahlumfragen – und das ist das Schändliche. Und darum schaut Österreich so aus, wie es ausschaut, darum ist die Wirtschaft gegen die Wand gefahren (Heiterkeit bei der ÖVP), darum haben wir die höchste Arbeitslosigkeit in der Zweiten Republik, meine Damen und Herren von ÖVP, und darum betreiben Sie jetzt Sozialabbau. (Lebhafte Heiterkeit und Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Und Sie von der ÖVP finden das auch noch lustig. (Zwischenrufe bei der ÖVP. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)

Die Leute draußen wissen nicht, wie sie ihr Essen bezahlen können. – Da kommt das große Armutsgesetz: 8 Euro im Monat. Die Familien können sich dann entscheiden, ob sie um das Geld heizen, Essen für ihre Kinder kaufen oder ob sie die Kinder verhungern oder erfrieren lassen. Das ist die ÖVP 2020. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

16.58


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Herr. – Bitte.


16.58.37

Abgeordnete Julia Elisabeth Herr (SPÖ): Herr Vorsitzender! Ich berichtige tatsächlich: Die Abgeordnete Kollegin Niss hat in ihrer Rede behauptet, dass die SPÖ dann wieder die Hacklerregelung eingeführt hat. – Auch wenn es manche nicht wahrhaben wollen, die Hacklerregelung ist auch mit den Stimmen der ÖVP unter Parteivorsitzendem Sebastian Kurz, unter Klubobmann Wöginger, die mitgestimmt haben, wiedereingeführt worden. – Danke schön. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Das ist die Tatsache, vielleicht sollte man ihr ins Auge blicken. (Beifall bei der SPÖ.)

16.59


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Disoski. – Bitte.


16.59.11

Abgeordnete Mag. Meri Disoski (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich darf nach der sehr emotionalen Rede von Frau Belakowitsch wieder in ruhigere Gefilde überleiten und die Debatte ein bisschen versachlichen. Ich beginne mit


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einer persönlichen Anmerkung – viele hier wissen es wahrscheinlich gar nicht –: Ich bin ein HacklerInnenkind. Meine Eltern waren HacklerInnen, meine Tanten und Onkel waren HacklerInnen, deren Freundinnen und Freunde, deren Bekannte waren HacklerInnen (Abg. Wurm: Die sind jetzt wirklich enttäuscht, oder?) im wahrsten Wortsinn, die haben körperlich schwer und schwerst gearbeitet, zum Beispiel am Bau, in Fabriken, in der Stahl- und Chemieindustrie oder im Handel. Viele von denen haben für ihre Arbeit beschämend, wirklich beschämend wenig bezahlt bekommen, aber gleichzeitig mit ihrer Gesundheit dafür gezahlt. Frühe Arbeitsunfähigkeiten – gesundheitlich bedingt – waren der Regelfall.

Ich habe mich im Vorfeld zu dieser heutigen Debatte in dem Umfeld, das ich gerade skizziert habe, umgehört, und soll ich Ihnen etwas sagen? – Ich habe unter all diesen Hacklerinnen und Hacklern keine einzige Person gefunden, die auch nur einen einzigen Cent von der abschlagsfreien Langzeitversicherungsregelung profitiert hätte. Keine ein­zige Person! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Ruf bei der FPÖ: Warum?)

Warum? Wieso ist das so? – Ganz einfach: Weil die abschlagsfreie Langzeitversicher­tenregelung hauptsächlich Männern zugutekommt (Ruf bei der FPÖ: Habt ihr nur Frauen gefragt?), nämlich nicht den Hacklern, wie ich sie eben skizziert habe, sondern jenen mit den allerhöchsten Pensionen im gesetzlichen Pensionssystem. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

In der Begründung Ihres Dringlichen Antrages, Kollege Wimmer, Kollegin Heinisch-Hosek und Kollege Muchitsch, schreiben Sie – ich zitiere –: „Das vermeintliche Argu­ment, dass Frauen von dieser abschlagsfreien Pension nicht profitieren würden, trifft [...] gar nicht zu.“

Das ist kein vermeintliches Argument, das ist statistische Evidenz, sehr geehrte Kolle­ginnen und Kollegen: Frauen profitieren nicht von dieser abschlagsfreien Regelung. Im ersten Halbjahr – wir haben die Zahl schon gehört – haben insgesamt 7 257 Männer diese Regelung in Anspruch genommen – und eine Frau. Eine Frau und 7 257 Männer! Das ist kein vermeintliches Argument, das ist statistische Evidenz, nehmen Sie das zur Kenntnis! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

In dieser Antragsbegründung schreiben Sie weiter: „Frauen profitieren NOCH nicht da­von.“ Sie verweisen dann darauf, dass aufgrund dieser schrittweisen Anpassung des Frauenpensionsalters ab 2033 auch Frauen von dieser abschlagsfreien Langzeit­ver­sichertenregelung profitieren würden, auch weil Kindererziehungszeiten im Ausmaß von fünf Jahren angerechnet werden würden. – Das mag ja in der Theorie stimmen, aber halt leider nur in der Theorie.

Sie wissen sicher, aktuell kommen Männer durchschnittlich auf 35 Beitragsjahre, Frauen auf 27,5. Wenn ich da jetzt fünf Jahre Kindererziehungszeiten dazurechne, dann komme ich bei Männern auf 40 und bei Frauen auf 32,5 Jahre. 45 Beitragsjahre, das ist in unerreichbarer Ferne – wegen Kindererziehungszeiten, die dazwischenkommen, wegen Erwerbsunterbrechungen, wegen Arbeitslosigkeit und dergleichen –, unerreichbar!

Wir Grüne haben die Abschlagsfreiheit aus verteilungs- und geschlechterpolitischen Gründen immer sehr kritisch gesehen. Wir können auch sagen, wir waren definitiv nicht dabei, als das hier beschlossen wurde. Wir haben das immer kritisch gesehen, eben weil in der Praxis vor allem Männer mit einer ohnehin schon überdurchschnittlichen Pension davon profitieren.


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Deshalb führen wir jetzt den FrühstarterInnenbonus ein, mit dem eine sehr viel breitere Personenzahl profitieren wird als bislang: Viermal so viele Personen, 60 Euro im Monat, 840 Euro pro Jahr – das führt zu mehr Verteilungsgerechtigkeit, das führt zu mehr Geschlechtergerechtigkeit, und das ist gut so und dringend notwendig. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Kollege Muchitsch, Sie haben am Vormittag behauptet, wir würden mit der neuen Regelung Frauen gegen Männer ausspielen. Das müssen Sie mir bitte erklären. Wie genau, Herr Muchitsch, spielen wir Ihrer Meinung nach Frauen gegen Männer aus, wenn wir aus einer Regelung, die bislang ausschließlich – ausschließlich! – Vorteile für Män­ner gebracht hat, eine solche machen, von der Frauen und Männer gleichermaßen profitieren? Wen spielen wir da bitte gegeneinander aus? Das müssen Sie mir erklären. Bitte erklären Sie mir das! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Vor die Wahl gestellt, ob wir ein Privileg von wenigen Männern weiterbestehen lassen wollen oder ob wir die dafür verwendeten Mittel aufwenden, um Altersarmut zu bekämp­fen, um niedrige Pensionen zu erhöhen, entscheiden wir uns sehr klar und deutlich für die Bekämpfung von Altersarmut. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.03


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Henrike Brandstötter. – Bitte.


17.03.41

Abgeordnete Henrike Brandstötter (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause vor den Bildschirmen! Kinderarbeit ist ja in Österreich Gott sei Dank schon länger abgeschafft. Es stellt sich nämlich die Frage: Wann hätte denn eine Frau, die bis vor Kurzem mit 60 Jahren in Pension geschickt wurde, zu arbeiten beginnen sollen, um in den Genuss einer abschlagsfreien Frühpension zu kommen? Mit zehn Jahren? Mit zwölf Jahren?

Wenn eine Frau vielleicht gleich nach der Volksschule zu arbeiten begonnen hätte, dann könnte sich das knapp ausgehen, aber auch nur dann, wenn sie nicht zu viel Zeit mit Kinderbetreuung verbracht hätte. (Zwischenruf des Abg. Wurm.)

Sie finden, dass das ein absurdes Gedankenspiel ist? – Ich finde, das zeigt vielmehr, wie absurd diese Debatte um die Frühpensionsgeschenke ist. Die Frühpension hilft nicht den von Altersarmut bedrohten Menschen (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Wurm), sie trägt nichts dazu bei, Wohlstand zu sichern, sie löst keines der Probleme unseres Pensionssystems. Diese Frühpension ist ein Geschenk an jene, die das Glück einer ununterbrochenen und geradlinigen Berufslaufbahn hatten (Zwischenruf der Abg. Herr), und sie ist ein Geschenk an Männer. (Abg. Drozda: Ein „Geschenk“, ja!)

Frauen kommen nämlich, wie wir heute schon mehrmals gehört haben – aber man kann es nicht oft genug betonen –, nicht in den Genuss dieser Regelung. Frauen werden früher in Pension geschickt, ob sie wollen oder nicht. Derzeit ist ja das Frauenpen­sions­antrittsalter um fünf Jahre niedriger als das von Männern, nur ein Jahr länger zu arbeiten würde aber die Pension von Frauen um bis zu 9 Prozent erhöhen – das ist ja nicht nichts. Frauen wird also die Möglichkeit genommen, mit einem besseren Gehalt am Ende ihrer Berufslaufbahn noch einmal ihre Pension aufzubessern.


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Was passiert stattdessen? – Frauen werden in die Altersarmut geschickt, während auf der anderen Seite milliardenteure Geschenke verteilt werden. Dazu gibt es harte Zahlen – die haben wir heute auch schon mehrmals gehört, man kann sie aber nicht oft genug betonen –: Im ersten Halbjahr 2020 haben 8 033 Menschen die abschlagsfreie Frühpension in Anspruch genommen, davon eine Frau. Das wundert ja auch nicht, denn wir leben ja in a man’s world. Es sind ja zwei Gewerkschafter, die die abschlagsfreie Männerfrühpension erfunden haben: Beppo Muchitsch und Rainer Wimmer, zwei Männer, die einen Verein leiten, dessen Mitglieder zu zwei Dritteln aus Männern be­stehen, die in den acht ÖGB-Einheiten acht Obleute haben, von denen sieben wiederum Männer sind. Also wie SPÖ-Frauen diesem Wahnsinnspaket zustimmen konnten, ist mir völlig schleierhaft.

Der Genderpensiongap war ja bis jetzt schon dramatisch, das haben wir heute auch schon gehört. Durch dieses Missverhältnis ist er mittlerweile von 51 Prozent im letzten Jahr auf unfassbare 67 Prozent heuer angestiegen – exponentielles Wachstum also auch hier.

Eine weitere Zahl, die man auch nicht oft genug nennen kann: Die durchschnittliche Höhe dieser 8 033 Frühpensionen liegt bei 2 900 Euro brutto 14 Mal im Jahr.

Ich begrüße es also, wenn diese Fehlentscheidung heute korrigiert wird, aber wir kom­men vom Regen in die Traufe: Jetzt kommt der Frühstarterbonus. Wir wissen noch nicht viel davon, wir kennen nur die Marketingfloskeln, und eine dieser Floskeln ist, dass dieser Frühstarterbonus feministisch wäre. Ganz ehrlich: Nur weil man vegan, garantiert glutenfrei, saisonal, regional, bio und dem Tierwohl verpflichtet auf eine Packung schreibt, ist deren Inhalt das alles noch nicht. Nur weil man feministisch über ein Projekt schreibt, ist es noch nicht feministisch. (Zwischenruf des Abg. Schallmeiner.)

Dieser Frühstarterbonus – nach dem, was wir jetzt davon wissen – basiert anscheinend wieder einmal nur auf dem teuren Gießkannenprinzip, ohne jede soziale Treffsicherheit. Da haben sich die Grünen wieder einmal über den Tisch ziehen lassen, und ich kann wirklich nur jedem Anbieter von Kaffeefahrten raten, den Grünen Klub auf eine Busfahrt einzuladen. Ihr kauft euch nicht nur eine Heizdecke, sondern gleich zwei, weil ihr glaubt, das trägt doppelt zu sozialer Wärme bei. (Beifall bei den NEOS.)

17.08


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dietmar Keck. – Bitte.


17.08.05

Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! – Der Bundeskanzler ist ja nicht anwesend, wenn eine Dringliche an ihn gestellt wird. – Beim letzten Sozialausschuss hat Kollege Loacker zu mir gesagt, Kollege Keck hat sich in Rage geredet. – Nein, habe ich nicht, aber dafür tue ich das heute; heute, weil ich mir zu den Pensionen die ganze Woche hindurch über die Medien wirklich, und ich sage es hier mit aller Klarheit und Deutlichkeit, einen Schwachsinn anhören musste, der seines­gleichen sucht; einen Schwachsinn, meine Damen und Herren, wenn dieser Früh­starterbonus, der hier so oft zitiert wurde, angesprochen - -


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Keck! Ich habe die Debatte seit 15 Uhr verfolgt und habe natürlich gemerkt, dass das eine sehr emotionale Debatte ist, und ich kann das auch gut nachvollziehen. Ich würde Sie trotzdem ersuchen, das Wort „Schwachsinn“ zurückzunehmen und sich trotz der Emotionen, die ich, wie gesagt, gut nachvollziehen kann, im Ton einigermaßen zu mäßigen. – Bitte. (Abg. Kickl: Das hat schon gepasst!)



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Abgeordneter Dietmar Keck (fortsetzend): Ich nehme es nicht zurück, Frau Präsi­dentin. Ich bleibe dabei, weil es - -

17.09.15 *****


Präsidentin Doris Bures: Dann erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf.

*****

17.09.19


Abgeordneter Dietmar Keck (fortsetzend): Ich danke, Frau Präsidentin. (Heiterkeit bei Abgeordneten der FPÖ.)

Meine Damen und Herren, was sagt denn der Frühstarterbonus aus? – Da heißt es, alle Menschen, die vom 15. bis zum 20. Lebensjahr arbeiten, kriegen 60 Euro dazu, denn damit hilft man den Frauen, weil die Frauen benachteiligt sind. Das war auch heute in vielen Reden so zu hören. Wenn ich mir dann anschaue, dass 32,9 Prozent der Pflicht­schulabgänger ins Erwerbsleben einsteigen und von diesen 32,9 Prozent der Pflicht­schulabgänger, die ins Erwerbsleben einsteigen, 89 Prozent Männer sind, dann wird klar, dass die ganze Diskussion, die da läuft, überhaupt nicht stimmt.

Mit diesem Frühstarterbonus hilft man ja nicht den Frauen, sondern man nimmt den Männern, die mit 15 zu arbeiten anfangen, die in Wirklichkeit 47 Jahre arbeiten gehen müssen, Geld weg. Nach den Pensionssystemen, die wir jetzt haben, nimmt man ihnen Geld weg und gibt ihnen ein Almosen in Höhe von 60 Euro. Das ist das Ganze, was da herauskommt, meine Damen und Herren, sonst nichts. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren, wenn ich mir dann anschaue, wie hier über die Höhe der Pensionen diskutiert wird, dann kann ich nur eines sagen: Wenn einer eine hohe Pension haben will, dann soll er zum Hochofen gehen, dann soll er in eine Gießerei gehen! Dann kriegt er all die Zuschläge, die seine Pension erhöhen: Dann hat er Nachtarbeits­zu­schläge dabei, die seine Pension erhöhen, dann hat er Überstundenzuschläge, die seine Pension erhöhen, und dann hat er Schichtarbeitszuschläge, die seine Pension erhöhen. Darum haben diese Menschen eine hohe Pension: weil sie ihr Leben lang schwer gearbeitet haben, meine Damen und Herren! (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Diesen Menschen jetzt wirklich Geld zu stehlen, ist aus meiner Sicht eine Verkom­menheit, die ihresgleichen sucht. Das habe ich in diesem Haus noch nicht erlebt, was sich momentan hier abspielt!

Dann, meine Damen und Herren, hört man, das sei eine Aufwertung der Lehre – na sensationell! Eine Aufwertung der Lehre, wenn man jemandem am Ende des Berufs­lebens 400 Euro wegnimmt und dafür 60 Euro gibt, wenn er in die Lehre geht: Wo ist denn das eine Aufwertung? – Jeder wird es sich überlegen, eine Lehre zu machen, weil er weiß, dass ihm am Ende seines Berufslebens Geld gestohlen wird, meine Damen und Herren! Das ist das, was hier passiert. (Beifall bei der SPÖ.)

Lassen Sie uns von Fairness im Pensionssystem reden! – Meine Damen und Herren, jetzt bringe ich einmal die Zahlen, die diskutiert werden sollten. Wenn man ein faires Pensionssystem haben will, dann muss man auch Zahlen korrigieren. Schauen wir uns das an: Es gibt momentan 1,98 Millionen Pensionistinnen und Pensionisten im ASVG-System, es gibt in der VAEB – das betrifft Eisenbahner und Bergbau – 35 000, es gibt in der Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen 195 000 und in der Sozialversiche­rungsanstalt der Bauern 168 000 Menschen in Pension. Wie schauen die Zuschüsse bei


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den einzelnen Pensionen aus? – Für die PVA, also für die ASVG-Versicherten, gibt es 3,7 Milliarden Euro Zuschüsse vonseiten des Bundes. Das heißt, diese Menschen zah­len sich 89 Prozent ihrer Pensionen selbst, meine Damen und Herren – 89 Prozent der Pensionen zahlen sich die selbst! Was bekommt man sonst an Zuschüssen? – Jetzt nehme ich die SVA und die Sozialversicherungsanstalt der Bauern zusammen, damit komme ich auf 363 840 Personen, und die miteinander bekommen 3,5 Milliarden Euro an Zuschüssen, meine Damen und Herren!

Reden wir von einer fairen Pension! Ich will auch faire Beiträge von allen in das Pen­sionssystem einbezahlt haben, dann können wir von einer fairen Pension reden, aber denen, die faire Beiträge zahlen, am Ende des Berufslebens noch etwas wegzunehmen, meine Damen und Herren, das ist etwas äußerst Verwerfliches! (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

17.12


Präsidentin Doris Bures: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abge­ordneter Scherak zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.


17.12.49

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Frau Präsidentin! Herr Bundes­kanzler! Frau Bundesministerin! Frau Abgeordnete Disoski hat vorhin hier behauptet, dass die Grünen immer Kritiker der abschlagsfreien Frühpension gewesen sind und bei diesem Beschluss auch nicht dabei waren. – Das ist so nicht richtig.

Ich berichtige tatsächlich: Beim Beschluss am 19.9.2019 hier im Nationalrat war die jetzige Justizministerin Alma Zadić – damals noch für die Liste Pilz – dabei und hat zugestimmt, und beim Beschluss am 10.10.2019 haben dem sowohl Bundesrat Stögmüller als auch Bundesrätin Ewa Ernst-Dziedzic natürlich zugestimmt. Insofern ist das nicht richtig. (Beifall bei NEOS, SPÖ und FPÖ. – Oh-Rufe bei der SPÖ.)

17.13


Präsidentin Doris Bures: Als nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Claudia Plakolm zu Wort gemeldet. – Bitte.


17.13.32

Abgeordnete Claudia Plakolm (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Erinnern wir uns ein Jahr zurück, an den Herbst 2019: Es war eine der letzten Sitzungen hier im Parlament kurz vor der Nationalratswahl. Es gab unzählige Anträge auf der Tagesordnung, einen Abstimmungsmarathon und zu dieser Zeit ein freies Spiel der Kräfte. Wie das Amen im Gebet kommen bei solchen Sitzungen kurz vor Ende der Legislaturperiode auch teure Wahlzuckerl von SPÖ und FPÖ zum Beschluss (Abg. Kollross: ... zuständig!) – Wahlzuckerl auf Kosten der nächsten Generationen, Wahl­zuckerl, für die die Rechnung erst bezahlt werden muss und erst später beglichen wird (Abg. Heinisch-Hosek: Wart ihr auch dabei, Frau Plakolm? Sie waren ja auch dabei!), und Wahlzuckerl, die am Ende des Tages weder der SPÖ noch der FPÖ geholfen haben, wenn wir uns das Wahlergebnis im Herbst 2019 anschauen. (Beifall bei der ÖVP. – Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.)

Mit dabei bei dieser Schnellschussaktion: die Wiedereinführung der abschlagsfreien Hacklerregelung. Wozu hat dieser kurzsichtige Beschluss von SPÖ und FPÖ geführt? – Zu Unsicherheit und zu Ungerechtigkeit – zu Unsicherheit bei all jenen, die kurz vor dem Pensionsantritt stehen, und zu Ungerechtigkeit gegenüber all jenen, die schon in Pension gegangen sind und dafür Abschläge in Kauf nehmen mussten, und vor allem auch zu Ungerechtigkeit gegenüber den nächsten Generationen und den noch kom­menden Generationen, denn wir und unsere Kinder und Enkelkinder sind es, die das


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alles einmal bezahlen müssen. Unser Schuldenrucksack wird auch und besonders in Zeiten wie diesen leider immer schwerer. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Die Hacklerregelung ist nicht nur ein teures Wahlzuckerl, sondern auch insgesamt eine begünstigte und somit ungerechte Form der Frühpension, denn abschlagsfrei in die Frühpension gehen fast ausschließlich Männer, und damit klafft die Pensionsschere zwischen Männern und Frauen nur noch weiter auseinander. Im ersten Halbjahr – wir haben es schon gehört, ich möchte es nur noch einmal kurz wiederholen – profitierten von der Hacklerregelung über 7 200 Männer und lediglich eine einzige Frau. Ebenso ausgenommen von der Hacklerregelung, von dieser begünstigten Form der Früh­pen­sion, sind Polizistinnen und Polizisten, und gerade in Wochen wie diesen stellt man sich schon die Frage: Wieso sind die da ausgenommen? Haben die sich das vielleicht nicht verdient? (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Aber jetzt zum Positiven: Wir werden Gott sei Dank immer älter (Zwischenruf bei der SPÖ); die Zahl der Pensionistinnen und Pensionisten steigt, während die Zahl der Erwerbstätigen sinkt. Das ist keine Hiobsbotschaft, diese Nachricht kommt nicht über­raschend, sondern wir kennen diese Entwicklung bereits seit Jahrzehnten, und völlig zu Recht wurde ja auch 2010 und 2014 der Zugang zur abschlagsfreien Frühpension deutlich erschwert. Wir erinnern uns – auch das ist heute schon öfter gefallen –: Damals gab es einen SPÖ-Bundeskanzler Werner Faymann und auch die SPÖ-Ministerinnen Bures und Heinisch-Hosek, und sogar ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian hat damals mitgestimmt.

Damals war es der SPÖ noch ein Anliegen, dass der Generationenvertrag nicht zur Einbahnstraße wird und dass die Balance halbwegs gehalten werden kann. Damals war es der SPÖ noch ein Anliegen, dass veraltete Privilegien abgeschafft werden und gegen Altersarmut, insbesondere von Frauen, gekämpft wird. Jetzt geht es darum, dass wir diesen Zickzackkurs der SPÖ und den teuren Wahlkampfbeschluss vom Septem­ber 2019 zurücknehmen und wieder für mehr Gerechtigkeit im Pensionssystem sorgen.

Als ersten Schritt führen wir dazu einen Frühstarterbonus im Pensionssystem ein; da geht es nicht um die Frühstarter, was die Pension betrifft, sondern um diejenigen, die früh zu arbeiten begonnen haben, und davon profitieren vor allem Lehrlinge, wie wir schon gehört haben. Das ist eine deutlich gerechtere Lösung, denn es ist fairer gegenüber allen Berufsgruppen und vor allem eine Aufwertung der Lehre. Es ist fairer gegenüber Frauen, denn großteils waren Frauen bisher von der Hacklerregelung de facto ausgenommen. Es ist auch fairer gegenüber den nächsten Generationen, weil dieses teure Wahlzuckerl endlich zurückgenommen wird.

Die Allianz von SPÖ und FPÖ möchte umgekehrt kurzsichtige Maßnahmen treffen und dafür sorgen, dass immer früher in Pension gegangen wird, während die NEOS immer vom enkelfitten Pensionssystem sprechen. Vielleicht, liebe Kolleginnen und Kollegen der NEOS, können Sie Ihren Koalitionspartner im rot-pinken Wien überzeugen und als ersten Schritt damit beginnen, die unglaublichen Sonderpensionsprivilegien in Wien abzuschaffen. Ich glaube, daran wird man die Koalition, die diese Woche verkündet wurde, messen. (Beifall bei der ÖVP.)

Für uns als Volkspartei ist und bleibt klar: Wer sein Leben lang gearbeitet hat, soll am Ende eine faire Pension bekommen. (Ruf bei der SPÖ: ... Hacklerregelung! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Jeder hat sich seine Pension hart erarbeitet und ebenso verdient, und daher heben wir insbesondere – und jetzt muss man aufpassen – die klei­nen Pensionen deutlich an.

Für uns als Volkspartei ist es aber auch genauso selbstverständlich, dass alle Gene­rationen zusammenhalten und an einem Strang ziehen – Jüngere und Ältere. Es ist selbstverständlich, dass wir in Zeiten einer Pandemie als Gesellschaft zusammenhalten,


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um vor allem die älteren Mitmenschen zu schützen, indem wir zu Hause bleiben und in diesen Monaten auf vieles verzichten.

Ich wünsche mir diesen Zusammenhalt aller Generationen, diesen ungeschriebenen Generationsvertrag, wenn man das so nennen kann, auch hier im Parlament und vor allem in unserem Pensionssystem.

Entscheiden Sie nicht danach, welcher Beschluss die meisten Wählerstimmen bringt (Ah-Rufe bei der SPÖ), sondern entscheiden Sie danach, was das Beste und Fairste für alle Generationen ist! (Beifall bei der ÖVP. – Heiterkeit und Kopfschütteln der Abg. Heinisch-Hosek.)

17.18


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Nina Tomaselli zu Wort. – Bitte.


17.19.00

Abgeordnete Mag. Nina Tomaselli (Grüne): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Keck und auch die sonstigen Kollegen von der sozialdemo­kratischen Fraktion, ich finde nicht in Ordnung, was Sie heute hier und auch schon gestern über die Medien betreiben! (Zwischenruf des Abg. Seemayer.) Sie verunsichern die Bevölkerung, Sie behaupten, hier nehme irgendjemand armen Bevölkerungs­schich­ten irgendetwas weg – Punkt eins –, und Sie sprechen von Pensionsraub, obwohl Sie ganz genau wissen: Kein einziger Cent wird aus dem Pensionssystem gezogen (Zwi­schenruf des Abg. Kollross) – ganz im Gegenteil: Wir verteilen gerechter. (Beifall bei den Grünen.)

Es sei Ihnen auch gesagt, nur, weil irgendwo auf der Verpackung Hackler steht, ist es noch lange nicht fair und ist es noch lange nicht sozial gerecht. Fakt ist, im September 2019 haben Sie entschieden, 35 Millionen Euro jährlich mehr in die Pensionen hinein­zugeben – das kann man ja so als Entscheidung hinnehmen –, und Sie haben auch gleichzeitig entschieden, wo Sie diese 35 Millionen Euro hineinstecken. Sie wollten sie denjenigen geben, die eh schon über 2 400 Euro monatliche Bruttopension 14-mal im Jahr haben. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.) Sie wollten, dass diese Personen­gruppe 400 Euro mehr im Schnitt dazubekommt.

Sie wussten auch ganz genau, dass die Frauen nicht von diesem Geld profitieren, Sie wussten, von diesen 35 Millionen Euro mehr im System kriegen die Frauen gar nichts. Und Sie wussten auch, dass die Arbeiterinnen und Arbeiter überhaupt nicht großartig profitieren (Zwischenrufe bei der SPÖ) – und Sie sind Pensionsexpertinnen und Pen­sionsexperten, das weiß ich –, denn Sie wissen, dass in der Realität der Großteil der BezieherInnen Angestellte und keine Hackler sind, so wie Sie das immer behaupten. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ganz einfach: Sie haben nämlich genau auf diejenigen vergessen, die halt erwerbslose Zeiten in ihrem Leben haben – das ist die Lebensrealität –, wegen Carearbeit, das passiert aber auch wegen Jobverlust oder wegen Krankheit und, und, und. All diejenigen waren in Ihrer Regelung, bei Ihren 35 Millionen Euro mehr nicht berücksichtigt.

Was wir jetzt machen ist genau das Gegenteil. Wir nehmen dasselbe Geld – bitte, das ist wichtig, es geht nicht um Pensionsraub –, wir nehmen dasselbe Geld und teilen es fair auf: 60 Euro im Monat für all jene, die im Alter von unter 20 Jahren zwölf Monate am Stück gearbeitet haben, also alle, die wirklich seit der Jugendzeit hackeln. Wir machen aus einer abschlagsfreien Pension eine echte Hacklerregelung, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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Was mich persönlich auch trifft, ist, wenn Sie von Spalterei sprechen oder dass man Frauen und Männer gegeneinander ausspielen möchte. Nein, das möchte man nicht! Ich würde eher sagen, dass Sie mit dieser Hacklerregelung im September 2019 genau das gemacht haben: Sie unterscheiden offenbar zwischen guten HacklerInnen und schlech­ten HacklerInnen, die eben keine 45 Jahre zusammenbekommen haben – aus welchem Grund auch immer. (Abg. Wurm: Schnell gelernt von der ÖVP!)

Was bedeutet das ganz konkret? Was bedeutet das ganz konkret für die Betroffenen? – Es sind 20 Prozent mehr Pension. Sie haben eine Gruppe aus den Arbeiterinnen und Arbeitern herausgenommen, haben gesagt, das sind die Besseren, die kriegen 20 Pro­zent mehr Pension, das ist einfach Tatsache, und das finde ich weder sozial gerecht noch fair, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei den Grünen.)

Abschließend lassen Sie mich noch sagen: Wir können schon so tun, als ob das Budget endlos groß wäre, aber am Ende des Tages müssen wir entscheiden, was wir mit den begrenzten Mitteln tun, das ist unsere Aufgabe hier im Parlament. Die Kollegin hat vorhin selber gefragt: Für wen machen wir eigentlich Politik? (Zwischenruf des Abg. Wurm.) Und die Frage ist: Machen wir Politik für die Personen, die eher höhere Pensionen beziehen – nochmals zur Erinnerung, wir reden hier von im Durchschnitt 2 400 Euro Pension, und es heißt immer, dass es genug gibt, die noch darüber liegen (Zwischenruf des Abg. Lercher) – oder machen wir eine faire Pensionspolitik für alle?

Ja, das war Ihre Entscheidung im September 2019, die ist zur Kenntnis zu nehmen, aber nehmen Sie auch zur Kenntnis, dass es jetzt eine neue Mehrheit gibt (Abg. Wurm: Leider!), die neue Prioritäten setzt. Ich finde das auch gut so, denn wer in Jugendzeiten schon arbeitet, will die Sicherheit, dass sich die Beträge im Alter auch auszahlen. Das gilt im Übrigen für alle und nicht nur für eine kleine privilegierte Gruppe. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.24


Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete Cornelia Ecker gelangt als nächste Red­nerin zu Wort. – Bitte, Frau Abgeordnete.


17.24.23

Abgeordnete Cornelia Ecker (SPÖ): Frau Präsidentin! Werte Mitglieder der Bundes­regierung! Ich würde gerne als vorletzte Rednerin hierzu noch einmal in aller Sachlichkeit erläutern, worum es uns SozialdemokratInnen in Bezug auf die Abschaffung der Hackler­regelung geht, weil es jetzt viele Redebeiträge in dieser Diskussion gab – vorwiegend sind sie von der ÖVP gekommen, leider auch von Ihnen, Herr Bundeskanzler –, die schlicht und ergreifend nicht der Wahrheit entsprochen haben.

Ich möchte noch einmal zusammenfassen: 2019 wurde die Hacklerregelung mit den Stimmen der ÖVP hier im Hohen Haus beschlossen. (Zwischenruf des Abg. Zarits.) Das war kurz vor einer Nationalratswahl. Ein Jahr später, also nach einer geschlagenen Wahl, will die ÖVP jetzt mit den Stimmen der Grünen diese wichtige Maßnahme für die Menschen in diesem Land wieder abschaffen. Das ist nicht nur unsozial, werte Kolleginnen und Kollegen, sondern auch volkswirtschaftlich völlig unsinnig. (Beifall bei der SPÖ.)

Mit der Abschaffung der Hacklerregelung möchte die ÖVP den Sparstift bei den Per­sonen ansetzen, die sie gerne als Leistungsträgerinnen und Leistungsträger unserer Gesellschaft bezeichnet; also die breite Masse an Menschen soll hier zur Kasse gebeten werden.

Frau Tomaselli, wenn Sie schon eine gerechte Pension ansprechen, so frage ich: Wieso greifen Sie dann nicht die Luxuspensionen an? Das frage ich Sie schon von dieser Stelle aus. (Beifall bei der SPÖ.)


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Diese Vorgangsweise zeigt ein ganz klares Bekenntnis dazu, wer aus dieser Sicht, aus Sicht der ÖVP diese Krise auch finanzieren soll: die Arbeitnehmerinnen und Arbeit­nehmer. Und das lassen wir uns so nicht gefallen. Namhafte Expertinnen und Experten kolportieren, dass diese Abschaffung jährlich 30 bis 40 Millionen Euro bringen soll. Zeichnen wir doch dieses Bild noch einmal! Heute wurde in den Diskussionsbeiträgen schon oft der Vergleich gezogen, aber es zeichnet so ein gutes Bild davon, wie die Politik der ÖVP in diesem Haus ausschaut: 30 bis 40 Millionen bringt uns quasi die Abschaffung der Hacklerregelung, und die Abschaffung der Schaumweinsteuer beschert dem Staats­haushalt eine Mindereinnahme von 26 Millionen Euro. Das ist das Bild, das ich hier zeichnen möchte: So macht die ÖVP Politik. Wenn es um ihre eigene Klientel geht, werden Verluste von der ÖVP hingenommen.

In diesen schwierigen Zeiten, noch dazu während dieses Lockdowns, greifen ÖVP und Grüne nach dem Geld der hart arbeitenden Menschen in diesem Land. Man will den Menschen die Pensionen kürzen – in jener Zeit, in der jeder Cent in den Konsum fließen soll, in jener Zeit, in der jeder Cent gebraucht wird, und in jener Zeit, in der die Arbeits­losigkeit am Höchststand ist. Das ist volkswirtschaftlich gesehen eine Bruchlandung, geschätzte Kolleginnen und Kollegen. Das Argument, dass Sie die Abschaffung der Hacklerregelung nur durchführen wollen, weil sie ungerecht uns Frauen gegenüber sei, lasse ich nicht ganz gelten. Wir wissen doch spätestens seit gestern, was die Mächtigen in der ÖVP über uns Frauen wirklich denken. Sie würden uns gerne „eine auflegen“ – eine auflegen, wenn wir Kritik äußern und uns nicht dem engstirnigen ÖVP-Weltbild anschließen. (Beifall bei der SPÖ.)

Schon bezeichnend und eigentlich eine bodenlose Frechheit finde ich es, dass sich heute keine Mandatarin der ÖVP hierhergestellt und diesen Sager des ehemaligen Nationalratspräsidenten Khol angesprochen hat. (Abg. Zarits: Er hat sich entschuldigt!) Das finde ich wirklich beschämend, werte Ladys von der ÖVP. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Nach 45 Jahren harter Arbeit am Bau, in der Industrie, als Spengler, als Elektriker, als Metzger sind viele Menschen körperlich fertig, viele Menschen können ihren Beruf gar nicht mehr ausüben. Herr Bundeskanzler – Herr Bundeskanzler!; er spricht gerade und will mir nicht zuhören (Bundeskanzler Kurz spricht mit Abg. Haubner), aber bitte, Herr Wöginger, richten Sie es ihm aus! –, ich lade Sie herzlich ein: Kommen Sie in mein Unternehmen, kommen Sie in unsere Metzgerei! Arbeiten Sie einmal einen Tag lang mit unseren Leuten mit, damit Sie sich in Ihren jungen Jahren ein Bild davon machen können, was in einem solchen Betrieb geleistet wird! Das kann man nicht mit einem Bürojob vergleichen.

In diesem Sinne bitte ich Sie für die hart arbeitenden Menschen in diesem Land: Überdenken Sie dieses Vorhaben noch einmal, überdenken Sie die Abschaffung der Hacklerregelung! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)

17.29


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Maximilian Lercher. – Bitte.


17.29.21

Abgeordneter Maximilian Lercher (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bun­deskanzler! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir vielleicht zwei Vorbemerkungen, bevor wir in die Debatte einsteigen! Herr Bundeskanzler, ich finde, es steht Ihnen nicht gut an, wenn Sie heute nach dem Referat des Herrn Wimmer süffisant lächeln und ihm in Ihren Bemerkungen auch irgendwo unterstellen, dass er hier gespielt hätte. Herr Wimmer besitzt eines, was wir bei Ihrer Politik so oft vermissen: Empathie –


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Empathie für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Land. (Beifall bei der SPÖ.) Genau deshalb hat er sich so aufgeregt.

Erlauben Sie mir auch eine zweite Anmerkung, die mir persönlich unglaublich wichtig ist: Bitte, nehmen Sie bei Ihrer Argumentation nicht den Namen Rudolf Hundstorfer in den Mund (Beifall bei der SPÖ – Abg. Niss: Aber es ist so!), denn ich weiß, dass er bei dieser Debatte ganz sicher nicht auf Ihrer Seite gestanden wäre! Ich glaube, ich finde, das ist pietätlos. Bitte, lassen Sie die Toten ruhen! (Beifall bei der SPÖ.)

Jetzt zur Debatte, dazu, was wir heute hier beschließen, sehr verehrte Damen und Herren! Wir beschließen hier heute eine Schlechterstellung der Nettozahler in unser Pensionssystem. Nach dem, was Sie heute hier beschließen, werden in Zukunft die Mitglieder der Bundesregierung, wenn sie 65 Jahre alt sind, mit 35, 40 Beitragsjahren abschlagsfrei in Pension gehen, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aber, die 47 Jahre lang gehackelt haben, werden mit 62 Jahren mit Abschlägen in Pension gehen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Das beschließen wir heute hier. Wir gehen heute gegen all jene vor, die schon so viel gegeben haben. Wir gehen heute gegen diejenigen vor, die Nettozahler sind. Wir gehen heute gegen Menschen wie meinen Vater vor, der mit 15 Jahren schon gearbeitet hat, zuerst als Hilfsarbeiter, dann als Mischwagenfahrer, dann als Busfahrer, der 47 Jahre lang eingezahlt hat, der von den 2 400 Euro, von denen Sie sprechen, weit weg ist. Ist er ein Luxuspensionär? Ihm wollen Sie heute die Pension kürzen? Solchen Leuten haben Sie zu viel gegeben, glauben Sie? Sie machen es jetzt gerechter, indem Sie solchen Menschen etwas wegnehmen? – Das ist nicht gerecht, das ist eine Chuzpe, sehr verehrte Damen und Herren! (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Sie, Herr Bundeskanzler, reden zu Recht von neuer Gerechtigkeit, davon, dass der Arbeitnehmer nicht der Dumme sein darf. Was aber bedeutet diese neue Gerechtig­keit? – Sie bedeutet, dass wir Milliarden für die AUA und Ihre Spenderinnen und Spender, aber keine Millionen für die Arbeiterinnen und Arbeiter in diesem Land haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Geschlechtergleichstellung bedeutet laut Ihrer Definition anscheinend, dass wir die Männer schlechterstellen. Das ist die neue Gerechtigkeit, von der Sie sprechen. (Zwi­schenruf der Abg. Maurer.) Sie argumentieren in Ihrer neuen Gerechtigkeit, dass niemand etwas zahlen muss für diese Krise – außer die ASVGlerinnen und ASVGler. Das heißt, die ASVGlerinnen und ASVGler, die Fleißigen, all jene Menschen, die dieses System tragen, sind die Melkkühe Ihrer verantwortungslosen Politik geworden. Diese Leute bezahlen für das, was Sie ausgeben. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Sehr geehrter Herr Wöginger! Der ÖAAB hat sich aufgegeben, er hat de facto seit heute keine Existenzberechtigung mehr. Viele Ihrer Jünger tun das ja schon im Untergrund und rufen dazu auf, diese Politik nicht mehr mitzutragen. Und trotz all Ihrer schönen Rhetorik sage ich Ihnen eines: Das wird man sich merken! Die ÖVP war bei einer guten Regelung dabei – und ist jetzt aus politischem Kalkül gegen die wirklichen Leistungs­trägerinnen und Leistungsträger.

Sie, Herr Wöginger, haben am Schluss Ihrer Ausführungen gesagt: Die Anerkennung bekommen sie jetzt mit den 60 Euro. – Da geht es nicht um Anerkennung, da geht es darum, dass die Leute bekommen, was ihnen zusteht, und nicht um irgendeine An­erkennung, von der Sie sprechen! Es geht darum, dass wir ein System schaffen, das wirkliche Leistungsgerechtigkeit herstellt, und das geht sicher nicht, indem wir Men­schen, die 47 Jahre lang Beiträge gezahlt haben, jetzt etwas wegnehmen. Das ist nicht die Gerechtigkeit, von der wir sprechen, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)


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Zu den Grünen zum Schluss vielleicht noch eine kurze Anmerkung: Die Waldorfschule reicht nicht als bildungspolitische Expertise für eine Pensionsreform. Das geht sich nicht aus. (Beifall bei SPÖ und FPÖ. – Abg. Wurm: Bravo! – Zwischenruf der Abg. Maurer.) Ihnen, angesichts Ihrer gesamten Argumentation heute, Ihnen, Frau Maurer, würde ich nahelegen, dass Sie sich einmal mit jemandem treffen, der wirklich gearbeitet hat, denn die Industriellenexpertin – das sind Sie nicht! (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenrufe bei ÖVP und Grünen.)

Ich sage Ihnen eines: Das, was heute hier passiert, ist keine Frage des politischen Kön­nens, es ist eine Frage des politischen Wollens, und diesen Willen haben Sie nicht! – Vielen Dank. (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ sowie Beifall bei der FPÖ.)

17.34


Präsidentin Doris Bures: Ein zweites Mal zu Wort gemeldet: Herr Abgeordneter Gerald Loacker. – Bitte.


17.35.10

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Frau Bundesministerin! Waldorfschulmathematik ist mir ein bisschen bei einem ganz häufig vorgetragenen Vergleich der Sozialdemokraten in den Sinn gekommen, nämlich diesem sehr schrägen mit der Schaumweinsteuer. Also wenn Sie die Kosten für die abschlagsfreie Frühpension immer der Schaumweinsteuer gegenüberstellen, dann würde das waldorfmathematisch so funktionieren: Sie kaufen einen Sektkarton und bekommen jedes Jahr einen Sektkarton dazu, dann wäre bei einer durchschnittlichen Verweildauer des Sektkartons in Ihrem Keller von 23 Jahren, wenn Sie ihn jedes Jahr noch einmal versteuern würden, der Vergleich richtig. Aber so funktioniert halt die Sektsteuer nicht. – Das haben Sie nicht verstanden, aber vielleicht verstehen Sie es jetzt. (Beifall bei NEOS, ÖVP und Grünen. – Heiterkeit des Abg. Obernosterer.)

17.35

17.36.00


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist nun niemand mehr dazu gemeldet. Damit ist diese Debatte geschlossen.

Ich frage die Klubobleute, ob wir gleich in den Abstimmungsvorgang übergehen kön­nen. – Ja. Ich werde also so vorgehen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Selbständigen Antrag 993/A(E) der Abgeord­neten Rainer Wimmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schluss mit den sozial­politischen Fehltritten dieser Bundesregierung – die abschlagsfreie Pension nach 45 Ar­beitsjahren muss bleiben!“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Antrag ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Beibehaltung und Adap­tierung der abschlagsfreien Pensionen mit 540 Beitragsmonaten für alle Berufsgruppen“.

Wer ist für diesen Entschließungsantrag? – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

17.37.21Fortsetzung der Tagesordnung


Präsidentin Doris Bures: Ich nehme die Verhandlungen über die Tagesordnungs­punkte 10 und 11 wieder auf.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Faika El-Nagashi. – Bitte, Frau Abgeordnete.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 235

17.37.40

Abgeordnete Mag. Faika El-Nagashi (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Integrationsministerin! Eine der großen Herausforderungen von Integra­tionspolitik ist es, Zugehörigkeit zu vermitteln, und eine der großen Chancen von Inte­grationspolitik ist es, Zusammenhalt zu schaffen. Deswegen ist Integrationspolitik eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, und auch deswegen muss Integrationspolitik eine Vision entwickeln.

Zugehörigkeit verläuft nicht entlang von Namen, Herkunft, Hautfarbe, Religionsbekennt­nis, auch nicht entlang von Staatsbürgerschaft, Integration ist nicht ein linearer, Jahr­zehnte andauernder Weg vom Deutschkurs zur Staatsbürgerschaftsprüfung, vom Wer­tekurs zur Integrationsvereinbarung, Zugehörigkeit ist Teilhabe und Anerkennung und Respekt und die gleichzeitige Existenz von mehreren Orten, die Heimat sind, real oder fiktiv, eine Verbundenheit voller Widersprüche auf einem gemeinsamen und geteilten Fundament, einer solidarischen, einer friedlichen, einer zukunftsreichen Gesellschaft. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Eypeltauer.)

Angesichts der Bedrohung, die wir als eine solche diverse und weltoffene Gesellschaft durch dschihadistische Anschläge wie jenen der Terrornacht vom 2. November erleben, ist es zweifelsohne wichtig und richtig, nach Verantwortung zu fragen und nach Ver­meidung und danach, wo die Gesellschaft auseinanderdriftet und wie wir darauf ant­worten wollen. Und der Dialog dazu mit muslimischen und mit migrantischen Commu­nities darf nicht nur Rhetorik sein, sondern braucht eine gelebte Realität.

Seit dem Terroranschlag in Wien steigt der antimuslimische Rassismus in Österreich, Rassismus, der sich gegen Musliminnen und Muslime richtet beziehungsweise gegen Menschen, die als solche wahrgenommen werden. Sie erleben Anfeindungen und Beschimpfungen, in der Schule, am Arbeitsplatz, im öffentlichen Raum. Sie werden zu Schuldigen gemacht, verdächtigt und diffamiert. Und diese Realität, die für die Betrof­fenen oft zum Alltag gehört, muss ein Handlungsfeld von Integrationspolitik sein. Inte­grationspolitik muss antirassistische Politik sein. (Beifall bei den Grünen und bei Abge­ordneten der ÖVP.)

Wir sprechen in der österreichischen Politik aber nicht über Rassismus, geschweige denn über antimuslimischen Rassismus. Stattdessen werden akademisierte Diskurse über Begrifflichkeiten geführt: Was ist Rassismus? Handelt es sich nicht vielleicht doch eher um Diskriminierung? Es geht ja nicht gegen Menschen, es geht gegen eine Religion. Wir sprechen in Österreich nicht über Rassismus!

Als im Mai dieses Jahres allein in Wien 50 000 Menschen auf die Straße gegangen sind, geschah dies als Teil der Black-Lives-Matter-Bewegung, geschah dies in Erinnerung an die und als Aufschrei gegen die Ermordung von George Floyd durch Polizeibeamte in den USA. Es geschah aber auch in Erinnerung an Marcus Omofuma, den nigerianischen Familienvater, der am 1. Mai 1999 während einer Flugzeugabschiebung aus Österreich von drei Polizisten in fahrlässiger Weise getötet wurde, und an die sogenannte Operation Spring, dem bis dato größten Lauschangriff, der dazu führte, dass im Zuge der anti­rassistischen Proteste nach der Ermordung von Marcus Omofuma Ende Mai 1999 mehr als 850 Polizeibeamte Wohnungen und Flüchtlingsheime stürmten und mehrere Hundert Menschen verhafteten.

Die Mechanismen der Operation Spring hatten tiefgreifende Folgen: Antirassistische Proteste und Solidarität hörten auf, prominente Unterstützer und Unterstützerinnen begannen sich zu distanzieren. Einschüchterung, Entsolidarisierung, Schweigen, wir sprechen in Österreich nicht über Rassismus, und so liegt es nun wieder bei der Zivil­gesellschaft, bei den Beratungsstellen, bei den antirassistischen Aktivistinnen und


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Aktivisten, antirassistische Arbeit und damit Integrationsarbeit zu leisten. Und das, Herr Kollege Gödl, ist wahrlich kein Hobby!

Wenn wir uns gegen Radikalisierung stellen, müssen wir Rassismus bekämpfen. Wenn wir Entfremdung verhindern wollen, dann müssen wir Zugehörigkeit ermöglichen. Und wenn wir Dialog sagen, dann müssen wir das Miteinander leben. Integrationspolitik ist selbstverständlich auch antirassistische Politik, ist Bildungspolitik, ist Emanzipations­politik.

Erarbeiten wir den Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus und Diskriminierung! Nutzen wir das Potenzial von Integrationspolitik für eine solidarische und für eine resiliente Gesellschaft! (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der ÖVP sowie der Abg. Brandstötter.)

17.43


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff ist der nächste Redner. – Bitte.


17.43.29

Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS): Frau Präsidentin! Herr Vize­kanzler! Frau Bundesministerin! Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Die Herren Volksanwälte! Zurück in der Budgetdebatte darf ich noch einmal zum Rechnungshof zurückkommen. Sie alle wissen, das Rechnungshofbudget ist sehr konstant, es liegt nach wie vor bei 36,5 Millionen Euro, was durchaus ein knapp bemessenes Budget ist. Der Rechnungshof leistet viel und hat durch die Coronakrise noch mehr zu leisten als schon bisher.

Wir haben aber auch die Situation, dass der Personalstand des Rechnungshofes durch­aus knapp ist. Es sind knapp 85 Prozent der Planstellen besetzt. Da sieht man, wie eng das Korsett für all die Aufgaben, die der Rechnungshof zu übernehmen hat und die auch stetig mehr werden, ist.

Durch die Coronakrise sind auch noch weitere Investitionen zu tätigen, IT-Investitionen, um hier bestmöglich aufgestellt zu sein, Homeoffice für alle MitarbeiterInnen zu ermög­lichen. Das sind Dinge, die der Rechnungshof über die letzten Jahre schon sehr vor­sorglich vorbereitet hat, die natürlich aber auszubauen sind. Und dieses knappe Budget macht es zumindest nicht einfacher, allen Prüfungstätigkeiten nachzukommen.

Dazu kommt – und aus meiner Sicht ist es besonders traurig, dass das nicht gemacht wurde –, dass dieses Budget ja durchaus auch von den Grünen hätte genutzt werden können, denn das Budget ist ja nichts anderes als – und das haben wir heute schon gefühlt hundert Mal gehört – die in Zahlen gegossene Politik. Und wenn ich darüber nachdenke, was die Grünen angekündigt haben oder was diese Regierung angekündigt hat im Bereich Transparenz, Transparenzpaket, dann, muss ich sagen, hätte sich das logischerweise in diesem Budget auch widerspiegeln müssen, das tut es aber leider nicht.

Ich erinnere an Frau Bundesministerin Edtstadler, die im Juni, am 1. Juni, schon angekündigt hat: Es kommt bis zum Sommer ein Transparenzpaket. Ich erinnere an die grüne Spitze, die im Juli zu dritt dagestanden ist und gesagt hat, das Transparenzpaket soll bis Jahresende kommen.

Das Transparenzpaket, das hier immer versprochen wurde, hat aber auch mehr Rechte für den Rechnungshof eingeräumt. Und genau diese Rechte für den Rechnungshof hätten in diesem Budget auch untermauert werden müssen, nämlich untermauert mit finanziellen Mitteln, mit Möglichkeiten, dem auch wirklich nachzukommen und hier weiterzukommen, damit genau diese Aufgaben vom Rechnungshof bewältigt werden


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 237

können, wenn wir über die Kontrolle der Parteienfinanzen reden, wenn wir über die Kontrolle von Unternehmen mit einer hohen Staatsbeteiligung reden. All das hätte im Budget abgebildet werden müssen. Auch Sie, Herr Vizekanzler, haben das ja im Wahlkampf und darüber hinaus vollmundig versprochen, aber all das sieht man in diesem Budget leider nicht.

Das ist insbesondere deshalb sehr traurig, weil die Aufgaben für den Rechnungshof, wie schon gesagt, nicht weniger werden und genau diese Transparenz, diese Kontrolle rund um die Krise, durch die der Rechnungshof sowieso schon sehr viel mehr an Aufgaben hat, sehr wichtig wäre und einzuhalten wäre.

Dementsprechend wünsche und hoffe ich, dass in den nächsten Budgets auch Vorsorge getroffen wird, dass wirklich Transparenz einziehen kann und es nicht nur eine Floskel der Bundesregierung ist. (Beifall bei den NEOS.)

17.46


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Nikolaus Berlakovich. – Bitte.


17.47.02

Abgeordneter Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich (ÖVP): Sehr geehrte Präsidentin! Herr Vizekanzler! Frau Bundesministerin! Meine Herren Volksanwälte! Hohes Haus! Pošto­vane slušateljice i slušatelji! Dragi pripadniki naših narodnih grup! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf zum Volksgruppenbudget Stellung nehmen. Vor Kurzem hat der burgenländisch-kroatische Akademikerklub eine Veranstaltung organisiert, der Anlass: 20 Jahre Aufstellung der zweisprachigen Ortstafeln im Burgenland. Damals, im Jahr 2000, unter Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, wurden in 47 burgenländisch-kroatischen Gemeinden und in vier burgenländisch-ungarischen Gemeinden die zwei­sprachigen Ortstafeln aufgestellt – 45 Jahre nachdem sie im österreichischen Staats­vertrag den Volksgruppen zugesichert worden waren, ein sehr, sehr langer Prozess, aber immerhin.

Das Schöne damals bei dieser Veranstaltung in meiner Heimatgemeinde Großwarasdorf in Anwesenheit des Bundeskanzlers war, dass es ein Fest der Gemeinsamkeit, ein Fest der Freude war, dass Menschen verschiedener Sprachen dort gefeiert haben.

Ich erwähne das deswegen, auch wenn es 20 Jahre her ist, weil damals manche sehr wohl Bedenken gehabt haben, dass irgendetwas passiert, so ein kleiner zweiter Ortstafelsturm oder dass die Ortstafeln beschädigt werden. Genau das ist aber nicht passiert, und darauf können wir stolz sein, auf die Bevölkerung im Burgenland, aber auch in Österreich, darauf, dass sie das Gemeinsame sieht, dass man vielleicht nicht euphorisch ist, aber trotzdem akzeptiert, dass Menschen unterschiedlicher Kultur und Sprache, die seit Jahrhunderten in diesem Gebiet leben, auch weiterhin friedlich leben.

Ich meine, wir können darauf stolz sein, dass wir gemeinsam Friedliches schaffen. Das ist ein kleines Beispiel in Europa dafür, hier miteinander, gemeinsam zu leben. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Diese Gemeinsamkeit ist in der Coronakrise wichtig und ist auch in diesem Volks­grup­penbereich wichtig. Wie gesagt, wir haben sechs anerkannte Volksgruppen in Öster­reich: die burgenländischen Kroaten, die Kärntner Slowenen, die Ungarn, eigentlich burgenländischen Ungarn, die Tschechen und Slowaken und die Roma, Bevölkerungs­gruppen, die seit Jahrhunderten auf diesem österreichischen Territorium leben und daher ein Teil Österreichs sind, ein Teil der Geschichte Österreichs, ein Teil auch unse­rer Identität. Diese Gemeinsamkeit findet sich jetzt auch im Volksgruppenbudget wieder.


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Ich danke ausdrücklich Bundesministerin Raab, wir haben im Vorfeld das Regierungs­programm verhandelt, danke, Kollegin Voglauer, Kollegin Blimlinger, und von der ÖVP war Präsident Sobotka dabei, und wir haben ein sehr, sehr gutes Programm für die österreichischen Volksgruppen ausgehandelt. Ein wichtiger Bereich ist natürlich die Volksgruppenförderung. Ich danke Bundesministerin Raab für ihre Offenheit bei diesem Thema, diesen sehr positiven Zugang und das Bewusstsein, den österreichischen Volks­gruppen helfen zu müssen, denn sie sind in Wahrheit im Bestand bedroht.

Wir haben uns im Sinne des Regierungsprogramms für eine Erhöhung der Volks­grup­penförderung eingesetzt, und herausgekommen ist eine Verdoppelung. Nach 25 Jahren Verlangen der Volksgruppenorganisationen gibt es jetzt eine Verdoppelung. Das ist wirk­lich ein großer Schritt, und danke dafür, dass das gemeinsam gelungen ist. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Das zentrale Element einer Volksgruppe ist die Verwendung der Sprache. Wenn die Kultur nicht mehr gelebt und die Sprache nicht gesprochen wird, verliert die Volksgruppe sozusagen ihre Existenz, ihre Basis, und in Wahrheit ist das im Burgenland das gleiche Problem wie bei den Volksgruppen in Kärnten oder in Wien: Die Sprache geht verloren. Die junge Generation spricht sie nicht mehr. Die Gründe dafür sind vielfältig. Ge­schlossene Siedlungsgebiete gibt es nicht mehr. Die Gesellschaft hat andere Heraus­forderungen für junge Menschen: Englisch muss man lernen, andere Qualifikationen muss man sich aneignen, sodass die Volksgruppensprachen oft ins Hintertreffen ge­raten.

Umso wichtiger ist daher die Unterstützung für Projekte, die genau das bringen sollen: dass die Kinder und jungen Menschen neben Kindergarten, Pflichtschule und höherer Bildung sehr wohl auch durch andere Projekte – Kinderbetreuung, Sprachenwett­be­werbe, kulturelle Projekte und, und, und, alles eben, was aus der Volksgruppenförderung finanziell unterstützt wird – die Volksgruppensprache erlernen. Das ist ganz, ganz wichtig, und wir erwarten uns sehr große Impulse, damit wir den Volksgruppen auch eine Chance geben.

Erwähnen darf ich auch noch, dass die Volksgruppenmedien eine besondere Unter­stützung erfahren. Rund 700 000 Euro sind vorgesehen, pro österreichischer Volks­gruppe ein Printmedium – die „Hrvatske Novine“ bei den Kroaten, die „Novice“ bei den Slowenen, auch die Tschechen haben ein derartiges Blatt –, damit die Sprache auch transportiert wird. Sie muss im Radio, im Fernsehen gesprochen und gehört und auch in den Medien gelesen werden.

Es wäre schade, wenn diese österreichische Identität langsam verschwindet. Daher nochmals: Frau Bundesministerin, herzlichen Dank für deine Offenheit, auch für den permanenten Dialog mit den Volksgruppenorganisationen – sie kämpfen Tag für Tag um den Erhalt –, und danke für die Unterstützung! Ich hoffe, dass wir gemeinsam mit unse­rem Koalitionspartner da einen wirklichen Impuls geben, dass die Volksgruppen eine Perspektive bekommen. Srdacna hvala! Alles Gute! – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen)

17.52


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Karin Greiner. – Bitte.


17.52.20

Abgeordnete Mag. Karin Greiner (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Prä­sidentin des Rechnungshofes! Herr Vizekanzler! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Herren Volksanwälte! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Rechnungshof hat für 2021


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ein Budget, das um 500 000 Euro höher ist als das letzte. Jetzt sieht das Regie­rungs­programm eine Erweiterung der Prüfkompetenzen vor. Es finden bereits jetzt Über­prüfungen von diversen Covid-Maßnahmen statt, weitere diesbezügliche Prüfungen wer­den folgen müssen. Da stellt sich die Frage: Geht sich das mit diesem Budget aus?

Der Rechnungshof muss ja seinen gesetzlichen Prüfaufträgen nachkommen: den Bun­desrechnungsabschluss haben wir heute schon debattiert, Sonderprüfungen, die von uns beauftragt werden, et cetera.

Die Finanzen sind das eine. Wie schaut es aber mit dem Personal aus? Die Antwort der Frau Rechnungshofpräsidentin war eindeutig: Gibt es diese Erweiterung der Prüfkom­petenzen, wird es mit dem derzeitigen Personalstand nicht gelingen, die Prüfungen in der bisher gewohnten Qualität abzuliefern. Man bräuchte wirklich mehr als die 282 Voll­beschäftigungsäquivalente, zumindest 292.

Was wären die zusätzlichen Aufgaben, was müsste der Rechnungshof zusätzlich über­nehmen? – Beispielsweise Unternehmen mit 25-prozentiger Beteiligung prüfen, da hätten wir 450 Unternehmen, die da zusätzlich infrage kommen, et cetera, et cetera.

Ich möchte kurz auf die Wirkungsziele eingehen, bei denen sich grosso modo eine entscheidende Frage stellt, nämlich: Werden die Mittel durch Bund, Länder und Ge­meinden, deren Unternehmen, aber auch durch Sozialversicherungsträger ziel­ge­richtet und wirksam eingesetzt? Jetzt hat man angesichts dieser Pandemie diese Ziele auch neu definieren müssen, wie folgt: Man möchte wissen, ob angesichts dieser Krisen­situation die Struktur und der finanzielle Umfang der Hilfsmaßnahmen wirklich erfasst werden, und vor allem, wie sich die Finanzierungsströme vom Bund hin zu Ländern und Gemeinden gestalten.

Kurz noch zu einem Wirkungsziel, das die Kooperation mit weiteren Kontrollein­rich­tungen erfasst: Es wurde heute schon die Digitalisierung angesprochen, die ein vorder­gründiges Ziel des Rechnungshofes sein muss, einfach weil Wissensaustausch und gemeinsame Prüftätigkeiten verstärkt im virtuellen Raum werden stattfinden müs­sen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Gegebenenfalls müssen für Hardwareausstattung und IT-Sicherheitsmaßnahmen Rücklagen angegriffen werden, aber machen wir uns eines bewusst: Wir alle, die wir hier sitzen, sind dafür verantwortlich, dass der Rechnungshof als Hilfsorgan des Nationalrates seinen Aufgaben seinen Prüfkompetenzen entsprechend und qualitativ hochwertig nachkommen kann. Es liegt an uns, ihn mit den notwendigen finanziellen und personellen Ressourcen auszustatten. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Voglauer.)

17.55


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Olga Voglauer. – Bitte.


17.55.44

Abgeordnete Dipl.-Ing. Olga Voglauer (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte VertreterInnen der Bundesregierung! Liebe Volksanwaltschaft! Sehr geehrte Frau Prä­sidentin des Rechnungshofes! Spoštovana Visoka Hiša! Spoštovane kolegice in kolegi! Drage poslušalci in poslušalke pred ekrani! Herr Kollege Berlakovich hat es wunder­schön ausgeführt: Österreich hat sechs anerkannte Volksgruppen, sechs Volksgruppen, die das Leben und die Identität unserer Republik so besonders machen. Es sind die Tschechen und die Slowaken in Wien, es sind die Burgenlandkroaten, die Roma und die Ungarn in Wien und im Burgenland und es sind die Sloweninnen und Slowenen in Kärnten und in der Steiermark, die zu den anerkannten Volksgruppen in unserem Land gehören und die dazu beitragen, dort, wo es in unserer Gesellschaft knatscht, wo Dis­kriminierung beginnt, schon rechtzeitig ihre Stimme zu erheben. Das tun sie laut und stark, was sie aber vor allem tun, ist, mit ihrem Leben, mit ihren Kulturvereinen, mit ihrem


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Aktionismus dazu beizutragen, dass dieses Land so vielfältig ist und in mehreren Sprachen singt, denkt und spricht. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie der Abg. Brandstötter.)

Ja, wir haben diese Volksgruppenförderung, die für unsere Vereine der Volksgruppen so wichtig ist, mehr als verdoppelt. Es werden zukünftig fast 7,9 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung stehen, um dieses kulturelle Leben, meist auf höchstem Niveau, weiter­bestehen lassen zu können und es weiter zu fördern, so wie es sich für unsere Republik gehört. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Und ja, diese Erhöhung war längst überfällig, denn sie ist ein klares Bekenntnis Öster­reichs zu seiner Vielfalt, zu seiner Geschichte und zu seiner Zukunft. Es ist eine Form der Würdigung, die sich alle Volksgruppen gleichermaßen verdient haben. Es ist eine selbstverständliche Würdigung, und auch für uns ist dies ein Schritt in die Richtung, dass wir diesen Volksgruppen viel öfter eine Bühne bieten werden.

Heuer im Oktober feierte Kärnten 100 Jahre Kärntner Volksabstimmung. Bei dieser Volksabstimmung 1920 hat die Bevölkerung Ja dazu gesagt, dass auch die Region, in der ich zu Hause bin, bei Österreich bleibt. Es war dabei wesentlich, dass die Slowenisch sprechende Bevölkerung mit ihrem Ja zu Koroška, Kärnten, gezeigt hat, wo sie bleiben will. Dadurch haben wir dieses Koroška auch in Österreich behalten.

Wir haben uns entschieden, und wir werden auch ein diesbezügliches Gesetz be­schließen, dass wir im Rahmen einer Abstimmungsspende gerade dieser Region 4 Mil­lionen Euro zukommen lassen werden, und davon werden 2 Millionen Euro für Vereine der slowenischen Volksgruppe und Vereine, die sich dem gemeinsamen und guten Miteinander widmen, zur Verfügung gestellt – Geld, das dringend notwendig für zwei­sprachige Kindergärten, für zweisprachige Kulturhäuser und für zweisprachige Vereine ist, die eines tun, nämlich unseren Kindern eine Sprache zu vermitteln, die sie auch im Alltag anwenden können. Dafür mein herzliches Dankeschön an Frau Bundesministerin Raab, an unseren Vizekanzler und an die Bundesregierung, dass dies nun mit einer angemessenen Förderung möglich wird – danke schön! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Ganz besonders ist aber bei all diesem Guten, dass wir ein Gesetz beschließen werden, das wir auch übersetzen werden. Es ist das erste Mal in unserer Republik, dass ein Bundesgesetz in die slowenische Sprache übersetzt und so auch veröffentlicht wird. Das ist ein Meilenstein, der so wichtig ist, weil das eine Würdigung, ein angemessener Platz für eine anerkannte Minderheitensprache und ein Dank ist. – Hvala lepa, danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

18.00


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christian Lausch. – Bitte.


18.00.24

Abgeordneter Christian Lausch (FPÖ): Geschätzte Präsidentinnen! Geschätzte Volksanwälte! Mitglieder der Bundesregierung! Zuerst möchte ich mich in meiner Rede bei den über 140 000 öffentlich Bediensteten recht herzlich für ihre Arbeit bedanken, die sie trotz dieser Bundesregierung so gut machen. Mit der Pandemie, mit der Coronakrise wurde sie ja nicht unbedingt leichter, und man vergisst auch immer auf den öffentlichen Dienst, auf die öffentlich Bediensteten, die auch oft über mehrere Stunden mit Maske – was nicht sonderlich angenehm ist – ihren Dienst zu unser aller Wohl verrichten müssen. Da nenne ich jetzt Exekutive, Polizei und Justizwache genauso wie die Lehrerinnen und Lehrer, ebenso wie die Verwaltungsbediensteten; da will ich keinen vergessen, keinen ausnehmen. (Beifall bei der FPÖ sowie der Abg. Salzmann.)


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Es ist natürlich immer schön, wenn es in schwierigen Zeiten Bonuszahlungen gibt, aber das muss nicht immer sein, es gibt auch Dienstrechte, die ständig angepasst gehören und wo man etwas machen könnte. Da ist unser Vizekanzler und Beamtenminister gefordert: Schwerarbeiterregelung für die Justizwache, das wäre so ein Thema. Der Zugang zur Schwerarbeiterregelung für Justizwachebeamte wurde am 3. Juli 2019 von vier Parteien in diesem Haus beschlossen. Die Bundesregierung wird ersucht, schnellst­möglich die entsprechenden rechtlichen Rahmenbedingungen zu schaffen. Da schaue ich gleich die ÖVP an, die sich ja immer rühmt, die Exekutiv- und Beamtenpartei zu sein – nein, leider nicht, das seid ihr schon lange nicht mehr –: Ihr habt das hier unterstützt, mitbeschlossen, zur schnellstmöglichen Umsetzung. Jetzt ist der 3. Juli 2019 doch schon eine Zeit lang her, und da wäre auch der Herr Bundesminister und Vize­kanzler sehr gefordert, etwas zu tun, endlich diese Schwerarbeiterregelung als Anerken­nung für die Justizwache umzusetzen! Exekutivdienst ist Schwerarbeit! Bei der Polizei hat es geklappt, bei der Justizwache klappt es nicht, im Gegenteil: Das Budget weist für die Justizwache null Planstellen mehr für 2021 aus; eigentlich eine Schande! Ich meine, von den Grünen habe ich mir da nicht mehr erwartet, ich schaue vorrangig die ÖVP an.

Längst fällig und fertig in der Schublade wäre auch das Exekutivdienstrecht, zu dem sich die ÖVP immer bekannt hat. Das wurde ja unter Türkis-Blau endverhandelt und war kurz in Umsetzung – jetzt hört man davon nichts mehr. Ihr seid weiterhin in der Bun­desregierung, aber ihr habt die Beamten, die öffentlich Bediensteten schon lange ver­gessen! Es ist eigentlich eine Schande, dass sich die ÖVP zwar immer damit rühmt, immer damit schmückt, aber in der Umsetzung mehr als schwach ist.

In diesem Sinne: Für die öffentlich Bediensteten wäre bei diesem Budget mehr Aner­kennung drinnen gewesen, aber man kann ja vielleicht das eine oder andere noch dienstrechtlich auf den Weg bringen. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

18.03


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Friedrich Ofenauer. – Bitte.


18.03.21

Abgeordneter Mag. Friedrich Ofenauer (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Herr Vizekanzler! Geschätzte Bundesministerinnen und Herren Volksanwälte! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Wir behandeln in dieser Untergliederung unter anderem den öffentlichen Dienst. Die Leistungen seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, das kann man wohl sagen, sind so vielfältig und werden manchmal auch als so selbstverständlich wahrgenommen, sodass er vielleicht manchmal nicht die Würdigung bekommt, die er verdient.

In dieser Krise, während dieser Coronapandemie, ist das anders, denn was die Mit­arbeiterinnen und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst leisten, ist großartig: von den Kin­dergärten über die Schulen, die Krankenhäuser, Pflegeheime, Polizei, Bundesheer bis hin zu den Gemeindeämtern und den Bezirksverwaltungsbehörden, die sich vehement gegen diese Infektionsketten stemmen und versuchen, sie zu unterbrechen. – Dafür, für diesen Einsatz ein herzliches Dankeschön! (Beifall bei der ÖVP.)

Der öffentliche Dienst ist 24 Stunden am Tag, sieben Tage in der Woche für uns da, um uns auf einer Reise zu begleiten, nämlich mit dem Ziel, aus dieser Pandemie heraus­zukommen, diese Pandemie zu überwinden. Mir fällt bei dieser Gelegenheit ein Bild ein: Wir sitzen alle im selben Boot, wir können unser Ziel nur gemeinsam erreichen. Der Kapitän gibt das Ziel ganz klar vor, nämlich: raus aus dieser Pandemie, wirtschaftlich, gesellschaftlich wieder durchstarten. Der Steuermann hält ganz klar die Richtung, ein


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Teil der Mannschaft rudert auch in die richtige Richtung, nur manche strecken die Ruder oder rudern sogar dagegen, und das macht es nicht leichter, denn wir befinden uns wahrlich auf rauer See. Aber das Ziel unserer Reise ist klar: aus dieser Krise wieder herauszukommen, wirtschaftlich und gesellschaftlich durchzustarten, und dafür schaffen wir mit diesem Budget den nötigen Rahmen und auch die finanziellen Möglichkeiten, um unser Ziel auch zu erreichen. Der öffentliche Dienst arbeitet unermüdlich daran, dieses Ziel zu erreichen – das ist eine große Leistung, für die man sich nur bedanken kann. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dennoch müssen wir auch an die Heraus­forderungen der Zukunft denken, gerade auch im öffentlichen Dienst, denn in den nächs­ten 13 Jahren werden 48 Prozent der öffentlich Bediensteten in Pension gehen. Das ist ein Verlust an Wissen, an Qualität im öffentlichen Dienst, und da müssen wir dage­genhalten, damit diese Zahl 13, die manche als Unglückszahl sehen, nicht tatsächlich eine solche wird.

Wie machen wir das? – Zum Beispiel mit Meilensteinen in diesem Budget: dass Wis­sensmanagement vorgesehen wird, eine elektronische Plattform, die sicherstellen soll, dass die Qualität des Wissens erhalten bleibt. Wir entwickeln das Dienstrecht weiter. Wir wollen die Mobilität innerhalb des Bundesdienstes erhöhen und eine Modernisierung des Recruitings, der Personalauswahl, herbeiführen, damit diese im Durchschnitt 6 000 Stel­len pro Jahr nachbesetzt werden können, damit die Qualität der Arbeit im öffentlichen Dienst auch für die nächsten Jahre und Jahrzehnte gesichert ist.

Sie sehen, der öffentliche Dienst steht vor keinen leichten Herausforderungen, aber diese vielen Menschen, die Tag für Tag für uns arbeiten, krempeln Tag für Tag die Ärmel auf und stellen sich diesen Herausforderungen. Wären sie nicht da, wären da nicht diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Krankenhäusern, in den Pflegeheimen, gerade auch die Lehrerinnen und Lehrer, die Besonderes leisten müssen, die Polizistinnen und Polizisten oder Soldatinnen und Soldaten – gerade beim Terroranschlag vor Kurzem haben wir gesehen, wie wichtig vor allem die Exekutive, Polizei und Bundesheer, ist –, dann wäre es nicht möglich, unsere Republik, unsere Gesellschaft in solchen Krisen­zeiten, wie wir sie jetzt haben, am Laufen zu halten. Mein Dank gilt gerade diesen Men­schen im öffentlichen Dienst.

Meine Damen und Herren! Gemeinsam kommen wir durch die Krise und nur gemeinsam kommen wir aus der Krise auch wieder heraus. (Beifall bei der ÖVP.)

18.07


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Gerald Loacker. – Bitte.


18.07.56

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Frau Präsidentin! Herr Vizekanzler! Frau Bundesministerin! Geschätzte Volksanwälte! Die Untergliederung 17: Öffentlicher Dienst und Sport, ist kein wahnsinnig knackiges Thema für die geschätzten Fernsehzuschauer, aber ein paar Punkte möchte ich noch ins Treffen führen, die nach Ansicht unserer Fraktion immer ein bisschen unterbelichtet sind.

Arbeitsministerin Aschbacher hat heute die neuen Arbeitslosenzahlen präsentiert, die natürlich steigen – und das, bevor der zweite Lockdown seine Spuren hinterlassen konnte. Wenn man die Coronapolitik der Bundesregierung so anschaut, dann müssen wir alle davon ausgehen, dass am 7. Dezember alle Sperren aufgehoben werden, das Infektionsgeschehen weitergeht und wir im Jänner oder im Februar den dritten Lockdown haben. Und das überlebt dann keine Firma mehr.


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Wenn wir dann in einem Jahr, von heute aus gesehen, nicht bei über 400 000 Ar­beits­losen stehen werden, sondern bei 800 000 oder noch mehr, frage ich mich, ob sich dann Kollegin Blimlinger oder Kollege Lausch wieder hier herausstellen und von Besser­stel­lungen im öffentlichen Dienst sprechen wird, obwohl diese Menschen die Sicherheit eines festen Jobs und die Sicherheit eines festen Gehalts haben. Wir erleben hier näm­lich eine extreme Spaltung in der Gesellschaft. (Abg. Lausch: Durch dich! Du spaltest!) Wir haben die Arbeiter und Angestellten, die durch Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit Ein­kommen verlieren, wir haben die Selbstständigen, die weniger Einkommen haben, und auf der anderen Seite die öffentlich Bediensteten und die Pensionisten und auch die Politiker, die jeden Monat fix mit ihrem Geld rechnen können. Da wäre natürlich eine Modernisierung des Dienstrechtes angebracht, aber keine, die auf ein komfortables Bett noch einmal zwei weiche Decken drauflegt, sondern es wäre angebracht, dass man einmal überlegt: Was ist denn noch zeitgemäß?

Herr Vizekanzler, wir haben uns auch darüber unterhalten, ob zum Beispiel eine bezahlte Mittagspause angemessen ist, wenn die Steuerzahler in der Wirtschaft, die das alles finanzieren, die Mittagspause in der Freizeit machen und diese eben nicht bezahlt be­kom­men. Oder wenn man sich zum Beispiel anschaut, wann jemand in die Berufs­unfähigkeitspension oder bei den Selbstständigen in Erwerbsunfähigkeitspension gehen kann: Das ist in der Wirtschaft viel schwieriger zu erreichen als eine Dienstunfähig­keitspension im öffentlichen Dienst, denn im öffentlichen Dienst genügt es, wenn man innerhalb der eigenen Dienststelle nicht mehr auf eine andere Position versetzbar ist, während man einen Selbstständigen auf alle Tätigkeiten, die es überhaupt gibt, ver­weisen kann. Der Schutz im öffentlichen Dienst ist also im Vergleich überzogen.

Wenn Sie also jetzt, Herr Vizekanzler, mit der Gewerkschaft in die Verhandlungen über die Gehaltserhöhungen gehen – ich habe es Ihnen im Ausschuss auch gesagt –, dann hoffe ich, Sie nehmen Arbeitgeberforderungen mit, damit das keine Einbahnstraße wird, indem nicht nur die Arbeitnehmerseite Forderungen präsentiert, sondern auch der Arbeitgeber berechtigte Anliegen für eine Modernisierung des Dienstrechtes mitein­bringt, um so gemeinsam einen Schritt weiter nach vorne zu kommen. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS.)

18.11


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christoph Zarits. – Bitte.


18.11.21

Abgeordneter Christoph Zarits (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Geschätzte Herren Volksanwälte! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Sportfreundinnen und Sportfreunde! Herr Sportminister! Der öster­reichische Sport steht sicherlich mit der Bewältigung der Coronapandemie vor immensen Herausforderungen, und wir alle haben die Aufgabe – vor allem wir in der Politik –, den Sport auch bestmöglich zu unterstützen.

Wir sind seit Wochen und Monaten zweifelsohne in einer Situation, in der wir in einem Spannungsfeld zwischen einerseits verantwortungsvoller Gesundheitsprävention und andererseits dem verständlichen Wunsch vieler Sportlerinnen und Sportler nach viel­seitiger Bewegung sind. Ich denke aber, Herr Sportminister, wir haben im Dialog mit den Verbänden, mit den Vereinen, mit den Sportlerinnen und Sportlern einen sehr guten Weg gewählt. Ich glaube, wir haben, auch was die Lockerungsverordnungen betrifft, sehr, sehr viel erreicht: nur so viele Einschränkungen im Sportbereich, wie auch not­wendig waren, und so viel Bewegung, wie nur möglich war.


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Natürlich sind jetzt die Zahlen dementsprechend hoch, und wir hoffen, dass wir mit­einander die Zahlen wieder senken können und dann so schnell wie möglich auch wieder Sport betreiben können, denn Sport ist uns wichtig. Das wollen wir natürlich für alle Sportlerinnen und Sportler erreichen.

Vielen Dank an dieser Stelle allen Sportlerinnen und Sportlern für das Verständnis in den letzten Wochen und Monaten und für das Verständnis für die bevorstehenden Wochen und Monate. Eine Bitte hätte ich an alle Sportlerinnen und Sportler, an alle, die sich ehrenamtlich in den Sportvereinen engagieren: Bitte halten Sie Ihrem Verein die Treue, bitte unterstützen Sie Ihren Verein mit Ihrem Mitgliedsbeitrag im Rahmen Ihrer Möglichkeiten! Der Sport braucht uns jetzt alle. Ein herzliches Dankeschön an alle, die ihren Mitgliedsbeitrag leisten und noch leisten werden, ein herzliches Dankeschön dafür!

Herr Sportminister, Ihnen darf ich ganz herzlich danken: 151,5 Millionen für den Sport, für das Sportbudget, das sind 10,8 Millionen mehr, 7,8 Prozent mehr. Das ist die höchste Steigerungsrate in den letzten Jahrzehnten – und das ist gut so. Gerade jetzt in dieser herausfordernden Zeit braucht der Sport Sicherheit.

15 000 Sportvereine, 2,1 Millionen Mitglieder, 570 000 Kinder und Jugendliche, mehr als 580 000 Ehrenamtliche mit einem wöchentlichen Arbeitsvolumen von 2,2 Millionen Stunden – dafür ein herzliches Dankeschön, und natürlich wollen wir auch das Ehrenamt mit diesem Budget stärken. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Der Sport leistet einen wertvollen Beitrag für uns alle, vor allem für Kinder und Jugendliche. Ich war selbst Trainer im Jugendbereich bei mir im Sportverein, und es war mir immer eine Riesenfreude. Ich habe gesehen, mit wie viel Freude die Kinder und Jugendlichen dabei sind. Wir müssen alles tun, um die Kinder und Jugendlichen in Bewegung zu bringen; jetzt steht natürlich an erster Stelle, die Infektionszahlen nach unten zu treiben. Was mir vor allem gefallen hat, als ich im Jugendbereich tätig war, war, dass die Kinder und Jugendlichen vor allem beim Sport lernen, mit Siegen und Nieder­lagen umzugehen. Sie lernen, mit Regeln umzugehen, sie lernen den Umgang mit den Mannschaftskameraden und damit den Umgang innerhalb unserer Gesellschaft. Daran sieht man schon, wie wichtig der Sport ist – noch einmal ein herzliches Dankeschön an die Bundesregierung, dass dafür mehr Budget zur Verfügung steht.

Auch sonst ist der Sport aber wichtig für uns: Er ist ein enormer Wirtschaftsfaktor in Österreich, wichtig für die Gesundheit, wichtig für die Inklusion, wichtig auch für die Integration.

Wie vorhin schon erwähnt: Wir brauchen jetzt Sicherheit für die Verbände, für die Vereine, für die Sportlerinnen und Sportler. Es wurde schon der NPO-Fonds mit 700 Mil­lionen Euro ins Leben gerufen, der – der Herr Vizekanzler hat es bereits angekündigt – jetzt bis 31. Dezember 2020 verlängert wurde. Das ist sehr, sehr wichtig, damit die Vereine, die Verbände, die Sportlerinnen und Sportler auch planen können. In einem persönlichen Gespräch mit dem Vizekanzler hat dieser gesagt, die Vereine und Ver­bände werden natürlich so lange Hilfe bekommen, solange diese Pandemie andauert.

Im Profiligenbereich ist uns auch sehr, sehr viel gelungen. Mit dem Profiligenfonds haben wir es geschafft, dass die Vereine auch in diesen schwierigen Zeiten eine Existenz­grundlage haben.

Was uns wichtig ist und wir im Regierungsprogramm vereinbart haben, ist, dass wir den österreichischen Sport in vollem Umfang und qualitativ absichern. Wir wollen die Sport­infrastruktur absichern und ausbauen, natürlich auch die Beschäftigungsverhältnisse im Sport absichern. Für mich ganz besonders wichtig ist es, die ehrenamtlichen Struktu­ren auszubauen. Ich glaube, das ist uns allen ein riesiges Anliegen. Viele von euch, viele von den Abgeordneten sind in den Kommunen tätig und wissen, was in den


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Sportvereinen für tolle Arbeit geleistet wird. Wichtig ist natürlich auch, die Spitzen­sport­lerinnen und -sportler weiterhin in der Weltklasse zu positionieren.

Mit dem Sportbudget gehen wir einen sehr, sehr guten Weg. Wir geben den Vereinen, den Verbänden, den Sportlerinnen und Sportlern Sicherheit in einer sehr, sehr heraus­fordernden Zeit. Darum bitte ich um Zustimmung zu diesem Budget. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

18.16


Präsidentin Doris Bures: Der nächste Redner ist Herr Abgeordneter Thomas Drozda. – Bitte.


18.16.25

Abgeordneter Mag. Thomas Drozda (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Vizekanzler! Frau Ministerin! Herren Volksanwälte! Frau Rechnungshofpräsidentin! „Sie werden kein Schauspiel sehen. Ihre Schaulust wird nicht befriedigt werden. Sie werden kein Spiel sehen. Hier wird nicht gespielt werden.“ – Mit diesen Worten beginnt bekanntlich – Sie haben es erraten – Peter Handkes „Publikumsbeschimpfung“. Ich glaube, dass dieses Zitat ganz gut die Situation der heimischen Medienpolitik, über die ich kurz sprechen möchte, beschreibt. Wir sehen nämlich keine Medienförderung, wir sehen keine Medien­politik, wir sehen keinerlei Gestaltungswillen. Hier wird nicht regiert und nicht gehan­delt. – So einfach und beklemmend ist das Urteil über das, was Sie hier vorlegen: ein Budget für 2021, in dem keinerlei Postcoronamaßnahmen berücksichtigt wurden.

Sie tun so, als ob es das Problem nicht gäbe. Dabei wissen wir, dass die Medien aus ökonomischer Sicht besonders betroffen sind und die wirtschaftlichen Folgen besonders gravierend sind. Sie weigern sich, anzuerkennen, dass sich die Welt weiterdreht. Eine Digitalsteuer wollen Sie zwar einführen, eine Digitalförderung im Medienbereich ist aber weder konzipiert noch ausreichend budgetiert. An der Presseförderung ändern Sie ent­gegen aller berechtigter und der sattsam bekannten Kritik einmal mehr nichts. Da gilt das Motto: so weit, so schlecht. Der angekündigte Medienfonds, mit dem Videopro­duk­tionen österreichischer Medienunternehmen gefördert werden sollen, bleibt weiter das, was diese Regierung allzu oft liefert: ein Zeitungsinterview ohne weitere Umsetzungs­schritte.

Dieses Budget zeigt, Medienpolitik ist Ihnen nicht wichtig. Sie haben sich davon ver­abschiedet. Sie wollen keine kritischen Medien als vierte Macht im Staat, Sie wollen Ihren PR-Apparat auch in den Redaktionsstuben durchsetzen. Sie wollen nicht Dis­kussion und kritische Auseinandersetzung, Sie wollen Medien, die klatschen, wenn Sie rufen, die nur mehr Ihre Bilder bringen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Ich bringe daher in diesem Zusammenhang folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Wid­mung der gesamten Einnahmen aus der Digitalsteuer für die Medienförderung“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundeskanzler wird aufgefordert, rasch eine Vorlage zur digitalen Medienförderung vorzulegen und die gesamten Einnahmen aus der Digitalsteuer – derzeit prognostiziert


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mit 45 Mio. € für 2021 – für diesen wichtigen digitalen Transformationsprozess zu ver­wenden. Besonderes Augenmerk soll dabei auch auf der Förderung von Online- und nichtkommerzieller Medien und der Förderung des Qualitätsjournalismus liegen.“

*****

Ich habe mit Handke begonnen – lassen Sie mich auch mit Handke schließen. Ich zitiere: „Der gedankenloseste aller Menschen: der in jedem Buch nur blättert.“

Schade, dass Sie mit diesem Budget die Chance verstreichen lassen, zu verstehen, dass Medien, in denen man nicht nur blättert oder zappt, jedem Gedanken schenken, die uns – zumindest theoretisch – am Ende alle ein Stück weiterbringen. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

18.19

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Thomas Drozda, Genossinnen und Genossen

betreffend Widmung der gesamten Einnahmen aus der Digitalsteuer für die Medien­förderung

Im September 2019 wurde die Digitalsteuer beschlossen. 15 Millionen der Einnahmen aus dieser sollten in die Förderung des digitalen Transformationsprozesses öster­reichi­scher Medien gehen. Leider liegen dafür bis heute keine gesetzlichen Grundlagen vor.

Laut Informationen des Medienbeauftragten der Bundesregierung, Gerald Fleischmann, sollte diese Digitalförderung eigentlich bereits im Beschlussmodus sein. In einem Bericht des Standards kündigte er an, dass diese bis August 2020 zur Prüfung an die EU-Kom­mission gehen und um den Jahreswechsel ausgeschüttet werden sollte. Laut dem Medienbeauftragten wäre die Förderung für Printmedien und Rundfunkunternehmen vorgesehen für Projekte, „die sie weiter in die digitale Medienwelt bringen“. Dabei wurden folgende Bereiche genannt: Barrierefreiheit; Jugend, etwa Jugendschutz und Medien­kompetenz; IT-Sicherheit; Inhalte, etwa Podcastprojekte oder Bewegtbildformate, ob nun News oder Unterhaltung; Ausbildung von Journalistinnen und Journalisten und anderen MedienmitarbeiterInnen, Rechercheprojekte; Infrastruktur, da soll es etwa um Redaktionssysteme oder andere redaktionelle Tools gehen. (Standard 2. Juli 2020) Bei den Medientagen ging Fleischmann davon aus, dass bereits heuer aus der Digitalsteuer statt der geplanten 20 Mio. € eher 30 Mio. € eingenommen werden. Etwa 18, 19 Mio. Euro davon sollen den österreichischen Medien zur Verfügung gestellt werden. Und abermals verwies er darauf, dass die Ausgestaltung mit grünen Koalitionspartner noch in Gang sei. (APA0510, 2020-09-24)

Im BVA 2021 sind nun Einnahmen in der Höhe von 45 Mio. € aus der Digitalsteuer vorgesehen. Es sind daher ausreichend Mittel für eine Digitalförderung vorhanden. Daher gilt es, diese rasch Realität werden zu lassen und die Mittel dafür aufzustocken. Darüber hinaus braucht es eine zeitgemäße Ausgestaltung der Digitalförderung, da diese bisher nur für Printmedien und Rundfunkunternehmen angedacht ist. Dabei müs­sen jedenfalls auch bestehenden Online-Medien berücksichtigt werden. Diese haben eine Vorreiterrolle übernommen und aus eigener Initiative den digitalen Raum erobert. Das darf jetzt nicht bestraft werden, indem die Digitalförderung lediglich für Printmedien und Rundfunkunternehmen vorgesehen wird. Es braucht auch eine starke digitale Ent­wicklungsförderung mit Fokus auf Open Source Standards. Österreich soll europaweit


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Vorreiter in der Online-Medienwelt werden, daher wollen wir Investitionen in die digitale Zukunft. Im Zusammenspiel mit dem ORF- Player, für den es auch endlich geeignete rechtliche Rahmenbedingungen braucht, besteht hier eine Chance, die wahrgenommen werden muss. Besonderes Augenmerk soll auf die Förderung des Qualitätsjournalismus und der nichtkommerziellen Medien gelegt werden.

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundeskanzler wird aufgefordert, rasch eine Vorlage zur digitalen Medienförderung vorzulegen und die gesamten Einnahmen aus der Digitalsteuer – derzeit prognostiziert mit 45 Mio. € für 2021 – für diesen wichtigen digitalen Transformationsprozess zu ver­wenden. Besonderes Augenmerk soll dabei auch auf der Förderung von Online- und nichtkommerzieller Medien und der Förderung des Qualitätsjournalismus liegen.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher mit in Verhandlung.

Die nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Romana Deckenbacher. – Bitte.


18.20.02

Abgeordnete Mag. Romana Deckenbacher (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Vizekanz­ler! Frau Bundesminister! Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Sehr geehrte Herren Volksanwälte! Hohes Haus und liebe Zuseherinnen und Zuseher! Beate Meinl-Reisinger hat recht, wenn sie sagt: „Österreich kann stolz auf den öffentlichen Dienst sein.“ Auch Norbert Hofer sagt: „Der öffentliche Dienst garantiert Stabilität und Sicherheit im Staats­gefüge und verdient daher nicht nur unsere Wertschätzung, sondern auch moderne, bedarfsgerechte und faire Arbeitsbedingungen.“ Auch Frau Rendi-Wagner meint: „Un­sere öffentlich Bediensteten leisten hervorragende Arbeit. Sie sind [...] das Herz“ unserer Gesellschaft. Der Herr Vizekanzler sagt: „Ohne öffentlichen Dienst“ gibt es „keine funk­tionierende Gesellschaft“. Unser Herr Bundeskanzler meint: „Der öffentliche Dienst ist Träger der Verwaltung und stellt die Funktionsfähigkeit unseres Staates sicher. Ohne einen funktionierenden Beamten- und Verwaltungsstab hätten unser Staat“, aber auch „[...] unser politisches System keinen Bestand“.

Wir haben an vielen Beispielen der letzten Monate erlebt, wie sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes für uns einsetzen und dabei ihre Gesundheit – unter Einsatz ihres Lebens – für uns riskieren. Ob es bei der Polizei und den Spezial­einsatzkräften, in den Spitälern, in den Senioren- und Pflegeheimen, in den Kinder­gärten, in den Schulen und Universitäten, beim Bundesheer, in der allgemeinen Ver­waltung, in der Justiz – auch bei der Justizwache – oder in der Finanzverwaltung ist – diese Aufzählung würde sich noch fortsetzen lassen –: Das Entscheidende ist, dass es die Kolleginnen und Kollegen unseres öffentlichen Dienstes sind, die uns durch diese schwere Zeit helfen und uns unterstützen. (Beifall bei der ÖVP.)

Rufen wir uns an dieser Stelle noch einmal den 2. November in Erinnerung! Dem raschen Einsatz unserer Exekutive ist es zu verdanken, dass der Attentäter dieses feigen und hinterhältigen Anschlags schon nach 9 Minuten neutralisiert werden konnte. Die Ret­tungskette funktionierte, und unsere Gesundheitseinrichtungen waren trotz der stei­genden Auslastung durch Covid-19 in der Lage, die teils schwer Verletzten professionell


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zu versorgen. Dass unser Land gerade in dieser für uns alle herausfordernden Zeit diese Krise so meistert, haben wir zu einem bedeutenden Teil der Professionalität und Resilienz des öffentlichen Dienstes zu verdanken. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir als Zivilgesellschaft können mit Recht auf all diese Berufsgruppen stolz sein. Die am Beginn meiner Rede zitierten Aussagen stammen aus dem Jahr 2019, und nicht einmal ein Jahr später wurden alle Aussagen durch die Realität der uns bekannten Ereignisse bestätigt. Erlauben Sie mir an dieser Stelle, allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes für ihren großartigen Einsatz an uns und für uns ein herzliches Danke auszusprechen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

18.23


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste ist Frau Abgeordnete Edith Mühlberghuber zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Abgeordnete.


18.23.44

Abgeordnete Edith Mühlberghuber (FPÖ): Frau Präsident! Sehr geehrte Frau Rechnungshofpräsident! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Sehr geehrte Herren Volksanwälte! Die Volksanwaltschaft ist das zweitkleinste oberste Organ und im Budget mit 12,42 Millionen Euro berücksichtigt. Das sind um 190 000 Euro mehr als im Jahr 2020, und es entspricht einer Steigerung um 1,5 Prozent.

Sehr geehrte Damen und Herren, die Pandemie zeigt auch Auswirkungen auf die Tätig­keit der Volksanwälte. Im Budgetausschuss berichteten die Volksanwälte von 270 auf­grund von Covid-19 eingelangten Beschwerden sowie 13 amtswegig eingeleiteten Prü­fungen, wovon zehn Beschwerden und zwei Prüfungen berechtigt waren. Aus dem Schul- und Universitätsbereich sind 44 Beschwerden eingelangt, wovon vier als berech­tigt galten. Im Wesentlichen handelte es sich um Fälle betreffend Fernunterricht, Matura­vorbereitungen und Maskenpflicht.

Die Sendung „Bürgeranwalt“ ist ein wesentlicher Beitrag, um die Volksanwaltschaft bekannt zu machen, und um den Bekanntheitsgrad noch weiter zu steigern, plant die Volksanwaltschaft, Maßnahmen zu setzen, um auch eine jüngere Zielgruppe sowie Frauen besser zu erreichen. Dafür gibt es im Budget eine kleine, bescheidene Erhöhung von 60 000 auf 70 000 Euro.

Ein weiteres Ziel der Volksanwaltschaft ist es, einen rechtlichen Rahmen zu schaffen, um die Volksanwaltschaft im Zuge der politischen Bildung in Schulen präsentieren zu können.

Abschließend bedanke ich mich bei den Volksanwälten und bei den Mitarbeitern der Volksanwaltschaft für ihr Engagement, ihre Arbeit und die gute Zusammenarbeit mit dem Parlament. Ich wünsche Ihnen für die Zukunft alles Gute. (Beifall bei der FPÖ.)

18.25


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Kira Grünberg. – Bitte.


18.25.59

Abgeordnete Kira Grünberg (ÖVP): Geschätzte Frau Präsidentin! Geschätzte Regie­rungsmitglieder! Liebe Volksanwälte! Geschätzte Rechnungshofpräsidentin! Liebe Kol­leginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Gleich zu Beginn meiner Rede möchte ich ein paar Zahlen zum Sportbudget nennen: Der Budgetvoranschlag 2021 sieht für den Sport Mittel in der Höhe von 151,5 Millionen Euro vor. Das entspricht einer


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Erhöhung von 10,8 Millionen Euro gegenüber dem Jahr 2020. Diese zusätzlichen Finanz­mittel sollen insbesondere in die Einrichtung des neuen Instituts für Sporttechnologie, in die Inklusion im Sport, in Gleichstellungsprojekte und in die Frauensportförderung fließen.

Als Sprecherin der neuen Volkspartei für Menschen mit Behinderung interessiert mich natürlich der Bereich Sport und Inklusion besonders. Dafür stehen für das Jahr 2021 650 000 Euro zur Verfügung. In diesem Zusammenhang möchte ich auch betonen, wie essenziell Bewegungs- und Sportangebote für Menschen mit Behinderungen sind. Im Profibehindertensport hat Österreich bereits einen sehr guten Ruf, und ich unterstütze es sehr, dass man sich auch weiterhin dazu bekennt und darin investiert – beispiels­weise durch die Stellen für Athletinnen und Athleten mit Behinderungen im Heeressport. Die österreichischen Parasportlerinnen und -sportler sind dafür bekannt, regelmäßig Me­daillen bei Großereignissen zu gewinnen, und nehmen somit auch eine große Vorbild­rolle für unsere Jugendlichen ein.

Was meines Erachtens noch mehr Aufmerksamkeit braucht, ist der inklusive Breiten­sport mit sehr niederschwelligem Zugang. Oftmals braucht es nicht viel, um Bewegungs- und Sportangebote auch behinderten Menschen zugänglich zu machen. Neben dem präventiven Charakter hat dies auch eine ganz wesentliche soziale und integrierende Komponente.

Zum anderen ist erwiesen, dass so früh und jung wie möglich mit sportlichen Aktivitäten begonnen werden soll – bei Kindern mit und ohne Behinderung gleichermaßen. Dafür gibt es in Österreich bereits einige positive Beispiele von Vereinen und Initiativen wie den Schneetigern und Sei dabei. Auch das Projekt Kinder gesund bewegen, mittlerweile schon in der Fassung 2.0, schlägt genau in dieselbe Kerbe und ist zu einem richtigen Erfolgsprojekt geworden. Eine weitere Aufstockung der Mittel dafür ist fix eingeplant. Diese sollen für die möglichst flächendeckende Implementierung von Schwimmkursen in Volksschulen verwendet werden.

Zum Abschluss möchte ich noch einmal betonen, wie wichtig und gesund es ist, regel­mäßig Sport zu treiben und sich zu bewegen. Dies gilt für jeden Menschen – egal ob mit oder ohne Behinderung. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

18.29


Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete Henrike Brandstötter ist die nächste Rednerin. – Bitte.


18.29.47

Abgeordnete Henrike Brandstötter (NEOS): Sehr geehrte Frau Rechnungshof­prä­sidentin! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Frau Minister! Kennen Sie diese oft kleinen Ecklokale, in denen man ganz selten einen Gast sieht? Ab und zu geht der Kellner, der sonst an der Bar abhängt, raus, raucht eine Zigarette, und alle paar Tage trinkt dort tatsächlich jemand einen Kaffee, und man denkt sich: Wovon lebt dieses Lokal eigentlich? Warum ist es nicht schon längst pleite? Was passiert da eigentlich an Ge­schäften im Hinterzimmer? – So ähnlich ist es mit der Medienförderung in Österreich. Die offizielle Medienförderung, über die wir heute debattieren und auch entscheiden können, das ist der Kaffee, den alle paar Tage ein Gast in unserem Ecklokal trinkt. Die millionenschweren Regierungsinserate, das sind die dicken Geldsäcke, die dann jemand im Hinterzimmer vorbeibringt, und diese Geldsäcke unterliegen keiner Kontrolle, keiner Aufsicht und keiner Verhältnismäßigkeit.

31 Millionen Euro haben allein die Ministerien in den Jahren 2018 und 2019 für Inserate in Tageszeitungen ausgegeben. Zwei Drittel davon – also satte 21 Millionen Euro – gin­gen an „Kronen Zeitung“, „Heute“ und „Österreich“. Das zeigt eine aktuelle Studie aus dem Medienhaus Wien.


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Was diese Studie offen lassen muss, ist allerdings: Warum ist das so? – Der Preis pro Leserin oder Leser, die mit diesen Inseraten erreicht werden, ist in diesen Boule­vardmedien dreimal so hoch wie bei anderen Zeitungen. An der Wirtschaftlichkeit allein kann es also nicht liegen. Man muss da schon 45 Jahre zurückblicken, um zu verstehen, warum Regierende ihre Medienpolitik so gern im Hinterzimmer betreiben.

1975 haben sich die Parteien eine sehr großzügige Parteienförderung genehmigt, und die Medien haben im Ausgleich dafür auch etwas bekommen. Der Hintergedanke war: Die Medien sollen ruhig nachvollziehen können, wie angenehm es sich mit solchen För­dertöpfen lebt. Während sich dann die Parteienförderung sehr prächtig entwickelt hat, ist es mit der Medienförderung stetig bergab gegangen. Die wurde immer weniger statt mehr, und dafür wurden die Regierungsinserate in Medienbudgets immer wichtiger.

Diese Inserate in der Höhe von knapp 31 Millionen Euro pro Jahr allein in Zeiten ohne Covid werden ohne jede Prüfmöglichkeit, ohne jede Nachvollziehbarkeit, ohne jede Transparenz in dunklen Hinterzimmern vergeben, und das ist ärgerlich, weil da viel Steuergeld ausgegeben wird und versickert. Noch ärgerlicher ist, dass man mit diesem Geld, wahrscheinlich sogar mit viel weniger, auch vernünftige, zukunftsorientierte Me­dienpolitik machen könnte: endlich neue Qualitäts- und Bildungsoffensiven, neue For­mate, neue Technologien, Digitalisierung, neue Möglichkeiten des Vertriebs; das sind nur einige wichtige Themen, die die Aufmerksamkeit der Medienpolitikerinnen und -politiker verdient hätten.

Im Budget findet sich von all dem einfach nichts. Stattdessen verteilt die Regierung weiterhin lieber Geld in dunklen Hinterzimmern, und das obwohl wir auch gerade an anderen Stellen lernen, wie wichtig es ist, manchmal einfach kräftig durchzulüften. (Beifall bei den NEOS.)

18.33


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Nikolaus Prinz. – Bitte.


18.33.11

Abgeordneter Nikolaus Prinz (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Vizekanzler! Frau Bun­desminister! Geschätzte Volksanwälte! Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Brandstötter, ich persönlich bin überzeugt, Sie werden die Förderungen, die die Stadt Wien vergibt, durch Ihre Regierungsbeteiligung aus den Hinterzimmern hervorholen und ganz transparent machen. Da geht es um wesentlich mehr Geld als dieses Geld von der Bundesregierung. Schauen wir einmal, was da herauskommt (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP – Zwischenruf der Abg. Brandstötter), das Regierungsübereinkommen deutet das nicht an.

Meine Damen und Herren! Die Budgetzahlen betreffend Volksanwaltschaft und Rech­nungshof für das nächste Jahr sind, glaube ich, durchaus positiv und eine gute Weiter­entwicklung, aufbauend auf das heurige Jahr. Ich darf mir aber eine Bemerkung erlauben, und zwar durchaus replizierend auf Reden von Kolleginnen und Kollegen: Wenn man von neuen oder zusätzlichen Aufgaben redet, dann gilt es, glaube ich, auch für einen Rechnungshof und eine Volksanwaltschaft, wie für viele andere Einrichtungen auch, nicht nur nach neuem Geld zu rufen, sondern auch darüber nachzudenken, wo man in den Abläufen besser, effizienter werden kann. Erst dann sollte man aus meiner Sicht nach neuem Geld rufen, nämlich aus den Reihen der Abgeordneten.

Die Volksanwaltschaft hat im letzten Jahr 135 Einrichtungen in der Langzeit- und Kurz­zeitpflege geprüft. Der Großteil der Überprüfungen – und das gilt sowohl für private als auch für öffentliche Einrichtungen – ist unangemeldet erfolgt. Das heißt, da sieht man dann wirklich genau hinein, weil man es sich dann nicht in irgendeiner Form richten kann. Das Prüfergebnis, das kann man durchaus sagen, bestätigt den Pflegeeinrichtungen


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grosso modo positive Arbeit. Gleichzeitig sieht man aber auch, dass Anregungen ange­nommen und umgesetzt werden.

Im heurigen Jahr ist die Lage sicherlich etwas anders. Daher ist es, glaube ich, not­wendig, dass man bei den Prüfungen auf die Herausforderungen der Pflegeheime im Zusammenhang mit der Covid-Pandemie Rücksicht nimmt und eingesteht, dass man dieses Jahr deshalb nicht eins zu eins mit jenen davor vergleichen kann.

Dabei ist die Pflege insgesamt eine Riesenherausforderung für die Zukunft. Ich hätte da eine Anregung für die Volksanwaltschaft – ich würde mir das wünschen und ich hoffe, dass das in der Volksanwaltschaft auch berücksichtigt wird –: dass zu den Überprü­fungen nicht nur Leute geschickt werden, die beim Thema Pflege nur in der Theorie darüber reden, wie es andere machen sollen, sondern solche, die Erfahrung im Pflege­bereich haben. Seien wir auch froh, dass so viele Leute privat daheim gepflegt werden! Die überwiegende Mehrheit der Leute, die Pflege brauchen, wird nämlich daheim gepflegt.

Erlauben Sie mir noch ein paar Gedanken zum Thema Coronapandemie und Pflege­heime. In Oberösterreich haben wir mehr als 130 Einrichtungen, in denen über 13 500 Men­schen betreut und gepflegt werden. Vom 12. November bis zum 16. November 2020 ist die Zahl der an Covid erkrankten Patientinnen und Patienten, also der Pflegeheim­bewohnerinnen und -bewohner, von 388 auf 494 gestiegen, bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist diese Zahl von 412 auf 470 gestiegen. Daher ist all das, was mit dem heutigen Tag wirksam wird, eine unbedingte Notwendigkeit und lässt sich nicht ver­meiden.

Eine Pandemie braucht gegenseitige Rücksichtnahme und Verantwortung. Auch wenn meine Redezeit eigentlich schon zu Ende geht, sage ich bewusst dazu: Vielleicht sollte man sich da ins Stammbuch und hinters Ohrwaschel schreiben: Meine persönliche Freiheit hört dort auf, wo ich die Freiheit des anderen eingrenze! Oder anders gesagt – die Bemerkung sei erlaubt –: Man beruft sich manchmal ja auch auf religiöse Bilder, etwa auf das christliche Menschenbild oder Sonstiges, und daraus lässt sich auch ableiten, dass man auf den anderen Rücksicht nehmen muss. Selbst dann, wenn man vielleicht nicht von allem tausendprozentig überzeugt ist, ist es aus Verantwortungsbewusstsein und Rücksichtnahme gut, gewisse Regeln einzuhalten.

Nach ein paar Reden, die wir heute gehört haben, seien es jene der Herren Kickl, Zanger, Wurm und Schnedlitz oder jene der Frau Belakowitsch, muss ich angesichts des Niveaus dieser Reden sagen: Parteipolitisch finde ich es super, aber das Bild, das dabei von uns, vom Parlament, entsteht, ist eigentlich verheerend. Demokratie und Pandemie brauchen Verantwortung und Rücksichtnahme. Es ist für mich jetzt nicht die Zeit der persönlichen Befindlichkeiten, sondern jene der Verantwortung, und als Volksvertreter sollten wir uns gemeinsam dieser Verantwortung bewusst sein. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

18.37


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Maximilian Köllner. – Bitte, Herr Abgeordneter.


18.37.40

Abgeordneter Maximilian Köllner, MA (SPÖ): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Vizekanzler! Wir haben Ihnen zwar öfters auf die Zehen steigen müssen, und es hat eine gefühlte Ewigkeit gedauert, bis es endlich so weit war, aber ich möchte mich gleich zu Beginn dafür bedanken, dass wir uns vor wenigen Tagen in der Runde der Sportsprecher austauschen konnten. Ich denke, Sie und meine Kollegen werden mir recht geben, dass es ein sehr konstruktives Gespräch war. Also lieber spät


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als gar nicht. Dass wir uns endlich an einen Tisch setzen, war aus meiner Sicht dringend notwendig, denn Sie haben sich mit Ihren Regierungskollegen in der jüngeren Vergan­genheit immer wieder auch Eigentore geschossen.

Bevor ich auf das Budget zu sprechen komme, erinnern wir uns gemeinsam nur kurz an das Verordnungsdesaster vor wenigen Wochen zurück: Das war einfach nur Chaos, Chaos, Chaos. Am Anfang der Woche wurde ein Kantinenverbot für Sportplätze kol­portiert. Am Freitag derselben Woche sind zum Beispiel die Fußballvereine noch immer im Dunkeln getappt und fragten sich: Dürfen wir den paar Zuschauern jetzt eine Leber­kässemmel geben und ein Bier ausschenken? – Warum das Ganze? Weil die Ver­ordnung, die zwar angekündigt wurde, nicht gekommen ist.

Für Vereine sind das essenzielle Einnahmen. Sie brauchen aber genauso wie alle anderen Bürgerinnen und Bürger Planungssicherheit und Klarheit und keine Verun­sicherung, denn ehrenamtliche Funktionärinnen und Funktionäre opfern viele Stunden ihrer Freizeit für die Gemeinschaft, und dafür verdienen sie sich unsere Wertschätzung, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein anderes Beispiel sind die Yoga-, Fitness- oder Tanzstudios. Auch die mussten kurzfristig ihre geplanten Kurse über den Haufen werfen, weil sie neue Auflagen und Einschränkungen umzusetzen hatten.

Herr Vizekanzler, ich merke, dass Sie sich unsere Kritik zu Herzen nehmen und jetzt zumindest bemüht sind, beim Pleiten-Pech-und-Pannen-Finanzminister Blümel den einen oder anderen Euro auch für den Sport lockerzumachen, um Schadensbegrenzung für eine Situation zu betreiben, die eben nicht von der Bevölkerung verursacht wurde. Daher begrüße ich, dass Sie zumindest einsichtig sind und unsere Forderung umsetzen wollen, die Vereine für die Einnahmenausfälle zu entschädigen. Die Vereine brauchen aber nicht nur für die Zeit des zweiten Lockdowns Planungssicherheit, sondern auch jetzt schon die Gewissheit, dass der Hilfsfonds für Vereine bis mindestens Ende des ersten Quartals 2021 verlängert wird.

Abgesehen von den Coronahilfsgeldern, auf die im Übrigen der Sport am längsten hat warten müssen, und ein, zwei weiteren Punkten, wie zum Beispiel die Frauenprojekte, die angesprochen worden sind, sehe ich in Ihrem Sportbudget aber keine großen Sprünge. Das zeigt nur, welchen Stellenwert der Sport innerhalb dieser Bundes­regie­rung hat.

Ich komme zum Schluss: Was in Ihrem Budget vollkommen fehlt, ist die Vision – die Vision, alles daranzusetzen, den Kindern schon im Schulalter Bewegung und Sport so näherzubringen, dass es ein Automatismus, eine Selbstverständlichkeit für sie wird. Was die Realität ist, wissen wir beide, Herr Vizekanzler, nämlich, dass Sie für die flächen­deckende Umsetzung der täglichen Bewegungs- und Sporteinheit in den Pflichtschulen noch viel mehr Ressourcen bereitstellen und viel mehr Anstrengungen unternehmen müssten. Solange das nicht der Fall ist, werde ich auch nicht müde, das hier im Hohen Haus aufs Tapet zu bringen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.41


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christoph Stark. – Bitte.


18.41.22

Abgeordneter Christoph Stark (ÖVP): Geschätzte Frau Präsidentin! Werte Persönlich­keiten auf der Regierungsbank! Geschätzte Damen und Herren! Hohes Haus! Bevor ich kurz auf das Budget des öffentlichen Dienstes eingehe, erlauben Sie mir einen ebenso kurzen Exkurs auf den heutigen Tag.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 253

Wenn ich nach so einem Plenartag nach Hause komme, werde ich – wahrscheinlich manch andere auch – immer wieder gefragt: Und, habts fest g’stritten? – Ich habe jetzt annähernd 10 Stunden hier aufmerksam zugehört und muss diese Frage, wenn ich nach Hause komme, mit einem klaren Ja beantworten; aber nicht nur mit einem Ja, was den politischen Diskurs, sondern auch mit einem Ja, was das beachtliche Niveau anlangt.

Ich frage mich, geschätzte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen: Woher kommt der Zorn? Woher kommt diese persönliche Wut, diese Aggression in den heutigen Plenarreden von den Kollegen Kickl, Wimmer, Zanger und Co? Das ist ein Bild, das wir nach außen abgeben, für das ich mich, ehrlich gesagt, geniere und das in Zeiten wie diesen eigentlich keinen Platz haben sollte. Hier werden Bilder erzeugt, nämlich wenn Herr Wimmer meint, die Regierung mache Jagd auf Menschen wie auf Hasen, und wenn Kollege Zanger von Mut, Hoffnung und Zuversicht spricht, ist das ja fast ein Paradoxon in sich.

Meine geschätzten Damen und Herren! Ich glaube – und das lehren mich die letzten 10 Stunden –, gerade in dieser Zeit sollten wir Zusammenhalt zeigen und das leben, wofür wir gewählt wurden, nämlich Vertreter und Vertreterinnen der Menschen in Öster­reich zu sein.

Nun aber zum Budget, und ich wende mich zuerst an Kollegen Loacker, der wiederholt die bezahlte Mittagspause anprangert. Darüber kann man diskutieren, wer aber schon einmal bei einer Ausschreibung im öffentlichen Dienst mit dabei war, weiß, wie schwer es ist, gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden, die zu diesen Gehaltsbedin­gungen in den öffentlichen Dienst gehen. Kollege Loacker, die bezahlte Mittagspause ist dafür kein Turbo, dass sich die Menschen darum reißen, deswegen in den öffentlichen Dienst zu gehen.

Hingegen ist es eine sehr gute Strategie – und deswegen bitte ich auch um Zustimmung zu diesem Punkt –, dass man großen Wert auf die Aus- und Fortbildung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen legt, weil die Welt ja eine immer komplexere wird und die Menschen in unserem Land auf den öffentlichen Dienst und auf die Expertise vertrauen, die ihnen die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im öffentlichen Dienst entgegenbringen.

Die Kolleginnen und Kollegen des öffentlichen Dienstes sind gerade in diesen Zeiten wesentliche Stützen unseres Staates. Darum meine ich, dass jeder Euro, der in den öffentlichen Dienst investiert wird, ein guter Euro ist. In diesem Sinne bitte ich Sie um Zustimmung zu diesem Budget. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

18.44


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Petra Steger. – Bitte.


18.44.43

Abgeordnete Petra Steger (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Damen und Herren! Man kann ohne Übertreibung sagen, dass es fast keinen anderen Gesellschaftsbereich gibt, der in der Coronakrise dermaßen vernach­lässigt und im Stich gelassen wurde wie der österreichische Sport. Viele Sportler, Trainer, Vereine, Funktionäre stehen seit Monaten vor dem absoluten Nichts. Sie werden mit immer neuen Verordnungen, Verboten und jetzt mit einem neuerlichen Shutdown immer mehr gequält. Ich muss sagen, als ehemalige Profisportlerin macht es mich fast narrisch, dass man den Sport ständig irgendwie als Nebensache oder Hobby abtut und behandelt. Es macht mich narrisch, dass man ständig behauptet, man könne in der Gesundheitskrise auf den Sport locker verzichten. Ständig hört man solche unquali­fizierten Kommentare, die an Ignoranz nicht mehr zu überbieten sind, sehr geehrte Damen und Herren.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 254

Sport ist nicht Hobby und auch nicht Freizeit – das auch –, Sport ist für unglaublich viele Menschen ihr Beruf, ihre Karriere und ihr Leben; sie leben vom Sport und für den Sport. 15 000 Sportvereine, fast 600 000 Ehrenamtliche, über zwei Millionen Mitglieder sind nicht nur ein volkswirtschaftlich bedeutender, sondern auch ein systemrelevanter Faktor. Trotzdem hat man seit Beginn der Krise von heute auf morgen ohne jegliche Differen­zierung einfach einmal alles verboten und zugesperrt. Man hat Spiele und Trainings untersagt, Saisonen beendet, ja man hat sogar Parks geschlossen und sogar das Laufen verboten. Da hat man sich an Absurditäten geradewegs überschlagen. Wenigstens haben Sie, sehr geehrter Herr Vizekanzler, jetzt, im zweiten Lockdown, zumindest schon verstanden, dass Spitzensport eine berufliche Tätigkeit ist und daher weiterlaufen muss. Ich gratuliere! Jetzt fehlt nur noch, dass Sie auch verstehen, dass Sport auch für die Gesundheit der Erwachsenen und vor allem der Kinder in diesem Land wichtig ist.

Dank Ihrer Maßnahmen stehen viele Vereine vor dem Nichts, sie haben keine Einnah­men, jedoch aber fortlaufende Kosten. Für Kunst und Kultur war sofort ein Hilfspaket vorhanden, für den Sport gibt es erst seit Mitte des Sommers einen Hilfstopf. Dennoch werden die Ver­eine immer wieder mit neuen Verordnungen und Zwangsmaßnahmen gequält; Stichwort Zuschauerbeschränkungen, wobei absolut niemand versteht, warum wir mittlerweile die fünfte anderslautende Zahl und Vorgabe haben und Sie nicht einmal einen Prozentsatz festlegen – orientiert am Fassungsvermögen der jeweiligen Sport­stätte, mit einem ge­schei­ten Hygienekonzept –, was den Vereinen viele Kosten und Schäden ersparen würde.

Aber nicht nur die Hilfsmittel sind notwendig – wobei ich wirklich hoffe, Herr Minister, dass Sie bei all dem Verordnungschaos Ihr Wort halten werden und wirklich alle Vereine auch die Mittel und die Hilfe bekommen, die sie brauchen. Ich hoffe, dass Sie zu dem Wort stehen, denn ansonsten sind Sie es, der für das größte Vereinssterben aller Zeiten verantwortlich ist.

Abgesehen von den Hilfsmitteln und Hilfsgeldern vermisse ich auch sonstige Initiativen, um dem Sport zu helfen. Wie sieht es zum Beispiel mit zusätzlichen Übertragungs­mög­lichkeiten sowohl im Fernsehen als auch via Onlinestreams aus? Gerade der Frauen­sport leidet unter den fehlenden Übertragungsmöglichkeiten. Der Frauensport ist Ihnen aber anscheinend nicht besonders viel wert, wie wir auch im Budgetausschuss gesehen haben, weil Sie nicht einmal sagen können, wie viel aus diesen Hilfsmitteln den Frauen tatsächlich zugutekommt.

Wie sieht es aus, Herr Minister, versuchen Sie, den Wegfall der vielen Sponsoren irgendwie zu kompensieren oder abzudämpfen, indem Sie zum Beispiel Sponsoring auch ohne Werbewert oder Spenden absetzbar machen?

Sehr geehrter Herr Minister, Sie verkennen seit Monaten vollkommen, wie wichtig der Sport für die Gesundheit der Bevölkerung und vor allem für unsere Kinder ist, und neh­men in Kauf, dass durch mangelnde Bewegung auf lange Sicht massive Kollateral­schäden entstehen. Aus dem ersten Lockdown wissen wir bereits, dass sich der Gesund­heitszustand der Bevölkerung durch Bewegungsmangel massiv verschlechtert hat. Jetzt schließen Sie – absolut unverständlicherweise – nicht nur die Schulen, son­dern verhin­dern auch wieder den Vereinssport und nehmen damit unseren Kindern jegliche Möglichkeit, sich ausreichend zu bewegen und Sport zu betreiben. (Beifall bei der FPÖ.)

Aus diesem Grund, sehr geehrter Herr Vizekanzler, sehr geehrte Damen und Herren, bringe ich auch folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ausreichend Be­wegung sicherstellen und Sportstätten öffnen“


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 255

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, sofortige Schritte zu setzen, um in Zeiten der ,de facto-Schulschließung‘ ausreichend Bewegung an österreichischen Schulen sicher­zu­stellen und eine rasche Öffnung aller Sportstätten, mit entsprechenden Hygiene- und Präventionskonzepten, für den Breitensport zu ermöglichen.“

*****

Sehr geehrte Damen und Herren von der ÖVP und den Grünen, kommen Sie endlich zur Vernunft, stoppen Sie diesen Verordnungs- und Verbotswahnsinn! Sorgen Sie für die notwendige Hilfe und beenden Sie endlich dieses gesundheitspolitische Verbrechen an unseren Kindern, bevor Sie Schäden anrichten, die nicht mehr gutzumachen sind! (Beifall bei der FPÖ.) 

18.50

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Petra Steger

und weiterer Abgeordneter

betreffend ausreichend Bewegung sicherstellen und Sportstätten öffnen

eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 11, Bericht des Bud­getausschusses über die Regierungsvorlage (380 d.B.): Bundesgesetz über die Be­willigung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2021 (Bundesfinanzgesetz 2021 – BFG 2021) samt Anlagen (449 d.B.), Untergliederung UG 17 – Öffentlicher Dienst und Sport, in der 62. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 17. November 2020

Im Wirkungsziel 4 Ihres Ministeriums wird festgehalten, dass Sport und Bewegung als Grundlage für eine gesunde Lebensführung in allen Altersgruppen gestärkt werden soll. In der Beantwortung einer schriftlichen Budgetanfrage schreiben Sie: „Eine inaktive Lebensführung frei von Sport und Bewegung stellt ein erhöhtes Gesundheitsrisiko dar. Ein zentrales Ziel ist es daher, die Anzahl der Menschen zu erhöhen, die regelmäßig Sport betreiben. Denn derzeit bewegen sich die Österreicherinnen und Österreicher in Relation zu den Bewegungsempfehlungen der WHO und auch im Vergleich zu anderen europäischen Ländern zu wenig. Diese Herausforderung gilt es, für alle Altersgruppen und nicht zuletzt für besonders inaktive Bevölkerungsgruppen durch gezielte Förderun­gen im Bereich des Gesundheits-, Schul- und Breitensports anzupacken.“

Gerade in Zeiten des Coronavirus ist es umso wichtiger, dass sich Schulkinder aller Altersgruppen für eine tägliche Bewegungseinheit begeistern. Durch Sport wird Stress abgebaut, das Gemeinschaftsgefühl gestärkt und die Aufmerksamkeitsspanne – auch für andere Unterrichtsfächer – erhöht. Schulsport bietet für einige Kinder die einzige Möglichkeit regelmäßig Sport zu betreiben und auch die Freude an der Bewegung zu erleben.

Fakt ist: Schüler brauchen Bewegung. Wenn möglich, sollen regelmäßige Bewegungs­einheiten im Freien abgehalten werden, auch Wanderungen oder Spaziergänge sind denkbar. Aufgrund der kleineren Klassen, ist der Sportunterricht jedoch auch in den Turnsälen oder umliegenden Sportstätten möglich.

In den „Österreichischen Empfehlungen für gesundheitswirksame Bewegung“ empfiehlt der Fonds Gesundes Österreich (FGÖ) allen Kindern und Jugendlichen altersgerechte


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 256

Bewegung zu ermöglichen. Auch die WHO empfiehlt zumindest 60 Minuten Bewegung für Kinder zwischen fünf und 17 Jahren. Die AGES hat festgestellt, dass Sport einer der Bereiche ist, der bisher keine Corona-Cluster produzierte. Laut diverser Studien, sind Kinder und Jugendliche überhaupt nur selten an den Folgen des Covid-Virus´ betroffen – sie spielen in der Corona-Pandemie nur eine untergeordnete Rolle, da sehr wenige symptomatische Verläufe festgestellt werden und sie das Virus auch nur selten weitergeben.

Nicht nur für Schüler, sondern auch für Vereinssportler ist derzeit der Mangel an Bewegung ein Problem, denn die Betretung der geschlossenen Sportstätten für Hobby- und Amateursportler ist verboten. Es ist jedoch nicht einzusehen, dass nur Spitzen­sportler ihre sportliche Tätigkeit ausüben dürfen, weshalb - wie auch in anderen Be­reichen - Vereins- und Hobbysportler die Möglichkeit bekommen sollen, die Sportstätten mit entsprechenden Hygiene- und Präventionskonzepten betreten und verwenden zu dürfen. Trainingseinheiten in geschlossenen Räumlichkeiten müssen, analog zum Spit­zen­sport, erlaubt sein.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, sofortige Schritte zu setzen, um in Zeiten der ,de facto-Schulschließung‘ ausreichend Bewegung an österreichischen Schulen sicher­zustellen und eine rasche Öffnung aller Sportstätten, mit entsprechenden Hygiene- und Präventionskonzepten, für den Breitensport zu ermöglichen.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher mit in Verhandlung.

Frau Abgeordnete Gudrun Kugler, Sie gelangen als Nächste zu Wort. – Bitte.


18.50.20

Abgeordnete Dr. Gudrun Kugler (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Vize­kanzler! Frau Ministerin! Sehr geehrte Herren Volksanwälte! Ich werde heute die Volks­anwaltschaft noch einmal zitieren, aber erst zu späterer Stunde! Sehr geehrte Frau Rechnungshofpräsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute schon einmal bei dieser Untergliederung über das Thema Integration gesprochen. Ich möchte es noch einmal aufgreifen, denn ich glaube, die Brisanz des Themas Integration kann man gerade nach dem islamistischen Anschlag am 2.11. nicht ausreichend betonen.

Der Herr Bundeskanzler hat von einer zivilisatorischen Auseinandersetzung ge­sprochen. Ich glaube, dass dieses Wort das Problem gut beschreibt. Wir müssen einen rechtlichen Rahmen schaffen, um unsere Freiheit, unsere Werte, unsere Demokratie zu verteidigen. Wir müssen stark auftreten und wir müssen auch streng auftreten, um das zu erreichen.

Die Herausforderungen sind groß, vieles kann der Bund machen, aber vieles müssen auch die Länder machen. Darum war das für mich gestern sehr traurig, dass das Thema Integration in der Pressekonferenz von Rot-Pink gar nicht vorgekommen ist, obwohl Wien ein Hotspot der Problematik ist. (Abg. Loacker: So ein Blödsinn!) Ich habe mir auch heute das Regierungsprogramm noch einmal genau angesehen und habe das Wort Integration nicht einmal in irgendeiner Überschrift gefunden. Es kommt ein paarmal


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 257

im Text vor, aber es war euch nicht einmal ein Kapitel wert. (Abg. Loacker: Ihnen muss ich die zehn Gebote nicht erklären, Sie wissen, wie das mit dem Lügen ist!) Das finde ich sehr, sehr schade.

Was passiert in Wien mit den islamischen Kindergärten? (Abg. Loacker: Unfassbar!) Was ist in Wien mit den NGOs, wer wird da gefördert? (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Loacker.) Was passiert in den Wiener Jugendzentren? Liebe Kollegen, die Sie jetzt von den NEOS noch da sind: Ich glaube, wenn man vor einem Abgrund steht, dann ist der Fortschritt nicht das Richtige. Das zur Fortschrittskoalition von Rot-Pink in Wien.

Der Bund nimmt im Gegensatz dazu diese Verantwortung sehr, sehr ernst. Das Anti­terrorpaket, von dem wir jetzt schon viel gehört haben, über das wir viel geredet haben, betrifft auch das Bundeskanzleramt sehr stark, und auch einiges, was eine finanzielle Erhöhung bekommen hat, ist da angesprochen. Ich sage nur, die Dokumentationsstelle Politischer Islam ist da ein Meilenstein. Genauso ist das Kultusamt wichtig, und das Kultusamt muss auch gestärkt werden. Es braucht Kompetenz für die religiösen Vereine, nicht nur für die Religionsgemeinschaften selbst, sondern für die Vereine. Ganz, ganz wichtig sind der systematische Datenabgleich zwischen Sicherheitsbehörden, Kultusamt und Vereinsbehörden und auch die Verhinderung von Umgehungskonstruktionen des Verbots der Auslandsfinanzierung. All das ist ganz, ganz wichtig und kann mit einem erhöhten Budget besser vorangetrieben werden.

Das Wirkungsziel 2: In der UG 10 heißt es Gleichstellung, und wenn man genauer hinschaut, was es bedeutet, dann spricht man von der Förderung der gesellschaftlichen Werte für ein friedliches, ein sicheres und ein chancengleiches Zusammenleben der Be­völkerung in Österreich. – Genau darauf arbeiten wir hin, genau das soll das Antiterror­paket tun, denn dort, wo unsere Freiheit und unsere Demokratie gefährdet sind, dort werden wir alles tun, um das zu verhindern. Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

18.53


Präsidentin Doris Bures: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abge­ordneter Yannick Shetty zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.


18.53.59

Abgeordneter Yannick Shetty (NEOS): Frau Kollegin Kugler hat gerade gesagt, dass das Wort Integration in keiner einzigen Überschrift im Koalitionsübereinkommen zwi­schen SPÖ und NEOS in Wien vorkommt. – Ich berichtige tatsächlich: Das Wort Inte­gration kommt nicht nur einmal vor, sondern zum Beispiel auf Seite 119, auf Seite 120, auf Seite 121, Seite 122, in mehreren Überschriften (Abg. Kugler: Aber in keiner wesentlichen Überschrift!); nein, nicht im Text, das sind mehrere Überschriften. (Abg. Kugler: Nein, das ist nicht richtig!) – Natürlich, schauen Sie nach, ich schicke es Ihnen danach!

Das habe ich damit tatsächlich berichtigt. – Danke. (Beifall bei den NEOS.)

18.54


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Herr Vizekanzler Werner Kogler zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Vizekanzler, Sie haben das Wort.


18.54.41

Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Mag. Werner Kogler: Frau Präsidentin! Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Meine Herren Volksanwälte! Frau Bundesministerin! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Ja, der öffentliche Dienst kann schon beweisen – und das hat er, glaube ich, in vielen Be­reichen gemacht –, wie wertvoll er ist. Ich möchte mich meinerseits bei den Abgeord­neten bedanken, die das ausdrücklich erwähnt haben. Ich denke da nicht nur an jene,


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die im Bundesdienst tätig sind, sondern auch an jene in den Kommunen, in den Bun­desländern, und damit bin ich schon bei den Kindergärtnerinnen, Kindergärtnern, bei den Lehrerinnen und Lehrern, bei den Bediensteten in Pflegeheimen, in den Kranken­häusern, aber natürlich auch bei der Polizei, bei den Angehörigen des Bundesheeres et cetera. Ich glaube, schon während des ersten Lockdowns wurde bewiesen, wie leis­tungsfähig der öffentliche Dienst trotz Homeoffice  überall, wo es gegangen ist ist. Das ist ja auch jetzt so. Insgesamt, glaube ich, kann sich die Leistungsfähigkeit durchaus sehen lassen. Ich schließe mich diesem Dank also ausdrücklich und gerne an.

Das andere Gute für den öffentlichen Dienst ist glaube ich, auch wenn Kollege Loacker, der mich extra angesprochen hat, vielleicht jetzt nicht in Begeisterung verfällt , dass es dort nicht weniger Planposten werden. Warum das nun wieder? – Das heißt nicht, dass der öffentliche Dienst nicht ständig versucht, effizienter zu werden, aber wir setzen Schwer­punkte und haben natürlich mehrere Programme laufen, insbesondere im Bereich der Justiz, der Gesundheit, aber auch der größte Anteil im Bereich der Polizei, wodurch regelmäßig und sukzessive mehr Planposten besetzt werden. Unterschätzen wir das Thema nicht! Wir haben in den nächsten beiden Legislaturperioden im öffentlichen Dienst fast 50 Prozent, die sich, wenn man so will, „austauschen“, im Wesentlichen durch Pensionierungen oder durch Ruhestandsübertritte.

Und wenn das jetzt so ist, ist es gut, wenn wir jetzt mehreres gleichzeitig umsetzen. Ich möchte nur einen Schwerpunkt herausgreifen, der sich jetzt überall durchzieht: die Digi­talisierung. Sie wird eine ganz große Rolle spielen, einerseits beim Wissenstransfer, den wir da zu organisieren haben, zweitens auch beim Personalrecruiting, was ja genau damit zusammenhängt, und drittens hätten wir aktuell, dass das alles auf modernere Schienen gestellt wird, auch schon in der jetzigen Fort- und Weiterbildung, wenn ich daran denke, wie etwa die Verwaltungsakademie momentan arbeitet. – Auch dafür Aner­kennung und Dank.

Zum Sport: Auch da geht der Dank an die vielen Vereinsobmänner, -obfrauen und auch die vielen Freiwilligen, die dort arbeiten, dass sie, obwohl hier manchmal ein anderer Eindruck erweckt wird, jetzt nicht kollektiv den Kopf in den Sand stecken, sondern, ganz im Gegenteil, schauen, wie wir über diese schwierigen Zeiten drüberkommen. Das ist gut so.

Richtig ist, dass im österreichischen organisierten Sport jetzt in diesen Tagen und Wochen relativ wenig möglich ist, aber wir haben es eh im Ausschuss breit und aus­führlich diskutiert: Momentan geht es nicht mehr darum, mit dem Rechenschieber hinter­herzusein, wo genau sich angeblich jemand angesteckt hat und wo nicht. Alle sagen, in ihren Bereichen steckt sich niemand an – man fragt sich nur: Woher kommen dann die hohen Infektionszahlen? Momentan ist es halt so, dass wir versuchen, auf allen Ebenen die physischen Kontakte zu reduzieren oder doch drastisch einzuschränken, zugegeben, aber das, meine ich, richtigerweise, da wir so wieder auf ein Niveau kommen, von dem weg man überhaupt wieder rechnen und Cluster erkennen kann, wo sich jemand ansteckt oder nicht. Das ist ja schon seit Wochen – ja, man muss es eingestehen – nicht mehr möglich, weil über drei Viertel der Fälle gar nicht nachvollziehbar sind.

Also es braucht mir niemand zu erklären, wo sich jemand ansteckt und wo sich niemand ansteckt. Das hat sich aufgehört. Wir müssen das neu aufsetzen. Das darf man von mir aus kritisieren, ja (Zwischenruf des Abg. Stefan), warum da nicht schon früher etwas getan wurde und was weiß ich was, aber jetzt ist die Situation so. Es geht in dem Bereich sicherlich um einen Neustart – und dann auch wieder im Sport, na selbstverständlich. (Beifall bei Grünen und ÖVP. Abg. Amesbauer: Wann? Datum!)


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Wichtig ist allerdings, dass auch bei den Vereinen, die ja im Wesentlichen also bis auf die Profivereine, ich gehe gleich darauf ein auf freiwilliger Basis oder auf Gemein­nüt­zigkeitsbasis arbeiten, kein allzu großer oder im besten Fall gar kein finanzieller Schaden genommen wird, denn auch die Gemeinnützigen brauchen ein gewisses Mindestbudget, um arbeiten zu können, gerade jene, die gesellschaftlich wichtige Schwerpunkte erfüllen, wie etwa die Nachwuchspflege, dass die Jungen und die Kinder gut betreut sind und eben im besten Sinn des Wortes in Bewegung bleiben. Das kostet auch bei aller Frei­willigkeit etwas, das ist überhaupt keine Frage.

Im Übrigen wird im Non-Profit-Sektor in Österreich – das ist einer der wenigen Punkte, in denen ich mich Frau Abgeordneter Steger anschließen kann – wirklich sehr viel Geld in Umlauf gehalten. De facto ist der Non-Profit-Sektor, obwohl er non-profit heißt, in diesem Land eigentlich ein ganz schöner Wirtschaftszweig, und deshalb wollen wir ihn ja auch entsprechend unterstützen und so quasi das Blut im Kreislauf halten – und siehe da, diesbezüglich ist ja viel gelungen. Ich rede jetzt nicht nur vom Sport, sondern auch vom Bereich Kunst und Kultur, der nachher an die Reihe kommt, von Vereinen im Gesundheits- und Sozialbereich, religiösen Organisationen, Feuerwehren et cetera – all das, was Österreich in seiner ganzen Breite ausmacht. Es gibt einen Fonds von 700 Mil­lionen Euro, die Auszahlung wurde erstens bis Jahresende verlängert und zwei­tens ist politisch eigentlich schon fixiert, dass das mindestens auch im ersten Quartal nächsten Jahres weitergeht, mit zusätzlichen 250 Millionen Euro. Wenn man nun zusammenzählt, findet man heraus, dass wir in einem Jahr dieser Krise 1 Milliarde Euro bereitstellen, und das ist – das traue ich mich an dieser Stelle wirklich zu sagen – wohl einzigartig in Europa. Ich lade Sie alle ein, bessere Beispiele zu finden. Wir verfolgen das in den Sektionen, die wir haben – in der Sportsektion, in der Kultursektion –, um zu vergleichen, wie das andere Länder machen: In diese Region kommt niemand. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Nun muss man das Geld immer noch vernünftig einsetzen, das ist schon richtig, und das geschieht auch. (Präsident Hofer übernimmt den Vorsitz.)

Auch in Bezug auf die unmittelbaren Schließungsmaßnahmen durch die Behörden be­steht die Aussicht – und wir versuchen das gerade juristisch hinzubringen –, dass wir für den Monat November oder die Dauer dieser behördlichen Schließungen speziell im Sport- und im Kulturbereich auch für die Gemeinnützigen einen Einnahmenausfall ersetzen und nicht nur einen Kostenersatz leisten – genauso wie es in der Wirtschaft erfolgt ist. Der Non-Profit-Fonds ist den Fixkostenzuschüssen ähnlich, nur in der Aus­bezahlung fast ein bisschen großzügig gestaltet; so wie es einen Umsatzersatz für Betriebe gibt, gibt es einen Einnahmenausfallersatz für Vereine. Auch das wird dazu führen, dass die Förderungen entsprechend steigen werden. Das wird zwar abrech­nungstechnisch eine Spur komplizierter, aber mit Beginn nächsten Jahres können alle wieder Anträge einbringen.

Ich möchte schon anmerken, dass das der Fonds ist, bei dem man vom Antrag bis zur Auszahlung nur 48 Stunden braucht – auch wenn wir zunächst, um das System aufzu­bauen, die eine oder andere Woche investiert haben, das ist richtig.

Was machen wir mit dem Sportbudget in diesen vielen Bereichen? Es würde jetzt, glaube ich, den Rahmen sprengen, wenn ich Ihnen von allen Projekten erzähle – aber es sind tatsächlich über 10 Millionen Euro mehr als im Vorjahr, und die werden etwa für den Bereich der Infrastruktur ausgegeben. Da gibt es eine ganze Liste von Projekten, die einzelne Abgeordnete von Ihnen immer gerne aufgreifen, auch um positiv zu intervenieren. Es gibt da fast in jedem Bundesland etwas. Was mich freut, ist – um einen Schwerpunkt auf dieser kurzen Tour d’Horizon zu setzen – etwa das Leistungszentrum Villach für Dameneishockey. Das wird ähnlich wie das Sankt Pöltener Nationale Zentrum für Frauenfußball werden. Da gibt es eine Reihe weiterer Projekte. Wir werden natürlich


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auch demnächst das Trainingszentrum für den Fußball angehen, damit wir auch da ganz vorne dabei sind. Wenn wir das jetzt schnell machen, haben wir mit diesen Baumaß­nahmen sogar noch einen Konjunktureffekt in den nächsten ein, zwei, drei Jahren mitgeschaffen.

Ähnlich ist es bei den Sporttechnologieprojekten: Auch da geht es darum, dass man auf den höchsten Stand der Wissenschaft kommt, eben was Technologie, aber auch was die Trainingswissenschaften betrifft. Das bezieht sich auf mehrere Sportarten, nicht bloß auf eine, und es ist in Österreich auch einmalig, dass wir schauen, dass wir zwischen den Sportarten gewisse Synergieeffekte erreichen, wenn gemeinsam in die Trainings­wissenschaft, aber auch in die technologische Entwicklung investiert wird.

Weil ich vorher von dem Schwerpunkt gesprochen habe: Wir haben heuer das erste Mal, und das wird sich in allen Jahren fortsetzen, jedenfalls in dieser Legislaturperiode, eine eigene Förderung für die Sportligen der Frauen, nicht nur für die Männer, und ein eigenes Programm zur Ausbildung von Trainerinnen und Sportfunktionärinnen, bei dem wir als Ministerium vier Jahre lang in die Gehälter investieren, und das soll dazu führen, dass wir in dieser Legislaturperiode 60 hoch ausgebildete Sporttrainerinnen haben, die dann auch international entsprechend reüssieren können. (Beifall bei den Grünen.)

Das letzte Thema in der Liste, das gerne angesprochen wird – dem kann ich mich an­schließen –, betrifft die Kinder. Es handelt sich um das Projekt Kinder gesund bewegen. Das sollte man nicht unterschätzen – weil da gesagt worden ist, da gäbe es kein Geld –, das sind mittlerweile 8 Millionen Euro, das können Sie auch suchen. Dies führt dazu, dass wir der täglichen Bewegungseinheit in der Schule mit dem Projekt immer näher kommen, weil wir mittlerweile bald alle Pflichtschulen – und jedes Jahr mehr – abdecken können.

Schlussappell: Auch wenn derzeit wieder ein Lockdown herrscht, sollten trotzdem alle in Bewegung bleiben, und das werden wir ja wohl noch zusammenbringen. Bevor Sie von der FPÖ sich da zu viel aufregen: Es ist ausdrücklich vorgesehen, das Haus zu verlassen (Abg. Amesbauer: Ja, danke, sehr gnädig! Danke für die Großzügigkeit!), eben um sich zu bewegen. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Amesbauer: Und das aus dem Mund eines Freiheitsräubers! – Heiterkeit des Bundesministers Kogler. – Zwischenruf des Abg. Lausch.)

19.05


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Abgeordneter Rudolf Silvan. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


19.06.11

Abgeordneter Rudolf Silvan (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Frau Minister! Werte Volksanwälte! Frau Staatssekretärin! Herr Präsident des Rech­nungs­hofes! Ich darf zur Volksanwaltschaft reden.

2019 wandten sich über 16 600 Personen an die Volksanwaltschaft. Es wurden 8 016 Prüf­verfahren eingeleitet. Ich glaube, das spricht für die Bedeutung dieser Einrichtung. Für 2020 liegen die Zahlen natürlich noch nicht vor, aber man kann jetzt schon sagen, dass die Tendenz der Beschwerden steigend ist. Warum ist das so? – Weil es leider Gottes aufgrund der zahlreichen Verordnungen immer wieder zu nicht ver­fassungskonformen Bestimmungen gekommen ist – ob vom Innenministerium oder vom Gesundheits­minis­terium – und die Bürgerinnen und Bürger sich dieses Jahr sehr häufig an die Volks­anwaltschaft gewandt haben. Der erhöhte Personalaufwand, der im Budget für die Volks­anwaltschaft vorgesehen ist, ist aufgrund der steigenden Zahl an Beschwer­den über die Covid-Maßnahmen der Regierung auch dringend nötig.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 261

Ob Härtefonds, Strafen, Anzeigen, Ein- und Ausreisebestimmungen, Ausgehverbote, Quarantänebestimmungen: Alle Bereiche sind von Beschwerden der BürgerInnen be­troffen.

Aktuell muss sich die Volksanwaltschaft mit den Einmalzahlungen an Arbeitslose aus­einandersetzen. Der Regierung ist aus meiner Sicht einmal mehr ein Fehler unterlaufen: Arbeitslose, die zwar 60 Tage arbeitslos waren oder sind, aber davon einige Tage krank­gemeldet waren, erhalten die dringend notwendige Unterstützung nicht. Zwei Fälle wurden in der ORF-Sendung „Bürgeranwalt“ vom zuständigen Volksanwalt Bernhard Achitz behandelt und meiner Meinung nach gut begleitet. – Vielen Dank dafür.

Eine generelle Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf 70 Prozent hätte den Menschen dieses Problem und der Volksanwaltschaft Arbeit erspart.

Das Budget der Volksanwaltschaft für 2021 scheint auszureichen, die Betonung liegt auf scheint. Ich denke, dass Ankündigungen wie die sogenannte freiwillige Massentestung oder der vermeintliche Rechtsanspruch auf Sonderbetreuungszeit für Eltern im Zusam­menhang mit Schulschließungen nach diesem Lockdown weitere Beschwerden bei der Volksanwaltschaft zur Folge haben werden.

Wir unterstützen auch die Initiative des zuständigen Volksanwalts Walter Rosenkranz, der das Verhalten der Behörden vor dem Terroranschlag vom 2. November auch von­seiten der Volksanwaltschaft untersuchen will. Diese Untersuchung trägt mit Sicherheit zu mehr Transparenz bei.

Deswegen würde ich es für sinnvoll halten, wenn auch im Budget der Volksanwaltschaft die Folgen des aktuellen Lockdowns eingepreist werden, denn auch da kann es zu budgetären Problemen kommen.

Ich möchte mich abschließend bei den Volksanwälten und bei den Beschäftigten der Volksanwaltschaft herzlich bedanken. Sie achten darauf, dass die Bürgerinnen und Bürger ihr verfassungsmäßiges Recht erhalten. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

19.09


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme hat sich nun Herr Volksanwalt Mag. Bernhard Achitz zu Wort gemeldet. – Bitte schön, Herr Volksanwalt.


19.09.16

Volksanwalt Mag. Bernhard Achitz: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Frau Bundesministerin! Frau Rechnungshofpräsidentin! Liebe Kollegen! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Herzlichen Dank für die lobenden Worte, die viele von Ihnen für die Volksanwaltschaft gefunden haben. Sie können sich darauf verlassen: Wir wer­den das unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verlässlich weitergeben, denn sie garantieren die hohe Qualität der Prüfungen der Volksanwaltschaft.

Damit komme ich auch schon zum Budget. Es ist für uns sehr erfreulich, dass es nicht bei lobenden Worten bleibt, sondern dass sich die Anerkennung der Volksanwaltschaft auch in den Budgetzahlen wiederfindet, dass die außerordentliche Erhöhung, die von 2019 auf 2020 gewährt wurde, für die Jahre 2021 und folgende fortgeschrieben wird, und vor allem, dass die Personalerhöhung, die uns gewährt wurde, ebenfalls fortge­schrieben wird. Sie können uns glauben, das Personal ist gut eingesetzt. Wir brauchen jede Frau und jeden Mann für unsere Prüftätigkeit.

Wir haben vielfältige Aufgaben. Die nachprüfende Kontrolle der Bundesverwaltung und auch der Verwaltung von sieben Bundesländern ist wohl die bekannteste. Wir haben


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auch das Vergnügen, die nachprüfende Kontrolle und die präventive Menschenrechts­kontrolle jährlich im Hohen Haus mit Ihnen zu diskutieren, sodass Sie unsere Prüfungs­ergebnisse auch zu Gesicht bekommen und die jeweiligen Schlüsse daraus ziehen können.

Es ist schon gesagt worden: Die Rahmenbedingungen sind derzeit schwierig. Es werden Sprechtage, die angesetzt sind, kurzfristig abgesagt. Wir müssen die Kontakte mit den Bürgerinnen und Bürgern dann auf Telefongespräche oder Ähnliches verlagern. Da­durch gehen auch die Beschwerden, die es regelmäßig in unseren Politikfeldern gibt, etwas zurück, aber die Covid-Verordnungen führen natürlich zu neuen Problemen und zu einem Anwachsen in diesem Bereich, sodass wir davon ausgehen, dass die Beschwerden 2020 insgesamt ein höheres Niveau erreichen werden als in den letzten Jahren.

Es gibt auch in den anderen Bereichen zusätzliche Herausforderungen, bei der prä­ventiven Menschenrechtskontrolle etwa. Wenn man Pflegeheime, wenn man Behinder­teneinrichtungen besuchen will, dann muss man natürlich dafür Sorge tragen, dass man die Bewohnerinnen und Bewohner in diesen Einrichtungen und auch das Personal in diesen Einrichtungen nicht gefährdet. Wir müssen dafür sorgen, dass die Mitglieder der Kommissionen, die dort hingehen, sich testen lassen, um sicherzugehen, dass sie gesund sind, wenn sie in die Einrichtungen gehen, damit sie ihre wichtige Tätigkeit gerade in Zeiten wie diesen ausüben können, denn es ist klar, dass diese Gratwan­derung zwischen Gesundheitsschutz und Einhaltung der Grund- und Menschenrechte eine besondere Herausforderung vor allem in heiklen Bereichen wie Pflegeheimen und Behinderteneinrichtungen darstellt.

Es ist sehr, sehr wichtig, dass gerade dort, wo die Belastungen sehr hoch sind, im Pfle­gebereich nämlich, wo die Belastung des Personals im Moment enorm ist, darauf ge­schaut wird, dass trotz dieser hohen Belastungen alle menschenrechtlichen Stan­dards eingehalten werden.

Es gibt auch bei der Abwicklung der Heimopferrente zusätzliche Herausforderungen, denn die Menschen, die eine Rentenleistung beanspruchen, weil sie behaupten, als Jugendliche, als Kinder in Einrichtungen misshandelt worden zu sein, werden von uns zu einem Clearinggespräch mit Psychologinnen und Psychologen eingeladen. Es handelt sich dabei sehr oft um ältere Menschen. Diese haben natürlich Angst vor der Kontaktaufnahme, sodass auch da spezielle Lösungen zu finden sind.

Trotz dieser zahlreichen Herausforderungen, glaube ich, gelingt es uns sehr gut, die gewohnte Qualität aufrechtzuerhalten. Das ist im Moment besonders wichtig, denn wenn wir Vorgänge kritisieren, dann kritisieren wir sie ja nicht um der Kritik willen, sondern wir kritisieren sie, um Verbesserungen für die Bürgerinnen und Bürger zu erreichen. Gerade bei neuen Dingen wie diesen Covid-Maßnahmen, Shutdown und dergleichen ist es natürlich logisch, dass Fehler passieren. Diese Fehler sollten möglichst rasch ausge­bessert werden und die Verhältnisse für die Bürgerinnen und Bürger transparenter und besser gestaltet werden.

In diesem Sinn ist es natürlich auch notwendig, über weitere Aufgaben der Volks­anwalt­schaft zu sprechen, denn die Bürgerinnen und Bürger erwarten von uns, dass wir uns um ihre Probleme auch dann kümmern, wenn es Verkehrsverbünde betrifft, wenn es Spitäler betrifft, wenn es die Friedhofsverwaltung betrifft, weil all das landläufig zu einer guten Verwaltung gezählt wird.

Viele dieser Bereiche sind aber inzwischen ausgegliedert, und die Volksanwaltschaft hat dort nicht dieselben Rechte wie gegenüber einer Verwaltungsbehörde. Deswegen ersuchen wir Sie, darüber nachzudenken, uns diese Rechte auch bei ausgegliederten Einrichtungen einzuräumen. Sie brauchen keine Angst zu haben, dass wir dann sofort


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nach der nächsten Budget- und Personalerhöhung schreien, denn wir müssen uns mit diesen Problemen sowieso beschäftigen, wir haben dort nur nicht dieselben Rechte wie bei der echten Verwaltung. In der Verwaltung können wir jederzeit jeden Akt im Original von der Behörde anfordern, und die müssen uns auch Rede und Antwort stehen. In der ausgegliederten Verwaltung ist das natürlich nicht so. Da sind wir darauf angewiesen, dass sie freiwillig mit uns kooperieren. Also da ist durchaus noch Handlungsbedarf gegeben.

Auf eines möchte ich auch hinweisen: Ja, wir haben zusätzliche Planstellen, ja, wir haben auch eine Budgeterhöhung bekommen, wir müssen nur, um die zusätzlichen Planstellen zu bedecken, Rücklagen dafür aufwenden. Das heißt, in den nächsten Jahren werden wir Sie ersuchen müssen, dass wir auch die Bedeckung für diese Plan­stellen bekommen, sonst geht es uns wie dem Rechnungshof: Wir hätten mehr Plan­stellen, als wir dann mit dem Geld, das wir haben, besetzen können. Darunter würde die Qualität unserer Arbeit leiden.

In diesem Sinne bedanke ich mich noch einmal bei Ihnen für die Aufmerksamkeit und für die lobenden Worte. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP und bei der SPÖ.)

19.16


Präsident Ing. Norbert Hofer: Besten Dank, Herr Volksanwalt.

Nächster Redner ist nun Karl Schmidhofer. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.16.12

Abgeordneter Karl Schmidhofer (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Herr Vizekanzler! Frau Bundesministerin! Frau Staatssekretärin! Werte Volksanwälte! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte ZuseherInnen zu Hause! Zurück zum Sport: Der Herr Vizekanzler und Sportminister hat es noch einmal erörtert, es handelt sich um ein solides Budget, ausgewogen für Vereinsförderungen genauso wie für den Spitzensport, egal in welcher Sparte, und letztlich für den Sport allgemein, der für die Kinder ganz wichtig ist, für alle Altersgruppen, und mit Sporttechnologie­projekten erschließen wir jetzt zusätzlich neue Felder, um noch besser an die Spitze zu kommen.

Ein Schwerpunkt ist auch neu, das Sportbudget wurde ja wesentlich erhöht: Für Frauen werden ebenfalls zusätzliche Initiativen gesetzt.

Frau Brandstötter hat das in ihrem Redebeitrag gesagt: Marketing und so weiter, das soll man nicht machen und das soll man nicht verkaufen. Der Herr Vizekanzler hat es angesprochen, dass wir in Europa mit diesen Maßnahmen an der Spitze stehen. (Zwi­schenruf der Abg. Brandstötter. – Abg. Loacker: Wir liegen vor allem bei den Infek­tionszahlen an der Spitze!) Das wollen wir ja und das wollen wir natürlich auch den Leuten sagen.

Was wir nicht wollen, das ist das, was Sie in Wien getan haben. Sie haben sich mit den Roten ins Bett gelegt und sind gar nicht draufgekommen, dass Sie unter dem Bett gelandet sind und fünf Jahre nichts zu reden haben. Das ist die Wahrheit! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Scherak.)

Abschließend, Herr Vizekanzler und Sportminister, vielen herzlichen Dank, dass es auch möglich ist, in verschiedensten Spitzensportarten in Österreich ganz vorneweg Veran­stalter zu sein: Formel 1 in Spielberg, Tennisturnier in Wien, Damentennisturnier, organi­siert übrigens von einer Dame, von Sandra Reichel, in Linz, die Bewerbe im Skiweltcup, die schon durchgeführt wurden, die jetzt in Lech vor der Türe stehen. Das trägt alles wiederum dazu bei, den Sport positiv zu transportieren. Der Zuschlag für die Welt­meisterschaften in Salzburg 2025 ist ein guter und positiver Ausblick. Vielen Dank, dass


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die Sportpolitik mit Ihnen an der Spitze, Herr Vizekanzler, das so unterstützt. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

19.18


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Nurten Yılmaz. – Bitte, Frau Abgeordnete.


19.19.05

Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Herr Präsident! Werte Damen und Herren und prominente Gäste! Wenn ich sie jetzt alle aufzähle, sind schon 30 Sekunden vorbei, und so viel Zeit haben wir nicht. Seien Sie alle gegrüßt! Sehr geehrte Damen und Herren! In dieser Debatte waren vor mir drei Integrationsredebeiträge, und sie hätten verschiedener voneinander gar nicht sein können.

Integrationssprecher Gödl hat gesagt, dass das „kein Hobby“ sei. – Das stimmt, dem kann ich nur zustimmen. Integrationsarbeit ist das Bohren harter Bretter. Kollegin El-Nagashi hat von Ermächtigung, gleicher Augenhöhe gesprochen, also wirklich so, wie ich es auch verstehe und gutheißen würde. Nur: Würden Sie bitte auch einmal mit Frau Kugler reden und ihr klarmachen, was Integration auf gleicher Augenhöhe bedeutet? Frau Kugler hat ja den Zugang, dass sie von wir spricht und dass man die Leute, die nach Österreich einwandern, erziehen muss: Wir müssen uns und unsere Werte verteidigen!, aber so wird das nicht gehen. Sie, Frau Kollegin El-Nagashi, haben es verstanden, aber Sie sollten sich einmal mit ihr kurzschließen, das wäre gut. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Frau Kollegin El-Nagashi, ich schätze Ihr Können, Ihr Wissen wirklich sehr, nur: Sie philosophieren hier wie eine Expertin bei einer parlamentarischen Enquete. Nicht an uns, das sollten wir tun – das sollen Sie tun! Schreiben Sie einen Brief an sich oder an Herrn Wöginger, an Frau Kugler, wie auch immer! Sie müssen das tun! (Zwischenruf der Abg. El-Nagashi.) – Tun Sie aber nicht! Wir wissen nicht, was da passiert.

Das Integrationsbudget wurde erhöht, das ist erfreulich, nur das Schlechte daran ist: Wir als Parlamentarierinnen und Parlamentarier dürfen nicht erfahren, was mit dem Geld passiert. Der Österreichische Integrationsfonds bekommt fast das ganze Budget, ist aber eine intransparente Blackbox, und wenn man eine Anfrage stellt – jetzt schaue ich Kollegen Shetty an –, wird sie zurückgeworfen mit dem Verweis auf die Bestimmungen zum Interpellationsrecht.

Gut, was habe ich dann davon, dass das Budget erhöht wurde? – Dass ich im Nach­hinein nachschauen kann, wer was getan hat und mit welchen Kosten? Die Öffentlichkeit hat keinen Einblick, aber da ist natürlich Absicht dahinter. Ihre Integrationspolitik, Frau Ministerin, wird in diesem Fonds gemacht, Sie machen gemeinsam Pressekonferenzen, und der Integrationsfonds steht namentlich im Gesetz, aber wir dürfen nicht fragen: Was machen sie dort und wie machen sie es?

Deutschkurse mit schlechten Curricula wurden vor zwei Wochen von ExpertInnen in der Luft zerrissen, weil die Curricula des Österreichischen Integrationsfonds nirgends in Europa anerkannt sind. Der Österreichische Integrationsfonds ist mittlerweile zu einer überbetrieblichen Lehrwerkstätte der ÖVP geworden, sehr geehrte Damen und Herren! Dort werden Leute geparkt, von dort werden sie geholt, und er bleibt eine intransparente Blackbox. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

19.23


Präsident Ing. Norbert Hofer: Vorerst letzte Rednerin zu diesem Themenbereich ist Frau Abgeordnete Sabine Schatz. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 265

19.23.15

Abgeordnete Sabine Schatz (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Sehr geehrte Damen und Herren! Was viele nicht wissen, Herr Volksanwalt Achitz hat es vorhin schon angesprochen: Seit 1. Juli 2017 ist die Volks­anwaltschaft mit der Abwicklung der Heimopferrente betraut.

Kinder und Jugendliche, die zwischen 10. Mai 1945 und 31. Dezember 1999 fremd untergebracht werden mussten und im Heim, bei der Pflegefamilie oder in der Kran­kenanstalt Gewaltdelikte erfahren haben, haben Anspruch auf eine sogenannte Heim­opferrente, die ein bissel mehr als 300 Euro ausmacht. Es ist eine kleine Entschuldigung und Wiedergutmachung für den erlittenen Missbrauch. Nach wie vor ist die Anzahl der an die Volksanwaltschaft gestellten Anträge sehr hoch. Der erlittene Missbrauch wiegt bei den Opfern natürlich oft sehr schwer. Viele tragen die Last ein Leben lang mit sich, und es fällt ihnen verständlicherweise auch schwer, darüber zu reden.

Der Autor Josef Haslinger beschreibt in seinem Buch „Mein Fall“ seine eigene Miss­brauchsgeschichte, und er führt uns klar vor Augen, welche Überwindung es sein kann, über die erlittene Gewalttat zu sprechen. Er schreibt, er habe acht Jahre lang gezögert, bevor er sich an die für seinen Fall zuständige Unabhängige Opferschutzanwaltschaft gewendet hat. Das zeigt auch, warum es lange dauern kann, bis der- oder diejenige so weit ist, und warum es nach wie vor sehr viele Anträge gibt, die bei der Volksanwaltschaft einlangen.

Die Heimopferrentenkommission der Volksanwaltschaft beurteilt den Sachverhalt der eingegangenen Anträge, und ich freue mich – Sie haben es erwähnt –, dass es mit der Planstellenzuteilung gelungen ist, dass die Anträge entsprechend rasch und zügig bearbeitet werden können, denn es ist auch schon vorgekommen, dass Opfer verstorben sind, bevor die Anträge abgearbeitet werden konnten. Das zeigt die Dringlichkeit, die hinter dieser Heimopferrententhematik steckt.

Wichtig ist mir auch – das haben Sie auch gesagt –, dass es im Moment zu keinem Rückstau bei den Anträgen zur Heimopferrente kommt, aber es gibt hier sozusagen einen Flaschenhals, Verzögerungen bei den Clearinggesprächen; die Gründe haben Sie auch erwähnt. Ich hoffe, dass Sie auch während der momentanen Pandemie und vor allem während des Lockdowns rasch in der Abarbeitung dieser Anträge vorankommen, denn, wie gesagt, es ist die Dringlichkeit dieses Themas, dass das so wichtig macht.

Abschließend möchte ich mich noch bei den Volksanwälten generell für ihre Arbeit bedanken, vor allem aber beim Leiter der Heimopferrentenkommission Bernhard Achitz für diese wichtige und wertvolle Arbeit, die wir den Opfern, die in den Heimen, bei den Pflegefamilien oder in den Krankenanstalten Leid erfahren haben, schuldig sind. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

19.26


Präsident Ing. Norbert Hofer: Mir liegen nun dazu keine Wortmeldungen mehr vor. Die Beratungen zu diesen Themenbereichen sind somit beendet.

Ich darf mich bei den Volksanwälten und bei den Mitgliedern der Bundesregierung sehr herzlich bedanken.

19.26.42UG 32: Kunst und Kultur


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir kommen nun zur Untergliederung 32: Kunst und Kultur.

Zu Wort gemeldet ist Herr Mag. Thomas Drozda. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 266

19.27.01

Abgeordneter Mag. Thomas Drozda (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Herr Minister! Budgets sind ja bekanntlich politische Bekenntnisse. Das gilt auch und besonders in Krisenzeiten. Für Paul Klee gibt Kunst – ich zitiere – „nicht das Sichtbare wieder, sondern macht sichtbar“. – Kunst lässt uns hinter die Kulissen blicken, hinter die Fassaden, erlaubt uns neue Blickwinkel auf die Welt. Ich glaube, dieses Zitat – des­wegen habe ich es ausgewählt – passt ganz gut zum Kunstbudget: Das Budget ist nicht das Sichtbare, sondern es macht sichtbar.

Es macht sichtbar, dass es auch in der Kunst- und Kulturpolitik eine schmucke Fassade gibt, die sehr viel mehr zählt als die Lebensrealitäten der Künstlerinnen und Künstler. Es macht sichtbar, dass Öffentlichkeitsarbeit kein Ersatz für inhaltliche Substanz ist. Es macht sichtbar, dass sich auch bei einer Budgeterhöhung der Teufel im Detail ver­stecken kann.

Auf den ersten Blick – wir haben das auch im Budgetausschuss diskutiert – ist das Budget in Ordnung: immerhin 30 Millionen Euro mehr. Es ist nicht nichts, ganz im Gegenteil: Mehr Geld für Kunst ist begrüßenswert, und zwar gleichgültig, ob es sich um die Erhöhung für die freie Szene handelt oder um die Mittel für die Renovierung der Festspielhäuser in Salzburg oder in Bregenz.

Auf den zweiten Blick sieht die Sache leider etwas anders aus. Schaut man unter die Oberfläche, dann wird ein finanzielles Niemandsland sichtbar. In diesem verheerten Niemandsland hausen pandemiegeplagte Künstlerinnen und Künstler, ich nenne zwei Beispiele.

Beispiel eins: Der 80-prozentige Ersatz für die Absagen hilft den Institutionen, er vergisst aber auf die Künstlerinnen und Künstler, besonders jene, die selbstständig sind. Die selbstständige Tänzerin, der selbstständige Schauspieler, die selbstständige Masken­bildnerin: Sie alle schauen durch die Finger. Für die Kolleginnen und Kollegen der Licht- oder Tontechnik schaut es gleichfalls düster aus. Nichts stellt sicher, dass auch ihre Gagen ersetzt werden. Unter diesen Umständen gebietet die Vernunft: Stellen Sie bitte wirklich sicher, dass die freie Kunst- und Kulturszene sowie Zulieferer etwas von dem Umsatzersatz haben!

Beispiel zwei, der Künstlerbonus: Es ist ja eine Erfindung der Messagecontrol, den einen oder anderen Bonus aus dem Hut zu zaubern. Der Künstlerbonus bringt hoffentlich ein paar Menschen durch den November, Existenzen wird er keine sichern. Allein die Etikettierung als Bonus ist einmal mehr ein zynischer Akt, wie wir es heute schon beim Frühbucherbonus erlebt haben (Abg. Brandstötter – erheitert –: Frühbucherbonus!), wie wir es auch bei den sogenannten Boni für die Arbeitslosen haben: Alle kriegen Boni. In Wirklichkeit geht es aber nicht um Bonuszahlungen, sondern es geht um die elementare Sicherung der Finanzierung. Dieses ganze Gerede vom Bonus bedeutet für die, die tatsächlich ums Überleben kämpfen, nur einen Blick auf die vorherrschende Gutsherrenmentalität in Reinkultur. (Beifall bei der SPÖ.)

Was folgt jetzt aus alledem? – Dem Budget fehlt es in Zeiten der Pandemie an Klarheit, Wahrheit und Treffsicherheit. Es wird schlampig gearbeitet, insbesondere im Finanz­minis­terium. Es ist mehr Schein als Sein. Besonders der Umsatzersatz weist gravie­renden Reparaturbedarf auf. Unsere Künstlerinnen und Künstler, die zahlreichen Mitar­beiterinnen und Mitarbeiter hinter den Kulissen durchleben wirklich schwere Zeiten. Erleichtern wir ihnen die Gegenwart und sorgen wir dafür, dass der Umsatzersatz auch bei ihnen ankommt! Machen wir doch sichtbar, dass die Menschen im Kunst- und Kulturbetrieb wichtig sind! (Beifall bei der SPÖ.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 267

Ich bringe daher in diesem Zusammenhang abschließend einen Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Repara­tur des Umsatzersatzes im Lockdown“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Finanzminister und Kulturminister, wird aufge­fordert sicherzustellen, dass vom 80prozentigen Umsatzersatz im Lockdown auch freie Kunst- und Kulturschaffende sowie Zulieferer profitieren sowie dass vereinbarte Gagen bei Absagen von Veranstaltungen und Gewährung von Umsatzersatz in jedem Fall auszubezahlen sind.“

*****

(Beifall bei der SPÖ.)

19.31

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Thomas Drozda,

Genossinnen und Genossen

betreffend Reparatur des Umsatzersatzes im Lockdown

eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Budgetausschusses über die Regie­rungsvorlage (380 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2021 (Bundesfinanzgesetz 2021 – BFG 2021) samt Anlagen (449 d.B.), UG 32 (TOP 11)

Die Kultur- und Veranstaltungsbranche ist von der COVID-19-Krise massiv betroffen. Durch den von der Bundesregierung verkündeten zweiten Lockdown im November hat sich die Situation nochmals verschlechtert. Kulturschaffende, EPUs, Kreativunterneh­men und Kulturbetriebe sind durch die Pandemie in ihrer Existenz bedroht.

Anlässlich des zweiten Lockdowns hat der Finanzminister ein neues Instrument der Krisenbewältigung angekündigt. Jenen Betrieben, die auf staatliche Anordnung ge­schlossen wurden, sollen die Umsätze zu 80 Prozent ersetzt werden. Die Abwicklung des Umsatzersatzes erfolgt über die Finanzämter. Für die Ausdehnung des Lockdowns ist nun eine Erweiterung der Branchen vorgesehen.

Wie jedoch schon bei vorigen Hilfsmaßnahmen steckt auch diesmal der Teufel im Detail, wurde schlampig gearbeitet und auch die besondere Situation der Kultur- und Ver­anstaltungsbranche nicht bedacht. Folgende Probleme stellen sich.

Freie KünstlerInnen nicht berechtigt für Umsatzersatz

Freie KünstlerInnen bekommen keinen Umsatzersatz, da sie nicht direkt von der „Lock­down Verordnung“ des Gesundheitsministeriums betroffen sind. Wenn nun beispiels­weise ein Theater aufgrund der Regelungen der Bundesregierung, wie jetzt im Novem­ber, seine Türen schließen muss, so erhält es – sofern es alle anderen Kriterien erfüllt – den Umsatzersatz. Die selbständige Schauspielerin oder Tänzerin, deren Vorstellung in


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 268

dem Theater abgesagt wurde, erhält ihn jedoch nichts. Was direkt zum nächsten Prob­lem führt.

Umsatzersatz ist nicht an die Auszahlung der Gagen gebunden

Während beim Umsatzersatz keine MitarbeiterInnen gekündigt werden dürfen, müssen Gagen nicht ausbezahlt werden. Jene oben genannte Schauspielerin oder Tänzerin, deren Vorstellung abgesagt wurde, bekommt daher unter Umständen keine Gage bezahlt, obwohl sie Vorarbeit geleistet, sich auf die Vorstellung vorbereitet hat und eventuell auch Investitionen tätigen musste. Ob sie ihre Gage ganz oder teilweise ausbezahlt bekommt oder wegen höherer Gewalt auf den Kosten sitzen bleibt, hängt allein von ihrem Vertrag und vom Entgegenkommen des Theaters ab. Hier muss jeden­falls sichergestellt werden, dass der Umsatzersatz so aufgesetzt ist, dass bei Absage einer geplanten Veranstaltung nicht nur der Veranstalter selbst, sondern auch die Ver­tragspartnerInnen (KünstlerInnen, TechnikerInnen etc.) entschädigt werden. Die vereinbarten Gagen sind in jedem Fall auszubezahlen.

Zulieferer sind von der Regelung nicht umfasst

Und noch ein drittes Problem stellt sich. Zulieferer sind von der Regelung ebenfalls nicht umfasst. Ein Licht- oder Tontechniker hat beispielsweise keinen Anspruch auf Umsatz­ersatz, auch wenn er seinem Beruf nicht nachgehen kann, da im Lockdown keine Veranstaltungen stattfinden. Dadurch entsteht eine Zweiklassengesellschaft zwischen behördlich gesperrten Betrieben und indirekt betroffenen Branchen. Und dieser Umstand tritt in der Kultur- und Veranstaltungsbranche besonders krass zu Tage. Während z.B. ein Bäcker, der vorrangig die Hotels in der Region beliefert oder ein Bierbrauer, der unter der Sperre der Restaurants und Bars leidet, durch innovative Ideen zumindest theo­retisch die Möglichkeit hat, neue Einkommensquellen zu erschließen, ist das im Kultur­bereich nicht der Fall. Wenn alle Theater und Museen geschlossen sind, keine Ver­anstaltungen stattfinden und auch der Freizeitbereich lahmgelegt ist, gibt es keinerlei Ausweichmöglichkeiten. Daher müssen auch Zulieferer unter diesen Bedingungen vom Umsatzersatz erfasst sein.

Gemeinnützige sollten keine Unterstützung bekommen – nur durch Aufschrei der Betroffenen und der SPÖ gelungen

Von Seiten der Bundesregierung und auch des Kulturressorts wurde angekündigt, dass die Unternehmensform egal und auch gemeinnützige Kulturbetriebe vom Umsatzersatz erfasst sind. Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer betonte, dass der Umsatz-Ersatz für Kulturbetriebe gelte, "unabhängig von deren Größe und Rechtsform", also auch, wie in der Kultur häufig anzutreffen, für Vereine, (TT 7.11.2020) und dass damit „die letzten Lücken im engmaschigen Sicherheitsnetz der Bundesregierung“ geschlossen würden (SN, 7.11.202). Dieses stellte sich in dieser Form jedoch vorerst als unrichtig heraus, es traten neuerlich Lücken zu Tage. Die Richtlinien wurden vom Finanzministerium so aufgesetzt, dass Gemeinnützige nicht alle Bedingungen erfüllten. Erst nach einem Aufschrei der Betroffenen und der SPÖ kam es hier zu einer Veränderung und Klar­stellung auf der Homepage des Finanzministeriums, sodass Gemeinnützige jetzt um­fasst sind.

Es zeigt sich daher, dass – obwohl die Corona-Pandemie nun seit März ihr Unwesen treibt – die Bundesregierung immer noch nicht in der Lage ist, die Hilfen so aufzusetzen, dass alle von der Krise Betroffenen Unterstützung erhalten.

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 269

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Finanzminister und Kulturminister, wird aufge­fordert sicherzustellen, dass vom 80prozentigen Umsatzersatz im Lockdown auch freie Kunst- und Kulturschaffende sowie Zulieferer profitieren sowie dass vereinbarte Gagen bei Absagen von Veranstaltungen und Gewährung von Umsatzersatz in jedem Fall auszubezahlen sind.“

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht somit auch mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Frau Mag.a Eva Blimlinger. – Bitte, Frau Abgeordnete.


19.31.55

Abgeordnete Mag. Eva Blimlinger (Grüne): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte, liebe Frau Staatssekretärin! Liebe Kollegen, Kolleginnen! Ja, 30 Millionen Euro mehr, das hat es in der Kunst und Kultur noch nie gegeben. Wenn man auf die letzten 40, 50 Jahre zurückschaut, dann sieht man, dass es zwar hier und da immer ein bisschen eine Steigerung gab, aber in diesem Ausmaß hat es das noch nie gegeben. Dazu möchte ich sehr herzlich gratulieren, weil es für die Kunst und Kultur wirklich ein großer Schritt vorwärts ist. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir haben uns vorher mit Kollegin Großbauer besprochen, sie wird den Musikteil über­nehmen, ich werde mich sozusagen den Finanzierungen, insbesondere der freien Szene, widmen. Das ist ja oft so ein Begriff: die freie Szene. Was ist denn das eigent­lich? – Die freie Szene sind Kunstschaffende – und ich sage das jetzt bewusst mit dem Begriff Schaffende, weil er so verwendet wird. Ich verwende ihn sonst eigentlich nicht, weil der Begriff eigentlich aus dem Nationalsozialismus kommt und dann in der DDR verwendet wurde.

Also es geht um Menschen, die in der Kunst, im Kunst- und Kulturbereich arbeiten, um Künstler und Künstlerinnen, die sehr oft aus Eigeninitiative, aus einer Selbstorganisation heraus kleine Bühnen machen, Vereine machen, Aufführungen machen, was sich nach und nach entwickelt. Die meisten größeren Festivals, größeren Ereignisse in Österreich haben sich aus der freien Szene entwickelt, seien es Filmfestivals oder Festivals der bildenden Kunst oder natürlich auch der ganze Bereich der performativen Kunst und vor allen Dingen des Tanzes, der in den letzten, muss man sagen, 20 Jahren wirklich einen sehr großen Platz eingenommen hat, unter anderem durch das Festival Impulstanz, das auch sehr klein begonnen hat, also aus der freien Szene heraus. Das ist eigentlich die innovative Szene, die sich nach und nach in Österreich etabliert.

Am anderen Ende haben wir, wenn wir so wollen, die großen Institutionen der Bundes­museen und Bundestheater, die zwar keine Erhöhung der Basisabgeltung bekommen, aber jetzt wegen Corona finanziert werden, um sozusagen über die Runden zu kommen, so muss man es leider sagen, aber eben auch die Investitionen in die Infrastruktur – Salzburger Festspiele, dieses ganze Feld –, aber auch kleinere Bereiche, die saniert werden sollen.

Wichtig ist mir, und das ist sozusagen ein Bereich, der in den nächsten Jahren wahr­scheinlich noch wichtiger wird, einerseits der ganze Bereich von Fair Pay, das heißt,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 270

dass diejenigen in der freien Szene auch wirklich endlich einmal halbwegs fair bezahlt werden, dass sie eine gescheite Sozialversicherung – im Sinne von sie können es sich leisten – haben und sie nicht unter diesen Einkommensgrenzen sind. Es wird ja dann oft so gesagt: Na ja, die machen das ja aus Leidenschaft. – Ja, ich bin auch gern Politikerin aus Leidenschaft, kriege aber ordentlich bezahlt, und das sollte bei den Künstlern und Künstlerinnen auch so sein. Leidenschaft ist kein Argument gegen gute Bezahlung oder gute Versicherung. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

In diesem Sinne bin ich im Übrigen natürlich dafür, dass die Windisch-Kaserne endlich in Richard-Wadani-Kaserne umbenannt wird. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf bei der FPÖ.)

19.35


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Ing. Mag. Volker Reifenberger. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.35.39

Abgeordneter Ing. Mag. Volker Reifenberger (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Meine sehr verehrten Damen und Herren zu Hause vor den Bildschirmen! Hohes Haus! Dass unsere Bundesregierung in der Coronakrise das Geld abgeschafft hat, kommt auch dem Kulturbudget zugute. Als freiheitlicher Kultursprecher freut mich das natürlich grundsätzlich. Wenn man sich das Budget aber im Detail näher ansieht, dann muss man feststellen: Es ist nicht alles Gold, was glänzt.

Fangen wir zunächst einmal mit dem Positiven an! Als Abgeordneter aus dem Westen freue ich mich natürlich über die mehrjährigen Investitionen in die dringend notwendige Sanierung der Salzburger Festspielhäuser, die Seebühne in Bregenz und auch in die künftige Kulturhauptstadt Bad Ischl. Diese Investitionen sind ein wichtiger und ein notwendiger Beitrag und gleichzeitig auch ein kleiner Ausgleich für die traditionelle Wien­lastigkeit im Kulturbereich.

Jetzt erspare ich es Ihnen aber nicht, auch die Schattenseiten des Kulturbudgets aufzu­zeigen. Anstatt die dringend notwendige Erhöhung der Basisabgeltung für die Bundes­theater und Bundesmuseen im Budget unterzubringen, verwenden Sie die freien Finanz­mittel quasi als Spielgeld, als Körberlgeld, um Ihre kulturpolitischen Duftmarken setzen zu können oder Ihre Klientel bei Laune zu halten. Das macht Frau Staatssekretärin Mayer glücklich, das macht vermutlich auch die Freunde der Staatssekretärin glücklich.

Die Basisabgeltung der Bundestheater und Bundesmuseen wurde aber seit vielen Jah­ren nicht an die laufende Inflation angepasst und erlebt somit jedes Jahr einen ent­sprechenden Wertverlust. Wo sollen denn Ihrer Meinung nach die Bundestheater und Bundesmuseen sparen, Frau Staatssekretärin? Beim Personal vielleicht, jetzt in der Coronakrise, oder bei der Qualität?

Daher bringe ich hiermit folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ing. Mag. Volker Reifenberger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erhöhung der Basisabgeltung für Bundesmuseen, Österreichische Nationalbibliothek und Bundestheater ab 2021“

Der Nationalrat wolle beschließen:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 271

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, eine Erhöhung der Basisabgeltung für Bun­desmuseen, die Österreichische Nationalbibliothek und die Bundestheater bereits ab dem Jahr 2021 sicherzustellen.“

*****

Frau Staatssekretärin, Sie vertrösten die Bundestheater und -museen immer auf die Zeit nach Corona, wann auch immer das sein wird. Wie ehrlich oder eigentlich eher wie unehrlich diese Vertrösterei ist, sieht man, wenn man sich einmal das Bundesfinanz­rahmengesetz ansieht. Diesem ist nämlich zu entnehmen, dass das Kulturbudget ab dem Jahr 2023 und noch viel deutlicher ab 2024 stark absinken wird. Nicht nur Ihr Spielgeld ist dann weg, sondern es gibt erst recht keinen Spielraum mehr für eine Erhöhung der Basisabgeltungen. Ebenso sind keine Finanzen für die Mehrkosten eines schon lange ersehnten Kollektivvertrags für die Bundesmuseen vorgesehen.

Das Wichtigste aber ist, dass Sie die Kunst- und Kultureinrichtungen mit allem, was auch nur irgendwie mittelbar daran hängt, halbwegs gut durch die Coronakrise bringen. Die dafür notwendigen Mittel sind aber leider nicht in diesem Kulturbudget enthalten, sondern müssen in Zukunft wieder mit Finanzminister Blümel ausverhandelt werden. Dass Gernot Blümel für Kultur nicht allzu viel übrig hat, hat er uns in seiner früheren Funktion bewiesen, als er unter anderem auch Kulturminister war. An den Coronahilfen wird es aber hängen, ob wir im Jahr 2022 noch eine Kulturlandschaft in Österreich vorfinden, wie wir sie kennen und wie wir sie uns wünschen.

Frau Staatssekretärin, Sie wollen eine tolle Kür hinlegen. Das halte ich Ihnen auch zugute, aber Sie scheitern leider bereits an der Pflicht. (Beifall bei der FPÖ.)

19.39

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Ing. Mag. Volker Reifenberger

und weiterer Abgeordneter

betreffend Erhöhung der Basisabgeltung für Bundesmuseen, Österreichische National­bibliothek und Bundestheater ab 2021

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 11: Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (449 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundes­voran­schlages für das Jahr 2021 (Bundesfinanzgesetz 2021 – BFG 2021) samt Anlagen (380 d.B.) – UG 32 Kunst und Kultur

in der 62. Sitzung des Nationalrates am 17. November 2020

Seit Beginn der COVID-19 Krise ist die Situation für die heimischen Kulturbetriebe eine äußerst schwierige.

So haben die Bundesmuseen mit enormen Besucherrückgängen zu kämpfen, wie auf wien.orf.at am 10. August 2020 zu lesen war:

„Harte Einbußen im KHM und Belvedere

Das Kunsthistorische Museum (KHM), das seine Tore nach dem „Lock-down“ am 30. Mai wieder öffnete, begrüßte im ersten Halbjahr 2020 im Vergleich zum Vorjahres­zeitraum nur mehr weniger als ein Drittel der Besucherinnen und Besucher (250.000 statt 800.000).


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Das Belvedere, das seine einzelnen Standorte gestaffelt öffnete, verzeichnet ähnlich harte Einbußen, wie die Juli-Zahlen belegen. Besuchten im Juli 2019 rund 150.000 Men­schen das Belvedere, waren es heuer nur mehr 30.000 Personen – also ein Fünftel. Verändert hat sich erwartungsgemäß der Anteil der heimischen Besucherinnen und Besucher. War das Verhältnis im Vorjahr bei 20:80, kommen mittlerweile bereits 45 Prozent der Besucher aus dem Inland.

Die Albertina, die ja auch die Eröffnung der Dependance Albertina modern verschieben musste, verzeichnete im Haupthaus ebenfalls einen Einbruch: Kamen im Juli 2019 rund 73.000 Besucher, waren es in diesem Juli lediglich 20.000.“

Am 15. Oktober 2020 berichtet orf.at, dass im Kunsthistorischen Museum (KHM) das Minus an Besucherinnen und Besuchern im ersten Halbjahr bis zu 80 Prozent betrug. Im Belvedere wurden im Jahr 2019 noch rund 1,7 Millionen Besucherinnen und Be­sucher im Belvedere gezählt, die Prognose für dieses Jahr beläuft sich auf nur mehr „circa 370.000“.

Dass sich die Situation nicht gebessert sondern weiter verschlechtert hat, veran­schau­licht der Direktor der Albertina Klaus Albrecht Schröder in einem APA-Interview vom 9. Oktober 2020 drastisch:

„Die Wiener Albertina erlebt coronabedingt einen dramatischen Einbruch bei den Be­sucherzahlen. "Wir befinden uns derzeit im freien Fall", sagt Generaldirektor Klaus Albrecht Schröder im APA-Interview. Lagen im August die durchschnittlichen täglichen Besucherzahlen bei über 1.100, seien sie im September auf unter 800 gesunken. In den vergangenen zwei Tagen hätten sich diese Zahlen nochmals halbiert, so der Museums­chef. Die Szenarien würden nahezu täglich nach unten revidiert. In den vergan­genen zwei Jahren erreichte die Albertina jeweils etwas über eine Million Besucher. Die Modellrechnungen gehen im Augenblick Richtung 350.000, (…). „Unkoordiniert, wider­sprüchlich und verunsichernd“ sei aber auch die Kommunikation der Bundesregierung. Das habe etwa dazu geführt, dass über 60-jährige Besucher weitgehend wegblieben und der Altersschnitt der Besucher auf 40-45 Jahre gesunken sei. (…) Für das gesamte Museum steuere man jedoch auf Ertragseinbußen von 12 Mio. Euro zu. "Die Erträge brechen uns rasant weg", sagt Schröder.“

Schröder, der in diesem Zusammenhang immer wieder eine Erhöhung der Basis­ab­geltung fordert, stellt klar, dass „das derzeitige Verhältnis von 7,5 Mio. Euro Basis­abgeltung und 15 Mio. selbst erwirtschafteten Erträgen künftig nicht zu halten sein wird“. APA0069 Fr, 09.Okt 2020

Es brauche für die Basisabgeltung „einen gerechten Verteilungsschlüssel“, sagte er im Interview mit dem „Kurier“ (Sonntagsausgabe) am 9. August 2020.

„Wenn wir unseren erfolgreichen Kurs wieder aufnehmen sollen, brauchen wir unbedingt eine Anhebung der Basisabgeltung - vor allem die großen drei Museen KHM, Albertina und Belvedere, die in den vergangenen Jahren sehr erfolgreich gearbeitet haben“, so die Direktorin des KHM Sabine Haag in einem Interview am 31. März 2020.

Auch aus Sicht der Bundestheater ist eine Erhöhung der Basisabgeltung wohl dringen­der denn je. Bereits in der Zeit vor Corona, am 13. Februar 2020, stellte der Geschäfts­führer der Bundestheater-Holding GmbH, Christian Kircher gegenüber der Kleinen Zei­tung klar, dass „es den Bundestheatern nach wie vor sehr, sehr gut gehe, dennoch wird der im Juni zu erstellende nächste Drei-Jahres-Plan nicht ohne zusätzliches Geld vom Bund auskommen.“

Trotz dieser Fakten verschiebt die Bundesregierung die dringend notwendige Erhöhung der Basisabgeltung für Bundesmuseen und -theater auf die „Zeit nach Corona“, wie Staatssekretärin Andrea Mayer kürzlich feststellte.


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Um den Betrieb der Bundesmuseen, der Österreichischen Nationalbibliothek und der  Bundestheater sowie die Arbeitsplätze entsprechend zu sichern und um notwendige Planbarkeit herzustellen, ist aus Sicht der unterfertigten Abgeordneten eine Erhöhung der Basisabgeltung nicht erst nach „Corona“ vorzunehmen, sondern bereits im BVA 2021 vorzusehen und auch zu beschließen.

Ein Blick in die Zahlen des Bundesfinanzrahmengesetzes 2021 bis 2024 lässt jedoch wenig Optimismus aufkeimen, was eine Erhöhung der Basisabgeltung betrifft, zumal das Kulturbudget ab 2023 wieder deutlich sinken wird:

Aus den dargelegten Gründen stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, eine Erhöhung der Basisabgeltung für Bundes­museen, die Österreichische Nationalbibliothek und die Bundestheater bereits ab dem Jahr 2021 sicherzustellen.“

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht auch mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Frau Maria Großbauer. – Bitte, Frau Abgeordnete.


19.39.40

Abgeordnete Maria Großbauer (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staats­sekretärin! Hohes Haus! Vielleicht kurz zu meinen Vorrednern: Kollege Drozda, ich verstehe ja, dass Sie das Kulturbudget schlechtreden müssen, vielleicht ja deshalb, weil es Sie ein bisschen ärgert, dass Staatssekretärin Andrea Mayer und auch Finanzminister Blümel etwas geschafft haben, das Sie leider nie erreicht haben, nämlich eine Stei­gerung des Kulturbudgets in einem Jahr um 30 Millionen Euro. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Kollege Reifenberger, wenn Minister Blümel als Kultur- oder Finanzminister Verantwor­tung hatte, dann hat das Kulturbudget immer eine Steigerung erfahren – also das der Vollständigkeit halber vorweg.

Ich möchte mich aber an Sie wenden, sehr geehrte Künstlerinnen und Künstler, Kultur­managerinnen und -manager, Kulturvermittlerinnen, -vermittler, alle, die in der Kunst und Kultur tätig sind. Es ist uns allen bewusst – auch meiner geschätzten Kollegin Eva Blimlinger und auch der Bundesregierung –, die wir uns hier im Parlament sehr, sehr für Sie einsetzen, dass es für Sie in jeder Hinsicht eine enorme Belastung ist. Diese Krise ist für Sie eine enorme finanzielle Belastung, eine psychische Belastung wegen existen­zieller Sorgen, vielleicht aber auch deshalb, weil Sie gerade Ihren Beruf, der vermutlich auch eine Berufung für Sie darstellt, nicht ausüben können.


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Ich möchte Ihnen ausdrücklich für die hoch professionellen Bemühungen danken, die Sie die letzten Monate mit Sicherheitskonzepten und vielem mehr geleistet haben. Trotz aller Anstrengungen ist es leider so, dass zuletzt über 77 Prozent aller Neuinfektionen nicht mehr rückverfolgbar waren und somit überall ein Risiko besteht, wo Menschen zusammenkommen, auch in der Kultur – auch wenn meine persönliche Wahrnehmung ist, dass da besonders vorbildlich und professionell gearbeitet wurde.

Umso wichtiger ist es deshalb jetzt, dass die budgetäre Ausstattung für diesen Bereich, der gerade in Österreich so besonders wichtig und bedeutend ist, gegeben ist. Dieses Budget 2021 mit einem Plus von 30 Millionen Euro, nämlich für das reguläre Budget, ist wirklich sensationell. Das Geld kommt ja zusätzlich zu den über 200 Millionen Euro, die diese Bundesregierung zur Abfederung der Coronakrise bereits bereitgestellt hat.

Was hat Kulturstaatssekretärin Mayer nun mit diesen 30 Millionen Euro vor? – Ich würde sagen: Vieles, Gutes und Nachhaltiges hat sie vor. Man kann es in drei Teile gliedern: Einerseits sollen wichtige Strukturen und Institutionen unterstützt werden, auch einige sozusagen Langbaustellen aufgelöst werden, Künstlerateliers saniert, die Albertina Modern in den Regelbetrieb geführt werden; das filmische Erbe muss gesichert werden.

Der zweite Teil, sozusagen das zweite Drittel, betrifft, unterstützt und investiert in bau­liche Sanierungsprojekte, die seit vielen, vielen Jahren wichtig sind und anstehen. Zwei kulturelle Beispiele wie auch touristische Leuchttürme in Österreich sind zum Beispiel das Festspielhaus in Salzburg und die Seebühne in Bregenz. Das Volkstheater in Wien ist auch darunter. Auch gibt es 10 Millionen Euro für die freie Szene, für das zeitge­nössische Kunstschaffen.

In diesem Zusammenhang möchte ich ganz besonders hervorheben, dass der Öster­reichische Musikfonds maßgeblich aufgestockt wird, nämlich von 580 000 auf 1,2 Mil­lionen Euro verdoppelt wird. Das ist ein langjähriger und sehr richtiger Wunsch der Musikszene in Österreich. Der Musikfonds unterstützt professionelle Musikproduktionen aller Musikgenres von Musikschaffenden in Österreich – und das im nächsten Jahr mit doppelt so viel Budget.

Frau Staatssekretärin, ich danke Ihnen für dieses hervorragende Kulturbudget, und ich freue mich auf die weitere Zusammenarbeit. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

19.43


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächste Rednerin ist Henrike Brandstötter. – Bitte, Frau Abgeordnete.


19.43.46

Abgeordnete Henrike Brandstötter (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte meine Rede gerne in zwei Teile aufteilen. Im ersten Teil geht es generell ums Budget und dann um etwas, das mir eine Herzensangelegenheit ist.

Einmal generell zum Budget: Wir werden diesem Budget nicht zustimmen, das bedeutet aber nicht, dass wir alles, was im Budget drinnen ist, auch schlecht finden, aber grosso modo sind wir nicht einverstanden. Wir begrüßen grundsätzlich die Erhöhung des Kultur­budgets. Wir finden es auch ganz großartig, dass es für Internationalisie­rungs­projekte mehr Geld gibt, aber wie immer liegt der Teufel natürlich im Detail. Gerade bei den Förderungen wünschen wir uns transparente und effektive Strukturen. Auch die hoch angepriesenen zusätzlichen Mittel für die freie Szene finden sich nur in einer einzigen Zahl im Budget wieder, das heißt, wir wissen noch nicht wirklich, was mit den Mitteln passiert, und sind da auch auf ihre Schwerpunkte gespannt.


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Für die Internationalisierung haben wir NEOS mit dem Büro für Zeitgenössisches einen sehr konkreten, umsetzbaren Vorschlag gemacht und stehen auch da bereit für eine Mitarbeit, für Input.

Wie auch Sie selber, Frau Staatssekretärin, gesagt haben, wurde eine Kunst- und Kulturstrategie bis jetzt noch nicht in Angriff genommen. Das muss sich ändern, auch da stehen wir für eine Zusammenarbeit bereit, weil wir aus diesem Krisenmodus auch wieder herausfinden und Dinge angehen müssen, die vor Corona noch nicht angegan­gen wurden, noch nicht passiert sind und nach Corona schnell passieren müssen.

Auch positiv zu erwähnen und schön zu hören ist, dass das von uns geforderte Kultur­satellitenkonto jetzt dann wirklich kommen soll. Das ist wichtig, um endlich Daten zu haben, um auch evidenzbasierte Kulturpolitik zu machen.

Auffällig und auch sehr schade ist, dass es noch immer keine Valorisierung der Basis­abgeltung und auch keine Valorisierung von anderen Jahresförderungen oder Projekt­förderungen gibt. Das finden wir sehr schade.

Leider gibt es auch keine neuen Schritte in Bezug auf die Zukunft des wirklich wichtigen Hauses der Geschichte Österreichs. Direktorin Sommer wird immer noch mit sehr weni­gen Mitteln abgespeist, und es gibt keinen Zukunftsplan. Da braucht es trotz Corona dann auch eine Lösung.

Wir sollten uns auch sehr schnell Gedanken darüber machen, wie wir ein sehr großes Problem lösen, das sich momentan wieder vergrößert, nämlich die fehlende Sichtbarkeit unserer Kulturbranche in den letzten und auch in den folgenden Monaten. Kunst und Kultur, das ist Nahrung fürs Hirn. Wir müssen uns überlegen, wie wir wieder mehr Sicht­barkeit für diese Branche bekommen.

Damit komme ich auch zu einem sehr speziellen Punkt in Ihrem Budget. Diese man­gelnde Sichtbarkeit der Kunst- und Kulturbranche zeigt sich in dieser Debatte ganz besonders: Museen sind jetzt plötzlich wieder wichtig. Die Menschen finden es schade, dass sie geschlossen sind. Viele vermissen den kurzen Abstecher in eine Galerie oder den Sonntagnachmittag in einer Ausstellung. Dabei könnte man ja auch noch sagen, dass wir derzeit andere Sorgen haben, denn die Häuser sind wegen einer Pandemie, die sich nahezu unkontrolliert ausbreitet, geschlossen. An den vielen Diskussionen über die Schließung der Kulturinstitutionen für einige Wochen oder sogar Monate kann man aber auch die ungeheure Relevanz von Kunst und Kultur bemessen.

Jetzt bitte ich Sie, sich Folgendes vorzustellen: Wie wäre es, wenn unsere Museen, unsere Schlösser, unsere Burgen, unsere Klöster, unsere Kirchen, einfach alle Orte, an denen wir Artefakte unserer Vergangenheit aufheben, ausstellen oder verwenden, leer geräumt wären, wenn das einfach nur mehr langsam vermodernde Hüllen wären und man sich einfach nur mehr eine Hausmauer ansehen könnte? Wie wäre es, wenn all das, was uns ausmacht, unser gesamtes kulturelles Erbe stattdessen in afrikanischen Staaten aufbewahrt und ausgestellt wird? – Exakt so geht es nämlich einer Milliarde Afrikanerinnen und Afrikanern. Sie alle haben keinen Zugang zu ihrem kulturellen Erbe, zu ihren spektakulären Masken, zu mystischen Figuren, zu einzigartigen Alltags­gegen­ständen – ganz im Gegenteil zu europäischen Künstlern und Architekten, die sich von der Ausdruckskraft und der Formensprache inspirieren lassen konnten und können.

Was in Afrika geraubt oder abgepresst wurde, hat in Europa zum Beispiel Le Corbusier zu wirklich außergewöhnlichen Bauten beflügelt; das war der Grundstein für Picassos afrikanische Phase; es war die Initialzündung für den Kubismus. Die Auseinander­set­zung mit afrikanischen Formen und Ästhetiken hat den Beginn der klassischen Moderne markiert und auch die europäische Kunst revolutioniert.


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Zeitgenössischen afrikanischen Künstlerinnen und Künstlern fehlt diese Inspirations­quelle. Sie können sich nicht einmal von den Werken aus der eigenen Vergangenheit leiten lassen, weil sich eben geschätzt 90 Prozent der afrikanischen Kunst außerhalb des Kontinents befinden. 46 000 Artefakte lagern in österreichischen Bundesmuseen, viele wurden geraubt oder den Einheimischen abgepresst. Wer aber keinen Zugang zu seinem kulturellen Erbe hat, wer sich kein Bild von seiner Vergangenheit machen kann, der kann auch kein Bild, keine Idee seiner Zukunft entwickeln – und das wiederum ist ein enormes Entwicklungshemmnis.

Ich begrüße es daher sehr, dass in einem ersten Schritt ein kleiner Betrag für die Pro­venienzforschung afrikanischer Kunst in den Bundesmuseen zur Verfügung gestellt wird, und ich hoffe, dass aus dieser monetären Initialzündung auch ein echtes Rückführungs­projekt von zentralen Artefakten wird. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

19.49


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Hermann Weratschnig. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


19.49.30

Abgeordneter Hermann Weratschnig, MBA MSc (Grüne): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Werte Abgeordnete! Die Krise ist für die Kunst und Kultur ein unglaublicher Einschnitt, eine Belastung, da brauchen wir nichts zu beschönigen. Termine müssen verschoben werden, Termine müssen aus den Termin­büchern ausradiert werden – wobei man in der Hoffnung lebt, in ein paar Wochen wieder etwas aufführen zu können, sich betätigen zu können, kreativ sein zu können.

Es herrschen in der Szene Frustration, Stillstand und Sorge und auch eine Zukunfts­angst. Aufgrund dieser Zukunftsangst sind wir gefordert, mit Unterstützung, mit Hilfspro­jekten dieser Situation entgegenzuwirken, und wir können, glaube ich, auch unter­stüt­zen. Einen großen Teil wird dabei das Budget übernehmen, aber es wird nicht nur das Budget sein, sondern es wird auch eine Kultur der Kunst und Kultur nach Corona sein, die wir in ganz Österreich zu unterstützen haben.

Bei den Unterstützungen muss man dazusagen, dass genau die Unterstützungen, die jetzt gültig sind, sehr hilfreich für die Künstlerinnen und Künstler sind, ob das der Bei­tragszuschuss bei der SVS ist, ob das die Sonderzahlung – 1 300 Euro – ist, ob das der Überbrückungshilfefonds und die Covid-19-Fonds, die über die Sozialversicherung abgewickelt werden, sind. Das alles sind wichtige Bausteine. Man sieht gerade im Kunst- und Kulturbereich, dass das Geld auch abgeholt wird, dass da unbürokratisch abge­wickelt wird.

Auch die Senkung der Mehrwertsteuer ist, glaube ich, eine Hilfe für diesen Bereich und – nicht zu vergessen – für all die Vereine. Für die Sportvereine, für die Kulturvereine, auch für die Tierschutzvereine, für die Feuerwehren hat der NPO-Unterstützungsfonds eine ganz wesentliche Bedeutung, und diese Unterstützung greift auch.

Trotz dieser Krisensituation werden mit dem Budget des nächsten Jahres 30 Millionen Euro mehr an Mitteln ermöglicht. Das ist, glaube ich, ein wesentlicher Punkt, und zwar nicht nur für die Sanierung der Festspielhäuser und für Bad Ischl als Kulturhauptstadt, nein, auch was die konkreten Förderungen betrifft: 12 Millionen Euro mehr werden zur Verfügung gestellt, was die Kunst-und Kulturförderungen betrifft (Beifall bei den Grünen), 8 Millionen Euro mehr, was Sonderprojekte betrifft, wo auch ein ganz klarer Schwerpunkt in der Internationalisierung gesetzt wird. Ich glaube, das sind wichtige Beispiele, mit denen wir im Budget trotz der Krisensituation für eine Stimmung sorgen – eine Stim­mung, die wir uns in der Kunst und Kultur alle wünschen –, die wieder von Leidenschaft geprägt ist, die von Begeisterung geprägt ist, in der wir uns wieder gerne austauschen


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und in der soziale Kontakte wieder im Vordergrund stehen. Das wünschen wir der Kunst und Kultur.

Hohes Haus! Tun wir alles dafür, dass sich Künstlerinnen und Künstler auf die Politik verlassen können! Das ist unser Auftrag hier im Hohen Haus. Die Kunst braucht Freiheit, der Kunst ihre Freiheit! – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

19.53


Präsident Ing. Norbert Hofer: Frau Mag.a Dr.in Sonja Hammerschmid gelangt nun zu Wort. – Bitte, Frau Abgeordnete.


19.53.15

Abgeordnete Mag. Dr. Sonja Hammerschmid (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Thomas Drozda hat es schon gesagt, liebe Frau Kollegin Großbauer. Er hat erwähnt, dass das von Staatssekretärin Mayer geschnürte Budget ein solides, ein ordentliches Budget ist, inklusive neuer Schwerpunktsetzungen, die begrüßenswert sind. Das ist überhaupt keine Frage, wäre da nicht eine Pandemie, die die Kunst- und Kulturinstitutionen vor nie da gewesene Herausforderungen stellt. Das Netz für die Abfederung dieses Dramas ist umfangreich geschnürt worden, angefangen beim Härtefallfonds für Selbstständige über den Covid-19-Fonds der Künstlersozialversicherung, den Überbrückungsfonds für selbstständige Kunst- und Kulturschaffende, den NPO-Fonds, den Comebackzuschuss für Film- und TV-Produktionen bis hin zu – jetzt neu – dem Lockdownbonus und dem Umsatzersatz für Kulturbetriebe, von dem die Zulieferer hoffentlich auch noch etwas haben und bei dem die Einreichmodalitäten erst geklärt werden müssen.

Manche dieser Instrumente sind kombinierbar, manche sind es nicht, und die Ein­reicherInnen erzählen, dass oftmals die Reihenfolge der Einreichung ausschlaggebend dafür ist, was sie jetzt bekommen oder nicht – beides oder nur eines oder gar keines. Selbst mir, die ich elf Jahre im Förderbereich gearbeitet habe und mich mit Richtlinien und Abwicklung, glaube ich, ganz, ganz gut auskenne und auch keine Scheu habe, mich da zu vertiefen, schwirrt angesichts dessen ein bisschen der Kopf. Wie muss es erst Kunst- und Kulturschaffenden gehen, die sich da durcharbeiten müssen, die unter Existenzängsten leiden und die schon sehr belastet sind?

Deshalb habe ich einen Vorschlag: Es wäre wirklich zu überlegen, ob man da nicht so etwas wie einen Fördermanager für Kunst- und Kulturschaffende – ein Onlinetool quasi – einrichten sollte, das über ein paar Kernabfragen den Kunst- und Kultur­schaf­fenden rasch Auskunft darüber geben könnte, welches Instrument für sie passend ist, und so Orientierung bietet.

Mir ist aber auch noch etwas anderes wichtig: Diese vielen Maßnahmen, von denen ich jetzt gesprochen habe, müssen auch abgewickelt werden, und es sind die Menschen im Austria Wirtschaftsservice, beim Künstler-Sozialversicherungsfonds, beim Finanzamt und bei vielen anderen Institutionen, die tagtäglich daran arbeiten, dass das Geld, dass die Mittel bei den Kunst- und Kulturschaffenden, bei den Kunst- und Kulturinstitutionen auch ankommen. Sie tun es vom ersten Tag an, haben unter schwierigsten Rahmen­bedingungen umzusetzen, was vorgegeben wird, schauen, dass sie das rasch bewerk­stelligen, und dies unter Hochdruck – auch sie haben Angst vor der Pandemie – und meist auch ohne Verschnaufpause im Sommer. Danke an dieser Stelle einmal an all diese Menschen, die die Kunst- und Kulturförderungen tagtäglich abwickeln! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Künsberg Sarre.)

Ganz kurz noch, weil mir die Zeit schon wieder davonrennt: Bitte, bitte, bei den Kunst- und Kulturinstitutionen des Bundes wirklich genau hinschauen! Wir wissen, dass man dort unglaubliche Einnahmenausfälle zu verzeichnen hat. Im Budget ist dafür nicht sehr


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viel vorgesehen, die 3 Millionen Euro sind bei Weitem nicht ausreichend. Wir wissen schon aus dem Bereich der Museen, dass es 55 Millionen Euro sind, die 2020 gefehlt haben, und 2021 wird es nicht viel besser sein. Bitte, bitte, das nicht zu übersehen! Mir fehlen sie sehr, die Kunst- und Kulturinstitutionen des Bundes, die ich nicht mehr be­suchen kann, aber auch alle anderen Theater und Museen. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

19.56


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Mag. Martin Engelberg. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.57.05

Abgeordneter Mag. Martin Engelberg (ÖVP): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Wir haben viel über Zahlen gesprochen. Ich möchte über Kunst und Kultur und Leben sprechen. Ich glaube, es ist kein Pleonasmus, wenn ich sage: Kunst und Kultur brauchen Leben zum Leben. Was meine ich damit? – Ich habe das Bild von einem Basketball vor mir, der so lange aufspringt, solange man ihn am Springen hält. Wenn man das einmal eine Zeit lang nicht tut, springt der Ball schon noch eine Zeit weiter, aber wenn er dann einmal am Boden liegt, ist es ganz schwer, ihn wieder zum Springen zu bringen.

Das heißt, Kunst und Kultur brauchen Commitment, brauchen Engagement. Das ist etwas, das nicht die Regierung leisten kann, das ist das, was die Gesellschaft leisten muss und was wir alle – quer über alle Parteien hinweg – als Volksvertreter im besten Sinne des Wortes leisten müssen. Ich glaube, dass wir erst dann merken werden, dass das quer über alle Parteien auch funktioniert und in der Gesellschaft funktioniert, wenn wir nicht nur Gutscheine verteilen, damit sich Leute gratis ein Schnitzel kaufen können, sondern damit sie sich zum Beispiel Kulturleistungen leisten können und in Anspruch nehmen können. (Beifall des Abg. Taschner.) – Danke.

Ich glaube, dass wir vor allem auch zum jetzigen Zeitpunkt der Kunst und Kultur eine Perspektive geben müssen. Ich denke, dass wir erlebt haben, dass es sehr wehgetan hat, dass man alle Kunst- und Kultureinrichtungen schon im ersten Teillockdown sperren musste – und das wissend um die unglaublichen Bemühungen aller Kultureinrichtungen, die Sicherheit und die Gesundheit der Besucher zu gewährleisten, die sehr viel mehr an Bemühungen als viele andere Einrichtungen, die offen geblieben sind, unternommen haben. Jetzt sind alle geschlossen, aber wir müssen etwas sicherstellen: Wenn dann einmal die Tempel der Konsumkultur wieder eröffnet werden, kann das nicht geschehen, ohne dass die Tempel der Kultur eröffnet werden. (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten der Grünen sowie der Abg. Kucharowits.)

Wenn auch die Schulen wieder eröffnet werden, vergessen wir nicht, dass die Kultur­einrichtungen die zweiten großen Bildungseinrichtungen des Landes sind!

Ich glaube, dass wir davon ausgehen können, dass sowohl verglichen mit den Kon­sumeinrichtungen als auch den Bildungseinrichtungen, also den Schulen, die Kultur­ein­richtungen ganz sicher mehr Sorge dafür tragen werden, dass die Besucher und deren Gesundheit gesichert sind. Ich denke, das sollten wir uns vor Augen halten – wir alle! – und uns nicht nur der Kunst und Kultur rühmen wollen, ohne dafür auch etwas getan zu haben. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen.)

20.00


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme hat sich nun Frau Staats­sekretärin Mag.a Andrea Mayer zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Staatssekretärin.



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20.00.37

Staatssekretärin im Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Mag. Andrea Mayer: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Ich danke für diese engagierte Debatte in Sachen Kunst und Kultur und auch für dieses Bekenntnis, dass hier von allen Rednerinnen und Rednern klargestellt wird, dass Kunst und Kultur in Österreich öffentlich finanziert werden und dass man sich dafür nicht rechtfertigen muss. Ich danke auch allen Fraktionen für die Anerkennung, für diese 30 Millionen Euro zusätzlich, die im regulären Kunst- und Kulturbudget für 2021 vorgesehen sind. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir alle wissen, dass Kunst und Kultur in dieser alles dominierenden Krisensituation namens Pandemie zwei der am schlimmsten betroffenen Bereiche unserer Gesellschaft sind. Es liegt auf der Hand – und das können Sie mir wirklich glauben –, dass mir das jeden Tag, jede Stunde, jede Minute von Neuem vor Augen geführt wird und ich diese Herausforderung auch in jedem Augenblick annehme, weil es ein Privileg ist, in Österreich für die Kunst tätig zu sein. Gerade deshalb will ich hier heute, wenn es um das Budget 2021 geht, den Versuch wagen, dieses Budget zunächst ohne Corona zu betrachten – und das hat ja auch Sinn, denn die 30 Millionen Euro plus, die wir 2021 veranschlagt haben, sind unabhängig von den Ausgaben, die zur Pandemiebewältigung im Kulturbereich notwendig sind. Sie sind ein echtes Plus zum regulären Budget der Kunst und Kultur, ein Zuwachs, wie es ihn seit Jahrzehnten nicht gegeben hat, und genau deshalb ist das ja auch so erfreulich. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Die geplante Verwendung dieser 30 Millionen Euro gliedert sich in drei Teile. Erstens werden wir große Bauprojekte in die Wege leiten, die weit über den Kulturbereich hinaus wirken werden. Zweitens werden wir einige der großen kulturpolitischen Baustellen an­gehen, die teilweise gleichfalls seit Jahren Lösungen brauchen. Und drittens – das ist mir persönlich sehr, sehr wichtig – werden wir in der Förderung der zeitgenössischen Kunst starke Akzente setzen, und zwar über alle Kunstsparten hinweg.

Im ersten dieser drei Bereiche gehen wir notwendige Sanierungen bei zwei der großen Aushängeschilder der österreichischen Kulturlandschaft an: Bregenzer Festspiele und Salzburger Festspiele. Diese Großbauprojekte zur Sanierung und Renovierung haben nichts mit einer Bevorzugung von Hochkultur zu tun, wie das ja auch manchmal im Raum steht, sondern sie sind notwendige Investitionen in wichtige Eckpfeiler der Kultur in Österreich. Dafür ist Österreich in der ganzen Welt bekannt.

Diese Festspiele, das darf man nicht vergessen, wirken ja weit über ihr eigenes Pro­gramm, ihren eigenen künstlerischen Output hinaus, und deshalb ist es wichtig, die Basis ihrer Arbeit – die Gebäude, die Technik, die Werkstätten, im Fall von Bregenz eben das Herzstück, die Seebühne – für die Zukunft auch räumlich und technisch fit zu machen. Wenn ich an Salzburg denke – Sie kennen sicher die Aufnahmen vom Regenguss, der während einer Vorstellung durch die Decke kommt –, dann kann ich nur sagen, es ist höchst an der Zeit, dass wir das angehen, und ich freue mich sehr, dass wir hier von­seiten der Bundesregierung ein so deutliches Commitment aussprechen konnten, das ja weit über das Budget 2021 und sogar über die aktuelle Legislaturperiode hinausgehen wird.

Der zweite große Bereich dieser Budgeterhöhung betrifft wie erwähnt weitere kultur­politische Langzeitbaustellen, die wir damit endlich abschließen können. Wir werden die Förderungen für die drei großen Wiener Privattheater Josefstadt, Volkstheater und Theater der Jugend anheben und ihnen somit Planungssicherheit geben. Wir können Gelder für die seit Jahren diskutierte Frage bereitstellen, wie das österreichische Film­erbe langfristig abgesichert werden kann. Und wir können zum Beispiel auch in den


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bundeseigenen Ateliers im Wiener Prater – Orte, an denen täglich Kunst entsteht – wichtige Sanierungsarbeiten durchführen.

Damit kommen wir zum dritten Bereich, der aus meiner Sicht ganz, ganz zentral und eine Kernaufgabe meines Ressorts ist: die Kunstförderung. In früheren Jahren – ich kenne die Kunst- und Kulturbudgets ja schon viel länger, als mir eigentlich lieb ist, nämlich Jahrzehnte – war es oft so, dass, wenn es überhaupt Erhöhungen der Gelder für Kunst und Kultur gab, diese in Großprojekte geflossen sind und für die eigentliche Kunstförderung sehr wenig geblieben ist. Mir war es ein Anliegen, das diesmal anders zu gestalten, und deshalb werden wir im kommenden Jahr wesentlich mehr Geld in die Kunstförderung fließen lassen als in den Jahren davor.

Wir fangen dort an, wo das Geld auf direktestem Weg bei den einzelnen Künstlerinnen und Künstlern ankommt: bei den Stipendien. (Beifall bei den Grünen und bei Abge­ordneten der ÖVP.) Wir werden insgesamt 1 Million Euro mehr ausgeben, und zwar sowohl bei der Höhe eines einzelnen Stipendiums, als auch indem wir die Anzahl der zu vergebenden Stipendien erhöhen.

Wir werden neue Förderschienen ins Leben rufen, die es uns ermöglichen, Projekte zu fördern, die bisher nicht förderbar waren, weil sie nicht in den althergebrachten Förder­kanon der Kunst- und Kultursektion hineingepasst haben. Wahrscheinlich werden dort auch Projekte gefördert werden, die sich mit künstlerischen Mitteln innovativ mit der aktuellen Situation auseinandersetzen.

Das zentrale Instrument der Filmförderung in Österreich, das Österreichische Film­institut, an dem eine Vielzahl an künstlerisch Tätigen dranhängt, bekommt ebenfalls eine Aufstockung der Mittel um 2 Millionen Euro – so viel wie seit mehr als zehn Jahren nicht. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Auch die Mittel des Musikfonds, der gerade in den letzten Jahren so vielen österreichi­schen Bands zum Durchbruch und auch zum anhaltenden internationalen Erfolg ver­holfen hat, werden mit 1,2 Millionen Euro mehr als verdoppelt.

Ich könnte jetzt noch viele weitere Beispiele und Vorhaben aufzählen – von Fair Pay über Digitalisierungsakzente bis hin zum großen Thema der Internationalisierung –, ich möchte mich aber auf ein Beispiel beschränken, weil es mir ein Herzensanliegen ist und weil es ein großartiges Projekt für die österreichische Kultur ist, und das ist der Auftritt Österreichs als Gastland bei der Leipziger Buchmesse 2022. Gerade in dieser schwierigen Zeit ist es wichtig, dass wir jetzt schon konkrete Projekte für die Zukunft vorhaben und nicht nur planen, sondern diese auch realisieren. Ich halte das wirklich für ein Projekt, dessen Wert für die österreichische Literatur man gar nicht hoch genug einschätzen kann, und diese Einschätzung teile ich auch mit dem Hauptverband des Buchhandels und der ganzen Buchbranche. Das wird auch eine Gelegenheit sein, dass sich Österreich in Deutschland, also auch im internationalen Umfeld, als ein Land von zeitgenössischer Kunst präsentieren kann. Ich freue mich auf die Vorbereitungsarbeiten, die wir jetzt angehen, und dann natürlich auf den Besuch in Leipzig selbst im Jahr 2022. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Damit komme ich in gewisser Weise zurück zum Ausgangspunkt meines Redebeitrags, in dem ich ja noch nicht viel über Corona gesprochen habe. Gerade jetzt, da vieles frustrierend ist und sich alles nur um dieses Thema dreht, brauchen wir solche Projekte, auf die wir uns freuen können, die uns Hoffnung und Inspiration geben. Ich bin sehr froh darüber, dass wir genügend finanzielle Mittel aufstellen konnten, um auch über Corona hinaus zu gestalten; das heißt im Übrigen nicht, dass wir Kunst und Kultur tatsächlich ohne Corona denken können – im Gegenteil! Genau deshalb hat die Bundesregierung eine Vielzahl an Maßnahmen getroffen, die die Auswirkungen dieser gravierenden Krise für die Kulturbranche abmildern. Der Umsatzersatz von 80 Prozent für den aktuellen


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Lockdown kommt allen Kulturbetrieben zugute. Es hat zwei Tage lang organisatorische Stolpersteine gegeben, die sofort behoben wurden. Diese politische Zusage und Vereinbarung steht ganz fix, dass alle Kulturbetriebe, egal, welcher Größe und welcher Rechtsform, diesen Umsatzersatz von 80 Prozent lukrieren können. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Es war mir natürlich auch bewusst, dass die freischaffenden Künstler ebenso eine Kompensation für diesen zweiten Lockdown brauchen, deshalb gibt es für sie eine Kompensation bei der SVS von 1 300 Euro netto zusätzlich im Monat im Rahmen unserer Überbrückungsfinanzierung. Das heißt, ein freischaffender Künstler, der bei der SVS selbstständig versichert ist, bekommt im November 2 300 Euro netto. Und jemand, der im Rahmen des Härtefallfonds angesucht hat, kann dort höchstens 2 500 Euro und zusätzlich diese Lockdownkompensation von der SVS bekommen, er bekommt also maximal 3 800 Euro netto. Diese Unterstützung gibt es international in keinem Land. Viele Künstlerinnen und Künstler bestätigen mir auch, dass sie sehr froh sind, hier in Österreich leben zu können. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren, viel war in Ihren Redebeiträgen von den Bundes­einrichtungen, die ja wirklich große, zentrale Flaggschiffe unserer Kultur sind und für die wir auch weltberühmt sind, die Rede. Sie müssen sich keine Sorgen um die Bundes­einrichtungen machen. Die Bundesmuseen und die Bundestheater haben im Jahr 2020 zusätzlich zur Bewältigung der Coronakrise bereits 34 Millionen Euro bekommen – zusätzlich 34 Millionen Euro! Damit kommen die Bundeseinrichtungen, sowohl die Mu­seen als auch die Theater, sehr gut über die Runden.

Insgesamt belaufen sich die zusätzlichen Mittel, die die Bundesregierung in dieser Krise für Kunst und Kultur in die Hand genommen hat, bereits auf über 220 Millionen Euro. Damit ist ein Rettungsschirm gespannt, der sich international sehen lassen kann. Ich möchte dafür nicht abgefeiert werden, aber es ist schon zu sehen, dass die Bundes­regierung hier das Notwendige veranlasst und getan hat. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Ein Teil dieser Coronamittel wird ins nächste Jahr mitgenommen werden und steht über die verschiedenen Fonds weiterhin zu Verfügung, und dort – das kann ich Ihnen ver­sichern, sehr geehrte Damen und Herren –, wo es notwendig ist, werden wir auch 2021 die nötigen Zusatzmittel in die Hand nehmen, um der Kunst- und Kulturlandschaft das Überleben zu sichern und ihr auch einen starken, kreativen Neustart zu ermöglichen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie der Abg. Brandstötter.)

20.15


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Abgeordnete Katharina Kucharowits. – Bitte, Frau Abgeordnete.


20.15.06

Abgeordnete Katharina Kucharowits (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich möchte, da ich jetzt das erste Mal hier im Rahmen des Plenums zum Budget 2021 spreche, einfach nur eine Feststellung tätigen, sie ist heute schon oftmals gekommen: Wir diskutieren hier ein Budget, das wir letzte Woche in langen Budgetverhandlungen im Ausschuss behandelt haben, das überhaupt nicht dem Stadium entspricht, in dem wir jetzt stecken, in dem nämlich der Lockdown zwei, der heute begonnen hat, überhaupt keine Berücksichtigung findet. Ganz offen: Das ist eigentlich eine Farce – eine Farce uns Abgeordneten gegenüber, eine Farce dem Parlament gegenüber und eine Farce der gesamten Bevölkerung und der Republik gegenüber, und das das zweite Mal im Jahr 2020! Das muss ich einfach einmal feststellen. (Beifall bei der SPÖ.)


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Jetzt aber zum ganz zentralen Bereich der Kunst- und Kulturpolitik: Ich möchte gerne über die Lebensrealität von Künstlerinnen und Künstlern sprechen; ich mache das übri­gens nicht das erste Mal. Wir wissen alle, die Lebensrealität von vielen KünstlerInnen ist ganz einfach nicht das Gelbe vom Ei. Corona hat vielen in der Kunst und Kultur, nämlich auch allen, die in diesem Zusammenhang arbeiten – ich möchte da zum Beispiel auch Licht- und Tontechnik erwähnen, also die ZulieferInnen, die DienstleisterInnen in diesem Bereich –, oftmals den Rest gegeben.

Ich erinnere mich an das Frühjahr, als wir hier gestanden sind und von Anfang an einen umfassenden Rettungsschirm gefordert haben, der eben niemanden zurücklässt. Und ja, es gibt diese Fonds, Frau Staatssekretärin, die sie aufgezählt haben. Peu à peu sind diese Fonds etabliert worden, aber in Wirklichkeit kennt sich niemand mehr aus. Es ist unfassbar umständlich, bürokratisch, und es haben noch immer nicht alle etwas davon – übrigens auch nicht vom Umsatzersatz, der von Ihnen gerade angesprochen worden ist, deshalb auch der Antrag des Kollegen Drozda, der heute eingebracht wurde, weil einfach alle diese 80 Prozent Umsatzersatz bekommen könnten, nämlich auch jene, die nicht unbedingt vor dem roten Vorhang stehen, sondern auch alle, die dahinter stehen. Das ist ganz, ganz wichtig. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte aber auf einen ganz zentralen Aspekt zu sprechen kommen. Es ist ja nicht nur Corona, sondern, wie gesagt, die Lebenssituation ist für viele Künstlerinnen und Künstler per se sehr, sehr prekär: einmal selbstständig beschäftigt, einmal unselbst­ständig beschäftigt. Das ist etwas, das oftmals dazu führt, dass viele mit einem Fuß in der Armut stehen. Deshalb meine ganz konkrete Frage an Sie, Frau Staatssekretärin: Es ist natürlich ein Fair-Pay-Aspekt im Budget vorgesehen, aber das ist lediglich eine Strategieentwicklung für Fair Pay, und von einer Strategieentwicklung kann noch niemand die Miete oder Lebenshaltungskosten zahlen! Das fehlt ganz einfach immer noch. Die Vorschläge liegen auf dem Tisch – von der Interessengemeinschaft, von der IG Kultur –, zum Beispiel Honorarempfehlungen und vieles mehr.

Ich frage Sie: Setzen Sie das um, wenn Sie Förderungen vonseiten des Bundes ver­geben? Sie könnten hier wirklich als Best-Practice- und Vorzeigemodell dienen. Wir finden dazu nichts im Budget. Deshalb appelliere ich wieder einmal, Fair-Pay-Maß­nahmen, die auf dem Tisch liegen, im Sinne der Künstlerinnen und Künstler und im Sinne aller, die in Kunst und Kultur arbeiten, auf die Beine zu stellen. Bitte umsetzen! Dringend! (Beifall bei der SPÖ.)

20.18


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Dr. Rudolf Taschner. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.18.38

Abgeordneter Mag. Dr. Rudolf Taschner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Bevor ich in das Lob für die Erhöhung des Kunst- und Kulturbudgets einstimme, möchte ich – und es ist natürlich keine Farce, dass das erhöht wird, sondern das ist Tatsache – noch eine Fußnote unterbringen. Es ist ja in der Krise so, dass das Bedürfnis nach Tröstung, wenn Sie so wollen, nach Linderung, nach einer Ermutigung stark wächst. Manche versuchen, es in der Religion zu finden, was komischerweise jetzt in dieser Krise kaum gehört wurde, was ja an sich ein sehr interessantes kulturelles Phänomen ist, und viele versuchen, es in der Kunst zu finden.

Ich möchte als Symbol zum Beispiel Folgendes hinstellen: Am 2. November, an diesem schrecklichen Tag des Terrorangriffes, als das Opernpublikum im Haus bleiben musste,


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nicht wegkonnte und in Bangigkeit und Sorge dort saß, haben vier Wiener Philharmo­niker im Orchestergraben mit Kunst diese Situation aufzuheben vermocht. Interessanter­weise haben sie dabei Haydn gespielt, also keinen Zeitgenossen.

Aber wie dem auch sei, wir werden natürlich mit diesem Budget auch viele Zeitgenossen fördern und wir sind uns natürlich des Risikos bewusst, dass bei dieser Förderung unter Umständen nicht nur Bleibendes und Wertvolles, sondern vielleicht auch Zeitgeistiges und Albernes gefördert wird. Das muss man halt auf sich nehmen, aber, Frau Staats­sekretärin, ich weiß, dass Sie den scharfen Blick dafür haben, hier die richtige Auswahl zu treffen. Es werden keine Duftmarken gesetzt, wie da irgendwie verkündet worden ist, sondern es werden tatsächlich wesentliche Förderungen gegeben, die uns da weiter­helfen. Dass Sie diesen Blick haben, bin ich mir recht sicher.

Weniger sicher bin ich mir zum Beispiel bei der Stadt Wien, Frau Kollegin Brandstötter. Es ist doch ein bisschen eigenartig, wie sich die künftige Regierung das Kultur- und Kunstprogramm ausmalt. Das ist eigentlich nur more of the same, etwas inhaltsleer. – Hochinteressant, das war früher nicht so! Da gab es Akzentsetzungen zum Beispiel von Jörg Mauthe oder von Peter Marboe – aber jetzt? Einst, vor Jahrhunderten oder vielleicht noch vor Jahrzehnten, wurde von der Sozialdemokratie das Feuer getragen, jetzt verwaltet sie bestenfalls die Asche, und Sie (in Richtung Abg. Brandstötter) glauben, dass Sie bei dieser Asche in dieser Koalition noch warm werden können. Das wird nicht der Fall sein. (Beifall bei der ÖVP.)

Es gibt aber noch Feuer, das kulturell aufflammt, und dieses Feuer sieht man zum Beispiel bei den Salzburger Festspielen. Dort ist das wunderbar gelungen, großartig gelungen, dort hat man es wirklich zustande gebracht, in einer prekären Coronasituation ein Signal zu setzen – Markus Hinterhäuser hat das gesagt –: „das stärkste, vitalste und wesentlichste“ Signal, „das man an die Welt senden kann“.

Darum ist es auch gut, dass wir zum Beispiel die Festspielhäuser und viele andere Projekte unterstützen; Frau Staatssekretärin, Sie haben ja alle genannt. Das sind alles tolle Akzente, die gesetzt werden, daran kann sich eine Koalition, wie sie in Wien gebildet wird – ich würde sagen, man sollte sie rostrot nennen –, ein Beispiel nehmen. Ich glaube, das wird man in Wien nicht ganz zustande bringen. (Beifall bei der ÖVP.)

20.22


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächste Rednerin ist Frau Mag. Ruth Becher. – Bitte, Frau Abgeordnete. (Zwischenruf des Abg. Loacker.)


20.22.46

Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Zahlen belegen es: Der Anteil des Kulturbudgets am Gesamtbudget ist von 0,6 Prozent auf 0,5 Prozent gesunken, und das ist ein prob­lematisches Signal in Bezug auf die Gesamtsituation, die wir zurzeit haben. Das aus mehreren Gründen: Die Kultur ist gerade in schwierigen Zeiten besonders wichtig, denn Kunst und Kultur geben Identität. Freiheit der Kunst ist ein Gradmesser für die Freiheit insgesamt, und wer die Kunst eines Landes betrachtet, erkennt sofort auch den Reife­grad der Demokratie. Und in Zeiten, in denen die Grundrechte der Menschen beschnitten werden, wäre ein starkes Signal für Kunst und Kultur besonders wichtig.

Mit einem mutigen Kulturbudget könnte man sagen: Da ist Licht am Ende des Tunnels!, aber diese Chance hat sich in diesem Budget nicht ganz so niedergeschlagen. Ich habe Künstlerinnen und Künstler in meinem Bekanntenkreis, bei denen sehr viel Vertrauen verloren gegangen ist. Sie haben im ersten Lockdown die Situation so wahrgenommen, dass das Verständnis für sie, für ihre Lebenssituation vonseiten der Regierung gefehlt hat. Das war deren Eindruck, so haben sie das wahrgenommen. Es gibt jetzt auch eine


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Gruppe von Künstlerinnen und Künstlern – das haben wir aus den Medien erfahren –, die sich entschlossen hat, eine Verfassungsklage einzubringen.

Ich möchte mich, weil ich jetzt die Gelegenheit dazu habe, bei den Künstlerinnen und Künstlern, deren Arbeit ich in den letzten Wochen in den verschiedenen Theatern, bei Ausstellungen auch ganz konkret erleben durfte, bedanken. Ich habe hervorragende Aufführungen erlebt und mich in jeder Sekunde sicher vor Corona gefühlt, weil die Sicherheitskonzepte hervorragend ausgearbeitet waren und auch mit großer Sorgfalt umgesetzt wurden.

Liebe Künstlerinnen, liebe Künstler, ich hätte mir ein Budget gewünscht, das mehr Wert­schätzung für Ihre unersetzbare Arbeit ausdrückt, aber es werden in der Politik und auch in Bezug auf Corona wieder bessere Zeiten kommen. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

20.25


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Mag. Maria Smodics-Neumann. – Bitte, Frau Abgeordnete.


20.25.34

Abgeordnete Mag. Maria Smodics-Neumann (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Konsumentinnen und Konsumenten dieses Ple­nums, das heute am Nachmittag phasenweise in eine Kunstform einzuordnen gewesen wäre – in welche, das zu sagen maße ich mir persönlich nicht an und überlasse es den Augen des Betrachters, also Ihnen! Kunst und Kultur sind nicht nur eine Bereicherung für die Gesellschaft, sie sind identitätsstiftend für unser Land, sie haben Einfluss auf unsere Gefühlswelt, auf unser Wohlbefinden, zum Beispiel dadurch, dass man schöne Dinge ansehen kann, einen musikalischen Hörgenuss erleben darf, und sie sind vor allem eng verflochten mit Unternehmen, die zuliefern oder nachgelagert ihre Leistungen erbringen.

Sehr geehrte Frau Staatssekretärin, ich darf mich im Namen von Zuhörern und Zusehe­rinnen, von Kunst- und Kulturschaffenden, aber auch von den gewerblichen Partnern der Kunst und Kultur für die Erhöhung des Budgets 2021 um 30,1 Millionen Euro sehr herzlich bedanken; zusätzlich zu dem, was die Bundesregierung in den letzten Monaten für Kunst und Kultur schon geleistet hat: den Überbrückungsfonds, der ursprünglich mit 90 Millionen Euro dotiert war und auf 110 Millionen Euro aufgestockt und bis März 2021 verlängert wurde, die Einmalzahlung im November für die Künstlerinnen und Künstler, summa summarum Unterstützungsmaßnahmen im Wert von 200 Millionen Euro.

Es muss uns allen aber klar sein: Es steht und fällt mit uns. Je mehr wir zusammenhalten, indem wir Abstand halten, umso früher können die Kostümschneiderin, die Visagistin, die BeleuchterInnen, die TontechnikerInnen, die Cateringunternehmen und noch viele mehr wieder Aufträge lukrieren, umso früher können die Künstlerinnen und Künstler wieder ihrer Leidenschaft nachgehen und umso früher kommen wir alle wieder in den Genuss, kritische Theaterstücke zum Beispiel, ein humorvolles Kabarett oder auch ein ergreifendes Konzert miterleben zu dürfen. Wir haben es in der Hand, machen wir es gemeinsam! – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

20.28


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Hans Stefan Hintner. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


20.28.26

Abgeordneter Hans Stefan Hintner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Wir haben gehört, 30 Millionen Euro mehr Budget, wir haben von


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den Bemühungen aufgrund der Coronakrise, von den 220 Millionen Euro gehört – aber man findet ja in jeder Suppe ein Haar.

Mit welchen Menschen, Persönlichkeiten haben wir es zu tun? – Wenn man weiß, dass Frau Staatssekretärin Andrea Mayer ganz eng mit dem damaligen Kulturminister Josef Ostermayer zusammengearbeitet hat, der seinerseits – und ich weiß das von Josef – ein hervorragendes persönliches Verhältnis zum Bundeskanzler und zum Finanzminister hat, schlussendlich ist er auch Vorstand des Leopold-Museums; und wenn man weiß, dass Jürgen Meindl damals von Thomas Drozda als Sektionschef eingesetzt worden ist, dann sieht man auch, dass da ein gewisses Vertrauen in Persönlichkeiten, die in der Kultur immer Verantwortung gehabt haben, vorhanden ist. Also ich frage mich: Was hätte Josef Ostermayer oder Thomas Drozda, damals auch mit ihren Beziehungen, in der Kommunikation anders gemacht als heute? – Ich denke, sehr, sehr wenig. Mir kann niemand erzählen, dass diese Kommunikation nicht auch heute stattfindet.

Das Nachschärfen von Maßnahmen muss legitim sein, denn wir alle wissen, der Teufel liegt manchmal im Detail, so wie bei den gemeinnützigen Kulturbetrieben, wobei nicht nur die Wiener Sängerknaben gemeint sind, sondern auch das Stadttheater Mödling.

Bemerkenswert finde ich allerdings auch die Zurufe bestimmter Persönlichkeiten außer­halb des Parlaments. Während sich jene zurückhalten, die in Wien Freundschaft sagen und in Niederösterreich Grüß Gott, fühlen sich doch einige bemüßigt, ihre Tiraden gegen die Bundesregierung in einer gewissen politischen Geborgenheit loszulassen. Solche Aussagen erinnern mich dann eher an das Berliner Ensemble als zum Beispiel an die Josefstadt, wo immerhin ein Max Reinhardt Direktor war, ein Otto Preminger, ein Haeusserman oder auch ein Otto Schenk, aber dafür wird ja das Haus dann mit 1,8 Mil­lionen Euro an zusätzlichen Förderungen der Stadt Wien belohnt.

Wir haben die Frau Staatssekretärin gehört; es ist eine eindrucksvolle Bilanz, und des­halb darf ich auch im Kulturbereich Sachlichkeit zurückfordern. Machen wir das Mögliche machbar! Und wie schon Karl Valentin einmal gesagt hat: „Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit“ – auch in der Politik, besonders in herausfordernden Zeiten! (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Blimlinger.)

20.31


Präsident Ing. Norbert Hofer: Vorerst letzte Rednerin zu diesem Themenbereich ist Frau MMag. Dr. Agnes Totter. – Bitte, Frau Abgeordnete.


20.31.21

Abgeordnete MMag. Dr. Agnes Totter, BEd (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe ZuseherInnen zu Hause vor den Bildschirmen! Österreich ist eine großartige Kunst- und Kulturnation, wobei Kunst und Kultur bei uns sehr weit reichen: von der kleinsten Initiative, vom kleinsten Projekt in einem kleinen Ort bis zur Hochkultur an den großen Häusern in den Landes­haupt­städten und in der Bundeshauptstadt sowie auch bei den Festspielen. Und überall sind es großartige Menschen, die Kunst und Kultur tragen, entstehen lassen und möglich machen. Für all den Einsatz sage ich hier von dieser Stelle aus ein herzliches Danke­schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Besonders freut es mich, dass mit dem vorliegenden Budget diesem Einsatz auch Rech­nung getragen wird. Das Budget für Kunst und Kultur steigt im kommenden Jahr, das wurde bereits erwähnt, von 466 Millionen auf 496 Millionen Euro. Diese Bundes­regie­rung sieht hier also eine Steigerung im Ausmaß von 30 Millionen Euro im Vergleich zum heurigen Jahr vor.


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Die Kunst- und Kulturbranche ist von der Coronapandemie, auch das wurde heute schon erwähnt, besonders hart getroffen, aber auch da konnten zahlreiche direkte und indirekte Unterstützungsmaßnahmen auf den Weg gebracht werden.

Die Steigerung um 30 Millionen Euro im Budget ist umso erfreulicher, als die Coronahilfs­maßnahmen davon unabhängig veranschlagt sind. Das größte Budgetplus im Kunst- und Kulturbereich seit Jahrzehnten ermöglicht, langjährige Baustellen im Kulturbereich aufzuarbeiten, auf neue Beine zu stellen, aber auch starke neue Akzente für das zeit­genössische Kunst- und Kulturschaffen zu setzen.

Konkret sieht das Budget 2021 folgende Schwerpunkte vor: plus 8 Millionen Euro für Sanierungen, Sonderprojekte und Internationalisierungen – auch das wurde heute bereits erwähnt –; zusätzlich zu den bereits vorgesehenen 12 Millionen Euro 1 Million Euro für die Generalsanierung des Volkstheaters in Wien, was mich als begeisterte The­aterbesucherin ganz besonders freut; weitere Mittel für die Generalsanierung der Fest­spielhäuser in Salzburg und Bregenz werden zur Verfügung gestellt; und Maßnahmen werden entwickelt, die zu einer nachhaltigen Verbesserung der Arbeitsbedingungen im Kulturbereich führen sollen.

Ich danke allen Verantwortlichen für das Engagement, den Kunst- und Kulturbetrieb in Österreich auch finanziell abzusichern. Die Coronakrise stellt, wie bereits erwähnt, auch für Kunst- und Kulturschaffende eine große Belastung dar, ich hoffe aber, dass wir auch in diesem Bereich im kommenden Jahr wieder in Richtung Normalität gehen können. Sicher bin ich mir aber, dass auch eine Pandemie wie diese nichts an der Kreativität der heimischen Künstlerinnen und Künstler ändert, und freue mich schon jetzt auf vielfältige Beiträge im Bereich Kunst und Kultur im Jahr 2021. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Grünen.)

20.34


Präsident Ing. Norbert Hofer: Mir liegen dazu keine Wortmeldungen mehr vor. Die Beratungen zu diesem Themenbereich sind somit beendet.

20.34.48UG 12: Äußeres


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen jetzt zur Untergliederung 12: Äußeres.

Ich bedanke mich bei der Frau Staatssekretärin und begrüße den Herrn Außenminister.

Zu Wort gelangt nun Petra Bayr. – Bitte, Frau Abgeordnete.


20.34.59

Abgeordnete Petra Bayr, MA MLS (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Stellen Sie sich vor, wir schreiben das Jahr 2016, der Außenminister heißt Sebastian Kurz, das Budget der ADA liegt bei genanten 77 Millionen Euro pro Jahr und der Außenminister verspricht eine Verdoppelung des ADA-Budgets bis zum Jahre 2021, also bis zum jetzt vorliegenden Budget. Das hieße dann eine Erhöhung um 17,5 Mil­lionen Euro jedes Jahr.

Das ist nicht so gekommen, nicht ansatzweise. Es ist fein, dass es auch heuer eine Erhöhung gibt, aber wenn man das Versprechen des Herrn – mittlerweile Bundes­kanz­ler – Kurz mit dem gegenrechnet, was wir real haben, dann fehlen in dieser Zeitspanne über 90 Millionen Euro. Das sind 90 Millionen Euro, mit denen man zum Beispiel in ziemlich vielen Dörfern fließendes Wasser hätte einleiten können und vor allem Frauen und Mädchen von der körperlich sehr schweren Arbeit des Wasserholens hätte entlasten können; eine Arbeit, die ganz oft mit sexuellen Übergriffen, die irgendwo auf dem Weg zwischen der Quelle und dem Dorf, wo sie leben, passieren, einhergeht. Das hätte


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Frauen und Mädchen auch die Zeit gegeben, zum Beispiel in die Schule zu gehen oder einer bezahlten Arbeit nachzukommen.

Mit diesen über 90 Millionen Euro hätte man aber auch zum Beispiel sehr erfolgreiche und tolle österreichische NGOs, wie Licht für die Welt, mehr unterstützen können, die unglaublich erfolgreich darin sind, mit sehr einfachen Kataraktoperationen Blinde wieder sehend zu machen, die unglaublich erfolgreich darin sind, Kindern mit Behinderungen die Möglichkeit zu geben, trotzdem in die Schule zu gehen, einen Beruf zu lernen, und auch Menschen mit Behinderungen wirklich die Chance zu geben, einen Beruf zu ergreifen und ein selbstständiges Leben zu führen.

Mit den fehlenden mehr als 90 Millionen Euro hätte man aber auch Kleinbäuerinnen und Kleinbauern unterstützen können, man hätte vielmehr noch schauen können, dass sie passendes Saatgut haben, dass sie Hühner oder andere kleine Tiere bekommen, mit denen sie eine gescheite Wirtschaft aufbauen können, womit ein Dorf gemeinsam zum Beispiel mit einem Silo oder Getreidespeicher für Nahrungsmittelsicherheit vorsorgen kann.

Das sind lauter verpasste Chancen. Es ist fein, wie gesagt, dass es mehr an Geld gibt, all das, was ich jetzt erwähnt habe, ist eine wichtige Grundlage für Entwicklungs­zusam­menarbeit, aber noch viel wichtiger ist die Entwicklungspolitik. Sie, Herr Minister, wissen sicher auch, dass es ein Bohren von sehr harten Brettern ist, alle seine Kolleginnen und Kollegen auch davon zu überzeugen, in allen Ressorts – von der Kultur über die Wirt­schaft bis zur Wissenschaft – entwicklungspolitisch kohärente Arbeit zu machen. Wir hätten sogar die Kohärenz im Gesetz, also alle Voraussetzungen dafür sind gegeben, aber es braucht wirklich eine konzertierte Aktion, um entwicklungspolitisch kohärent nachhaltige Politik machen zu können. Ich hoffe, dass da irgendwann einmal etwas weitergeht. (Beifall bei der SPÖ.)

20.38


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.38.21

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Herr Präsident! Herr Außenminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Coronakrise wiederholen sich die Herausfor­derungen der Krisen, die vorangegangen sind: 9/11, die Terrorkrise 2001, 2008 die Finanzkrise, die uns sehr beschäftigt hat, und dann 2015 die Flüchtlingskrise, jetzt 2020 die Coronakrise – nicht die erste, aber sicherlich die Krise, die dramatischer und tiefer­gehend ist, als die vorangegangenen.

Warum sage ich das? – Weil am Beginn solcher Krisen immer der Ruf nach der eigenen Regierung zu vernehmen ist, dass sie etwas machen soll – die Regierungen sind gefordert. Im zweiten Schritt kommen aber verantwortungsvolle Politiker dann immer zu dem Ergebnis, dass wirkliche Lösungen, nachhaltige Lösungen nur möglich sind, wenn die Staatengemeinschaft gemeinsam vorgeht. Das gilt auch für eine Krise, die wir gleichzeitig haben, die aber jetzt nicht im Blickfeld ist: die Klimakrise. Auch in dieser Hinsicht kann der Nationalstaat allein nichts bewirken, aber gemeinsam können wir viel erreichen.

Da kommt dann auch Österreich stark ins Spiel: Wien ist einer der vier UNO-Sitze. Wien beheimatet mehr als 40 internationale Organisationen. 2018 ist vom Institut für Höhere Studien eine umfassende Amtssitzstudie erstellt worden, und die zeigt sehr deutlich, dass das auch ein ganz wichtiger Bereich für unsere Wirtschaft in der Bundeshauptstadt ist.


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Mehr als 18 000 Arbeitsplätze, viele hoch qualifizierte Arbeitsplätze werden dadurch gesichert, und bei diesen internationalen Organisationen arbeiten sehr viele Menschen, zum Beispiel bei der Atomenergiebehörde allein 2 500. Das bringt uns an die 500 Mil­lionen Euro auf der Einnahmenseite. Dem steht im Budget – und das Budget für das Außenressort gehört insgesamt zu den kleineren – auf der Ausgabenseite ein Betrag von nicht einmal 5 Millionen Euro gegenüber.

Und das hat auch zur Folge, dass es bei uns in Wien 120 bilaterale und 197 multilaterale diplomatische Vertretungen gibt. Wien ist wirklich ein Zentrum der internationalen, der multilateralen Politik, die jetzt nach den US-Wahlen auch eine neue Chance bekommt. Da ist es sehr gut, dass seitens des Bundesministers nun ein Amtssitzgesetz vorgelegt wird, um für diese Institutionen mehr Sicherheit zu schaffen, aber auch, damit es besser abgesichert ist, wenn Konferenzen bei uns in Wien stattfinden. Dazu können auch wir als Parlamentarier durchaus Beiträge leisten.

Ich bin mir sicher, dass das im ersten Halbjahr 2021 mit der Coronaimpfung klappen wird und wir dann im Juli hier die 5. Weltkonferenz der Parlamentspräsidenten veranstalten werden – erstmals hier in Wien, die Weltkonferenz hat bisher immer in New York oder in Genf stattgefunden –, bei der mehr als 1 000 Parlamentarier, von 178 Staaten die Spitzen der Parlamente, die Parlamentssprecher und die Parlamentspräsidenten, zu­sammenkommen werden. Das ist aber nur ein Beispiel. Seit mehr als 20 Jahren kommen im Februar bei der Wintertagung Parlamentarier aus 57 Mitgliedstaaten der OSZE zu­sammen, 400 bis 500, und die OSZE, das sehen wir gerade bei den Konflikten in Belarus, das haben wir in der Ukraine gesehen, spielt eine ganz, ganz wesentliche Rolle.

Das heißt, der Amtssitz Wien ist ein ganz wichtiger Bereich, in dem das Außenamt viel tut. Der Großteil der Arbeit passiert aber natürlich im Ausland, wo viel geleistet wird.

Nur zu einem Bereich einige wenige Zahlen, weil die Zeit ja schon vorangeschritten ist: Das „Jahrbuch der Österreichischen Auslandskultur“, jüngst erschienen (das Buch „Austria Kultur International. Jahrbuch der Österreichischen Auslandskultur 2019“ in die Höhe haltend), ist ein eindrucksvoller Beleg dafür, was mit wenig Personal geleistet wird: 6 594 Veranstaltungen an 2 381 Orten mit 5 695 Projektpartnern und mehr als 9 000 Künstlern und Wissenschaftern. – Das hat unser Außenamt allein im Kulturbereich 2019 geschafft.

Das ist eine große Leistung, meine Damen und Herren, und wie gesagt nur ein Beispiel für viele andere, wo das Außenamt die Interessen Österreichs mit unserem Diplo­ma­tischen Corps bestens vertritt, aber nicht nur die Interessen Österreichs bestens vertritt, sondern ganz wesentliche Beiträge leistet, auf europäischer Ebene, aber auch innerhalb der Vereinten Nationen, wenn es um eine positive Weiterentwicklung der Staaten­ge­meinschaft geht. Dafür ist unseren Diplomatinnen und Diplomaten, an der Spitze unse­rem Außenminister, ein Dankeschön zu sagen. Jeder Euro, den wir im Budget für das Außenressort bereitgestellt haben, ist ein Euro, der sich durch diese Arbeit vervielfältigt, meine Damen und Herren! – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

20.44


Präsident Ing. Norbert Hofer: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bevor der nächste Redner zu Wort gelangt, möchte ich etwas sagen, was ich auch bei der letzten Sitzung gesagt habe, weil es mir immer wieder auffällt: Jene Mandatare, die eine Maske tragen, machen es immer so, dass sie, wenn sie zum Rednerpult gehen, die Maske genau an derselben Stelle auf dem Rednerpult ablegen. Ich glaube, es ist besser, sie einzustecken und nicht dort abzulegen, weil dann möglicherweise das Tragen der Maske wenig Wirkung erzielen könnte. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP, FPÖ, Grünen und


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NEOS. – Abg. Brandstätter: Sehr gescheit! – Weiterer Ruf bei den NEOS: Da hat er recht! – Abg. Lausch – in Richtung ÖVP –: Ihr macht das!)

Zu Wort gelangt nun Herr MMMag. Dr. Axel Kassegger. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.44.42

Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Außenminister! Bezug nehmend auf das Budget: Eine Zeile im Budget Äußeres: „EU-Türkei Flüchtlingsfazilität“ – ein etwas kompliziert klingender Begriff, also Geldmittel, die wir als Republik Österreich beizustellen haben, in Erfüllung des Deals, sage ich jetzt einmal, zwischen der Europäischen Union und der Türkei zur Bewältigung der Aufgaben­stellung 3,8 Millionen Flüchtlinge, die in der Türkei sozusagen gestrandet sitzen. Dieser Betrag wurde jetzt von 1 Million auf 6,4 Millionen Euro erhöht; das Gesamtvolumen dieses Deals zwischen der EU und der Türkei beträgt ja 6 Milliarden Euro.

Das ist sehr, sehr viel Geld und führt mich zu einer der fünf Herausforderungen, die ja auch im Außenpolitischen Bericht erwähnt sind, nämlich erstens Asyl- und Migrations­politik. Da möchte ich etwas auf die vorgeschlagenen Lösungen eingehen, die aus meiner Sicht in weiten Teilen nur Scheinlösungen, scheinbare Lösungen sind.

Es wird von Herrn Bundeskanzler Kurz, auch von Vertretern der Europäischen Union immer wieder die Beseitigung der Ursachen von ungewollter Migration durch Unter­stützung der Herkunftsländer genannt. Das klingt sehr gut, nur, zu Ende gedacht, werden wir nicht in der Lage sein, diese Ursachen in den Herkunftsländern weltweit zu besei­tigen.

Dann wird immer wieder der Außengrenzschutz genannt: Der Außengrenzschutz der EU muss gestärkt werden – auch so eine Sache, mehr oder weniger ein Ding der Unmög­lichkeit. Das sind Tausende Kilometer Außengrenze. In die Erklärung der EU-Innen­minister aus Anlass der Terroranschläge, die Pariser Erklärung, wird selbstverständ­lich die Stärkung, nämlich die subsidiäre Stärkung, der Staatsgrenzen innerhalb des Schengenraums nicht einmal aufgenommen, sondern es wird alles verschoben: Wir schützen die EU-Außengrenzen. – Das ist meines Erachtens ein Scheinargument, eine Scheinlösung. (Abg. Ernst-Dziedzic: Wir sind ... EU!)

Der dritte Lösungsvorschlag, der jetzt von der EU auch im Rahmen des neuen Migrations- und Asylpaketes gebracht wurde, ist die sogenannte verpflichtende Solidarität, also die Umverteilung von Flüchtlingen im Rahmen der Europäischen Union, also in Europa. Das sind Scheinlösungen, die des Pudels Kern nicht treffen, die dieses Problem, das als solches erkannt wird, nicht lösen.

Niemand außer der Freiheitlichen Partei spricht davon, dass das wirkliche Problem in Wahrheit die sogenannten Pullfaktoren, die Anziehungsfaktoren sind, die Faktoren, die die Menschen sozusagen motivieren, nach Europa zu kommen.

Das sind selbstverständlich die hohen Geldleistungen – das sind für Menschen aus Ländern wie jenen, aus denen die meisten kommen, sehr, sehr hohe Geldleistungen, und das eröffnet ein großes Geschäftsmodell für Investitionsrechnungen diversester Schlepperorganisationen.

Das ist selbstverständlich das permanente Wecken von falschen Erwartungen bei diesen Menschen; ich sage nur: Wo ist das Auto? Wo ist das Haus, das mir versprochen wurde?

Das ist das permanente Nichteinhalten von Recht, das permanente Nichteinhalten von Dublin II etwa.


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Das ist das permanente Ignorieren dessen, dass Recht nicht umgesetzt wird. Ich darf nur darauf hinweisen, dass nur ein Drittel der Menschen mit negativem Asylbescheid dann tatsächlich abgeschoben wird.

Das ist das permanente Verwechseln von Asylrecht und Wirtschaftsmigration.

Und das ist auch der etwas undifferenzierte Zugang zu der, ich würde sogar fast sagen, Illusion, dass Menschen integrierbar seien, die sich selbst gar nicht integrieren wollen.

Kollegin Nurten Yılmaz hat heute schon gesagt, der Integrationsfonds ist eine intrans­parente Blackbox, also da muss man auch einmal genau hinschauen, vor allem auf die Relation zwischen Kosten und Erfolgen. Der Erfolg per se kann gar nicht gegeben sein, wenn Menschen von sich aus sagen: Ich will mich nicht integrieren!

Das sind also die Dinge, die wir in Wahrheit angehen müssen, anstatt Scheinlösungen zu präsentieren, und zwar seitens des Bundeskanzlers, der ÖVP und der Europäischen Union, seitens Macron und Merkel, die sagen: Wir beseitigen die Ursachen in den Län­dern, wir machen den Außengrenzschutz der EU!, obwohl dieser de facto nicht funk­tioniert. 20 Prozent der Eintritte in den Schengenraum werden überhaupt nicht registriert, und es heißt: Das verbessern wir, wir verlegen uns auf die verpflichtende Solidarität der Verteilung innerhalb der Europäischen Union!

Das sind alles keine Lösungen, sondern nur Scheinlösungen – die wirklichen Problem­lösungen habe ich vorhin schon angesprochen. Noch einmal: Die FPÖ ist die einzige Partei, die die wirklichen Problemlösungen nicht nur anspricht, sondern auch umsetzt. (Beifall bei der FPÖ.)

20.49


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Frau Dr.in Ewa Ernst-Dziedzic. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


20.50.01

Abgeordnete Dr. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kollegen und Kolleginnen! Nach den hitzigen innenpolitischen Debatten ist es, finde ich, längst Zeit, über den Tellerrand zu schauen, denn tatsächlich befindet sich die Welt im Umbruch. Ich weiß nicht, ob es in den letzten Jahrzehnten überhaupt einmal einen der­artigen Umbruch gegeben hat, und wir haben tatsächlich auch keine Zeit für Demagogie, sondern brauchen konkrete Lösungen.

Die Klimakrise, Kriege, Flucht, alte und neue Konflikte und eine globale Pandemie erin­nern uns nämlich aktuell daran, wie verwoben, wie vernetzt diese Welt ist und dass wir auch voneinander abhängig sind, national, in Europa, aber auch international. Peru, Bergkarabach, Westsahara, Äthiopien oder Nigeria legen aktuell ein Zeugnis davon ab.

48,4 Prozent der Weltbevölkerung leben in einer Demokratie, 51,6 Prozent nicht. Die Welt ist also überwiegend undemokratisch, und sie ist auch mehrheitlich nicht von Wohl­stand und Frieden für alle geprägt. Dabei ist die Demokratie dort, wo sie herrscht, leider auch keine Selbstverständlichkeit. Seit 2016 sind zum Beispiel die USA als unvoll­ständige Demokratie bezeichnet worden, nicht zuletzt wegen der Unzufriedenheit in der Bevölkerung, des fehlenden Vertrauens in bestehende öffentliche Institutionen, aber auch wegen der Polarisierung, der Spaltung der Gesellschaft. Diese Polarisierung der Gesellschaft, aber auch in der Außenpolitik von Nochpräsident Donald Trump zeigte uns auf erschreckende Weise, wie fragil diese internationalen Beziehungen sind. Die Wahl hat uns kürzlich vor Augen geführt, wie wehrhaft ein Rechtsstaat um diese Demokratie kämpfen muss.


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Wir wissen auch, dass die von Ihnen angesprochene Solidarität alles andere als eine Selbstverständlichkeit ist. Polen und Ungarn blockieren gerade wichtige Hilfen, die auf­grund der Pandemie notwendig wurden, um die Union vor einem Zerfall zu schützen – all das nur deshalb, weil sie die Rechtsstaatlichkeit nicht als oberste Maxime eines demokratischen Staates anerkennen wollen. Ungarn geht sogar noch weiter. Ungarn will die Verfassung ändern, um LGBT-Personen in Zukunft besser diskriminieren zu können, Polen, um die Selbstbestimmungsrechte auszuhebeln.

Und doch: Global gesehen registriert der Demokratieindex eine wachsende politische Beteiligung der Bevölkerung. Protestbewegungen gibt es in den USA, in Hongkong, in Belarus, in Polen, aber auch im Sudan setzt sich die Demokratiebewegung durch.

Diese positiven Trends – eine starke Zivilgesellschaft und die gewachsene Beteiligung von Frauen in der Politik – können uns trotzdem nicht darüber hinwegtäuschen, dass insgesamt nur 20 Länder das Prädikat vollständige Demokratie erhalten.

Menschenrechte werden aktuell nicht nur im Iran und in Saudi-Arabien mit Füßen ge­treten, sondern auch in Europa, auch an unseren Außengrenzen und in den unmensch­lichen Lagern für geflüchtete Menschen dort.

Wir können die Welt nicht retten, aber wir müssen es versuchen, wie es heißt – uner­müdlich und ohne Zweifel, dass es das wert ist, und ja, auch als kleines Österreich, und das nicht nur, damit wir nicht aus dem globalen Gefüge fallen, sondern weil wir wissen, dass wir auch als kleineres Land die Kraft haben, Dinge zu bewegen.

Im Budget wurden so wesentliche Verbesserungen im Bereich der Entwicklungszusam­menarbeit, der humanitären Hilfe und beim Auslandskatastrophenfonds erzielt. Der frei­willige Basisbeitrag an den UNHCR wird langfristig vervierfacht. Wir stärken die Frie­denskompetenz Österreichs durch den zivilen Friedensdienst und die Mediationsfazilität durch Initiativen im Bereich der Abrüstung, beim Verbot autonomer Waffensysteme, durch KlimabotschafterInnen, über die Staatsbürgerschaft für Verfolgte des NS-Regimes und deren Nachkommen. Das sind allesamt wichtige und richtige Erfolge. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Trotzdem macht das Budget für den außenpolitischen Bereich, Herr Kollege Lopatka hat es schon angesprochen, nur 0,6 Prozent des gesamten Budgets aus. Für einen Amts­sitzstaat für internationale Organisationen ist das, sagen wir, bescheiden. Gerade da braucht es, finde ich, keine falsche Scham, wenn wir Österreich weiter und vermehrt als internationalen Player auf der internationalen Bühne stärken wollen, um Frieden für die nächsten Generationen zu sichern, aber auch, wenn wir aus Verantwortung und Ver­pflichtung den Menschen gegenüber das Versprechen abgeben, dass wir für Gleichheit und Gerechtigkeit für alle arbeiten. So illusionär das klingt, das muss das Ziel sein. Die globalen Herausforderungen dürfen dabei kein Hindernis sein, sondern die Suche nach komplexen Lösungen wird nur dann einer komplexen Welt gerecht, wenn wir das zu unserer obersten Maxime erklären.

Alles in allem: Es ist hoffnungslos, die Welt zu verändern, aber es ist verantwortungslos, es nicht zu versuchen. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

20.56


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.56.15

Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollegin Dziedzic hat es völlig richtig gesagt: Wir reden über einen sehr kleinen Teil des Budgets, aber in


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Wirklichkeit reden wir über unser aller Zukunft, und die Kollegin hat auch völlig richtig schon einige der ganz großen Herausforderungen angesprochen. Wir haben es mitbe­kommen: Die Asean-Staaten schließen sich zu einer Freihandelszone zusammen. Ein Drittel der Weltwirtschaft spielt sich dort ab. Wir wissen, was sich in China tut. Das heißt, China hat seine Position da noch einmal verstärkt.

Wir sind mit den großen Herausforderungen der Pandemie, ebenso mit den großen Herausforderungen der Wirtschaftskrise konfrontiert. Wir wissen nicht, was sich in den Vereinigten Staaten tun wird. Also jetzt, da Herr Trump seine Haare wieder auf grau zurückgefärbt hat, können wir doch davon ausgehen, dass er ein bisschen vernünftiger geworden ist. Man muss zu seinen grauen Haaren stehen, und man muss auch zur Demokratie stehen, also gehen wir davon aus, dass er sich rechtzeitig zurückzieht. Wir wissen es nicht. Die Europäer müssen sich aber – Präsident Macron hat es richtig gesagt – schon selber um die eigene Sicherheit kümmern, wir müssen das selber machen. Auch das ist eine wesentliche Herausforderung; ich glaube, die größte Heraus­forderung liegt bei uns in Europa.

Noch etwas wurde völlig richtig angesprochen: Bei dem, was sich Herr Orbán im Moment leistet – und, Herr Bundesminister, ich weiß, wir sind uns völlig einig, es geht um Rechtsstaatlichkeit, es geht darum, dass wir ihn zurückweisen, es geht darum, dass wir in Europa Rechtsstaatlichkeit bewahren –, das, was er sich hier leistet, liegt jenseits dessen, was wir, glaube ich, ertragen dürfen. Vergessen wir nicht: Das war ein Kom­munistenbub. Er war selber ein Kommunist, und jetzt sagt er, die EU entwickle sich in Richtung Sowjetunion. – Ja bitte, bremsen wir ihn angesichts dieser Absurditäten! Er beleidigt ja nicht nur die EU, er beleidigt alle Opfer des Kommunismus und der Sowjetunion, und das ist ungeheuerlich! Wo steht die Europäische Union auf, wo stehen die Verantwortungsträger auf und sagen: Herr Orbán, Sie brauchen ja unser Geld nicht mehr zu nehmen, Sie können sich verabschieden!?

Bei den Polen habe ich den Eindruck, sie zipfeln eher zurück, die Regierungsparteien sind auch durch jüngste Aktionen etwas geschwächt, aber Ungarn ist ungeheuerlich, und ich erwarte wirklich ein sehr klares Statement von Ihnen, Herr Bundesminister, denn letztlich geht es um die Werte, die Europa ausmachen.

Heute habe ich ein besonders wichtiges Buch mitgebracht, von Orlando Figes. (Der Redner hält das Buch „Die Europäer. Drei kosmopolitische Leben und die Entstehung europäischer Kultur“ in die Höhe.) Ich würde wirklich bitten, das zu lesen, im Zuge des Lockdowns ist ja auch viel Zeit. Das Buch ist so faszinierend, weil es zeigt, dass Europa sich immer ein Stück weiterentwickelt hat, und zwar am meisten dann, wenn die Menschen zusammengekommen sind. Es beginnt mit den 1840er-Jahren, als die Eisen­bahn zunächst in Westeuropa ausgebaut wurde, dann auch Richtung Russland, und es erzählt von drei interessanten Menschen, nämlich Pauline Viardot, Turgenew und auch dem Ehemann von Frau Viardot, von einem interessanten Dreiecksverhältnis, aber vor allem von der Erkenntnis: Immer dann, wenn Menschen zusammengekommen sind und sich kulturell ausgetauscht haben, hat sich die Menschheit am schnellsten weiter­ent­wickelt. Und das ist das, was Europa ausmacht.

Auf der anderen Seite müssen wir dort, wo es nicht funktioniert, sagen: Da müssen wir uns wehren. Und wir haben auch im Budgetausschuss zuletzt darüber gesprochen: Was sich in Belarus abspielt, das betrifft auch uns. Wir dürfen nicht zulassen, dass Herr Lukaschenka dort Menschen ermorden lässt. Deswegen bin ich schon der Meinung, dass wir natürlich über Sanktionen sprechen müssen – nicht gegen das Land, nicht gegen die Menschen, aber gegen diejenigen, die diesen Diktator bis jetzt unterstützen. Da gibt es Möglichkeiten – die Magnitski-Jagd, Sie kennen das –, und da bitte ich schon dringend, dass wir darüber noch einmal reden. Ich weiß, Sie waren eher vorsichtig, zurückhaltend, aber ich halte es für ganz wesentlich, dass man auch über Sanktionen


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spricht, dass man droht. Es gibt ja auch eine internationale Strafgerichtsbarkeit, und Herr Lukaschenka soll wissen, worauf er sich einlässt. (Präsident Sobotka übernimmt den Vorsitz.)

Zum Schluss noch – und ich sage das sehr gerne –: Schöne Grüße und vielen Dank an unsere Diplomatinnen und Diplomaten! Wo immer ich im Ausland reisen durfte, habe ich großartige Menschen kennengelernt. Wir sind ja manchmal kritisch, was gewisse Karrieren im Außenamt betrifft, aber eines habe ich schon festgestellt: Wenn man im Ausland auf diese Österreicherinnen und Österreicher trifft – übrigens auch von den Wirtschaftsdienststellen der Wirtschaftskammer –, spielt Parteipolitik auf einmal gar keine Rolle. Das ist vorbildlich, das könnten wir hier eigentlich auch nachmachen. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS.)

21.00


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist der Bundesminister für Äußeres Schallenberg. – Bitte sehr, Herr Bundesminister.


21.01.06

Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Sehr geehrter Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich finde es amüsant, Herr Abgeordneter, dass Sie Parteipolitik genau im Parlament abschaffen wollen. Das ist irgendwie die Grundbasis des Hohen Hauses – aber okay.

Wir alle wissen, 2020 ist in vielerlei Hinsicht absolut kein normales Jahr. Es ist ein Jahr, in dem unsere Gesellschaft unter den weitreichenden Konsequenzen der Pandemie leidet, ein Jahr, das die internationale Politik mit einer ganzen Reihe von aufflammenden Krisen und Konflikten allenthalben in Atem hält, und ein Jahr, in dem am 2. November der islamistische Terror auch in Österreich seine Fratze gezeigt hat.

2020 ist zweifellos ein Jahr der Krisen, aber trotz dieser Ansammlung einzigartiger Herausforderungen, vor denen wir alle stehen, hat die Bundesregierung sich nie beirren lassen und stets ganz klare Antworten gefunden. Das gilt auch für dieses Budget, bitte sehr. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wie Finanzminister Blümel schon hier im Hohen Haus betont hat, ist dieses Budget die Antwort auf die Krise in Zahlen. Es unterstützt die Menschen in diesem Land, vor allem aber auch die heimische Wirtschaft bestmöglich, damit möglichst unbeschadet ein Weg heraus aus dieser Krise gefunden wird, aber – und das ist mir schon auch wichtig – es vergisst nicht auf die internationale Dimension dieser Krise und dass wir gerade auch in schwierigen Zeiten nicht in unserem internationalen Engagement nachlassen dürfen.

Ich bin daher sehr dankbar, dass dem Außenministerium nächstes Jahr ein Budget zur Verfügung stehen wird, das – in der Geschichte des Außenministeriums eigentlich einzigartig – wirklich eine namhafte Steigerung von über 51 Millionen Euro vorsieht. Das ist, meine Damen und Herren, very well invested money. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Das Außenministerium hat am Höhepunkt der ersten Covid-19-Welle im Frühjahr be­wiesen, dass es, wenn es hart auf hart kommt, seine Frau, seinen Mann steht und dass unser Netzwerk an Botschaften und Konsulaten kein Luxus, sondern in Krisenzeiten eine Lebensversicherung für die Menschen in diesem Land ist. Die Coronapandemie hat, glaube ich, für uns alle neuerlich in aller Deutlichkeit unterstrichen, dass wir einfach nicht darauf verzichten können, ein eigenständiges, unabhängiges, internationales rot-weiß-rotes Netzwerk zu haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Nur, um einige Zahlen zu geben: Wir haben heuer die größte Rückholaktion in der Geschichte der Republik organisiert. Wir haben über 7 500 Menschen sicher nach


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Hause gebracht. Wir haben geholfen, dass weitere über 1 100 Menschen durch Flüge unserer Partnerländer nach Hause gekommen sind. Wir haben mit über 14 000 Reisen­den aus Österreich Einzelkontakte gehabt. Wir haben nach der Hotline 1450 die meist­beanspruchte Hotline dieses Landes betrieben und haben in Zeiten der Krise rund 225 000 Auskunftsersuchen abgewickelt; das ist eine Verzehnfachung im Vergleich zum Vorjahr.

Wir haben am Höhepunkt der Krise unter Hochdruck Dutzende Exportgenehmigungen und Landeerlaubnisse organisiert, als es darum ging, rasch medizinische Hilfsgüter nach Österreich zu bringen. Und wir haben der heimischen Wirtschaft rasch und unbüro­kra­tisch geholfen, wenn sie vor Schwierigkeiten stand oder ihre Mitarbeiter in Sicherheit gebracht werden mussten.

Die Botschaften haben zudem als Augen und Ohren dieser Republik dringend benötigte, verlässliche und aktuelle Informationen über das Pandemiegeschehen und die Maß­nahmen in anderen Staaten zur Verfügung gestellt. Wie groß eigentlich in dieser Krise der Bedarf an Information war, hat sich schon allein darin gezeigt, dass wir seit März über 24 Millionen Zugriffe auf unsere Homepage haben. Das ist im Vergleich zum Vor­jahr mehr als eine Verfünffachung. Im Schnitt hat jede Österreicherin, hat jeder Öster­reicher heuer schon zweimal die Serviceleistungen des Außenministeriums in Anspruch genommen. Das war und ist in meinen Augen eine logistische Meisterleistung, und dafür gebührt wirklich jeder Mitarbeiterin und jedem Mitarbeiter des Außenministeriums mein ganz aufrichtiger Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Und das geschieht, wie wir gerade von der Frau Abgeordneten gehört haben, mit 0,6 Prozent des Gesamtbudgets – das sind schon Leistungen, die sich sehen lassen können.

Deswegen glaube ich, dass diese zusätzlichen Finanzmittel für das Außenministerium gut angelegtes Geld sind, denn wir stecken noch voll in der Krise. Die Pandemie wird uns noch Monate begleiten, und ein kurzer Blick auf die Weltkarte zeigt deutlich, dass wir auch über die Covid-19-Krise hinaus eigentlich eine Reihe von Herausforderung haben, die Österreich fordern werden. Wenn man die Weltkarte anschaut, kann man eigentlich sogar sagen, dass es an allen Ecken und Enden um Europa herum brennt: Bergkarabach, Belarus, Syrien, Libanon, Iran, östliches Mittelmeer, Libyen und zuletzt jetzt auch noch Äthiopien, um nur einige Beispiele zu nennen. Überall da ist auch Europa und ist Österreich gefordert.

Mit dem vorliegenden Budget reagiert die Bundesregierung sehr deutlich auf den welt­weit steigenden Bedarf an humanitärer Hilfe und stellt sicher, dass Österreich auch in Zukunft ein verlässlicher Partner ist. Die Mittel des Auslandskatastrophenfonds werden auf ein Volumen von 52,5 Millionen Euro mehr als verdoppelt, und die Mittel für die ADA werden um fast 11 Millionen Euro erhöht. Ich lasse mir das nicht kleinreden, weder von der Opposition noch von sonst jemandem! Eine Steigerung ist besser als gar keine Steigerung, und in den Jahren davor hatten wir keine Steigerung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Folgender Satz hat mir sehr gut gefallen: Wir können sicher alleine die Welt nicht retten, aber wir müssen es zumindest versuchen und unseren Beitrag dazu leisten.

Darüber hinaus – das freut mich als Minister ganz besonders, und das ist quasi eine Vorbereitung auf die nächste Krise, denn die kommt ja ganz bestimmt – haben wir fast 13 Millionen Euro im nächstjährigen Budget für interne Verbesserung zur Verfügung. 7,7 Millionen werden dafür in die interne IT-Struktur investiert werden. Das ist gerade angesichts des Cyberangriffes, den wir am Jahresanfang erlebt haben, ein wesentlicher Punkt. 5 Millionen Euro stehen zur Stärkung der Sicherheit der Vertretungen und des Vertretungsnetzes im nächsten Jahr zur Verfügung.


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Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Hohes Haus! Mit diesem Budget für das Jahr 2021 können wir unter den gegenwärtigen Umständen sicherstellen, dass unsere Serviceleistungen für die Österreicherinnen und Österreicher im Inland, aber auch im Ausland gewährleistet bleiben, dass wir unserem Auftrag als Interessenvertreter dieses Landes und insbesondere auch der Wirtschaft mit Nachdruck nachkommen können, dass wir mit dem Auslandskatastrophenfonds, mit der Entwicklungszusammenarbeit einen substanziellen Beitrag zur Linderung von Katastrophen weltweit leisten können und dass wir unseren Verpflichtungen in Form von Beiträgen an internationale Organi­sationen nachkommen können.

Und lassen Sie sich etwas gesagt sein: Selbstverständlich – das ist mehrmals ange­sprochen worden – ermöglicht uns dieses Budget auch – und ich habe es in diesem Hohen Haus schon oft genug wiederholt –, für unsere Werte einzutreten. Rechtsstaat­lichkeit ist nicht verhandelbar, weder innerhalb der Europäischen Union noch außerhalb der Europäischen Union. Gerade die österreichische Politik hat sich in den letzten Jahren dadurch ausgezeichnet, dass sie sehr stark wertebasiert ist, und ich kann Ihnen versichern, sie wird es auch in nächster Zeit bleiben. – Danke sehr. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

21.08


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Melchior ist zu Wort gemel­det. – Bitte.


21.08.43

Abgeordneter Alexander Melchior (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolle­ginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte mit etwas beginnen, was auch schon Kollege Brandstätter getan hat, nämlich mit einem Dank an die Mitar­beiterinnen und Mitarbeiter des Außenministeriums. Ich weiß, dass einige von ihnen zuschauen werden – jetzt ehrlichweise nicht meinetwegen, sondern weil sie, wie ich weiß, diese Debatten auch immer sehr, sehr gerne beobachtet haben.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich an eine Geschichte zurückerinnern, die vor einigen Tagen passiert ist. Der Botschafter in den USA, Martin Weiss, hat ein Foto gepostet, und nein, es ging dabei nicht um die US-Wahlen oder die Farbpracht des US-Präsidenten, sondern es ging dabei um etwas, was wir letztes Jahr hier im Parlament einstimmig gemeinsam beschlossen haben, was mich extrem freut: Die ersten Nachfahren von NS-Opfern haben in der Botschaft in Washington die österreichische Staatsbürgerschaft erhalten und haben sich darüber riesig gefreut.

Ich habe auch Rückmeldungen bekommen, was für ein ganz spezieller Moment das für diese Menschen war. Dafür, dass ich das miterleben konnte und dass wir das hier gemeinsam und einstimmig beschlossen haben, möchte ich mich bei Ihnen – bei euch allen – sehr herzlich bedanken. Es war eine wirklich großartige Sache, die wir gemacht haben. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Das Außenministerium ist wirklich großartig. Lieber Außenminister, du hast es vorhin angesprochen: Die Diplomatinnen und Diplomaten und die MitarbeiterInnen in den Ver­tretungsbehörden haben eine unglaubliche Rückholaktion gemacht. 7 500 Menschen sind aus 29 Ländern zurückgeholt worden. Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass das so reibungslos funktioniert hat – eine wirklich großartige Aktion.

Eine großartige Aktion ist auch, dass die Vertretungsbehörden für die 600 000 Auslands­österreicherinnen und ‑österreicher, für das Unternehmensservice da sind und die Menschen bestmöglich vor Ort unterstützen. In dieses weltweite Netzwerk von öster­reichischen Vertretungsbehörden, das wir haben, ist jeder Cent sehr, sehr gut investiert. Es freut mich, dass es dafür auch eine Aufstockung der finanziellen Mittel gegeben hat,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 296

da es eine super Serviceleistung für die Österreicherinnen und Österreicher ist. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Ernst-Dziedzic.)

Wir haben nicht nur das Vertretungsnetz, sondern darüber hinaus auch die Aufgabe, dort zu helfen, wo wir können. Du hast es vorhin schon angesprochen: Der Auslandskatastro­phenfonds ist auf über 50 Millionen Euro verdoppelt worden. Bei den Mitteln für die Entwicklungshilfe und den Auslandskatastrophenfonds – mittlerweile über 170 Millionen Euro – gibt es eine Aufstockung von über 27 Prozent. Das sind wirklich erfreuliche Nach­richten.

Einerseits ist es unsere politische Verantwortung als christlich-soziale Politiker, dort zu helfen, wo Hilfe notwendig ist, und darüber hinaus bin ich auch davon überzeugt, dass es sinnvoll ist, mit diesen Mitteln die Ursachen für Migration und Armut vor Ort zu bekämpfen und die Mittel dafür einzusetzen. – Vielen Dank auch für diese Möglichkeit. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Ernst-Dziedzic.)

Zum Schluss möchte ich noch eines sagen: Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass in Zeiten einer Coronakrise diese Mittel aufgestockt werden, aber ich bin überzeugt davon, dass es der richtige Weg und ein Weg, den wir auch weitergehen sollten, ist. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

21.12


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Troch. – Bitte.


21.12.54

Abgeordneter Dr. Harald Troch (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Corona 2020 bremst nicht nur die Reisen der Österreicher, sondern auch die Migration und die Flücht­lingsströme. Darauf sollte sich die Bundesregierung aber nicht verlassen, denn ent­scheidend bei den Flüchtlingsströmen ist ja die Hilfe vor Ort, die Entwicklungs­zusam­menarbeit. Die Hilfe vor Ort in Krisengebieten kommt ja im Regierungsprogramm vor, aber was ist die Wirklichkeit bei der Hilfe vor Ort? – In Moria hat die Hilfe vor Ort der Bundesregierung nicht funktioniert. Das Angebot des Wiener Bürgermeisters, 100 unbe­gleitete Kinder aufzunehmen, wurde ja von Türkis-Grün abgelehnt.

Jetzt gibt es einen neuen Konfliktherd, er heißt Westsahara. Die Westsahara ist eigent­lich ein klassisches Kolonialgebiet. Zwar ist Marokko der Kolonialherr, aber es gibt klas­sisch militärische Besetzung, militärische Unterdrückung, Ausbeutung der Boden­schätze und Ausbeutung von billigen Arbeitskräfte. Die Westsahara ist damit die letzte Kolonie in Afrika, und die Menschenrechte werden von den Kolonialherren massiv verletzt. Österreich darf dabei nicht wegschauen – das heißt: die Augen auf!

Die SPÖ bringt dazu einen Entschließungsantrag ein, den ich zur Kenntnis bringen will:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Harald Troch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „die aktuelle Situation in der Westsahara“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für europäische und inter­nationale Angelegenheiten werden aufgefordert, sich bilateral sowie im Rahmen der EU und der Vereinten Nationen aktiv für ein sofortiges Ende aller Kampfhandlungen und die Wiederherstellung des Waffenstillstandes in der Westsahara zwischen Marokko und der Frente POLISARIO einzusetzen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 297

Der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten wird weiters aufgefordert, an beide Konfliktparteien zu appellieren, die Verhandlungen über eine dauerhafte Beilegung des Konflikts wieder aufzunehmen und dabei eine aktive Rolle Österreichs als Vermittler anzubieten.

Schließlich wird der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten aufgefordert, sich in dafür geeigneten Kontakten und auf Ebene der EU sowie der Vereinten Nationen weiterhin für die volle Umsetzung der entsprechenden SR-Resolutio­nen einzusetzen und das Recht auf Selbstbestimmung der Bevölkerung der Westsahara zu unterstützen.“

*****

In Westsahara ist auch eine Auslandsmission des österreichische Bundesheeres, dort sind Soldaten und Soldatinnen stationiert. Es ist aktive Neutralitäts- und Außenpolitik gefordert. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

21.15

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Harald Troch, Petra Bayr, MA MLS

Genossinnen und Genossen

betreffend die aktuelle Situation in der Westsahara

Eingebracht im Zuge der Debatte in der 62. Sitzung des Nationalrates am 17. November 2020 zu TOP 11, Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage 380 d.B. über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2021 (BFG 2021) samt Anlagen – UG 12 Äußeres

Österreich unterstützt seit langem die Mission der Vereinten Nationen für die Durch­führung der Volksabstimmung in der Westsahara, auch im Bundesvoranschlag 2021 ist dies so vorgesehen.

In den letzten Tagen kam es zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen Streitkräften Marokkos und der Frente POLISARIO im Guerguerat im Südwesten der Westsahara. Auslöser dafür waren zivile Proteste, die die Umsetzung des seit Jahrzehnten anste­henden Referendums forderten, in dessen Rahmen die Bevölkerung der Westsahara zwischen einer Integration in den marokkanischen Staat und der Unabhängigkeit wählen können soll.

Marokko bricht damit den seit 1991 geltenden Waffenstillstand, der von einer UN-Mission überwacht wird, und riskiert eine Gewalteskalation in einem ohnehin angespannten Konflikt. Seit Jahrzehnten lebt die sahaurische Bevölkerung unter marokkanischer Be­sat­zung und unter teilweise untragbaren humanitären Bedingungen. Die internationale Staatengemeinschaft ist dringend zum Handeln aufgerufen, damit aus dem seit über 40 Jahren schwelenden Konflikt kein offener Krieg wird. Die UNO und die EU dürfen nicht länger auf die Menschen in der Westsahara vergessen.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 298

„Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten werden aufgefordert, sich bilateral sowie im Rahmen der EU und der Vereinten Nationen aktiv für ein sofortiges Ende aller Kampfhandlungen und die Wiederherstellung des Waffenstillstandes in der Westsahara zwischen Marokko und der Frente POLISARIO einzusetzen.

Der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten wird weiters aufgefordert, an beide Konfliktparteien zu appellieren, die Verhandlungen über eine dau­erhafte Beilegung des Konflikts wieder aufzunehmen und dabei eine aktive Rolle Öster­reichs als Vermittler anzubieten.

Schließlich wird der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten aufgefordert, sich in dafür geeigneten Kontakten und auf Ebene der EU sowie der Ver­einten Nationen weiterhin für die volle Umsetzung der entsprechenden SR-Resolutionen einzusetzen und das Recht auf Selbstbestimmung der Bevölkerung der Westsahara zu unterstützen.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Reimon. – Bitte.


21.15.52

Abgeordneter Michel Reimon, MBA (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Außenminister! Aus entwicklungspolitischer Sicht ist dieser Budgetbeschluss ausge­sprochen erfreulich. Österreich hat in dem Bereich keine Tradition, auf die wir stolz sein können. Drei große Parteien in diesem Haus sind seit Jahrzehnten für die österreichi­sche Entwicklungszusammenarbeit verantwortlich, und wir waren immer weit unter dem, wozu wir uns international verpflichtet hätten und was wir international leisten sollten. Das wird sich ändern, wir machen uns auf den Weg, ausgehend von – aus unserer Sicht – viel zu niedrigem Niveau, aber es tut sich etwas – und das in großen Schritten.

Als wir 2019 verhandelt haben, lag das Budget bei der Entwicklungszusammenarbeit bei 92 Millionen Euro. Wir beschließen jetzt 114 Millionen Euro – 20 Prozent drauf. Das ist einmal eine wichtige Steigerung in die richtige Richtung, und noch viel wichtiger finde ich die Steigerung in der Auslandskatastrophenhilfe – dort, wo wir helfen und eingreifen, wenn es schnell und dringend sein muss, so, wie wir uns jetzt um Äthiopien, um Afrika kümmern werden. Das haben wir als Grüne bei 15 Millionen Euro übernommen und es auf 52,5 Millionen Euro gesteigert. Wir werden versuchen, einen Großteil davon in mittel­fristige Projekte zu bringen, damit nachhaltig geholfen wird. Für die kurzfristige, aktuelle Hilfe wird immer noch mehr übrig bleiben, als da war. Das ist dringend notwendig und geht in die richtige Richtung. Ich freue mich, wenn SPÖler herausgehen und sagen: Man könnte noch viel mehr machen. – Das stimmt. Ihr hattet jahrzehntelang Zeit, wir machen es jetzt. Das macht mich stolz auf dieses Budget. (Beifall bei den Grünen und bei Abge­ordneten der ÖVP.)

Fast noch wichtiger aber ist in dieser politischen Umstellung, dass nicht alles, was wir an großen Entwicklungen machen, budgetrelevant ist. Österreich kann nicht alles bud­getrelevant erledigen, das wissen wir. Wir werden gegen das EU-Mercosur-Handels­abkommen stimmen. Es ist ein Abkommen, das die europäische Industrie – vor allem die Autoindustrie – exportmäßig bevorzugen würde, und das will die EU gegen Agrar-


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importe aus dem Amazonasgebiet abtauschen. Das wäre das größte Abholzungs­ab­kommen der Welt, das ökologisch katastrophalste Abkommen der Welt, das klimaschäd­lichste Abkommen der Welt. Ich kampagnisiere seit 20 Jahren gegen neoliberale Frei­handelsabkommen, und jetzt wird das erste fallen. – Wunderbar, oder? (Beifall bei den Grünen.)

21.18


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Abgeordnete Kucharowits ist zu Wort ge­meldet. – Bitte.


21.18.44

Abgeordnete Katharina Kucharowits (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Bundesministerin! Werte Kollegen und Kolleginnen! Wir feiern heuer 75 Jahre Vereinte Nationen. Ich glaube, es ist ein Jubiläum, auf das wir stolz sein können, auch weil ein Amtssitz in Wien ist – eine absolute Seltenheit.

Gleichzeitig wundere ich mich schon ein bisschen darüber – wenn wir so abfeiern –, dass die Gelder für die internationalen Organisationen sinken. Ich frage mich übrigens auch, wenn ich an die Aufstockung des Auslandskatastrophenfonds denke, warum Gelder für Griechenland zur Verfügung gestellt werden – ich habe Sie darauf ange­sprochen – und diese Gelder auf Lesbos weder in Moria noch in Kara Tepe ange­kommen sind. Das wissen wir von Menschen, die dort ehrenamtlich tätig sind. Es kommt dort nichts an. Alles verschwindet irgendwo in Containern, und Kinder, Frauen und Män­ner liegen noch immer im Schlamm, mittlerweile in der Kälte. Ehrlich gesagt ist das eine ganz klare Menschenrechtsverletzung, und ich erwarte mir von der Bundesregierung Taten, die bis jetzt nicht erfolgt sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Menschenrechtsverletzungen – die Kollegin hat es angesprochen – gibt es unter ande­rem in Lesbos, also mitten in Europa, aber natürlich auch in unserem Nachbarland Ungarn – ganz, ganz vehement seit einiger Zeit. Es ist ganz klar: Wir sehen seit Jahren eine Entwicklung, die sich gegen Schwule, Lesben, bisexuelle, transidente und interge­schlechtliche Menschen in Ungarn richtet. Dafür sind der Präsident und seine Politik verantwortlich. Das ist sowohl demokratiepolitisch brandgefährlich als natürlich auch eine Menschenrechtsverletzung und eine Diskriminierung und Schlechterstellung der LGBTIQ-Community.

Der neueste Vorstoß von Justizministerin Varga, die in der Verfassung verankern möchte, dass die Mutter eine Frau und der Vater ein Mann ist, ist eine absolute Diskriminierung und Verletzung. Gleichzeitig möchte sie auch ein einfaches Gesetz auf den Weg schicken, das die Adoption von Kindern nur noch für verheiratete Paare ermöglichen soll, womit sie de facto ein Adoptionsverbot für Regenbogenfamilien auf die Beine stellt.

Herr Bundesminister, das ist eine Festschreibung von Homo- und Transphobie in der ungarischen Verfassung, gegen die wir vorgehen müssen.

Deshalb bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen betreffend „den Schutz für die ungarische LGBTI-Community“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für europäische und inter­natio­nale Angelegenheiten sowie die Bundesministerin für Europäische Union und Verfas­sung, werden aufgefordert umgehend sowohl auf EU- als auch auf bilateraler Ebene die


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geplanten LGBTI-feindlichen Verfassungsänderungen in Ungarn aufs Schärfste zu verurteilen und sich für eine menschenrechtskonforme Neuregelung in Ungarn einzu­setzen. Außerdem wird der Bundesminister für europäische und internationale Angele­genheiten aufgefordert, im Sinne des österreichischen Engagements für die Menschen­rechte, diese Frage in den bilateralen Beziehungen zu thematisieren.“

*****

Stimmen Sie zu, stoppen wir Diskriminierung! (Beifall bei der SPÖ.)

21.21

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Katharina Kucharowits,

Genossinnen und Genossen

betreffend den Schutz für die ungarische LGBTI-Community

Eingebracht im Zuge der Debatte in der 62. Sitzung des Nationalrates am 17. November 2020 zu TOP 11, Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage 380 d.B. über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2021 (BFG 2021) samt Anlagen – UG 12 Äußeres

Schon seit Jahren entwickelt sich die Lage für Schwule, Lesben, bisexuelle, transidente und intergeschlechtliche Menschen in unserem Nachbarland Ungarn in eine besorgnis­erregende Richtung. Sowohl aus demokratiepolitischer als auch aus menschen­recht­licher Sicht haben zahlreiche Entwicklungen für eine massive Verschlechterung der Situation für die dortige LGBTI-Community gesorgt. Erst im Frühjahr 2020 wurde im Zuge des Omnibus-Gesetz T/9934, das von der Fidesz-Partei eingebracht und be­schlossen wurde, die Möglichkeit für eine legale Änderung des bei der Geburt einge­tragenen Geschlechtes für transidente und intergeschlechtliche Personen de facto abge­schafft. In Österreich und ganz Europa regte sich dagegen unter dem Titel „Drop 33“, bezogen auf Artikel 33 dieses Sammelgesetzes, massiver Widerstand über alle politi­schen Grenzen hinweg.

Nun wurde von der ungarischen Regierung ein neuer Schritt gegen die Rechte der LGBTI-Community angekündigt. Mit einem von Justizministerin Judit Varga im Novem­ber 2020 eingebrachten Entwurf für eine Verfassungsänderung sollen unter anderem Formulierungen wie „die Mutter eine Frau ist und der Vater ein Mann“ oder die alleinige Geschlechtsfestlegung über jenes, das bei der Geburt zugwiesen wird, im Verfassungs­rang verankert werden. Gleichzeitig legte die Ministerin laut der ungarischen LGBTI-Organisation Háttér-Gesellschaft eine einfachgesetzliche Reform vor, die die Adoption von Kindern nur noch verheirateten Paaren ermöglichen würde. Das kommt einem Adop­tionsverbot für Regenbogenfamilien gleich. All das bedeutet nichts anderes als eine Festschreibung von Homo- und Transphobie in der ungarischen Verfassung und der Entrechtung von Regenbogenfamilien, Trans*-Personen und anderen Minderheiten gleich. Sollte dieser Vorschlag beschlossen werden steht er nicht nur im klaren Gegen­satz zu den gemeinsamen Werten eines vielfältigen Europas, sondern auch zur Grund­rechtecharta der Europäischen Union.

Schon heute sind LGBTI-Personen in Ungarn von massiver Ungleichbehandlung und Diskriminierung betroffen. Der „Rainbow Europe“ Index des europäischen Dachver­bandes „International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association Europe“


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(ILGA Europe) stellt Ungarn für das Jahr 2020 ein niederschmetterndes Urteil aus: Unser Nachbarstaat verliert im Antidiskriminierungs-Ranking knapp 8,5 % im Vergleich zum Vorjahr, was vor allem an der geänderten Rechtslage für transidente Personen und dem Fehlen von angemessenem staatlichen Schutz für LGBTI Personen liegt. Kritisiert werden auch die Entwicklungen in Fragen von Hate Speech und Hate Crimes, im Bereich der Bildungspolitik und der Gesundheitsversorgung. Erst Anfang Mai 2020 ver­öffentliche die europäische Grundrechte-Agentur FRA ihre zweite Erhebung zur Situ­ation von LGBTI-Personen in ganz Europa: Darin wird nochmals deutlich, dass LGBTI-Personen, aber insbesondere auch intergeschlechtliche und Trans*-Personen, in Län­dern wie Ungarn nicht nur unter Diskriminierung und Ausgrenzung, sondern auch in besonderem Maße unter Gewalt zu leiden haben. Am selben Tag, an dem die Ver­fassungsänderung eingebracht wurde, beschloss der Justizausschuss des ungarischen Parlaments auch die Auflösung der Gleichstellungs- und Antidiskriminierungsbehörde des Landes bis zum Januar 2021. All das passiert, wie von ungarischen AktivistInnen betont wird, wie schon im Frühjahr 2020 zu einer Zeit, in der Demonstrationen in Ungarn nicht erlaubt sind.

Im Gefolge der angekündigten Verfassungsänderung ist zu erwarten, dass sich nicht nur die rechtliche Lage, sondern auch die Alltagssituation für Angehörige der LGBTI Community weiter verschlechtert. All das macht klar, dass die Republik Österreich nicht zu den menschenrechtlichen Problemen in unserem Nachbarland schweigen darf.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für europäische und inter­natio­nale Angelegenheiten sowie die Bundesministerin für Europäische Union und Verfas­sung, werden aufgefordert umgehend sowohl auf EU- als auch auf bilateraler Ebene die geplanten LGBTI-feindlichen Verfassungsänderungen in Ungarn aufs Schärfste zu ver­urteilen und sich für eine menschenrechtskonforme Neuregelung in Ungarn einzusetzen. Außerdem wird der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten aufgefordert, im Sinne des österreichischen Engagements für die Menschenrechte, diese Frage in den bilateralen Beziehungen zu thematisieren.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, aus­reichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Engelberg. – Bitte.


21.21.52

Abgeordneter Mag. Martin Engelberg (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Kollegin­nen und Kollegen! Hohes Haus! Mein ganzes Leben hat mich eigentlich begleitet, dass es mich gestört hat, dass sich Österreich vom Selbstverständnis her immer so zwischen den Fronten, zwischen den Lagern positioniert hat. Vielleicht war dies auch im Nachgang des Nationalsozialismus der Versuch, möglichst nirgendwo mehr dabei zu sein. Ich habe das immer für einen großen Fehler gehalten.

Die erste Erleichterung war natürlich der Beitritt zur Europäischen Union. Wir haben jetzt auch hier die Fahne stehen, was mir immer auch eine große Genugtuung ist. Damit hat


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es schon ein erstes klares Bekenntnis gegeben, dass wir uns der westlichen Wertege­meinschaft zugehörig fühlen.

Keine Regierung hat es aber bisher so klar gemacht wie diese, dass wir Teil der west­lichen Welt, der westlichen Wertegemeinschaft, der Gemeinschaft der Werte wie Recht­staatlichkeit, Demokratie, Gleichberechtigung – und das in einer engen strategischen und freundschaftlichen Partnerschaft mit den Vereinigten Staaten von Amerika – sind. Das ist eine ganz wichtige Positionierung, und ich glaube, dass wir da ganz richtig liegen.

Dabei fällt mir auch ein, dass auch unsere Beziehung zu Israel eine geworden ist, die sich von jener zu früheren Zeiten völlig unterscheidet. Israel war früher immer nur ein Land der Konfliktparteien, des Krieges, des Terrors. Heute ist Israel ein uns freund­schaftlich verbundener Partner, ein Land, das ein unendlich großes Potenzial auf allen Gebieten der Wissenschaft, Technologie, Landwirtschaft, Wasseraufbereitung hat, das eben genauso auch ein Teil unserer westlichen Wertegemeinschaft ist. Das freut mich sehr.

Ein letztes Wort noch zur Entwicklungszusammenarbeit: Es wird nicht wahrer, wenn man es auch noch hundertmal wiederholt, dass Österreich nicht eines der Länder oder vielleicht sogar das Land war, das am schnellsten in Griechenland geholfen hat. Wie ein EU-Mitgliedsland mit den Hilfen eines anderen EU-Mitgliedslandes umgeht, wie schnell das geht, das ist etwas, worauf wir wahrscheinlich nicht so viel Einfluss haben. Tatsache aber ist und bleibt: Wir haben schnell und resolut geholfen und uns jetzt auch vom Budget her mit enorm gestiegenen Mitteln ausgestattet. Ich kann nur sagen: Wir müssen diesbezüglich wirklich der Bundesregierung, dem Bundesminister ein Kompliment machen, dass wir diese Schritte gesetzt haben. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Stögmüller.)

21.24


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Strasser ist zu Wort gemel­det. – Bitte.


21.24.55

Abgeordneter Dipl.-Ing. Georg Strasser (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Nur zwei gute Gründe, warum es aus österreichischer Sicht Sinn macht, sich international zu engagieren: Das eine ist die Coronakrise. Im innenpolitischen Diskurs erwecken wir oft den Eindruck, Österreich wäre von der Krise betroffen und sonst niemand auf der Welt. Ein Blick nach Europa und ein Blick auf die Erde zeigen, alle Gesundheitssysteme der Welt kämpfen darum, irgendwie Stabilität in die Situation zu bringen. Das Zweite ist der Klimawandel. Diese Unsicherheiten wirtschaftlicher, sozialer, aber auch ökologischer Natur brauchen Stabilität, die wir nur im internationalen Kontext sicherstellen können.

Aus diesem Grund bin ich dankbar, Herr Bundesminister, für die zwei Projekte, die Kollege Reimon schon erwähnt hat und die ich unterstreichen darf. Das eine ist der Aus­landskatastrophenfonds, mit dem schnelle Hilfen möglich sind, aber ich möchte auch die Entwicklungszusammenarbeit erwähnen, in der das SDG 17 über die globalen Partner­schaften ein ganz wichtiges Projekt ist, mit dem es gelingen muss, über regio­nales Engagement letztendlich Ernährungssicherheit, Rechtsstaatlichkeit, Demokratie, Ge­sund­heit und Bildungssysteme weiterzuentwickeln, wobei es aber auch notwendig ist, die Lehren aus der Coronakrise im internationalen Kontext zu ziehen. Dazu sage ich: Es gibt auf der einen Seite den Zug hin zu mehr Regionalität, zu mehr nationaler oder auch kontinentaler Unabhängigkeit, aber auch eine ehrliche Diskussion, wie viele internatio­nale wirtschaftliche Beziehungen es braucht, damit wir letztendlich unsere nationalen und regionalen Systeme in der Balance halten können.


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Zu den Zahlen in aller Kürze: Auslandskatastrophenfonds: 2019 15 Millionen Euro, 2021 52,5 Millionen Euro – ein sattes Plus. Zählt man dann noch die Entwicklungs­zusammen­arbeit dazu: 2019 117 Millionen Euro, 2020/2021 177 Millionen Euro – das ist ein sattes Plus von 51,5 Prozent.

Geschätzter Herr Bundesminister, die besten Grüße an deine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – wir sind auf einem guten Weg! – und danke für das Herzblut und euer Engagement. – Alles Gute. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

21.27


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Mir liegen dazu keine weiteren Wortmeldungen vor, die Beratungen zu diesem Themenbereich sind somit beendet.

Ich bedanke mich beim Herrn Außenminister für sein Kommen.

21.27.24UG 13: Justiz


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen nun zur Untergliederung 13: Justiz. Ich darf dazu die Frau Bundesministerin, die ich schon gesehen habe, begrüßen.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Yildirim. – Bitte.


21.27.45

Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Ministerin ist noch nicht im Raum, ich beginne aber trotzdem mit dem Positiven. Das Budget für die Justiz wird im Jahr 2021 um 65 Millionen Euro erhöht. Der Fokus wird auf den Strafvollzug und da insbesondere auf den Maßnahmen­vollzug, Stichwort Asten, gelegt werden. Der Opferschutz sowie die Erwachsenen­ver­eine werden mehr Unterstützung erhalten, und das ist auch gut so. – Hallo, Frau Minis­terin (in Richtung der ihren Sitzplatz einnehmenden Bundesministerin Zadić), schön, Sie zu sehen!

Wie schon beim Budget des Jahres 2020 bleibt dazu festzuhalten: Die Erhöhung für 2021 im Justizbereich genügt gerade einmal, um den laufenden Betrieb aufrechtzu­er­halten und um Minimalziele umzusetzen. Im Kernbereich der Justiz, beim unmittelbaren Justizpersonal, hakt es aber nach wie vor vorne und hinten. Ich denke da an die Kanzleien, an Richterinnen und Richter bei der Staatsanwaltschaft oder die Justiz­anstalten – überall gibt es zu wenig Personal. Das versuchen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter so gut es geht zu kompensieren, das kann aber nicht auf ewig so gehen. Die Aufgaben der Justiz werden mehr, und sie werden mitunter auch zeitintensiver – dazu möchte ich zum Beispiel die Großverfahren oder internationale Wirtschaftsverfahren erwähnen.

Als weiteres Beispiel möchte ich das Paket zu Hass im Netz nicht unerwähnt lassen, das wichtige Verbesserungen bringt, aber auch mehr Personal für die Justiz erfordert. Die richterlichen Standesvertretungen haben 70 Richterstellen mehr gefordert, damit das Paket angemessen umgesetzt werden kann. Im Budget für das Jahr 2021 ist keine einzige Planstelle für richterliches Personal bei den ordentlichen Gerichten vorgesehen. Das finde ich alarmierend, Frau Ministerin, bei all der Wertschätzung für Ihren Einsatz, mehr Mittel für die Justiz zu erlangen.

Hinzu kommt, dass die Justiz durch die Coronakrise stark belastet ist.

Ganz wichtig, noch einmal, ist der Maßnahmenvollzug. Er ist seit Jahren dringend reformbedürftig. Die Zahl der Insassen hat sich in den vergangenen 20 Jahren ver­dreifacht und die Auslastung liegt aktuell bei 120 Prozent.


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Nun komme ich wieder zum Positiven zurück und möchte insbesondere der österreichi­schen Justiz gegenüber meine große Anerkennung ausdrücken. Sie genießt im inter­nationalen Vergleich ein hohes Ansehen und liefert trotz schwieriger Bedingungen eine enorm hohe Qualität. Auf sie ist auch in Krisenzeiten Verlass. Damit das so bleibt, muss sie stark und unabhängig bleiben. Also, Frau Ministerin, lassen Sie die Justiz arbeiten, indem sie auch die personellen und finanziellen Ressourcen bekommt! Stellen Sie alles zur Verfügung, um diese Qualität weiterhin aufrechtzuerhalten! Ich danke. (Beifall bei der SPÖ.)

21.31


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Prammer. – Bitte.


21.31.34

Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer (Grüne): Herr Präsident! Frau Justiz­ministerin! Hohes Haus! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Es ist wenig über­raschend, dass ich an dieser Stelle betonen möchte, wie sehr ich mich über die aber­malige Erhöhung des Justizbudgets freue.

Da bereits mit dem letzten Budget die Justiz erstmals wieder ohne Rückgriff auf Rück­lagen ausfinanziert war, kann 2021 mit zusätzlichen 65,8 Millionen Euro in wichtige und dringend notwendige Projekte investiert werden. Da geht es um Investitionen in die Digitalisierung des Gerichtsbetriebes, in den Gewaltschutz, Opferschutz, in die Bewäh­rungshilfe, aber auch in einen Beginn der Verbesserung des Maßnahmenvollzugs.

Eine gewaltige Verbesserung gibt es im Bereich des Opferschutzes, unter anderem zum Beispiel dadurch, dass Kinder, die Gewalttaten im engsten sozialen Nahbereich mitan­sehen mussten, psychosoziale Unterstützung erhalten, insbesondere dann, wenn sie auch noch die schwierige Aufgabe haben, über diese Geschehnisse und Erlebnisse vor Gericht berichten zu müssen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Mit dem Gesetzespaket gegen Hass im Netz wird im Strafrecht die Möglichkeit geboten, bei Privatanklagedelikten bei der Ausforschung des Täters oder der Täterin die Hilfe des Gerichts in Anspruch zu nehmen. Das ist genau der Bereich, an dem früher oft die Verletzten gescheitert sind, weil die Provider einfach die Namen nicht hergeben wollten. Jetzt müssen sie das auf gerichtlichen Auftrag hin tun.

Zivilrechtlich wird es ein eigenes Sonderverfahren geben, das ganz schnell die Durch­setzung eines Unterlassungsauftrages ermöglicht, damit Hasspostings nicht im Internet stehen bleiben müssen, bis ein gerichtliches Verfahren ausgestritten ist. Auch das ist eine gewaltige Errungenschaft und etwas, was mit den neuen Mitteln, mit den zusätz­lichen Mitteln finanziert werden wird.

Schon damals, im September, Oktober, als das Justizbudget ausverhandelt wurde, hat die Justizministerin, haben die Grünen besonderen Wert darauf gelegt, dass die Mittel für die Bewährungshilfe und auch für Deradikalisierungsmaßnahmen erheblich aufge­stockt werden. Beides sind Maßnahmen, die immens wichtig sind, um Straftäter und Straftäterinnen nach Verbüßung ihrer Haft wieder in die Gesellschaft zu integrieren, sie zu resozialisieren, sie dabei zu unterstützen, wieder Arbeit zu finden und ein geregeltes, gesetzestreues Leben zu führen. Warum machen wir das? Warum investieren wir als Gesellschaft Geld in die Wiedereingliederung von StraftäterInnen? – Wir machen es aus reinem Eigennutz. Wir machen es, weil es eine Investition in unsere Sicherheit ist.

Ein weiteres Thema, das in diesem Bereich sehr wichtig ist, ist der Strafvollzug selbst, und auch da gibt es eine Schwerpunktsetzung vor allem in den Justizanstalten. In einigen werden vermehrt Kurzausbildungen angeboten, bei denen die Inhaftierten – auch dann, wenn sie kürzere Haftstrafen verbüßen – Teilqualifikationen erwerben,


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wodurch sie dann die Möglichkeit haben, gleich nach der Entlassung einen Job zu finden. Das klingt jetzt abstrakt, aber in Wirklichkeit ist es so, dass sie beispielsweise aus dem gesamten Lehrberuf eines Kfz-Mechanikers in einigen Monaten oder in einer relativ kurzen Zeit jene Fähigkeiten erwerben, die sie brauchen, um später zum Beispiel in einem Reifenhandel zu arbeiten.

Das bedeutet nach der Entlassung: statt Sozialhilfe, Unsicherheit und Haltlosigkeit ein Job, selbstverdientes Geld, die Möglichkeit, zu zeigen, dass man etwas kann, und ein Umfeld, ein Freundeskreis, die komplett anders als zuvor sind. Genau das führt, wenn es durch Bewährungshilfe begleitet ist, dazu, dass dieser Mensch den Weg zurück in ein geregeltes Leben finden kann.

Auch im Bereich des Maßnahmenvollzugs wird es sehr gezielte Verbesserungen geben, zum Beispiel durch den Ausbau des Forensischen Zentrums Asten, das um 100 Plätze aufgestockt wird. Durch die Einstellung von qualifiziertem Personal wird schon ein we­sentlicher Beitrag zu einer qualitätsvolleren Betreuung und gleichzeitig auch zu einer Entlastung des Personals geleistet.

Der Weg, den wir gehen wollen, ist ein weiter und führt in die richtige Richtung. Der nächste Schritt ist es, jetzt dieses Justizbudget zu beschließen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

21.36


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Stefan. – Bitte.


21.36.51

Abgeordneter Mag. Harald Stefan (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, es gäbe im Bereich der Justiz viel zu diskutieren, viele problematische Entwicklungen, etwa das fragliche Delikt Hass im Netz mit Netzsperren (Abg. Maurer: Netzsperren?) und ähnliche, sehr prob­lematische Einschränkungen. – Ja, Netzsperren sind auch vorgesehen. (Abg. Maurer: Nein!) – Ja natürlich! Wir werden inhaltlich noch darüber diskutieren können. Die neues­ten Maßnahmen sehen die Herausgabe der Verschlüsselungen für Internetkommuni­kation bis zu Präventivhaft vor. Wir werden also noch viel diskutieren können, heute ist aber nicht genug Redezeit und die Uhrzeit ist auch sehr weit fortgeschritten, ich beschränke mich daher auf das Budget.

Spätestens seit der Aussage des Kurzzeitjustizministers Jabloner, dass die Justiz einen stillen Tod stirbt, ist viel über die Finanzierung der Justiz gesprochen worden. Da haben wir ja auch jetzt schöne Töne gehört: Die Justiz wird finanziell stark ausgestattet. Wir haben in den letzten Jahren auch festgestellt, dass es vor allem im Justizwachebereich, in den Justizstrafanstalten, eine starke Unterbesetzung des Personals gegeben hat – dazu wird mein Kollege Lausch sicherlich noch Näheres ausführen –, und das, obwohl die Gefängnisse aufgrund der ausländischen Straftäter völlig überlastet sind. Doch trotz dieser großen Worte, dass es jetzt also diese budgetäre Ausstattung gibt, macht sich Ernüchterung breit, wenn man sich das im Detail anschaut.

Im Bereich der Justizwache gibt es keine oder fast keine Personalaufstockung, keine weiteren Planstellen, keine Entlastung für Richter und Staatsanwälte, da es keine Aufstockung im nicht richterlichen Personal gibt. Die Erhöhung des Budgets von heuer 65 Millionen Euro relativiert sich sehr schnell, wenn man sich anschaut, was im Budget bis 2024 vorgesehen ist. Bis 2024 gibt es in Wirklichkeit eine Erhöhung des Budgets von in Summe 1 Prozent. Das liegt jedenfalls unter den für diese Zeit erwarteten Inflations­raten von 1,2 bis 2 Prozent, also wird das Budget in Wahrheit in den nächsten Jahren wieder geringer werden, und das, obwohl wir jetzt schon wissen, wie angespannt die Situation ist.


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Selbst in dieser angespannten Situation jetzt und bei diesem Einmalbudget muss man noch berücksichtigen, was alles in diese Erhöhung des Budgets mit hineinzunehmen ist: Es gibt Mehraufwendungen im Bereich des Opferschutzes, es gibt Mehraufwendungen im Zusammenhang mit dem Hass im Netz. Es gibt die Übernahme der Rechtsberatung durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen, die Umsetzung der Sachverständigennovelle, Mehraufwendungen im Bereich der Bewährungshilfe, erhöhte Vorauszahlungen auf die Sonderpauschalvergütung an den Rechtsanwalts­kam­mertag, Kostensteigerungen und Sachausgaben im Strafvollzug, die Mehrauszahlungen zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie und vieles mehr. All das ist bereits in diesen 65 Millionen Euro enthalten.

Das heißt also, tatsächlich, wenn man nun auch noch die Krise berücksichtigt und annehmen kann, dass die Einnahmen vielleicht doch geringer ausfallen und trotzdem ein noch größerer Aufwand entsteht, ist hier überhaupt keine Entlastung zu sehen.

Daher mein Fazit, allen schönen Worten und allen Zahlenspielen zum Trotz: Die Justiz wird weiter ausgehungert. (Beifall bei der FPÖ.)

21.40


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Steinacker. – Bitte.


21.40.32

Abgeordnete Mag. Michaela Steinacker (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Ge­schätzte Frau Bundesministerin! Geschätzte Mitglieder hier im Hohen Haus! Werte Bür­gerinnen und Bürger! Das Justizbudget mag mit seinen 1,8 Prozent vom Gesamtbudget klein wirken, es erfüllt aber in unserem Staat eine große Aufgabe.

Der Justizbereich besteht aus vier Teilen: Das ist zum Ersten der Bereich der Straf­verfolgung, in dem Staatsanwältinnen und Staatsanwälte dafür sorgen, dass mutmaß­liche Straftäter zur Rechenschaft gezogen werden, zum Zweiten der Bereich der Recht­sprechung, in dem Richterinnen und Richter unsere Gesetze anwenden und über Streitigkeiten zwischen Bürgern, aber auch über Strafen für Rechtsbrecher entscheiden. Der Strafvollzug ist der dritte Bereich, in dem Justizwachebeamte, Mediziner, Psycho­logen und Therapeuten dafür sorgen, dass von den verurteilten Straftätern in den Haftanstalten keine Gefahr für die Allgemeinheit ausgeht, und in dem versucht wird, die Häftlinge wieder zu resozialisieren. Und der große vierte Bereich ist jener der Justiz­verwaltung, ein Bereich, den die gesamte Organisation der Justiz braucht, mit der Ge­bührenverrechnung, der Personalverrechnung, der Legistik bis hin zu den Rechts­pflegerinnen und Rechtspflegern für Firmenbuch und Grundbuch.

All diese Menschen, die für unsere Justiz arbeiten, sind Teil, sind Fundament unseres Rechtsstaats – ein herzliches Dankeschön an sie alle, an jeden Einzelnen von ihnen, der im Bereich der Justiz jeden Tag sein Bestes gibt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Grünen.)

Frau Kollegin Yildirim und Herr Kollege Stefan haben soeben sehr beklagt, wie schlecht es um die Justiz steht. Da glaube ich mich im Boot mit unserer Justizministerin zu wissen, dass die Entwicklung hin zu diesem heurigen Budget eine Geschichte hat: zuerst das nur fortgeschriebene Budget aus dem Jahr 2019, dann das im Mai 2020 erstellte Budget für die Justiz mit einer doch gewaltigen Steigerung von 72,4 Millionen Euro, was 4,4 Pro­zent mehr für die Justiz gebracht hat; vor allem aber – und das wissen die Kolleginnen und Kollegen des Justizausschusses und die Kolleginnen und Kollegen des Hohen Hauses sehr wohl – hat es uns eine große Anzahl an zusätzlichen Planstellen in den verschiedenen Bereichen beschert: 40 zusätzliche Staatsanwälte, zehn Richter, im


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Bereich des Strafvollzugs 16 Positionen, 100 Kanzleikräfte und vieles mehr. Das brauchen wir in der Justiz, das war das Nachziehen, und nun müssen wir natürlich in einem ersten Schritt diese Positionen mit Menschen besetzen, die der Justiz auch gut dienen können.

Was mich besonders freut, ist, dass wir jetzt ein Budget für die nächsten Jahre aufgesetzt haben und für das kommende Jahr 2021 mit rund 66 Millionen Euro wiederum eine Steigerung des Ausgabenrahmens erreichen konnten. Das ist viel Geld! Das ist viel Geld für unsere Justiz.

Ich darf hier vielleicht auch noch ein paar Schwerpunkte unseres Regierungsprogramms nennen, die es mit diesem Justizbudget umzusetzen gelingt: Einer ist der Opferschutz. Wir wollen, dass die Opfer von Gewalt und Hass in ihren Verfahren mit professioneller psychologischer Hilfe, aber auch mit rechtlichem Beistand besser begleitet werden können. Dafür gibt es 4,2 Millionen Euro mehr, das sind 44 Prozent mehr als im ver­gangenen Jahr. Das ist ein ganz wesentlicher Schritt. Ich danke Ihnen für diese Verhand­lungsführung ganz besonders, Frau Minister, weil dieser Schwerpunkt für uns alle ein wesentlicher ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Zum Strafvollzug: Es ist nicht so, dass der Strafvollzug nicht entsprechend ausgestattet wird. 19,3 Millionen Euro plus, das sind 3,4 Prozent. Wir haben die notwendigen Mittel sichergestellt, dass die Justizanstalten baulich entsprechend hergerichtet werden kön­nen, und aber auch, dass unsere Justizwache mit all den notwendigen Ausrüstungs­gegenständen ausgestattet wird. Es geht uns vor allem auch um die Sicherheit unserer Justizwache.

Des Weiteren gibt es Geld für Bewährungshilfe, damit die Straftäter nach der Haft auch gut weiterbetreut werden können. Ein weiterer wesentlicher Schwerpunkt zur Umset­zung des Erwachsenenschutzgesetzes, das hilft, dass schutzbedürftige Menschen besser und persönlicher betreut werden können, ist, dass das notwendige Geld für die Erwachsenenschutzvereine vorgesehen ist. Auch in der Verfahrenshilfe, die wir ja auch leisten, ist ein höherer Kostenersatz für die Rechtsanwälte vorgesehen.

Wichtig ist mir, das Projekt des Elektronischen Aktes endlich sozusagen wirklich öster­reichweit ausrollen zu können. Die Justiz braucht die Digitalisierung, man sieht das in der Coronazeit. Wo wären wir, wenn wir nicht schon begonnen hätten, auch diese Mög­lichkeiten zu schaffen? Gott sei Dank ist momentan genug Geld vorhanden, dass das Projekt Justiz 3.0 auch entsprechend ausgerollt werden kann.

Ich glaube und bin überzeugt, dass wir mit dem Justizbudget eine wirklich gute Basis für die Arbeit der nächsten Jahre schaffen. Ich freue mich auf die Umsetzung der Projekte, ich freue mich, dass ich die Justiz weiter begleiten darf. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

21.46


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Margreiter. – Bitte.


21.46.12

Abgeordneter Dr. Johannes Margreiter (NEOS): Herr Präsident! Sehr geschätzte Frau Bundesministerin für Justiz! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Über viele Jahre bekam das Parlament Justizbudgets vorgelegt, die für den Rechtsstaat und die Justiz in diesem Land nichts Gutes brachten. Diese Budgets haben die Justiz permanent unter Druck gesetzt, weil schon am Beginn jedes Budgetjahres klar war: Das geht sich never ever aus.

Was war das Ergebnis dieser notorischen Unterfinanzierung? – Weil schlicht kein Geld da war, hatten wir zeitweise Aufnahmestopps für Rechtspraktikanten. Als das dann zu


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Protesten führte, hat man ein paar Milliönchen aus dem Posten für Büromaterial zusam­mengekratzt, um so den Justizbetrieb einigermaßen aufrechtzuerhalten. Die Justiz hatte mit diesen ständigen Einsparungspfaden beim Personal massiv zu kämpfen, vor allem auch im Bereich Kanzleipersonal. Urteile und Ladungen wurden nicht abgefertigt. Dazu kommen fehlende Sachverständige und Dolmetscher.

Das wirkt sich immer noch aus, auch wenn wir heute vor der erfreulichen Tatsache stehen – und ich will wirklich herzlich gratulieren, dass das gelungen ist –, dass man da den Umschwung geschafft hat. Das Budget für die Justiz ist also mittlerweile so ausge­stattet, dass der laufende Betrieb finanziert werden kann, ohne dass Rücklagen aufge­löst werden müssen, ohne dass man Rückgriff auf externe Finanzierungen nehmen muss. Die Folgen dieser notorischen Unterfinanzierung sind aber immer noch zu spüren.

Ich kann von Fällen berichten – und das sind keine Einzelfälle –: Beispielsweise ist bei einem Tiroler Bezirksgericht seit März 2019 ein Verfahren zur Bestellung eines Erwach­se­nenvertreters anhängig. Bis dato ist es noch nicht einmal gelungen, einen einst­weiligen Erwachsenenvertreter zu bestellen – und das hat Folgen. Das hat massive Folgen, weil es in dem Fall Gläubiger gibt, die von der betroffenen Person etwas wollen. Solange das Verfahren nicht abgeschlossen ist und entweder kein Erwachsenen­vertreter bestellt wird und diese Person wieder ihre vollen Rechte hat oder eben einer bestellt wird, gilt eine Exekutionssperre und können Forderungen nicht einbringlich gemacht werden. Das ist ein unzumutbarer Zustand, da muss sich etwas ändern.

Auch wenn dieser Reformstau derzeit aufgelöst wird, wird es doch ganz wichtig sein, das Augenmerk darauf zu legen, dass es Standard bleibt, dass die Justiz wirklich die Finanzierung erhält, die sie braucht.

Die Justiz hat eine ganz massiv wichtige Funktion für unsere Gesellschaft, und ich möchte dies anhand von Zahlen kurz darstellen, damit einmal die Relationen klar wer­den. In der medialen Öffentlichkeit wird Justiz hauptsächlich mit Strafrecht konnotiert; rein zahlenmäßig, und ich würde auch meinen, von der Qualität her, ist aber der zivilrechtliche Bereich viel wichtiger. Wenn man sich die Geschäftsfälle anschaut, die jährlich bei Gericht anfallen, sind circa 510 000 im Jahr 2019 Zivilsachen, 600 000 Außer­streitsachen und demgegenüber nur 80 000 Strafsachen.

Das heißt also, diese zivilrechtliche Funktion ist enorm wichtig für das Funktionieren der Gesellschaft. Nicht umsonst ist die Justiz in der Architektur der Verfassung neben der Legislative und der Exekutive eine eigene Säule. Das heißt, es darf nie wieder dazu kommen, dass wir uns leisten und erlauben, die Justiz unterzufinanzieren.

Wir NEOS stehen da immer zur Verfügung, damit wirklich genügend Geld da ist. Es soll aber nicht nur beim Geld bleiben – das ist Voraussetzung dafür, dass wir dann auch offensive, aktive Justizpolitik im inhaltlichen Bereich machen können. Im Budgethearing war es erfreulich, von Herrn Sektionschef Kathrein zu hören, dass für das nächste Jahr eine Novelle zum Kindesunterhaltsrecht geplant ist. Das ist ganz wichtig, weil es teilweise sehr, sehr aufwendige und komplizierte Verfahren gibt, bei denen die Menschen viel zu lange auf Entscheidungen warten müssen. Das kann man sicherlich schon viel einfacher gestalten. Da gibt es also jede Menge zu tun.

Frau Bundesminister, wir NEOS stehen bereit. Wir helfen mit, wir sind aktive Unterstützer einer modernen, einer effizienten Justiz. Ich hoffe, dass Sie dieses Angebot annehmen, und bedanke mich für die Aufmerksamkeit. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. Fischer.)

21.50


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist die Frau Justizministerin. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 309

21.51.03

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Die Justiz befindet sich derzeit in einer Trendwende. Nach über zehn Jahren Einsparung, nach über zehn Jahren, in denen die Justiz immer wieder auf Rücklagen zurückgreifen musste, haben wir endlich die Trendwende geschafft. Mit dem letzten Budget, aber auch mit dem heurigen Budget ist es endlich möglich, dass wir nicht auf die Rücklagen zurückgreifen, dass wir mit dem Justizbudget nicht nur den laufenden Betrieb aufrecht­erhalten können, sondern zusätzlich auch noch die vielen längst fälligen Reformen und auch die vielen notwendigen Projekte vorantreiben können.

Ich möchte mich an dieser Stelle auch noch einmal entschuldigen, dass ich an den Beratungen des Ausschusses nicht teilnehmen konnte, und mich gleichzeitig bei den Beamtinnen und Beamten meines Hauses bedanken, die mich im Ausschuss fachkundig vertreten haben und auch zu den Zahlen, die Sie im Budget finden, Rede und Antwort gestanden sind.

Gleich auf den ersten Blick, wenn man sich die Zahlen anschaut, erkennt man, welch zentrale Rolle die Justiz in Zeiten der Krise hat. Die Justiz stellt nicht nur den Rechts­frieden her. Sie sorgt für öffentliche Ordnung, sie schlichtet Streit, sie verfolgt Straftäter, sie schützt die Schwächsten der Gesellschaft. Sie ist für alle da. Die Justiz kann aber nur dann funktionieren und diese wichtigen Aufgaben erfüllen, wenn sie ausreichend finanziert ist. Das Budget für das Jahr 2021 gewährleistet eine funktionierende Justiz.

Das Bundesministerium für Justiz erhält für das Jahr 2021 65 Millionen Euro an zusätz­lichen Mitteln. (Beifall bei Grünen und ÖVP.) Wenn man das zu den Personal­auf­stockungen dazuzählt, die uns Anfang des Jahres mit dem Budget 2020 gelungen sind, sieht man, dass das ein großer Erfolg für die Justiz ist. Anfang des Jahres, im Frühjahr, konnten wir bei den Gerichten, beim nicht richterlichen Personal, bei den Staatsanwalt­schaften, aber auch im Strafvollzug ordentlich aufstocken, weil es einfach notwendig war, die Einsparungen zu stoppen und neues, zusätzliches Personal aufzunehmen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Mit diesem Budget können wir auch einige wichtige Projekte vorantreiben. Auch die Vereine, denen wir uns in der Justiz verpflichtet haben, nämlich die Erwachsenen­schutz­vereine und andere Vereine, können wir mit diesem Budget weiter finanzieren. Bei­spielsweise gibt es für die Erwachsenenschutzvereine, zur Unterstützung von Erwach­senen, welche ihr Leben nicht alleine ordnen können, jetzt 2,6 Millionen Euro an zusätzlichen Mitteln.

Ein Punkt wurde heute auch schon erwähnt, nämlich der Opferschutz. Auch beim Opferschutz wollen wir massiv aufstocken. Das hat zwei Gründe. Zum einen haben wir ja mit dem Paket zu Hass im Netz dazu beigetragen, dass Personen, die von Hass und Gewalt betroffen sind, selbst um psychosoziale Betreuung, aber auch um juristische Prozessbegleitung ansuchen können. Deswegen stocken wir auch dieses Budget um 4,2 Millionen Euro auf. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Wir haben uns als Justizministerium mit der Errichtung der BBU auch verpflichtet, die Rechtsberatung in zweiter Instanz zu finanzieren. Anfänglich gab es große Sorgen, ob denn da überhaupt die notwendigen Mittel zur Verfügung stehen werden. Ich kann Ihnen sagen: Mit 5 Millionen Euro können wir auch die unabhängige und professionelle Vertretung im Bereich des Fremden- und Asylwesens ausfinanzieren.

Das Gleiche gilt für die Datenschutzbehörde. Wie oft habe ich in diesem Jahr gehört, dass die Datenschutzbehörde dringend Personal benötigt, und wie oft wurde gesagt, dass bei den vielen, vielen Verfahren, die bei der Datenschutzbehörde anhängig sind,


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nichts weitergeht, weil einfach nicht ausreichend Personal da ist? – Ich kann Ihnen berichten, dass wir für das Jahr 2021 die Planstellen der Datenschutzbehörde um 15 Prozent aufgestockt haben.

Ebenso haben wir die Pauschalvergütung der Rechtsanwälte erhöht; eine sehr wichtige Einrichtung, wie man feststellt, wenn man sich die Verfahrenshilfe anschaut. Die Ver­fahrenshilfe besteht für all jene, die es sich eben nicht leisten können, einen Anwalt in Anspruch zu nehmen, die es sich eben nicht leisten können, ihr Recht durchzusetzen. Da kommen durch die Verfahrenshilfe die Anwälte zum Einsatz, und dafür gebührt ihnen eine Pauschalvergütung, die wir jetzt nach längerer Zeit endlich valorisiert haben und um 3 Millionen Euro erhöhen.

Ein weiteres wichtiges Projekt, das auch erwähnt wurde, ist die Digitalisierung in der Justiz. Justiz 3.0 wird immer wieder in den Mund genommen, jeder weiß aber, dass das Geld kosten wird, wenn wir wirklich die gesamte Justiz, die Staatsanwaltschaft, auch die Bezirksgerichte, die Landesgerichte, betrachten, wenn wir einen volldigitalisierten Akt haben wollen. Ich sage Ihnen: Ich bin bereit, dieses Geld zu investieren, weil es einfach wichtig ist, dass die Justiz volldigitalisiert arbeiten kann. Gerade in Zeiten der Krise hat man gesehen, wie enorm wichtig eine digitale Justiz ist. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Jetzt komme ich zu einer meiner Schwerpunktaufgaben, die ich ja auch seit Beginn meiner Amtsperiode immer wieder angekündigt habe: zum Maßnahmenvollzug. Sie wissen, der Maßnahmenvollzug gehört eigentlich schon lange reformiert, aber es fehlt einfach an Geld. Wir können mit diesem Budget jetzt auch einige wichtige Schritte setzen, um den Maßnahmenvollzug zu reformieren.

Es wird das Forensische Zentrum Asten um weitere 100 Plätze ausgebaut. Das ist deswegen notwendig, weil wir gerade im Maßnahmenvollzug aus allen Nähten platzen und eigentlich die Kapazitäten schon längst überschritten haben.

Ebenso wird es zusätzliches Betreuungspersonal geben. Um circa 60 Personen wollen wir da erhöhen, damit wir endlich gemeinsam weitere Schritte gehen können, um den Maßnahmenvollzug zu reformieren.

In diesem Zusammenhang steht natürlich auch die Erhöhung der Gebühren der psychi­atrischen Sachverständigen. Wir wissen, wie wichtig die Qualität der psychiatrischen Sachverständigen ist, denn sie entscheiden letzten Endes, ob jemand in den Maßnah­men­vollzug kommt oder nicht. Sie entscheiden darüber, ob jemand zurechnungsunfähig oder zurechnungsfähig ist, oder zumindest bereiten sie die Grundlage für das Gericht vor. Eine professionelle Begutachtung ist deswegen essenziell, und deswegen werden wir auch da die Gebühren erhöhen, die seit dem Jahr 2007 nicht valorisiert wurden. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ebenso wird im Bereich der Bewährungshilfe erhöht. Die Abgeordneten haben es ja schon erwähnt, die Bewährungshilfe wird um rund 2,3 Millionen Euro aufgestockt, denn eine professionelle und engmaschige Bewährungshilfe, die dazu beiträgt, dass Men­schen resozialisiert werden, wieder in die Gesellschaft integriert werden, ist essenziell und wichtig für eine sichere Gesellschaft, aber auch für die Entlastung der Justiz­anstalten, denn je geringer die Rückfälligkeitsrate ist, umso mehr werden auch die Justizanstalten entlastet.

Covid wurde auch angesprochen. Auch für Covid-Maßnahmen haben wir in diesem Budget bereits Mittel im Ausmaß von 4,4 Millionen Euro zur Verfügung.

Man kann aber natürlich mit diesem Budget nicht alle Bereiche abdecken, in denen in den letzten zehn Jahren eingespart wurde, man kann nicht alles abdecken, was man gerne vorantreiben möchte, und so ist ein Wermutstropfen die fehlende Erhöhung der


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Dolmetschgebühren. Ich kann Ihnen nur versichern, dass ich weiß, welch unglaublichen Einsatz die Dolmetscherinnen und Dolmetscher leisten und wie wichtig der Einsatz der DolmetscherInnen in einem Verfahren, in der Justiz ist. Daher gebührt den Dolmet­sche­rinnen und Dolmetschern mein allergrößter Dank, und ich werde mich mit Sicherheit in Zukunft weiterhin dafür einsetzen, dass wir eine Erhöhung ihrer Gebühren sicherstellen, so wie wir es im Regierungsprogramm vorgesehen haben. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Abschließend: Wie Sie sehen, gibt es im Justizteil zahlreiche Erfolge zu verbuchen, die es der Justiz ermöglichen, ihre für die Gesellschaft so zentrale Rolle auch weiterhin auszuüben. Ich freue mich, dass wir dieses Jahr eine Erhöhung zustande gebracht haben. Ich freue mich, dass jeder Einzelne sich dafür eingesetzt hat, und da gebührt mein herzlicher Dank den Beamtinnen und Beamten meines Hauses, insbesondere den Beamten der Präsidialsektion, welche mich in den Budgetverhandlungen, aber auch im Ausschuss ausgezeichnet unterstützt haben. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie der Abg. Krisper.)

22.01


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Bürstmayr. – Bitte.


22.02.03

Abgeordneter Mag. Georg Bürstmayr (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Justizministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Kollege Stefan war vor mir schon so freundlich, viele Bereiche aufzuzählen, in denen es zu Verbesserungen im Budget gekommen ist, und manche, in denen es vielleicht noch mehr geben könnte. Auch die Justizministerin war so offen und ehrlich, darzustellen, wo es Verbesserungen gegeben hat und wo wir noch Nachholbedarf haben.

Ich möchte heute auf eine Gruppe im Rechtsstaat eingehen, der ich auch angehöre, nämlich die Anwaltschaft, die ja, könnte man meinen, sich mit diesem Budget ordentlich etwas dazuverdient, beträgt doch jetzt die Pauschalabgeltung für die Verfahrenshilfen 3 Millionen Euro mehr.

Nun zunächst, um das einzuordnen: Die Anwaltschaft erbringt mittlerweile Leistungen im Bereich der Verfahrenshilfe im Umfang von circa 40, vielleicht 42 Millionen Euro. Diese werden seit 14 Jahren mit dem unveränderten Betrag von 18 Millionen Euro pau­schal abgegolten, jetzt sind es 21 Millionen Euro. Wir haben also eine Abgeltung der Verfahrenshilfeleistungen gerade einmal zur Hälfte. Den Rest erbringen wir, wie das so schön heißt, pro bono, und das durchaus aus Überzeugung, denn es ist Ehrensache in der Anwaltschaft, dass ein verfahrensbeholfener Klient genauso anständig, gut und fachkundig vertreten wird, wie wenn er jede einzelne Stunde zahlen würde. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die Anwaltschaft sieht sich oft der Kritik ausgesetzt, sie führe zu längeren Verfahren; sie sei immer so einseitig und verträte immer die bösen Straftäter. In Wahrheit ist es aber so: Die freie und unabhängige Anwaltschaft ist ein Eckpfeiler unserer Demokratie (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP) und es ist unser aller Aufgabe, dafür zu sorgen, dass sie es bleibt. Dort, wo Anwältinnen und Anwälte nicht mehr aus­schließlich dem Interesse ihrer Klientinnen und Klienten verpflichtet sind, sondern an irgendeine Objektivität oder gar an staatliche Interessen oder staatliche Weisungen gebunden sind, endet der demokratische Rechtsstaat.

Ich möchte das hier an dieser Stelle deshalb betonen, weil ich mich als Grüner immer für diese freie und unabhängige Anwaltschaft einsetzen werde. Wir wissen nicht, wie


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lange wir noch mitregieren, vielleicht sind wir in der nächsten Legislaturperiode – und wir wissen auch nicht einmal, wann die beginnt – wieder in Opposition, aber ich bitte das gesamte Hohe Haus: Achten Sie darauf, dass diese Anwaltschaft eine tragende Säule bleibt! Die bleibt sie nur dann, wenn sie frei und parteiisch sein darf. – Danke fürs Zuhören. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

22.05


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Becher. – Bitte.


22.05.47

Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Justizministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Budget im Justiz­bereich ist einmal mehr ein Stopfen von Löchern. Das müsste aus unserer Sicht besser budgetiert sein, und das leistet die Regierung nicht. Was sich die Regierung aber leistet, ist ein veraltetes Mietengesetz, das zu reformieren sich die ÖVP weigert.

Dieses veraltete Mietrecht sorgt dafür, dass in einem einzigen Haus bis zu 20 unter­schiedliche Rechtsgrundlagen möglich sind, es kennen sich die MieterInnen nicht mehr aus, und auch Juristen haben es oft sehr schwer, da durchzublicken. Das Zuschlag­system ist so schlecht, dass Rechtsstreitigkeiten durch viele Instanzen gehen; ich kenne Fälle, in denen dann jede Instanz anders über die Miethöhe entscheidet.

Ist in diesem Budget Vorsorge getroffen, dass es künftig schneller geht? – Nichts dergleichen. In diesem Haushalt ist keine einzige zusätzliche Planstelle für Richterinnen und Richter vorgesehen.

Das Mietrecht erfüllt die Aufgabe nicht, die Mieten günstig und niedrig zu halten. Jeder fünfte Mieteuro ist ein Spekulationseuro, und es ist von der Oesterreichischen National­bank bestätigt, dass viel zu hohe Mieten eingehoben werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Viele Abgeordnete hier im Haus wollen das Mietrecht verbessern, stoßen Verbes­se­rungen an, und die Vorschläge liegen alle zur Beratung im Bautenausschuss. Aber wissen Sie, wie viele Sitzungen des Bautenausschusses wir in diesem Jahr gehabt haben? – Keine einzige! (Oh-Rufe bei der SPÖ.) Es gab keine einzige Sitzung des Bautenausschusses! Die Regierung arbeitet nicht, sondern sie schaut zu, wie die Mieten in diesem Bereich explodieren.

Bis Jahresende müssen die Menschen, die Mietzinsstundungen in Anspruch genommen haben, ihre Mieten plus 4 Prozent Verzugszinsen zurückzahlen. Was kommt danach, was kommt nach dem 31.12.? – Nichts; da sind keine Maßnahmen vorgesehen. Es kommt nicht der Sicher-Wohnen-Fonds, den ich vorgeschlagen habe, es kommt nicht das Universalmietrecht, das jeder versteht und das die Mieten günstiger und billiger machen würde, und es kommt auch nicht zu einer Anhebung der Wohnbauförde­rungs­mittel, um durch den Bund zusätzliche Sozialwohnungen zu bauen.

Diese Regierung fährt den österreichischen Wohnungsmarkt sehenden Auges gegen die Wand, und ich appelliere an Sie, Frau Justizministerin: Werden Sie in diesem Bereich tätig! – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

22.08


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Singer. – Bitte.


22.08.45

Abgeordneter Johann Singer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundes­minister! Geschätzte Damen und Herren! Kollege Stefan hat heute schon den Bundes­minister außer Dienst Clemens Jabloner angesprochen. Ich darf auf seinen Wahrneh­mungsbericht replizieren, den er zum Thema notwendige Ausgabenhöhe für die Justiz


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gemacht hat. Er hat damals in diesem Bericht festgestellt, dass für das Jahr 2020 1 732,6 Millionen Euro für die Finanzierung des laufenden Betriebes notwendig sind.

Ich darf festhalten, dass mit dem Bundesbudget für 2020 dieser Betrag erreicht wurde, und darf weiter feststellen, dass für 2021 eine Steigerung von 65,8 Millionen Euro gegenüber dem Vorjahr vorgesehen ist. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Was wurde und was wird damit erreicht? – Wir kennen die Zahlen. Im Jahr 2020 konnten zusätzlich 295 Planstellen geschaffen werden, und mit dem zusätzlichen Betrag von 65,8 Millionen Euro gegenüber dem Vorjahr wurde eine Reihe von Maßnahmen bud­getiert, die ich nicht zu wiederholen brauche  die Frau Bundesministerin hat sie schon im Detail angeführt. Wichtig ist für mich, sehr geehrte Damen und Herren, dass mit all diesen Maßnahmen eine unabhängige Gerichtsbarkeit sichergestellt und die Rechts­sicher­heit gestärkt wird.

Sehr geehrte Damen und Herren, als Bautensprecher der ÖVP darf ich die Diskussion über den Justizbereich nutzen, um auch wohnrechtliche Themen aus dem Aufgaben­bereich der Justiz anzusprechen. Wir haben im Regierungsprogramm mit unserem Koalitionspartner, den Grünen, eine Novellierung und Modernisierung des Wohnungs­eigentumsgesetzes vereinbart. Ein paar Punkte darf ich herausgreifen, zum Beispiel, dass notwendige Erhaltungsmaßnahmen besser durchgesetzt werden. Auch das Thema Modernisierung hat eine wichtige Zielsetzung. Maßnahmen wie eine Anpassung der Zustellvorschriften und Zustimmungsvoraussetzungen oder die Erleichterung der Be­schlussfassung mit der Schaffung von neuen Mehrheitsverhältnissen, natürlich unter Wahrung berechtigter Minderheitsrechte, aber natürlich auch unter Einbeziehung der Kostentragung, sind geplant. Damit werden für die einzelnen Eigentümer Erleichterun­gen geschaffen. Ich denke da zum Beispiel an die Errichtung privater Elektrotankstellen, Fotovoltaikanlagen oder auch eine behindertengerechte Ausgestaltung, die damit ein­facher ermöglicht werden soll.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich bin davon überzeugt, dass die Novelle des Woh­nungseigentumsgesetzes in absehbarer Zeit dem parlamentarischen Prozess zugeführt werden kann und die Modernisierung dieses Gesetzes bald für die betroffene Bevölke­rung spürbar wird. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

22.12


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schrangl. – Bitte.


22.12.30

Abgeordneter Mag. Philipp Schrangl (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Ich möchte meine Rede mit einem Zitat aus einer Rede beginnen, die hier vor einigen Jahren gehalten wurde. Vielleicht kommen Sie drauf, wer sie gehalten hat. Zitatbeginn:

„Nur ein Bereich hat gar nichts bekommen, und das ist der Strafvollzug. Kein Cent dieser Sicherheitsoffensive geht in den Strafvollzug, obwohl dort massiver Handlungsbedarf besteht. Gerade auch unter dem Gesichtspunkt Syrienrückkehrer und Dschihadismus ist dringender Handlungsbedarf gegeben, weil wir dort eine Personengruppe haben, der man erhöhte Aufmerksamkeit widmen muss – Stichwort Radikalisierung –, nämlich indem man Deradikalisierungsarbeit und Präventionsarbeit leistet, damit die Gefängnisse nicht zum Hotspot von Dschihadisten werden.“

Erraten Sie es, wer es gesagt hat? – Es war kein Freiheitlicher, sondern der langjährige grüne Justizsprecher Mag. Albert Steinhauser zum Budget 2016.


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Das Zitat geht weiter: „Das hat man komplett vergessen!“ – Ja, das hat man vergessen. Welche Folgen dieses Vergessen hatte, muss ich, glaube ich, hier und heute nicht mehr aufwärmen, wir wissen es alle.

Der zuständige Minister damals war, wie die Ministerin vor ihm und der Minister nach ihm, von der ÖVP, also ist diese Kindesweglegung, die die Bundesregierung in den letzten zwei Wochen gemacht hat, geradezu lächerlich. Die ÖVP ist schuld an dieser Misere. Die ÖVP ist politisch dafür verantwortlich, dass junge Männer in Österreichs Gefängnissen radikalisiert werden, und die ÖVP ist politisch dafür verantwortlich, dass sie nicht daran gehindert werden oder wurden.

Nun, Frau Kollegin Zadić von den Grünen, sind Sie Justizministerin und für dieses Budget verantwortlich. Daher wollte ich Ihnen dieses Zitat des langjährigen Justizsprechers Ihrer Fraktion mitgeben. Beherzigen Sie es und holen Sie sich neue Expertisen in diesem Bereich – und übrigens auch in dem von Ihnen angesprochenen Maßnahmenvollzug, gerade im Hinblick auf die Justizanstalt Asten! Die alten von der ÖVP haben nämlich nichts bewirkt, und in Zukunft werden Sie an den Taten ehemaliger Gefängnisinsassen gemessen werden. (Beifall bei der FPÖ.)

22.15


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Fischer. – Bitte.


22.15.07

Abgeordnete Mag. Ulrike Fischer (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Dieses Budget ist ein Gegenwarts- und ein Zukunftsbudget und sicher kein Vergangenheitsbudget. Ich denke, wir sollten da die Macht der großen Schritte und die Macht der kleinen Schritte sehen. Es ist im Gesamten ein großartiges Justizbudget: 65,8 Millionen Euro für die Justiz. Das ist ein großartiger Verhandlungserfolg. Vielen Dank an dieser Stelle an unsere Justizministerin.

Ich freue mich aber ganz besonders, dass wir auch im Bereich des Datenschutzes eine entsprechende Dotierung vorgesehen haben. Fast 4 Millionen Euro für den Datenschutz bedeuten eine Steigerung um 35 Prozent. Das ist wichtig, denn Datenschutz ist Rechts­schutz, ist Konsumentenschutz. Die erfolgreiche Chronologie begann meiner Meinung nach am 1.1.2014 mit der Schaffung der unabhängigen Datenschutzbehörde, früher Datenschutzkommission. Am 25.5.2018 haben wir die Datenschutz-Grundverordnung umgesetzt.

Ja, das Thema klingt jetzt sperrig, aber in Wirklichkeit sind wir alle jeden Tag mit Daten­schutz konfrontiert. Wenn wir Probleme haben, wenn wir nicht wissen, ob unsere Daten gespeichert worden sind, ob sie gerade verkauft werden, welche Geheimhaltung wir haben, welche Möglichkeiten, dass Daten gelöscht werden, dann braucht es eine zentrale Stelle, die unabhängig arbeitet und wo Beschwerden entsprechend behandelt werden können. Dafür ist dieses Budget wichtig. Mit diesem Budget gibt es ab jetzt 44 Planstellen, das bedeutet für die Datenschutzbehörde sieben Planstellen mehr. Das ist ein großer Erfolg.

Um ein konkretes Beispiel herauszugreifen: Es können sich vielleicht alle an Folgendes erinnern – wie beschreiben wir es? –: Die Post AG hat unsere Daten genommen – das waren die Adresse, der Beruf und noch andere Daten – und die wurden zu Marketing­zwecken weiterverkauft. Das war natürlich nicht rechtmäßig und dafür mussten 18 Millio­nen Euro bezahlt werden. Wir alle hatten die Möglichkeit, zu erfahren, ob unsere Daten verarbeitet wurden oder nicht.

Datenschutz ist im Sinne des Rechtsschutzes wichtig. Es ist für uns alle eine große Errungenschaft, dass die Datenschutzbehörde so ausgestattet ist, denn besserer


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Datenschutz ist besserer Rechtsschutz. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abge­ordneten der ÖVP.)

22.18


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Drobits. – Bitte.


22.18.25

Abgeordneter Mag. Christian Drobits (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Ohne Ihren Erfolg und Ihre Leistung zu schmälern, Frau Minister, möchte ich mich bei Dr. Clemens Jabloner für diesen Wahrnehmungsbericht bedanken, weil er die Grundlage dafür geschaffen hat, dass wir wirklich feststellen konnten, dass es die letzten Jahre Budgetüberschreitungen von bis zu 92,8 Millionen Euro gegeben hat, die nunmehr in den letzten beiden Jahren, insbesondere auch im Budget 2021, wieder aufgeholt werden konnten.

Wie bereits besprochen bedeuten diese insgesamt 65,8 Millionen Euro, die nunmehr im Budget zusätzlich veranschlagt sind, einige Planstellen mehr. Es ist ein großer Erfolg. Es ist auch dahin gehend ein Erfolg, dass man sagen muss, dass auch in den Bereichen jetzt wirklich etwas gemacht werden kann. Wovor ich aber warne, ist, dass die Nach­haltigkeit nicht gesichert ist, weil in den Jahren bis 2024 dann kleinere Brötchen gebacken werden. Deshalb glaube ich auch, dass das Budget unter dem Motto: Kleine Schritte, große Hoffnung! – wie es das SOS-Kinderdorf hat –, gesehen werden muss.

Sehr positiv empfinde ich aus Sicht des Datenschutzsprechers, wie Sie auch angemerkt haben, dass der Datenschutz stark hervorgehoben wurde. Sie haben um 15 Prozent auf­gestockt, was Sie mir gegenüber nach meiner Forderung auch versprochen haben. – Gefordert, geliefert, da muss ich Ihnen Lob zollen. Gleichzeitig haben Sie auch legis­tische Stellen, Planstellen im Justizbereich geschaffen, Sie haben die Zahl der Verwal­tungspraktikanten und der Lehrstellen aufgefettet. Eine Kritik oder eine Herausfor­derung, die sich stellt, ist nur: Sie sollten auch schauen, dass diese Datenschutzbehörde und der Datenschutzbestandteil im Justizministerium nicht als Fremdkörper gesehen werden, sondern integriert werden, damit kein Nebeneinander, sondern ein Miteinander besteht.

Ein Punkt zur Bewährungshilfe: Die 2,3 Millionen Euro Aufstockung im Jahr 2021 sind eine gute Maßnahme. Ich denke mir, das wird wichtig sein, um zu garantieren, dass die Wiedereingliederung von straffälligen Tätern möglich gemacht wird. Das ist effizient und professionell. Ich warne aber davor, dass weitere Schritte im Bereich des Maßnah­men­vollzuges gesetzt werden müssen – Sie haben es geschildert. Ich behaupte, der derzeitige Zustand ist katastrophal, ich behaupte auch, dass Gefahr im Verzug besteht, um in der Juristensprache zu sprechen. Ich würde auch meinen, dass die Reform drin­gend erforderlich ist. Gleichzeitig ist auch eine Reform der Deradikalisierung notwendig.

Ich bitte Sie, diese zwei Vorhaben zu unterstützen. Meine und unsere Rückendeckung spüren Sie weiterhin, wie auch wie beim Thema Datenschutz – und ich glaube, wir können es gemeinsam packen. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

22.21


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Stocker. – Bitte.


22.21.16

Abgeordneter Dr. Christian Stocker (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bun­desministerin! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 316

bevor ich zur Justiz komme, ein paar allgemeine Bemerkungen zum Budget zu machen: Die Zeit ist zwar schon fortgeschritten, da wir aber heute hier durchaus Emotionales gehört haben, nämlich dass dieses Budget quasi zu schreddern wäre oder eine Farce sei, möchte ich schon Folgendes anmerken: Es ist ja nicht nur so, dass dieser Haushalt im Bund erstellt wird, sondern es ist auch in den Landtagen, in den Gemeinden die Zeit, in der die Haushalte erstellt und beschlossen werden. So richtig und so falsch, wie dieses Bundesbudget ist, sind auch alle anderen Budgets, die in dieser Zeit den Gebiets­kör­perschaften zur Beschlussfassung vorliegen.

Da Herr Kollege Kollross, den ich jetzt nicht sehe, vermeint, dass das Budget hier zurück­zustellen wäre, würde ich ihm empfehlen, wenn er sein Budget noch mit ordentlichem und außerordentlichem Haushalt beschließen will, dass er das zurückstellen und ein wenig überdenken sollte, weil seit dem Vorjahr die Gemeinden eine Finanzierungs- und eine Ergebnisrechnung vorzulegen haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Das heißt, die Bundesregierung hat das Bestmögliche in dieser schwierigen Situation der Coronapandemie getan. Auch das Bundesministerium für Justiz, sehr geehrte Frau Bundesministerin, hat das Beste für die Justiz getan, was in dieser Situation möglich war. Was meine ich damit? – Wir haben eine Budgeterhöhung, die wir hier ja schon besprochen haben und die meine Vorredner angeführt haben. Insgesamt stehen der Justiz für das Jahr 2021 1,8 Milliarden Euro zur Verfügung, das sind rund 66 Millionen Euro mehr als im Vorjahr und entspricht einer Steigerung von 3,8 Prozent. Im Vergleich muss man da auch berücksichtigen, dass auch für das Jahr 2020 bereits eine Steigerung von 4,4 Prozent Platz gegriffen hat. Es gibt eine Erhöhung um 28 Planstellen. Das alles ist etwas, was die Gerichtsbarkeit unterstützt.

Das möchte ich hier an dieser Stelle schon auch ausführen: Diese Gerichtsbarkeit leistet im Allgemeinen und im Feld der gesamten Arbeit, die zu leisten ist, hervorragende Arbeit, sowohl die ordentlichen Gerichte als auch die Staatsanwaltschaften und der Strafvoll­zug. Mit diesem Budget ist gewährleistet, dass die Justiz auch in Zukunft ausreichend dotiert ist, sodass sie nicht nur keinen stillen oder anderen Tod stirbt, sondern auch in Zukunft sehr vital sein wird, vor allem im nächsten Jahr. – Vielen Dank, Frau Bundes­ministerin. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

22.24


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Lausch. – Bitte.


22.24.17

Abgeordneter Christian Lausch (FPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Das Budget 2021: Null Justizwachebeamte mehr. Ich gratuliere, Frau Bundesministerin! Es ist eine Enttäuschung, da sieht man, was die Beteuerungen von Schwarz-Grün wert sind. Die Justizwache ist Ihnen wichtig, die Justizwache wird unterstützt – das ist nicht einmal das Papier wert. Keine einzige Planstelle gibt es 2021 mehr.

Aus diesem Grund bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „bessere bud­getäre und personelle Ausstattung der Justizwache“

Der Nationalrat wolle beschließen:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 317

„Die Bundesministerin für Justiz wird aufgefordert, dem Nationalrat ein

Maßnahmenpaket für die Justizwache vorzulegen, das folgende Kernpunkte enthält:

- Mehr Planstellen: Die Sicherheit in den Justizanstalten muss durch Personalauf­stockung der Bediensteten der Justizwache erhalten bleiben.

- Bessere budgetäre Ausstattung: Das Budget hat so ausgerichtet zu sein, dass ein Mehr an Planstellen und Ausrüstung für die Justizwache nicht zu Einsparungen in anderen Bereichen in der Justiz führt.

- Schutz der Privatsphäre: Es ist ein medienrechtlicher Schutz der Privatsphäre der Be­diensteten einzuführen. Wird bei Eingriffen in die Privatsphäre von Bediensteten, insbe­sondere bei Justizwachebeamten, durch Veröffentlichungen verletzt, kann der Dienst­geber im Wege der Finanzprokuratur die Ansprüche der Betroffenen geltend machen.

- Anerkennung der Justizwache: Die Bediensteten der Justizwache dürfen nicht durch Zivilpersonen ersetzt werden, sondern müssen vielmehr im Sinne der Vollzugszwecke gestärkt werden. Der Beruf des Justizwachebeamten ist kein Betreuungsberuf, die Beamten sind keine Sozialarbeiter, sie erbringen Sicherheitsleistungen.

- Haft in der Heimat: Das Konzept ‚Haft in der Heimat‘ ist durch bilaterale Überein­kommen und konsequente Anwendung der bestehenden multilateralen Übereinkommen zu forcieren.“

*****

Das, glaube ich, wäre ein wichtiger Entschließungsantrag, auch für Sie, Frau Bundes­ministerin, denn damit wäre noch zu retten, was zu retten ist. Wenn Sie sagen, Plan­stellen kosten Geld – ja, das ist richtig, das wissen wir auch –, dann können wir Ihnen einen guten Tipp geben, woher Sie das Geld nehmen können. Es gibt diesbezüglich schon zahlreiche Pressemeldungen (Schriftstücke in die Höhe haltend): „Krankenver­sicherungen für Häftlinge: Ein Wiedergänger“, „Plan von ÖVP-FPÖ, aber auch von SPÖ-ÖVP“; weiters schreiben nicht wir, sondern der ORF, nämlich schon am 17.1.2020: „Zwei grüne Ressorts zuständig“. Jetzt frage ich mich, wo die Problematik liegt, dass Sie mit Kollegen Anschober in dieser grünen Angelegenheit endlich einmal Verhandlungen auf­nehmen, dass endlich der Privatpatient Häftling, Insasse wegfällt und die Insassen in die Österreichische Gesundheitskasse überführt werden.

Diese Problematik zu lösen war noch nie so einfach. Natürlich wird aber nicht der Ge­sundheitsminister an Sie herantreten, sondern das wäre Ihre Aufgabe, an den Gesund­heitsminister heranzutreten. Jetzt ist das in einer Hand, aber es klappt auch nicht. Wir sind damals an ÖVP-Minister Moser gescheitert. Wir wollten das sehr wohl, Ihren Vor­gänger Moser hat das nicht interessiert. Deshalb ist halt nichts geschehen und nichts passiert. Das wäre ganz, ganz zwingend notwendig.

Aus diesem Grund bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Einbeziehung der Insassen von Justizanstalten in die gesetzliche Krankenversicherung“

Der Nationalrat wolle beschließen:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 318

„Die Bundesregierung wird ersucht, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, welche die Einbeziehung der Insassen von Justizanstalten in die gesetzliche Kranken­ver­sicherung vorsieht.“

*****

Auch dieses Thema wäre wichtig und ist schon längst überfällig, denn da liest man nur „Zwist um hohe Arztkosten für Häftlinge“, „Häftlinge: Kosten für Behandlung auf Rekord-Hoch“, „Medizin hinter Gittern immer teurer“. Frau Bundesministerin, machen Sie etwas in diese Richtung!

Dann hätte ich noch ein zentrales Anliegen, da haben Sie als Abgeordnete mitgestimmt: Ich bringe Ihnen noch einen Entschließungsantrag betreffend „Ermöglichung des Zu­gangs zur Schwerarbeiterregelung für Justizwachebeamte“ vom 3. Juli 2019 in Erin­nerung – Sie lachen, die Justizwachebeamten finden es nicht ganz so lustig. Vier Parteien und Sie als Abgeordnete der Liste JETZT haben da mitgestimmt. Da steht nur drinnen: „Die Bundesregierung wird ersucht, schnellstmöglich die entsprechenden rechtlichen Rahmenbedingungen zu schaffen“.

Frau Bundesminister, halten Sie die Zeitspanne vom 3. Juli 2019 bis zum heutigen Tag im Jahr 2020 aus Ihrer Sicht für „schnellstmöglich“? Ich frage Sie im Namen der Justiz­wache. Null Planstellen mehr ist halt dramatisch. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

22.29

Die Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Lausch, Mag. Stefan

und weiterer Abgeordneter

betreffend bessere budgetäre und personelle Ausstattung der Justizwache

eingebracht in der 62. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 17. November 2020 im Zuge der Debatte zu TOP 11, Bericht des Budgetausschusses über die Regierungs­vorlage (380 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2021 (Bundesfinanzgesetz 2021 – BFG 2021) samt Anlagen (449 d.B.) – UG13

Zur Zahl der Insassen und Untergebrachten schreibt der Budgetdienst des Parlaments:

Die Anzahl der Insassen und Untergebrachten ist bis 2016 auf 8.610 gesunken, seit 2017 steigen die Zahlen wieder deutlich an und erreichten auch 2019 mit 9.060 wieder einen hohen Wert. Aufgrund der Gewährung von Aufschüben zum Antritt der Strafhaft als Sicherheitsmaßnahme in Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie konnte die Anzahl im April 2020 auf 8.667 und im September 2020 weiter auf 8.561 gesenkt werden. Dies wird allerdings nur ein vorübergehender Effekt sein, weshalb von einem erneuten Anstieg auszugehen ist. Budgetär wird es somit nur zu geringen Einsparungen kommen, zumal der Anteil an fixen Kosten im Strafvollzug sehr hoch ist.

Nach der marginalen Erhöhung von 28 Personen im Exekutivdienst im aktuellen Jahr, ist für das kommende Jahr keine neue Planstelle vorgesehen:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 319

Quelle: Budgetdienst des Parlaments.

Laut Wahrnehmungsbericht des Bundesministers für Verfassung, Reformen, Deregulie­rung und Justiz Dr. Clemens Jabloner vom 11. November 2019 wären aller-dings 250 zusätzliche Justizwachebeamte notwendig.

Daher stellen die unterzeichnenden Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Justiz wird aufgefordert, dem Nationalrat ein

Maßnahmenpaket für die Justizwache vorzulegen, das folgende Kernpunkte enthält:

•             Mehr Planstellen: Die Sicherheit in den Justizanstalten muss durch Personalauf­stockung der Bediensteten der Justizwache erhalten bleiben.

•             Bessere budgetäre Ausstattung: Das Budget hat so ausgerichtet zu sein, dass ein Mehr an Planstellen und Ausrüstung für die Justizwache nicht zu Einsparungen in anderen Bereichen in der Justiz führt.

•             Schutz der Privatsphäre: Es ist ein medienrechtlicher Schutz der Privatsphäre der Bediensteten einzuführen. Wird bei Eingriffen in die Privatsphäre von Bediensteten, insbesondere bei Justizwachebeamten, durch Veröffentlichungen verletzt, kann der Dienstgeber im Wege der Finanzprokuratur die Ansprüche der Betroffenen geltend machen.

•             Anerkennung der Justizwache: Die Bediensteten der Justizwache dürfen nicht durch Zivilpersonen ersetzt werden, sondern müssen vielmehr im Sinne der Vollzugs­zwecke gestärkt werden. Der Beruf des Justizwachebeamten ist kein Betreuungsberuf, die Beamten sind keine Sozialarbeiter, sie erbringen Sicherheitsleistungen.

•             Haft in der Heimat: Das Konzept "Haft in der Heimat" ist durch bilaterale Über-einkommen und konsequente Anwendung der bestehenden multilateralen Übereinkom­men zu forcieren."

*****

Entschließungsantrag

Des Abgeordneten Lausch

und weiterer Abgeordneter


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 320

betreffend Einbeziehung der Insassen von Justizanstalten in die gesetzliche Kranken­versicherung

eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 11, Bericht des Budget­ausschusses über die Regierungsvorlage (380 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2021 (Bundesfinanzgesetz 2021 – BFG 2021) samt Anlagen (449 d.B.), Untergliederung UG 13 – Justiz, in der 62. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 17. November 2020

Insassen von Justizanstalten sind – sieht man von der Arbeitslosenversicherung für arbeitende Häftlinge ab – nicht sozialversichert. Die Kosten für ihre ärztliche Betreuung und medizinische Behandlung werden unabhängig von der Arbeitsleistung direkt vom Bund getragen. Ärzte und Krankenanstalten verrechnen dem Justizministerium den Tarif für unversicherte Privatpatienten, der deutlich über den von den Sozial­versiche­rungs­trägern eingehobenen Beiträgen liegt und in den letzten Jahren stets erhöht wurde.

An dieser massiven Geldverschwendung hat der Rechnungshof schon vor Jahren in seinem Bericht „Kosten der medizinischen Versorgung im Strafvollzug – Bund 2012/3" deutliche Kritik geübt und Einsparungsmöglichkeiten aufgezeigt. „Die Ausgaben für die medizinische Versorgung von Häftlingen stiegen von 29,34 Mill. EUR (2000) auf 73,76 Mill. EUR (2010). Im Durchschnitt betrugen die Ausgaben pro Häftling 2009 8.418 EUR und waren damit rund dreimal so hoch wie die laufenden öffentlichen Gesund­heits­ausgaben pro Kopf in Österreich.", ist weiters dem Bericht zu entnehmen.

Die Gesundheitsausgaben für die Insassen von Justizanstalten steigen trotz des in den letzten Jahren etwa gleichgebliebenen Gesamtbestandes an Insassen weiter-hin unge­bremst. Derzeit betragen sie nahezu 100 Millionen Euro.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird ersucht, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, welche die Einbeziehung der Insassen von Justizanstalten in die gesetzliche Kranken­versicherung vorsieht."

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die Entschließungsanträge sind ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und stehen somit mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Kugler. – Bitte.


22.30.04

Abgeordnete Dr. Gudrun Kugler (ÖVP): Herr Präsident! Liebe Frau Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zwei Punkte – es wurde vieles gesagt, aber ich darf noch zwei Sachen unterstreichen –:

Frau Minister, du hast in deiner Rede sehr klar über die Reform des Maßnahmenvollzugs gesprochen, und ich bin dir dafür auch sehr dankbar. Ich finde das sehr, sehr wichtig. Du hast auch erwähnt, dass die psychiatrischen Sachverständigengutachten besser finanziert, aber auch besser aufgestellt werden sollen. Ich habe einen Bericht der Volks­anwaltschaft aus dem Jahr 2019 – so alt ist er also nicht – gelesen, in dem die Probleme wirklich gut benannt werden. Ich lese nur einen Satz daraus vor:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 321

Die Gutachter nehmen sich „nicht ausreichend Zeit“, sagen die Betroffenen, „an einer einmal eingenommenen Position“ wird „unreflektiert“ festgehalten, „Neuerungen im Vollzugsverlauf“ werden „nicht hinreichend“ gewürdigt, es wird „unkritisch an Vorgut­achten“ angeknüpft, und es werden „textbausteinartig und phrasenhaft Formulierungen aus Vorgutachten“ übernommen. – Wie du richtig gesagt hast, hängen daran Leben und Schicksale, und darum ist es ganz wichtig, dass wir das sehr ernst nehmen.

Jetzt gibt es ein höheres Budget. Vielleicht kann man jetzt auch an Prognosekriterien arbeiten – in Deutschland haben wir das. Vielleicht kann man auch einen forensischen Lehrstuhl anregen, auch das würde im Hinblick auf die Qualität helfen. Die Mittel, die dafür vorhanden sind, können da sicher einen substanziellen Beitrag leisten.

Ein zweites Thema: Wir haben auch mehr Geld für Bewährungshilfe und mehr Geld für die Deradikalisierung. Es wurde mehrfach angesprochen, wie wichtig die Rolle der Gefängnisse in der Deradikalisierung ist und wie gefährlich die Gefängnisse aber auch in der Radikalisierung sind. Beides sind Themen, die wir uns gerade im Justizbereich unbedingt anschauen müssen. Es gibt auch Kritik, was die Arbeit von Bewäh­rungs­hilfevereinen und Deradikalisierungsvereinen betrifft: dass dort auch manchmal be­schönigt wird, dass man sehr mild vorgeht. Da, glaube ich, ist es ganz wichtig, dass klare Richtlinien und Vorgaben bekannt sind und sich alle daran halten.

Ich freue mich, dass im Antiterrorpaket auch ganz klare Maßnahmen vorgesehen sind. Kollege Schrangl, der diesbezüglich heute sehr viel an Besorgnis zum Ausdruck gebracht hat, kann da vielleicht einmal hineinschauen, und er wird sehen, dass das, was er sich wünscht, im Antiterrorpaket auch sehr gut und sehr intensiv vorgesehen ist.

Vielleicht noch einen letzten Gedanken, wenn wir schon über Deradikalisierung sprechen: Ich habe mich heute über eine Aussage einer Rednerin aus den Reihen der SPÖ sehr geschreckt. Ich habe nämlich vor zwei Stunden, während wir die UG 10 diskutiert haben, im Zusammenhang mit dem Terroranschlag vom 2. November gesagt: Wir werden unsere Freiheit und unsere Demokratie verteidigen. Daraufhin ist Kollegin Yılmaz herausgekommen und hat gesagt: Frau Kugler will Leute, die nach Österreich ein­wandern, erziehen. So geht das nicht. – Wenn das der Zugang der SPÖ ist und das jetzt der Zugang von Rot-Pink in Wien ist (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek), dann mache ich mir ganz, ganz große Sorgen um Wien. (Beifall bei der ÖVP.)

22.33


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Bayr. – Bitte.


22.33.35

Abgeordnete Petra Bayr, MA MLS (SPÖ): Herr Präsident! Frau Justizministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Recht auf eine gute Verdolmetschung von Verfahren ist in der EMRK verankert. Es gibt momentan ungefähr 4 000 Dolmetscherinnen und Dolmetscher, die bei Gerichten, Polizei, diversen Behörden, in Sachverständigen­ver­fahren et cetera dolmetschen und ihren Dienst tun, und nur ein Teil davon ist wirklich beeidet und gerichtlich zertifiziert.

Das Gebührenanspruchsgesetz regelt die Honorare. Für die erste halbe Stunde können die Dolmetscherinnen und Dolmetscher 24,50 Euro und für jede weitere halbe Stunde 12,40 Euro verrechnen, und ich denke mir, das ist sicherlich mit ein Grund, dass es zu wenig Gerichtsdolmetscherinnen und Gerichtsdolmetscher gibt: dass dieser Gebühren­satz seit 2007 nicht mehr erhöht worden ist, es keine Indexanpassung gibt und es auch bei anderen Pauschalierungen, zum Beispiel bei Rückübersetzungen nach Einver­nah­men bei der Polizei, wo dann, bevor das Protokoll unterschrieben wird, noch einmal in die Sprache zurückgedolmetscht wird, einen Satz von 20 Euro gibt, vollkommen egal, ob dieses Protokoll zwei Seiten oder 20 Seiten lang ist. Und eine Vorgangsweise gemäß


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 322

der Aufforderung: Na fassen Sie es halt zusammen!, ist dann eben nicht mehr EMRK-konform.

Ein anderes Problem ist, dass gerade jetzt in Zeiten von Covid sehr viele Sitzungen, sehr viele Verhandlungen sehr kurzfristig abberaumt worden sind und Dolmetscherinnen und Dolmetscher, die sich diesen Termin freigehalten haben, dann auf einmal keinen Auftrag mehr haben, aber auch keinen anderen annehmen konnten, was aber nicht abgegolten wird. Ein weiteres Problem ist, dass die DolmetscherInnen selbst innerhalb von 14 Tagen ihre Honorarnote stellen müssen, weil sie sonst verfällt, das Auszahlen des Honorars aber mitunter dauern kann, bis der Akt geschlossen ist, sprich bis der Prozess beendet ist – es kann also sein, dass sie jahrelang auf ihr Geld warten müssen.

Ich denke mir, wenn wir wirklich die EMRK erfüllen wollen, wenn wir wirklich hochwertige Gerichtsverfahren wollen, dann ist auch das hochwertige Dolmetschen ein Teil davon, dessen wir uns annehmen müssen, wofür wir auch ordentliche Gehälter oder ordentliche Honorare – ich will ja gar nicht unbedingt jemanden anstellen – zahlen müssen. Ich glaube, das muss es uns einfach wert sein. Ich hoffe – in diesem Budget ist das jetzt nicht der Fall, es wäre aber höchst an der Zeit –, dass vielleicht in einem übernächsten Budget dafür auch mehr Geld vorgesehen wird. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ.)

22.36


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Jachs. – Bitte.


22.36.26

Abgeordnete Mag. Johanna Jachs (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher, die zu so später Stunde noch die Ausdauer haben, uns zuzuschauen! Uns Juristinnen und Juristen wird ja oft nachgesagt, dass wir eine gewisse Detailverliebtheit und auch eine eigene Sprache haben. Wir JuristInnen sind es aber auch, die die Schnittstelle zwischen Gesetz, Recht und den Menschen draußen sind. Einige von Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, wissen ja, dass ich aktuell meine Gerichtspraxis am Bezirksgericht Freistadt absolviere – für die Budgetwoche habe ich mir übrigens Urlaub genommen –, ich bin also tagtäglich mit der Arbeit der Bezirksrichter und -richterinnen sowie auch der Kanzleibediensteten befasst.

Ich kann Ihnen garantieren, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Justiz wirklich dafür sorgen, dass für die Bürgerinnen und Bürger ein niederschwelliger Zugang zum Recht gegeben ist, vor allem auch in Krisenzeiten, denn Covid-19 hat auch die Justiz und die Gerichtsbarkeit vor Herausforderungen gestellt. Ich gebe Ihnen ein paar Stich­worte: Homeoffice versus IT-Ausstattung, Videoverhandlungen oder Verhandlungen per Whatsapp-Videotelefonie oder auch die Kontrolle der Absonderungsbescheide – das war eine unfassbare Menge, die auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zugekommen ist. Diese Dinge haben den Arbeitsalltag in der Praxis wirklich verändert.

Es ist unsere Antwort, mit dem Budget dafür zu sorgen, dass man auch in diesem Bereich gut aus der Krise und gut durch die Krise kommt, und ich bin davon überzeugt, dass die oder der eine oder andere durch Homeoffice-Erfahrung erlebt hat, dass Digi­talisierung, dieser träge, schwere Stein, etwas Wichtiges ist und dass dieser träge Stein vielleicht schneller ins Rollen kommt als gedacht. Es ist super, dass die Onlinejustiz in Zukunft ein Schwerpunkt sein wird, der digitale Akt aufgewertet wird und das im Budget Niederschlag findet.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte noch kurz auf das Thema des Erwach­senenschutzes eingehen, weil dieser mir jetzt in der Praxis ans Herz gewachsen ist. Ich freue mich, dass auch dieser Bereich mehr finanzielle Mittel erhalten wird, denn durch die Reform des Erwachsenenschutz-Gesetzes sind wirklich der Mensch und seine


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 323

Selbst­bestimmung in den Mittelpunkt gestellt worden. Ich glaube, darum geht es in der Justiz: dass wir die Institution den Bürgerinnen und Bürgern näherbringen, dass wir uns um den Menschen kümmern, auch in der Justiz und in der Gerichtsbarkeit. Das tun wir mit mehr Geld für Opferhilfe, Opferschutz, Bewährungshilfe und den Erwachsenen­schutz. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

22.39


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Fürlinger ist zu Wort gemel­det. – Bitte.


22.39.25

Abgeordneter Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP): Hohes Präsidium! Sehr geehrte Frau Minister! Ich kann mich noch erinnern, wie wir vor den Koalitionsverhandlungen gemein­sam auf die Reise geschickt worden sind und klare Hinweise bekommen haben, wo es denn in der Justiz fehlt und was notwendig ist – und das ist nicht juristisches Personal, und es ist eine ordentliche Dotierung für Digitales. Das waren unsere wesentlichen Themen.

Damals ist uns auch klar kommuniziert worden – das ist noch nicht so lange her –, dass es nicht an Staatsanwälten und nicht an Richtern mangelt, sondern eben im nicht juris­tischen und im digitalen Bereich – das konnten wir als Praktiker, das konnte ich als Anwalt auch da oder dort feststellen –, und wir haben das wirklich exzellent geschafft, das muss man sagen.

Wir haben schon jetzt mit dem Budget 2020 – wir haben darüber hinaus aber auch noch das Budget 2021 – die Aufgabe erfüllt. Mission completed, das kann man ganz simpel so sagen (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Jakob Schwarz), sodass es heute, wie ich glaube, keinen Grund zur Klage geben kann. Ich glaube auch nicht, dass es durch diverse Gesetzespakete, deren Grundtatbestände eigentlich sowohl im Zivilrecht als auch im Strafrecht in Abänderung immer vorhanden waren, noch großer neuer Personal­ressourcen bedarf.

Ich danke aber auch Kollegen Bürstmayr, und ich möchte für den Stand der Rechts­anwälte, für die ich auch hier heraußen stehe, in dasselbe Horn stoßen. Ich darf dazu sagen, dass die Rechtsanwaltschaft nicht nur ganz klar mit beruflicher Ernsthaftigkeit die Verfahrensbeholfenen kostenlos vertritt, auch einiges in der Erwachsenenvertretung macht, wo die Kostendeckung oftmals nicht gegeben ist, nein, sie hat in den letzten Monaten und Jahren auch viele staatliche Aufgaben übernommen.

Viele Dinge vor allem auch im digitalen Bereich sind ausgelagert worden, und die Rechtsanwaltschaft hat diese Investitionen gerne gemacht, das sollte aber auch hono­riert werden. Meine Damen und Herren, der Staat regelt über das Rechtsanwaltstarif­gesetz selbstverständlich auch die Tarifsätze und das, was Anwälte verdienen können und verdienen dürfen – sie tun dies in vielen Bereichen, bei geringen Streitwerten, die unser tägliches Brot sind, nicht in übermäßigem Ausmaß –, aber, und das ist das Einzige, was ich glaube, für die Anwälte sagen zu können: Wir werden irgendwann ein­mal wie bei allen anderen Dingen valorisieren, und irgendwann indexieren und anpassen müssen.

Das ist das, was uns, glaube ich, beim Justizbudget obendrauf noch fehlen würde: wenn wir es schaffen, dass wir das Rechtsanwaltstarifgesetz an die Wertverluste der letzten Jahre anpassen. Darum, um den Segen zu dieser Sache, würde ich Sie, Frau Bundes­ministerin, und uns alle noch bitten. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

22.42



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 324

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Abgeordnete Scharzenberger ist zu Wort gemel­det. – Bitte.


22.42.28

Abgeordnete Mag. Corinna Scharzenberger (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Mit­glieder der Bundesregierung! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Leider haben wir neben Corona auch mit einem anderen Virus zu kämpfen. Anders als das Coronavirus, das den Körper angreift, greift dieses Virus die Gedanken der Menschen an und infiziert sie mit Menschenverachtung und Hass, mit einer Einstellung gegen Demokratie, gegen Freiheit und gegen ein friedliches und tolerantes Miteinander.

Anfang des Monats hat dieses Virus des radikalen politischen Islams auch in Österreich die ersten Menschenleben gefordert – und es war nicht die Frage, ob das passieren würde, sondern wann. Der radikale politische Islam betrifft nicht nur Wien, sondern auch die Steiermark, nämlich Graz und auch meinen Heimatbezirk, den Bezirk Liezen. Auch in den Justizvollzugsanstalten müssen wir Maßnahmen setzen, damit aus Häftlingen keine Extremisten werden. Da sind wir auch im Hinblick auf das Wirkungsziel der Reintegration und der Rückfallprävention gefordert.

Ich bin froh, dass wir in Österreich eine derartig gut organisierte Polizei haben, sodass diese den Attentäter schon binnen weniger Minuten stoppen konnte. Traurigerweise waren für vier Menschen selbst diese wenigen Minuten zu viele. Wir werden nicht zulas­sen, dass die junge Generation mit islamistisch motivierten Terroranschlägen auf Un­schuldige aufwächst oder dass es für junge Menschen normal ist, dass jedes Jahr irgendwo in Europa Menschen von Anhängern einer extremistischen Ideologie ermordet werden.

Wir müssen aber auch ganz klar und deutlich hervorheben, dass es da nicht um einen Kampf gegen den Islam oder gegen Muslime geht. Es ist daher wichtig, den politischen, den radikalen Islam abzugrenzen. Toleranz heißt nicht, tolerant gegenüber der Intole­ranz anderer zu sein. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Bürstmayr.)

Österreich hat so schnell und entschlossen reagiert wie kein anderes Land, und dass das möglich ist, liegt an unserer Bundesregierung, vor allem aber an unserem Innen­minister, der es schafft, zusätzlich auch noch das Chaos, das ihm in manchen Bereichen von seinem Vorgänger hinterlassen wurde, zu beseitigen. (Beifall bei der ÖVP.) Nur, dass ein ehemaliger Innenminister interne Details einer laufenden Operation verrät und so die Sicherheit und das Leben der Polizistinnen und Polizisten massiv gefährdet (Zwischenruf bei der FPÖ), das ist an Inkompetenz nicht zu überbieten! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Hafenecker.)

Langfristig können wir dieses Problem nur lösen, wenn wir als Europa zusammenstehen und wenn wir entschlossen füreinander und für unsere Werte einstehen. Wir brauchen daher Rechtsgrundlagen, um die Täter, die Gefährder und vor allem diejenigen, die diese Ideologien verbreiten, angemessen zu bestrafen und die Menschen wirksam vor ihnen zu schützen.

Mit dem neuen Maßnahmenpaket – dem Maßnahmenvollzug, der elektronischen Auf­ent­haltsüberwachung bis hin zur Aberkennung der österreichischen Staatsbürger­schaft – ist schon ein wichtiger Schritt gelungen. Wir dürfen und wir werden nicht zulas­sen, dass dieses Virus unsere freie und tolerante Gesellschaft spaltet. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Litschauer.)

22.46


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Reiter. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 325

22.46.11

Abgeordnete Carina Reiter (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Bundesminis­terin! Geschätzter Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zu­schauerinnen und Zuschauer! Es gibt ein Plus im Justizbudget. Mit der Aufstockung um 65 Millionen Euro kann nicht nur der laufende Betrieb gedeckt werden, es können doch auch einige zusätzliche Schwerpunkte gesetzt werden, und die Personalaufstockung im nächsten Jahr kann ebenfalls fortgesetzt werden.

Ein Wirkungsziel ist es, die Rechtssicherheit und den Rechtsfrieden zu gewährleisten, und zwar, indem man Vorschläge zur Anpassung und Weiterentwicklung unseres Rechtssystems im Hinblick auf die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedürfnisse macht. Eine Maßnahme dazu ist die Initiative gegen Hass im Netz. Das Gesetzespaket gegen Hass im Netz wird Möglichkeiten schaffen, damit sich Betroffene wehren können. Das Internet ist kein rechtsfreier Raum und darf es auch nicht sein. (Beifall bei der ÖVP.)

Gerade die sozialen Medien haben unsere Kommunikation stark verändert. Schnell einmal ist daheim vor dem Computer irgendetwas in die Tastatur hineingeklopft, und die Hemmschwelle und das Niveau bewegen sich in Richtung zweites und drittes Keller­geschoss. Es wird beleidigt, bloßgestellt, belästigt und bedroht. Hass im Netz ist reale Gewalt und leider auch meistens Gewalt an Frauen. Ein Drittel der Frauen hat das bereits erlebt, und bei den Jugendlichen ist der Anteil noch größer.

Ich möchte die wesentlichen Punkte des Paketes erwähnen: Onlineplattformen werden dazu verpflichtet, ein einfaches Meldesystem einzuführen, rechtswidrige Inhalte wie zum Beispiel Morddrohungen müssen umgehend gelöscht werden, und die Plattformen müs­sen erreichbar sein, sprich ein Beauftragter mit Zustelladresse muss namhaft gemacht werden.

Das Gesetzespaket wird Möglichkeiten schaffen, damit sich Betroffene schnell und effektiv wehren können. Gewalt, Hass und Beleidigungen kann man nicht von jetzt auf gleich abdrehen, wir können aber Maßnahmen setzen, um dem entgegenzutreten. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

22.48


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Mir liegt dazu keine weitere Wortmeldung mehr vor.

Die Beratungen zu diesem Themenbereich sind somit beendet.

Ich darf mich bei Frau Bundesministerin Zadić für ihr Kommen bedanken und wünsche ihr für die nächsten Wochen alles Gute. Wenn sie in normaler Beschäftigung wäre, wäre sie schon längst in Karenz, umso bemerkenswerter ist es auch, dass sie um diese Zeit noch Rede und Antwort steht. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ sowie bei Abgeordneten von FPÖ und NEOS.)

22.49.03UG 11: Inneres

UG 18: Fremdenwesen


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Schließlich gelangen wir zu den Untergliede­rungen 11, Inneres, und 18, Fremdenwesen. Hierüber finden die Debatten unter einem statt.

Ich begrüße noch den Herrn Innenminister recht herzlich – ich habe dich vorhin nicht gesehen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Einwallner. Ich erteile ihm dieses.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 326

22.49.33

Abgeordneter Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzte Damen und Herren! Werte Zuschauerinnen und Zuschauer! Ja, spätabends steigen wir jetzt noch in eine Budgetdebatte um die innere Sicherheit ein. Ich muss gleich dazusagen, unsere Redezeit ist schon ein bisschen knapp, deswegen bekommen Sie, Herr Innenminister, jetzt von mir alles ganz kompakt vermittelt.

Das Budget für Inneres ist ja ein Thema, bei dem durchaus Zahlen und Zahlenmaterial vorhanden sind, die es zulassen, dass wir über Investitionen sprechen, dass wir über mehr Personal sprechen. Es ist eine Reihe von Vorhaben geplant. Es gäbe ja vieles betreffend das Innenressort zu besprechen, aber wir müssen uns heute Abend hier nur auf das Budget konzentrieren.

Meine Damen und Herren! Die Zahlen sind das eine; Budgetdebatten laufen leider seit vielen, vielen Jahren immer ganz ähnlich ab. Alle Jahre wieder – seit 20 Jahren – kommt ein ÖVP-Innenminister und kündigt an, dass es mehr Polizistinnen und Polizisten in diesem Land geben wird. Alle Jahre wieder kommt ein ÖVP-Innenminister und kündigt an, dass es eine Verbesserung der Infrastruktur in diesem Bereich geben wird. Und alle Jahre wieder kommt ein ÖVP-Innenminister und verspricht den Polizistinnen und Polizis­ten bessere Ausrüstung vor Ort.

Meine Damen und Herren! Das Problem ist, dass es leider zu oft nur bei diesen Ankün­digungen bleibt. Und Ankündigungen alleine sind zu wenig, Herr Innenminister, es braucht viel mehr. Wir haben gesehen, dass es Reformen braucht, echte Reformen braucht. Trauriger Höhepunkt war leider am 2. November; alles, was im Vorfeld rund um dieses Attentat passiert ist, zeigt ganz klar die Versäumnisse von 20 Jahren ÖVP-Innenministeriumspolitik. (Beifall bei der SPÖ.)

Reformen braucht es in mehreren Bereichen. Die braucht es im BVT, aber auch in anderen Bereichen. Wir haben heute ganz aktuell gesehen, dass es auch nur eine Ankündigung war, dass man beim privaten Sicherheitsgewerbe endlich eine einheitliche Ausbildung und grundsätzliche Kriterien braucht. Das Gesetz dazu ist angekündigt, aber umgesetzt ist es nicht. Jetzt sehen wir, wie notwendig das wäre. Ankündigungen alleine machen unser Land nicht sicherer. Die Menschen in Österreich haben sich Sicherheit verdient, Herr Innenminister, und Sie bleiben diese inzwischen immer noch schuldig. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)  

22.52


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Mahrer. – Bitte.


22.52.34

Abgeordneter Karl Mahrer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Dieses Jahr 2020 wird uns allen immer in Erinnerung bleiben – so viel kann man schon sagen –, ein wahrhaft historisches Jahr, ein Jahr, das alles auf den Kopf gestellt hat. Es ist aber auch ein Jahr, das eindeutig bestätigt hat, Sicherheit ist das wertvollste Gut der Menschen, Sicherheit ist die erste Priorität der Bundesregierung. Und gerade in Sachen Sicherheit braucht es Kontinuität. Dieses Budget bestätigt und sichert die Kontinuität im Bereich der Sicherheit. (Beifall bei der ÖVP.)

Mit rund 3,2 Milliarden Euro schaffen wir 2021 neuerlich das höchste Sicherheitsbudget in der Zweiten Republik. Herzlichen Dank an dieser Stelle an unseren Finanzminister Gernot Blümel und an seinen Verhandlungspartner Innenminister Karl Nehammer! (Beifall bei der ÖVP.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 327

Wir schaffen damit, meine Damen und Herren, gute Rahmenbedingungen für eine moderne Polizei. Wir können die begonnene Personaloffensive mit 4 300 zusätzlichen Planstellen und Ausbildungsplätzen fortführen. Abgeordneter Einwallner, die Aufnahme­welle rollt, die gibt es tatsächlich. Derzeit sind schon 3 600 Aspirantinnen und Aspiranten in den Bildungszentren und werden so auf den Einsatz auf Österreichs Straßen vorbe­reitet. (Beifall bei der ÖVP.)  

Wir können aber auch, meine Damen und Herren, die Polizei bei den wichtigsten Vor­haben im Bereich der Cybersicherheit und der Digitalisierung unterstützen. Wir können die Polizei bei der Neugestaltung, bei der Weiterentwicklung der Ermittlungs- und Fahndungsarbeit in den diversen Bereichen unterstützen, aber wir können sie auch beim Gewalt- und Opferschutz unterstützen. Wir können uns auch – ganz besonders wichtig – mit der gesetzlichen Neuerung ab 1.1.2021 auf die Täterarbeit konzentrieren.

Meine Damen und Herren! Mehr als aktuell ist: Mit diesem Budget werden wir umfas­sende Maßnahmen gegen alle Formen des Terrorismus und des Extremismus finan­zieren und, was ganz besonders wichtig ist, auch die Offensive, die Ausstattungs­offen­sive, die Ausrüstungsoffensive der Exekutive konsequent fortsetzen.

Ich glaube, es ist auch wichtig, dass im getrennten Budgetbereich UG 18 das Budget für Asyl und Migration eigens ausgewiesen ist, 2021 mit 315 Millionen Euro zusätzlich zum Sicherheitsbudget. Das kommt zum Einsatz.

Zahlen, Daten, Fakten, meine Damen und Herren, stehen immer im Mittelpunkt einer Budgetdebatte, hinter den Zahlen, Daten, Fakten stehen aber Menschen. Da sind es 37 000 Polizistinnen und Polizisten und Mitarbeiter der Sicherheitsverwaltung, denen ich gemeinsam mit Ihnen an dieser Stelle herzlich dafür danken will, dass sie rund um die Uhr ihr Leben für uns einsetzen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren, Gemeinsamkeit: Wir sagen doch immer bei den politischen Debatten, Sicherheit kann man nur gemeinsam gestalten, Sicherheit geht uns alle an. Wissen Sie, was mich jetzt wundert? Ich habe mir heute das rot-pinke Regierungs­pro­gramm für Wien angeschaut. (Ruf bei der SPÖ: Geh, bitte!) Wissen Sie, was da drinnen steht? – Nein, besser sage ich Ihnen, was nicht drinnen steht. Es ist kein Wort zu mehr Sicherheit auf den Straßen Wiens drinnen, dazu, was die Stadt Wien dazu beitragen kann. Es ist kein Satz über die örtliche Sicherheitspolizei drinnen. (Zwischenruf des Abg. Krainer.) Es ist kein Satz drinnen, wie Polizeiinspektionen besser ausgestattet werden können, damit der Mieter Polizei beim Vermieter Stadt Wien entsprechend gut unter­gebracht werden kann.

Zusammengefasst, meine Damen und Herren: Entweder habe ich das Regierungspro­gramm nicht gut gelesen, oder es müssen Rot und Pink noch fest miteinander daran arbeiten, dass sie das erreichen, was diese Bundesregierung sicherstellt: Sicherheit ist die erste Priorität für diese Bundesregierung. Danke, Innenminister Karl Nehammer! Ich bin froh, dass der Innenminister gerade in diesen Krisenzeiten Karl Nehammer heißt. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

22.57


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Amesbauer. – Bitte.


22.57.26

Abgeordneter Mag. Hannes Amesbauer, BA (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Zum Vorredner Mahrer: Ich bin bekannterweise sicher kein glühender Verehrer des roten Wien, aber die Schuld am Versagen in der Sicherheitspolitik jetzt auf Wien abzuschieben, das ist ja


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wirklich nur noch absurd, meine sehr geehrten Damen und Herren – aber sei’s drum. (Beifall bei Abgeordneten von FPÖ und SPÖ.)

Zum Budget: Es ist anzuerkennen, dass das im Bereich innere Sicherheit ein ambitio­niertes Budget ist, ein hohes Budget ist, und es ist auch anzuerkennen, dass die Per­sonaloffensive, die Herbert Kickl im Bereich der Exekutive eingeleitet hat, auch fort­gesetzt wird. Ich hoffe, dass das auch über das Jahr 2022 hinfort gemacht wird – das werden wir genau beobachten –, da stehen viele Pensionierungen an.

Aber so wie insgesamt: Das Budget ist ja auch aufgrund des zweiten Lockdowns und der ganzen Coronasituation, die ja nicht ins Budget eingepreist sind, in Wahrheit ein Fantasiebudget mit Fantasiezahlen, von dem wir alle hier wissen, dass es so auch nicht halten wird. – Das ist das eine.

Das andere ist, wir werden natürlich viel Geld brauchen. Wir werden vor allem viel Geld, Ressourcen und Mittel brauchen, um den politischen Islam nachhaltig zu bekämpfen und ihm den Nährboden in Österreich zu entziehen. Herr Innenminister, Sie sind jetzt der letzte in einer Reihe von schwarzen Innenministern, die über viele Jahre, nahezu zwei Jahrzehnte, unseren Verfassungsschutz in Österreich verwüstet und zertrümmert haben. Es waren die ÖVP-Innenminister, die das BVT an den Rand der Handlungsunfähigkeit gebracht haben, wie wir es jetzt anhand dieses Falles, dieses schändlichen Attentats am Allerseelentag gesehen haben, und wir wissen zweifellos – zweifelllos! –, dass das Attentat, wenn es dieses Versagen, für das Sie die Letztverantwortung tragen, nicht gegeben hätte, auf Grundlage der gültigen Gesetze hätte verhindert werden müssen, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

Darum erwarte ich mir, dass die BVT-Reform konsequent vorangetrieben wird und dass auch das Augenmerk auf den Kampf gegen den politischen Islam und den politischen und islamistischen Extremismus gelegt wird. Ich habe dieser Tage Anfrage­beantwor­tungen aus Ihrem Ressort bekommen. In den letzten Jahren hat es in Österreich 143 Strafanzeigen wegen Terrorismusfinanzierung gegeben.

Ich habe auch gefragt, wie es mit den ganzen radikalen Moscheen und Moscheen­ver­einen und islamistischen Vereinen aussieht, und als Antwort habe ich bekommen, dass Herr Nehammer und das Innenressort gar nicht wissen, wie viele solcher islamistischer Vereine es in Österreich gibt. Also das BMI ist im Blindflug unterwegs, und das ist die wahre Sicherheitsgefährdung dieses Landes, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)

Und wenn wir schon bei politischer Verantwortung sind, wiederhole und bekräftige ich jetzt die Rücktrittsaufforderung, denn ein Innenminister, der die politische Verantwortung für dieses Versagen trägt, muss zurücktreten! Aber es sind ja immer die anderen schuld; zuerst ist die Justiz schuld, dann ist der Kickl schuld, dann ist sogar vielleicht der Mobilfunkanbieter schuld. Also das ist nur mehr absurd. Wenn Herr Nehammer beim Abschieben von Gefährdern und amtsbekannten Dschihadisten so konsequent wäre wie beim Abschieben seiner Verantwortung, dann wäre Österreich um ein großes Stück sicherer. Treten Sie zurück! (Beifall bei der FPÖ.)

23.00


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Bürstmayr ist zu Wort gemel­det. – Bitte.


23.01.12

Abgeordneter Mag. Georg Bürstmayr (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wer glaubt, Sicherheit ohne Polizei herstellen zu können, ist auf dem Holzweg. Ein Staat ohne Polizei ist ein Failed State. Wer aber glaubt, Sicherheit mit Polizei allein herstellen


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zu können, irrt genauso. Wenn wir das versuchen, dann werfen wir stückweise unsere Demokratie über Bord. Sicherheit braucht mehr als Polizei; sie braucht sie, aber sie braucht auch deutlich mehr, auch wenn das in der FPÖ öfter einmal unterbetont wird.

Lassen Sie uns vor diesem Hintergrund kurz das Zahlenwerk ansehen. 3 172 Millionen Euro für den Bereich innere Sicherheit: Das klingt auf den ersten Blick nach sehr, sehr viel Geld, doch es sind gerade einmal 3,3 Prozent des Bundesbudgets. Das zeigt doch deutlich: Wenn Österreich eines nicht ist, dann ein Polizeistaat. Es ist zu einer deutlichen Erhöhung der Auszahlung gekommen, nämlich um rund 7,3 Prozent, und zugleich fließen drei Viertel der Gelder in den Personalbereich. Das heißt, wir können davon ausgehen, dass diese Polizei auch nicht unbedingt überausgerüstet ist, denn es gibt neben dem Personal, das man bezahlen muss, auch noch dessen Ausstattung, dessen Fuhrpark, dessen Arbeitsplätze, und, und, und.

Ist es zu viel? – Ich habe in den letzten Tagen über zwei Dinge nachgedacht, die ich rund um den 2. November gehört und gelernt habe. Das eine ist, dass die Angehörigen der Spezialkräfte, die zu diesem Terroranschlag gerufen wurden, explizit darin ausge­bildet sind und die Vorgabe haben, dass sie die Aufmerksamkeit solcher Amokläufer, solcher Attentäter auf sich ziehen und im schlimmsten Fall auch das Feuer, dass diese Menschen eröffnet haben, damit Zivilisten nicht mehr gefährdet sind. Da gehört schon einiges dazu, und das ist, wie es aussieht, zumindest im konkreten Einsatz auch vergleichsweise rasch gelungen. Was dazu geführt hat, dass dieser Einsatz notwendig wurde, wurde schon öfter diskutiert, und das werden wir uns intensiv anschauen.

Aber das Zweite, das mich fast noch mehr beeindruckt hat, ist die Tatsache, dass sich am 2. November nach 20 Uhr mehrere hundert Polizistinnen und Polizisten – genau wissen wir es nicht – in Wien in den Dienst gestellt haben. Was heißt das? – Die hätten frei gehabt. Sie haben die Uniform angezogen, sind möglicherweise ins Auto oder in die U-Bahn gehüpft und an ihren Dienstort gefahren und haben gesagt: Da bin ich. Sie haben nicht gewusst, wo sie eingesetzt werden. Es war klar, dass sie nicht sofort in ein Feuergefecht geschickt werden, aber an diesem Abend haben wir alle nicht gewusst, was in Wien los ist. An diesem Abend hat man auch als Polizist nicht gewusst, ob man nicht im schlimmsten Fall in Lebensgefahr gerät, wenn man im 6. Bezirk auf Streife geht – und trotzdem haben sich mehrere hundert Beamte in den Dienst gestellt. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Deshalb möchte ich mit dem Satz schließen: Wir können darüber streiten, ob es zu viel oder zu wenig Budget ist, aber dass drei Viertel der Auszahlungen an das Personal gehen, das hat einen guten Grund. – Danke fürs Zuhören. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

23.05


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Krisper. – Bitte.


23.05.41

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Herr Präsident! Herr Innenminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte mich zur Frage Budget für das BVT äußern. Wir haben schon die alljährlich vom Innen­ministerium herausgegebene Hochglanzbroschüre im netten Corporate Design erhalten und werden in 14 Tagen im Innenausschuss dieses Hauses wieder darüber diskutieren. In der Broschüre liest man dann wieder einmal das, was man bei halbwegs regel­mäßigem Medienkonsum schon weiß, sogar weniger spannend, weniger konkret, ober­flächlicher. Ich spreche von nichts anderem als dem Verfassungsschutzbericht der Re­publik Österreich, jenen etwa 20 locker bedruckten, aus dem Bundesamt für Verfas­sungsschutz und Terrorismusbekämpfung kommenden, dann in der Medienabteilung


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des BMI glattpolierten Nettoseiten, die sich vom gesetzlichen Auftrag her eigentlich mit den existenziellsten Bedrohungen für unsere Demokratie und liberale Grundordnung auseinandersetzen sollten – sollten!

Schon ein Blick über die Landesgrenze zu unseren deutschen Nachbarn zeigt, wie ein Verfassungsschutzbericht, der mehr ist als eine bloße oberflächliche Kompilation von sicherheitspolitischen Allgemeinplätzen, aussehen und was er leisten könnte. Auf den knapp 400 Seiten des deutschen Verfassungsschutzberichtes finden sich klare Lage­bilder und Analysen zu allem, was der Bundesrepublik aus dem Inneren droht. Da wer­den konkrete Gruppierungen samt Struktur, Ideologie und Bedrohungseinschätzung be­schrieben. Allein das Kapitel Islamistischer Extremismus ist im deutschen Verfas­sungs­schutzbericht ganze 70 Seiten lang, also so umfangreich wie der ganze öster­reichische Bericht. 50 Seiten setzen sich alleine mit diversen türkischen und kurdischen Gruppie­rungen auseinander, 50 Seiten behandeln Cybersicherheit und Spionageabwehr, 70 Seiten Linksextremismus, 70 Seiten Rechtsextremismus, und so weiter, und so weiter.

Das alles zeugt für mich von einer hohen Analysefähigkeit und dem Willen, sich auch aktiv und, ja, auch in der Öffentlichkeit mit diesen Phänomenen auseinanderzusetzen. Da frage ich mich als Mitglied des Unterausschusses des Innenausschusses und des Innenausschusses selbst: Warum gibt es hier so einen Unterschied? Ist das alles bei uns kein Thema? Sind wir eine Insel der Seligen? – Nach den Unruhen in Favoriten im Spätsommer und dem Anschlag vor 14 Tagen ist wohl klar, dass das nicht so ist. Ich hoffe aber auch nicht, dass wir, weil das BVT so darniederliegt, eine Insel der Seligen für Dschihadisten sind, die sich anscheinend sehr gerne bei uns trafen, und besonders für einen, von dem jetzt bekannt wurde, dass er am liebsten von Österreich aus die Fäden zog.

Warum haben wir keinen seriösen Bericht? Liegt es daran, dass man vielleicht gar keine sachliche Debatte über diese Themen wünscht, weil man so gemeinsam mit den Grünen besser populistische Antiterrorpakete vorstellen kann? Oder liegt es daran, dass man hierzulande vielleicht gar nicht in der Lage ist, so umfassende Analysen und Lagebilder zu erstellen, wie dies unsere deutschen Nachbarn tun? – Wahrscheinlich ist es eine Mischung aus beidem: bewusste Ignoranz auf der einen und Unvermögen, fahrlässiges Unvermögen auf der anderen Seite.

Beides ruft nach einer gründlichen Systemkur, Herr Innenminister, und das wissen Sie auch! Das heißt für uns aus der Perspektive und der Wahrnehmung auch aus dem Untersuchungsausschuss zum BVT: ÖVP raus aus dem BVT, mehr Kompetenzen und mehr Ressourcen rein ins BVT; weg von der parteipolitischen Spielwiese hin zu einem starken, effizienten Bundesamt, das für die Sicherheit Österreichs da ist! Das wird natürlich auch etwas kosten, das müssen wir uns etwas kosten lassen. Darüber haben wir schon oft genug diskutiert: Auch über das Budget kann man öffentlich debattieren, auch im Innenausschuss, und viel genauer im Geheimdienstausschuss.

Wir NEOS werden ein derartiges Unterfangen unterstützen, aber es braucht auch eine starke Kontrolle, und daher wird es mit uns ohne stärkere Aufsichts- und Kontrollrechte für das Parlament nicht gehen. – Danke sehr. (Beifall bei den NEOS.)

23.09


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bundesminister Nehammer hat sich zu Wort ge­meldet. – Bitte.


23.10.04

Bundesminister für Inneres Karl Nehammer, MSc: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren hier im Hohen Haus! Zu fortgeschrittener Stunde – ich


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weiß als ehemaliger Abgeordneter, wie fordernd die Zeit der Budgettage ist – danke ich für Ihre Aufmerksamkeit bei dem wichtigen Thema Sicherheit.

Ja, die Polizei, die Polizistinnen und Polizisten in diesem Land waren 2020 von Beginn an massiv gefordert, und zwar in den unterschiedlichsten Spezialfunktionen und ‑einheiten.

Es hat einmal damit begonnen, dass das Außenministerium einem Cyberangriff mit Spionagesoftware ausgeliefert war. Da galt es, im Zusammenwirken aller Kräfte – auch der internationalen Ebene, der europäischen Ebene – diesen Angriff rasch einzu­gren­zen, zu identifizieren und zu bekämpfen. Das ist den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Verfassungsschutzes damals gemeinsam mit allen anderen Expertinnen und Exper­ten im In- und Ausland gelungen.

Dann hat es nicht lange gedauert, und es kamen die Migrationskrise und der verstärkte Migrationsdruck an unseren Außengrenzen. Und dann, nach nur kurzer Zeit, kam das, was die Österreicherinnen und Österreicher und die Menschen, die in Österreich leben, bis heute massiv bewegt und belastet: die Auswirkungen des Coronavirus. Auch dabei spielt die Polizei eine wichtige Rolle als Partner der Bevölkerung, um sie gleichzeitig bei der Umsetzung der Maßnahmen und Verordnungen des Gesundheitsministeriums zu begleiten, aber auch da zu sein, wenn es notwendig ist, nach dem Dialog, nach der Deeskalation durchzugreifen.

Vor nicht ganz zwei Wochen war der dramatische Terroranschlag in Wien mit all seinen katastrophalen Folgen, mit dem engagierten und beherzten Eingreifen der Polizistinnen und Polizisten, der Spezialeinsatzkräfte. Und nur durch dieses Eingreifen – wir haben es von den Vorrednern schon gehört – ist es gelungen, den Täter rasch auszuschalten und Schlimmeres zu verhindern.

Wir scheuen uns nicht, der Frage nachzugehen, wo Fehler passiert sind und wo Mög­lichkeiten der Verbesserung gegeben sind, damit wir effizienter, besser, sicherer werden, wenn es um die Terrorabwehr geht. Genau deshalb gibt es die Kommission von Justiz­ministerium und Innenministerium, um Klarheit zu schaffen. Darüber hinaus, während Klarheit geschaffen wird, wo Fehler passiert sind, damit sich diese nicht mehr wieder­holen, braucht es den entschlossenen Kampf gegen den Terrorismus, braucht es den entschlossenen Kampf gegen den Extremismus, egal von welcher Seite er sich darstellt. Auch das ist der Polizei, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Landesverfassungs­schutzämter, des Bundesverfassungsschutzes, der Polizeieinheiten gelungen.

Es wurde ein massiver Schlag gegen die Muslimbruderschaft und gegen die Hamas geführt, der fast gefährdet gewesen wäre. Die Hamas bringt Blut und Terror, und die Muslimbruderschaft finanziert diesen. Es ist trotz allem, trotz Verrat, gelungen, diese Aktion mit vollem Einsatz und Engagement der Polizistinnen und Polizisten, der Landes­verfassungsschutzämter, des Bundesverfassungsschutzes durchzuführen. 25 Millionen Euro und mehr an Vermögen wurden sichergestellt, Hunderte Konten eingefroren, Mas­sen an Bargeld, das klassischerweise dazu dient, Terror zu finanzieren, wurde in Mo­scheen bei Imamen gefunden. Dem gilt es, das Handwerk zu legen, und die Unter­suchungen dazu werden mit Nachdruck geführt.

Und während das passiert ist, wurde auch gleichzeitig der Schlag gegen den Rechts­extremismus, gegen Hass im Netz geführt. Das alles zählt zu den Aufgaben der Polizei, der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landesverfassungsschutzämter, des Bundes­verfassungsschutzes und engagierter Staatsanwaltschaften wie in Graz und in Wien, damit der Kampf gegen den Terror, der Kampf gegen den Extremismus, der Kampf gegen den politischen Islam tatsächlich geführt werden kann. – All denen dafür ein großes Danke von meiner Seite! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)


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Die Diskussion heute dreht sich aber auch um das Fundament für all dieses Tun, und das Fundament ist das Budget, die Möglichkeit, mit finanziellen Mitteln Polizistinnen und Polizisten in die Lage zu versetzen, tatsächlich ihren gefährlichen Dienst zu tun, ihren aufwändigen, intensiven Dienst. Und das ist mit 7,3 Prozent mehr Budget gelungen, 215 Millionen Euro mehr – für die Personaloffensive, die 2017 mit einem Mehr von 4 100 Planstellen gestartet worden ist, dann durch die türkis-grüne Koalition auf 4 300 erweitert wurde und die auf gutem Weg ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete, das ist vor allem für Sie, die in Wahlkreisen kämpfen und mit den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern vor Ort verbunden sind, eine wichtige Nachricht. Diese Personaloffensive, dieser Erfolg be­deutet, dass es 2020 tatsächlich mehr Polizistinnen und Polizisten in Österreich gibt. Wir haben auf der einen Seite die Herausforderung, viele Abgänge durch Pensionierung ersetzen zu müssen, und das Mehraufnehmen von Polizistinnen und Polizisten und die Zurverfügungstellung von Planstellen sichert dann tatsächlich mehr Polizistinnen und Polizisten in den Polizeiinspektionen, bei den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort. Das ist eine wichtige Maßnahme, und das Budget stellt sicher, dass wir sie vorantreiben können.

Damit Sie ein Gefühl für die Zahlen bekommen, in welcher Dimension sich das derzeit darstellt: Derzeit sind an den Schulen der Polizei 3 600 Polizistinnen und Polizisten in Ausbildung. Wir werden noch in diesem Dezember weitere 900 Schüler aufnehmen, und 1 600 Polizistinnen und Polizisten sind 2020 ausgemustert worden. Das heißt, der Weg wird hier konsequent fortgesetzt – für mehr Sicherheit, mehr Polizeipräsenz und vor allem, was den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern in Städten so wichtig ist, mehr Polizistinnen und Polizisten vor Ort. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Das spiegelt die Aussagen des Kollegen Bürstmayr wider, der sich darauf bezogen hat, dass sich ein großer Teil des Budgets des Bundesministeriums für Inneres auf Aufwand für Polizistinnen und Polizisten bezieht. Das ist unser höchstes, unser größtes Gut, unser stärkstes Kapital, wenn es um den Kampf gegen organisierte Kriminalität und Terroris­mus geht.

Darüber hinaus braucht es aber auch Ausrüstung für den Dienst an sich. Das Budget stellt sicher, dass wir in die Lage versetzt werden, weitere 4 000 ballistische Schutzgilets anzuschaffen. Das heißt auch für alle Schülerinnen und Schüler in Zukunft, dass es, wenn sie in den aktiven Dienst, in die Praxisphase in die Polizeiinspektionen entsendet werden, nicht mehr nur auf die Bezirkskommandantenverantwortung ankommt, ob tat­sächlich ausreichend Schutzwesten vorhanden sind. Nein, es werden jetzt für die Schü­lerinnen und Schüler in ausreichendem Maß Schutzwesten vorhanden sein, vor allem für die, die schon ersetzt werden müssen. In Summe wurden weit über 22 000 bal­listische Stich- und Schutzwesten ausgeliefert – neben den Sturmgewehren, neben den Schutzhelmen und neben der stärkeren Beschussklasse für die Schutzweste, die im Einsatzfahrzeug mitgeführt wird.

Es gibt aber auch den großen Sicherheits- und Ordnungsdienst, der dazu dient, dass das Versammlungsrecht in Österreich frei und ungefährdet ausgeübt werden kann. Er dient auch dazu, dass, wenn eine Versammlung stattfindet und es dort zu einer Eska­lation kommt, rechtzeitig eingeschritten werden kann. Dafür braucht es eine zeitgemäße und adäquate Ausrüstung für die dort im Einsatz stehenden Polizistinnen und Polizisten. Das ist eine Schlagschutzausrüstung, die in der Stückzahl von 5 500 erneuert wird – ein Investment von über 6 Millionen Euro, damit auch der Dienst, der schwer genug ist, im Einsatz zumindest so vorgenommen werden kann, dass dadurch nicht eine zusätzliche Belastung für die Einsatzkräfte besteht.


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Der Terroranschlag hat auch eines gezeigt: Waffen, Technik und Munition sind ein wesentliches Element, um rasch Amoklagen oder Terrorlagen bekämpfen zu können, ohne eine zusätzliche Gefährdung für die Unbeteiligten darzustellen. Das ist die größte Herausforderung bei so einem Einsatz.

Aus diesem Grund wird die Einsatzmunition der Polizeikräfte vollständig erneuert; 1,5 Millionen Stück Munition, die im Vergleich zu jetzt eine völlig neue Wirkungsweise hat, werden angeschafft, weil sie viel Wirkung beim Täter, der ausgeschaltet werden muss, entfaltet. Das bedeutet ein schnelleres Ausschalten des Täters, aber dadurch, dass es sich um ein Deformationsgeschoss handelt, bedeutet das auch weniger Ge­fährdung für Umstehende.

Es wurde heute auch schon der Verfassungsschutz – ein ganz wesentlicher Punkt – angesprochen, die Schutzmauer der Republik, die gerade jetzt in der Phase der Neuerrichtung ist, im Aufbau der Struktur, und auch die braucht mehr Ressourcen. Auch dafür wird es genug Ressourcen im Budget geben, denn wenn wir sagen, wir trennen den staatspolizeilichen Teil vom nachrichtendienstlichen, bauen den nachrichten­dienst­lichen Komplex im Verfassungsschutz neu auf, dann braucht es genau für diesen Bereich auch die finanziellen Ressourcen; und die sind sichergestellt.

Der nachrichtendienstliche Teil betrifft immer die Gefahrenaufklärung, der staatspolizei­liche die Gefahrenabwehr. In der alten Form des Verfassungsschutzes war beides miteinander immer in einer Beamtin, einem Beamten verkörpert, und das bedeutet, dass das eine oder das andere immer zu kurz gekommen ist. Durch die Reform des Verfas­sungsschutzes wird das jetzt anders, effizienter und besser.

 Weil Abgeordnete Krisper das angesprochen hat: Sie müsste es wissen, denn sie war in die Informationen über die Transformation des ganzen Prozesses immer wieder mit eingebunden. Dabei war auch Thema – Frau Abgeordnete, das wissen Sie –, dass die Frage der Berichte, die Sie gerade vorhin am Rednerpult so kritisch angesprochen haben, besonders berücksichtigt wird, damit es mehr und qualitativ höherwertige Be­richte geben kann und wird – gerade für die Entscheidungsträger hier im Hohen Haus, für Abgeordnete, die uns dann wiederum aufgrund besserer Informationen in der Frage der Legislative neue Möglichkeiten geben können, um gegen Terrorismus und Bedro­hungen von Extremismus jeglicher Art – religiös, politisch motiviert – ankämpfen zu können. Es gilt, den gemeinsamen Kampf zu führen, und daher bitte ich um Zustim­mung zu diesem Budget. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

23.20


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Gerstl. – Bitte.


23.20.58

Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Nach Ihrer Rede kann ich einfach nur mehr sagen: Danke! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.) Danke, Herr Bundesminister, für Ihr Enga­gement. (Zwischenruf des Abg. Krainer. – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Danke, Herr Bundesminister, dass Sie für die Sicherheit in Österreich sorgen. (Zwischenrufe bei SPÖ und NEOS.) Danke, meine lieben Österreicherinnen und Österreicher, dass Sie die Polizistinnen und Polizisten, die am 2. November diesen Terroranschlag in 9 Minuten beendet haben, so unterstützen und schätzen. (Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wir sagen den Polizistinnen und Polizisten, die wirklich Unglaubliches geleistet haben, ein großes Danke. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Hafenecker.)

Vielen von uns in Österreich ist an diesem 2. November bewusst geworden, dass wir nicht auf einer Insel der Seligen sind, sondern dass es einer großen Gruppe von Personen bedarf, die stets an der Sicherheit arbeiten, sich stets dafür einsetzen und sie


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garantieren. Dafür ist dieses Innenministerium mit Innenminister Karl Nehammer ver­antwortlich, und dafür sagen wir noch einmal ein ganz, ganz großes Danke, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.)

Es geht daher, Frau Kollegin Krisper, nicht darum, was in einer Broschüre steht, auch wenn ich gerne mit Ihnen darüber diskutiere und wir Seiten zählen können, was wichtiger ist. Es geht vielmehr darum, dass wir jetzt die Fehler, die wir bei so einem Einsatz erkannt haben, richtigstellen und die Dinge neu aufstellen. Dass das BVT, wenn es davor einen Innenminister gegeben hat, der sogar eine Hausdurchsuchung beim BVT gemacht und es dadurch in der ganzen Welt in ein schlechtes Licht gerückt hat, heute neu aufgestellt werden muss, ist für alle klar. (Zwischenruf des Abg. Amesbauer.) Wir müssen das, was Innenminister Kickl gemacht hat, heute beenden und verändern, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.)

Daher: Ja, es ist richtig, dass wir mehr Geld in das Innenministerium geben – mehr als 200 Millionen Euro – und eine Reform machen, weil wir nicht auf einer Insel der Seligen sind. Andere Länder investieren viel, viel Geld – Milliarden – in einen ordentlichen Nachrichtendienst und in eine ordentliche Staatspolizei. Das ist die Aufgabe, die wir uns vorgenommen haben, darum kümmern wir uns. Meine Damen und Herren, Sie können sicher sein: Sicherheit ist unser oberstes Ziel.

Vielen Dank für diesen Korpsgeist, den es in dieser Polizei gibt, in der sich Polizisten aus freien Stücken, auch wenn sie nicht Dienst haben, entscheiden, zum Dienst zu erscheinen. Sie haben das bewiesen. Vielen Dank auch meinem Kollegen von den Grü­nen, der das vorhin so lobend erwähnt hat. – Vielen, vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

23.24


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Yılmaz. – Bitte. (Zwischenruf bei der SPÖ. – Heiterkeit bei den Grünen. – Abg. Yılmaz – auf dem Weg zum Rednerpult –: Lacht ihr mich an oder lacht ihr mich aus?)


23.24.38

Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Dass es heute noch peinlichere Reden geben wird, hätte ich mir nicht gedacht. Kollege Gerstl, warum haben Sie sich nicht gleich hingekniet? Dann hätten wir wenig­stens am nächsten Tag schöne Bilder gehabt. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ sowie Beifall bei den NEOS.)

Herr Bundesminister, ich nehme Sie wegen der Polizistinnen und Polizisten, die jetzt in Ausbildung sind, demnächst dienstzugeteilt werden und so weiter und so fort, beim Wort. Die Frage ist nur: Wie viele werden in Pension gehen, und wer bekommt diese zugeteilten PolizistInnen? Wien wartet seit Jahren auf 1 500 PolizistInnen! Wir haben vor Kurzem erfahren, dass Favoriten bei gleicher Einwohnerzahl halb so viele Polizistinnen und Polizisten wie Linz hat. Ich bin neugierig, ob Wien davon profitieren wird, wenn die PolizistInnen endlich im Dienst sind – das ist das eine. (Beifall bei der SPÖ.)

Das andere ist – werte Kolleginnen und Kollegen, Sie haben es bemerkt –: Bis zur Wahl gab es Wienbashing – Wien geht den Bach runter, alles, total –, dann war die Wienwahl, dann war Ruhe. Dann hat die Wiener ÖVP geglaubt oder erwartet, dass sie Herrn Blümel anbringt. Jetzt ist seit zwei, drei Tagen sicher: Er bleibt da. (Heiterkeit und Beifall bei den NEOS. – Zwischenruf der Abg. Herr.) Jetzt machen sich Frau Kugler, Herr Mahrer und Herr Taschner Sorgen um Wien – mir kommen die Tränen. (Heiterkeit der Abgeordneten Loacker und Krisper.) Blümel bleibt bei euch als Finanzminister, mit ihm müsst ihr selber fertig werden. (Beifall bei SPÖ und NEOS.) Wir haben sehr fähige Leute in Wien,


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die eine Koalition ausgearbeitet haben. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Sie werden noch sehen, wie das alles sein wird.

So, meine Zeit ist fast vorbei. (Rufe bei der ÖVP: Na geh! – Abg. Zarits: Treten Sie zurück?) Wer soll zurücktreten? Man tritt doch nicht zurück, wenn die Zeit vorbei ist – ich meine, geht es noch? Das gibt es ja nicht. (Beifall bei SPÖ und NEOS. – Abg. Hanger: Das wäre das Gescheiteste!)

Es geht mir, Herr Bundesminister, auch darum, dass Gerüchte über Pushbacks immer lauter werden. Sie werden ja die Medienberichte gehört haben: Zuerst war es nur ein Verdacht, dass es an der slowenisch-österreichischen Grenze Pushbacks gegeben hat, obwohl die Leute um Asyl angesucht haben. Ich weiß schon, es hat sehr viele Berichte gegeben – der Verdacht erhärtet sich. Die EU-Kommission wird sich dessen annehmen. Ich hoffe sehr, dass unsere Polizistinnen und Polizisten an der Grenze nicht involviert sind, weil die Grenzpolizei auch dazu da ist, das EU-Recht einzuhalten. – Danke. (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

23.27


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Abgeordneter Amesbauer zu Wort gemeldet. – Bitte.


23.28.07

Abgeordneter Mag. Hannes Amesbauer, BA (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Kollege Gerstl hat sich aufgrund seiner überschwäng­lichen Lobpreisungen ein Mitarbeitsplus des Innenministers verdient. Er hat auch tat­sachenwidrige Behauptungen aufgestellt, indem er hier gesagt hat, Herbert Kickl habe eine Hausdurchsuchung beim BVT gemacht.

Ich berichtige tatsächlich: Aufgrund der Gewaltenteilung kann ein Innenminister keine Hausdurchsuchung machen oder anordnen, sondern nur die Staatsanwaltschaft, und so ist es auch geschehen. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP. – Abg. Hafenecker: Da gibt es sogar eine Aussage von Minister Nehammer dazu, der das bestätigt hat!)

23.28


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Lopatka. – Bitte.


23.28.45

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Klubobmann Kickl ist doch gescheiter als Sie, Herr Abgeordneter Amesbauer, dass er bei diesem Kapitel nicht hier ist, denn sonst hätte er sich anhören müssen, was er hinterlassen hat – gerade im BVT. (Beifall bei der ÖVP.) Es ist gescheiter, wenn Sie zu dem Thema schweigen. Was wir brauchen – das hat der Herr Bundesminister schon angesprochen –, ist ein funktionierender Verfassungsschutz, das haben wir gesehen. (Zwischenruf des Abg. Lausch. – Abg. Amesbauer: Wer hat das BVT zerstört?) – Genau! Bundesminister Kickl hat es so hinterlassen, wie es Innen­minister Nehammer vorgefunden hat: in einem Zustand, der nicht befriedigend ist. Das wissen wir, und daher sind die Reformen jetzt auch im Gange. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe der Abgeordneten Amesbauer und Lausch.)

Kollegin Nurten Yılmaz, in unserer Kultur ist es nichts Unanständiges, wenn man Danke sagt. Der Innenminister hat sich ein Danke verdient – das sage ich Ihnen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Yılmaz: ... Kultur?) Kollegin Yılmaz, Danke zu sagen ist nichts Schlechtes. (Abg. Yılmaz: Wie oft? Wie oft ...?) Es reicht einmal, gut. (Ruf bei der SPÖ: Ja, genau! – Ruf bei der FPÖ: Bei Ihnen schon! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Es


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würde Ihnen auch nicht schlecht anstehen, diese Arbeit objektiv einzuschätzen und nicht immer nur die Versäumnisse zu sehen. (Zwischenruf der Abg. Yılmaz. – Weitere Zwi­schenrufe bei der SPÖ.) Mehr möchte ich dazu nicht sagen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren, dieser furchtbare Terroranschlag am 2. November hat zweierlei gezeigt: Zum einen, dass natürlich bei all dem, was wir hier machen, auch Österreich unseren Mitbürgerinnen und Mitbürgern keinen absoluten Schutz geben kann. Das Zweite ist, dass Terrorismus ein europaweites, ein weltweites Problem ist. Wenn wir nachhaltige Ergebnisse erzielen wollen, müssen wir natürlich auch interna­tio­nal vorgehen.

Es war nicht nur der Innenminister, sondern auch der Bundeskanzler, der da einen wichtigen Schritt gesetzt hat. – Und damit Sie mir nicht wieder vorwerfen, zu viel Danke zu sagen: Die „Neue Zürcher Zeitung“ – weil heute schon Medienförderung ange­sprochen wurde, sie bekommt keine Medienförderung von Österreich (Zwischenruf des Abg. Hafenecker) – hat am Montag, also gestern, am 16. November, richtigerweise festgehalten, dass in dieser Antiterrorstrategie, die Europa sucht, zwei Politiker in Europa vorangehen, nämlich Bundeskanzler Sebastian Kurz und der Staatspräsident von Frankreich Emmanuel Macron.

Neben dem, was wir hier im Land machen, ist es wichtig, dass wir weltweit gegen den Terror vorgehen, denn dieser islamistische Terror ist das Blutigste und Gewalttätigste, das wir momentan haben, und er ist weltweit vernetzt. Auch dieser Terrorist, der bei uns aktiv geworden ist, hatte Kontakte zu Nordmazedonien, hatte aus der Schweiz und aus Deutschland Besuch, und er war in der Slowakei. Da dürfen wir nicht naiv sein!

Das Erste, das wir machen müssen, ist der Kampf gegen die dahinterstehende Ideologie. Daher war es hundertprozentig richtig, gegen den Nährboden, diese Kellermoscheen, vorzugehen. Das Zweite, das wir machen müssen, ist ein EU-weites gemeinsames Vorgehen. Da haben wir noch viel zu tun. Mit nur einem Satz: Es ist hundertprozentig richtig, was wir im Regierungsprogramm festhalten: Der Kampf muss auf die inter­nationale Ebene gehoben werden.

Die Verfahren gehören wie bei Kriegsverbrechern nach Den Haag, meine Damen und Herren! Wir müssen europaweit gemeinsam vorgehen.

Österreich ist dafür gut gerüstet und wird seinen Beitrag leisten mit 215 Millionen Euro mehr im Innenressort für Personal, für moderne Infrastruktur, aber auch für die gemein­same internationale Zusammenarbeit im Kampf gegen Terror und Antisemitismus. Das ist es, was wir brauchen, und nicht kleinkariertes parteipolitisches Hickhack. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

23.33


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ries. – Ich mache Sie aufmerksam, Sie haben nur mehr 1 Minute und sollten vielleicht den Entschließungsantrag unterbringen. Bitte, Herr Abgeordneter.


23.33.09

Abgeordneter Christian Ries (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Grundsätzlich begrüßen wir alle Maßnahmen, die dazu dienen, Österreich siche­rer zu machen, und ein Budget über 3 Milliarden Euro ist sicher dazu geeignet. Es ist erfreulich, dass Sie die Ausstattung verbessern und die Personaloffensive von Herbert Kickl fortführen. Wäre nicht ein sogenannter Expertenminister für zwei Wochen im Amt gewesen, wären wir schon wesentlich weiter, denn dieser hatte offenbar nur den Auftrag, alles zu stoppen, was Herbert Kickl begonnen hat.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 337

Ich schließe meinen Redebeitrag etwas ungewöhnlich und wohl erst- und letztmalig mit einem kleinen Dankeschön an die SPÖ Wien: Sie haben die Grünen und Frau Hebein aus der Landesregierung entfernt; sie wollte noch im September die Polizei entwaffnen. (Beifall bei der FPÖ.)

Damit wären wohl zahllose Polizisten hilflose Zielscheiben der Terroristen geworden. (Abg. Yılmaz: Glauben Sie das?)

Zur finanziellen Besserstellung der Exekutive bringe ich noch folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Christian Ries, Kolleginnen und Kollegen betreffend „finanzielle Besserstellung der Exekutive“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert dem Nationalrat einen Gesetzesentwurf vorzu­legen, der die finanzielle Besserstellung der Exekutive vorsieht, indem eine Anhebung des Grundbezuges durch Einrechnung aller pensionsbegründenden Zulagen und Ne­bengebühren in das Grundgehalt durchgeführt wird.“

*****

(Beifall bei der FPÖ.)

23.34

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ries, Mag. Amesbauer

und weiterer Abgeordneter

betreffend finanzielle Besserstellung der Exekutive

eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 11, Bericht des Budget­ausschusses über die Regierungsvorlage (380 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2021 (Bundesfinanz-gesetz 2021 – BFG 2021) samt Anlagen (449 d.B.), Untergliederung 11 – Inneres, in der 62. Sitzung des Natio­nalrates, XXVII. GP, am 17. November 2020

Unsere Polizistinnen und Polizisten leisten einen wichtigen und unverzichtbaren Beitrag zum Erhalt der Sicherheit für die Bevölkerung. Auch eine hohe Arbeits- und Stunden­belastung ist aufgrund personalpolitischer Fehler in der Vergangenheit leider schmerz­liche Realität und belastet die Gesundheit und das soziale Umfeld der Beamten. Das Gehalt eines Exekutivbeamten ist im Wesentlichen durch ein Grundgehalt und zahl­reiche Zulagen definiert. Laut Standard vom 29.7.2019 erhalten Polizeischüler ein Gehalt von 23.660 Euro. Im zweiten Ausbildungsjahr können schon Gehälter von 28.000 Euro inklusive Zulagen erreicht werden. Das Einstiegsgehalt eines Inspektors liegt bei rund 29.400 Euro. Zusätzlich werden Zulagen für Gefahr, Sonn- und Feiertagsarbeit sowie Nachtdienste bezahlt. Nach 6 Jahren Dienstzeit ist der Aufstieg zum Revier­inspektor möglich, wodurch sich das Gehalt auf mindestens 32.200 Euro erhöht. Im Schnitt liegt das Gehalt eines Streifenpolizisten mit mehrjähriger Erfahrung bei rund 40.000 Euro brutto pro Jahr, mit Zulagen kann es bis 65.000 Euro steigen. Nach insgesamt 21 Dienstjahren können Polizisten zum Gruppeninspektor mit einem


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 338

Mindestgehalt von 43.400 Euro plus Zulagen befördert werden. Die Zulagen und Nebengebühren fallen aber zum Beispiel im Zuge von Krankheiten weg und dadurch wird das Gehalt gekürzt.

Die Exekutive arbeitet täglich unter Einsatz ihrer Gesundheit für uns. Dies soll durch die Anhebung des Grundbezuges durch Einrechnung aller pensionsbegründenden Zulagen und Nebengebühren in das Grundgehalt gewürdigt werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert dem Nationalrat einen Gesetzesentwurf vorzu­legen, der die finanzielle Besserstellung der Exekutive vorsieht, indem eine Anhebung des Grundbezuges durch Einrechnung aller pensionsbegründenden Zulagen und Ne­bengebühren in das Grundgehalt durchgeführt wird.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht somit mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Jachs. – Bitte.


23.34.34

Abgeordnete Mag. Johanna Jachs (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ganz zum Schluss der Sitzung des heutigen Tages kurz vor Mitternacht steht das Sicherheitsbudget auf der Tagesordnung. Ich hätte mir einen ein bisschen prominenteren Zeitpunkt gewünscht, weil es sich dieses Sicherheits­budget verdient hätte. Es wird ein Plus von 215 Millionen Euro geben. (Beifall bei der ÖVP.)

Liebe Kollegen und Kolleginnen von der FPÖ, ich möchte Ihnen jetzt eines ins Stammbuch schreiben, und zwar: Ihre Strategie durchschaut wohl wirklich jeder. Sie werfen hier in Ihren Redebeiträgen mit Nebelgranaten um sich, nur damit Sie vom eigentlichen Problem ablenken können, und Sie sind es, die heute schon den ganzen Tag gezeigt haben, wofür die FPÖ steht. Herr Klubobmann Kickl, der jetzt gerade nicht im Saal ist, hat ganz eindringlich gezeigt, dass die FPÖ wohl für vieles steht, nur nicht für Niveau, denn das N kommt in FPÖ nicht vor. (Beifall bei der ÖVP. – Ruf bei der FPÖ: Geh, bitte!)

Gestern Abend bin ich gegen 17 Uhr die Seitenstettengasse entlangspaziert. Es ist wirklich ein eigenartiges Gefühl, 14 Tage nach dem Terroranschlag an den Tatorten ent­langzugehen: die Lichter, die dort leuchten, die Menschen, die immer noch ihre Anteil­nahme bekunden. Das geht durch Mark und Bein, und es ist traurig, dass es solche Ereignisse braucht, damit wieder alle das Bekenntnis dazu abgeben, dass unsere Polizei mit mehr finanziellen Mitteln und mehr Personal ausgestattet werden muss, dass es solche Ereignisse braucht, damit wir erkennen, wie wichtig unsere Polizistinnen und Polizisten für die Sicherheit in Österreich sind.

Es geht uns darum, auch das subjektive Sicherheitsempfinden zu stärken, und daher danke ich dem Herrn Innenminister, dass es im Jahr 2020 wieder mehr Personal an den Dienststellen gibt. Dieses zusätzliche Personal werden wir nicht nur im Kampf gegen Terror und nicht nur auf der Straße vor Ort (Zwischenruf des Abg. Lausch), sondern


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 339

auch im Kampf gegen die Internetkriminalität brauchen. Die Cyberabwehr wird in den nächsten Jahren wirklich eine Herausforderung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich appelliere zum Schluss an Sie – ich glaube, es ist jetzt wirklich an der Zeit –: Lassen Sie uns als Politik gemeinsam an der Seite unserer Polizistinnen und Polizisten stehen – mit dem Budget schaffen wir die Rahmenbedin­gungen dafür –, und hören wir bitte endlich auf, liebe FPÖ, politisches Kleingeld auf dem Rücken unserer Polizistinnen und Polizisten zu wechseln! (Beifall bei der ÖVP.)

23.37


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Schatz. – Bitte.


23.37.35

Abgeordnete Sabine Schatz (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Gestern Abend hat uns die traurige Nachricht vom Tod Aba Lewits erreicht. Aba Lewit war der letzte öster­reichische jüdische Überlebende der Konzentrationslager Mauthausen und Gusen. Ich möchte an dieser Stelle vor allem auf einen Punkt hinweisen und daran erinnern, dass Aba Lewit sehr erfolgreich beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gegen eine unaussprechliche Aussage in der rechtsextremen „Aula“, nämlich dass KZ-Über­lebende eine Landplage wären, prozessiert hat. Aba Lewits Engagement als Mahner und Zeitzeuge ist uns aber heute auch ein ganz klares Signal dafür, dass Antisemitismus noch nicht in die Geschichtsbücher verbannt wurde, sondern nach wie vor aktuell in unserer Gesellschaft verwurzelt ist.

Antisemitismus, und das sage ich ganz klar, ist in jeder Form, in der er auftritt, zu bekämpfen! (Beifall bei SPÖ und Grünen.) Deshalb begrüßen wir auch den im Sommer angekündigten Nationalen Aktionsplan gegen Antisemitismus.

Aus dem Antisemitismusbericht der Israelitischen Kultusgemeinde und des Forums gegen Antisemitismus wissen wir aber auch, dass 83 Prozent der zuordenbaren antise­mi­tischen Vorfälle einen eindeutig rechtsextremen Hintergrund aufweisen. Deshalb ist für uns klar, dass der NAP gegen Antisemitismus Hand in Hand, rasch und gemeinsam mit einem Aktionsplan gegen Rechtsextremismus kommen muss, so wie er auch im Regierungsprogramm vorgesehen ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Seit 2015 erleben wir in Österreich ein extremes Hoch an rechtsextremen Straftaten, und wir warnen seit Jahren davor, Rechtsextremismus zu verharmlosen. Sie haben im Budget auch Mittel für einen Aktionsplan gegen Rechtsextremismus angekündigt, Herr Minister. Wann können wir mit der Präsentation und Umsetzung dieses dringend not­wendigen Aktionsplanes rechnen? – Es gibt Maßnahmen, die wirklich dringend not­wendig sind, etwa die Erstellung eines eigenen Rechtsextremismusberichtes oder die Einrichtung von Beratungsstellen gegen Rechtsextremismus. Diesbezüglich sind wir dringend gefordert zu handeln.

Was wir aber vor allem brauchen – das ist heute schon mehrfach angesprochen worden und das hat uns der Terroranschlag vom 2. November auch ganz klar vor Augen geführt (Abg. Hafenecker: Wenn Sie Islamismus und Rechtsextremismus ..., dann vielleicht! Und das um die Uhrzeit!) : Wir brauchen ein funktionierendes BVT und ausreichend besetzte Planstellen in der Extremismusabteilung. Diesbezüglich sind Sie gefordert, Herr Minister! – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

23.40


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Stögmüller zu Wort gemeldet. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 340

23.40.40

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Ich möchte ganz kurz eine tatsächliche Berichtigung zur Aussage des Abgeordneten Ries machen, der behauptet hat, dass die Wiener Grünen die Polizei entwaffnen wollten. (Abg. Lausch: Na, die wollen ...!)

Ich berichtige tatsächlich, dass die Wiener Grünen eine Differenzierung der Polizei gefordert haben, dass die Polizeieinheiten angeregt werden, dass zum Beispiel Ver­kehrs­polizistInnen ihre Tätigkeit nicht unbedingt mit der Waffe ausüben sollen. (Zwi­schenruf des Abg. Ries.) Das funktioniert zum Beispiel in Großbritannien großartig, und ich glaube, das ist auch sinnvoll (Abg. Hafenecker: Ja, die fangen jetzt wieder an mit der Bewaffnung!) und diskussionswürdig, deswegen erfolgt hier eine tatsächliche Berichtigung. Es ging nicht um die gesamte Polizei. (Abg. Hafenecker: Polizeipferde haben sie auch dort!) – Danke. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Lausch: ... Polizei­pferde!)

23.41


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gelangt Abgeordneter Stocker. – Bitte. (Abg. Lausch: Das war viel besser!)


23.41.32

Abgeordneter Dr. Christian Stocker (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Hohen Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sicherheit ist ein wesentliches Grundbedürfnis der Men­schen in unserem Land, und ich bedauere wirklich, dass wir uns bei diesem Thema in so vielem ganz offensichtlich uneinig sind. Wir sind uns uneinig, sehr geehrte Frau Kollegin Yılmaz, ob ein einmaliges Danke in diesem Bereich genügt. Ich sage Ihnen ganz offen: Das genügt nicht!, und ich sage gerne mehrfach Danke: Danke an den Herrn Bundesminister, der eine sehr schwere Aufgabe zu bewältigen hat, Danke an die Polizistinnen und Polizisten und auch Danke an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Innenministerium. (Zwischenruf der Abg. Yılmaz.)

Eines muss ich auch der FPÖ zu dieser späten Stunde noch sagen: Herr Kollege Amesbauer, Sie machen sich Sorgen, wer die Verantwortung abschiebt, und berichtigen tatsächlich, dass Herr Kickl mit einer rechtswidrigen Razzia im BVT nichts zu tun hat? (Abg. Amesbauer: Na, wer hat’s angeordnet?) Wer schiebt hier die Verantwortung ab? Sie haben allen Grund dazu (Zwischenruf des Abg. Amesbauer), das sage ich schon, Sie haben allen Grund dazu, weil Ihr Innenminister Kickl das BVT mit einer rechts­widrigen Razzia, die einem Einmarsch gleichkommt, zerstört hat. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Ries: Ja, ja, ja! – Abg. Amesbauer: Das Problem an der ÖVP ist, dass Sie das ja wirklich glauben, was Sie sagen!)

Das Problem, das Sie mit der ÖVP haben, ist, dass wir für Sicherheit sorgen, die Ihr Innenminister gefährdet – und das haben Sie auch gehört –, indem Polizeiaktionen von Ihnen und Ihrem Innenminister nach außen getragen werden. Das ist etwas, was die FPÖ zu verantworten hat, und das sollten Sie sich vielleicht auch gut überlegen. (Abg. Lausch: Das Problem ist, dass Sie Unsinn reden!) Ja, ich weiß schon, das hören Sie nicht gerne, aber es ist halt so, dass es auch die Wahrheit ist. Man kommt darüber nicht hinweg, ich habe es das letzte Mal gesagt: Man muss ein bisschen was aushalten, die Wahrheit ist zumutbar.

Und zu diesem Budget (Abg. Lausch: Eh, eh, eh! Dank der Slowakei! Dank der Slowakei, die ist eh zumutbar!) sage ich auch Danke an den Herrn Finanzminister (Abg. Hafenecker: Wir haben sogar den Kollegen Gerstl ausgehalten vor ihm!), dass er die budgetären Mittel zur Verfügung stellt, dass der Kampf gegen politischen Extremismus


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 341

(Abg. Lausch: Aber für euch ist sie auch zumutbar!) und gegen Terrorismus sicher­gestellt werden kann. Ich weiß nicht, welches Budget Sie, sehr geehrter Herr Kollege Einwallner, gelesen haben – es kann nicht das sein, das hier vorliegt, weil mit diesem Budget fast 900 zusätzliche Exekutivbeamte in den Dienst gestellt werden. In diesem Sinne herzlichen Dank, Herr Bundesminister, die Sicherheit unserer Bevölkerung ist in guten Händen, und auch budgetär ist entsprechend vorgesorgt. (Beifall bei der ÖVP.)

23.44


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gelangt Abgeordneter Keck. – Bitte. (Zwischenruf bei den Grünen. – Abg. Keck – auf dem Weg zum Rednerpult –: Kollegin Maurer, darfst du gerne! – Abg. Maurer: Wir sind nicht per Du!)


23.44.36

Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wir diskutieren hier über eine Personalsituation im Innenminis­te­rium, die teilweise wirklich verheerend ist, und ich gebe Karl Nehammer keine Schuld daran, denn er ist erst kurze Zeit Innenminister, aber das Innenressort liegt schon lan­ge in Händen der ÖVP, und da sind viele Fehler passiert. (Zwischenruf des Abg. Wöginger.)

Als ich heute in dieses Haus gegangen bin, habe ich zwei Beamte getroffen, die ich kenne; ich habe mich natürlich mit ihnen unterhalten, und sie haben mir ihr Leid über die Mehrleistungen geklagt, die sie erbringen müssen, weil es viele Abstellungen gibt, weil es viele Schulungen gibt, weil natürlich Beamtinnen in Karenz sind, weil es Covid gibt. Wir haben bei der Budgetdebatte diskutiert: 10 Prozent der Exekutivbeamten sind mo­mentan entweder positiv getestet, in Quarantäne oder es ist sonst irgendetwas; und weil natürlich auch die Pensionen schlagend werden, heißt das, wir haben eine Unter­besetzung. Wenn wir 900 zusätzliche Beamtinnen und Beamte einstellen, so sind diese fehlenden Planstellen in Wahrheit nicht abgedeckt, Herr Innenminister. Genau das ist die Situation.

Eines weiß ich aus meiner Tätigkeit als Betriebsrat: Ich kann natürlich bei den Menschen lange an der Schraube drehen, ich kann sie lange auslaugen, ich kann massivste Leis­tun­gen verlangen, aber irgendwann bricht das Ganze ein, und ich denke, wir sind in einer Situation, in der wir aufpassen müssen, dass das nicht passiert. Ihre Rechnung, die Sie mit diesen 4 500 gemacht haben, bezieht sich auf die ganze Legislaturperiode, das heißt, pro Jahr 900, fünf mal neun sind 45, wir sind also bei den 4 500 Personen, aber das ist zu wenig. Wir müssen im Exekutivbereich weit, weit mehr Personal einstellen, um die massive Belastung dieser Beamtinnen und Beamten herabzusetzen, die sie auf­grund der Mehrbelastung haben – wenn ich mir aber anschaue, dass der Betrag für die Mehrdienstleistungen für 2021 von 291 auf 303 Millionen Euro erhöht wurde, dann weiß ich auch gleichzeitig, dass die Belastung dieser Beamtinnen und Beamten steigen wird.

Ich denke, man sollte sie senken und nicht steigern, und daher ist es dringend not­wendig, in diesem Ressort dafür zu sorgen, dass nicht 900 sondern 1 800 Beamte auf­genommen werden müssen. Wenn man weiß, dass die Schule zwei Jahre dauert, dann weiß man: Wenn derzeit zusätzlich 900 eingestellt werden, werden die erst in zwei Jahren frei, bis dahin gehen aber 3 200 in Pension. Man muss also wirklich schauen, mehr in die Schulungen zu bringen, damit man die Beamtinnen und Beamten auch entlastet. (Beifall bei der SPÖ.)

23.47


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gelangt Abgeordneter Andreas Minnich. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 342

23.47.23

Abgeordneter Andreas Minnich (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Innenminister! Geschätzte Kollegen! Werte Zuseher zu Hause! (Zwischenruf des Abg. Hafenecker.) Sie haben es schon von meinen Vorrednern und unserem Herrn In­nenminister gehört: Die innere Sicherheit zählt im nächsten Jahr zu den budgetären Schwerpunktsetzungen der Bundesregierung.

Das ergibt sich erstens daraus, dass es das höchste Sicherheitsbudget in der Ge­schichte des Bundesministeriums für Inneres ist: Es gibt eine Erhöhung gegenüber dem Finanzvorschlag 2020 in der UG 11 um rund 215,3 Millionen Euro (Zwischenruf bei der SPÖ), das sind 7 Prozent mehr.

Zweitens werden mit der Fortführung der Personaloffensive im BMI im nächsten Jahr 1 054 zusätzliche Planstellen im Innenressort geschaffen, davon 897 im Exekutivdienst und 63 für Ausbildungspersonal im Bildungszentrum, der Sicherheitsakademie.

Drittens fließen 30 Millionen Euro in den Ausbau der Cyberabwehr, die Weiterent­wicklung von IT-Applikationen sowie in die Modernisierung der polizeilichen Infrastruktur.

Viertens ist eine BVT-Geheimdienstreform im Kampf gegen Extremismus und Terroris­mus geplant, die Weiterentwicklung von Maßnahmen gegen Gewalt, Einbruch, Diebstahl sowie die Fortführung der Initiative Gemeinsam sicher in Österreich. (Beifall bei der ÖVP.) Gemein­sam sicher ist eine Kooperation mit NGOs und Gemeinden für ein klares Be­kenntnis zum Grätzelpolizisten und ein klares Zeichen für mehr Sicherheit für unsere Bevölkerung.

Liebe Opposition, auch Sie haben eine politische Verantwortung, ob Sie es wahrhaben wollen oder nicht. Wenn Sie jeden Tag verunsichern, Angst machen und die Anstren­gungen der Bundesregierung und der Polizistinnen und Polizisten negieren, dann ist dies verantwortungslos und nicht im Sinn der Sache.

Zum Abschluss ist es mir noch ein besonderes Anliegen, allen Personen im Sicher­heitsbereich Danke zu sagen, angefangen bei den Polizistinnen und Polizisten über die Mitarbeiter in der Sicherheitsverwaltung bis hin zu unserem Herrn Innenminister Nehammer. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.) Die Zeiten sind keine einfachen, keine leichten, und wir wissen Ihre Professionalität und Ihren Einsatz sehr zu schätzen. Wir sind stolz auf unsere Polizei. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

23.50


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Beratungen zu diesem Themenbereich sind beendet.

Ich bedanke mich beim Herrn Bundesminister und darf die Sitzung bis Mittwoch, den 18. November, 9 Uhr unterbrechen. Die Verhandlungen werden mit den Untergliederun­gen 21: Soziales, 22: Pensionsversicherung und 21: Konsumentenschutz fortgesetzt.

Die Sitzung ist unterbrochen.

23.50.57*****

(Die Sitzung wird am Dienstag, dem 17. November 2020, um 23.50 Uhr unterbrochen und am Mittwoch, dem 18. November 2020, um 9.05 Uhr wieder aufgenommen.)

*****


 


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 343

09.05.54Fortsetzung der Sitzung: 9.05 Uhr

09.05.55


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf. Ich darf Sie nach kurzer Nacht recht herzlich wieder hier im Plenarsaal begrüßen. Ich darf die Journalistik sowie die Damen und Herren zu Hause vor den Fernsehgeräten begrüßen.

Ich darf anfänglich auf Folgendes hinweisen: Wir haben heute eine Bestrahlungsaktion des Parlaments. Die Hofburg wird im Zuge des Red Wednesday, an dem man weltweit der verfolgten Christen gedenkt, in Rot bestrahlt. Das ist eine Initiative von Kirche in Not, bei der heute unter anderem der Stephansdom und 50 weitere Kirchen und Klöster und Einrichtungen in Österreich rot erstrahlen werden.

Am 25. November – das ist in diesen Wintermonaten eben intensiver – ist, um das Bewusstsein dafür zu stärken, die Initiative des Internationalen Tages gegen Gewalt an Frauen. Als ein ganz wesentliches Zeichen dafür wird am 25. November die Hofburg in Orange beleuchtet, um im Zuge von Orange the World hinsichtlich Gewalt gegen Frauen zu sensibilisieren und mit Aktionen darauf aufmerksam zu machen.

Am Welt-Aids-Tag am 1. Dezember möchten wir durch Anbringen der roten Schleife an der Hofburg auf diese Thematik aufmerksam machen. Des Weiteren wird die Hofburg zwei Tage lang, am 2. und 3. Dezember, sowie auch bei der Vorveranstaltung violett beleuchtet. Purple Light Up ist eine weltweite Kampagne zur Bewusstseinsschaffung für die Teilhabe und vor allem Inklusion von Menschen mit Behinderung.

Ich bin auch noch darauf angesprochen worden, die Bitte an die Kolleginnen und Kolle­gen zu richten, dass Sie, wenn Sie die Maske am Rednerpult abnehmen, diese ein­stecken oder in der Hand halten, anstatt sie auf das Pult zu legen, weil die Maske doch feucht ist und das Pult nicht nach jedem Redner desinfiziert werden kann – wenn Sie bitte so viel Bedachtsamkeit anwenden würden.

Für den heutigen Sitzungstag als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Franz Leonhard Eßl, Mag. Michael Hammer, Klaus Köchl, Bedrana Ribo, MA und Süleyman Zorba.

*****

Ich darf wieder bekannt geben, dass der ORF wie üblich die Sitzung überträgt, und zwar live bis 13 Uhr in ORF 2 und bis 19.15 Uhr in ORF III und dann anschließend in der TVthek.

Redezeitbeschränkung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Es wurde schon gestern für den heutigen Sitzungstag eine Tagesblockzeit von 9 „Wiener Stunden“ beschlossen. Ich darf die Redezeiten noch einmal in Erinnerung rufen: 176 Minuten für die ÖVP, 122 für die SPÖ, 99 für die FPÖ, 90 für die Grünen, 72 für die NEOS und für jene Damen und Herren, die keiner Fraktion, keinem Klub angehören, 36 Minuten und pro Debatte jeweils 5 Minuten.

*****

Die Gliederung der Beratungen ist bekannt.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 344

Wir setzen die Budgetberatungen fort.

09.08.42UG 21: Soziales

UG 22: Pensionsversicherung

UG 21: Konsumentenschutz


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir beginnen mit den Untergliederungen 21: Soziales, 22: Pensionsversicherung sowie 21: Konsumentenschutz, worüber die Debat­ten unter einem stattfinden.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Nussbaum. – Bitte.


9.09.02

Abgeordnete Mag. Verena Nussbaum (SPÖ): Guten Morgen, Herr Präsident! Guten Morgen, Herr Bundesminister! Hohes Haus! Wir haben gestern begonnen, über die Hackler­regelung zu diskutieren, besser gesagt darüber, dass die Abschläge nicht weg­kommen sollen, und dabei sind immer wieder die Frauenpensionen ins Spiel gekommen. Auf diese möchte ich heute noch einmal besonders hinweisen.

Wir wissen, es ist noch immer die traurige Wahrheit, dass Frauen im Schnitt nur halb so viel Pension wie die Männer bekommen, und wir alle kennen die Gründe dafür. Es sind die veralteten Rollenbilder, die dazu führen, dass sich immer noch überwiegend Frauen um Kinderbetreuung und Pflege kümmern.

Das führt dazu, dass Frauen in Teilzeit, in schlecht bezahlten Jobs arbeiten, aber es sind gerade jene Frauen, die eine niedrige Pension erhalten, die die sogenannten System­erhalterinnen sind – die in der Pflege arbeiten, die im Handel arbeiten –, die jetzt wieder die Heldinnen in dieser Lockdownkrise sind. Wenn man aber nun die abschlagsfreie Hacklerregelung abschafft, ändert das nichts an der Ungerechtigkeit, dass Frauen immer noch weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen und daher auch wenig Pension erhalten. (Beifall bei der SPÖ.)

Frauen erhalten durch die Abschaffung der Hacklerregelung, der abschlagsfreien Pen­sion, keinen Cent mehr, wir als SPÖ wollen jedoch eine wirkliche Verbesserung der Frauenpensionen. Wir wollen das Angebot einer flächendeckenden Kinderbetreuung, wir wollen das Angebot einer verbesserten Anrechnung der Kindererziehungszeiten und wir wollen auch, dass Frauen, die bereits in Pension sind, 50 Euro zusätzlich an Pension im Monat bekommen, wenn bei ihnen Kinderbetreuungszeiten vorliegen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, wenn ihr wirklich etwas dazu beitragen wollt, dass die Pensionen für Frauen fairer gestaltet werden, dann habt ihr heute die Möglichkeit, unserem Entschließungsantrag zuzustimmen, ebenso wie die ÖVP, die ja von Anfang an immer behauptet hat – was ja völlig irre ist –, dass durch die abschlags­freie Hacklerregelung die Frauen benachteiligt würden. Auch für euch gäbe es heute die Möglichkeit, unserem Entschließungsantrag zuzustimmen.

Wir haben diesen Entschließungsantrag bereits im September 2019 eingebracht, und er wurde damals auch so beschlossen. Ich bringe ihn noch einmal ein – schauen wir einmal, wie die Abstimmung dann heute ausgeht. Ich bringe also folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend „faire Pensionen für Frauen“


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 345

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zu übermitteln, die eine verbes­serte Anrechnung der Kindererziehungszeiten (statt 110 Euro künftig 160 Euro pro Monat) für zukünftige Pensionen vorsieht, und für Menschen, die schon jetzt in Pension sind und Kindererziehungszeiten aufweisen, soll diese Extra-Pension von 50 Euro pro Monat pauschal auf die normale Pension aufgeschlagen werden.“

*****

Danke. – Ich hoffe, wir stimmen für höhere Frauenpensionen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

9.12

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek,

Genossinnen und Genossen

betreffend faire Pensionen für Frauen

eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Budgetausschusses über das Bundesfinanzgesetz 2021 – BFG 2021 – UG 22 Pensionsversicherung

Frauen bekommen im Schnitt nur halb so viel Pension wie Männer. Hauptgründe dafür sind zum einen die schlechtere Bezahlung und fehlende Beitragszeiten auf Grund von Kindererziehung anzuführen. Es braucht deshalb eine Pensionserhöhung durch die bessere Anrechnung der Kindererziehungszeiten.

Die Abschaffung der abschlagsfreien Pension mit 45 Arbeitsjahren, wird Frauen keinen Cent mehr in der Pension bringen. Die niedrigen Frauenpensionen als Argument für diese Abschaffung heranzuziehen, wie das von ÖVP und Grünen immer wieder erfolgt, verbessert das Leben der arbeitenden Frauen in Österreich in keiner Hinsicht. Im Gegenteil, man rechtfertigt ein Unrecht mit einem anderem Unrecht.

Um die Pensionen der Frauen anzuheben, braucht es eine Reihe von Maßnahmen, vor allem aber den flächendeckenden Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen, damit Frauen nicht aufgrund von Betreuungspflichten zur Teilzeitarbeit gezwungen werden. Teilzeitbeschäftigung reduziert das Einkommen, senkt damit die Pensionshöhe und erhöht die Gefahr der Altersarmut. Und es braucht eben die verbesserte Anrechnung von Kindererziehungszeiten.

Am Ende des Arbeitslebens erhalten die meisten Frauen nur die Hälfte der Pension, die Männer erhalten. Frauenpensionen liegen im Median bei 957 Euro pro Monat, Männer­pensionen bei 1.863 Euro. Grund für die Schieflage ist die Lohnschere (gender pay gap), da der Lohn eine Grundlage für die Pensionsberechnung ist. Dazu kommt: Wenn Mütter (oder auch Väter) nach der Geburt zuhause bleiben oder danach Teilzeit arbeiten gehen, wirkt sich das später negativ auf die Pension aus.

Als Ausgleich dafür sieht die geltende Rechtslage vor, dass pro Kind vier Jahre Kindererziehungszeiten mit einer Beitragsgrundlage von rund 1.600 Euro im Monat (14-mal) angerechnet werden. Durch diese Anrechnung hat jede Frau mit Kind um 110 Euro mehr Pension pro Monat. Natürlich können auch Männer diese Zeiten zugerechnet be­kommen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 346

Wichtig wäre in diesem Zusammenhang, dass eine deutliche Erhöhung der Beitrags­grundlage für Kindererziehungszeiten erfolgt und für alle Frauen (und Männer) mit Kindererziehungszeiten, die bereits in Pension sind oder von der Anhebung der Beitrags­grundlage nicht mehr profitieren, 50 Euro Extra-Pension im Monat erhalten.

Bereits mit Entschließung 105/E XXVI. GP des Nationalrates vom 19. September 2019 wurde die damalige Bundesministerin durch die Mehrheit der Mitglieder des National­rates aufgefordert, diese Maßnahmen umzusetzen. Es ist jetzt höchst an der Zeit zu handeln.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zu übermitteln, die eine verbes­serte Anrechnung der Kindererziehungszeiten (statt 110 Euro künftig 160 Euro pro Monat) für zukünftige Pensionen vorsieht, und für Menschen, die schon jetzt in Pension sind und Kindererziehungszeiten aufweisen, soll diese Extra-Pension von 50 Euro pro Monat pauschal auf die normale Pension aufgeschlagen werden.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht somit mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schallmeiner. – Bitte.


9.12.55

Abgeordneter Ralph Schallmeiner (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause vor den Bildschirmen! Unter normalen Umständen würden wir wahrscheinlich hier heute sitzen und uns über eine Pflegereform unterhalten – eine Pflegereform als Kernstück des aktuellen Regierungsübereinkommens, eine Pflegereform, die betreffend dieses Zukunftsthema Pflege diesen viel zitierten großen Wurf bringen soll. Warum wir das heute nicht tun, ist wohl, glaube ich, hier herinnen jedem klar: Das ist unter anderem dem Thema Corona geschuldet sowie der Bindung der Ressourcen und Kapazitäten, die wir momentan für die Pandemiebekämpfung brauchen.

Dabei – und darüber sollten wir uns auch im Klaren sein – braucht es diese Pflegereform ganz, ganz dringend, und es geht dabei um ganz, ganz große Themen. Es geht darum, eine anständige Entlohnung für die Pflegerinnen und Pfleger zu gewährleisten. Es geht darum, Anreizsysteme zu schaffen wie beispielsweise eben eine Entlohnung bereits während der Ausbildung, ähnlich dem Modell der Polizei. Es geht darum, eine Ausbil­dung zu schaffen, die so modular und so durchlässig in alle Richtungen ist, dass sie attraktiv ist, dass sie eben so auf Qualität abzielt, dass sich Menschen auch gerne fortbilden und weiterbilden.

Es geht darum, Anreizsysteme für BerufseinsteigerInnen und BerufsumsteigerInnen zu schaffen. Es geht darum, eine Erleichterung der Anerkennung von Ausbildungen zu gewährleisten. Beispiel ist immer: Was machen Sanitäterinnen und Sanitäter, die lange Jahre im Rettungsdienst waren und dann vielleicht aus diesem Rettungsdienst hinaus


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und beispielsweise in den Pflegedienst wollen? Denen wird eigentlich – aus meiner Sicht zumindest – viel zu wenig angerechnet. (Beifall des Abg. Stögmüller.)

Es geht aber auch darum, eine nachhaltige Entlastung von pflegenden Angehörigen zu gewährleisten – und wenn wir schon von pflegenden Angehörigen sprechen, dann müssen wir auch über pflegende Minderjährige reden. Auch da gilt es, diese Menschen entsprechend zu begleiten, diese Menschen zu entlasten beziehungsweise bei den Minderjährigen natürlich darauf zu achten, dass sie gar nicht in die Situation kommen, ältere Menschen zu pflegen.

Es braucht klärende Antworten auf Fragen wie die bezüglich Communitynurses. Es gilt, noch einmal den pflegefreien Tag zu diskutieren und sich zu überlegen, wie wir diesen verankern können, es geht aber auch darum, Präventionsmaßnahmen und Präventions­konzepte umzusetzen, und genauso darum, wie wir eine anständige Begleitung durch die vorhin erwähnten Communitynurses oder durch sogenannte ANPs sicherstellen können.

Wir sind mitten in einem Prozess, der im Jänner gestartet wurde. Es ist mit Sicherheit einer der größten Beteiligungsprozesse, die momentan in diesem Land stattfinden, bei dem sich auch Tausende Praktikerinnen und Praktiker über Plattformen, über digitale Beteiligungsmodelle einbringen konnten, bei dem Menschen, die wirklich aus der Mitte der Pflege kommen, ihre Meinung, ihre Expertise eingebracht haben, und es gilt jetzt, diese Expertise, das alles einzudampfen und in einer anständigen, in einer sehr ziel­gerichteten Reform umzusetzen.

Unter normalen Umständen würden wir das hier heute diskutieren. Ich hoffe, dass wir dann allerallerallerspätestens in einem Jahr hier herinnen sitzen und das endlich nach­holen, diese Diskussion führen können und dann diese Pflegereform auf den Weg bringen. Dann wird sich das Ganze auch entsprechend in den Budgets abbilden. In diesem Budget kann es sich noch nicht abbilden, weil die Pflegereform, wie gesagt, eben noch nicht auf dem Weg ist – nächstes Jahr dafür umso sicherer. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

9.16


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Belakowitsch. – Bitte.


9.16.30

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Damen und Herren! Ja, das Thema Soziales, Pensionsversicherung und Konsu­mentenschutz ist ein ganz großer Bereich. Mein Vorredner hat sich jetzt zur Pflegereform Gedanken gemacht. Die Botschaft höre ich wohl, allein es ist im Budget nicht abgebildet, was Sie hier erzählt haben, und genau das ist das Problem: Beim ganzen Sozialbereich ist in Wahrheit finanziell überhaupt nicht abgebildet, dass es dort jetzt mehr Geld für irgendwelche Bereiche geben soll.

Einzig und allein soll jetzt das sogenannte Armutsgesetz kommen – das Armutsgesetz ist für Familien, für Mindestsicherungsbezieherfamilien gedacht, die jetzt einmalig 100 Euro im Jahr bekommen sollen. Rechnen Sie sich das durch! Das macht in etwa 8 Euro im Monat aus. Das heißt, das ist die ganz große Sozialpolitik dieser Bundesregierung, das ist das, was man diesen Menschen zusätzlich gibt. Mit 8 Euro im Monat zusätzlich können sich die Familien, die an der Armutsschwelle leben, überlegen, was sie damit machen: Kaufen sie etwas für die Kinder oder kaufen sie Brennmaterial zum Ein­heizen? – Ganz ehrlich, liebe Damen und Herren der Regierungsparteien, das ist in Wahrheit ein Pflanz, das könnten Sie sich tatsächlich sparen.


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Auf der anderen Seite sehen wir einen geplanten massiven Sozialabbau, das haben wir gestern lang und breit diskutiert. Die sogenannte Langzeitversichertenpension soll gestrichen werden. Das Geld soll jetzt irgendwie umverteilt werden – oder auch nicht. Da sind sich ja nicht einmal die beiden Regierungsfraktionen mit dem Bundeskanzler einig gewesen. Offensichtlich haben Wöginger und Maurer das Kleingedruckte nicht gelesen. Auch das wird so nicht kommen, wie man es uns hier gestern zu erklären versucht hat. Hier nimmt man also jenen, die wirklich viel gearbeitet haben, das Geld weg; man versucht dann in weiterer Folge wahrscheinlich den nächsten Pensionsraub durchzuführen.

Wir haben das auch schon bei den Sonderbetreuungszeiten gesehen: Die wurden ursprünglich beschlossen; jetzt sollen sie nicht gelten, weil man mit einem Taschen­spielertrick plötzlich sagt: Na, die Schulen sind eh offen, es können eh alle Kinder betreut werden! – All das passiert.

Das heißt, es werden große Ankündigungen gemacht, es werden ganz große Ver­sprechungen gemacht, aber wenn die Bürger draußen dann tatsächlich darauf drängen, dass sie das eben gerne hätten, heißt es: Na, tut uns leid, das gibt es jetzt nicht!, weil das Geld wegen dieser ganzen komischen Programme, die Sie hier für die Großindustrie und für multinationale Konzerne – das sind nämlich die, die tatsächlich Geld aus diesen diversen Hilfsfonds bekommen haben – fahren, nicht da ist. Das muss jetzt wieder bei den Arbeitnehmerinnen, bei den Arbeitnehmern, bei den Österreichern zurückgeholt werden, weil das ja irgendjemand bezahlen muss. Das bezahlt in der Regel nicht die Politik, das bezahlen die Steuerzahler, und daher ist genau das der Grund, warum man jetzt versucht, hier einzusparen, und warum man das Geld jetzt auch wieder über die Sozialleistungen von den Leuten zurückholt.

Ich sage Ihnen ganz ehrlich, meine Damen und Herren, das ist eine Schande für dieses Land, denn das, was Sie den Leuten zugemutet haben, würde danach schreien, dass es auch zu einer massiven Erhöhung dieser ganzen Sozialtöpfe, auch des Pensions­topfs, kommt, weil es sich die Bürger nämlich verdient haben.

Weil Kollege Wöginger sich gestern hierhergestellt und gesagt hat, das sei die aller­größte Pensionserhöhung aller Zeiten, die er miterlebt hat, möchte ich ihn daran erin­nern: Es ist noch gar nicht so lange her, es ist nämlich erst vor einem Jahr passiert, dass sie noch um eine Spur höher war. Offensichtlich versucht man also hier immer und immer wieder, irgendwelche Superlative zu verwenden. Was den Leuten am Ende tatsächlich im Geldbörsel bleibt, das schaut dann ganz anders aus – und das ist das, was die Bürger draußen spüren. Daher, muss ich Ihnen sagen, halte ich dieses Sozialbudget für ein sehr fantasieloses Budget.

Kürzen ist immer einfach, irgendetwas zu versprechen und es dann nicht zu halten, ist auch immer einfach. Wenn man sich aber hinsetzt und sich kreativ wirklich mit den Lebensrealitäten der Bürgerinnen und Bürger draußen auseinandersetzt, dann, meine Damen und Herren, schaut es ein bisschen traurig aus. Wir hätten uns da sehr viel mehr erwartet, auch von Ihnen, Herr Minister – dass Sie für die Bürger da ein bisschen mehr Geld erkämpfen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

9.20


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Wöginger. – Bitte.


9.20.23

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es stimmt einfach nicht, dass im Bereich Soziales, in der UG 21, nicht mehr Budget vorhanden ist. Es sind für das kommende Jahr um


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200 Millionen Euro mehr, auch weil wir gerade schon erste Mittel für den Pflege­reform­prozess bereitstellen. Auch die Mittel für die Valorisierung des Pflegegeldes sowie für die Abschaffung des Pflegeregresses sind gesichert, bis zum Jahr 2024. Wir haben also 200 Millionen Euro im Budget, zuzüglich 100 Millionen Euro, was ja letzten Endes auch im Verfassungsgesetz abgesichert ist.

Ja, wir stehen mitten in diesem Prozess. Der Bundesminister hat mit uns gemeinsam eine, wie ich glaube, sehr breit angelegte Diskussionsplattform aufgestellt. Pflege geht uns alle an: Wir haben rund eine Million Menschen, die direkt oder indirekt mit dem Thema Pflege verbunden sind, es gibt in Österreich 460 000 PflegegeldbezieherInnen und es geht uns auch ganz stark um die Unterstützung der zu Hause pflegenden Ange­hörigen. Immerhin werden bis zu 80 Prozent der Betroffenen zu Hause betreut und gepflegt, da gilt es auch, jenen, die diese großartigen Leistungen, meistens im Familien­verband, erbringen – es sind meist Frauen, die das übernehmen –, den nötigen Respekt und die nötige Anerkennung zu zollen. Das wird ein Schwerpunkt in dieser Pflege­geldreform sein, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Disoski und Ernst-Dziedzic.)

Zum Zweiten versuchen wir, die Finanzierungsströme zu bündeln. Pflege ist ja ein Thema, das nicht nur eine Bundesangelegenheit ist; es geht um die Länder, es geht um die Gemeinden, um die Verbände, die es in diesem Bereich, in dem die Gemeinden strukturell mitverantwortlich sind, gibt, und da sollten wir alles tun, um diese Finan­zierungsströme effizienter zu gestalten. Wir müssen sie klarer ansiedeln und einfach auch, so wie im Gesundheitssystem über eine Bund-Länder-Zielsteuerungskommission, eine klarere Zuständigkeit, eine klarere Verantwortung zustande bringen. Ich bin da guter Dinge, wir haben aber im heurigen Jahr auch ein paar andere Themen abzuarbeiten. Neben der Pandemie sowie der größten Wirtschaftskrise versuchen wir, auch da voran­zukommen. Ich danke auch dem Minister!

Zum Bereich der Pensionen: Wenn Sie hier jetzt unterstützende Maßnahmen für Frauen in die Debatte einbringen, dann rate ich Ihnen, am Freitag einfach dem Frühstarterbonus zuzustimmen. Das ist das beste Mittel, das es überhaupt gibt. Es sind bis zu 840 Euro pro Jahr mehr, und das betrifft insbesondere Frauen, die bald zu arbeiten begonnen haben. Es steht Ihnen frei, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.) Es steht Ihnen frei, da müssen Sie nicht anderweitig im System herummurksen, das wird klar vorgelegt werden und Sie können Ihre Zustimmung geben.

Insgesamt bin ich froh, dass wir in Österreich ein gutes Pensionssystem haben. Ver­gleicht man das mit unseren Nachbarländern, so sieht man, dass dort die Situation wesentlich anders ausschaut. Ich zum Beispiel lebe an der bayerischen Grenze und ich möchte nicht mit den Deutschen tauschen, was das Pensionssystem anbelangt: Man kommt dort gerade einmal auf einen guten Tausender, wenn man 50 Jahre gearbeitet hat – 50 Jahre! –, und das zwölfmal pro Jahr, nicht 14-mal. Wir sind also, wie ich glaube, gut aufgestellt, wir müssen aber die Nachhaltigkeit wieder in das System bringen. Es gilt daher, Wahlzuckerl zurückzuschrauben und eine gerechte Lösung zu installieren, meine Damen und Herren. Das werden wir auch tun! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der Grünen.)

Erwähnen möchte ich noch das Pensionssplitting. Wir sind in Gesprächen, um auch da eine Lösung zustande zu bringen. Freiwillig geht das ja bereits, es soll aber eigentlich schon eine Verpflichtung geben, wenn ein Partner sich engagiert und insbesondere Betreuungspflichten übernimmt. Das soll dann auch in der Pension zum Ausdruck gebracht werden. Da sind wir in Verhandlungen, im Regierungsprogramm gibt es dazu Lösungsansätze.


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Abschließend sei mir aber gestattet, die angebliche Fortschrittskoalition in Wien noch zu erwähnen. (Zwischenruf bei den NEOS.) Ich habe aus diesem Koalitionsprogramm zwar keinen Fortschritt herauslesen können – soweit ich jetzt mit diesem Programm gekom­men bin (in Unterlagen blickend), sehe ich nichts Rosarotes. Ich habe geglaubt, das muss ja mindestens rosarot werden. (Abg. Meinl-Reisinger betritt den Saal und begibt sich zu ihrem Sitzplatz.) – Jetzt kommt Frau Kollegin Meinl-Reisinger, das passt sehr gut, ich habe Ihnen nämlich etwas mitgebracht. (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger. – Der Redner stellt einen großen, mit einer roten Glasur überzogenen und einer Kirsche dekorierten Punschkrapfen aufs Rednerpult. – Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP. – Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.) – Nein, das verträgst du locker, Beate, das geht schon! Noch dazu kannst du es ja im Klub aufteilen; alle 15 Mitglieder werden vielleicht nicht etwas kriegen, einige aber können sicher davon zehren.

Ich habe das Programm noch nicht ganz gelesen, ich habe mir aber den Sozialbereich und vor allem das Kapitel Pensionen durchgeschaut. (Abg. Meinl-Reisinger – auf dem Weg zu einem Tisch in der Nähe des Rednerpults, auf dem eine Flasche Des­infek­tionsmittel steht –: Ich desinfiziere mir nur die Hände!) – Vorm Essen – ja, passt eh. (Heiterkeit bei der ÖVP.)

Ich habe mir den Bereich der Pensionen angesehen – da habe ich es (ein Blatt Papier in die Höhe haltend), es ist eine stolze halbe Seite in diesem Koalitionspapier (Zwi­schenruf des Abg. Wurm) –, und ich kenne ja die Ansagen der NEOS sehr genau. Kollege Loacker, der ein profunder Kenner der Materie ist, lässt ja keine Sitzung aus und prügelt uns dann jedes Mal mit der Abschaffung der Luxuspensionen und mit der Nachhaltigkeit im System her.

Meine Damen und Herren, es wäre aber gerade in der Stadt Wien angebracht, da jetzt endlich etwas zu tun! (Beifall bei der ÖVP.) Dort haben wir nämlich das früheste Antrittsalter bei den Gemeindebediensteten. Jetzt kann man sagen: Das kann man einem jeden vergönnen, mein Gott, steht’s ihnen halt zu. – Ich sage etwas anderes: Ich bin Oberösterreicher und ich sehe nicht ein, dass die anderen acht Bundesländer die Bundesreform eigentlich umgesetzt haben, wer aber hat es nicht gemacht? – Wien! (Ruf bei der ÖVP: Uh!)

In Wien dauert es bis 2042, bis diese Reform umgesetzt wird! Das ist die Fortschritts­koalition? Übergangsfristen bis 2042? Na, wenn es das ist, was die NEOS in einer Koalition zusammenbringen, dann: Habe die Ehre! (Beifall und Zwischenrufe bei der ÖVP.) Da bin ich nicht so guter Dinge, aber da ist anscheinend der rote Bulldozer über die Pinken drübergefahren.

Ihr fordert ja immer das Ende der Luxuspensionen. Ich habe jetzt nicht viel Zeit, man kann es aber auch mit nur wenigen Sätzen sagen: In Wien gäbe es Hunderte Ansätze, Luxuspensionen zu bereinigen, zumindest mit dem Sonderpensionenbegrenzungs­gesetz, das immer noch kritisiert wird, das wir auf Bundesebene ja haben. Dieses ist jedoch in Wien nicht umgesetzt (Abg. Hörl: Ah!), es gilt für die Wiener Pensionisten und Pensionistinnen nicht einmal. Also bitte! Ich habe bewusst auch diese Kirsche da in Rot gewählt. Ich wollte zuerst eine pinke Kirsche haben – mit Lebensmittelfarben wäre das irgendwie gegangen –, ich finde aber nichts Pinkes in diesem Programm! Daher ein rotes Törtchen für die NEOS. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP sowie Beifall bei Abge­ordneten der Grünen.)

9.28


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Loacker. – Bitte.



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09.28.12

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Eine kleine Kabaretteinlage von Kollegen Wöginger als großes Ablen­kungsmanöver (Zwischenruf des Abg. Höfinger), denn wer hat seit 1986 die Verant­wortung für alles, was betreffend Pensionen und Finanzen im Bund passiert? – Die ÖVP. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenruf des Abg. Wöginger.)

Ganz viele junge Menschen in Österreich – und nicht nur junge, sondern auch mittel­alte – haben in diesem Land noch nie eine Regierung ohne ÖVP erlebt. Diese ÖVP hat das Pensionssystem kaputtgeritten, und der grüne Minister macht nun damit weiter. Dazu nur ein kleiner Ausschnitt: Wenn man sich das Bundesfinanzrahmengesetz zu diesem Budget anschaut, dann sieht man, dass in der Untergliederung Pensions­versicherung das Loch von 10 auf 14 Milliarden Euro – um 40 Prozent – aufgeht. Das ist der ÖVP dann egal. (Beifall bei den NEOS.)

Da reißt man den Schlapfen auf und tut so, als ob man sich für solide Finanzen einsetzen würde, und in Wirklichkeit wird das Geld mit beiden Händen hinausgepfeffert. Wir haben dieses Jahr eine außertourliche Pensionserhöhung von 3,5 Prozent. Die arbeitenden Menschen, die mit ihren Beiträgen das System finanzieren, die Metaller zum Beispiel, die von Kollegen Wimmer und von den anderen Gewerkschaftern vertreten werden, kriegen 1,45 Prozent Lohnerhöhung, die Pensionisten aber 3,5 Prozent. Letztes Jahr waren es 3,6 Prozent – mit beiden Händen hinaus! Man hat zusätzlich einen Pensions­bonus eingeführt.

Die Bauernpensionen sind ganz wichtig, die haben wir verbessert, und jetzt kommt der Frühstarterbonus – noch ein Bonus! Von welchem Geld wir das bezahlen, ist wurscht. Die Wartefrist auf die erste Pensionserhöhung haben wir auch abgeschafft – und jetzt geht das Loch halt um 40 Prozent auf. Was sind schon 40 Prozent? Ich frage die Unternehmerinnen und Unternehmer: Werden Sie in den nächsten vier Jahren um 40 Prozent mehr verdienen? Ich frage die Angestellten und die Arbeiter: Werden Sie in den nächsten vier Jahren um 40 Prozent mehr verdienen? – Wohl nicht. Es wird aber 40 Prozent mehr für die Pensionen ausgegeben.

Es gibt diese Klugdings – man darf das ja nicht sagen, ohne einen Ordnungsruf zu bekommen –, Klugdings wie den Kollegen Ottenschläger (Abg. Kassegger: Klug-piep-piep!), der gestern eine Aussendung gemacht hat, in der er gesagt hat: Ich verlange von den NEOS wirtschaftsliberale Vorschläge. Die Wirtschaftskammer – das ist jetzt nicht gerade Liberalismus, aber Wirtschaft – hat Vorschläge zur Verbesserung des Pensions­systems gemacht. Wenn wir dasselbe vorschlagen wie die Wirtschaftskammer, stimmen hier im Parlament sogar die Wirtschaftsbündler dagegen, so – unter Anfüh­rungs­zeichen – „wirtschaftsliberal“ sind die. Aber immer den Schlapfen aufreißen! (Bei­fall bei den NEOS sowie des Abg. Wurm.)

Wäre die ÖVP ein Tier, wäre sie ein Krokodil, weil da auch der Mund das Größte ist. (Heiterkeit bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.) Die Experten werden ja überhaupt ignoriert. Es ist wurscht, was Herr Kocher sagt, es ist wurscht, was Herr Badelt sagt, es ist egal, was der Vorsitzende der Alterssicherungskommission sagt. Sie ignorieren die Experten und machen Ihre Politik. Warum? – Es gibt mehr Wähler, die über 70 Jahre alt sind, als es Wähler unter 30 gibt. Dass die Wähler, die unter 30 sind, bei der Bildung Verluste haben, die sich auch in Einkommensverlusten äußern werden; dass sie einen schwereren Berufseinstieg haben werden, weil Sie die Wirtschaft gerade mit Ihrer chaotischen Coronapolitik zugrunde richten; dass sie im Job – wenn sie schon im Job sind – weniger Aufstiegschancen haben, ist völlig egal, weil es eh weniger Wähler unter 30 gibt, als es Wähler über 70 gibt.


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Wenn sich hier also wieder bedankt wird und gesagt wird, wie super wir bei der Pflege sind: Von 4 Euro, die zusätzlich für Arbeit, Soziales und Pensionen ausgegeben werden, gehen 3 Euro in die Pensionen – und das halten Sie (in Richtung ÖVP) da drüben für gerecht. (Beifall bei den NEOS.)

Dabei geht es Ihnen nur um die Wählerstimmen. Es geht Ihnen gar nicht um die alten Menschen, denn wenn es um die alten Menschen ginge, dann müsste man zum Beispiel darüber nachdenken, warum eine 24-Stunden-Betreuerin nicht den Coronatest bezahlt bekommt, bevor sie beim dreiwöchigen Schichtwechsel wieder zu dem von ihr Betreuten geht. Den müssen nämlich entweder die Betreuten oder die Betreuungskräfte selber zahlen. Davon hätten die alten Menschen wirklich etwas, davon hätte das Gesund­heits­system wirklich etwas. Es geht aber nicht ums Wohl der Menschen, sondern es geht Ihnen nur um die Stimmen. (Beifall bei den NEOS.)

9.32


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bundesminister Anschober ist zu Wort gemeldet. – Bitte.


09.32.57

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Geschätzter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Da die De­batte hier einen interessanten Beginn genommen hat, möchte ich die Gelegenheit nutzen, auch ein paar grundsätzliche Bemerkungen zu den in Diskussion befindlichen Kapiteln abzugeben, denn es ist mir besonders wichtig, ein paar Punkte in diesem Zusammenhang klarzustellen.

Zum einen: Wir haben am Beginn einen Redebeitrag zum Thema Frauenalterspen­sio­nen gehört. Das begrüße ich sehr, denn die Zahl, um die es dabei geht, ist eine, die eigentlich für Österreich aus meiner persönlichen Sicht eine beschämende ist; eine durchschnittliche Alterspension beträgt nämlich 1 035 Euro. Meine sehr verehrten Damen und Herren, da hat diese Republik und da hat die Politik akutesten Hand­lungsbedarf. Deshalb wird es sich bei uns und bei mir bei jeder einzelnen Maßnahme im Pensionsbereich als Primat durchsetzen, dass wir da deutliche Verbesserungen er­reichen wollen. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Wöginger.)

1 035 Euro, Zehntausende Frauen in Altersarmut – das kann so nicht sein, das kann nicht so bleiben! Das ist das Erbe von vielen Vorgängerregierungen, auch von vielen Sozialministerinnen und Sozialministern – es werden sich jetzt ein paar Personen hier herinnen betroffen fühlen –, da haben wir etwas zu tun, und zwar ganz konsequent und ganz ehrlich. Deswegen haben wir mit der Pensionserhöhung begonnen, nämlich damit, diese für das kommende Jahr und im Rahmen der aktuellen Pensionserhöhung ge­staffelt durchzuführen. Sie wissen, wir haben die Ausgleichszulagen auf zumindest 1 000 Euro erhöht. Wem kommt das zugute? – Genau diesen Bevölkerungsgruppen, die derzeit in einer sehr, sehr schwierigen Situation sind.

Herr Kollege Loacker, es lässt sich halt aus einer sehr wohlhabenden Situation, in der wir alle sind, vortrefflich gegenüber Menschen argumentieren, die nicht einmal 1 000 Euro pro Monat zum Leben haben. (Abg. Loacker: Zahlen Sie ...!) – Na wo sonst, wenn nicht da, sollen wir denn handeln, wenn wir Sozialpolitik ernst nehmen! (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.) Hierherzugehen, Herr Kollege Loacker, und die Bevölkerung in Wählerstimmen da und Wählerstimmen dort auseinan­der­zudividieren, kann doch nicht der Ernst von Politik sein. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Loacker: Ja, auf dem reiten ja Sie die ganze Zeit!) Wir haben doch nicht Wähler­stimmenmaximierung zu betreiben (Abg. Loacker: Ja, das machen Sie! Sie machen


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Wählerstimmenmaximierung ohne Rücksicht auf die Jungen!), sondern Altersarmuts­reduktion – das muss unser Ziel sein. Das muss unser Ziel sein, und deswegen ist die Pensionserhöhung so, wie wir sie umgesetzt haben, gestaffelt – viel stärker bei denen, die es brauchen, und viel geringer bei denen, die es weniger brauchen. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Loacker.)

Dasselbe Ziel hat der nun verankerte FrühstarterInnenbonus. Ich bin stolz darauf (Abg. Belakowitsch: Den Leuten das Geld wegzunehmen!), und wir kriegen seit Tagen Gratulationen. (Heiterkeit bei der FPÖ. – Abg. Wurm: Na, na bitte ...!) – Herr Kollege Wurm, Sie kriegen keine Gratulationen, das weiß ich. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenrufe der Abgeordneten Belakowitsch und Wurm.) Sie wissen wahrscheinlich gar nicht, was das ist, das ist das Problem. (Abg. Belakowitsch: Geh, bitte ...!) Ja, ich sage Ihnen nachher dann im bilateralen Dialog, was eine Gratulation ist. Sie kennen das, glaube ich, nicht. (Heiterkeit bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenrufe der Abgeord­neten Belakowitsch, Wurm und Lausch.) Wir kriegen also Gratulationen aus dem Bereich der Gewerkschaften, aus dem Bereich der Arbeiterkammern und ganz beson­ders aus dem Bereich der Frauenorganisationen – und die wissen, was notwendig ist in diesem Land, die wissen, was zu tun ist. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Wenn wir genau für diesen Bereich, für kleinere und mittlere Pensionen, prioritär für Frauen, eine deutliche Verbesserung für all jene, die zumindest 25 Beitragsjahre haben und die zwischen 15 und 20 die entsprechenden Beiträge geleistet haben, erreichen, dann ist das ein wesentlicher zweiter Schritt in Richtung mehr Gerechtigkeit in diesem Pensionssystem – zugunsten von Frauen und zugunsten von kleinen Pensionen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! (Die Abgeordneten Belakowitsch und Wurm sprechen miteinander.) – Hören Sie zu, Herr Kollege Wurm und Frau Kollegin Belakowitsch! Schön, wenn man am Morgen dann wieder munter wird, das ist gut. Darum freue ich mich immer sehr über solche Debatten in dieser Morgenstunde. – Der zweite Bereich ist die Pflege. Hören Sie gut zu! Da hat es Vorgängerregierungen gegeben, im Übrigen auch unter Ihrer Regierungsbeteiligung, die seit Jahrzehnten eine umfassende Pflege­reform angekündigt haben. Was ist bisher daraus geworden? – Null, nichts ist daraus geworden. (Abg. Belakowitsch: Na, was haben Sie bis jetzt zusammengebracht? Gar nichts!) Wir kündigen nicht an, sondern wir setzen diese Pflegereform um (Abg. Belakowitsch: Ja, wann? Wo?) und wir sind mittendrin, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir haben da drei konkrete Ziele; und die sind wichtig für Menschen, die jetzt überlegen, wie es denn im Alter ausschauen soll, für Menschen, die wissen – großartig! –, sie werden länger als ihre Eltern, als ihre Großeltern leben, die wissen, dass es deswegen jetzt die Planungen geben muss.

Deswegen gibt es drei Prioritäten in dieser Regierung und für mich als Sozialminister:

Erstens, wir wollen Sicherheit garantieren. Das heißt, wir brauchen auch viel, viel mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das heißt, wir werden ein Programm starten und sind gerade am Beginn davon. Gerade die Coronaarbeitsstiftungen werden einen zentralen Schwerpunkt in diesem Bereich haben. Wir brauchen bis zum Jahr 2030 über 100 000 neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter; das wird der größte Jobmotor in dieser Republik sein – für ganz unterschiedliche Bereiche. Ich bewerbe diesen Bereich jetzt schon, etwa auch bei jungen Männern – das ist ganz, ganz wichtig –, dass die auch in die Pflege gehen. Der Boysʼ Day, den wir jetzt gerade gehabt haben, steht ganz zentral unter diesem Motto, um zu vermitteln: Das ist ein toller Job auch für dich! – Sicherheit ist also die erste Prämisse.


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Die zweite Prämisse, meine sehr verehrten Damen und Herren, muss für uns Vielfalt beim Angebot sein. Es kann nicht so sein, dass ein älterer Mensch keine Auswahl­möglichkeit hat, und deswegen werden wir auch ganz stark auf neue Modelle setzen, auf Ergänzungen, auf alternative Modelle, zum Beispiel auf generationenübergreifende Wohnformen. Da geht es um das Öffnen dieses Bereiches, darum, Kreativität rein­zubringen, um regionale Planungsansätze, darum, Architektinnen und Architekten mit neuen Ideen ein Forum zu geben, damit sie handeln können – das ist Vielfalt.

Das Dritte, aufbauend auf dieser Vielfalt, wird sein, ganz stark in Richtung Selbst­bestim­mung der betroffenen Senioren und Seniorinnen zu gehen. Jeder Mensch in dieser Republik, der in die Situation eines Pflegebedarfs kommt, muss eine wirkliche Wahl­freiheit zwischen den unterschiedlichen Formen der Betreuung haben.

Das ist ein weiter Weg, das ist ein enormes Ziel, das wir uns da gesetzt haben. Daran arbeiten wir derzeit im größten Beteiligungsprozess, den es in diesen Tagen in dieser Republik gibt. Das wird erstmals keine Pflegereform vom Schreibtisch aus, keine Pfle­gereform, die die Politik erfindet, sondern wir arbeiten mit den Betroffenen und auf Basis ihrer Kompetenzen, ihrer Einschätzungen, ihres Know-hows. Sie sind in alle Bereiche eingebunden, und ich glaube, das ist schon die halbe Garantie dafür, dass wir in diesem Bereich ein gutes Ergebnis zustande bringen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeord­neten der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie schaut der Zeitplan aus? – Er ist sehr, sehr ambitioniert: Wir wollen bis Jänner das inhaltliche Paket fertiggestellt haben, es also im Lauf des Jänners finalisieren. Es sind mittlerweile, was die inhaltliche Erarbeitung betrifft, mehrere Tausend Menschen in diesen Reformprozess eingebunden. Wir haben über 3 300 Beteiligte an unserem digitalen Beteiligungsprozess gehabt. Also Jänner – und dann werden wir schrittweise in Richtung einer Zielsteuerungskommission Pflege gehen, um das Große zu schaffen, das wir versuchen, nämlich erstmals zu einem wirk­lich gemeinsamen Handeln von Kommunen, Städten, Ländern und Bund zu kom­men. Wir wollen gemeinsam handeln, mit dem Ziel, schrittweise in Richtung gemeinsamer Standards zu kommen, mit dem Ziel einer gemeinsamen Finanzierung, also einer Ent­flechtung und Effizienzsteigerung auch bei den Finanzflüssen – das ist ein ganz wichtiger Teil –, und mit dem Ziel – das ist die absolute Priorität, ich habe es schon gesagt –, 100 000 neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für diesen tollen Beruf, für diesen Zukunftsberuf zu gewinnen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Dritter Punkt, meine sehr verehrten Damen und Herren: Natürlich führt diese schwerste Pandemie seit 100 Jahren, diese schwerste Wirtschaftskrise seit vielen Jahrzehnten auch dazu, dass unsere Sozial- und Gesundheitssysteme an ihre Grenzen kommen. Da müssen wir extrem achtgeben, vorsichtig sein und sie absichern. Das ist ganz, ganz wichtig, und ich glaube, über dieses Ziel gibt es einen Grundkonsens in diesem Haus.

Wir haben deswegen eine große, umfassende Studie beim Wirtschaftsfor­schungs­insti­tut, beim IHS und anderen in Auftrag gegeben, mit dem Ziel, ein Zeugnis über die soziale Lage in Österreich nach dem Ausbruch der Pandemie vorzulegen, und ich kann Ihnen sagen, es sind sehr, sehr aufschlussreiche Ergebnisse in dieser Studie. Das Erfreuliche ist, dass wir offensichtlich bisher – aber da darf man nicht nachgeben, da muss man laufend nachjustieren und dranbleiben – im Bereich armutsgefährdeter Menschen eine Stabilisierung geschafft haben und in den letzten Monaten keine Schlechterstellung hatten, trotz dieser schweren Krise. Das ist gut, aber daran müssen wir weiter arbeiten. Deswegen begrüße ich es sehr, dass diese Bundesregierung auch in einer zweiten Tranche das Arbeitslosengeld erhöhen wird. Auch das ist ein wichtiger Beitrag in diese Richtung. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 355

Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Studie hat auf, ich glaube, 200 Seiten auch aufgezeigt, dass wir schon Bevölkerungsbereiche haben, die ganz besonders betroffen sind. Das sind Bevölkerungsbereiche wie etwa Alleinerzieherinnen und Alleinerzieher, die in eine ganz schwierige Dreifachbelastung gekommen sind, die auch finanziell und wirtschaftlich besonders betroffen sind. Da müssen wir uns auch noch einiges an zusätzlichen Gegenmaßnahmen einfallen lassen. Daran arbeiten wir. Auch im Bereich von kleineren Selbständigen, Einzelunternehmerinnen und Einzel­unter­nehmern, die vielfach in eine sehr prekäre Situation gekommen sind, arbeiten wir daran, dass wir gegensteuern können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! So groß die Herausforderung der Pandemie im Gesundheitsbereich ist – wir werden, denke ich, noch intensiv in diese Diskussion einsteigen, und ich freue mich darauf, weil es derzeit eine extrem akute Debatte und Problemlage ist –, so groß ist die Folgewirkung im Sozialbereich. Es bleibt das konkrete und große Ziel, dass wir es vermeiden wollen, dass aus dieser schweren Gesund­heitskrise auch eine schwere Sozialkrise wird. Das muss unser gemeinsames Anliegen in diesem Haus und in der Bundesregierung sein. Wir arbeiten daran. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

9.45


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Fischer. – Bitte.


9.45.10

Abgeordnete Mag. Ulrike Fischer (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Minister! Konsumentenschutz ist gerade in schweren Zeiten, in einer Krise besonders wichtig. Es gilt, für jene Leute da zu sein, die sich nicht selbst helfen können, die den Verein für Konsumenteninformation anrufen und um Beratung bitten, zum Beispiel, wenn sie eine lang gebuchte Reise nicht antreten wollen oder können und diese stornieren müssen oder zurücktreten wollen und fragen, wie das funktioniert.

Mich freut es heute hier besonders – hier auch ein herzliches Dankeschön an den Koalitions­partner und an den Herrn Bundesminister –, dass wir gemeinsam ein gutes Konsumen­tenschutzbudget geschafft haben. Gerade in einer Krise ist es wichtig, für die Menschen da zu sein, die sich nicht in jeder Lebenssituation selbst helfen können. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Ich bin ja die Aufmerksamkeit für den Konsumentenschutz so nicht gewohnt, denn nor­malerweise reden wir immer um 10 Uhr am Abend darüber, also vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Ich bringe ein paar Zahlen, Daten, Fakten und dann noch ein paar praktische Beispiele.

Zur Bilanz des Vereins für Konsumenteninformation: Es werden pro Jahr 70 000 Be­ratungen durchgeführt, 1 500 Interventionen und 290 Verfahren, mit einer Erfolgsquote von 90 Prozent. Das heißt, der Verein für Konsumenteninformation arbeitet sehr effi­zient. Es gibt einen neuen Geschäftsführer, und für nächstes Jahr haben wir ein VKI-Finanzierungsgesetz auf den Weg gebracht. Wichtig ist aber, eine mittelfristige Finan­zierung des Konsumentenschutzes und somit auch des Vereins für Konsumenten­information sicherzustellen. Daran arbeiten wir gemeinsam.

Wichtig ist im Bereich Konsumentenschutz auch die Balance zwischen Wirtschaft und Konsumentenschutz. Insofern wird es auch ganz wichtig sein, die beiden Richtlinien im Bereich der Gewährleistung und im Bereich der Verbandsklagen umzusetzen. Das gehen wir nächstes Jahr an.

Die Frage wurde in den letzten Plenarsitzungen angesprochen: Gibt es denn Geld für die Schuldnerberatung? – Ja, für die Schuldnerberatung gibt es Geld: 500 000 Euro. Ich


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 356

glaube, dieses Geld ist in dieser schweren Zeit gut angelegt. Signalwirkung muss es natürlich auch aus den Bundesländern geben, denn Schuldnerberatung funktioniert nicht nur durch Bundesunterstützung. Auch da ist es gelungen, mit den Ländern eine gute Vereinbarung zu treffen. Ich glaube, Konsumentenschutz geht uns alle an, und wir können das nur gemeinsam gut schaffen.

Ich möchte zum Abschluss – ich sehe, die Lampe leuchtet schon rot – nur ein Beispiel nennen: den Datenschutz. 18 Millionen Euro musste die Post AG zahlen, weil sie Daten unrechtmäßig verwendet hat. Es ist nur gemeinsam mit den Konsumentenschutz­orga­nisationen gelungen, dass dieses Geld gezahlt wurde. Ein anderes Beispiel sind die Brustimplantate. Sie wissen alle, wie schrecklich es war, als herausgekommen ist, dass Silikon im Körper von 7 000 Frauen ausgetreten ist. Es ist gelungen, durch eine euro­päische Sammelklage, an der auch der VKI beteiligt war, diesen Frauen zu helfen. Oft kann man diese Dinge nur gemeinsam schaffen, denn allein fühlt man sich betroffen, man hat das Gefühl, man schafft es nicht, aber gemeinsam sind wir stark. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

9.49


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Stöger. – Bitte.


9.49.29

Abgeordneter Alois Stöger, diplômé (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vize­kanzler! Herr Bundesminister! Reden wir über Gerechtigkeit bei der Pension! Ich habe da (eine Tafel mit einem Säulendiagramm, das den staatlich finanzierten Anteil an den Pensionen unterschiedlicher Erwerbsgruppen zeigt, auf das Rednerpult stellend) etwas vorbereitet: Wie schaut denn die Gerechtigkeit bei der Pension aus?

Arbeiter und Angestellte bekommen 11 Prozent ihrer Pension aus Steuermitteln ersetzt, Beamte bekommen 47 Prozent ihrer Pension aus Steuermitteln ersetzt, Selbstständige bekommen 54 Prozent ihrer Pension aus Steuermitteln ersetzt, und Bauern bekommen 95 Prozent ihrer Pension aus Steuermitteln ersetzt. (Abg. Zarits: Immer das Gleiche!) Jetzt habe ich nichts gegen Bauernpensionen; die SPÖ hat sie eingeführt.

Man muss aber sehr genau hinschauen: Was machen jetzt Herr Bundesminister Anschober und die Partie? – Die Partie sagt: Obwohl das die Realität ist (auf das Säulendiagramm weisend), nehmen wir denen, bei denen die wenigsten Steuermittel drinnen sind, noch etwas weg. Das ist die Politik. Wer den Rechnungsabschluss 2019 – den haben wir gestern beschlossen – sehr genau ansieht, wird merken, dass wir für Arbeiter und Angestellte im Budget mehr Geld vorgesehen hatten. Wir haben im Rechnungs­abschluss 900 Millionen Euro weniger bei den Pensionen für Arbeiter und Angestellte gebraucht, als eigentlich im Budget vorgesehen worden ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Sie Arbeiter und Angestellte sind, Sie haben das bezahlt und haben das zurückgegeben, wir haben es gar nicht gebraucht. Was machen Anschober und Co? – Sie nehmen uns jetzt dort eine Pensionsleistung weg. Lieber Rudi! Ganz einfach, wenn du den Arbeitern, die lange eingezahlt haben - - Wir haben nämlich ein Leistungsprinzip: Wer lange einzahlt, hohe Beiträge zahlt, der kriegt auch eine höhere Pension. Übrigens, wenn du das den Männern wegnimmst, nimmst du es auch den verheirateten Frauen weg, denn die können dann auch nicht auf Urlaub fahren. Ich sage es nur dazu: Eure Gerechtigkeitsform hätte ich gerne gesehen. (Beifall bei der SPÖ. – Heiterkeit des Abg. Wurm.)

Ich sage das jetzt in einfacher Sprache, ganz einfach (eine Tafel mit der Aufschrift „Wer ÖVP wählt, wird arm!“ auf das Rednerpult stellend – Beifall des Abg. Amesbauer): Wer ÖVP wählt, wird arm! – Das merkt man jetzt. (Abg. Wurm: Nicht alle! Nicht alle!) – Nicht


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 357

alle, ein paar Reiche nicht, aber wer als Arbeiter ÖVP wählt, wird arm. (Heiterkeit bei der FPÖ.) Das erkennt man an den Pensionen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Und noch einmal, auch in einfacher Sprache (eine Tafel mit der Aufschrift „Wer im Alter gut leben will, muss SPÖ wählen!“ auf das Rednerpult stellend): Wer eine Pension haben will – und das kann man in der Geschichte beweisen –, muss SPÖ wählen. (Zwischenruf des Abg. Amesbauer.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Daher bringe ich folgenden Entschließungs­antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Rainer Wimmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „die ab­schlags­freie Pension nach 45 Arbeitsjahren muss bleiben!“

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, die abschlagsfreie Pension bei 540 Beitrags­monaten beizubehalten und keine Maßnahmen zu setzen, um diese Pensionsart wieder abzuschaffen.“

(Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Stöger, nimm dein Schild mit!)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Kollege Stöger, du hättest den ganzen Text vorlesen sollen. Ich darf dich noch einmal an das Rednerpult bitten. (Abg. Hörl: Kannst gleich dein Taferl mitnehmen!) Du hast nur den ersten Satz vorgelesen. Bitte den ge­samten Text lesen!


Abgeordneter Alois Stöger, diplômé (fortsetzend): Ich lese weiter:

„Darüber hinaus wird die Bundesregierung aufgefordert, die bestehende abschlagsfreie Pension mit 45 Arbeitsjahren dahingehend zu adaptieren, dass

 - alle Berufsgruppen diese Pensionsmöglichkeit erhalten,

 - eine Neuberechnung aller Pensions- und Ruhegenussleistungen mit 1.1.2021, die auf § 15 APG (Kontoerstgutschrift) beruhen oder die mit einem Stichtag ab 1.1.2014 und vor 1.1.2020 gewährt wurden und somit Abschläge bis zu 12,6 Prozent trotz 540 Beitrags­monaten aufweisen, durchgeführt wird, damit diese Leistungen ab dem 1.1.2021 ohne Abschläge ausbezahlt werden und

 - Zeiten des Präsenz- und Zivildienstes als Beitragsmonate der Erwerbstätigkeit für den Pensionsanspruch der abschlagsfreien Pension mit 45 Arbeitsjahren anerkannt wer­den.“

*****

Herzlichen Dank.

9.54

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 358

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Rainer Wimmer, Gabriele Heinisch-Hosek, Josef Muchitsch,

Genossinnen und Genossen

betreffend die abschlagsfreie Pension nach 45 Arbeitsjahren muss bleiben!

eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Budgetausschusses über das Bun­des­finanzgesetz 2021 – BFG 2021 – UG 22 Pensionsversicherung

Mit Beschlussfassung vom 19. September 2019 wurden Pensionsleistungen mit 540 Bei­tragsmonaten aus Erwerbstätigkeit mit Pensionsantritt ab 1.1.2020 abschlagsfrei ge­stellt. Seit diesem Beschluss ist vor allem die ÖVP bemüht, diese Regelung als unge­recht und unsozial darzustellen und deren Abschaffung voranzutreiben. Zuletzt hat Bundeskanzler Kurz angekündigt, dass die abschlagsfreie Pension mit 45 Arbeitsjahren abgeschafft wird und damit hohe Abschläge für Langzeitversicherte wieder eingeführt werden.

Diese Abschläge sind sozialpolitisch nicht gerechtfertigt. Jemand der tatsächlich 45 Arbeitsjahre lang seine Beiträge in das Pensionssystem abgeführt hat, soll bei Inanspruchnahme seiner Pension, keine Abschläge haben. Dabei handelt es sich um jene Leistungsträger, die doch der ÖVP immer so am Herzen liegen, für die sie aber, wenn es um die Honorierung der Leistung geht, nichts übrig hat.

Aber nicht nur der Bundeskanzler will die abschlagsfreie Pension mit 45 Arbeitsjahren abschaffen, auch Vizekanzler Kogler hat das bereits gefordert. Ein vermeintliches Argu­ment beider Regierungsmitglieder ist, dass sie ausschließlich Männern zugutekommt.

Die Abschaffung dieser Pensionsart ist aber der vollkommen falsche Weg. Dadurch würde sich das Leben der arbeitenden Frauen in Österreich in keiner Hinsicht verbes­sern. Im Gegenteil, man rechtfertigt ein Unrecht mit einem anderem Unrecht.

Um die Pensionen der Frauen anzuheben, braucht es eine Reihe von Maßnahmen, vor allem aber den flächendeckenden Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen, damit Frauen nicht aufgrund von Betreuungspflichten zur Teilzeitarbeit gezwungen werden. Teilzeitbeschäftigung reduziert das Einkommen, senkt damit die Pensionshöhe und erhöht die Gefahr der Altersarmut. Auch die verbesserte Anrechnung von Kinder­erzie­hungszeiten ist dringend notwendig.

Es wird versucht, mit fadenscheinigen Argumenten Frauen gegen Männer auszuspielen, um die Abschaffung der abschlagsfreien Pension mit 45 Arbeitsjahren zu rechtfertigen. Manchmal braucht es aber neben wissenschaftlicher Expertise auch politische Entschei­dungskraft um den Menschen das zukommen zu lassen, was ihnen gebührt.

Rund 7.000 ASVG-, GSVG- und BSVG-Versicherte profitieren jährlich von dieser Pensionsregelung, deren Abschaffung für ASVG-Pensionisten pro Jahr Einbußen von bis zu rund 5.000 Euro und damit eine wesentliche Kürzung ihrer Pensionen bedeuten würde. In der größten Arbeitsmarktkrise, in der die Arbeitslosigkeit bei den Über-50-Jährigen weiterhin extrem steigt, die Langzeitarbeitslosigkeit gerade bei älteren Arbeits­losen ebenfalls stark ansteigt und die Unternehmen oftmals ältere Beschäftigte in die Pension drängen, ist es kontraproduktiv und der völlig falsche Weg, diese Pensionsart abzuschaffen und damit hohe Abschläge für Versicherte, die 45 Arbeitsjahre ins Pensionssystem eingezahlt haben, wieder einzuführen.

Auch das Finanzierungsargument geht ins Leere, denn es muss mehr als genug Geld vorhanden sein, wenn für Steuergeschenke an Konzerne, Superreiche und Großbauern rund 2 Milliarden Euro jährlich zur Verfügung stehen. Alleine die gerade erst abge­schaffte Schaumweinsteuer würde jährlich jenen Betrag bringen, der für die abschlagsfreie


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 359

Pension mit 45 Arbeitsjahren aufgewendet werden muss. Es kann dann wohl auch kein Problem sein, wenn rund 30 Millionen Euro pro Jahr für Pensionen von lang arbeitenden Menschen ausgegeben werden.

Jetzt bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu sparen, von denen viele aktuell ohnehin mit finanziellen Schwierigkeiten und ungewissen Zukunftsaussichten konfron­tiert sind, ist absolut abzulehnen.

Es muss im Gegenteil dazu eine Ausdehnung der abschlagsfreien Pension mit 45 Arbeitsjahren auf alle Berufsgruppen erfolgen. Auch sollte die Anrechnung von Präsenz- und Zivildienst-Ersatzzeiten als Beitragszeiten erfolgen, denn wer dieser Verpflichtung nachgekommen ist, darf nicht gegenüber jenen, die diesen Dienst nicht abgeleistet haben, benachteiligt werden. Auch die Neuberechnung der Pensionsleistung jener be­nach­teiligten Jahrgänge, die zwischen der Abschaffung der alten „Hacklerregelung“ und dem Inkrafttreten der abschlagsfreien Pension mit 45 Arbeitsjahren trotz 540 Beitrags­monaten mit hohen Abschlägen in Pension gegangen sind, ist eine Frage der Gerech­tigkeit.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen: 

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, die abschlagsfreie Pension bei 540 Beitrags­monaten beizubehalten und keine Maßnahmen zu setzen, um diese Pensionsart wieder abzuschaffen.

Darüber hinaus wird die Bundesregierung aufgefordert, die bestehende abschlagsfreie Pension mit 45 Arbeitsjahren dahingehend zu adaptieren, dass

•          alle Berufsgruppen diese Pensionsmöglichkeit erhalten,

•          eine Neuberechnung aller Pensions- und Ruhegenussleistungen mit 1.1.2021, die auf § 15 APG (Kontoerstgutschrift) beruhen oder die mit einem Stichtag ab 1.1.2014 und vor 1.1.2020 gewährt wurden und somit Abschläge bis zu 12,6 Prozent trotz 540 Beitragsmonaten aufweisen, durchgeführt wird, damit diese Leistungen ab dem 1.1.2021 ohne Abschläge ausbezahlt werden und

•          Zeiten des Präsenz- und Zivildienstes als Beitragsmonate der Erwerbstätigkeit für den Pensionsanspruch der abschlagsfreien Pension mit 45 Arbeitsjahren anerkannt werden.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Jetzt ist der Entschließungsantrag ordnungs­ge­mäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Weidinger. – Bitte.


9.54.53

Abgeordneter Mag. Peter Weidinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätz­ter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen, werte Kollegen! Liebe Österreicherinnen, liebe Österreicher und alle Menschen, die in diesem Land leben! Zunächst möchte ich auf den Redebeitrag des Kollegen Stöger eingehen und möchte ihm da eindeutig wider­sprechen, denn die Fakten sind natürlich vollkommen andere.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 360

Erstens wird die Ausgleichszulage um 3,5 Prozent erhöht, somit gibt es ab nächstem Jahr eine Mindestpension von 1 000 Euro. Die kleinen und die mittleren Einkommen beziehungsweise Pensionen werden erhöht, damit die Menschen gerade im Alter mehr Geld in ihren Taschen haben, wir die Kaufkraft stärken und auch der reifen Generation gegenüber unseren Respekt und unsere Wertschätzung zum Ausdruck bringen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Zum Kollegen Loacker: Also, Herr Kollege Loacker, dass Sie sich nicht genieren, hier heraußen zu stehen – jetzt sind Sie erstmals in einer Regierung und haben in diesem Koalitionspaket alle Vorsätze und alle Daten und Umsetzungen vergessen. (Zwischenruf des Abg. Loacker.) Das beweist, Sie machen hier nur populistische Oppositionspolitik. Kaum sind die NEOS in Verantwortung, gibt es keine Umsetzungen ihrer vollmundigen Versprechungen, nicht einmal im Form eines Vorsatzes. (Beifall bei der ÖVP.)

Sie haben ja einen Vergleich mit dem Tierreich angestellt, der total unpassend war. Da Sie das gemacht haben, möchte ich auch einen Vergleich anbringen, meine Damen und Herren! Die NEOS sind pink in die Wiener Wahl gegangen und sind rot wieder heraus­gekommen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Ruf: Das tut euch weh!)

Die Politik der Regierung, meine Damen und Herren, baut ganz klar darauf auf, dass wir für die Menschen da sind. Sozial ist das, was die Menschen stark macht. Wir unter­stützen mit dem Kinderbonus, mit dem Familienbonus Familien und Kinder in Österreich. Wir haben den Familienhärtefonds eingeführt; da gibt es Auszahlungen für Familien, die sich in Schwierigkeiten befinden. Wir schaffen für Jugendliche gesellschaftliche Teil­habe. Wir geben Unterstützungen für Vereine, die im Sport- und Kulturbereich ganz essenziell sind, gerade für unsere Jugend.

Wir machen das, indem wir hier einen Beschluss gefasst haben, dass Finanzwissen in allen Bereichen als lebenslanges Lernen, als Prinzip eingeführt wird, damit wir die jungen Menschen auf die Herausforderungen des Lebens und der Wirtschaft vorbereiten. Wir haben einen Prozess in Gang gesetzt, um den VKI nachhaltig abzusichern. Wir unter­stützen die Schuldnerberatung. Wir schaffen mit der Kurzarbeit die Chance, dass Menschen, die jetzt berechtigt Sorge und Nöte haben, eine Möglichkeit haben, die nächsten Wochen und Monate partnerschaftlich in ihren Betrieben gut durch die Krise zu kommen.

Wir haben eine Arbeitsstiftung mit 700 Millionen Euro eingeführt, damit sich die Men­schen, die sich dann in Ausbildung befinden werden, im Bereich der Pflege und im Bereich der Digitalisierung weiterbilden können. Das ist die Politik, die wir als Regierung, die wir als Parlamentsmehrheit hier forcieren. Ich lade Sie ein – das richtet sich vor allem an die Adresse der Opposition –: Hören Sie auf, die Bevölkerung zu spalten! Hören Sie auf, Gruppen gegeneinander auszuspielen! Arbeiten Sie mit in einem rot-weiß-roten Schulterschluss – im Interesse der Republik und der Menschen in unserem Land! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Geschätzte Damen und Herren! Wir glauben an die Menschen, die Menschen vertrauen der Regierung – und somit werden wir gemeinsam die Krise meistern. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

9.58


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Ragger. – Bitte.


9.58.49

Abgeordneter Mag. Christian Ragger (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Einleitend, bevor ich über das Thema Pflege spreche, sage ich, ich muss


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 361

schon leicht schmunzeln. Man sieht einmal mehr, wie unglaublich es die ÖVP innerlich zerreißt angesichts dessen, dass es endlich ein Bundesland gibt, das nicht ÖVP-dominiert und -regiert ist. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von FPÖ und SPÖ.) Es tut wirklich gut, dass in Wien das erste Mal eine sozialliberale Koalition antritt. Dieser Allmachtgedanke sollte irgendwann einmal von der ÖVP hintangestellt werden.

Aber: Ich stehe wiederum nach einem Jahr hier und denke, in der Pflege ist ein Jahr vergangen, ein Jahr lang ist nichts passiert. Auf der einen Seite verstehe ich die Systembremser von der ÖVP, dass sie hier nicht wirklich weitertun wollen, damit sie ihre Pfründe abdecken, ob Hilfswerk oder Sonstiges, aber auf der anderen Seite verstehe ich die Grünen überhaupt nicht, denn es ist das Gebot der Stunde, die Pflege anzugehen. Wir können über Landwirtschaft sprechen, wir können über Bildung sprechen, wir können über viele Bereiche sprechen – das ist Makulatur im Vergleich zu diesen zwei großen Themenkomplexen, nämlich Pflege und Gesundheit.

Wenn man das nicht erkennt, wird man vonseiten der österreichischen Bundesregierung und des österreichischen Parlaments auch niemals eine Strukturierung im Haushalt zusammenbringen.

Damit die Menschen draußen das verstehen: Worum geht es denn im Wesentlichen? Auf der einen Seite haben wir die inhaltliche Struktur – wie wird heute gepflegt –: Neben vielen Menschen, die heute zuschauen, liegt ihre Großmutter oder ihre Mutter, nach der sie stündlich, minütlich schauen, da sie sie, wie 90 Prozent der Menschen, zu Hause versorgen. Wir haben viele, viele Möglichkeiten geschaffen, damit diese Versorgung zu Hause stattfinden kann, weil der Mensch es letztendlich auch verdient, in seiner wohlbekannten Umgebung alt zu werden, versorgt zu werden und in seinem Wohn­bereich abgeschieden zu leben, dort mit seiner Familie sein Auskommen zu haben. Diese Möglichkeiten müssen wir aufbauen. Wir müssen schauen, dass wir stär­ker zu Hause versorgen. Wir müssen schauen, dass wir diese Versorgung gewährleisten.

Das bringt mich zum zweiten Punkt, nämlich dem personellen Ansatz: Wir reden seit drei Jahren über die Versorgung in personeller Hinsicht in diesem Bereich, und der Wöginger sitzt da und wenn es ihm nicht passt, dann schreit er halt hinein und macht alle nieder, aber das bringt er letztendlich nicht zusammen. Wir haben es zigmal vorgeschlagen: Beginnen wir doch mit einer systematisierten Pflegelehre nach dem Schweizer Vorbild und bauen wir diese langsam weiter aus – Abschlüsse als PflegerInnen, Abschlüsse als diplomiertes Personal. Was haben Sie gemacht? – Nichts, weil Sie bremsen wollen!

Sie interessieren sich auch nicht dafür, dass wir die Pflege in irgendeiner Form kon­kretisiert umsetzen, andernfalls hätten Sie vielleicht auch darüber nachgedacht, dass es für das diplomierte Personal eine Entlastung geben könnte, wenn jemand anderer die Verblisterung durchführt, wie es die Schweden seit zehn Jahren und die Deutschen seit 15 Jahren machen. Sie haben dadurch Einsparungseffekte von Millionen über Millionen Euro erzielt, weil die Diplomierten nicht mehr jeden Abend die Schachtel mit den Medikamenten für die alten Menschen in die Hand nehmen müssen. Das alles sind Systemansätze, die Sie einfach außen vor lassen.

Der dritte Punkt ist die Finanzierung: Sie reden über Finanzierung und wissen ganz genau, dass wir Hunderte verschiedene Zahlungsströme haben. Es wäre vielleicht ein kleiner Beitrag, darüber nachzudenken, wie diese Zahlungsströme von Bund, Land und Gemeinden koordiniert werden können. Die Menschen, die – auch aufgrund der Hacklerpension – quasi ihr wohlverdientes Geld verdient haben, brauchen dieses letzt­endlich auch am Ende des Tages und auch in der Pflege. Daher bringen wir folgenden Antrag nochmalig ein:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 362

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Bei­behaltung und Adaptierung der abschlagsfreien Pensionen mit 540 Beitragsmonaten für alle Berufsgruppen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz sowie der Bundesminister für Finanzen werden aufgefordert, die ‚Hacklerreglung‘ beizube­halten und zu ihrer Verbesserung dem Nationalrat unverzüglich eine Regierungsvorlage zu übermitteln, mit der

die mit 1.1.2020 geltende Regelung grundsätzlich als Basis beibehalten wird [...],

der abschlagsfreie Ruhebezug bei 540 Beitragsmonaten [...] geregelt wird, sowie

die Neuberechnung aller Pensions- und Ruhegenussleistungen mit 1.1.2020, die auf § 15 APG (Kontoerstgutschrift) beruhen [...] ausbezahlt werden.“

*****

Ich hoffe, dass die Verlesung ordnungsgemäß war und der Antrag somit eingebracht ist. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Kollege Ragger, ich ersuche, diesen auch wirklich vorzulesen. Es hilft nichts.


Abgeordneter Mag. Christian Ragger (fortsetzend): Dann lese ich die long version vor:

„- die mit 1.1.2020 geltende Regelung grundsätzlich als Basis beibehalten wird und in § 236 Abs. 4b ASVG und den analogen Bestimmungen im GSVG und BSVG Zeiten des Präsenz- und Zivildienstes als Beitragsmonate der Erwerbstätigkeit anerkannt werden,

- der abschlagsfreie Ruhebezug bei 540 Beitragsmonaten analog den Bestimmungen des § 236 Abs. 4b ASVG für Beamtinnen und Beamte sowie für definitiv gestellte Bedienstete der Post und Bahn geregelt wird, sowie

- die Neuberechnung aller Pensions- und Ruhegenussleistungen mit 1.1.2020, die auf § 15 APG (Kontoerstgutschrift) beruhen oder die mit einem Stichtag ab 1.1.2014 und vor 1.1.2020 gewährt wurden und somit Abschläge bis zu 12,6 Prozent trotz 540 Beitrags­monaten aufweisen. Diese Leistungen sollen rückwirkend mit dem 1.1.2020 ohne Ab­schläge ausbezahlt werden.“

10.04

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Peter Wurm, Mag. Christian Ragger, Erwin Angerer, Rosa Ecker 

und weiterer Abgeordneter

betreffend Beibehaltung und Adaptierung der abschlagsfreien Pensionen mit 540 Bei­tragsmonaten für alle Berufsgruppen

eingebracht im Zuge der Debatte zu Top 11: Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (449 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvor­an­schlages für das Jahr 2021 (Bundesfinanzgesetz 2021-BFG 2021) samt Anlagen (380


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 363

d.B.)-UG 22: Pensionsversicherung in der 62. Sitzung des Nationalrats (XXVII. GP) am 18.November 2020

Mit Beschlussfassung vom 19. September 2019 wurden Pensionsleistungen mit 540 Beitragsmonaten aus Erwerbstätigkeit abschlagsfrei gestellt. Diese Bestimmungen wurden im ASVG, BSVG und GSVG festgeschrieben. Nicht erfasst sind davon Beamte sowie definitiv gestellte Bedienstete der Post und Bahn. Dies ist allein der Tatsache geschuldet, dass die Geschäftsordnung des Nationalrates eine Beschlussfassung für diese Gruppen nicht ermöglichte. Hier ist es daher erforderlich, eine analoge Regelung zu schaffen.

Außerdem sollen jene Jahrgänge, die nach Abschaffung der Langzeitver­sicherten­rege­lung Pensionen mit bis zu 12,6 Prozent Abschlägen trotz 540 Beitragsmonaten zuer­kannt bekamen, mit 1.1.2020 eine Neuberechnung ihrer Pensionsleistung ohne Ab­schläge erhalten.

Die aktuelle Bundesregierung aus ÖVP und Grünen wollen die sogenannte „Hackler­regelung“, d.h. die abschlagsfreie Pension für Langzeitversicherte, einfach abschaffen. Ersetzt werden soll sie durch einen undurchsichtigen „Frühstarterbonus“.

ÖAAB-Arbeiterkammerpräsident Hämmerle aus Vorarlberg, ein enger Parteifreund und ÖAAB-Mitstreiter von ÖVP-Klubobmann August Wöginger, findet klare Worte dazu, wie das Online-Medium vol.at berichtet:

Für AK-Präsident Hämmerle ist der Frühstarterbonus "ein Schlag ins Gesicht jener, die am längsten in die Pensionsversicherung einbezahlt haben". […] "Das ist teurer und belohnt in Wahrheit all jene, die in Frühpension gehen. Wo liegt da der Sinn?", fragt AK-Präsident Hubert Hämmerle. Die Hacklerregelung sei der Regierung Kurz von Beginn an ein Dorn im Auge gewesen. Sie sieht vor, dass Arbeitskräfte nach 45 "echten" Beitragsjahren mit 62 Jahren in Pension gehen können, ohne Abschläge zu erleiden. Das kostet jährlich 30 Millionen Euro. Geld, das ohnedies von den Versicherten selbst eingezahlt wurde, so die AK. Weil Präsenzdienst und Zivildienst nicht angerechnet werden, erreichen nur wenige die Abschlagsfreiheit. "Und die haben sich das – weiß Gott – verdient", betont Hämmerle. […]

"War nicht ein großes Argument gegen die Hacklerregelung ihre angebliche Unfinan­zierbarkeit?", fragt Hämmerle. Jetzt entscheide sich die Bundesregierung für ein deutlich teureres Gießkannenprinzip, das alle belohne, egal, wie viel sie gearbeitet haben. Denn Voraussetzung für den "Frühstarterbonus" sind lediglich 25 Versicherungsjahre, die Auszahlung des Betrags soll unabhängig vom Zeitpunkt des Pensionsantritts ge­sche­hen.

Dass die Regierung mit dem Frühstarterbonus zudem Hackler und Frauen gegen­einander ausspiele, sei besonders perfide, so der Präsident der Arbeiterkammer: "Auch die AK ist der Ansicht, dass Frauen für ihre geleistete Arbeit eine höhere Pension gebührt. Aber Wege gäbe es da viele. Man könnte ja Kinderbetreuungszeiten stärker bewerten", schlägt Hämmerle vor. Denn die niedrigen Frauenpensionen hängen mit den Berufsunterbrechungen durch Familienarbeit und den langen Durchrechnungszeiten zusammen. Die AK zeige das schon lange auf.

Die neue Regelung zeige in den Augen von Hämmerle überdeutlich, wie viel der Regie­rung tatsächlich geleistete Arbeit wert ist: "Sie ist ein glatter Wortbruch und ein Schlag ins Gesicht der wirklichen Hackler."

Quelle: https://www.vol.at/ak-statt-hacklerpension-teure-giesskanne/6809911

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachfolgenden


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 364

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz sowie der Bundesminister für Finanzen werden aufgefordert, die „Hacklerreglung“ beizu­be­halten und zu ihrer Verbesserung dem Nationalrat unverzüglich eine Regierungsvorlage zu übermitteln, mit der

•             die mit 1.1.2020 geltende Regelung grundsätzlich als Basis beibehalten wird und in 236 Abs. 4b ASVG und den analogen Bestimmungen im GSVG und BSVG Zeiten des Präsenz- und Zivildienstes als Beitragsmonate der Erwerbstätigkeit anerkannt werden,

•             der abschlagsfreie Ruhebezug bei 540 Beitragsmonaten analog den Bestim­mungen des § 236 Abs. 4b ASVG für Beamtinnen und Beamte sowie für definitiv gestellte Bedienstete der Post und Bahn geregelt wird, sowie

•             die Neuberechnung aller Pensions- und Ruhegenussleistungen mit 1.1.2020, die auf § 15 APG (Kontoerstgutschrift) beruhen oder die mit einem Stichtag ab 1.1.2014 und vor 1.1.2020 gewährt wurden und somit Abschläge bis zu 12,6 Prozent trotz 540 Beitragsmonaten aufweisen. Diese Leistungen sollen rückwirkend mit dem 1.1.2020 ohne Abschläge ausbezahlt werden.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Danke schön. Der Entschließungsantrag ist nun ordnungsgemäß eingebracht worden.

Wenn wir in der Geschäftsordnung eine neue Möglichkeit finden, bin ich sofort bereit, diese Leseübungen zu verkürzen. Ich hoffe, dass das mit dem elektronischen Parlament dann auch möglich sein wird. Der Antrag ist ausreichend unterstützt und steht somit mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Grebien. – Bitte.


10.04.36

Abgeordnete Heike Grebien (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte KollegInnen! Wertgeschätzte ZuseherInnen zu Hause! Gestern habe ich bereits ein wenig darüber sprechen können, welche budgetären Erfolge im Sozialministerium im Bereich Menschen mit Behinderungen geglückt sind.

Der Ausgleichstaxfonds, kurz ATF, wurde für die Jahre 2021 und 2022 um 40 Millionen Euro aufgestockt. Ich werde Ihnen jetzt erzählen, was wir mit diesen zusätzlichen 40 Millionen Euro umsetzen können, wollen und umsetzen werden. Einerseits wollen wir den zu erwartenden Einbruch in den Einnahmen des ATF decken. Wie wir wissen, ist aufgrund der sinkenden Beschäftigungsquote und der finanziellen Schwierigkeiten von Einzel-, Klein- und Mittelunternehmen mit Ausfällen zu rechnen. Im Jahr 2020 betrugen die Ausfälle mit dem Stichtag 1.11.2020 circa 4 Millionen Euro. Für die Jahre 2021 und 2022 ist mit höheren Ausfällen zu rechnen, und diese wollen wir mit der entsprechenden Erhöhung kompensieren.

Zweitens wollen wir die Unterstützungsstrukturen für Menschen mit Behinderungen erhalten und bedarfsgerecht ausbauen. Was heißt erhalten? – Eine Zahl für Sie: 2019 haben 92 000 junge und ältere Menschen mit Behinderungen in Österreich Förderungen aus dem ATF erhalten. Diese Menschen werden wir natürlich weiterhin unterstützen. Die Unterstützungsstrukturen umfassen Projekt- und Individualförderungen. Ich gehe zuerst auf die Projektförderungen ein, wie zum Beispiel die Berufsausbildungsassistenz, die


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Jugendliche mit Behinderung durch eine Teilqualifizierungslehre oder verlängerte Lehre begleitet, damit sie danach beruflich gut Fuß fassen können.

Teilqualifizierungslehre bedeutet, wie das Wort schon verrät, ich erlerne einen Teilbereich eines Lehrberufs. In meinem Beispiel macht Frau Superwoman eine Teil­qualifizierungslehre zur Köchin und lernt dabei nicht die Inhalte der gesamten Kochlehre, sondern setzt zum Beispiel einen Schwerpunkt auf Frühstück. Ihr Abschluss in der Teil­qualifizierung wird von der WKO anerkannt.

Die verlängerte Lehre, das verrät auch schon das Wort, bedeutet, dass man die Lehrzeit um maximal ein Jahr verlängern kann. In meinem Beispiel entscheidet sich Frau Super­woman für eine Lehre zur Köchin; um den gesamten Inhalt zu lernen, braucht sie länger, und sie schließt ihre Lehre nicht nach drei, sondern nach vier Jahren ab. Danach hat sie einen anerkannten und vollwertigen Lehrabschluss.

Ein weiteres Projekt ist zum Beispiel die Arbeitsassistenz, die Menschen am Weg in den Arbeitsmarkt und beim Einstieg in den Beruf begleitet – sie unterstützt sehr personen­zentriert, zielgerichtet und sozusagen on the Job. Das bedeutet, dass im Job selber unterstützt wird und nicht in einer vorgeschalteten Ausbildungseinrichtung. Das heißt – wieder ein Beispiel –, Frau Superwoman wird nach ihrem erfolgreichen Lehrabschluss im Rahmen der verlängerten Lehre dabei unterstützt, in einen fixen Arbeitsplatz einzusteigen. Die ArbeitsassistentInnen unterstützen sie dabei, in ihrem Job die Abläufe optimal durchführen zu können und begleiten sie in den ersten Arbeitsschritten.

Die dritte Projektförderung ist das Jobcoaching. Das ist eine Maßnahme mit einem Schwerpunkt auf Menschen mit Lernschwierigkeiten und Menschen mit höherem Unter­stützungsbedarf. Das Jobcoaching ist im Vergleich zu Arbeitsassistenz und Berufsaus­bildungsassistenz ein sehr engmaschiges Betreuungsnetzwerk. Es umfasst die Be­gleitung in den Job – ob es Praktika oder Schnuppermöglichkeiten sind –, dann eine intensive Begleitung am Arbeitsplatz selbst, indem einerseits die Menschen mit Behin­derungen geschult werden, aber auf der anderen Seite auch die MitarbeiterInnen in den Betrieben auf die Bedarfe und die notwendigen Anpassungen von Arbeitsstrukturen sensibilisiert werden. Das ist ein ganz essenzieller Beitrag.

Das waren die Projektförderungen, jetzt gehe ich auf die Individualförderungen ein: Da ist zum Beispiel die Inklusionsförderung, die in den ersten Jahren einen Lohnkosten­zuschuss für die neuen MitarbeiterInnen mit Behinderungen übernimmt, damit Betriebe auch einen Anreiz haben, Menschen mit Behinderungen anzustellen. Eine Individual­förderung, um mehr Frauen mit Behinderungen in die Arbeit zu bringen, ist zum Beispiel die Inklusionsförderung Frauen. Wie Sie wissen, sind Frauen mit Behinderungen in unserer patriarchalen Gesellschaft mehrfach diskriminiert. Beim Anteil der Bezieherin­nen von derzeit 37 Prozent möchten wir eine Steigerung auf 42 Prozent erreichen, das wären circa 375 Frauen mehr, die einen Ausbildungsplatz erhalten.

Zusammengefasst: Es werden insgesamt 7 000 neue Plätze geschaffen, in Projekten, aber auch in der Individualförderung. Es wird mehr und bessere Begleitung von Jugend­lichen in einer Teilqualifizierungslehre oder verlängerten Lehre geben, indem 300 Voll­zeitäquivalente in integrativen Betrieben geschaffen werden, somit wird es mehr Per­sonal geben, um mehr Jugendliche zu unterstützen.

Zu guter Letzt – weil das Lamperl schon blinkt –: Es wissen ja schon einige, dass wir ein großes Projekt betreffend persönliche Assistenz starten werden. Die persönliche Assistenz einheitlich zu regeln und damit auch Personengruppen, die bis jetzt keinen Anspruch auf persönliche Assistenz erhalten haben – das sind Menschen mit Lern­schwierigkeiten und Menschen mit psychischen Erkrankungen –, einen Zugang dazu zu ermöglichen, ist uns Grünen sehr wichtig.


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Sie wissen alle, die persönliche Assistenz ist essenziell, um in der Gesellschaft teilhaben zu können, um am Arbeitsmarkt teilhaben zu können, um politische Veranstaltungen zu besuchen, um die Stimme zu erheben, um sich informieren zu können, und ja, um sich auch vor Missbrauch zu schützen. Ganz, ganz einfach, werte KollegInnen: um selbst­bestimmt und gewaltfrei zu leben. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeord­neten der ÖVP.)

10.10


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Fiedler. – Bitte.


10.10.35

Abgeordnete Fiona Fiedler, BEd (NEOS): Herr Präsident! Hohes Haus! Werte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Werter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! Inklusion findet sich im aktuellen Regierungsprogramm nur sehr oberflächlich. Papier ist geduldig, und so stehen dort klassische Schlagworte, die darauf warten, dass man ihnen Leben einhaucht.

Im Budget, UG 21, Soziales, konnte ich aber nun tatsächlich ein paar Zahlen finden, die mich vermuten lassen, dass die Regierung langsam aufwacht und erkennt, dass in diesem Bereich dringend etwas getan werden muss. So werden beispielsweise 40 Mil­lionen Euro zusätzlich für den Ausgleichstaxfonds aufgewendet. Dieses Geld stopft laut Österreichischem Behindertenrat leider nur die Löcher, die Corona in die Taschen gefressen hat, aber es wurde zumindest erkannt, dass es notwendig ist.

Für Pilotprojekte in den Bereichen Pflege, Demenz und Behinderung sind weitere 40 Millionen Euro angedacht – so weit, so gut. Wofür diese 40 Millionen Euro aber genau gedacht sind, war nicht so klar. Die persönliche Assistenz ist wohl eines dieser Projekte, so wie eine Demenzstrategie; aber wie viel genau dafür geplant ist, kann man wieder einmal nicht genau sagen.

Dass das Wirkungsziel 2, „Umfassende, barrierefreie Teilhabe von Menschen mit Behin­derungen in allen Bereichen des Lebens“, als zugeordnete Maßnahme die Umsetzung des Nationalen Aktionsplans Behinderung vorsieht, ist tatsächlich erwähnenswert, weil ich gar nicht oft genug sagen kann, wie notwendig es ist, da endlich zu handeln. 1,4 Mil­lionen Menschen haben ein Recht auf gesellschaftliche Teilhabe und ein selbstbe­stimmtes Leben, und die Politik hat dafür Sorge zu tragen, dass dies möglich ist. Die Empfehlung 11 von 27 Empfehlungen des Nationalen Aktionsplans Behinderung sagt: „Ausreichende Finanzierung der Maßnahmen zur Umsetzung des NAP Behinde­rung 2022–2030“.

Ja, Inklusion ist kein Billigprodukt. Inklusion kostet viel Geld, aber dieses Geld inves­tieren wir in unsere Mitmenschen und in eine inklusive Zukunft, die uns allen zugute­kommt. Das heißt für Sie und das Budget 2022: Stocken Sie auf, und zwar ausreichend und zielgerichtet! (Beifall bei den NEOS.)

Nun aber zu einem anderen Schwerpunkt, UG 22: Pensionen. Gestern haben wir zwar lang und ausführlich über die abschlagsfreie Frühpension diskutiert, aber diese Antwor­ten auf meine Budgetfragen haben eine Erwähnung verdient. Meine Frage lautete, wie stark sich Auszahlungen in der UG 22 reduzieren, wenn ein Pensionsantritt einen Monat beziehungsweise ein Jahr später erfolgen würde. – Ein um einen Monat späterer Pensionsantritt würde im Jahr 2021 eine Einsparung von rund 172 Millionen Euro bedeuten, und ein um ein Jahr späterer Pensionsantritt würde die Auszahlung um rund 2,4 Milliarden Euro reduzieren. Das sind die Schulden, die unsere Kinder in Zukunft nicht zurückzahlen müssen, und dagegen können wir uns nicht wehren. Hätten wir unsere Großeltern fragen können, hätten auch sie sich gewünscht, dass es ihren Kindern und


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Enkerln gut geht. Und so komme ich von den Großeltern sofort zu den Alten- und Pflegeheimen.

Nirgendwo wurden in den letzten Jahren so viele Ankündigungen gemacht wie im Bereich der Pflege. Geschehen ist dabei aber rein gar nichts. Zahlreiche Presse­konfe­ren­zen unter Beate Hartinger-Klein, noch mehr Pressekonferenzen von Rudolf Anschober, und viele weitere werden folgen.

Konstant ist auch die hohe Schlagzahl beim Nachschussbedarf für die nimmersatten Landeshauptleute. Diese kommen nämlich dank komplizierter, ineffizienter und ineffek­tiver Pflegestrukturen nie mit dem Geld über die Runden. Darum werden heuer wieder zusätzliche 300 Millionen Euro für die Länder im Zuge der Abschaffung des Pflege­regresses nachgeworfen, aber ohne dass den Ländern dafür konkrete Ziele zur Ver­sorgung und Qualität vorgegeben werden.

Lieber Herr Gesundheitsminister, so kann das nicht weitergehen! Auf der einen Seite überschütten Sie die Bundesländer mit Geld, auf der anderen Seite kontrollieren Sie aber nicht, was die Bundesländer damit machen. Deshalb hat mich die Antwort auf meine Budgetfrage zu Covid-Verstorbenen in Alten- und Pflegeheimen auch so erschüttert. In Österreich sind derzeit 1 945 Menschen an Corona verstorben, davon laut Minister 607 in Pflegeheimen und Altenheimen, und davon wiederum 323 Menschen – also die Hälfte, mehr als die Hälfte – allein im letzten Monat. Offenbar wurden und werden da die Risikogruppen nicht ausreichend geschützt, und das zeigt wieder einmal mehr, dass auch da der Sommer grandios verschlafen wurde. (Beifall bei den NEOS.)

Wir leben jetzt acht Monate mit dieser Pandemie, und weder die Regierung noch die Landeshauptleute waren offensichtlich in der Lage, geeignete Schutzmaßnahmen für die Alten- und Pflegeheime zu treffen. Und eben diesen Landeshauptleuten, die die gesamte Krise verschlafen haben und zu inkompetent sind, für Pflegeheime Schutz­maßnahmen zu treffen, werfen Sie dreistellige Millionensummen nach – komplett ohne Zielvorgaben. Herr Minister, das ist fahrlässig! (Beifall bei den NEOS.)

Allein in Ihrem Heimatbundesland Oberösterreich sind 76 Pflegeheimbewohner an Corona verstorben, davon allein 62 im letzten Monat. Noch schlimmer ist es nur noch in Nie­derösterreich und im Burgenland: Im Burgenland sind sämtliche Pflegeheimbewohner, die an Corona verstorben sind, erst im letzten Monat verstorben. Das Tragische daran ist, dass sehr viele Ältere offensichtlich nicht mehr mit den gängigen Beatmungs­metho­den behandelt werden können, weil für sie die Beatmung oft noch kräfteraubender ist als die Coronaerkrankung an sich. Wenn sie beatmet werden können, brauchen sie durch­schnittlich eine längere Intensivbehandlung, um sich wieder halbwegs zu erholen, und dann kommt es natürlich zu Engpässen auf Intensivstationen.

Sehr geehrter Minister, es ist einfach nur unfassbar, wie Sie dabei zusehen, wie die Landeshauptleute beim Krisenmanagement komplett versagen. Binden Sie die Pflege­gelder an Leistung, Qualität und bessere Versorgung! Wir haben zu viel Coronatodes­fälle in Pflegeheimen und zu wenig Schutzmaßnahmen in den Ländern. Kommen Sie bitte ins Tun! – Danke. (Beifall bei den NEOS.)

10.16


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Scheucher-Pichler. – Bitte.


10.16.42

Abgeordnete Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, vor allem aber auch liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Erlauben Sie mir, dass ich zuallererst einmal allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Gesundheitsbereich, in


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der Pflege, in den Gesundheitsbehörden, im Sozialbereich sehr, sehr herzlich für ihre großartige Arbeit in dieser schwierigen Zeit danke. Sie leisten Großartiges! Dafür wirklich vonseiten der ÖVP-Fraktion ein ganz besonderes Dankeschön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Und ich weise das zurück, was meine Vorrednerin von den NEOS gesagt hat – dass wir auf die Menschen in den Pflegeheimen vergessen haben. Ganz im Gegenteil: Diese Regierung hat immer Maßnahmen gesetzt, die die Gesundheit in den Mittelpunkt stellen. Jedes Menschenleben ist uns gleich viel wert. Erlauben Sie mir, dass ich aus der Sicht der Seniorinnen und Senioren ein paar Anmerkungen mache. (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.) – Frau Meinl-Reisinger, da können Sie noch so laut dazwischenrufen, das ist die Realität. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.) Auf der einen Seite kritisieren Sie die Maßnahmen, und auf der anderen Seite beklagen Sie, dass sie zu gering sind. Das passt irgendwie nicht zusammen. (Abg. Meinl-Reisinger: Doch, das passt wunderbar zusammen ...!)

Erlauben Sie mir aber, dass ich aus der Sicht der Seniorinnen und Senioren ein paar Anmerkungen mache. Wir kommen nämlich in ein ziemliches Spannungsfeld. Das hat man gestern bemerkt und das bemerke ich auch heute, denn wir, und ich glaube, da waren alle Seniorengruppen gleicher Meinung, wollten eigentlich für die Seniorinnen und Senioren ein neues Bild in dieser Gesellschaft zeichnen. Es ist ganz schlecht, wenn wir wieder als so krank, klapprig und alt dargestellt und auf einen Kostenfaktor reduziert werden. (Abg. Belakowitsch: Das macht die ÖVP!) Wir wollen in dieser Gesellschaft eine neue Positionierung haben, denn mit 60 steht man heute mitten im Leben (Abg. Belakowitsch: Eh!), meine Damen und Herren, und wir leisten einen wichtigen Beitrag (Abg. Loacker: ... der Pension?) – darauf komme ich noch zu sprechen, Herr Kollege Loacker – in der Wirtschaft (Abg. Belakowitsch: ... in der ÖVP-Senioren-Blase unter­wegs!), einen wichtigen Beitrag für die Wertschöpfung.

Die Seniorinnen und Senioren leisten wichtige Betreuungsarbeit im Kinderbereich, in der Familienarbeit, aber auch in der Pflege. Ich habe gerade mit einem 80-jährigen Klagen­furter telefoniert, der mir erzählt hat – und der mich da auch um Unterstützung gebeten hat –, dass er gerade die Betreuung seiner 98-jährigen Mutter organisiert. Das ist die heutige Realität und das ist gut so. Gott sei Dank werden wir alle älter, und Gott sei Dank, und das wissen wir alle, ist das Pensionssystem in Österreich so angelegt, dass es gesichert ist, dass es treffsicher ist und dass es sozial ist, und daran arbeiten wir gerade. Sie sind anscheinend dagegen – das wundert mich. Sie sind da anscheinend dagegen. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe der Abgeordneten Belakowitsch und Loacker.)

Gestern hat Kollegin Plakolm von der Jungen ÖVP ganz richtig gesagt, wir haben in Österreich diesen ungeschriebenen Generationenvertrag. Gott sei Dank haben wir den. Wir als Seniorinnen und Senioren haben unsere Pension erarbeitet, aber wir überneh­men auch Verantwortung für unsere Kinder und für unsere Enkelkinder. Daher: Alles, was da gestern und heute diskutiert wird, verstehe ich nicht. (Heiterkeit bei Abgeord­neten von FPÖ und NEOS. – Abg. Loacker: Was?! ...! – Abg. Belakowitsch: Bitte schön, wenn Sie es nicht verstehen!) Ja, es ist an der Realität vorbei. Wir wollen die Bezieher niedriger Pensionen, wir wollen jene, die oft nicht einmal 1 000 Euro Pension haben, unterstützen. Wir wollen die kleinen und die mittleren Pensionen anheben.

Wir erhöhen die Ausgleichszulage, und gerade das ist ein ganz wichtiger Aspekt auch für Frauen und gegen Frauenaltersarmut. Die SPÖ und Sie von der Opposition fordern das immer, auf der anderen Seite stimmen Sie dann aber hier nicht mit. Ich verstehe das wirklich nicht, denn das ist unrealistisch! (Abg. Belakowitsch: Sie verstehen ja gar nichts! Sie sagen dauernd, dass Sie nichts verstehen! Sie verstehen ja gar nichts!) Wir werden am Freitag einen Bonus beschließen, nämlich den Frühstarterbonus. (Neuerlicher


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Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Auch dagegen sind Sie. Das sind bis zu 840 Euro mehr gerade auch für Frauen (Abg. Belakowitsch: Bis zu!) – ja, bis zu, aber (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch) noch einmal: Wir wollen das Pensionssystem langfristig sichern. (Abg. Loacker: Langfristig sichern mit Mehrausgaben?! Denken Sie einmal nach! – Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Wir wollen es treff­sicher machen, und wir wollen vor allem die kleinen und mittleren Pensionen stärken. Das ist unser Ziel.

Ich möchte auf noch einen Bereich zu sprechen kommen, weil mir dieser auch sehr wichtig ist, nämlich die Coronaarbeitsstiftung. Es ist heute auch schon einiges zur Pfle­gereform gesagt worden. Herr Kollege Ragger! In diesem Zusammenhang weise ich etwas ganz entschieden zurück: Du weißt ja auch, dass es nicht stimmt, dass wir vonseiten des Hilfswerks die Pflegereform blockieren, ganz im Gegenteil (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch): Vieles, was jetzt umgesetzt werden soll, entspricht unserer jahrelangen Forderung – mehr Unterstützung der pflegenden Angehörigen, leistbare Pflege zu Hause und vieles mehr.

Ich möchte jetzt aber gar nicht auf die Pflegereform im Detail eingehen. (Zwischenruf des Abg. Loacker.) Ich möchte betonen, dass die Coronaarbeitsstiftung (Abg. Belakowitsch: ... falsches Ressort! – Zwischenruf des Abg. Loacker) ganz speziell praxisbezogene Pflegekräfte ausbilden wird (Abg. Belakowitsch: Falsches Ressort! – Zwischenruf der Abg. Baumgartner), und das halte ich für den richtigen Ansatz.

Ich motiviere die jungen Leute, sich das anzuschauen, denn gerade in der Pflege gibt es viele Jobchancen und auch Karrierechancen, es kann der Beruf auch zur Berufung werden. Viele haben leider ihre Arbeit verloren, und ich denke, auch da gibt es viele Chancen, sich umzuorientieren und zu schauen, ob man vielleicht im Pflege- und im Sozialbereich eine neue Aufgabe findet. Ich werde mich jedenfalls weiterhin dafür einsetzen, dass die Rahmenbedingungen gerade auch für Pflegekräfte und für Men­schen, die im Sozialbereich arbeiten, weiterhin besser werden. (Abg. Belakowitsch: Wie setzen Sie sich da ein?)

Noch einmal: Ich bedanke mich bei allen, die in der Pflege und auch in allen anderen Sozialbereichen in dieser schwierigen Zeit sehr, sehr gute Arbeit leisten. Ich glaube, wir können gar nicht oft genug Danke sagen. Ich bin bei Ihnen, dass wir die Rahmen­bedingungen weiter verbessern müssen, und das werden wir auch tun. Ich hoffe und lade Sie ein, dass Sie alle bei dieser Pflegereform mit dabei sind und auch dabei sind, wenn es darum geht, den Pflegekräftemangel weiter zu reduzieren.

Ein großes Danke noch einmal, Herr Bundesminister. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch. – Rufe bei den NEOS: Danke!) Ein großes Danke an alle, die konstruktiv im Sozialbereich und im Pflegebereich mitarbeiten und damit auch für die Menschen in unserem Land da sind. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Bravoruf des Abg. Obernosterer.)

10.22


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kucher. – Bitte.


10.22.54

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir alle, die wir in der Politik arbeiten, sind ja immer wieder mit gewissen wahrscheinlich auch berechtigten Vorwürfen der Bevölkerung konfrontiert, dass Politiker oft viel reden, dass es dann bei der Umsetzung aber irgendwie hapert und den Worten oft nicht wirklich auch konkrete Taten folgen.


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Jetzt haben wir alle hier im Parlament und auch die Menschen zu Hause die Möglichkeit, all das, was wir heute über die Pflege gehört haben, auch ganz konkret nachzuprüfen, weil wir heute ein Budget fürs Jahr 2021 beschließen. Mitten in der größten Gesund­heitskrise seit 100 Jahren wird natürlich niemand sagen: Im Bereich der Pflege müssen wir einsparen! Alle Parteien haben heute gesagt, wie wichtig es ist, dass wir jetzt in der Pflege ordentlich Gas geben und die Menschen nicht im Stich lassen dürfen.

Das Spannende ist jedoch: In dem Budget, das heute beschlossen werden soll und das wir jetzt auch diskutieren, findet sich gar nichts. Der Herr Bundesminister hat ein paar kleine Projekte bekommen, damit er sagen kann, dass er auch etwas macht. Während in anderen Bereichen Geld offenbar keine Rolle spielt und, wenn es um die Großspender von Herrn Kurz geht, immer wieder sozusagen die Millionen- und Milliardenbeträge da sind, passiert im Pflegebereich gar nichts.

Die Valorisierung des Pflegegeldes, dass jedes Jahr auch mehr Geld gezahlt wird und die Inflationsanpassung erfolgt, haben wir gegen den Willen der ÖVP durchgesetzt. Wir haben gesagt, dass es nicht sein kann, dass man jedes Jahr immer zur Politik gehen und Bitte, Bitte sagen muss, wie das die ÖVP gerne sieht. Wir haben gesagt, dass es da vielmehr einen Rechtsanspruch geben muss.

Für all die Maßnahmen in der Pflege, über die wir heute diskutieren, findet sich im Budget aber leider gar nichts. Es ist aus meiner Sicht gegenüber all den Menschen, die jetzt Tag für Tag an den Krankenbetten und im mobilen Pflegebereich arbeiten, gegenüber den Ärztinnen und Ärzten und all den Menschen in den Gesundheitsberufen, die jetzt Tag für Tag ihr Bestes geben, eigentlich schäbig, dass die Politik nicht deutlich mehr leistet, sondern dass man die Coronakrise jetzt als Ausrede nimmt und sagt: Das muss warten, im Pflegebereich können wir nichts machen.

Jeden Tag verlieren wir Menschen, die einfach sagen, dass sie nicht mehr können, weil sie ohnehin in einem schwierigen Bereich ihr Bestes geben, und die Politik sagt: Ihr müsst einfach noch warten!, aber nichts Konkretes geschieht.

Bei Rudi Anschober erkenne ich ein Muster: Er hat in der kurzen Zeit sehr, sehr viel von Sebastian Kurz gelernt. Für Rudi Anschober ist der allererste Schritt, um Maßnahmen zu setzen, nicht, sich zu überlegen, was geschehen soll, sondern es ist entweder ein Inserat oder eine Werbeschaltung. Wenn es nicht so tragisch wäre, müsste man sich darüber wundern: Letzte Woche hat Herr Minister Anschober eine Pressekonferenz gegeben – das ist nichts Besonderes, das macht er eh, glaube ich, acht Tage die Woche –, bei der er allerdings Videos vorgestellt hat. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Amesbauer und Loacker.)

Er hat Videos vorgestellt und gesagt: Wir müssen auch das Image der Pflege heben. – Das ist ja an sich nichts Unanständiges. Glauben Sie aber wirklich, dass irgendwelche Sonntagsreden und Imagevideos ohne konkrete Daten reichen werden? Wir müssen doch etwas tun, um die Arbeitsbedingungen konkret auch im Pflegebereich zu ver­bessern! Wie sollen denn die Menschen Vertrauen in die Politik haben, wenn wir Geld für Videos ausgeben, aber sagen, dass konkrete Maßnahmen, um die Arbeitsbe­din­gungen der Menschen, die jetzt 24 Stunden am Tag für uns alle da sind, zu verbessern, warten müssen? Das ist eine Politik, die ich nicht ernst nehmen kann.

Ein Punkt nur, weil jetzt alle von Wertschätzung reden: Während wir alle diskutieren, plant Frau Ministerin Schramböck nebenbei heimlich bereits die Einführung einer Pflegelehre. – Die Frage ist: Warum macht das die Wirtschaftsministerin? Man könnte, da sie ohnehin im Wirtschaftsbereich nicht viel zustande bringt, meinen, dass sie dazu vielleicht Zeit hat. Jedenfalls ist Frau Schramböck nun als fachlich unzuständige Ministerin gerade dabei, die Pflegelehre einzuführen, und zwar gegen die Warnung all der Menschen, die auch in diesem Bereich arbeiten. Alle halten das für einen Blödsinn.


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Warum macht das Frau Ministerin Schramböck? – Da geht es auch um Lohndumping, denn sie sagt: Wenn man 15- oder 16-jährige Burschen und Mädels ans Krankenbett stellt, dann wird es vielleicht billiger werden. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von FPÖ und NEOS.)

Das ist nicht die Wertschätzung, die wir für den Pflegeberuf brauchen. Leider fehlen für diesen Bereich das Geld und der Mut, hier etwas zu tun. Daher bitte ich wirklich, dass den Worten aller Parteien, von denen heute behauptet wurde, dass Pflege und Wert­schätzung gegenüber den Menschen so wichtig sind, auch endlich Taten folgen und nicht nur Werbevideos und Inserate. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Kollross: Das war einmal eine Rede! – Rufe bei der SPÖ: Danke! Danke, Philip! Danke! – Ruf bei der ÖVP: Vernachlässigbar!)

10.27


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Litschauer ist zu Wort gemel­det. – Bitte.


10.27.19

Abgeordneter Ing. Martin Litschauer (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren vor dem Fernseher und via Livestream! Ich möchte mich jetzt einem anderen, aber, glaube ich, auch sehr wichtigen Thema widmen, nämlich dem Konsumentenschutz.

Wenn Sie im Internet einkaufen, dann ist Ihnen die PayPal-Bezahlfunktion sicherlich ein Begriff. Es gibt da aber unter anderem auch eine Funktion, die sich „Geld an Freunde und Familie senden“ nennt. Das scheint auch eine sehr praktische Funktion zu sein. Wenn Sie aber beim Interneteinkauf aufgefordert werden, diese Funktion zu benutzen, dann würde ich eher raten, vorsichtig zu sein, denn diese Funktion bietet nicht den Schutz, den PayPal normalerweise bietet, und ermöglicht Betrügern, Geld abzu­schöp­fen, und das Geld kommt letztlich nicht an.

Diese Tipps und noch viel mehr findet man auf der Homepage von Watchlist Internet. Dieses Projekt gibt es seit einigen Jahren, und es wird auch 2021 aus dem Konsu­men­tenschutzbudget wieder mit insgesamt 20 000 Euro Förderung unterstützt, ebenso wie die Internet-Ombudsstelle, die mit 140 000 Euro unterstützt werden wird. – Ich denke, das ist in Summe sehr gut investiertes Geld.

Die Internet-Ombudsstelle hat im letzten Jahr 4 762 Beschwerden und 5 584 Anfragen aus dem Bereich Rücktrittsrecht, vor allem aber Probleme mit dem Wareneinkauf, mit Datenschutz, mit Bezahlen im Internet und auch mit dem Urheberrecht behandelt. Das zeigt, dass dieses Projekt sehr spezielle Unterstützung liefert, was, wie ich glaube, in vielen Bereichen auch notwendig ist. So hilft die Internet-Ombudsstelle zum Beispiel auch, wenn jemand ein Bild von Ihnen hochlädt, womit Sie nicht ganz zufrieden sind, derjenige aber nicht ganz bereit ist, dieses Bild auch wieder zu löschen. In diesem Zusammenhang gibt es manchmal ziemlich herausfordernde Situationen, und auch in diesen Bereichen hilft die Internet-Ombudsstelle. Ich bin sehr froh, dass hier eine unabhängige, aber staatlich anerkannte Schlichtungsstelle geschaffen wurde und auch finanziell weiterhin unterstützt wird.

Zum Schluss möchte ich noch einen Aufruf starten. In Zeiten des Lockdowns und der eingeschränkten Einkaufsmöglichkeiten wird sehr viel online bestellt, und ich würde dazu aufrufen, das vielleicht bei regionalen Anbietern zu machen. Das ist, glaube ich, wichtig für unsere Wirtschaft. Das sichert unsere Arbeitsplätze, aber ich glaube, es trägt auch dazu bei, Probleme beim Internetkauf hintanzuhalten, denn wenn die Anbieter vor Ort mehr oder weniger auch greifbar sind, dann ist das sicher wesentlich leichter zu handhaben, als wenn die Anbieter global über die ganze Welt verstreut sind.


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Zu guter Letzt möchte ich vielleicht auch noch das Augenmerk darauf legen, dass der Einkauf ein bisschen nachhaltiger gemacht werden soll. Bei meinem letzten Smartphone habe ich zum Beispiel darauf geachtet, dass der Akku tauschbar ist und jede einzelne Komponente als Ersatzteil auch wiederbestellt werden kann. Das sind Dinge, die man sich anschauen kann. Es hilft uns zum Beispiel auch der VKI mit verschiedenen Pro­dukttests, die richtigen Produkte zu finden, damit vielleicht in Zukunft auch etwas weniger Müll entsteht und die Produkte länger im Einsatz sind. Ich denke, das sind ganz wesentliche Punkte beim Konsumentenschutz, und ich freue mich schon darauf, wenn wir in Zukunft gemeinsam mit dem Ministerium einiges im Bereich des Konsumenten­schutzes umsetzen können. – Danke. (Beifall bei Abgeordneten der Grünen und bei der ÖVP.)

10.31


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Wurm. – Bitte.


10.31.22

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Werte Zuseher! Ja, wir haben heute einen Block aus Konsumentenschutz, Pensionen und Soziales. Darüber könnte man jetzt wahrscheinlich einen Tag lang reden. Ich werde ver­suchen, mich relativ kurz zu fassen.

Zuerst zum Bereich Konsumentenschutz: Ja, und täglich grüßt das Murmeltier. Die letzten Jahre war dieser Bereich schon immer ein Stiefkind. Nur für Sie zur Information: Das Budget des Konsumentenschutzes macht 0,1 Promille des Gesamtbudgets aus – damit Sie ungefähr eine Idee haben, von welchen Dimensionen wir hier sprechen. Das heißt, es spielt im Budget eigentlich keine Rolle.

Ich gebe dem Minister recht: Der Konsumentenschutz war die letzten Jahre und Jahr­zehnte immer ein Stiefkind, egal in welcher Regierungskonstellation. Das darf ich Ihnen allerdings schon sagen, Herr Minister: Unter Ihrer Regentschaft haben wir im Kon­sumentenschutz einen neuen Tiefpunkt erreicht, und das sollte Sie nicht stolz machen! So weit hinten und unten war der Konsumentenschutz in Österreich noch nie.

Ich möchte Ihnen dazu einige Beispiele sagen: Der Herr Minister hat es geschafft, in seinem eigenen Ministerium, in einem grünen Ministerium, die Konsumentenschutz­ab­teilung aufzulösen. Das ist wirklich was für die Geschichtsbücher. Ich bin gespannt, wie das die Grünen jemals argumentieren werden.

Was man auch sagen muss: Im VKI haben wir wieder keine langfristige Finanzierung zusammengebracht. Das bedeutet wieder eine Finanzierung auf ein Jahr und danach hängt der VKI wieder in den Seilen.

Was man auch noch sagen muss: Es gab jetzt letzte Woche noch einmal einen Tiefpunkt im Konsumentenschutz, als der Herr Minister betreffend die Verbraucherbehörden­kooperationsgesetzgebung, die uns von der EU vorgegeben wurde, zugestimmt hat, diese jetzt in das Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen zu geben. Das hat er tatsächlich geschafft – weg von der Wettbewerbsbehörde, von einer unabhängigen Wettbewerbsbehörde, die kontrolliert hat, dass das ordnungsgemäß passiert, ins Bun­desamt für Eich- und Vermessungswesen unter Ministerin Schramböck. Das heißt, er hat dieses ganz zentrale Thema aus dem Konsumentenschutz dem Wirtschafts­minis­terium überantwortet, und ich glaube, jeder, der von Konsumentenschutz ein bisschen eine Ahnung hat, weiß, was das bedeutet.

Das Eich- und Vermessungsamt hat weder Kompetenzen noch Expertise, ist aber der Frau Wirtschaftsministerin weisungsgebunden. Also da macht man den Bock zum Gärtner (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der SPÖ), und deutlicher, glaube ich,


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kann man das Versagen der Grünen und des Herrn Ministers auf ganzer Ebene beim Konsumentenschutz nicht mehr machen.

Der Herr Minister ist ja für drei Ministerien zuständig – mehr oder weniger –: Konsumen­tenschutz, Soziales – bei beiden ist er überhaupt nicht zu sehen, zu spüren, ganz im Gegenteil, da geht es steil bergab, nach unten – und Gesundheit, und über seine Leis­tungen im Bereich Gesundheit können wir ja heute später noch diskutieren, und da kann sich auch jeder ein entsprechendes Bild machen.

Vielleicht auch noch einmal ganz kurz zum Bereich Pensionen: Herr Minister, ich finde es erschütternd, dass Sie sich wirklich hierherstellen und diese Regelung, also die Abschaffung der Hacklerpension, auch noch schönreden. Ich weiß, in einer Koalition muss man bittere Pillen schlucken und manchmal wird man überrannt, dann sage ich aber besser nichts dazu – aber auch noch zu versuchen, das schönzureden, da bin ich wirklich fassungslos, und ich bin jetzt schon einiges gewohnt. (Bundesminister Anschober: Dann haben Sie es nicht verstanden!) – Herr Minister, für Sie noch einmal zur Erklärung, falls Sie es nicht verstanden haben: Sie haben es geschafft, jenen, die 45 Jahre arbeiten, damit in etwa 300 Euro brutto im Monat zu stehlen. (Abg. Disoski: Das stimmt nicht! – Zwischenruf des Abg. Schallmeiner.)

Ich darf noch einmal darauf hinweisen: Die Lebenserwartung von Arbeitern ist um sechs Jahre geringer als die von Akademikern; und ich darf noch einmal darauf hinweisen: Die Lebenserwartung von Männern ist um fünf Jahre kürzer als die von Frauen. – So weit einmal zu den Basisgeschichten, und wir werden diese Woche und in Zukunft über dieses Thema mit Sicherheit noch öfter diskutieren.

Mir war schon klar, dass die ÖVP herzlos ist und für soziale Gerechtigkeit überhaupt kein Verständnis hat. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das ist nichts Neues in Österreich, das wird auch niemanden überraschen, das weiß sogar die ÖVP selbst. Mit welcher Brutalität die Grünen aber in die Sozialbereichsgeschäfte hineinfahren und das wirklich nach unten nivellieren, in dieser Schnelligkeit, Brutalität und Herzlosigkeit, und dann auch noch versuchen, das schönzureden – das ist wirklich nur mehr zum Kopfschütteln. (Zwischenruf der Abg. Tomaselli.)

Ich glaube aber schon, dass auch Ihre Wählergruppen mitbekommen haben, was sich da in einem Jahr grüner Regierungsbeteiligung getan hat. Wenn man sich die Foren diverser Zeitungen im Internet anschaut, dann sieht man die Aussage von Grünwählern relativ klar: Die genieren sich mittlerweile dafür, dass sie den Grünen die Stimme gegeben haben (Zwischenruf der Abg. Disoski), und ich kann mir nicht vorstellen, dass sie das wieder tun. Sie werden sie uns wahrscheinlich weniger, aber zukünftig wahr­scheinlich mehr der SPÖ geben. Wir nehmen aber auch gerne grüne Stimmen für uns in Anspruch. (Abg. Fürlinger: Die Schnittmengen werden ...! – Zwischenrufe bei den Grünen.) – Ja, es wird vorkommen. (Ruf bei den Grünen: Das kommt sicher nicht vor!) Sie werden lachen, es kommt vor. (Abg. Tomaselli: Na!)

Noch einmal zum Bereich Soziales: Ich glaube, es ist offensichtlich, dass wir, veranlasst oder mehr oder weniger verschuldet von dieser Regierung, eine soziale Krise haben. Wir haben jetzt schon mehrmals versucht, auch diese soziale Krise für die Menschen zu verbessern, indem wir uns für einen Gutschein für alle Österreicher aussprechen, den sie in der lokalen Wirtschaft einlösen sollen. Ich werde diesen Antrag jetzt noch einmal einbringen.

Ich möchte vielleicht auch ausdrücklich die ÖVP noch einmal daran erinnern, vor allem einige Tiroler Abgeordnete, dass die Tiroler Wirtschaftskammer das auch heute wieder fordert. (Zwischenruf des Abg. Schallmeiner.) Deren Präsident Walser, der ja sehr vernünftig ist und mittlerweile auch sinnvollerweise sehr, sehr viele freiheitliche Po­sitio­nen übernommen hat, hat gesehen, welche Auswirkungen das hat – Kaufkraftabfluss,


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Amazon als der große Gewinner, und die Tiroler und die österreichische Wirtschaft leiden darunter. Auch er ist dafür, die lokale Wirtschaft zu unterstützen, also bitte orien­tieren Sie sich bei Ihrer Entscheidung am Präsidenten Walser von der Wirtschafts­kam­mer, einem verdienten ÖVP-Funktionär!

Deshalb bringe ich jetzt noch einmal folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „1.000-Euro-Österreich-Gutschein“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, jedem österreichischen Staatsbürger Gut­scheine im Wert von 1.000 Euro auszustellen, die bis 31. Dezember 2020 nur bei heimi­schen und in Österreich steuerpflichtigen Betrieben eingelöst werden können.“

*****

Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

10.38

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Mag. Christian Ragger, Erwin Angerer, Peter Wurm

und weiterer Abgeordneter

betreffend 1.000-Euro-Österreich-Gutschein

eingebracht im Zuge der Debatte zu Top 11: Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (449 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundes­vor­anschlages für das Jahr 2021 (Bundesfinanzgesetz 2021-BFG 2021) samt Anlagen (380 d.B.)-UG 21 Soziales und Konsumentenschutz in der 62. des Nationalrats (XXVII.GP) am 18. November 2020.

Die Maßnahmen der Bundesregierung im Zuge der Corona-Epidemie führen zu einer historischen Wirtschaftskrise. Mehr als 1,8 Millionen Menschen haben in den letzten neun Monaten ihre Arbeit verloren oder haben durch die Kurzarbeit deutlich weniger Einkommen. Zigtausende Wirtschaftstreibende haben ebenfalls ihre Einkommensgrund­lage verloren. Und mit all diesen Menschen auch ihre Familien!

Die österreichische Wirtschaft ist am Boden, zigtausende Betriebe wurden zwangs­ge­schlossen. Ob viele Betriebe, Gastronomiebetriebe, Touristiker, Handwerker, aber auch Dienstleister die Corona-Maßnahmen der Regierung wirtschaftlich überleben, darf ange­zweifelt werden. Dass die Auftragslage plötzlich wieder in die Höhe schießt, ist unwahr­scheinlich. Sämtliche Wirtschaftsforscher prognostizieren eine schwere Rezession. Hand in Hand mit einer drohenden gigantischen Pleitewelle geht der Konsumschock. Die öster­reichischen Familien und die heimischen Wirtschaftstreibenden haben nichts von Ver­sprechungen. Von Hoffnung allein können sie nicht leben, sie brauchen jetzt konkrete Hilfe und Sicherheit.


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Wenn wir die massive Pleitewellen abfedern und die Kaufkraft stärken wollen, braucht es schnelle Maßnahmen, die möglichst viele Menschen erreichen und besonders schnell die Kaufkraft österreichischer Familien stärken. Jeder Österreicher und jede Öster­reicherin – etwa 7,4 Millionen Menschen – sollen völlig unabhängig vom Alter einen sogenannten Österreich-Gutschein in der Höhe von 1.000 Euro erhalten. Für eine vier­köpfige Familie sind das 4.000 Euro.

Von dieser unbürokratischen Soforthilfe für österreichische Familien und heimische Be­triebe in Höhe von rund 7,4 Mrd. Euro, die Arbeitsplätze sichert, die Wirtschaft ankurbelt und somit natürlich indirekt auch dem Sozialsystem zugutekommt, fließen rund 2,5 Mrd. Euro direkt in Form von Steuereinnahmen zurück in den Bundeshaushalt.

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten daher nachste­hen­den

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, jedem österreichischen Staatsbürger Gut­scheine im Wert von 1.000 Euro auszustellen, die bis 31. Dezember 2020 nur bei hei­mischen und in Österreich steuerpflichtigen Betrieben eingelöst werden können."

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, aus­reichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Gödl. – Bitte.


10.38.49

Abgeordneter Mag. Ernst Gödl (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine geschätzten Damen und Herren hier im Plenum! Verehrte Zuhörerinnen und Zu­hörer! Im Rahmen dieses Kapitels Soziales und Konsumentenschutz wird auch das so wichtige Thema Pflege erörtert, und lassen Sie mich eingangs auch nochmals den ausdrücklichen Dank an jene Personen aussprechen, die im Bereich der Pflege arbeiten, entweder ehrenamtlich oder beruflich: im Bereich der Gesundheitsversorgung oder in den vielen Pflegeeinrichtungen, in der 24-Stunden-Betreuung, als Angehörige oder bei den mobilen Diensten – alle leisten in dieser Zeit, in dieser Coronakrisenzeit eine wahn­sinnig wertvolle und aufwendige Arbeit, und das soll hier vom Parlament auch besonders bedankt werden. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Fischer.)

Was überhaupt nicht stimmt – was einige angesprochen haben, zum Beispiel auch Kol­lege Ragger von den Blauen –, ist die Behauptung, dass das Thema Pflege so irgendwie vernachlässigt worden wäre.

Die letzte Regierung, die türkis-blaue Regierung, hat das Thema Pflege spätestens seit der Abschaffung des Vermögensregresses auch ganz oben auf der Prioritätenliste ge­habt. Die seinerzeitige Sozialministerin Hartinger-Klein hat dazu sogar auch eine Punk­tation im Namen der Regierung vorgelegt. Und diese neue Regierung, als sie ihr Amt heuer im Jänner angetreten hat, hat auch ganz oben auf der Prioritätenliste eine um­fassende Pflegereform hingeschrieben und auch in Angriff genommen. Dann kam eben diese Coronapandemie, die leider einige Dinge verschoben hat.

Aber dieser Reformprozess – und das wissen Sie ganz genau – ist eingeleitet. Ich möchte mich hier ausdrücklich beim für Pflege zuständigen Bundesminister, Herrn Rudi


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Anschober, einerseits, aber auch bei unserem wirklich starken Sozialpolitiker August Wöginger herzlich bedanken, dass sie dieses Thema so breit aufsetzen, dass viele hier mitgestalten und mitreden dürfen. Eine Pflegetaskforce ist eingerichtet, die Arbeits­gruppen sind eingerichtet und arbeiten bereits an diesem Reformprozess, und das soll auch ganz besonders hervorgehoben werden. Ja, hier ist einiges im Fluss.

Wenn ich dann aber, meine Damen und Herren, zum Beispiel in das Regierungs­pro­gramm der NEOS und der Roten, in das rot-rote Programm in Wien schaue, dann fällt mir im Inhaltsverzeichnis vorne gleich einmal Folgendes auf (Zwischenruf des Abg. Loacker): Obwohl Pflege von der Kompetenzverteilung her in vielen Bereichen in die Zuständigkeit der Länder fällt, findet man, Herr Loacker, in der Übersicht kein Ster­benswörtchen zum Thema Pflege. Man kann mit der Lupe im Regierungsprogramm danach suchen, dann findet man zwei Seiten mit Allgemeinplätzen ohne irgendwelche Vereinbarungen für die Zukunft. So vernachlässigt wird das Thema Pflege im neuen sogenannten Zukunftsprogramm der rot-pinken Regierung oder – kann man fast sagen – der rot-roten Regierung in Wien.

Meine Damen und Herren! Im Mittelpunkt aller Überlegungen im Bereich der Pflege müssen natürlich die Bedürfnisse der Menschen stehen, und aus der Praxis wissen wir, dass diese Bedürfnisse tatsächlich sehr verschieden sind. Viele Menschen möchten, solange es geht, in ihrem eigenen Umfeld alt werden, leben und wohnen können. Dazu gibt es verschiedene Unterstützungen, einerseits die pflegenden Angehörigen als informelle Pflege, dann natürlich die 24-Stunden-Betreuung als Möglichkeit, die mobilen Dienste und dergleichen. Und dann gibt es weitere Formen der Unterstützung, zum Beispiel Tagesbetreuungsstätten in den Gemeinden und natürlich auch die stationäre Pflege.

Weiters gibt es im Bereich der Pflege noch diese besonderen Bedürfnisse, da möchte ich vor allem das Wort Demenz erwähnen. Übrigens: Das war gestern eine schwere Entgleisung von Herrn Kickl, als er das Wort Demenz in einem anderen Zusammenhang missbraucht hat. Die Demenzstrategie, die Unterstützung der Familien, die mit dementen Personen zu tun haben, bedarf einer ganz besonderen Beachtung und Stärkung. Zudem ist auch der gesamte Bereich der Palliativ- und Hospizbetreuung zu erwähnen. Also es gibt sehr, sehr viele Aspekte, die wir hier zu berücksichtigen haben.

Über alldem stehen aus meiner Sicht drei große Fragenkomplexe, zum einen die Frage: Wie können wir pflegende Angehörige besser unterstützen? Ein pflegefreier Tag wird angedacht, dass zum Beispiel pflegende Angehörige auf Urlaub gehen können und ihre zu pflegenden Angehörigen in dieser Zeit eine Pflege durch jemand anderen erfahren können. In vielen Bereichen müssen wir auch neue Modelle finden.

Der zweite Komplex umfasst das Pflegepersonal: Wie können wir es in Zukunft schaffen, dass dieser Beruf attraktiver wird? Wo müssten wir in der Ausbildung Veränderungen vornehmen? Wir brauchen eine umfassende Personal- und Ausbildungsoffensive.

Und zu guter Letzt natürlich die ganz große Frage der Finanzierung: Wie soll das in Zukunft finanziert werden? Wie hoch sollen Eigenbeiträge sein? Wie hoch sollen die Beiträge der Gemeinden, der Länder, des Bundes sein? Wie können wir die Finanz­ströme hier besser bündeln?

Herr Kucher hat gesagt, dieses Budget, das wir heute hier debattieren, bildet nichts davon ab. – Das haben wir auch im Vorfeld gesagt: In diesem Budget ist der Status quo mit den notwendigen Erhöhungen festgeschrieben, zum Beispiel beim Pflegegeld, das um 4,5 Prozent auf fast 3 Milliarden Euro erhöht wurde, aufgrund der demographischen Entwicklung und aufgrund der Valorisierung, die wir hier im Parlament beschlossen haben. Dann gibt es natürlich diese Zahlungsflüsse an die Länder und Gemeinden. Das


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betrifft den Pflegefonds und auch die Ersatzleistung für den abgeschafften Pflege­regress. Das ist alles in diesem Budget abgebildet, aber natürlich eine Art Status quo.

Was wir im nächsten Jahr erarbeiten müssen, das ist das neue Pflegekonzept für ganz Österreich. Da befinden wir uns mitten im Prozess, und ich bin ganz guter Dinge, dass wir am Ende des Tages einen großen Wurf zusammenbringen werden, eine Reform, die sich wirklich an den Bedürfnissen der Menschen orientieren muss. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

10.45


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Eypeltauer. – Bitte.


10.45.12

Abgeordneter Mag. Felix Eypeltauer (NEOS): Hohes Haus! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte vielleicht eingangs noch etwas zum Thema Pflege sagen, weil Herr Kollege Gödl uns NEOS betreffend unser Wiener Koalitionsprogramm irgendwie eine Lecture erteilen wollte.

Herr Kollege Gödl, liebe Abgeordnete der ÖVP! Rufen Sie vielleicht einmal bei Landes­hauptmann Stelzer oder bei der Landeshauptfrau Mikl-Leitner an oder lesen Sie unsere Anfragebeantwortung von heute: 82 Prozent jener Menschen, die in Alten- und Pflege­heimen in Oberösterreich an Covid verstorben sind, sind in den letzten eineinhalb Monaten verstorben, 91 Prozent dieser Menschen in Niederösterreich. (Beifall des Abg. Loacker.) Vielleicht rufen Sie einmal bei Ihren Landeshauptleuten an und erklären ihnen, dass sie Sicherheitskonzepte für genau jene Gruppen implementieren müssen, die besonders anfällig für das Coronavirus sind. (Beifall bei den NEOS.)

Ich komme nun zu meinem eigentlichen Thema: Konsumentenschutz. – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Bereiche Soziales, Gesundheit, Pflege und Kon­su­mentenschutz umfassen ein gewaltiges Budget von 18 Milliarden Euro, das Minister Anschober da verantwortet, ein Viertel des gesamten Bundesbudgets. Die UG 21: Kon­sumentenschutz macht davon – Kollege Wurm hat es vorhin schon ein bissel aus­geführt – 6,4 Millionen Euro aus, das sind 0,04 Prozent der Sorgen des Herrn Ministers, in Normalzeiten, also mit Pflegenotstand, mit Pensionsloch, ohne Gesundheitskrise, ohne Wirtschaftskrise, ohne Sozial- und Arbeitsmarktkrise und ohne das beispiellose Verordnungsstakkato aus dem Gesundheitsministerium.

0,04 Prozent der Aufmerksamkeit des Ministers im Normalzustand entspricht auch in etwa der Sinnhaftigkeit der Ressortaufteilung in dieser Regierung, was den Konsumen­tenschutz betrifft, denn finanziell – das ist uns allen klar – holt der Bartl den Most beim Finanzministerium. Materiellrechtlich und prozessrechtlich holt der Bartl den Most beim Justizministerium. Machtpolitisch holt der Bartl den Most beim Wirtschaftsbund und bei dessen Werkbank, nämlich beim Wirtschaftsministerium. Was dem Herrn Minister im Bereich Konsumentenschutz also zu tun bleibt, das wäre, die Institutionen zu ver­teidigen, die dafür sorgen, dass die Einhaltung der Konsumentenschutzregeln in Öster­reich auch durchgesetzt wird.

Da gibt es vor allem zwei, und über beide wurde heute schon gesprochen: Das ist einerseits der VKI, der Verein für Konsumenteninformation, und das ist andererseits die Bundeswettbewerbsbehörde. Aber selbst da, meine sehr geehrten Damen und Herren, fährt die ÖVP mit den Grünen Schlitten nach allen Regeln der Kunst. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Wurm.)

Wie das geht, haben wir im letzten Ausschuss gesehen: Da wandert der gesamte Be­reich der Verbraucherbehördenkooperation von einer schlagkräftigen, von einer wei­sungs­freien und von einer unabhängigen Bundeswettbewerbsbehörde ins weisungsgebundene


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Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen. – Das kann ja nicht euer Ernst sein, liebe Grüne und ÖVP! (Beifall bei den NEOS.)

Da steht so groß „Interessenkonflikt“ drauf. – Geschätzte Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, wie kann man denn das nur übersehen?!

Während die ÖVP also die Institutionen für fairen Wettbewerb und Konsumentenschutz unter ihre parteipolitische Kontrolle bringt, bekommt der VKI seine vorweihnachtlichen Gnadenfinanzspritzen und steht weiterhin unter Kontrolle der Arbeiterkammer. Das ist natürlich super für die Türkisen, denn die fürchten unabhängige Institutionen wie der Teufel das Weihwasser. Man hält sich den VKI zizerlweis mit Finanzhilfen gefügig, die Grünen verlieren das Gesicht nicht ganz, denn der bekommt ja 250 Tausender mehr.

Nein, meine sehr geehrten Damen und Herren, im Budget an sich passiert da nicht viel, was den Konsumentenschutz betrifft. Die Themen, die wirklich zählen, das, was wirklich passiert, passiert im Hintergrund, etwa bei der klandestinen und bei der wirklich brutalen Entmachtung der Bundeswettbewerbsbehörde. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Wurm.)

10.49


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Fürlinger ist zu Wort gemel­det. – Bitte.


10.49.13

Abgeordneter Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Da einige sehr humorvolle Kollegen hier heraußen davon geredet haben, dass wir Menschen etwas wegnehmen oder die Pensionen senken – es waren humorvollste Beiträge –, habe ich mir noch einmal schnell die Analyse zu den Pensionen vom Bud­getdienst des Parlaments kommen lassen. Ich danke übrigens den Mitarbeitern dieses Dienstes, die immer sehr profunde Informationen für die Abgeordneten des Hauses aufbereiten.

Darin ist zu lesen, dass die Pensionen bis 1 000 Euro und die Ausgleichszulagen­richt­sätze um 3,5 Prozent erhöht werden. Bei Pensionen zwischen 1 000 Euro und 1 400 Euro monatlich soll der Erhöhungssatz linear von 3,5 Prozent auf 1,5 Prozent gesenkt, und die maßgeblichen Beträge für einen Pensionsbonus sollen weiterhin um einige Prozent erhöht werden.

Der besonders humorvolle Kollege Stöger stellt sich hier heraus und sagt, dass die ÖVP keine Pensionen bereitstellt, und erklärt uns dann mit diesem merkwürdigen Frühpen­sionsprivilegienantrag, den er aus wahltaktischen Gründen kurz vor der Nationalrats­wahl 2019 eingebracht und noch dazu auch etwas schludrig formuliert hat – er hat ein paar Dinge vergessen, die man jetzt dauernd korrigieren möchte –, dass das sozusagen ein Raub an seinen Freunden ist, die eine hohe Pension kriegen und ungefähr im selben Alter sind wie er. (Zwischenruf des Abg. Stöger.) Dabei vergisst er, so wie viele seiner Freunde und Genossen, die hier herinnen sitzen, dass es genau sie waren, die ge­meinsam mit Herrn Bundesminister Rudolf Hundstorfer und uns ein Bonus-Malus-System eingeführt haben, das seine Richtigkeit hatte. Das und nichts anderes rufen wir jetzt wieder ins Leben, meine Damen und Herren, das ist das Einzige, was wir tun. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Ernst-Dziedzic und Fischer.) Es ist schon schwierig, wenn wir eure Wahlzuckerl, die euch, nebenbei gesagt, auch nichts genutzt haben, korrigieren müssen.

Lieber Kollege Wurm – du lächelst salbungsvoll vor dich hin –, du hast mich mit statis­tischen Zahlen natürlich sehr überzeugt. Ich gebe dir auch eine: Bei dieser abschlags­freien Frühpension mit 62 zahlt jemand, wenn er durchgehend Beitragsjahre hat, rund 270 000 Euro ein. Erreicht er das Lebensalter, das uns laut Statistik angeblich gegeben


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ist – was ich jedem wünsche –, nimmt er das Doppelte, nämlich 540 000 Euro, raus. Es könnte daher sein, dass sich das irgendwann einmal nicht mehr ausgeht. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ich glaube, dass es nicht mehr sein kann, dass man in einer Zeit unserer Lebenserwartung mit 62 Jahren abschlagsfrei in Pension geht. Ich sage Ihnen nur als Beispiel, dass ein Rechtsanwalt – man soll ja nicht sein eigenes Schicksal sozusagen damit verknüpfen, aber Kollege Bürstmayr ist leider nicht da – meines Alters mit 68 Jahren abschlagsfrei in Pension gehen darf – jedes Jahr vorher bedeutet 5 Prozent, und die Kammerpension ist deutlich weg von jenen hohen Pensionen, die Sie hier beschlossen haben und beschließen.

Ich möchte Ihnen abschließend eines sagen – Kollege Lercher hat uns gestern gemahnt, dass wir Rudi Hundstorfer nicht in den Mund nehmen sollen; es kommt mir auch nicht in den Sinn, ihn in den Mund zu nehmen, aber zitieren darf ich ihn –: Er hat gesagt, als das ASVG-Pensionssystem eingeführt wurde, war die durchschnittliche Lebenserwartung so, dass jemand 7 Jahre in Pension gewesen ist. – Sie wissen, wie viele Jahre man jetzt hat, daher dürfen wir zu Recht darüber nachdenken, wie wir das Pensionssystem sichern. Diese Bundesregierung trifft jedenfalls die richtigen sozialen, aber auch die richtigen Sicherungsmaßnahmen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Fischer.)

10.52


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Drobits. – Bitte.


10.53.13

Abgeordneter Mag. Christian Drobits (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Budget ist in Zahlen gegossene Politik. – Herr Bundesminister, ich ver­misse Ihre Handschrift in diesem Budget, wenn es um Sozialpolitik geht. Ich sehe nur eine Schablone, eine Hülle, die nicht Fisch und nicht Fleisch ist. Sie ist für mich und auch für viele andere nicht greifbar. Das sieht man auch an der Pflegereform – Kollege Kucher hat es angesprochen –, die man im Budget einfach nicht findet. Die Pflegereform, die von Ihnen als zentrales Thema ausgegeben worden ist, ist nicht abbildbar.

Ich denke, Sie werden sich Gedanken darüber machen, denn Sie sagen, Sie wollen keine Pflegereform vom Schreibtisch aus machen. Das nehme ich Ihnen ab, nur: Die­jenigen, die jetzt auf Antworten warten, die Pflegebedürftigen, die pflegenden Ange­höri­gen, aber auch das Pflegepersonal, schreien danach, dass sie Antworten erhalten. Die Umsetzung, die Sie seit Monaten versprechen, ist in Zeiten der Pandemie umso wich­tiger, und deshalb sage ich: Es ist Gefahr in Verzug!

Schaut man sich die Pflegegeldzahlungen an, so haben Sie die Valorisierung, die demografische Entwicklung sehr wohl abgebildet, nur kann sich das nicht ausgehen. Ist vielleicht im Hintergrund geplant, auch eine Gesetzesänderung bezüglich des Pflege­geldes zu machen, insbesondere in Hinblick darauf, dass der Erschwerniszuschlag weg­fällt?

Was haben Sie vor, wenn es um die Personal- und Ausbildungsoffensive für die Pflege­personen geht? – Ich sehe nichts, ich vernehme nichts. Auch zum Thema pflegende Angehörige finde ich von Ihnen keine Antworten auf die Frage, welche Maßnahmen Sie setzen wollen. Warum nehmen Sie nicht das burgenländische Modell der Anstellung, eines Dienstverhältnisses? Momentan sind 170 beschäftigt, und dieses Projekt ist auch von der EU-Kommission als gutes Projekt gekennzeichnet worden.

Ich denke, es gibt viele Antworten, und dieser Bereich schreit nach Antworten. (Präsi­dentin Bures übernimmt den Vorsitz.)


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Im Bereich der Armut haben Sie einige Zahlen genannt, nur ist für mich nichts erkennbar. Wir haben eine Kinderarmut mit 400 000 Kindern, die armutsgefährdet sind. Die Eltern sorgen sich gerade in Pandemiezeiten um gesunde Ernährung, um Zahngesundheit, die nicht mehr ermöglicht werden kann. Sie selbst haben angesprochen, dass die Frauen von Armut betroffen sind. Ich meine, dass diese deshalb armutsgefährdet sind, weil es gerade in diesem Bereich sehr, sehr wenige Invaliditäts- und Berufsunfähigkeits­pen­sionen gibt. Was machen wir dagegen? – Ich finde im Budget keine Antworten darauf.

Der dritte Bereich betrifft die Menschen mit Behinderungen, die sozial Schwächsten: Da höre ich nichts vom Inklusionsfonds, dass im Endeffekt auch die Möglichkeit besteht, über alle Bundesländergrenzen hinweg gleiche Leistungen zu harmonisieren. Ich ver­nehme auch nicht, dass Sie die Beschäftigungstherapie in ein echtes Dienstverhältnis umwandeln.

All diese Antworten fehlen, und ich würde Sie wirklich bitten, gerade in diesen schwie­rigen Zeiten der Pandemie, diesen Fragenstellenden rechtzeitig Antworten zu geben. Wir sind kooperativ, und ich biete Ihnen an, auch zukünftig diesen Weg zu begehen. Wenn Sie schon die Roadtour durch ganz Österreich machen, laden Sie auch uns und auch mich ein, damit wir auch in Zukunft den Sozialabbau verhindern können! – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

10.56


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Bettina Zopf. – Bitte.


10.56.39

Abgeordnete Bettina Zopf (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause vor den Bild­schirmen! Wir alle sind Eltern, Kinder von Eltern, Onkeln und Tanten oder vielleicht sogar schon Großeltern. Durch all das haben wir eines gemeinsam: Wir sind Menschen, die gegenüber den kommenden Generationen Verantwortung tragen.

Diese Woche beschließen wir das Budget für das Jahr 2021, und mein Vorredner hat es schon gesagt: Das Budget ist in Zahlen gegossene Politik. Unsere Aufgabe als Politiker ist es, in dieser von der Coronapandemie geprägten Zeit einen gesetzlichen Rahmen zu schaffen, der ein Maximum an Sicherheit gewährleistet. Mit dem Thema der Pensions­ver­sicherung gehen wir sogar ein Stück weiter. Pensionsversicherungen sind ein Ge­nerationenvertrag, jetzt Erwerbstätige zahlen zum Teil die Pensionen der heutigen Pen­sionisten, so wie diese die Pensionen ihrer Elterngeneration bezahlt haben. Im Gegen­zug dazu müssen sich aber auch jetzt alle Erwerbstätigen darauf verlassen können, dass auch ihre Altersabsicherung durch die nachfolgende Generation gewährleistet ist. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Ernst-Dziedzic.)

In den kommenden Jahren erwartet uns eine gewaltige Pensionswelle, und dazu kommt, dass die Coronapandemie uns in eine prekäre Situation gebracht hat. Liebe SPÖ, der in den letzten Tagen mehrmals erwähnte Rudi Hundstorfer war in meiner Fachge­werk­schaft Bundesvorsitzender und dann Sozialminister, er war einer der maßgebenden Sozialpartner und somit einer der Väter der ursprünglichen Langzeitversicherten­rege­lung. (Zwischenruf des Abg. Vogl.) Dieses Paket war im Großen und Ganzen gut. Schade, dass von diesem großen Denken in der SPÖ nicht mehr viel übrig ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn ich in Pensionsangelegenheiten die Aussagen der FPÖ und ihre Forderungen dazu höre, dann frage ich mich: Was haben Sie in der Zeit, als Sie in der Regierung waren, getan? Haben Sie sich mit den Daten und Fakten auseinandergesetzt? – Wohl eher nicht. Ich setze doch voraus, dass Sie wohl sonst dieses widersinnige Wahlzuckerl nicht verteilt hätten. (Beifall bei der ÖVP.)


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Bei der Erhöhung der Mindestpensionen der Bäuerinnen und Bauern unterstellt man uns Klientelpolitik, tatsächlich ist es aber so, dass Altersarmut verhindert werden muss und der Wohlstand von heute nicht auf den Schultern der Kinder von morgen aufgebaut werden darf. Nur eine hohe Anzahl an Beschäftigten und ein sicherer Arbeitsmarkt sind die Basis für ein funktionierendes Pensionssystem. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir schaffen jetzt gemeinsam mit unserem Regierungspartner ein Anreizsystem für Arbeitnehmer, den Frühstarterbonus. Er unterstützt jene, die nach der Pflichtschule zu arbeiten begonnen haben, die Lehrlinge, all jene, die einen Beruf erlernt haben und zwischen dem 15. und dem 20. Lebensjahr einer Berufstätigkeit nachgegangen sind. Im Gegensatz zu prozentuellen Zuschlägen bekommt mit diesem Bonus jeder und jede das Gleiche, egal was er oder sie verdient hat.

Liebe SPÖ! Das heißt in der Praxis, dass ein tatsächlicher Beitrag zur Schließung der von euch so oft erwähnten Einkommensschere geleistet wird, denn: Egal ob Schlosser, Bürokauffrau, Friseurin oder Maurer – alle, die schon in jungen Jahren arbeiten, bekom­men das Gleiche.

Mit dem uns heute vorliegenden Budget für das Jahr 2021 ist uns ein guter und aus­gewogener Schritt in die Zukunft gelungen. (Beifall bei der ÖVP.) Arbeit lohnt sich, und das bis ins Alter. (Beifall und Bravoruf bei der ÖVP.)

11.01


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Rosa Ecker. – Bitte.


11.01.17

Abgeordnete Rosa Ecker, MBA (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geschätzte Damen und Herren hier im Saal und zu Hause! Eines der Wirkungsziele im Zusammenhang mit dem Budgetansatz für die Pensions­versiche­run­gen ist, den Anteil jener Frauen zu erhöhen, die selbstständig eine eigene Pension erhalten. Und: Dieses Ziel wird der Herr Minister mit Mitteilungen im Rahmen des Pen­sionskontos umzusetzen versuchen.

Das ist ja gut und schön und richtig, sagen Politiker dann oft gerne, es hat nur einen Haken: Es gibt keine jährliche Pensionsmitteilung aus diesem Pensionskonto, sondern der Versicherte muss selbst online zugreifen. Das machen aber die wenigsten Frauen und Männer. Ich habe diese Woche sogar mit einem Kollegen hier im Haus – nicht aus meiner Fraktion – diskutiert, der da sicher auch noch nie hineingeschaut hat. Das heißt, diese schriftliche Mitteilung bräuchte man.

Ich habe im Ausschuss auch gefragt: Welche strategischen Planungen, Maßnahmen, Projekte, Kampagnen – keine Pressekonferenzen – werden sonst noch gemacht, um dieses Ziel zu erreichen? – Keine. Der Herr Minister hat auf meine Frage geantwortet: Es sind noch keine Planungen dazu erfolgt.

Ich habe dann angeregt, man könnte auf diesen Pensionskontoauszügen, die oft meh­rere Seiten umfassen, explizit herausstreichen, für welche Zeiten man Pensionslücken im Versicherungslauf hat, damit man vielleicht auch Zeiten – Zeiten der Kindererziehung oder andere – nachreichen kann.

Die Zielsetzung, dass im Jahr 2030 75 Prozent der Frauen eine eigenständige Pension erhalten sollen, ist, Herr Minister, gelinde gesagt ein sehr moderates Ziel: eine Steige­rung von 3 Prozent in zehn Jahren – und da stellen sich alle Fraktionen diese Woche hierher und sagen, die Frauen brauchen höhere Pensionen! Überhaupt angesichts der Tatsache, dass Österreich mit einem Pensiongap, einer Pensionslücke bei den Frauen von 40 Prozent den vierthöchsten Stand EU-weit erreicht, ist das auch ein besonders wichtiges Ziel.


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Die Frauen haben das Recht, dass die Kindererziehungszeiten  ordentlich für die Pension angerechnet werden, und auch die jüngeren Menschen haben Anrecht auf ein faires Pensionssystem. Wenn wir bedenken, dass im Jahr 2060 auf 100 Erwerbstätige 62 Pensionisten kommen werden – das ist doppelt so viel wie heute –, dann wird klar, dass das besonders spannend werden wird.

Viele Menschen, egal ob jünger oder älter, sind auch in Sorge, was ihren Lebensabend betrifft. Häusliche Pflege wird zum überwiegenden Teil von Frauen geleistet. Auch das wird spannend, da, wie man weiß, in absehbarer Zeit Frauen bis zum 65. Lebensjahr arbeiten müssen. Da wird es noch schwieriger, die häusliche Pflege sicherzustellen, denn Pflegepersonal ist schwer zu kriegen. Es fehlt jedem sechsten Mann, jeder fünften Frau Hilfe in den Basisaktivitäten, das heißt beim Einkaufen, beim Arztbesuch, im Haushalt. Der Aufbau der sogenannten Communitynurses, der 500 Gemeindekranken­schwestern oder Grätzlschwestern – das war auch ein Begriff, der gestern genannt wurde –, wird nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein, wie man erkennt, wenn man bedenkt, dass wir knapp 100 Bezirke beziehungsweise Städte haben – das heißt drei für einen ländlichen Bezirk; das wird auch spannend. Die Aufnahme in ein Seniorium ist fast überall an die Pflegestufe 4 gebunden; das heißt, für die Übergangszeiten bis dahin braucht es Kurzzeitpflegebetten, von denen auch sehr wenig vorhanden sind. Wir rechnen da mit Kosten von 3 000 Euro und mehr, die privat zu stemmen sind. Das gibt die Pensionserhöhung bei Weitem nicht her, Herr Minister.

Davon abgesehen ist bis jetzt noch immer kein fertiges Pflegekonzept vorhanden. Ich habe heute von Zielen, vom Finden neuer Modelle, von „wir werden brauchen“ gehört – also viele Sprechblasen, denn es ist kein Budgetansatz für die Pflegereform im Budget zu finden. Herr Bundeskanzler Kurz hat einmal gesagt, Pflegereform ist Chefsache, und ich hoffe nicht, dass das für die Menschen in unserem Land bedeutet, dass die Pfle­gereform vom Regen in die Traufe gekommen ist. (Beifall bei der FPÖ.)

11.05


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Josef Hechenberger. – Bitte.


11.05.58

Abgeordneter Ing. Josef Hechenberger (ÖVP): Geschätzte Frau Präsidentin! Ge­schätzter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Aber ganz be­sonders: Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Bevor ich auf mein eigentliches Thema eingehe, möchte ich gerne noch ein paar Sätze zu Kollegen Stöger sagen:

An und für sich ist es okay, wenn man Maßnahmen der Regierung aus Sicht der Op­position kritisiert, aber im gleichen Atemzug reflexartig sofort immer die Land­wirt­schaft, die Bauernfamilien zu erwähnen, halte ich für absolut nicht okay, für unanständig be­ziehungsweise für eine eher rückwärtsgewandte Politik (Zwischenruf bei der SPÖ), und eigentlich sollte uns das Zusammenführen der Gesellschaft stärken und wir sollten nicht in ein Spalten und Trennen verfallen, wie es sehr gerne von der SPÖ betrieben wird. (Beifall bei der ÖVP.)

Geschätzte Damen und Herren! Aus Sicht des Konsumenten ist natürlich die Gesundheit unser höchstes Gut, und zur Gesundheit gehört gesunde Ernährung. Deshalb bin ich sehr, sehr froh, dass es unlängst im Europaparlament mit Unterstützung der Stimmen der ÖVP gelungen ist, den Bezeichnungsschutz für Milch und Milchprodukte zu stärken. Es geht mir überhaupt nicht darum, zu sagen, Soja- oder Haferprodukte seien schlechter als Milch, aber der Konsument soll die Möglichkeit haben, hinzuschauen und zu erken­nen, welche Produkte er kauft, welche Produkte er zu sich nimmt, denn wir wissen, dass


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die Milchproduktion in Österreich nach sehr strengen Standards, zum Beispiel zu 100 Prozent gentechnikfrei, erfolgt.

Leider Gottes ist es nicht gelungen, den entsprechenden Beschluss für Fleisch zustande zu bringen, und ich denke, in diesem Bereich müssen wir nachschärfen bezie­hungs­weise auch daran arbeiten, dass für den mündigen Konsumenten wirklich sichtbar ist, ob er Fleisch aus tierischer Produktion oder aber ein Ersatzprodukt kauft. Da haben sich bis dato die multinationalen Konzerne durchgesetzt.

Positiv erwähnen möchte ich in diesem Zusammenhang unser Projekt, das wir in Tirol gestartet haben. Wirtschaft und Landwirtschaft gemeinsam kennzeichnen in Zukunft in der Gastronomie unter dem Projektnamen Ich sag, wo’s herkommt. Damit hat der Kon­sument zukünftig die Möglichkeit und die Chance, zu erkennen: Wo kommen Lebens­mittel her, wie wurden sie produziert, beziehungsweise was nehme ich zu mir?

Wir haben bereits einen Entschließungsantrag eingebracht und wir arbeiten fest daran – unser geschätzter Herr Bundesminister Anschober ist auf dem besten Weg dazu –, dass wir die verpflichtende Herkunftskennzeichnung in öffentlichen Küchen, aber auch in der Lebensmittelverarbeitung sicherstellen und so einen weiteren Schritt, einen Meilenstein setzen, um mehr Transparenz, mehr Nachvollziehbarkeit im Bereich der Lebensmittel herzustellen.

Abschließend, geschätzte Damen und Herren, in dieser schwierigen Zeit mein Appell: Stehen wir zusammen, helfen wir zusammen, halten wir zusammen, halten wir die Hygiene­maßnahmen ein, dann werden wir schneller und leichter durch diese sehr, sehr schwierige Zeit kommen und die Pandemie schneller gemeinsam bekämpfen können. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Fischer.)

11.09


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Markus Vogl. – Bitte.


11.09.28

Abgeordneter Ing. Markus Vogl (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Hohes Haus! Ich glaube, wenn man sich heute und gestern die Reden von Klubobmann Wöginger angehört hat, dann hofft man langsam, dass die Covid-Beschränkungen aufhören, denn diese Reden passen zwar ins Bierzelt, haben aber, glaube ich, hier im Hohen Haus nur sehr wenig verloren.

Wenn er sich schon auf diesem Niveau bewegt, dann kann ich auch nur eines dazu sagen: Ich glaube, an der Größe des Punschkrapferls kann man erkennen, wer wirklich etwas für die Leute übrig hat. Er sollte sich einmal das Foto von Michael Ludwig mit dessen Punschkrapferl anschauen – dagegen schaut seines ein bissel lächerlich aus. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist ganz spannend, dass wir die Diskussion jetzt seit eineinhalb Stunden, glaube ich, hier in diesem Hohen Haus führen und der Herr Minister sich noch nicht zu Wort ge­meldet hat. (Abg. Gödl: Oja, hat er!) – Hat er? (Zwischenbemerkung von Bundesminister Anschober. – Zwischenrufe bei ÖVP und Grünen.) – Okay, Entschuldigung, da habe ich kurz nicht aufgepasst. (Abg. Gödl: Hast du da geschlafen?) Entschuldigung, passt. Ich glaube aber, dass trotzdem etwas noch nicht bei uns angekommen ist. Es mag schon sein, dass das an uns vorbeigegangen ist, sicher nicht an uns vorbeigegangen ist jedoch, dass die ganze Zeit über der Frühstarterbonus diskutiert wird: Weltklasse, super, Wahn­sinnserfindung. Wann wird denn diese Wahnsinnserfindung das Licht der Öffentlichkeit erblicken? Wann wird das Hohe Haus einmal irgendeinen Text kriegen (Zwischenruf des Abg. Loacker), in dem wir nachlesen können, was tatsächlich geplant ist? Ich weiß, ich weiß, der Freitag ist noch weit weg, aber ganz ehrlich, the show must go on ist super,


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aber ein bissel mehr faktenbasierte Diskussion würde uns in diesem Haus recht guttun. (Beifall bei der SPÖ.)

Jetzt zu dem Thema, wegen dem ich eigentlich hier heraußen stehe: Das ist natürlich der Konsumentenschutz. Es wurde schon angesprochen: 6,5 Millionen Euro für den Konsumentenschutz, das ist mit Abstand das kleinste Detailbudget, aber nicht das unwichtigste, denn da sind natürlich sehr viele wichtige Dinge drinnen.

Jetzt bin ich ein bissel gespalten, da ich auf der einen Seite das Bemühen des Ministers, im Bereich Konsumentenschutz etwas weiterzubringen, durchaus respektiere und aner­kenne, aber natürlich sind auch viele Dinge kritisch zu erwähnen, die ja schon von meinen VorrednerInnen angesprochen worden sind. Positiv ist sicher, dass man das Thema, das wir heuer schon im Frühjahr angesprochen haben, dass es eine Dotierung für die Schuldnerberatungen braucht, aufgegriffen hat, dass diese 500 000 Euro zur Verfügung stehen.

Nur damit man weiß, warum mir dieses Thema so wichtig ist: Es gab eine Hauptfor­derung eines Versandhandels von 128 Euro, bezahlt wurden 680 Euro und es ist eine Restforderung von 552 Euro offen. Wir haben die Forderung über 705 Euro eines Fit­nessstudios, inzwischen beläuft sich die Gesamtschuld auf 3 382 Euro. Wir haben eine Hauptforderung einer Bank mit 4 000 Euro, abzüglich Zahlungen beläuft sich diese Summe inzwischen auf 23 853 Euro. Wir haben gerade im heurigen Jahr viele Stun­dungen gemacht, diese Stundungen werden irgendwann fällig. Ich glaube, bei diesen Summen merkt man, dass man da alleine nicht mehr so schnell herauskommt, und man sieht auch, was passiert, wenn man nicht reagiert. Darum ist die Schuldnerberatung so essenziell, darum ist eine vernünftige Finanzierung der Schuldnerberatungen so wichtig, und es ist gut, dass es diese Unterstützung gibt. Wir werden sie allerdings auch im nächsten Jahr brauchen, finden jedoch im Budget dazu noch nichts. Daher von dieser Stelle aus mein Ersuchen, auch im nächsten Jahr zusätzlich Geld zur Verfügung zu stellen.

Wir haben diese 5 Millionen für den VKI gestern schon beschlossen. Das ist ein richtiger Schritt in die richtige Richtung. Was es noch brauchen wird, sind zusätzliche Mittel, um investieren zu können. Wir wissen, dass der VKI dringenden Nachholbedarf hat, was Investitionen betrifft.

Jetzt aber zu den Themen, bei denen wir sagen: So geht das nicht! Wir haben erlebt, dass die Sektion für Konsumentenschutz im Ministerium aufgelöst wird, der Konsumen­tenschutz damit im Ressort sicher nicht gestärkt wird, sondern eher in den Hintergrund rückt. Wir haben erlebt, dass bestimmte Angelegenheiten anstatt der Bundeswett­be­werbsbehörde, einer weisungsfreien Behörde, jetzt auf einmal dem Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen unterstellt sind.

Die Chuzpe dabei ist wirklich, dass letzten Freitag zu Mittag beim Abschluss der Bud­getverhandlungen – nachdem wir stundenlang das ganze Budget diskutieren, fragen, was alles kommt – ein Abänderungsantrag über mehrere Seiten kommt: Es wird mit 1. Jänner 2021 ein Amt für Verbrauchergesundheit geschaffen. Im Beteiligungs­bericht findet man einen einzigen kleinen Satz, dass es 2022 ein solches Amt geben soll. Für nächstes Jahr sind in der Ages zusätzlich 6 Millionen Euro budgetiert, allerdings angeb­lich für neue Testkapazitäten und nicht für das Amt. Also da kommt etwas, im Gesetz stehen zusätzliche Planstellen drinnen, man findet dafür aber nirgends Geld im Budget, und kein einziger Mensch sagt uns in diesem Hohen Haus etwas dazu. Ich meine, Entschuldigung, wie gehen wir miteinander um? Mit 1. Jänner wird ein neues Amt geschaffen und wir müssen das irgendwo in einem Zweizeiler nebenbei erfahren. Geht man so mit einer Opposition um? Offenbar ja.


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Man darf sich dann aber nicht wundern, wenn die Opposition Maßnahmen dieser Re­gierung nicht mitträgt, und vor allem wenn wir kein Verständnis für eine solche Vor­gehensweise haben. Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Wurm.)

11.14


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christian Ries. – Bitte.


11.14.42

Abgeordneter Christian Ries (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Ich möchte jetzt gar nicht über Ihren Fehlstarterbonus sprechen, denn es ist für mich ein Fehlstart in die Pension, wenn ich auf der einen Seite 60 Euro gewinne, aber auf der anderen Seite 300 Euro verliere. Worüber ich heute sprechen will, das ist der VKI.

Was dem Deutschen die Stiftung Warentest ist, ist dem Österreicher der Verein für Konsumenteninformation. Der VKI ist weisungsfrei und unabhängig seit 60 Jahren im Dienste der Bürgerinnen und Bürger tätig. Er prüft kompetent und objektiv Waren, Dienstleistungen, Versicherungen, vertragliche Bedingungen und so weiter. Er führt Beratungen durch und klagt auch im Dienste der Konsumenten, wenn der einzelne Konsument dieser Klage gar nicht gewachsen wäre, da er sich einer Armada von Rechtsanwälten gegenübersieht.

Allein im Jahr 2019 waren es 287 gerichtliche Verfahren mit einer Erfolgsquote von über 90 Prozent. Ich denke, das spricht für sich. Auch der weitere Tätigkeitsbericht 2019 ist durchaus beeindruckend: Fast 70 000 Beratungen, 1 500 Interventionen, 136 Tests, über 100 000 Mal wurde die Fachzeitschrift „Konsument“ verkauft. Millionen Besucher auf der Homepage bestätigen auch, dass der VKI auf dem richtigen Weg ist.

In der Coronakrise tat sich der VKI besonders durch die Reisehotline hervor, und das, ohne dass es zu Budgetüberschreitungen kam. Seine Finanzierung bestreitet der VKI zu 75 Prozent aus eigenen Mitteln durch den Verkauf seiner Druckwerke und durch Beratungen. Auch ich bin seit über zehn Jahren Abonnent des „Konsument“ und bin sehr zufrieden, diese Leistung könnte ich in Österreich nirgendwo anders beziehen. Den Rest des Budgets des VKI bringen die Arbeiterkammer und das zuständige Ministerium auf. Da sind wir jetzt auch schon am Knackpunkt, denn diese Finanzierung aus dem Budget muss alljährlich neu beschlossen werden – alljährlich, das heißt, es gibt keine dauerhafte finanzielle Absicherung, mit der der VKI langfristig planen könnte, wie das eigentlich erforderlich wäre, muss man sagen.

In einer Konsumgesellschaft, in der wir heute leben, ist der VKI, denke ich, einfach unersetzbar. Ich wüsste keine andere Institution in Österreich, die den Platz des VKI einnehmen könnte. Herr Bundesminister Anschober hat in der Beantwortung einer schriftlichen Anfrage zugesichert, im nächsten Jahr durch ein VKI-Finanzierungsgesetz dauerhaft für eine finanzielle Absicherung des VKI zu sorgen.

Herr Bundesminister! Wir nehmen Sie beim Wort, wir werden mit Argusaugen darauf sehen, dass das nicht in Vergessenheit gerät und auch nicht in ein Coronabudgetloch fällt. Und noch eine Bitte, Herr Bundesminister: Wenn Sie dann Ihren Coronaschock überwunden haben und die ständigen Pressekonferenzen etwas gelockert sind und ein Ende nehmen, versuchen Sie bitte mehr für den Konsumentenschutz aufzubringen. Die österreichische Bevölkerung hat das verdient. (Beifall bei der FPÖ.)

11.17


Präsidentin Doris Bures: Mir liegen zu diesem Themenbereich nun keine Wort­mel­dungen mehr vor. Ich erkläre daher die Beratungen zu diesen Themen für beendet.


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11.18.13UG 24: Gesundheit


Präsidentin Doris Bures: Wir kommen zur nächsten Untergliederung, nämlich zur Untergliederung 24: Gesundheit.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Verena Nussbaum. – Bitte, Frau Abgeordnete.


11.18.19

Abgeordnete Mag. Verena Nussbaum (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Noch nie zuvor in der Zweiten Republik wurde unser Gesundheitssystem so gefordert und beansprucht wie seit der Covid-Krise Anfang dieses Jahres. Jetzt bewährt sich unser starkes, solidarisch finanziertes Gesundheitssystem, durch das alle Menschen in Österreich eine qualitativ hochwertige Versorgung erhalten.

Doch diese Pandemie hat ein großes Loch in das Budget des Gesundheitswesens gerissen, das nun gestopft werden muss. Gesundheit kostet Geld, und wenn wir weiter­hin gute Leistungen haben wollen, dann müssen wir jetzt handeln. Darum sehe ich es als fahrlässig an, dass im Budget 2021 weniger Geld für Gesundheit vorgesehen ist.

Für das kommende Jahr sind für die Krankenanstaltenfinanzierung 170 Millionen Euro weniger veranschlagt als in diesem Jahr. Aufgrund der gestiegenen Arbeitslosenzahlen fehlen der Österreichischen Gesundheitskasse 200 Millionen Euro an Beitrags­ein­nah­men. Zusätzlich hängt das Damoklesschwert der Beitragsstundungen in Höhe von 1,8 Milliarden Euro über uns, denn wenn diese Unternehmen in Insolvenz gehen sollten, müssten auch diese Beiträge abgeschrieben werden. Es ist aber auch kein Geld für den Ausgleich dieser Verluste in der Krankenversicherung budgetiert. Daher befürchten wir, dass es für die Versicherten zu Leistungsverschlechterungen, Leistungskürzungen oder sogar zu weiteren Selbstbehalten oder Beitragserhöhungen kommen könnte. Das sollte auf jeden Fall verhindert werden. Wir als SPÖ werden uns vehement dagegen stellen, dass Verluste auf Kosten der Versicherten finanziert oder auf deren Rücken abgewälzt werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Eine zweite Gesundheitskrise nach Ende dieser Pandemie wegen fehlender Finanz­mit­tel, die eine Unterversorgung und hohe Gesundheitsfolgekosten für die PatientInnen zur Folge haben könnte, muss dringend verhindert werden. Jetzt bräuchten wir die von Bundeskanzler Kurz durch die Zusammenlegung der Krankenkassen versprochene Milliarde, um die Verluste auszugleichen. Wie wir heute wissen, ist das aber nie einge­treten, sondern war auch wieder nur ein PR-Gag der ÖVP.

Ich bringe folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ein starkes öffentliches Gesundheitssystem“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird aufgefordert, die, durch die Pandemie und deren Folgewirkungen sowie durch die Fusion der Gebietskrankenkassen entstandenen Verluste der Österreichischen Gesundheitskasse auszugleichen und alle Maßnahmen zu ergreifen, damit es für die ÖGK-Versicherten zu keinen Leistungseinschränkungen,


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neuen Selbstbehalten, Beitragserhöhungen oder gar Privatisierungen kommt.“ (Beifall bei der SPÖ.)

„Zusätzlich wird der Bundesminister aufgefordert, die von Bundeskanzler Kurz ver­sprochene Gesundheitsmilliarde (200 Millionen für fünf Jahre) auszuschütten, um damit einen Leistungsausbau zur Verbesserung der Versorgung der Versicherten zu ermög­lichen.“

*****

Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

11.21

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Kucher,

Genossinnen und Genossen

betreffend ein starkes öffentliches Gesundheitssystem

eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Budgetausschusses über das Bun­desfinanzgesetz 2021 – BFG 2021 – UG 24 Gesundheit

Die Corona-Krise zieht mit der Wirtschaft auch das Gesundheitswesen tief ins Minus. Aufgrund der gestiegenen Arbeitslosigkeit fehlen der Krankenversicherung für 2020 rund 200 Mio. Euro wegen geringerer Beitragseinnahmen. Noch größer ist die Unsicherheit in Bezug auf die gesetzlich durchgeführten Beitragsstundungen für die Betriebe. Ge­stundete Beiträge sind solange kein Problem, solange damit zu rechnen ist, dass diese auch irgendwann geleistet werden. Wenn aber durch viele Insolvenzen, diese gestun­deten Beiträge nicht mehr geleistet werden können und abgeschrieben werden müssen, bekommt die ÖGK ein wirklich großes Problem. Derzeit sind rund 1,8 Milliarden Euro Beiträge gestundet. Das bedeutet für die ÖGK ein Minus von rund 340 Mio. Euro.

Das Budget 2021 sieht hier keinerlei Ersatz für diese Verluste vor!

Ebenso dramatisch zeigt sich, dass die Regierung mitten in der größten Gesund­heits­krise der Zweiten Republik bei der Krankenanstaltenfinanzierung kürzt. Das trifft direkt die Spitäler und die PatientInnen. Im Jahr 2021 sind im Budget fast 170 Mio. Euro weniger veranschlagt als 2020. Das ist vollkommen unverantwortlich, denn es gefährdet die Versorgung der Menschen.

Werden diese Verluste nicht ausgeglichen, bedeutet das, dass nicht einmal derzeitige Leistungsniveau gehalten werden kann. Die Finanzierung dieser Wirtschaftskrise und der damit verbundenen Steuer- und Beitragsausfälle kann nicht auf dem Rücken der ArbeitnehmerInnen erfolgen. Es darf weder zu Leistungskürzungen, noch zu weiteren Selbstbehalten oder Beitragserhöhungen kommen. Ansonsten droht aus der Corona-Krise eine zweite Gesundheitskrise zu werden, mit massiven Folgenkosten und Unter­versorgung von PatientInnen.

Gerade die letzten Wochen und Monate haben gezeigt, wie wichtig ein gut funktio­nierendes Gesundheitssystem ist. Das muss auch in Zukunft gewährleistet sein.

Die Folgekosten dieser Gesundheitskrise werden uns noch lange begleiten. Nicht nur, dass eine Vielzahl von Untersuchungen, Operationen und Rehabilitationen nicht durch­ge­führt wurden, und sich damit unter Umständen der Gesundheitszustand der Betroffenen


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verschlechtert hat, sind vor allem die Beschränkungen der Lockdowns für die Menschen starke psychische Belastungen. Insbesondere Jugendliche und junge Erwachsene haben offenbar besonders mit der COVID-Dauerbelastung zu kämpfen.

Hinzu kommen die fehlenden Mittel für die Gesundheitsversorgung durch die Fusion der Krankenkassen. Vor der Zusammenlegung machten die einzelnen Gebietskrankenkas­sen im Jahr 2018 noch ein Plus von 111 Millionen Euro. Abgesehen von den massiven Beitragsverlusten durch die COVID-19-Krise, entsteht der ÖGK heuer ein Minus von 175,3 Millionen Euro aufgrund von Maßnahmen im Zuge der Fusion. Auch nächstes Jahr wird aus diesem Titel mit einem Minus von rund 160 Millionen gerechnet. Bis 2024 summiert sich das Minus gar auf 1,7 Milliarden Euro. Dieses Geld fehlt jetzt für die PatientInnen.

Der Kanzler Kurz kündigte in seiner ersten Amtszeit groß an: Die Zusammenlegung der Krankenkassen wird eine Milliarde Euro an Einsparungen bringen, die für die Pa­tientInnen verwendet werden kann. Das Gegenteil ist der Fall. Es hat keine Ein­spa­rungen gegeben, sondern Hunderte Millionen an Mehrkosten. Das musste Sozial­minis­ter Rudolf Anschober nach einer parlamentarischen Anfrage der SPÖ bekannt geben.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird aufgefordert, die, durch die Pandemie und deren Folgewirkungen sowie durch die Fusion der Gebietskrankenkassen entstandenen Verluste der Österreichischen Gesundheitskasse auszugleichen und alle Maßnahmen zu ergreifen, damit es für die ÖGK-Versicherten zu keinen Leistungseinschränkungen, neuen Selbstbehalten, Beitragserhöhungen oder gar Privatisierungen kommt.

Zusätzlich wird der Bundesminister aufgefordert, die von Bundeskanzler Kurz ver­sprochene Gesundheitsmilliarde (200 Millionen für fünf Jahre) auszuschütten, um damit einen Leistungsausbau zur Verbesserung der Versorgung der Versicherten zu ermög­lichen.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Nächster Redner: Herr Abgeordneter Ralph Schallmeiner. – Bitte.


11.21.59

Abgeordneter Ralph Schallmeiner (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolle­ginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause vor den Bildschirmen! Täglich grüßt das Murmeltier: Wir besprechen genau dieses Thema, nämlich die Frage der Finanzierung, sowohl was die ÖGK als auch die Krankenanstalten in den Ländern anbelangt, bereits seit einigen Wochen bezie­hungs­weise eigentlich sogar schon seit Monaten. (Zwischenruf des Abg. Kucher.) Und seit Wochen und Monaten negiert die Sozialdemokratie offenkundig einfach die bereits getätigten Zusagen beziehungsweise den Prozess, in dem wir uns momentan befinden.

Zuerst zum Thema Krankenanstalten: Die Kolleginnen und Kollegen werden ja hoffent­lich wissen, dass da ein Automatismus zuschlägt, der dann gut ist, wenn der Staat mehr


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Einnahmen hat, weil nämlich dann durch diesen Automatismus über den Finanzaus­gleich zwischen Bund und Ländern automatisch auch entsprechend mehr Mittel an die Krankenanstalten fließen. In einer Krise ist dieser Automatismus halt weniger gescheit, weil dann, wenn weniger Einnahmen vorhanden sind, eben auch weniger Geld fließen kann.

Ich komme nun aber zum Punkt: Wenn ich es jetzt richtig im Kopf habe, hat der Bun­desminister auch im letzten Gesundheitsausschuss hierzu eindeutig Stellung bezogen und auch ganz klipp und klar gesagt – übrigens genauso wie bei der ÖGK-Finanzie­rung –, dass der Bund hier dementsprechend einspringen wird und man eben diese Mittel zwischen Bund, Ländern und Gemeinden, die ja da auch mitspielen, noch aus­verhandeln muss.

Kommen wir aber zur Frage unseres Gesundheitswesens generell: Ich glaube, ich bin dafür bekannt, ein Verfechter eines robusten Gesundheitswesens zu sein. Robustes Ge­sund­heitswesen heißt: eine anständige Ausstattung an Betten, eine anständige wohnortnahe Versorgung der Menschen, zum Beispiel durch Primärversorgungs­ein­heiten, durch niedergelassene Ärztinnen und Ärzte. Dazu gehört eben auch ein System, das modern ist, bei dem Digitalisierung im Mittelpunkt steht und Modernität an den Tag kommt. In diesem Punkt bin ich durchaus in der Nähe der Kolleginnen und Kollegen der NEOS, die ja auch immer und immer wieder kritisieren, dass wir im Gesundheitswesen noch nicht im 21. Jahrhundert angekommen sind, dass eben noch viel zu oft die Faxmaschine rattert und viel zu selten das Internet beziehungsweise Digitalisierung genutzt wird. Da werden wir im kommenden Jahr dementsprechende Schwerpunkte setzen müssen. Die Mittel dafür sind meines Erachtens im Budget abgebildet, und wir werden es eben umsetzen müssen.

Genauso müssen wir uns aber auch Gedanken darüber machen, warum zum Beispiel die zur Verfügung gestellten Mittel für Primärversorgungseinheiten, für wohnortnahe Gesundheitsausstattung durch Länder, durch Gemeinden, durch Kommunen noch nicht abgeholt wurden. Hier braucht es noch ein bisschen Anschub.

Zu guter Letzt noch zur etwas leidigen Personalfrage: Was mich persönlich immer ein bisschen ärgert, ist: Wir reden immer über einen angeblichen ÄrztInnenmangel, und wir reden auch immer darüber, dass wir angeblich viel zu wenige Leute in der Ausbildung haben. Auf der anderen Seite muss man halt feststellen, dass beispielsweise die Aus­bildungsplätze für Allgemeinmediziner an den Krankenhäusern nur zu 30 Prozent gefüllt sind. Hier sind definitiv die Länder in der Bringschuld. Die Länder müssen sich darum kümmern, genau diese bereits bestehenden Ausbildungsplätze zu füllen, und sie müs­sen dafür sorgen, dass wir eben mehr Menschen in der Medizinerausbildung haben.

Abschließend noch: Wir haben aber nicht nur Ärztinnen und Ärzte in diesem Land, wir haben sehr, sehr viel nichtärztliches Personal – wir haben topausgebildete Pflegerinnen und Pfleger, Hebammen et cetera. Diese Menschen gehören wertgeschätzt, diese Men­schen gehören mehr in den Mittelpunkt unseres Gesundheitswesens gestellt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Da sollten wir uns an Skandinavien ein Vorbild nehmen, schauen, wie die das dort handhaben. Ich glaube, das ist auch der Auftrag für das kommende Jahr. Das sind Dinge, die jetzt nicht viel Geld kosten, aber am Ende des Tages auch die Ärztinnen und Ärzte entlasten und unser gesamtes Gesundheitswesen verbessern können. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.25


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Gerhard Kaniak. – Bitte.



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11.26.02

Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseher! Wir befinden uns in der Budgetdebatte des Gesundheitsbereiches, Untergliederung 24. Auf den ersten Blick schauen die Zahlen in diesem Detailbudget ja gar nicht so schlecht aus: Gut 1,8 Milliarden Euro Ausgaben, knapp 600 Millionen Euro mehr als im vergangenen Jahr, sind für den Bereich Gesundheit budgetiert, und auch die 425 Millionen Euro für Finanzierungen und Zahlungen hinsichtlich der Maßnahmen zum Epidemiegesetz sind ein großer und relevanter Posten, der ein gewisses Augenmerk auf die Bewältigung der aktuellen Krise sichtbar macht.

Auch 150 Millionen Euro als Covid-Zweckzuschuss für Testmaßnahmen, Schutz­aus­rüstung und Ähnliches, die die Länder angeschafft haben und die der Bund refinanziert, sind durchaus ein Schritt in die richtige Richtung und finden sich im aktuellen Budget wieder.

Zudem finden sich darin 120 Millionen Euro für die Anschaffung eines Covid-19-Impfstoffs, zuzüglich zu den 80 Millionen Euro, die ja bereits im heurigen Budget verplant waren, 8,6 Millionen Euro für ein Influenzaimpfprogramm 2021 sowie 6 Millionen Euro für die Ages, die in dieser Krise wirklich Großartiges geleistet hat.

Doch lassen Sie mich diese Zahlen etwas interpretieren! Beginnen wir bei dem Zweck­zuschuss für die Länder: Sie wissen, dass es am Beginn dieser Krise ein großes Kom­petenz- und auch Kostenübernahmeproblem gab und dass sehr vieles in der Abwicklung gerade in den Gesundheitsbehörden der Länder bis in die Bezirke hinein durchaus sehr verzögert und verschleppt stattgefunden hat, weil eben diese Finanzierung nicht geklärt war. Tests wurden nicht so schnell durchgeführt, wie es notwendig gewesen wäre, Per­sonal für das Contacttracing wurde nicht eingestellt, weil kein Geld extra dafür vorge­sehen war. Erst als es die Zusage der Kostenübernahme seitens des Bundes gegeben hat, die aus meiner Sicht erst sehr spät erfolgt ist, wurde auch in diese Bereiche entsprechend investiert.

Auch jetzt sieht man, aus meiner Sicht, dass die Zuwendungen hierfür noch immer nicht in der Größenordnung sind, die wir für eine solide Vorbereitung und Abarbeitung der Krise für das nächste Jahr benötigen würden. Hier fehlt mir, sehr geehrter Herr Bun­desminister, nach wie vor eine mutige und engagierte vorausschauende Planung im Budgetbereich.

Ebenfalls mutlos finde ich es, wenn man zwar für über 200 Millionen Euro Impfstoff anschafft – ich möchte nur daran erinnern: Das sind mehr als 10 Prozent des Gesamt­jahresbudgets des Gesundheitsministeriums! –, aber gleichzeitig nicht den Mut hat, auch ein überprüfbares Wirkungsziel für diese Impfprogramme festzulegen. Wenn man über 200 Millionen Euro für Impfungen ausgibt, dann sollte man auch ein klar definiertes Ziel haben, das im Nachhinein überprüfbar ist und an dem man sich messen lassen muss. Sie, Herr Minister, haben Ihre Aussagen dazu und Ihre persönlichen Ziele schon oft genug formuliert. Warum sich das in den Budgetentwürfen nicht als Wirkungsziel wie­derfindet, ist mir nicht erklärbar.

Zu guter Letzt zur Ages-Finanzierung: Die 6 Millionen Euro für die Ages sind ein ganz, ganz wichtiger Beitrag, damit diese wichtige Behörde, diese wichtige Institution in Öster­reich auch tatsächlich reibungslos funktioniert. Sie hat uns in der Krise einen wirklich sehr, sehr großen Dienst erwiesen. Allerdings fehlt nach wie vor die Perspektive einer langfristigen Finanzierung. Ich weiß, es ist einiges in Vorbereitung, aber von Vorbe­reitungen und Ankündigungen hat diese Behörde nichts – sie braucht Planungs­sicher­heit. Diese Planungssicherheit braucht man für den Aufbau von zusätzlichen Kapazitä­ten, vor allem auch im personellen Bereich, und diese Planungssicherheit ist mit dem


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aktuellen Budget schlicht und ergreifend nicht gegeben. So lassen wir diese wichtige Bundesinstitution weiter in Ungewissheit, wie viel Geld sie in Zukunft denn tatsächlich bekommt. Das hätte man besser regeln können, sehr geehrter Herr Bundesminister!

Ich möchte nun noch einmal eine Gesamtrelation des Gesundheitsbudgets herstellen, denn die Zahlen, die ich jetzt gerade genannt habe, mögen für den Einzelnen sehr be­eindruckend klingen, in Wirklichkeit zeigen sie jedoch, wie gering geschätzt de facto der gesamte Gesundheitsbereich in Österreich budgetär ist.

Das gesamte Jahresbudget entspricht nicht einmal 1,9 Prozent der Bundesausgaben – nicht einmal 1,9 Prozent. Oder um es anders zu formulieren: Allein die beschlossene Umsatzentschädigung für die Betriebsschließungen während der ersten drei Wochen Lockdown light von Anfang November bis heute verursacht Kosten von mehr als dem Doppelten dessen, was wir für unser gesamtes jährliches Gesundheitsbudget zur Ver­fügung haben. Da reden wir von Kosten von 2 bis 3 Milliarden Euro für die Entschä­digung für Umsatzausfall nur durch den Lockdown light im Vergleich zu 1,8 Milliarden Euro, die wir im Gesundheitsbereich haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist eine Priorisierung, die ich nicht nach­vollziehen kann. Ich habe gedacht, wir befinden uns in der größten Gesundheitskrise seit dem Zweiten Weltkrieg – im Budget ist das nicht abgebildet. Die Bundesregierung ist offensichtlich nicht willens, den Gesundheitsbereich direkt finanziell entsprechend aus­zu­statten. Es wird wenig Geld für die Gesundheit ausgegeben, dafür werden zig Milliar­den ausgegeben, um jene Schäden zu beseitigen, die durch die Maßnahmen der Bun­desregierung überhaupt erst entstanden sind. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist der falsche Weg! – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

11.31


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Gabriela Schwarz. – Bitte.


11.31.14

Abgeordnete Gabriela Schwarz (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren, die Sie uns hören und sehen! Es wurde schon sehr viel gesagt, und ich schließe mich dem an, was Kollegin Nussbaum am Anfang gemeint hat: wie wertvoll unser solidarisches Gesundheitssystem ist. Ja, dem stimme ich vollinhaltlich zu. Gerade in Zeiten wie diesen wird sehr eindrucksvoll unter Beweis gestellt, wie sehr sich alle Menschen, die in Österreich leben, auf dieses Ge­sundheitssystem verlassen können.

Im Gegensatz zu vielen anderen fällt mir kein Zacken aus der Krone, wenn ich mich nochmals bei den Menschen bedanke, die dieses Gesundheitssystem auf solide Beine stellen. Das sind die Menschen in den Spitälern, in den ärztlichen Ordinationen, in den Apotheken, in der Pflege – egal ob stationär oder mobil –, in den Rettungsorganisationen und in den Laboren. Wenn wir ihnen gegenüber unsere Wertschätzung äußern, dann finde ich daran nichts Verwerfliches, sondern das ist eine Pflicht, die wir zu erfüllen haben – und das machen wir auch gerne. (Beifall bei der ÖVP.)

Viele haben wahrscheinlich so wie ich heute in der Früh im „Kurier“ die Geschichte über die Intensivpflege gelesen – was es für die Menschen bedeutet, die im Moment auf Intensivstationen in der Pflege arbeiten. Allein das Anlegen von Schutzausrüstung, das Arbeiten dort unter erschwerten Bedingungen vermittelt ein sehr eindrucksvolles Bild. Es ist auch davon die Rede – weil oft gefragt wurde, warum man im Sommer nicht vor­gesorgt hat –, dass diese Ausbildung eineinhalb Jahre dauert, und das geht eben nicht über den Sommer. Zukunftsweisend wird aber sicher sein, dass wir gerade in diesem Bereich – auch in der Pflege – einiges tun und zusätzlich Ärztinnen und Ärzte – zum


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Beispiel Chirurgen – dazu animieren, wieder zu ermöglichen, dass es eine intensivme­dizinische Ausbildung gibt, um besser gerüstet zu sein. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die Sorge, dass die Österreichische Gesundheitskasse jetzt in den Abgrund stürzt und es Leistungsminderungen und Beitragserhöhungen geben wird, kann ich Ihnen nehmen. Dazu gibt es selbstverständlich Gespräche mit dem Bundesminister für Gesundheit und mit dem Finanzminister. Das wird nicht kommen – ganz im Gegenteil –, denn die Herausforderungen, vor denen die Österreichische Gesundheitskasse, die Länder und die Kommunen stehen, teilen wir selbstverständlich. Es geht darum, auch für die Zukunft gerüstet zu sein. Wir werden dieses solidarische System sicher stärken statt schwächen, auch in Zeiten der Covid-Krise. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Wir alle wissen, dass diese Zeit für alle Menschen, die in Österreich leben – und nicht nur hier, sondern auch in Europa und international –, eine unheimliche Belastung ist. Es geht um die Minimierung von Kontakten, wir tragen Masken, wir halten Abstand, wir waschen uns öfter als normalerweise die Hände – und das ist auch gut so, denn ge­meinsam können wir das schaffen.

Es ist auch eine psychische Belastung: für Kinder, für Menschen in meinem Alter, für ältere Menschen. Es gibt in dieser Zeit sehr viele, die auch ehrenamtlich gemeinsam mit PsychologInnen und PsychotherapeutInnen am Telefon wertvolle Hilfe geleistet haben und das nach wie vor tun – auch das ist nicht hoch genug zu schätzen. Wir stärken auch diesen Bereich, indem es mehr kassenfinanzierte Therapieplätze in der Psychotherapie geben wird. Das ist ein Teil des Plans, den der Bundesminister Gott sei Dank gemeinsam mit uns und allen Stakeholdern aus diesen Berufen machen wird. Es gab eine erste große Gesprächsrunde, und alle sind sich einig darüber, dass gerade, was die psychi­sche Gesundheit betrifft, noch einiges zu tun ist.

Ich freue mich, wenn wir diesen Plan gemeinsam ausführen können und dafür sorgen, dass nicht nur die physische, sondern auch die psychische Gesundheit in Österreich einen enormen Stellenwert hat. – Ich danke Ihnen. Bleiben Sie gesund, halten Sie Ab­stand! Gemeinsam schaffen wir das! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

11.34


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Gerald Loacker. – Bitte.

11.35.02


Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Die Zuschauerinnen und Zuschauer werden sich wahrscheinlich denken, dass es, wenn jetzt die Untergliederung Gesundheit dran ist – und die Rede von Kollegin Schwarz würde es vermuten lassen –, um die Spitäler geht. Man muss den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern leider erklären: Nein, die Spitäler gehen den Bund so gut wie nichts an, sie sind im Wesentlichen in der Hand der Länder. Das, was wir hier diskutieren, ist auch quantitativ eine kleine Teilerscheinung des ganzen Gesundheits­systems – was aber nicht heißt, dass man nichts bewirken könnte. Der Herr Bun­desminister ist seit 30 Jahren in Spitzenfunktionen in der Politik und weiß, wie das Geschäft funktioniert. Nicht bei allen Pannen, die passiert sind, hat man diesen Eindruck so, wie es den Tatsachen entspricht, gewinnen können.

Was ist nun die Bilanz dieser Covid-Krise, die schnelles Handeln verlangt hat? – Wir haben immer noch die Patientendaten im niedergelassenen Bereich und jene im Spitals­bereich weitestgehend separiert und nicht zusammengeführt. Das hat zum Beispiel zur Folge gehabt, dass die Charité Berlin beim Gesundheitsministerium angefragt hat, ob man nicht zu Forschungszwecken zusammenarbeiten könnte, weil die Österreicher ja über die E-Medikation die Medikamentendaten der Patienten haben und man schauen


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könnte, wie sich bestimmte Medikamente auf den Verlauf der Covid-Krankheit ausge­wirkt haben. Was hat die Krankheit milder verlaufen lassen, was schwerer? Die Charité Berlin hat vom Gesundheitsministerium keine Antwort bekommen. Dann habe ich eine parlamentarische Anfrage gestellt, ob, wann und wie das beantwortet wurde. Man hatte zwei Monate Zeit, meine parlamentarische Anfrage zu beantworten, und das Ministerium hat nicht einmal in diesen zwei Monaten die Anfrage der Charité Berlin beantwortet. Das ist die Seriosität, mit der man dieser Krise begegnet.

Wir haben – grob geschätzt – 120 Pressekonferenzen miterlebt. Wenn man die Zeit, die damit verbraten wurde, arbeitend hinter den Kulissen verbracht hätte, dann wäre auch für die Bürgerinnen und Bürger mehr drinnen gewesen. Man hätte, wenn man diese Patientendaten, die es ja gibt, strukturiert angeschaut hätte, auch nicht so einen Pallawatsch rund um die Risikogruppen gehabt, wie wir ihn erlebt haben. Dann würde sich nämlich viel besser feststellen lassen, wer die Risikogruppen sind. Heute wissen wir es: Die Risikogruppen sind im Wesentlichen in den Alters- und Pflegeheimen zu Hause. Das Problem ist: Wir wissen es, aber es passiert nichts, weil nämlich die Finanzströme im Gesundheitswesen ähnlich wie in der Pflege weitestgehend ungesteuert laufen. Das heißt, es werden jährlich Zahlungen ausgelöst, die an die Länder gehen, weil es immer so war und man das im Jahre Schnee einmal so vereinbart hat, aber sie sind nicht an die Erreichung von Ziel- oder Qualitätskriterien gebunden. Das ist natürlich hochgradig ineffizient.

Der Minister hätte Steuerungshebel: Im Bereich der Prävention gibt es Kompetenzen, die auf Bundesebene zu Hause sind. Dabei geht es nicht nur um Vorsorge­untersuchun­gen und deren Finanzierung, sondern auch um das Steuern von strukturierter und integrierter Versorgung, wozu viel angekündigt ist und man viele Papiere findet, aber keine flächendeckenden Umsetzungen.

Dann gäbe es den Steuerungshebel der Gesundheit Österreich GmbH, die die Gesund­heitsstrukturplanung macht, aber wir müssen bei der GÖG sogar eine leichte Budget­senkung beobachten. Da hätte man über die regionalen Strukturpläne für die Bun­desländer auch Einfluss nehmen können.

Dann gibt es noch die Bundesgesundheitsagentur, die mit den Landesgesundheitsfonds die Spitalsfinanzierung steuert. Dort hätte man diese Flüsse der Finanzmittel mit mess­baren Kriterien steuern müssen. Das ist leider auch nicht passiert – alles ohne Ziel­vorgaben, ohne Steuerung. Ich bin aber sicher: In der nächsten Pressekonferenz wird uns das wieder mit schönen Worten erklärt werden. (Beifall bei den NEOS.)

11.39


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich der Herr Bundesminister zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister Anschober.


11.39.32

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Geschätzte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es passt gut, wenn ich auf Kollegen Loacker folge.

Generell formuliert: Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn wir in diesen Tagen der schwersten Krise der Gesundheitssysteme ganz Europas, der schwersten Pandemie seit 100 Jahren das Gesundheitsbudget diskutieren, ist es, glaube ich, der richtige Zeit­punkt, die Situation anzusprechen – eine Situation, die sehr, sehr, sehr, sehr ernst ist, mit dramatischen Zahlen, wie wir sie in den letzten Wochen gehabt haben und die wir leider weiterhin haben – ich werde dann darauf eingehen –, und mit einer sehr, sehr schwierigen Phase auf den intensivmedizinischen Betreuungsstationen. Wir haben mittlerweile in der Intensivmedizin in Österreich 682 Patientinnen und Patienten mit


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schweren Covid-Erkrankungen, die dort betreut werden müssen. Das ist im Vergleich zu den letzten 24 Stunden ein weiterer Zuwachs von 24. Das heißt, die Situation wird ernster und ernster und genau das, wovor wir seit Wochen warnen, nämlich dass diese starke Erhöhung der Neuinfektionszahlen zu einer massiven Problematik in den intensivmedizinischen Abteilungen führt, wird Schritt für Schritt Wirklichkeit.

Ich telefoniere – das ist keine Übertreibung – jeden Tag mit etlichen dieser ÄrztInnen und PflegerInnen. Einerseits kriegen wir das Reporting, wie die Auslastungssituation und auch die Einsatzmöglichkeit der PflegerInnen und ÄrztInnen aussehen, wie viele Erkran­kungen wir in dem Bereich haben und wie groß die Ressourcen noch sind, jeden Tag in der Früh auf den Tisch, andererseits ist es natürlich viel, viel aufschlussreicher, wenn man mit einzelnen Abteilungsvorständen, zum Beispiel, mit Professoren, die in dem Bereich tätig sind, mit den Leuten, die vor Ort die Arbeit tun und sie großartig tun, direkt das Gespräch führt.

Es ist eine ganz besondere Belastungssituation, die gerade die MedizinerInnen und die PflegerInnen derzeit haben. Viele, viele haben Angst davor, dass sie in einigen Wochen vielleicht in die Situation kommen könnten, dass Triagen in den Spitälern notwendig werden. Diese Entscheidung zu treffen ist so ziemlich das Schlimmste, was einem Mediziner, einer Medizinerin passieren kann, und wir alle – insbesondere auch die Betroffenen vor Ort – tun gemeinsam alles dafür, dass diese Situation nicht Wirklichkeit wird und es zu keinen Triagesituationen in den österreichischen Spitälern kommt.

Dazu arbeiten in den Spitälern alle solidarisch zusammen. Es ist ganz großartig, wie hier gehandelt wird. Wir haben jetzt noch einmal Flexibilisierungsmöglichkeiten, was an Ressourcen zusätzlich zu schaffen ist, Stichwort: Nützen der Aufwachräume für intensiv­medizinische Betreuung und vieles andere mehr, geklärt, damit auch alle in einer rechtlichen Sicherheit sind, wenn sie bis an die Grenzen gehen. Ich glaube, dass wir alle miteinander diesen MedizinerInnen und diesen PflegerInnen ein ganz großes, deutliches Dankeschön für ihr Engagement übermitteln sollten. (Allgemeiner Beifall.)

Ich sage Ihnen auch ganz offen: Was ich immer wieder höre, ist erstens, dass die Betroffenen in unserem Gesundheitssystem, die diese Tätigkeit durchzuführen haben, froh sind – auch wenn es uns allen wehtut, auch wenn es für alle Opfer sind, auch wenn es für alle Verzicht bedeutet, was wir in diesen 20 Tagen, heute ist der zweite Tag, erleben –, dass es damit eine Perspektive gibt, dass sich ihre Situation doch noch rechtzeitig entspannt. Deswegen meine Bitte an alle, die in diesem schönen Land leben, mit dem konsequenten Umsetzen der Kontaktverringerungen einen Beitrag zu leisten, denn nur so können wir die Neuinfektionszahlen tatsächlich verringern. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Was mir die Betroffenen auch sagen, ist, dass es niemand versteht, wenn wir uns in einer derartig akuten Krise gegenseitig kritisieren, teilweise beschimpfen und wenn Parteihickhack vorherrscht. Ich glaube, das ist wirklich der Tag, die Situation, die Lage, das sind die Wochen, in denen wir zusammenstehen, zusammenhalten und alles dafür tun müssen, dass wir gemeinsam gut durch diese schwere Krise kommen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Ich komme damit zur Beantwortung einiger Fragen und zur Stellungnahme zu einigen Punkten, die natürlich auch mit dieser Krise zu tun haben und die Sie, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, hier thematisiert haben: Das eine war die Finanzierung unseres Gesundheitssystems. Es passt sehr, sehr gut zu dem vorhin Gesagten, denn wir in Österreich können echt stolz darauf sein, dass wir ein starkes Gesundheitssystem haben, davon profitieren wir jetzt unglaublich. Wir haben eine völlig andere Situation, wenn Sie die Intensivbettenkapazitäten ansehen und sie mit unseren Nachbarstaaten vergleichen, denn wir sind besser darauf vorbereitet.


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Ich bedanke mich bei all jenen, die in den letzten Jahren und Jahrzehnten diese weisen Entscheidungen getroffen haben. Das waren nicht meine Entscheidungen, aber wir profitieren heute von einem sehr starken, sehr engagierten Gesundheitssystem, und ich hoffe sehr, dass es in den nächsten Jahren längere Zeit hindurch keine Debatte in der Politik mehr darüber gibt, dass wir die Bettenanzahl reduzieren müssen, dass wir im Gesundheitssystem einsparen müssen. Unsere Konsequenz muss sein, dass wir dieses System weiter stärken.

Damit zur Finanzierungsfrage: Es wurde die Frage der Finanzierung der Gesund­heits­kasse und die der Finanzierung der Krankenanstalten in Österreich angesprochen – beides natürlich Covid-bedingt, Stichwort: Wo haben wir die Haupteinnahmen in diesem System? – Es sind die Beschäftigen, und je größer die Schwierigkeiten im Bereich der Beschäftigung sind, desto größer ist die Lücke. Das ist eine völlig logische Geschichte. Wir haben deswegen seit Wochen sehr gute Gespräche mit der Gesundheitskasse, und ich bin sehr zuversichtlich, dass wir bei diesen Gesprächen zu einem guten Ergebnis kommen, das sicherstellen wird, dass die politischen Zusagen, die wir gemacht haben und für die ich geradestehe – es werde zu keinen Qualitätseinbußen, zu keinen Verschlechterungen der Versorgung und zu keinen zusätzlichen Selbstbehalten und damit zu keiner Kostenerhöhung für Patienten und Patientinnen kommen –, konsequent und zu 100 Prozent eingehalten werden. Dafür stehen wir, das wollen wir so realisieren, und ich bin, wie gesagt, auf Basis der bisherigen Gespräche sehr zuversichtlich, dass wir das gut schaffen werden. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Zweiter Punkt: Genauso wichtig ist die Frage der Finanzierung der Krankenanstalten. Ich weiß, dass da manche, die vor vier Wochen den Alarm gestartet haben, in dieser Diskussion jetzt etwas ruhiger sind, weil der Sachverhalt mittlerweile klar ist. Wir haben eine 15a-Vereinbarung, was die Finanzierung der Krankenanstalten betrifft. Diese be­deutet ganz konkret, dass die Zahlungen sowohl der Gemeinden als auch der Länder als auch des Bundes an einen bestimmten Schlüssel am Steueraufkommen gebunden sind, und wenn das Steueraufkommen wie in diesen Zeiten leider deutlich zurückgeht, dann haben wir eine offene Finanzierungstangente sowohl im Bereich des Bundes als auch im Bereich der Länder. Deswegen starten jetzt die Gespräche, um auch hierzu eine vernünftige gemeinsame Lösung zu erreichen.

Es werden alle zusammenhelfen müssen, und wir werden mit hundertprozentiger Sicher­heit keine Einsparungen bei den Spitälern realisieren, sondern voll und ganz gemein­sam – Länder, Bund und Gemeinden – das zur Verfügung stellen, was unser großartiges Gesundheitssystem braucht, damit es fit ist und den Anforderungen der nächsten Wochen, Monate und Jahre gerecht werden kann. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Mir ist es in dem Zusammenhang wichtig, dass es nicht nur darum geht, Qualitäts­sicherung zu betreiben, sondern dass wir die Qualität vor allem in jenen Bereichen, in denen wir noch Lücken haben – und ja, wir haben auch in diesem großartigen Gesund­heitssystem Lücken –, weiter schrittweise verbessern wollen. Ein Beispiel ist die psycho­soziale Versorgungssituation in Österreich. Es ist einfach nicht akzeptabel, dass in manchen Bereichen Wartezeiten von einem halben Jahr oder länger bestehen. Stellen Sie sich vor, dies wäre bei körperlichen Erkrankungen der Fall! Jeder würde mit Recht sagen: Das geht nicht! Und das wollen wir Schritt für Schritt verbessern. Dazu sind die Vorarbeiten sehr weit gediehen – dies im Übrigen auch mit der Gesundheitskasse, wo wir sehr, sehr gut mit den VertreterInnen und RepräsentantInnen zusammenarbeiten. Es wird deutliche Verbesserungen bei der Versorgungssituation geben. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Dritter Punkt ist die aktuelle Covid-Situation. Wie entwickelt sie sich? – Dazu habe ich die aktuellen Informationen für Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wir haben heute eine Neuinfektionszahl zu vermelden, die keine erfreuliche ist. Es ist zwar eine Stabilisierung,


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aber sie ist weiterhin auf einem dramatisch hohen Niveau. Wir hatten heute in den letzten 24 Stunden 7 091 Neuinfektionen, die eingemeldet wurden.

Ich sage immer den Wochenvergleich dazu; da die Entwicklung auf Basis der Ein­meldungsstrukturen in das System unterschiedlich verläuft, ist das der beste Vergleich. Am vergangenen Mittwoch waren es 7 514, das heißt, doch deutlich mehr. Das bedeutet, es erfolgt eine Stabilisierung, aber wir sind noch nicht bei der notwendigen Trendwende, die wir für eine drastische Verringerung brauchen. Die Situation ist die, dass wir heute zugleich 6 251 neu Genesene zu vermelden haben. Das ist die aktuelle Datensituation, zu Ihrer Information.

Die Notlage in den Intensivstationen haben wir im Übrigen mittlerweile in ganz Europa. Das ist kein Trost für uns – ganz im Gegenteil. Ich telefoniere viel mit den Gesund­heits­ministerInnen in anderen Ländern. Die Schweiz ist mittlerweile im Bereich der Intensiv­pflege an der Grenze ihrer Kapazitäten. Wir haben dieselbe Situation in Tschechien, in Frankreich, in Spanien, in Italien – überall geraten die Gesundheitssysteme an ihre Grenzen. Das ist derzeit eine Herausforderung in jedem Land. Wir haben auch aus anderen Ländern Anrufe, ob wir helfen und unterstützen können, aber momentan ist die Situation in ganz Europa extrem angespannt. Es ist eine wirklich schwierige Notlage, die wir derzeit im Bereich unserer Gesundheitssysteme in Europa haben; ich hoffe, ich kann bald hatten sagen.

Unsere Prognose ist, dass wir im Bereich der intensivmedizinischen Betreuung in der kommenden Woche in die schwierigste Phase kommen werden. Es gibt ja zwischen dem Zeitpunkt der Neuinfektion und der Einlieferung und auch in der statistischen Berück­sichtigung im Bereich der Intensivmedizin einen Unterschied – eine Bremswirkung sozusagen – von rund zehn Tagen. Von daher ist zu erwarten, dass die hohen Zahlen sich kommende Woche noch einmal deutlich bemerkbar machen. Die Prognoseinstitute, die wir beauftragt haben, gehen davon aus, dass wir, wenn wir die Zahlen gegenwärtig schrittweise absenken können, Anfang Dezember eine Entspannung in der intensiv­medizinischen Betreuung erreichen. Ich hoffe, dass wir bis dahin alle, vor allem die Personen in den Spitälern, noch gut durchhalten.

Die letzten zwei Punkte von meiner Seite: Wir arbeiten derzeit sehr, sehr intensiv an der Frage, wie es nach dem 6. Dezember, nach dem Lockdown weitergehen kann. Wir haben dazu ein umfassendes Programm in Vorbereitung. Da wird es unter anderem um die Stärkung und Beschleunigung des Kontaktpersonenmanagements als erste Top­priorität gehen, es wird auch um zusätzliche Schutzmaßnahmen für Seniorinnen und Senioren gehen – und damit meine ich jetzt nicht prioritär den Bereich der Alten- und Pflegeheime, sondern auch Menschen, die eben nicht in Alten- und Pflegeheimen wohnen, aber dennoch zu dieser sogenannten Risikogruppe zählen. Ich mag das Wort überhaupt nicht; kein Mensch ist ein Risiko, deswegen nenne ich sie die Gruppe, die am verwundbarsten ist. Das sind die Menschen über 70, für sie erarbeiten wir derzeit zusätzliche Schutzmaßnahmen.

Es wird auch um mehr Testungen gehen, ja. Wir bauen derzeit schon die Testmög­lichkeiten und die Kapazitäten massiv aus. Es gibt derzeit täglich zwischen 30 000 und 40 000 Tests. Diese Zahl hätte sich vor einigen Monaten niemand auch nur erträumen können. 30 000 bis 40 000 Tests pro Tag sind derzeit in der Statistik verankert, und es werden dadurch deutlich mehr, dass wir die niedergelassenen Ärzte und nun auch die Apothekerinnen und Apotheker in die Testung integriert haben. Das sollte noch einmal eine starke Verbreitung und eine Verbesserung, Vereinfachung des Zugangs zur Testung für alle ermöglichen. Das heißt, ich gehe davon aus, dass sich diese Zahlen sehr rasch auf 40 000 bis 50 000 Testungen pro Tag in Österreich erhöhen werden.


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Das Zweite ist: Wir sehen uns Screeningmöglichkeiten an. Wie können wir am Ende des Lockdowns ganz bestimmte Zielgruppen, die sehr frequente Kundenkontakte haben, anderen persönlich begegnen und diese auch berühren, verstärkt in die Testprogramme integrieren? Das ist ein wesentlicher Punkt. Wir sehen uns auch an, wo und vor allem auch wann und in welcher Form Massentestungen Sinn machen. Da arbeiten wir gemeinsam mit dem Bundeskanzler an entsprechenden Konzepten und sind da mittler­weile auch sehr, sehr weit.

Letzter Punkt: Unsere Hoffnungsperspektive, die Impfung. Wie steht es? – Ich kann mich erinnern, ich habe vor zwei Monaten gesagt, es könnte sein, dass es im ersten Quartal so weit ist – und ich habe sogar gewagt, einen Monat zu nennen, der Traum wäre nämlich, dass wir es im Jänner schaffen, die ersten Impfdosen nach Österreich zu bringen. Damals habe ich gesehen, dass ein paar Köpfe geschüttelt wurden und dass daran nicht so recht geglaubt wurde. Wenn Sie die internationalen Agenturmeldungen der letzten Tage lesen, dann sehen Sie: Das kann nun wirklich sehr, sehr bald realistisch werden. Frankreich meldete gestern, dass man sich auf einen Start der Impfprogramme ab Jänner einstellt und sich darauf vorbereitet; dasselbe meldet Großbritannien, Deutsch­land ist ebenfalls in derselben Vorbereitung. Ich kann Ihnen sagen: Wir sind sehr, sehr gut unterwegs, das professionell vorzubereiten – mit dem Ziel, möglichst viele Öster­reicherinnen und Österreicher und BewohnerInnen dieses Landes dazu zu motivieren, sich durch die Teilnahme an den Impfprogrammen, die selbstverständlich freiwillig sind und freiwillig bleiben, zu schützen.

Wir haben sehr, sehr gute Verhandlungen mit der Europäischen Union und durch die Europäische Union mit den Produzenten und Produzentinnen der Impfstoffe verwirklicht. Das ist ein Beweis dafür, wie Europa funktioniert, meine sehr verehrten Damen und Herren. Stellen Sie sich nur vor, wir hätten bei diesem Ressourcenkampf – und das ist es in Wirklichkeit – als kleines Österreich alleine verhandelt! Wir sind gemeinsam ganz einfach viel stärker, und das zeigt sich in einer Krisensituation. Es hat auch zu Recht Kritik an der Rolle Europas in der Krise gegeben, aber das ist wirklich ein tolles Zeugnis dafür, wie uns Europa insgesamt stärkt, indem diese Verhandlungen gemeinsam geführt wurden und mittlerweile drei große Abschlüsse erreicht wurden, das heißt, dass wir ausreichend Impfstoff haben werden.

Die Impfstrategie ist fertig. Wir haben sie gestern am Abend finalisiert. Die Logistik­strategie wird gerade finalisiert. Das heißt, wir sind sehr, sehr gut aufgestellt. Wir wissen, wer wann ein Impfangebot erhalten wird, und wir gehen davon aus, dass wir uns auf einen Start im Jänner vorbereiten müssen, können und dürfen. – Danke, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

11.57


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Faika El-Nagashi. – Bitte.


11.57.26

Abgeordnete Mag. Faika El-Nagashi (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister! Seit Langem warne ich, so wie viele andere auch, vor dem Zusammenhang zwischen Pandemien und der Massentierhaltung. (Ruf bei der FPÖ: Ah! Fledermäuse waren’s!) Solange wir Tiere in so großer Zahl auf so engem Raum halten, werden Pandemien eine ständige Bedrohung sein. Das sind laute Warnglocken, die konventionelle Nutztierhaltung so schnell wie möglich zu beenden und auf eine zukunftsfähige Form der Landwirtschaft umzustellen: kleinteilig, regional und biologisch.

Viele Menschen haben gehofft, dass nun die Zeit für den Paradigmenwechsel ge­kom­men ist, dass wir nun in der Landwirtschaft einen neuen Weg gehen werden, auf die


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Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln wie Gemüse umsteigen, von denen derzeit noch 40 Prozent aus anderen Ländern importiert werden, während wir Fleisch und Milch im Überfluss produzieren – Überschüsse, die wir quer über den Globus exportieren. Viele Menschen haben gehofft, dass nun die Massentierhaltung ein Ende findet oder dass wir zumindest darüber diskutieren.

Das Risiko für die nächste Pandemie aus Tierfabriken ist nämlich zu hoch, das Leid von Millionen Tieren in diesem System zu grausam. Der Preis für unsere Gesundheit durch Antibiotikaresistenzen, die entstehen, weil wir die Tiere in den Fabriken mit unseren Medikamenten irgendwie am Leben erhalten, bis sie ihr Schlachtgewicht erreichen, ist ebenfalls zu hoch. Zoonosen wie Covid-19, aber auch Ebola oder die Vogelgrippe werden meist durch den Verzehr von Fleisch von Tieren auf Menschen übertragen.

Der Ausbruch einer mutierten Form des Coronavirus in einer dänischen Pelzfarm öffnet aber ein weiteres dramatisches Kapitel der Pandemie. Dass sich der dänische Erreger bei bloßem Kontakt zwischen dem Marder und dem Menschen verbreiten konnte, ist besorgniserregend. Alle 15 Millionen Nerze in Dänemark sollen, um die Verbreitung des Virus zu stoppen, getötet werden.

Ich bin auch über den Aspekt der Gesundheitsgefährdung hinaus von den Bildern aus den Nerzfarmen betroffen. In Österreich haben wir aus ethischen Gründen vor 15 Jahren die Haltung von Tieren zur Pelzgewinnung verboten.

Der Ausstieg aus der Pelzproduktion muss zum Ziel der gesamten Europäischen Union werden, und ich freue mich, dass der Herr Gesundheitsminister auch seine Unter­stützung in dieser Sache zugesagt hat (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP) und bedanke mich für diese Unterstützung, denn die großen Veränderungen schaffen wir nur gemeinsam. Eine dieser Veränderungen muss das Ende der euro­päischen Pelzproduktion sein. Tierquälerei, Pandemiegefahr – diese Industrie hat in einem modernen Europa keinen Platz. Die grüne Fraktion im Europaparlament spricht sich schon längst gegen diese Praxis aus. (Beifall bei den Grünen.)

Viel zu wenig ist aber im letzten Dreivierteljahr geschehen, um Pandemien wie die jetzige künftig nicht mehr entstehen zu lassen. Ganz besonders enttäuschend ist es vor allem, zu sehen, dass auf Ebene der Europäischen Union kein Vorstoß hin zu einer Agrar­wende zu bemerken ist. Vor zwei Wochen wurde über die künftige GAP-Strategie abgestimmt, also über die Frage, welche Form der Landwirtschaft in Europa künftig mit Subventionen gefördert werden soll. Anstatt diese Förderung jenen Betrieben zu geben, die sich am European Green Deal orientieren, stimmten Konservative, Sozial­demo­kraten, Liberale und die rechten Parteien für die Beibehaltung eines Agrarfördersystems, das mit der Zukunft unserer Welt spielt. Immer mehr Menschen sind enttäuscht von dieser Ignoranz und Verantwortungslosigkeit.

Wir haben uns einen breiten Diskurs erwartet, der uns gestärkt und mit innovativen Ideen resilient aus dieser Krise führen wird und den Weg zu einer nachhaltigen, pflanzen­basierten Landwirtschaft ebnen kann, einer vernünftigen und verantwortungsvollen Landwirtschaft, die Milliarden Tieren das Leid der Massentierhaltung erspart, die uns vor Pandemien schützt und die sorgsam mit unseren Trinkwasserressourcen umgeht, die das Klima und die Natur schont.

Tonnen an Fleisch landeten im ersten Lockdown im Müll, Tonnen an Fleisch werden auch im zweiten Lockdown originalverpackt im Müll landen. So darf es nicht weitergehen. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Smolle.)

Die Gesellschaft ist längst zu einer Wende bereit. Es gibt Evidenz aus der Wissenschaft, es gibt Unterstützung von den NGOs.


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Ich werde dieses Thema hier so lange und so oft zur Sprache bringen, bis wir auch hier diese Diskussion ernsthaft führen. Wir haben eine Verantwortung gegenüber den Menschen, die in diesem Land leben, aber auch gegenüber allen unseren Mitmenschen, deren Lebensgrundlagen von unserer Lebensweise zerstört werden. Selbstverständlich haben wir auch eine Verantwortung gegenüber den Tieren, die für unseren Lebensstil mit ihrem Leben bezahlen.

Es muss nicht so weitergehen. Wir haben jeden Tag die Möglichkeit, uns auf euro­päischer und auf nationaler Ebene für einen anderen Weg zu entscheiden. Machen Sie diesen Schritt mit uns! (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Smolle.)

12.02


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Philip Kucher. – Bitte.


12.03.03

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundes­minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man möchte es gar nicht glauben, dass wir heute, in der größten Gesundheitskrise seit 100 Jahren, ein Budget für den Bereich der Gesundheit diskutieren, in dem Hunderte Millionen Euro vergessen worden sind, obwohl alle sagen, wie ach so wichtig die Gesundheit ist.

Da muss man ja positiverweise sagen: Seien wir alle dankbar, dass sich in den letzten Jahren die ÖVP nicht durchgesetzt hat und dass sich auch die Wirtschaftskammer nicht durchgesetzt hat, die gesagt hat: Privatisieren wir und streichen wir Betten! Da muss man heute auch dankbar sein, dass wir ein starkes Gesundheitssystem haben, aber in einer Zeit, in der wir wirklich sagen, wir müssten jetzt Geld in die Hand nehmen und das Gesundheitssystem besser machen, sollen wir heute ein Budget beschließen, in dem Hunderte Millionen vergessen worden sind! (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Herr Blümel hat es schon einmal geschafft, unabsichtlich sechs Nullen zu vergessen. Man möchte ja annehmen, dass Herr Blümel daraus lernt und dann ganz genau nach­schaut, ob er diesmal nicht wieder etwas vergessen hat, und dann hat er mitten in der großen Gesundheitskrise solche Kleinigkeiten wie Hunderte Millionen Euro für die Krankenhausfinanzierung vergessen.

Ihr müsst euch vorstellen, die Absicherung der Krankenanstalten in Österreich ist nicht im Budget abgedeckt. (Ruf bei den Grünen: Ein Blödsinn!) Hunderte Millionen Euro fehlen bei der Österreichischen Gesundheitskasse. Als wir draufgekommen sind, dass da Hunderte Millionen Euro fehlen, hat es geheißen: Ja, mitten in der Krise, da haben ja alle Zeit, mit Herrn Blümel ein Philosophicum abzuhalten, da kann man nachrechnen und sich ganz, ganz viel Zeit nehmen, dass man irgendwann einmal die notwendige Finanzierung für die Krankenanstalten und für die Österreichische Gesundheitskasse herbeiführt.

Ich habe den Herrn Gesundheitsminister im Ausschuss gefragt: Kann sich ein Finanz­verantwortlicher in einem Krankenhaus auf Worthülsen, Versprechen von einem Politiker verlassen, oder muss der ein Budget auf Basis von Zahlen, Daten und Fakten machen? Ich weiß ja nicht, wie die Kollegen von der ÖVP die Geschäftsführerhaftung wahr­nehmen, aber ein Budget in einem Krankenhaus auf Sand zu bauen und zu sagen, Herr Blümel hat gesagt, da werden wir schon eine Lösung finden – so funktioniert es in der Praxis nicht.

Was würde denn das bedeuten? – Wenn die Finanzierung der Krankenhäuser nicht durchs Budget abgedeckt ist, würde das konkret bedeuten: Leistungskürzungen, weni­ger Betten. Wir reden da wirklich von Gesundheitsleistungen.


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Herr Bundesminister! Ich finde es ja gut, dass Sie jetzt auch draufkommen und aktiver werden und kämpfen. Das taugt mir. Es wäre wichtig gewesen, dass Sie endlich aktiv auch Herrn Minister Blümel gesagt hätten, dass er die Gesundheitsfinanzierung sicher­stellen muss. Das würde ich mir nämlich von einem Miteinander erwarten.

Wir können nicht ein Budget für das Jahr 2021 beschließen, in dem die gesamte Finan­zierung der Österreichischen Gesundheitskasse und der Krankenanstalten in Österreich nicht abgedeckt ist. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gödl: ...! Was du zusammenredest!)

Ich bitte wirklich: Reparieren wir das miteinander! Es geht nämlich nicht nur um die Ab­sicherung. Eigentlich müssten wir ja mehr Geld in die Hand nehmen. (Zwischenruf des Abg. Gödl.) Was ist mit der psychischen Gesundheit? Was ist zum Beispiel mit der Digi­talisierung? Wir kriegen mit, dass da noch eine Zettelwirtschaft herrscht. Wir haben mitbekommen, Herr Bundesminister, dass da Faxe quer durch Österreich geschickt werden. Es kann doch nicht sein, dass mitten in der Krise diese Sachen nicht besser werden. Das wäre doch die Aufgabe des Gesundheitsressorts.

Herr Bundesminister, Sie haben uns da wirklich an Ihrer Seite. Ich weiß ja, wie schwer Sie es haben. Die Hackelschmeißerei von der ÖVP und von Sebastian Kurz in deine Richtung bekommen wir ja alle medial mit (Abg. Gödl: Eine Märchenstunde gerade!), diesen Wettlauf, wenn er am Sonntag in der „Pressestunde“ unbedingt vor dir die Mas­sentests ankündigen möchte. Wir kriegen ja alle diese Eifersüchteleien von Sebastian Kurz mit. Du hättest uns wirklich, glaube ich, parteiübergreifend als Partner, wenn es darum geht, das Gesundheitssystem besser zu machen.

Ich bitte noch einmal: Reparieren wir das miteinander! Ich sehe hier den Budgetsprecher der ÖVP, Gabriel Obernosterer. Vielleicht kannst du Gernot Blümel wieder einmal unter die Arme greifen. Das letzte Mal hat er sechs Nullen vergessen, dieses Mal alle Kran­kenhäuser in Österreich. Es wird mit Herrn Minister Blümel leider immer schlimmer. (Beifall bei der SPÖ.)

12.06


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Josef Smolle. – Bitte.


12.07.01

Abgeordneter Dr. Josef Smolle (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gesundheitsbudget im Bundesbudget, Steigerung von 1,2 Milliarden Euro auf 1,8 Milliarden Euro, etwa 50 Prozent Erhöhung – das ist ganz, ganz wichtig, gerade auch in dieser Zeit, aber vergessen wir eines nicht: Das ist ja nur ein Teil der Gesundheitsfinanzierung in Österreich.

Wir geben in Österreich 11,2 Prozent des BIP für Gesundheit aus. Mehr als drei Viertel davon kommen von der öffentlichen Hand, und das ist gut so. Innerhalb des Bundes­budgets ist ja das Gesundheitsbudget ein Teil der Rubrik „Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie“, und diese wiederum macht fast 48 Prozent der Bundesausgaben aus. Da ist enorm viel mit dabei, was die Gesundheit stützt und die Gesundheit der Menschen in unserem Land absichert.

Konkret sind im Gesundheitsbudget natürlich Erhöhungen wesentlich auch durch die Covid-Pandemie begründet – das ist schon erwähnt worden –: Impfstoffe, Schutzaus­rüstung, Aufrüstung der Hotline 1450. Dazu kommen aber durchaus auch Ansätze, die über die Pandemie hinausgehen. Darüber bin ich auch sehr froh und dankbar dafür. Ich denke an den Beginn des Aufbaus eines Systems von Communitynurses, den weiteren


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Ausbau der Primärversorgungszentren oder auch an die Digitalisierung, die Einführung des E-Impfpasses oder die Integration der radiologischen Bilder in Elga. Da tut sich sehr viel, und das auch angesichts dieser wirklich globalen Pandemie.

Über den Sommer haben ja manche gehofft, es sei mit der Pandemie vorbei. Das wäre nicht so schlimm gewesen, hätte es nicht dazu geführt, dass manche jeden Hinweis auf Vorsicht und Achtsamkeit als Panikmache verunglimpft, die gesundheitsbehördlichen Vorgaben weitgehend abgelehnt oder die Maskenpflicht lächerlich gemacht haben. Mittlerweile wissen wir: Die Situation ist ernst – wir kennen das von den Intensiv­statio­nen –, es ist wirklich dramatisch. Wer diese Situation jetzt noch ignoriert, macht keine Opposition gegen die Regierung, sondern gegen die Wirklichkeit. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Situation ist wirklich ernst. Wir müssen zusammenhalten. Da gibt es immer zwei ganz wilde Argumente. Das eine ist: Die Menschen sterben ja gar nicht an Covid-19. Das andere ist: Es trifft eh nur die Alten und Kranken. Es gibt Obduktionsserien: Rund 90 Prozent dieser armen Menschen versterben an Covid-19.

Das Zweite, was die Alten und Kranken betrifft: Erstens betrifft es nicht nur diese Be­völkerungsgruppe, zweitens ist der Begriff der Vorerkrankung sehr weit gefasst – schon mit einem Blutdruckmittel ist man in dieser Gruppe –, und drittens haben, was ganz, ganz wichtig ist, in unserer Werthaltung auch die Alten und Kranken oder gerade auch die Alten und Kranken ein Recht zu leben und ein Recht auf unsere Unterstützung. Ich hoffe, dass wir alle hier das so sehen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wir kämpfen für Menschenleben und deren Erhaltung, für Lebensqualität, für Arbeits­plätze, für den sozialen Zusammenhalt, für die Sicherung der Betriebe. Halten wir zu­sammen, das alles ist in der Bundesregierung und bei unserem Herrn Minister in guten Händen! Bleiben Sie gesund! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

12.11


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Gerald Hauser. – Bitte.


12.11.09

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Minister! Hohes Haus! Zu Beginn möchte ich mich auch namens unserer Fraktion bei den im Gesundheitssystem, im Gesundheitswesen arbeitenden Menschen recht herzlich für die wirklich großartige Leistung bedanken. Sie kennen ja unsere Linie, wir haben immer gesagt, die kritische Infrastruktur des Gesundheitswesens und Risikopatienten sind zu schützen, und das gelingt mit unserem Gesundheitswesen gut.

Die zweite Aussage von Ihnen, Herr Minister, war heute: Wir müssen vermeiden, dass aus der Gesundheitskrise eine Sozialkrise wird. – Da gebe ich Ihnen recht, Herr Minister. Da müssen wir Fehler vermeiden, und da hat die Regierung viel Luft nach oben, auch Sie. (Zwischenruf des Abg. Obernosterer.)

Ich bringe Ihnen heute zwei Beispiele. Erstes Beispiel Epidemiegesetz: Die Menschen in Österreich, die Unternehmer, die Mitarbeiter müssen sich auf bestehende Gesetze verlassen können. Was haben Sie getan? – Sie haben die Epidemiegesetze parla­men­tarisch gegen unsere Stimmen ausgehebelt, obwohl das Epidemiegesetz den Unterneh­mern zugesichert hat, den Verdienstentgang zu ersetzen, der aufgrund der behördlich verordneten Betriebsschließungen entstanden ist.

So, nun ist es mittlerweile unstrittig, dass zumindest für den Zeitraum der Betriebs­schließung per Verordnung durch die Bezirkshauptmannschaften bis zur Aushebelung des Epide­miegesetzes durch die Covid-19-Gesetze – in etwa 16 Tage – der Anspruch auf Ersatz


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des Verdienstentgangs entsteht. Das steht seit Monaten fest: Betriebsschließungen Mitte März, und der Erlass, die Verordnung von Ihnen, Herr Minister, wie der Ver­dienstentgang zu berechnen ist, ist am 21. Juli herausgegeben worden, die Berechnung Anfang August. Mittlerweile sind sechs, sieben Monate ins Land gezogen, und es ist immer noch nicht entschädigt worden. Die Unternehmer werden im Stich gelassen.

Deswegen bringe ich heute folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Scha­densabgeltung nach dem Epidemiegesetz zur Bewältigung der COVID-19-Krise“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, die erforderlichen Schritte im Sinne der Um­setzung eines Wirtschaftsreparaturpakets zu setzen, das geeignet ist, jenen Privat­per­sonen sowie Wirtschaftstreibenden, die von der COVID-19-Krise massiv bzw. existentiell betroffen sind, unmittelbar, sofort und in ausreichendem Ausmaß zu helfen.

Dieses Wirtschaftsreparaturpaket hat die Umsetzung nachstehender Maßnahmen [...] sicherzustellen:

- Voller Entschädigungsanspruch für alle Betriebe, die durch das Betretungsverbot betroffen sind, in jener Höhe, den diese erhalten hätten, wenn ihr Betrieb auf Grundlage des EpidemieG geschlossen worden wäre;

- Sofortige antragslose Akontozahlung durch die Finanzämter an alle Unternehmer, die sämtliche Kosten und einen entsprechenden Unternehmerlohn für die nächsten drei Monate abdeckt;

- Abwicklung sämtlicher Maßnahmen über die Finanzämter.“

*****

In aller Kürze noch eine zweite wichtige Frage an Sie, Herr Minister: Über Puls 4 haben Sie mitgeteilt – ich zitiere –: Das Ziel ist es, dass dieser Lockdown so lange anhält, bis wir den Impfstoff haben. – Zitatende.

Nun haben Sie uns heute mitgeteilt, dass der Impfstoff Anfang Jänner vorhanden sein wird. Was bedeutet das für die Unternehmen? Was bedeutet das für die Tourismu­swirtschaft? Was bedeutet das für den Handel? Was bedeutet das für die Mitarbeiter? Was bedeutet das für viele Österreicher, die direkt und indirekt davon betroffen sind?

Wir gehen alle davon aus, dass die Geschäfte, die Betriebe Mitte Dezember öffnen können. Wenn Sie schon die Opposition und uns nicht informieren, dann informieren Sie heute und hier bitte die Bevölkerung, die Unternehmer, die betroffenen Arbeitnehmer, ob die Betriebe tatsächlich bis Mitte Jänner geschlossen sind, so wie Sie das indirekt über Puls 4 angekündigt haben! – Ich danke. (Beifall bei der FPÖ.)


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Hauser, bleiben Sie bitte am Rednerpult! Sie haben den ersten Absatz des Entschließungsantrages nicht verlesen, oder nur einen ganz kurzen Teil davon. Sie müssen ihn noch einmal verlesen, dann kann er als ord­nungsgemäß eingebracht gelten.



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Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (fortsetzend): „Dieses Wirtschaftsreparaturpaket hat die Umsetzung nachstehender Maßnahmen – unter der Zielsetzung der Übernahme einer ökonomischen Generalhaftung des Staates sowohl für Unternehmer als auch Arbeitnehmer – sicherzustellen.“

*****

12.15

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Mag. Gerald Hauser, Erwin Angerer, Dr. Dagmar Belakowitsch, Peter Wurm

und weiterer Abgeordneter

betreffend Schadensabgeltung nach dem Epidemiegesetz zur Bewältigung der COVID-19-Krise

eingebracht im Zuge der Debatte zu Top 11: Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (449 d.B).): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundes­vor­anschlages für das Jahr 2021 (Bundesfinanzgesetz 2021BFG 2021) samt Anlagen ( 380 d.B.)-UG 24 Gesundheit in der 62. Sitzung des Nationalrats (XXVII.GP) am 18. No­vember 2020

Es braucht daher einen rot-weiß-roten Schutzschirm für die heimische Wirtschaft, der auch wirklich hält, sofort wirkt und auf den sich alle verlassen können – unabhängig davon, ob es sich um Arbeitnehmer oder um Unternehmer handelt.

Der neuerliche zweite Lockdown mit Ausganssperren, Schulschließungen, großflächi­gen Betretungsverboten für Betriebe des Handels, der Gastronomie und Beherber­gungs­betriebe sowie einer massiven Auswirkung dieser Maßnahmen auf die Wert­schöpfungskette in den Zulieferbetrieben, der Industrie und Gewerbe ab dem 17. November 2020 verlangt daher nach einer grundlegenden Neuausrichtung des staat­lichen Schadenersatzes für solch massive Eingriffe in die österreichische Wirtschaft.

Wir fordern daher, wie bereits seit der Debatte und der Beschlussfassung der ersten COVID-19 Pakete im März 2019 mit Nachdruck die unmittelbare Umsetzung von wirksamen Unterstützungsmaßnahmen für die heimischen Unternehmen aber auch die betroffenen Privatpersonen.

Wir haben schon bei der Beschlussfassung des COVID-19 Gesetzes im Zuge der NR-Sitzung am 15.03.2020 die Mängel dieser Gesetzesvorlage aufgezeigt und ent­sprechende Abänderungsanträge gestellt. Es bestätigt sich mittlerweile auch, wie von uns befürchtet und aufgezeigt, dass die Aufhebung der Anwendbarkeit des Epidemie­gesetzes 1950 ein schwerwiegender Fehler dieser Bundesregierung war, der umgehend repariert werden muss.

Das COVID-19 Gesetz und seine Begleitgesetze müssen so angepasst werden, dass jenen Unternehmen, die keinen Entschädigungsanspruch durch das Epidemiegesetz 1950 hätten, unbürokratisch, schnell und praktikabel eine notwendige Unterstützung zukommt.

Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der dargelegten Fakten und damit im Sinne der not­wendigen Unterstützung der massiv belasteten heimischen Unternehmen und Privat­personen stellen die unterfertigten Abgeordneten daher nachstehenden


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Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, die erforderlichen Schritte im Sinne der Umsetzung eines Wirtschaftsreparaturpakets zu setzen, das geeignet ist, jenen Privat­personen sowie Wirtschaftstreibenden, die von der COVID-19-Krise massiv bzw. exis­tentiell betroffen sind, unmittelbar, sofort und in ausreichendem Ausmaß zu helfen.

Dieses Wirtschaftsreparaturpaket hat die Umsetzung nachstehender Maßnahmen -unter der Zielsetzung der Übernahme einer ökonomischen Generalhaftung des Staates so­wohl für Unternehmer als auch Arbeitnehmer - sicherzustellen:

• Voller Entschädigungsanspruch für alle Betriebe, die durch das Betretungsverbot betroffen sind, in jener Höhe, den diese erhalten hätten, wenn ihr Betrieb auf Grundlage des EpidemieG geschlossen worden wäre;

• Sofortige antragslose Akontozahlung durch die Finanzämter an alle Unternehmer, die sämtliche Kosten und einen entsprechenden Unternehmerlohn für die nächsten drei Monate abdeckt;

• Abwicklung sämtlicher Maßnahmen über die Finanzämter.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Danke vielmals. Mit dieser Ergänzung ist dieser Entschließungs­antrag ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Elisabeth Scheucher-Pichler. – Bitte.


12.16.08

Abgeordnete Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bun­desminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren zu Hause! Durch die Pandemie verstärkt sich die Notwendigkeit, im psycho­sozialen Bereich weitere Maßnahmen zu setzen. Ich bin sehr froh, dass es im Budget­hearing eine ganz klare Ansage gegeben hat, Psychotherapie und psychosoziale Arbeit auszubauen – danke, Herr Bundesminister, danke auch unserer Gesundheitssprecherin Gaby Schwarz und allen, die dazu positiv stehen!

Das ist mir ein ganz wichtiger Bereich. Ich habe als Psychotherapeutin viele Jahre mit schwer traumatisierten Menschen gearbeitet, auch in der Jugendhilfe, mit Ess­störungs­patienten. Ich weiß, dass das gerade in der Familienarbeit, aber auch in der Senio­renarbeit, da die Altersdepression stark im Steigen ist, ein ganz wichtiger Aspekt ist – vielen Dank dafür! Ich hoffe, dass wir gemeinsam gute Lösungen schaffen werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Forcieren wir aber auch, meine Damen und Herren, digitale Möglichkeiten! Es gibt im digitalen Bereich viele Reaktionen auf diese Pandemie. Ich war da selbst immer sehr skeptisch. Wir konnten nun aber beispielsweise auch in der Psychotherapie telefonisch und digital arbeiten. Das ist natürlich nicht immer der Idealfall, aber es gibt viele tolle Projekte, die sehr oft von Pilotprojekten nie zu Regelprojekten werden. Ich nenne nur, weil es gerade Mittag ist, den digitalen Mittagstisch, bei dem man dann gemeinsam isst. Das ist bei älteren Menschen, die viel alleine sind, oft ein großes Thema.

Wir haben in Klagenfurt ein tolles Projekt initiiert – da ist die Fachhochschule dabei, das Hilfswerk durfte auch mit dabei sein –, und zwar Smart Vitaality, bei dem verschiedene technische Komponenten Senioren im Alltag unterstützen. Ich verkürze ein bisschen:


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Das ist eine wichtige Maßnahme in Richtung Lebensqualität, aber auch Gesundheits­vor­sorge, bei der man eben mit Technologiepaketen wie Smartwatch, Tablet, Sensoren und Messgeräten für Vitalparameter arbeitet. Die wurden sehr, sehr gut angenommen. Das ist eine wichtige prophylaktische Arbeit, aber auch eine Entlastung des Gesund­heitssystems, wenn jemand nicht stürzt, wenn jemand nicht vereinsamt und so weiter.

Ich nenne noch eine weitere Initiative: die Einrichtung digitaler Ambulanzen, Spitals­ambulanzen, beispielsweise der Vinzenz-Gruppe hier in Wien. Da ist es auch nicht so, dass das ein Ersatz für eine medizinische Untersuchung ist, aber es gibt da viele wert­volle Möglichkeiten der Nachbehandlung, der Betreuung chronisch kranker Menschen, der Beratung beispielsweise in Ernährungstherapie und so weiter.

Entwickeln wir solche Rahmenbedingungen weiter, versuchen wir, das Gesundheits­system und auch die Pflege dadurch zu entlasten! Stellen wir aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, immer den Menschen in den Mittelpunkt! Bleiben Sie gesund! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

12.18


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Fiona Fiedler. – Bitte.


12.19.13

Abgeordnete Fiona Fiedler, BEd (NEOS): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Werter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! Und jährlich grüßt das Murmeltier: Budgetkapitel 24, Gesundheit, ein reiner Bud­getdurchlaufposten an die Bundesländer. Eigentlich müsste man dieses Budgetkapitel umbenennen, zum Beispiel in UG 24 Extrafinanzausgleich oder UG 24 Körberlgeld für die Landesfürsten. Dieses Budgetkapitel ist leider fantasie- und ziellos. Es sind für 2021 nur zusätzliche 600 Millionen Euro ohne Dokumentationsvorschriften und Zielvorgaben dazugekommen.

Besonders pfiffig finde ich, dass zwar 120 Millionen Euro für Covid-Impfungen vorge­sehen sind, aber selbst da Klientelpolitik betrieben wird. So wird beispielsweise Apo­thekern das Impfen weiterhin nicht zugestanden. Leider ist Gesundheitsminister Anschober diesbezüglich noch unschlüssig: Während er vor dem Sommer das Impfen in der Apotheke noch überlegt hat, sieht er nach dem Sommer durch das Impfen in der Apotheke die Patientensicherheit infrage gestellt.

Lieber Herr Minister, ich frage Sie erneut: Wie wollen Sie ohne das Aufbrechen des Impfmonopols schnell eine hohe Durchimpfungsrate der Menschen in Österreich erzie­len? Sie fahren doch auch mit dem Railjet oder der Westbahn von Linz nach Wien und nicht mit dem Regionalzug (Heiterkeit und Zwischenbemerkung von Bundesminister Anschober), also lassen Sie bitte auch die Apotheker impfen, um das Ziel der Durchimpfung schneller zu erreichen – jetzt bei der Grippe und später bei Corona! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Nicht wichtig scheint Ihnen auch die strukturierte und integrierte Versorgung chronisch Kranker zu sein. Seit Jahren fordern wir, dass die Bundesgelder unter anderem an die strukturierte Versorgung gebunden werden – vor allem bei Diabetikern gibt es massiven Handlungsbedarf, aber auch viele andere chronisch Erkrankte, zum Beispiel MS-Patienten, Menschen mit Depressionen, Menschen mit diversen chronischen Gelenks­entzündungen und vielem mehr, wünschen sich endlich eine adäquate Versorgung.

Seit Jahren fordern wir auch, dass die diplomierte Pflege in der Gesundheitsversorgung stärker in die niedergelassene Versorgung eingebunden wird. Dazu braucht es endlich einen Abrechnungskatalog der Pflege mit der Sozialversicherung, aber solange hier nicht veranlasst wird, dass Teile des Gesundheitsbudgets nicht mehr zu den Ländern


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fließen, sondern zur Sozialversicherung, wird dieser Pflegeabrechnungskatalog nie kommen.

Zusammengefasst: Dieses Budget hat keinen Plan und keine Leidenschaft – keinen Plan und keine Leidenschaft für das Impfen an alternativen Orten zu Arztpraxen wie zum Beispiel in der Apotheke, keinen Plan und keine Leidenschaft beim Fördern der struk­turierten Versorgung von chronisch Kranken und keinen Plan und keine Leidenschaft bei der Innovation des niedergelassenen Bereichs und der Etablierung eines Abrechnungs­katalogs für die Pflege.

Ja, die Krise hat uns fest im Griff, aber da draußen leben Menschen mit Bedürfnissen, die gestillt werden müssen. Corona darf nicht die Ausrede für alles sein, handeln Sie endlich! – Danke. (Beifall bei den NEOS.)

12.22


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Werner Saxinger. – Bitte.


12.22.18

Abgeordneter Dr. Werner Saxinger, MSc (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren! Eigentlich wollte ich in der Debatte zum Gesundheitsbudget über die Bettenzahl in den Spitälern und über die Kosten der Schutzausrüstungen reden, aber aufgrund der Dynamik und der Dramatik der letzten Tage habe ich spontan umdisponiert und möchte ein paar Gedanken als Arzt, als Bürger, als politischer Mensch äußern.

Als Staatsbürger möchte ich sagen, dass diese Pandemie eine Zumutung ist. Es zipft auch mich an! Unser Leben in Freiheit und Selbstbestimmung ist derzeit nicht so, wie wir das möchten, es wird auf eine harte Probe gestellt. Wir sind das nicht gewöhnt und halten das auch kaum aus. Wir merken bei uns allen auch eine gewisse Müdigkeit, eine Polarisierung in der Gesellschaft, und es fällt uns schwer, derartige Einschränkungen zu akzeptieren, selbst wenn wir deren Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit verstehen – auch ich fühle manches ambivalent. Und jetzt noch der Lockdown, alles zu: furchtbar, aber alternativlos.

Gestatten Sie mir, dass ich jetzt als betroffener Spitalsarzt in einer großen Klinik laut weiterdenke, wie es derzeit in den Spitälern zugeht, eine Art Livebericht der letzten Tage bringe. Was sehe und erlebe ich tagtäglich? – Hören Sie bitte gut zu! Ich sehe, wie täglich immer mehr Covid-19-Patienten mit Symptomen wie heftiger Atemnot, Fieber und katastrophalem Allgemeinzustand ins Spital kommen, zuletzt zehn bis 20 pro Tag. Ich sehe, wie wir alle – Ärzte, Pflegepersonal aus allen Fächern – die Covid-Stationen und Intensivabteilungen unterstützen, auch neben und nach der Arbeit. Ich sehe, wie es uns in den letzten Tagen kaum mehr gelingt, freie Betten zu schaffen, und die neu umge­wandelte und geöffnete Station vom Vortag schon wieder voll ist. Ich sehe auch, wie manche Patienten nach wenigen Stunden wegen heftiger Atemnot auf die Intensivstation kommen, und ich habe letzte Woche auch schon erlebt, wie es manche nicht schaffen und den Kampf nicht gewonnen haben. Ich sehe und erlebe völlig erschöpfte Ärzte, Schwestern und Pfleger, die seit Tagen an der Grenze der Belastbarkeit mit dicken Schutzanzügen bis zu fünf Stunden nonstop arbeiten.

Das sind Zustände, die wir in Österreich bisher nicht kannten, und ich glaube, es ist wirklich angebracht, dass wir uns mit einem Applaus bei allen, die an der Spitalsfront stehen und für die Bevölkerung Großartiges leisten, bedanken und verneigen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS.)

Ich erlebe auch Hilferufe aus Spitälern, die es kaum mehr schaffen, aber, liebe Kolle­ginnen und Kollegen, der Zustrom hört derzeit leider nicht auf. Das ist keine Panikmache,


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was ich hier sage, das ist bittere Realität. Schauen Sie sich bitte die Videos aus den Spitälern an; es geht die nächsten Tage ums Eingemachte. Der Lockdown ist die einzig mögliche Reaktion auf diese dramatischen Zustände, er ist alternativlos (Abg. Amesbauer: Alternativlos ist er überhaupt nicht!), und die Bundesregierung hat das einzig Richtige gemacht – ja machen müssen! –, um Menschenleben zu retten.

Die Zeit der differenzierten Betrachtungen, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Zeit des Egotrips ist definitiv vorbei; wir haben es in den letzten Wochen auch wahrlich anders versucht. (Abg. Amesbauer: Reine Panikmache! – Weiterer Zwischenruf bei der FPÖ.) Leider ist das Projekt der Eigenverantwortung gescheitert – leider!, sage ich. Wir mussten jetzt scharf reagieren, das fällt niemandem leicht.

Was wäre die Folge eines Nichtreagierens? – Sie wissen es alle: Kein Unfallopfer, kein Schlaganfall-, kein Herzinfarktpatient könnte adäquat behandelt werden, wie wir das gewöhnt sind und uns auch vorstellen. Das muss auch den letzten Verharmlosern, Besserwissern und Verleugnern klar sein. (Abg. Amesbauer – den Plenarsaal verlas­send –: ... Weltuntergang? Ist ja unfassbar, diese Panikmache! Schwachsinn!) Und noch etwas: Ein trotziges Verweigern manch sinnvoller Einzelmaßnahme – Stichwort Maske – ist nicht nur kein Vorbild, sondern wirklich kontraproduktiv und auch unverantwortlich. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, geschätzte Damen und Herren, ich sehe aber auch Hoffnung: Jeder – wirklich jeder! – kann in seinem persönlichen Bereich dazu beitragen, die Situation zu verbessern. Halten wir uns alle an die bekannten und geforderten Maß­nahmen! Wenn wir uns in den nächsten zwei bis drei Wochen zurücknehmen, auch wenn es uns noch so schwerfällt, wird – davon bin ich überzeugt – Weihnachten wieder ein Stück weit so sein, wie wir es uns alle vorstellen und wünschen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

12.26


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Rudolf Silvan zu Wort gemeldet. – Bitte.


12.26.47

Abgeordneter Rudolf Silvan (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause! Herr Bun­desminister, es freut uns, dass Sie in guten Gesprächen mit den Bundesländern sind, dass Sie in guten Gesprächen mit den Sozialversicherungen sind. Es freut uns auch, dass es Zusagen gibt, wie das Kollegin Schwarz und Kollege Schallmeiner vorhin erwähnt haben, ich stelle aber heute hier fest, dass am 18. November 2020 rund 170 Millionen Euro für die Spitalsfinanzierung fehlen – das ist eine Tatsache –, und ich hoffe, dass das Geld, das zugesagt wurde, auch wirklich für die Spitalserhaltung fließen wird.

Wir haben die größte Gesundheitskrise der Zweiten Republik, und der Herr Finanz­minister verweigert der ÖGK immer noch die Ausfallshaftung für die Beiträge. Wir haben die größte Gesundheitskrise der Zweiten Republik, und ein ÖVP-Generaldirektor der AUVA tritt eine Diskussion um die Schließung eines Rehabzentrums los, das seit 30 Jahren beste medizinische Versorgung für schwer Schädel-Hirn-traumatisierte Men­schen geleistet hat. Wir haben die größte Gesundheitskrise der Zweiten Republik, und gestern wurde im Verwaltungsrat der ÖGK die dringend nötige Sanierung des Hanusch-Krankenhauses von der ÖVP-Mehrheit abgelehnt.

Ich glaube Ihnen, Herr Gesundheitsminister, wenn Sie sagen, Sie stehen dafür, dass keine Selbstbehalte kommen, Sie stehen dafür, dass es zu keinen Leistungskürzungen kommt. Ich glaube Ihnen das, ich denke aber, es gibt bei Ihrem Koalitionspartner Menschen,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 408

Abgeordnete, die das vielleicht nicht so sehen, die im ÖVP-Wirtschaftsbund angesiedelt sind, die in der Industriellenvereinigung angesiedelt sind, deren Motto lautet: Senkung der Dienstgeberbeiträge zur Sozialversicherung um jeden Preis!

Das Motto der ÖVP lautet, die Dienstgeber – vor allem die Swarovskis und die Pierers in Österreich – sollen möglichst wenig in das Sozialsystem einzahlen, und dazu soll die ÖVP möglichst die absolute Macht in den Sozialversicherungen haben. Das ist eine Tatsache, liebe Kolleginnen und Kollegen! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte noch zwei Dinge ansprechen – erstens zur Gesundheitsprävention, denn die ist heute noch gar nicht zur Sprache gekommen. Betreffend die durchschnittliche Lebenserwartung sind wir in Österreich ziemlich im oberen Spitzenfeld in der Euro­päischen Union, bei den tatsächlich gesunden Lebensjahren sind wir Viertletzter. In Österreich beträgt die Anzahl der tatsächlich gesund erlebten Jahre 57, in Schweden sind es zum Beispiel 73. Auch da sollte man den Hebel ansetzen – nicht nur Pensionen kürzen, sondern auch schauen, dass man den Menschen ein gutes Leben ermöglicht.

Ich möchte noch etwas zu den Pensionen sagen. Es hat von Anfang bis Mitte der Neun­zigerjahre einen Sozialminister gegeben, der Hesoun geheißen hat – er hat übrigens auch das Pflegegeld eingeführt. Er hat zur Berechnung der Pensionen die besten 15 Jahre eines Arbeitslebens herangezogen. Das hat vor allem Frauen sowie Men­schen, die im Akkord gearbeitet haben, genützt. Dann ist ein Bundeskanzler namens Schüssel gekom­men, der den Durchrechnungszeitraum eingeführt hat. Das heißt, durch den lebens­langen Durchrechnungszeitraum sind die Pensionen automatisch geringer geworden, und Kollege Stöger hat völlig recht: Immer wenn in dieser Republik ein ÖVP-Bundes­kanzler am Werk ist, geht es den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern schlechter. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.30


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Alexandra Tanda. – Bitte.


12.30.45

Abgeordnete Ing. Mag. (FH) Alexandra Tanda (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause vor den Bildschirmen! Als eine der letzten RednerInnen zum Gesund­heitsbudget möchte ich nochmals die so wichtigen Leistungen der Bundesregierung, welche sich ganz klar in diesem Budget widerspiegeln, hervorstreichen. Auch wenn die Opposition in einer für dieses Hohe Haus oft beschämenden und unwürdigen Sprache moniert, dass alles, alles schlecht sei, muss sich wahrscheinlich selbst die Opposition im Innersten eingestehen: Die Steigerung des Budgets ist gut, richtig und vorbildlich.

Die Zahlen haben wir heute schon sehr oft gehört, ich wiederhole sie trotzdem noch einmal: 1,8 Milliarden Euro – das ist nicht nichts! Auch die 600 Millionen Euro Steige­rung – man bedenke, das sind 50 Prozent mehr als im Vorjahr – sind nicht nichts. Diese Erhöhung ist aus vielerlei Gesichtspunkten nicht nur wichtig, sondern unerlässlich gewesen, natürlich insbesondere aus Gründen der Pandemiebekämpfung, zur Scha­dens­vergütung nach dem Epidemiegesetz und so weiter. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Von den 426 Millionen Euro haben wir heute auch schon öfter gehört. Besonders her­vorheben möchte ich aber auch die 120 Millionen Euro, die impfstoffgebunden sind. Man sieht daran, wie wir vorhin auch vom Herrn Bundesminister gehört haben, dass das eine richtige Herangehensweise war, die sehr zukunftsorientiert ist. Dieser Budgetposten geht auch in die Gesundheitsvorsorge und in die Zukunft.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 409

Dieses Budget ist unter den schwierigsten Voraussetzungen und mit großer Verant­wortung erstellt worden. Es betrifft nicht nur die fordernde Zeit, die wir jetzt erleben, sondern es ist auch in die Zukunft gerichtet. Den anstehenden Zukunftsthemen und der Gesundheitsvorsorge wird in diesem Budget Rechnung getragen werden.

Betonen möchte ich die Entwicklungen im Bereich E-Health, die unbedingt forciert werden müssen. Genderaspekte, die heute noch gar nicht zur Sprache gekommen sind, haben in diesem Budget Platz und werden im nationalen Krebsrahmenprogramm, in der Forschung, in der Diagnostik und in der Therapie berücksichtigt – ganz besonders auch der gleichberechtigte Zugang von Frauen und Männern zur Gesundheitsvorsorge, denn wie wir wissen, sind Männer bei diesem Thema ja etwas nachlässig.

Um nochmals die Notwendigkeit eines guten Budgets für die Gesundheit zu verdeut­lichen, sei gesagt: Wir haben Gott sei Dank eines der besten Gesundheitssysteme der Welt! Mein Kollege hat bereits über die Intensivbetten gesprochen: mit 28,9 Intensiv­betten pro 100 000 Einwohner haben wir eine der weltweit höchsten Versorgungs­dichten. Wir müssen weiter daran arbeiten, dass wir an dieser Spitze bleiben! Mit diesem Budget ist das möglich. – Danke vielmals. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

12.33


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Rosa Ecker. – Bitte.


12.33.52

Abgeordnete Rosa Ecker, MBA (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geschätzte Damen und Herren hier im Saal und zu Hause vor den Fernsehgeräten! „Es ist eines der Grundrechte jedes Menschen [...], sich einer möglichst guten Gesundheit zu erfreuen.“ – So lautet ein Zitat der WHO. Mit den Ausgaben im Gesundheitsbereich liegt Österreich international tatsächlich im Spitzenfeld. Es gibt viele Gesundheitsziele, die dazu beitragen sollen, dass Herr und Frau Österreicher möglichst viele sogenannte gesunde Lebensjahre in unserem Land verbringen können.

Dabei ist die psychische Gesundheit eines der Schlüsselelemente. Die psychische Gesundheit wirkt sich auf akute und auch auf chronische Erkrankungen aus. Wie schaut es in unserem Land mit dieser Versorgung aus? – Der Herr Minister hat es schon angesprochen: Die psychische Gesundheitsversorgung ist bei uns eine starke Schwach­stelle. Die Wartezeiten für Behandlungstermine betragen oft Wochen oder Monate. Da muss die Versorgung dringend ausgeweitet werden!

Noch dazu ist die Psyche seit Covid-19 unter Dauerbelastung. Das zeigt auch eine Studie der Donau-Universität Krems auf: Seit April leidet ein Fünftel unserer Bevölkerung an depressiven Symptomen, Ängsten, Schlafproblemen und Depressionen. Diese lange und starke Belastung hält an, sie hat sich nach dem Ende des ersten Lockdowns nicht verbessert, und wir sind erst am Anfang des zweiten Lockdowns. Die jungen Erwach­senen leiden besonders auffallend darunter.

In diesem Zusammenhang ist auch brisant, dass die Situation in der Kinder- und Jugend­psychiatrie im Argen liegt. Eine wohnortnahe Versorgung ist überhaupt nicht sicher­gestellt, die Kinder- und Jugendpsychiatrieambulanzen und -stationen sind stark überlastet. Es ist so, dass Covid derzeit alles überdeckt und alles andere untergeht. Es wird aber der Tag kommen, an dem wir alle feststellen werden, dass der gesundheitliche Gesamtschaden enorm ist. Viele Erkrankungen werden nicht oder zu spät festgestellt und können dann nicht mehr geheilt werden, und die wirksame Früherkennung ist nicht Covid zum Opfer gefallen, sondern den Maßnahmen der Regierung.

Der Gesundheits- und Pflegekräftemangel, der heute schon oft angesprochen worden ist, ist wirklich ständig in aller Munde. Wo aber ist mehr Geld für Ausbildung, für praxis-


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und bedarfsgerechte Ausbildung, für kontinuierliche Fortbildung? Wo im Budget schla­gen sich gute Arbeitsbedingungen nieder, die einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, dass das Gesundheitspersonal im Beruf verbleibt – wir haben ja eine hohe Drop-out-Quote –? Warum verlassen 40 Prozent der Jungmediziner Österreich, und warum schauen wir dabei einfach zu? Wie schaut es mit dem Heimatstipendium für Ärzte aus, welches in Ihrem Regierungsprogramm steht? Fällt das auch Corona zum Opfer? Wann verhandelt die Regierung mit der EU über eine neue Quotenregelung bei den Medizin­studienplätzen, damit der drohende Versorgungsengpass, einmal abgesehen von der Pandemie, nicht Realität wird?

Jetzt sind Intensivmediziner, Ärzte, Pflegepersonal und Krankenschwestern in aller Munde und im Fernsehen zu sehen. Sie werden gelobt, beklatscht – wie gerade eben –, manche dürfen sogar bei einer Pressekonferenz ans Rednerpult. Nach der Krise werden sie von der Regierung sicher wieder vergessen. So schaut es in Österreich aus! (Beifall bei der FPÖ.)

12.37


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dietmar Keck. – Bitte.


12.37.31

Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich muss Herrn Primarius Saxinger recht geben: Jawohl, die Situation in den Krankenhäusern ist so. Ich weiß, es ist in deinem Klinikum Wels-Grieskirchen genauso, wie es im KUK in Linz ist. Die Problematik der Covid-19-Epidemie ist vorhanden, das kann man nicht leugnen, und da ist natürlich Eigenverantwortung gefragt. Viele Dinge sind gefragt, zum Beispiel auch Verordnungen, die rausgehen.

Lieber Herr Minister, wenn man sich die letzte Verordnung anschaut, dann stellen sich mir – und auch den Bewohnerinnen und Bewohnern von Österreich – teilweise die Haare auf: Im Spitzensport zum Beispiel – und man braucht ja Brot und Spiele, wenn es so etwas gibt – ist Fußball erlaubt. Da dürfen 22 Personen einem Ball nachlaufen, und wenn ein Tor geschossen wird, fallen sie sich um den Hals, busseln sich ab und so weiter, es ist erlaubt, man hat sich nur die Nationalmannschaft angeschaut. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Anschober.) – Ich habe alles da (Unterlagen in die Höhe haltend), Herr Bundesminister. Jetzt muss man aber eines sagen, und jetzt komme ich dazu: Den Tierbetreuern – so schön heißt der Beruf bei der Wirtschaftskammer –, das sind jene, die Tierpensionen betreiben, Tierbetreuungen machen, Hunde betreuen und so weiter, ist es verboten, ihre Trainings abzuhalten, weil ein Einzeltraining dieser Betreuer unter Veranstaltung fällt, Herr Minister! Das heißt, sie dürfen ihren Klienten nicht weiter betreuen, obwohl sie sich auf einer Freifläche bewegen wie in diesem Raum (mit den Händen auf den Sitzungssaal weisend) – das sind nur zwei Personen! Das dürfen sie nicht, das ist verboten.

Da fängt die Problematik an: Ich habe mir angeschaut, was die WKO dazu sagt. Sie sagt: Nein, das ist erlaubt. – In den letzten Tagen haben mich wirklich – ich übertreibe nicht – zig Personen kontaktiert, weil sie äußerst unsicher sind, sie wissen nicht mehr, was los ist. Ich habe hier eine Liste, ein Dokument der WKO, darin steht zum Beispiel: „Alle Dienstleistungen (inkl körpernahen Dienstleistungen wie zB mobile Friseure oder mobile Kosmetiker) bei Privatkunden zuhause sind grundsätzlich zulässig“. – Das Geschäft muss der Friseur aber zusperren!

Keiner weiß jetzt mehr, was erlaubt ist! Die WKO schreibt das eine, die Verordnung des Ministeriums sagt etwas anderes, und die Bevölkerung Österreichs ist bei all dem verunsichert. Das heißt, Herr Minister, ich würde dich wirklich bitten: Schauen wir doch, dass wir realitätsnahe, praxisnahe – und nicht praxisferne – Verordnungen hinbringen!


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Wenn du das mit deinen Juristen nicht schaffst, kann ich dir nur den Tipp geben: Bitte tausch sie aus!

Das Verordnungschaos, das die bei dem Ganzen schon angerichtet haben, ist nicht mehr normal. Keiner kennt sich mehr aus. Wir wissen, dass wir die Pandemie haben, wir wissen, dass die Pandemie schrecklich ist, dass es die schrecklichste Pandemie seit 100 Jahren ist – das hast du zu dem Ganzen schon gesagt –, durch das Verordnungs­chaos der Juristen in deinem Haus entstehen aber noch viel, viel mehr Problematiken, weil sich keiner mehr auskennt. Durch diese Verordnungen, die du ausgibst, weiß keiner mehr, was er tun darf. Keiner weiß mehr, woran er sich halten muss. Keiner weiß mehr, ob man bestraft oder nicht bestraft wird.

Ich werde zum Beispiel gefragt: Wen darf ich mir als Bezugsperson aussuchen? Es steht so drinnen, dass Bezugsperson heißt, dass man mehrmals in der Woche Kontakt hat. Heute hat mich eine Großmutter gefragt: Ich habe mit meinen Enkeln nur alle 14 Tage Kontakt, bin ich eine Bezugsperson? – Alles, was in deiner Verordnung steht, ist wirklich dramatisch. Ich würde dich bitten, mach alle deine Verordnungen bürgernahe, sodass jeder sie versteht und sie auch entsprechend einhalten kann. (Beifall bei der SPÖ.)

12.41


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Herr Bundesminister Rudolf Anschober zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister.


12.41.11

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Geschätzte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bitte um Entschuldigung für die leichte Verspätung, aber Maske mit Brille ist manchmal ein Thema und ein Problem, wenn man sie weggibt oder aufsetzt.

Es hat ein paar Redebeiträge gegeben, auf die ich kurz Antworten geben möchte. Ich glaube, es ist ein Gebot der Höflichkeit und der Fairness, die Fragen, die in dieser Bud­getdebatte gestellt werden, auch zu beantworten. Das eine war die Frage von Kollegen Keck, der jetzt in ein Gespräch vertieft ist, aber wir sind ja auch immer in einem guten Gespräch. Als Hinweis für alle, die sich in Details nicht hundertprozentig sicher sind: Was ist der Geist mancher Paragrafen in der Verordnung? Wie ist was gemeint? – Auf www.sozialministerium.at haben wir sehr, sehr viele Fragen und Antworten formuliert. Man kann dort auch zusätzliche Fragen stellen (Abg. Stöger: Wir sind ein Rechtsstaat!), die dann in sehr verständlicher Sprache beantwortet werden. Das ist, glaube ich, die beste Art und Weise, wie wir da bei Unsicherheiten jeweils Aufklärung geben können.

Der zweite Punkt, der thematisiert wurde – worüber ich sehr froh bin –, ist die Frage zu Zoonosen und Pandemien. Ich halte das für ein ganz wichtiges Thema. Wir haben festgelegt, dass wir dazu einen wesentlichen Forschungsbereich in Österreich setzen wollen. Wir haben das auch erst vergangene Woche gemeinsam mit der Tierschutz­kom­mission diskutiert und beraten. Wir werden das tun. Warum? – Weil der Zusammenhang, der offensichtlich gegeben ist, schon ein sehr, sehr intensiver ist. Damit meine ich nicht Landwirtschaft, denn das, was wir da sehen, etwa betreffend Pelztierzucht auf inter­nationaler Ebene, hat ja nichts mit Landwirtschaft zu tun, sondern das ist Industrie, das ist in Wahrheit die Produktion von Schmuckstücken – und das mit und zulasten von Lebewesen, die genauso wie andere Lebewesen Schmerz empfinden, Sensibilitäten haben, Empfindsamkeit haben. Ich bin deshalb sehr glücklich, dass Österreich da mit dem Ausstieg im Jahr 2005, wenn ich es richtig in Erinnerung habe, eine Vorreiterrolle eingenommen hat. Wir müssen jetzt aber darum kämpfen, dass es in diesem Zusam­menhang ein europaweites Verbot gibt. Das ist unsere Aufgabe und Verantwortung für so viele Millionen Tiere, die überhaupt keine Chance haben. Wir wissen auch, dass es


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da mit einem relativ hohen Risiko wieder Zusammenhänge mit einer nächsten Pandemie geben könnte und geben kann.

Das sollte eine österreichische Initiative auf europäischer Ebene sein: Schluss mit dieser brutalen Pelztierproduktion! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zu einem dritten Punkt: Eine Kollegin hat das Thema Plan und Leidenschaft the­matisiert – das habe ich mir aufgeschrieben, weil es mir gut gefallen hat. Ich bin zwar der gegenteiligen Meinung, was das Ergebnis betrifft, aber dass beides wichtig ist, darin sind wir einer Meinung. Die Frage ist nämlich, wie wir die Durchimpfungsrate auf eine gute Art und Weise erreichen können. Wir werden in Kürze mit einem Gesetzentwurf dazu, wer aller wird impfen dürfen, in das Hohe Haus kommen. Da wird es Erweiterungen geben müssen, darin stimmen wir überein. Welche Gruppe es genau ist, daran arbeiten unsere Experten derzeit, und das werden wir entsprechend vorlegen. Derzeit haben wir als die Legitimierten im Wesentlichen die Ärzte und die Diplomkrankenpfleger. Wir werden das deutlich erweitern, damit wir das Ziel einer sehr hohen Durchimpfungsrate von zumindest 50 Prozent plus x in Österreich – und das x soll möglichst groß werden – auch tatsächlich schaffen.

Ja, ich kann nur zustimmen, wir werden aus dem herkömmlichen Weg hinausgehen und viel breiter auf Bevölkerungsgruppen zugehen. Ein Beispiel ist: Wir werden sehr stark in Betriebe gehen, gemeinsam mit den Betriebsärztinnen und Betriebsärzten, mit der Wirtschaft, mit der Industrie, mit den Gewerkschaften, mit den Arbeiterkammern vor­gehen, um ein sehr nahes Angebot vor Ort zu machen. Wir werden selbstverständlich bereits in der Startphase mit dem Angebot auch ganz stark in Alten- und Pflegeheime gehen, weil das die „Hauptrisikogruppe“ – unter Anführungszeichen – ist.

Wir werden dieses Angebot in einem breiten Bereich formulieren, natürlich auch im öffentlichen Raum. Aus meiner Sicht sind die Impfstraßen in Wien, die einmal im Testlauf realisiert wurden, sehr gut. Auch das wird ein Modell sein, das wir österreichweit ausrollen, um einen möglichst barrierefreien, guten Zugang zu ermöglichen.

Wir werden vier Phasen der Impftätigkeit vorbereiten: zuerst eben sehr spezifische Zielgruppen, wobei es um Risikogruppen und besonders verwundbare Gruppen und dann um die Gesundheitsberufe gehen wird. So werden wir schrittweise mit einem sehr klaren Programm vorgehen. Das ist ein wichtiger Punkt.

Der nächste wichtige Punkt aus meiner persönlichen Sicht ist die Frage der Neben­wirkungen – andere sagen Kollateralschäden, aber mir gefällt diese Begrifflichkeit nicht so –, Nebenwirkungen in folgendem Sinn: Ja, wir hatten auch in den Spitälern und im gesamten Gesundheitssystem Nebenwirkungen der Covid-Bekämpfung auf Bevölke­rungs­gruppen, vor allem, als es im Frühling schon sehr stark die Stimmung gegeben hat, dass Spitäler und Arztpraxen keine sicheren Orte sind. Das wollen wir korrigieren, denn es ist extrem wichtig, dass die Arztpraxis und das Spital als sichere Orte gesehen werden und die Früherkennungsuntersuchungen, die Kontrolluntersuchungen ganz normal weiterlaufen.

Mein Appell lautet im Übrigen auch, die Kinderimpfprogramme weiter umzusetzen, sich keine Sorgen in diesem Bereich zu machen und keine medizinischen Kontrolltätigkeiten, Kontrollgänge und etwa auch keine Impfung wegzuschieben, weil man sich Sorgen über den Ort macht. Das ist kein Risikoort, sondern dort gibt es bestmöglichen Schutz. Meine Bitte, mein Appell lautet, diese Termine tatsächlich nicht zu verschieben, sondern jetzt wahrzunehmen, da es geplant ist. Die Spitäler und alle anderen stehen dafür zur Verfügung. Wir haben ja den großen Vorteil im Vergleich zum Frühling, dass wir jetzt ausreichend Schutzmaterialien haben. Ich glaube, das sollten wir alle so kommunizieren, da diese Nebenwirkungen – sie werden auch diesmal vorhanden sein, das muss man


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ganz offen sagen – nicht so groß wie im Frühling werden sollten. – Das ist der Bereich der Nebenwirkungen, der angesprochen wurde.

Als weiteren wichtigen Punkt möchte ich einfach noch einmal etwas klarstellen – denn wer weiß, was mit derartigen Mythen sonst passiert –: Es wurde von einem Redner der FPÖ ein Puls-4-Interview mit mir zitiert, zum Teil zitiert, wobei der Vorwurf war, ich hätte indirekt per Kommunikation über Puls 4 – das wäre eine interessante Entscheidungs­findung und Kommunikation; eigentlich ist das Parlament und ist die Regierung der Ort, wo man etwas Derartiges entscheiden müsste, was wir im Übrigen nicht wollen – angekündigt, dass der Lockdown über den 6. Dezember hinaus fortgesetzt wird. Dem ist nicht so.

Ich habe schon – das muss ich zugeben – etwas missverständlich formuliert, das ist richtig. Von daher kann man es auch so interpretieren, wie Sie, Herr Kollege, es gemacht haben. Mit der Formulierung, dass der Lockdown anhält, war aber nicht gemeint, dass er fortgesetzt wird, sondern dass die Wirkung des Lockdowns anhält. Das möchte ich nur klarstellen, damit es keine Missverständnisse gibt. Ich habe das auf Twitter und auf Facebook auch schon gemacht.

Wir müssen das Ziel haben, dass der Lockdown so nachhaltig ist, dass er nicht nur für einige Wochen wirkt, sondern dass er möglichst lange Zeit bis zur Impfung wirkt. Das heißt, dass wir die Zahlen – ich habe das dann auch im Zusammenhang erklärt – so absenken, dass wir für die nächsten Wochen und Monate, falls es Monate bis zur Impfung sind, wieder Luft haben. – Ich glaube, das ist damit klargestellt.

Ein letzter Punkt: Ich habe immer wieder Schwierigkeiten dabei gehabt, wie man mit Menschen umgeht, die – aus dem wissenschaftlichen Bereich, aus dem medizinischen Bereich oder auch aus einem parteipolitischen Bereich kommend – Covid verharmlosen oder Covid leugnen. Jetzt kann man bei jedem Bereich natürlich unterschiedliche Po­sitionen haben, aber natürlich hat die Debatte teilweise gerade dann, wenn sie von Medizinerinnen und Medizinern – in Einzelfällen, nur in Einzelfällen! – gekommen ist, schon dazu beigetragen, dass Teile der Bevölkerung ganz einfach verunsichert waren.

Ich muss euch ganz offen und ehrlich sagen: Wenn Kollege Saxinger hier in diesem Haus aus seiner Praxis des Arbeitens in den Spitälern berichtet und dann von einem Abgeordneten der Zwischenruf kommt, dass sei reine Panikmache, dann verstehe ich persönlich das einfach nicht mehr. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Was ist los mit euch, dass man so an den Realitäten vorbeidiskutiert? Wann schaffen wir es endlich, dass wir sagen: So, jetzt ist einmal Schluss mit Parteipolitik, jetzt geben wir uns – quasi bildlich gesprochen – die Hand und versuchen, gemeinsam durch diese Krise zu gehen, und in sechs Wochen, in acht Wochen führen wir dann wieder die parteipolitische Auseinandersetzung!? – Das ist ja kein Glaubenskrieg, keine Glaubens­aus­einandersetzung. Das ist wissenschaftlich belegt. Was glauben Sie denn, woher diese Patientinnen und Patienten in den Intensivstationen kommen? Die erfindet ja nie­mand. Ich erachte es wirklich als eine Verhöhnung der Arbeit der Mediziner und Medi­zinerinnen und der Pfleger, wenn wir so miteinander diskutieren und nicht einmal diese Situation wirklich ernst nehmen und die Tätigkeit der Betroffenen vor Ort so unterstützen, wie es wirklich das Gebot der Stunde ist. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)


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12.51


Präsidentin Doris Bures: Mir liegen nun zur Untergliederung 24, Gesundheit, keine Wortmeldungen mehr vor, und damit schließe ich auch diesen Themenbereich.

12.51.42UG 14: Militärische Angelegenheiten


Präsidentin Doris Bures: Wir kommen zur Untergliederung 14: Militärische Angelegen­heiten.

Ich begrüße sehr herzlich Frau Bundesministerin Klaudia Tanner in unserer Mitte.

Als erstem Redner erteile ich Herrn Abgeordnetem Robert Laimer das Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.


12.51.55

Abgeordneter Robert Laimer (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Hand aufs Herz, Frau Ministerin, die marginale Budgeterhöhung von 5 Prozent in Bezug auf Österreichs Landesverteidigung für 2021 ist ein Pyrrhussieg. Laut der Budgetvorschau werden schon die Folgejahre mit einer kontinuierlichen Budgetkür­zung einhergehen, und unsere verfassungsmäßige Einrichtung, das Bundesheer, wird weiterhin finanziell ausbluten.

Von der ehemaligen Zielvorgabe 3 Milliarden Euro sind Sie meilenweit entfernt, Frau Minister! Der budgetäre Offenbarungseid wird auf 2022 verschoben.

Meine Damen und Herren! Vieles liegt in der Amtszeit unserer Ministerin im Trüben und muss rasch aufgeklärt werden. Die aktive Luftraumüberwachung ist mit dem Ausschei­den der Saab 105 Unterschallflugzeuge nicht mehr gesichert. Ab 2021 sollen die teuren Eurofighter sozusagen Exklusivrecht über unseren Luftraum haben. Die geplanten 1 500 Flugstunden für 2021 lassen eine Überwachung so löchrig wie Schweizer Emmen­taler Käse erwarten.

Die verfassungsmäßige Verpflichtung wird nicht mehr ausreichend erfüllt und die Mehr­kosten für 2021 sind exorbitant, kosten doch Flugstunden der Schüssel-Flieger das Zehnfache der ersatzlos gestrichenen Saab 105; das bedeutet 900 Prozent Mehrkosten pro Flugstunde für das Eurofighter-Monopol.

Übrigens sind die mittlerweile in die Jahre gekommenen Eurofighter außerdem einem Upgrade zu unterziehen, was natürlich mit hohen Zusatzkosten verbunden ist. Diese unsägliche politische Schüssel-Erbmasse war und ist ein gutes Geschäft für Airbus, denn wie es aussieht, wird der größte Korruptionsskandal leider keiner für die Steuer­zahlerInnen gerechten Lösung zugeführt, da die Republik auf den teuren Kosten sitzen bleiben wird.

Eine weitere Grauzone, die uns bevorsteht, ist der BIG-Deal mit der Bundesimmobilien­gesellschaft oder der Ausverkauf des österreichischen Bundesheeres. Wir werden ge­nau darauf schauen, wer zum Beispiel bei der geplanten Veräußerung der Liegenschaf­ten – die sogenannten Filetstücke in Wien – den Zuschlag bekommt, ob da nicht potenzielle Wahlkampfspender des Bundeskanzlers – natürlich völlig objektiviert über die BIG – zum Zug kommen. Das wäre dann sozusagen wieder einmal ein Big Deal unter Freunden. (Abg. Steinacker: ... ausgerechnet der BIG mangelnde Objektivität zu unter­stellen!)

Geschätzte Damen und Herren! Unter den veröffentlichten Risikobildern für Österreich sind neben hybriden Bedrohungen, Pandemien, vor allem auch Blackoutszenarien rele­vant. Die reale Gefahr eines Blackouts darf nicht unterschätzt werden und die Vorbe­reitung für die nötige Resilienz in der gesamten Gesellschaft muss ein Gebot der Stunde werden.

Auch die Cyberabwehr steckt in Österreich leider noch in den Kinderschuhen, wird aber zu einer unverzichtbaren Staatsaufgabe werden. Da befinden wir uns in einem Wettlauf mit der Zeit. Daher sind dafür Experten auszubilden, die sicher nicht vor Ihrem Amtssitz


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auf der Roßauer Lände Schlange stehen werden. Die Pandemie hat uns leidvoll gelehrt, dass wir unser Gesundheitssystem stabil halten und auch noch weiter ausbauen müs­sen. Auch im Bereich der Heeressanität ist ja hoffentlich ein Umdenken passiert, um robuste Infrastruktur zu schaffen, die mittelfristig durchaus auch in einem Pandemie­zentrum münden könnte.

Schutz und Hilfe – diese Botschaften prägen das Bundesheer. Das Bundesheer hat das heuer im Seuchenjahr ganz besonders bewiesen. Um diese Hilfe im Einsatzfall in der Assistenzleistung und so weiter bewerkstelligen zu können, braucht es allerdings finanzielle Voraussetzungen.

Auf diesem Wege ergeht auch von meiner Seite besonderer Dank an alle Soldaten und insbesondere an die Miliz. Bis zum heutigen Tag gab es für die Landesverteidigung kein Geld aus dem Covid-19-Krisenbewältigungsfonds. Ich fürchte, dass die letzten eisernen Reserven aufgebraucht werden müssen, um überhaupt in die Nähe eines Anspruches zu kommen, gleichzeitig fordert das Innenministerium das Bundesheer für mittlerweile ohnehin eh schon alles an. Auch das Gesundheitsministerium braucht unser Heer wie einen Bissen Brot. Der Pferdefuß dabei: Es wird nichts abgegolten.

Frau Minister, Sie müssen sich da durchsetzen. Sie müssen sich durchsetzen, denn es heißt immer: Wer zahlt, schafft an! Dem Bundesheer wird zwar quer über die Republik hinweg angeschafft, nur bezahlt werden diese Einsätze nicht. Die Loyalität, immer und überall für die Republik da zu sein, muss auch monetär abgegolten werden. Vielleicht wird Sie Ihr Finanzminister diesbezüglich kennenlernen. Es wäre im Sinne Österreichs. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.57


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Johann Höfinger. – Bitte.


12.57.11

Abgeordneter Johann Höfinger (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Laimer hat sich hierhergestellt und hat beklagt, dass es zu wenig Budget wäre. Wenn man sich aber die Zahlen im Detail anschaut, dann weiß man, es ist ein größeres Stück mehr, als die letzten Minister von SPÖ und FPÖ an Budget vorzuweisen hatten. Es sind nahezu 2,7 Milliarden Euro, die uns für das kommende Jahr zur Verfügung stehen – das bedeutet eine Steigerung von 5 Prozent gegenüber dem Vorjahr –, plus Sonderinvestitionen in der Höhe von nahezu 655 Millionen Euro, wenn es um Beschaffungsvorgänge in den nächsten Jahren geht.

Das Bundesheer erfüllt ja tagtäglich umfassende Aufgaben. Abgesehen von der stän­digen Vorbereitung für die Landesverteidigung, ist es jetzt auch zur Unterstützung im Coronaeinsatz tätig gewesen, war außerdem unterstützend beim Terroranschlag bezie­hungsweise ist auch in der Terrorabwehr ganz intensiv tätig. Es hilft, wenn es zu Katastrophen kommt, und leistet vieles, vieles mehr. Es ist umfangreich, was hier alles vorbereitet werden muss.

Ja, diese Investitionen sind daher notwendig. Vielen Dank, Frau Bundesminister, dass Sie es geschafft haben, diese Steigerung des Budgets zu erreichen, denn die Inves­titionen sind dringend notwendig – das wissen wir. Sie haben geordnet nach vorne geschaut, Sie haben sowohl in die Infrastruktur als auch in die persönliche Ausrüstung, die Weiterbildung, die Ausbildung der Mannschaft investiert und natürlich auch umfas­send investiert, wenn es um Einsätze auf dem Boden, in der Luft oder auch auf dem Wasser geht. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Fischer.)


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Sehr geehrte Damen und Herren! An dieser Stelle sage ich ein großes Danke allen Bundesheerangehörigen, die oft in schwierige Einsätze gehen, die uns tagtäglich zugu­tekommen, die aber auch über Landesgrenzen hinaus für den Frieden auf dieser Welt sorgen und sich damit oft in Gefahr begeben. Von unserer Seite werden wir und können wir das nur mit größter Sorgfalt unterstützen und wir werden auch diesem Budget mit Freude zustimmen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Ernst-Dziedzic und Fischer.)

12.59


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Reinhard Eugen Bösch ist der nächste Redner. – Bitte.


12.59.34

Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (FPÖ): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Zugegeben, wir werden im Budget 2021 eine Erhöhung haben. Das ist aber, wenn wir die weitere Entwicklung betrachten, nur ein Einmaleffekt. Im Bundesfinanzrahmen zeigt sich die Realität, da wird der Etikettenschwindel sichtbar, weil ab dem Jahre 2022 die Finanzen für das österreichische Bundesheer wieder sinken werden. Das ist deshalb keine kontinuierliche Entwicklung hin zu einem weiteren Aufbau des österreichischen Bundesheeres und seiner Kapazitäten. (Präsident Hofer über­nimmt den Vorsitz.)

Sie haben mit Beginn des Jahres, Frau Ministerin, den verfassungsmäßigen Auftrag des Bundesheeres zur Landesverteidigung infrage gestellt. Es ist damals auch von den drei Oppositionsparteien zu Recht ein Misstrauensantrag gegen Sie eingebracht worden. Sie haben aber auch – ich nehme an, im Auftrag Ihrer Partei, Ihres Bundesparteiobmannes – die Luftraumüberwachung an den Rand des Ruins geführt. Aufgrund der Entscheidung der Nichtnachfolge der Unterschallflugzeuge Saab 105 haben wir uns von den 15 Euro­fightern abhängig gemacht, die wir derzeit als einzige Flotte zur Verfügung haben.

Sie haben auch mit einer etwas schnoddrigen Pressekonferenz die Beziehungen zu den Staaten, die diese Firma Eurofighter und Airbus betreiben, eigentlich nicht gefördert. Es wäre besser gewesen, Sie hätten eine Gesprächsbasis mit den Betreiberstaaten ge­sucht, mit Deutschland oder Italien zum Beispiel, das sind Länder, mit denen wir ja auf europäischer Ebene befreundet sind, mit denen wir ja reden können und auch Geschäfte machen. Sie hätten sich auch Gedanken machen müssen, nicht nur in Bezug auf einen allfälligen Verkauf der jetzigen Eurofighter, sondern auch in Bezug auf die Errichtung einer Gesprächsbasis, einer vernünftigen Gesprächsbasis; Sie hätten mit der Firma auch in Kontakt treten müssen.

Dann hätte die Republik auch ein besseres Standing in Bezug auf die Forderung von Ersatz, von Kostenersatz und von Schadenersatz gehabt, den wir mit dieser Klage, die jetzt abgewiesen worden ist, geltend gemacht haben. Wir müssen ja ins Treffen führen, dass andere Länder diesen Schadenersatz auch bekommen haben. Deshalb ist es schade, dass wir nicht die ganze Bandbreite an Möglichkeiten genutzt haben, um auch den Interessen der Republik zum Durchbruch zu verhelfen.

Wir treten dafür ein, dass die Unterschallflieger eine Nachfolgeregelung bekommen, wir treten auch dafür ein, dass in Bezug auf die Eurofighter alles überlegt wird, was wir damit machen können, entweder eine Stilllegung, einen Verkauf, eine Nachfolge oder auch ein Update der 15 Flieger, die wir haben. Die Grundlagen für all diese Entscheidungen, Frau Ministerin, sind erarbeitet, sie sind unter Mario Kunasek festgelegt worden. Wir brauchen keine Enquete-Kommission, wir brauchen nur eine Entscheidung der dafür verant­wort­lichen Bundesregierung. Wir brauchen eine Entscheidung der dafür verantwortlichen Ministerin – und das sind Sie.


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Im Bereich der Luftraumüberwachung gab es eine positive Erscheinung, das ist die Hubschraubernachbeschaffung, aber auch diese wurde schon unter Mario Kunasek in die Wege geleitet, sie wurde unter Ihrer Ministerschaft jetzt umgesetzt.

Sie haben – zum Zweiten –, Frau Ministerin, auch ein Verfassungsprinzip nicht wirklich verfolgt. Sie haben einem Verfassungsprinzip nicht zum Durchbruch verholfen, nämlich dem Milizprinzip. Wir erheben seit Jahren die Forderung, dass es verpflichtende Miliz­übungen geben muss – wenn wir diesem Prinzip Folge leisten können und wenn wir es überhaupt mit Leben erfüllen können. Das ist in Ihrer Regierungszeit bisher nicht ge­schehen. Es wird keine verpflichtenden Übungen im Bereich der Miliz geben und deshalb auch nicht die ausreichende Planbarkeit in diesem Bereich, was sehr schade ist.

Sie haben auch begonnen, wieder die Frage von Kasernenverkäufe aufzuwerfen, Sie verscherbeln wieder das Familiensilber des österreichischen Bundesheeres. In Bezug auf die neuen Aufgaben, die wir bekommen haben, in Bezug auf die Lagerhaltung – das Gesetz haben wir gestern beschlossen –, in Bezug auch auf Ihre Versuche, die Miliz personell aufzubauen, Teiltaugliche in den Dienst des österreichischen Bundesheeres zu bringen, halten wir es für unverantwortlich, dass man jetzt wieder Grundstücke, Kasernen, die bezugsfertig wären, die auch zur Benützung dastehen, verkauft. Sie soll­ten davon Abstand nehmen, Frau Ministerin, im Sinne der Entwicklung des österreichi­schen Bundesheeres. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich darf, aufbauend auf den Appell des Chefs des Generalstabes, folgenden Ent­schließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Reinhard Eugen Bösch, Robert Laimer, Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend „dringend notwendige budgetäre Mittel für einen verfassungskonformen Zustand des Heeres“

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass, im Hinblick auf den Investitionsrückstau des Österreichischen Bundesheeres im Bereich der militä­rischen Ausrüstung, Gerät und Kaserneninfrastruktur, eine budgetäre Ausstattung in der Höhe 3 Mrd für das Jahr 2021 vorgesehen wird.

In den weiteren Jahren sind die notwendigen budgetären Mittel zur Verfügung zu stellen, um einen verfassungskonformen Zustand des Österreichischen Bundesheeres zu ge­währleisten.

Große Beschaffungsvorhaben, wie zum Beispiel Flugzeuge für die Luftraumüber­wachung, sind durch weitere Investitionspakete zusätzlich zum Regelbudget abzudecken.“

*****

Ich danke sehr. (Beifall bei der FPÖ.)

13.05

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Dr. Bösch, Laimer, Hoyos-Trauttmansdorff

und weiterer Abgeordneter


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 418

betreffend dringend notwendige budgetäre Mittel für einen verfassungskonformen Zustand des Heeres

eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 11, Bericht des Budget­ausschusses über die Regierungsvorlage (380 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2021 (Bundesfinanz-gesetz 2021 – BFG 2021) samt Anlagen (449 d.B.), Untergliederung 14 – Militärische Angelegenheiten, in der 62. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 18. November 2020

Der Entwurf zum Bundesvoranschlag 2021 sieht für die UG 14 - Militärische Ange­legenheiten im Finanzierungshaushalt Auszahlungen in der Höhe von 2,6 Milliarden EUR vor. Mit den vorgelegten Budgetzahlen ignoriert die Bundesregierung den katastro­phalen Zustand und die dramatische Unterfinanzierung des österreichischen Bundes­heeres! Das Bundesheer ist weit weg davon, seine von der Bundes-Verfassung vorge­gebene Aufgabe, die militärische Landesverteidigung, auch nur in Ansätzen erfüllen zu können.

Auf Grund der immerwährenden Neutralität ist Österreich verpflichtet alles zu tun, um das eigene Land, die Heimat, zu verteidigen. Dafür bedarf es der militärischen Lan­desverteidigung durch das Bundesheer, welches als Einsatzheer zu führen und nach den Grundsätzen eines Milizsystems einzurichten ist.

Das Österreichische Bundesheer ist aufgrund jahrzehntelanger Unterfinanzierung nicht mehr in der Lage seinen verfassungsmäßigen Auftrag vollumfänglich zu erfüllen. Der Generalstab hat in seiner Broschüre „Effektive Landesverteidigung! – Ein Appell“ und später mit dem Bericht „Unser Heer 2030“ ganz klar die problematische finanzielle Ist-Situation dargestellt.

Im Hinblick auf den Investitionsrückstau im Bereich der militärischen Ausrüstung, des Geräts und der Kaserneninfrastruktur braucht unser Bundesheer für die uneinge­schränkte Einsatzfähigkeit einen erheblichen finanziellen Schub. Viele dringend not­wendige Beschaffungsentscheidungen stehen an, sind eigentlich überfällig. Die Miliz­verbände und -einheiten weisen einen dramatischen Fehlbestand an Personal und Material auf, der umgehend beseitigt werden muss. Für eine mobilzumachende Miliz ist es unabdingbar, wieder verpflichtende Waffenübungen einzuführen. Moderne Ausrüs­tung für Miliz und GWD muss gewährleistet sein, denn sie sind die unverzichtbaren "Arme und Beine" unserer Armee! Diese Maßnahmen sind umgehend umzusetzen.

Es ist jetzt das Gebot der Stunde, das Regelbudget rasch ab 2021 auf 3 Milliarden Euro zu erhöhen und mit Sonderpaketen die Mobilität der Truppe, den Zustand der Kasernen, die Sanitätsversorgung und eine moderne Ausrüstung zu gewährleisten.

Das Ziel muss natürlich auch eine sukzessive Anhebung des Verteidigungsbudgets auf ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts bis 2030 sein, damit das Bundesheer seinen ver­fassungsmäßigen Auftrag wieder erfüllen kann und die österreichische Landesverteidi­gung über eine langfristige budgetäre Sicherheit verfügt.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass, im Hinblick auf den Investitionsrückstau des Österreichischen Bundesheeres im Bereich der militäri­schen Ausrüstung, Gerät und Kaserneninfrastruktur, eine budgetäre Ausstattung in der Höhe 3 Mrd für das Jahr 2021 vorgesehen wird.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 419

In den weiteren Jahren sind die notwendigen budgetären Mittel zur Verfügung zu stellen, um einen verfassungskonformen Zustand des Österreichischen Bundesheeres zu ge­währleisten.

Große Beschaffungsvorhaben, wie zum Beispiel Flugzeuge für die Luftraumüber­wachung, sind durch weitere Investitionspakete zusätzlich zum Regelbudget abzudecken.“

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun David Stögmüller. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.05.42

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minis­terin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mir für die Vorbereitung dieser Rede überlegt, was eigentlich seit der Angelobung dieser Bundesregierung im Bereich des Bundesheeres passiert ist; und es ist nicht gerade wenig, was man sieht, wenn man dieses eine Jahr Revue passieren lässt. Ich erinnere an die Berichterstattung über die Eurofighter und die Diskussion über die Zukunft der Luftraumüberwachung, an Assistenzeinsätze bis zur erstmaligen Einberufung der Miliz, wo es ja aufgrund der Covid-19-Pandemie jetzt zur Teilmobilisierung gekommen ist.

Das ist auch der Punkt, auf den ich zuerst eingehen möchte. Was uns vor allem die Milizeinberufung zeigt, ist, dass das Bundesheer nicht mehr nur den klassischen militärischen Herausforderungen gegenübersteht. Deshalb schaue ich mir speziell das Budget für die Landesverteidigung auch mit Blick auf die ganz zentrale Frage an: Was für ein Bundesheer werden wir in Zukunft brauchen? Was für ein Bundesheer wollen wir? Oder: Was wollen wir, dass ein modernes Bundesheer in Zukunft leistet? Das ist die Frage, die wir uns stellen sollten.

Wir brauchen ein Bundesheer, das auf die modernen Bedrohungen wie Cyberattacken, Blackouts, Umweltkatastrophen oder eben auch eine Pandemie, wie wir sie im Moment haben, reagieren kann, aktiv werden kann. Das wären auch Naturkatastrophen, die uns wegen des Klimawandels in Zukunft noch viel öfters treffen werden. Das Bundesheer schützt die zivile Bevölkerung und kann unterstützend helfen.

Wir brauchen ein Bundesheer, das durch einen Blackout nicht gelähmt ist, ein Bun­desheer, das so vielfältig ist wie eben auch die österreichische Bevölkerung. Das brauchen wir. Wir haben ganz klar im Regierungsprogramm und -übereinkommen stehen, dass wir das Bundesheer und seine Aufgaben genau dorthin orientieren wollen, wo in Zukunft die größten Herausforderungen bevorstehen werden.

Ziel ist es, dass das Heer, das Bundesheer, als Ganzes moderner wird, dass der Grundwehrdienst attraktiver gestaltet wird und auch die Miliz ausreichend Ressourcen bekommt, um notwendige Aufgaben übernehmen zu können. Seit dem Beginn der Covid-19-Krise wissen wir, dass eine Pandemie nicht nur irgendein Szenario ist, das eventuell passieren kann, sondern ein reales Gefahrenszenario, eine Bedrohung ist, die den gesamten Staat und alle Bürgerinnen und Bürger aufs Höchste fordert. Auch da braucht es ein Bundesheer, das für die entsprechenden Herausforderungen gewappnet ist.

Diesbezüglich hat das Bundesheer in den letzten Monaten – und das können Sie bestätigen, Frau Ministerin – gezeigt, welchen Einsatz es für den Schutz aller Menschen, die in Österreich leben, leistet. Dafür auch vielen herzlichen Dank an alle Soldatinnen


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und Soldaten. Danke dafür! (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Hoyos-Trauttmansdorff.)

Das Budget für die Landesverteidigung für das kommende Jahr spiegelt eben auch diese Wünsche und diese vielen Aspekte wider. Wie Sie wissen, sind für 2020 Auszahlungen in der Höhe von insgesamt 2,673 Milliarden Euro vorgesehen; das ist ein Plus von 5 Prozent – der Kollege hat das ja schon erläutert. Und die Krise zeigt uns ja gerade, wie wichtig es ist, dass die Bundesheerinfrastruktur auch unabhängig von der zivilen Infrastruktur einsatz- und auch funktionsfähig bleibt.

Deshalb freut es mich auch, dass insgesamt mehr als 400 Millionen Euro für die Periode 2021 bis 2024 zur Verfügung stehen, nämlich auch für ein Katastrophenschutzpaket. Es werden Lkw, Spezialmaschinen und ‑geräte angeschafft, es gibt Verbesserungen in diversen Kasernen, auch um Autarkie zu schaffen. Wir treiben ein ABC-Paket und auch ein Sanitätspaket voran.

Ich glaube, das sind die Herausforderungen, die wir haben, um das Bundesheer auch in diesem Bereich flottzumachen. Dabei ist ebenfalls hervorzuheben, dass es einiges mehr, nämlich 14,1 Millionen Euro, für die Miliz und den Assistenzeinsatz im Jahr 2021 und ein Investitionspaket für den Ausbau und die Stärkung im Bereich der Cyber­sicherheit gibt, das sind 20 Millionen Euro. Ich finde das auch ganz wichtig, denn Cyberdefence wird eine Herausforderung, die uns in den nächsten Jahren und Jahr­zehnten entsprechend fordern wird.

Die Milizsoldatinnen und ‑soldaten, die momentan im Einsatz sind, verdienen nicht nur unseren Dank, sondern auch eine Ausrüstung, die sie ausreichend schützt und in ihrer Arbeit unterstützt. Deshalb ist es auch notwendig, dass innerhalb der Miliz alles aus­reichend vorhanden ist, von Schutzwesten über Sicherheitsholster bis hin zu Taschen­lampen. Ich finde es deshalb auch wichtig, dass wir uns im Regierungs­programm klar darauf verständigt haben, die Miliz aufzuwerten und besser auszustatten, und dass sich das auch im Budget widerspiegelt.

Ich möchte im gleichen Atemzug aber auch die Grundwehrdiener erwähnen, bezüglich derer wir uns als Koalitionspartner gemeinsam darauf geeinigt haben, dass sie einerseits nicht mehr einfach so zu Assistenzeinsätzen an der Grenze herangezogen werden können und es andererseits auch zu einer finanziellen Aufwertung kommen wird, wenn sie sich schon früh dazu bereit erklären, sich in den Dienst der Miliz zu stellen. Das finde ich sehr gut und einen ganz wichtigen Schritt. Warum? – Weil es uns hilft, mehr Men­schen für die Miliz zu begeistern.

Als junger Mensch kann man dann nämlich sagen: Ich mache nicht die volle Soldaten- und Waffenausbildung im Grundwehrdienst, sondern möchte diese Ausbildung später in der Miliz absolvieren. – Das bringt mehr junge Menschen in die Miliz, und damit haben wir viel­leicht gerade betreffend Ausbildungsschwerpunkte in der Miliz mehr Kompe­tenzen – sei es in der Cyberdefence oder in anderen Bereichen, wie zum Beispiel bei den Pionieren.

Ich finde, das ist ein ganz wichtiger Punkt, um den Grundwehrdienst zu attraktivieren und junge Menschen eventuell auch zu motivieren, zum Bundesheer zu gehen und diese wichtige Aufgabe zu übernehmen. Für ein zukunftsfähiges Bundesheer brauchen wir also autarke Kasernen, eine einsatzfähige Miliz, einen attraktiveren Grundwehrdienst und die besten Köpfe in vielen Bereichen, gerade in der Cyberdefence. – Vielen Dank und Gratulation zum Budget. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.12


Präsident Ing. Norbert Hofer: Herr Abgeordneter Hoyos‑Trauttmansdorff gelangt zu Wort. – Bitte schön, Herr Abgeordneter. (Zwischenruf des Abg. Schellhorn.)



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13.12.12

Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS): Herr Präsident! Frau Bun­desministerin! Werte Damen und Herren! Ein Budget ist dafür da, dass man plant, was in der Zukunft passieren soll. Im Budget soll stehen, was im nächsten Jahr passieren soll, und im Finanzrahmen, was in den Jahren darüber hinaus passieren soll. Über den Finanzrahmen werde ich jetzt nicht zu viele Worte verlieren, weil das schon von den Vorrednern gemacht wurde. Wir wissen, dass die Perspektiven, die sich aus dem Finanzrahmen ergeben, nicht sehr positiv sind, auch wenn Sie sich nachher wieder hierherstellen und sagen: Das ist das größte Budget aller Zeiten, es geht uns allen großartig und es wird alles wunderschön! – Es ist halt leider nicht so, weil die Zahlen andere Worte sprechen.

Unabhängig vom Finanzrahmen muss man aber generell ehrlich sagen, dass auch andere Aspekte dieses Budgets nicht sehr weit in die Zukunft sehen, sondern sehr stark vergangenheitsorientiert sind. Das liegt nicht nur an Ihnen, Frau Bundesministerin, sondern es liegt natürlich auch an den Versäumnissen, die über die letzten Jahre passiert sind. Das muss man offen und ehrlich ansprechen. Wenn wir uns das Gerät anschauen, dann haben wir natürlich die Situation, dass beispielsweise Lkws – das wurde von Kollegen Stögmüller erwähnt – veraltet sind. Wenn wir uns die fehlenden Hubschrauber, wenn wir uns das Sanitätswesen – das gerade ein ganz großes Thema ist – ansehen, dann sehen wir, dass es da über die letzten Jahre und Jahrzehnte Prob­leme gab.

Das bringt Sie aber jetzt aus meiner Sicht nicht aus der Verantwortung, diese Probleme zu lösen. Sie sind mit dem Wissen um den Stand des österreichischen Bundesheeres Verteidigungsministerin geworden – zumindest hoffe ich das –, und dementsprechend hätten Sie da weit mehr machen müssen, als passiert ist. Wir vonseiten der Opposition sehen, glaube ich, viele Dinge unterschiedlich. Wahrscheinlich trifft das auch auf Sie in der Regierung zu, auch Sie werden unterschiedliche Positionen haben und unter­schied­lich beurteilen, wie sich das Bundesheer weiterentwickeln soll. So sehen wir vonseiten der Opposition diese Frage auch durchaus unterschiedlich.

Eine Sache, die uns aber zumindest in der Opposition eint, ist, dass es klar mehr Mittel für die Sicherheit der Österreicherinnen und Österreicher und damit für das österreichi­sche Bundesheer braucht, aber auch, dass es mehr Mittel für eine Weiterentwicklung des österreichischen Bundesheeres braucht. Deswegen hat Kollege Bösch mit unserer Unterstützung gerade vorhin diesen Antrag eingebracht. Ich glaube, dass es eine Sache gibt, in der wir uns – auch außerhalb der Opposition und auch außerhalb der Regie­rung – alle hier im Hohen Haus einig sein sollten, nämlich dass es für die Zukunft und für die Sicherheit mehr Mittel und eine bessere und adäquate Ausstattung des öster­reichischen Bundesheeres braucht. Dementsprechend bitte ich Sie auch, dass Sie bei diesem Antrag mitgehen, weil es ein durchaus starkes Zeichen des Hohen Hauses wäre, das vorzulegen und der Regierung damit die Grenzen aufzuzeigen.

Vielleicht auch generell zu dieser Regierung oder generell zur Rolle der ÖVP über die letzten Jahre im Verteidigungsbereich: Wir haben jetzt seit Langem wieder eine ÖVP-Ministerin im Verteidigungsressort – zum ersten Mal eine Ministerin. Sie stellen sich hin – Sie sind in einer schwierigen Situation – und sagen: Das ist das größte Budget, wir haben so viel erreicht! – Ich möchte schon darauf hinweisen, wer die Finanzminister der letzten Jahre und Jahrzehnte waren: Das waren immer ÖVP-Finanzminister, die immer dafür gekämpft haben, dass es weniger Mittel für das österreichische Bundesheer gibt.

Wenn ich heute höre, dass alle Dinge, um die das Finanzministerium gebeten wurde, mit denen man versucht hat, für das Verteidigungsressort etwas rauszuholen, vom


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Finanz­ministerium wiederum abgelehnt wurden, dann frage ich mich schon, in welcher Rolle Sie hier stehen können und sagen können, das sei das großartigste Budget.

Es sind – Kollege Bösch hat es angesprochen – Veräußerungen von Kasernen geplant, es ist aber, so wie es ausschaut, nicht einmal so, dass das Geld zu uns ins Ressort kommt, sondern selbst die ersten 10 Millionen Euro werden vom allgemeinen Budget­rahmen aufgefressen und bleiben beim Finanzministerium. Es ist eben nicht das Lan­desverteidigungsressort, das davon profitieren soll.

Darüber hinaus feiern alle hier diese großartigen Sonderpakete: 190 Millionen Euro insgesamt für Cybersicherheit, für das Sanitätswesen, für das Terror- und Katastrophen­schutzpaket. All diese Pakete sind schön und gut, aber was heißt das, wenn wir immer nur über Sonderinstrumente reden? Was ist ein Sonderinstrument, was ist eine Sonder­finanzierung? – Sonderfinanzierung bedeutet, dass wir das jetzt einmalig brauchen, um etwas zu finanzieren. Alle diese Dinge aber sind klaffende Wunden aus der Vergan­genheit, die zu finanzieren wären, aber nicht einmalig, sondern dauerhaft.

Wir brauchen diese 190 Millionen Euro für das Sanitätswesen nicht einmal, sondern dauerhaft, um das Sanitätswesen bereitstellen zu können. Wir brauchen dauerhaft Geld, um die Cybermiliz oder die Cyberdefence stärker aufzustellen – nicht einmalig. Genau das ist das Problem dieser Sonderpakete, die Sie hier als großen Wurf verkaufen. Im Endeffekt ist es aber genau das Gegenteil: Es führt uns in die Vergangenheit zurück, da das österreichische Bundesheer wieder nicht langfristig finanziert ist.

Es fehlt in diesem Budget eine Sache – oder eigentlich zwei Sachen –, die man, glaube ich, groß drüberschreiben kann: Das eine ist eine klare Vision. Wohin soll es gehen? Es ist immer nur Stückwerk, es sind PR-Gags, die man schön verkaufen kann – Milizpaket et cetera. Was darüber hinaus fehlt, ist aus meiner Sicht – und das fehlt der ÖVP schon sehr, sehr lange – eine wirkliche Passion für das Thema Landesverteidigung, eine wirk­liche Passion für das Thema Sicherheit der Österreicherinnen und Österreicher. Die steht gerne auf Plakaten, aber nicht in Ihren Herzen. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Bösch.)

13.17


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme hat sich Frau Bundesministerin Mag. Klaudia Tanner zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Bundesminister.


13.17.39

Bundesministerin für Landesverteidigung Mag. Klaudia Tanner: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrte Damen und Herren und sehr geehrte Kinder und Jugendliche vor den Bildschirmen! Sie sind es, die in den letzten Tagen und auch in Zukunft im Zentrum all unserer Überlegungen stehen müssen und auch stehen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Stögmüller.)

Unser Heer – Schutz und Hilfe – ist die strategische Reserve der Republik Österreich. Das hat, und das wurde schon angesprochen, nicht zuletzt die große Cyberattacke auf das Außenministerium zu Beginn des Jahres gezeigt, als Experten unseres Hauses zur Bekämpfung dieses Angriffes eingesetzt wurden. Das hat auch der Einsatz der Sol­datinnen und Soldaten nach dem hinterhältigen Terroranschlag Anfang November in Wien gezeigt, als das Bundesheer noch in der Terrornacht den Objektschutz in Wien vollständig übernommen hat, um die Polizei für Ermittlungsarbeiten entlasten zu können. Militärpolizei und Jagdkommando waren ebenfalls alarmiert und hielten sich für Aufträge bereit. Auch gepanzerte Fahrzeuge wurden bereitgestellt, und das, sehr geehrte Damen und Herren, neben den zahlreichen Einsätzen im Rahmen der Katastrophenhilfe, vor allem neben den vielfältigen Assistenzeinsätzen und Unterstützungsleistungen in der


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Coronakrise, die wir ja immer noch rund um die Uhr durchführen, denn die Corona­situation hat uns nach wie vor fest im Griff.

Während der Coronapandemie hat unser Heer gezeigt, was es kann. Bis jetzt wurden rund 5 Millionen Arbeitsstunden an Assistenzeinsätzen, an Unterstützungsleistungen geleistet. Seit März waren im Durchschnitt jeden Tag knapp 1 000 Soldatinnen und Soldaten und Zivilbedienstete gegen Covid-19 im Einsatz. An dieser Stelle ein ganz, ganz großes Dankeschön Ihnen allen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wir mussten diesen Einsatz ja sogar ausweiten, um die Gesundheitsbehörden bei der Bewältigung der Pandemie zu unterstützen. Vergangene Woche haben wir den Bun­desländern angeboten, die Anzahl der Bundesheerbediensteten, die zur Unterstützung der Gesundheitsbehörden eingesetzt sind, zu verdoppeln, und es haben auch zahlreiche Länder davon Gebrauch gemacht.

Die Soldaten helfen österreichweit bei Grenzkontrollen, beim Contacttracing, bei Drive-in-Teststationen, bei der Abwicklung der Probeentnahmen und wo immer sie im Kampf gegen das Coronavirus gebraucht werden. Aktuell sind diese Woche insgesamt 1 035 Soldatinnen und Soldaten im Coronaeinsatz. Das, sehr geehrte Damen und Herren, geschieht zusätzlich zu den sicherheitspolizeilichen Einsätzen – Migration an den Grenzen – und der Bewachung von schutzbedürftigen Gebäuden nach dem hinter­hältigen Terroranschlag in Wien.

Die Arbeitsbedingungen – und das vergisst man das eine oder andere Mal – sind für unsere Soldatinnen und Soldaten nicht immer leicht, denn alle müssen ständig auf­passen, nicht selbst krank zu werden, sich selbst durch die Einhaltung von strengen Maßnahmen vor Ansteckungen zu schützen.

Wir sind wieder gefordert: Wir sind in Abstimmung mit dem Gesundheitsministerium und mit dem Bundeskanzleramt betreffend die Planungsarbeiten für Massentests, die nach dem Ende des Lockdowns stattfinden sollen. Wir können auf unsere Soldatinnen und Soldaten stolz sein, die im Einsatz in der Slowakei im Rahmen der Nachbarschaftshilfe so wichtige erste Erfahrungen gesammelt haben, die uns allen jetzt zugutekommen. – Vielen, vielen Dank dafür. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Gestern, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, haben Sie beschlossen, ein Covid-19-Lager als Notvorrat mit Schutzausrüstung und sonstigen notwendigen medi­zinischen Materialien und Geräten zu errichten. Diese Lager sollen dazu dienen, Eng­pässe und Bedarfsspitzen für einen bestimmten Zeitraum auszugleichen, und die anfallenden Kosten werden aus dem Covid-19-Krisenbewältigungsfonds bedeckt, sehr geehrte Damen und Herren.

Allein die angesprochenen Vorfälle und Geschehnisse im heurigen Jahr zeigen ganz deutlich: Das Bundesheer muss an die neuen Herausforderungen angepasst werden, und dazu braucht es ohne Zweifel auch das notwendige Budget.

Was die Versäumnisse, sehr geehrte Damen und Herren, in den vergangenen Jahren, um nicht zu sagen Jahrzehnten, betrifft, haben wir unglaublich viel aufzuholen. Doch wir stehen jetzt am Beginn eines Veränderungsprozesses; die Zeit des Stillstandes, sehr geehrte Damen und Herren, ist vorbei. Wir werden gemeinsam das österreichische Bundesheer in das 21. Jahrhundert führen, um die sicherheitspolitischen Herausfor­derungen bewältigen zu können. Ich bitte Sie alle dafür um Ihre Unterstützung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Das eine sind die Zahlen 2021. Wir haben ja heuer, 2020, mit 2,545 Milliarden Euro und einer Steigerung der Mittel um 9,9 Prozent das historisch größte Budget erreicht, das wir jemals gehabt haben. Das sind 258 Millionen Euro mehr, und diesen Kurs behalten wir


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auch nächstes Jahr bei. Wir schalten noch einen Gang höher: 2021 wird es noch mehr Budget geben, 2021 wird es ein Budget von rund 2,6728 Milliarden Euro geben. Gegen­über dem Vorjahr, 2019, entspricht das einer Erhöhung um rund 356,6 Millionen Euro beziehungsweise gegenüber dem Erfolg 2019 einer Steigerung der Mittel um 15,4 Pro­zent. Das ist somit, so Sie das beschließen, sehr geehrte Damen und Herren, das höchste Budget in der Geschichte des Bundesministeriums für Landesverteidigung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Sehr geehrte Damen und Herren, Kinder und Jugendliche! Wir werden damit viele, viele notwendige Investitionen tätigen, auf die unser Heer schon so lange wartet. Wir beschaffen neue Hubschrauber, Fahrzeuge, Ausrüstung und Gerät. Wir investieren in die Infrastruktur, von der Nasszelle bis zur Generalsanierung werden unsere Kasernen – jawohl! – auf Vordermann gebracht. In den kommenden Jahren werden wir außerdem mit Sonderfinanzierungspaketen in den Bereichen Covid-19-Milizassistenzeinsatz, Cybersicherheit, ABC-, Sanitäts-, Terror- und Katastrophenschutz kräftig investieren.

Ich greife ein Paket heraus: Cybersicherheit/Autarkie. Am heutigen Tag hat es in Penzing und Ottakring einen Stromausfall gegeben. Sie sehen, wie wichtig es ist, dass wir dafür sorgen, dass auch die Resilienz der Netze gegeben ist, dass die Verbindungen im Netz­werk gestärkt werden. Wir müssen die Digitalisierung des österreichischen Bundes­heeres weiter vorantreiben und auch die Fähigkeiten unserer Nachrichtenämter zur Cyberabwehr verstärken.

Das Sanitätspaket wurde bereits angesprochen. Auch da muss ohne Zweifel die Mobilität verbessert werden, und wir werden endlich damit beginnen können, die Sani­tätsflotte auszutauschen beziehungsweise zu ergänzen. Die Transportfähigkeit durch Hubschrauber und durch unser Transportflugzeug, die Hercules, muss ebenfalls verbes­sert werden. Auch der Austausch von obsoletem medizinischem Gerät steht am Pro­gramm.

Terrorschutzpaket, 25 Millionen Euro: Auch da geht es insbesondere darum, die Aus­rüstung der Soldatinnen und Soldaten zu verbessern, durch Beschaffung von Nacht­sichtbrillen, Kampfhelmen für die Miliz, Verbesserung der technischen Aufklärungsmittel sowie zusätzliche Sensoren.

Auch das Katastrophenschutzpaket muss eine Beschaffung von Fahrzeugen und eine Weiterführung mit dem bereits begonnenen Flottentausch bei den Lkws beinhalten, und nicht nur das – das wurde auch schon angesprochen –: Dazu gehört auch die Beschaf­fung von Spezialmaschinen und -geräten wie diversen Bagger- und Pioniermaschinen.

Wir müssen und wir werden an der Basis arbeiten. Wir sind dabei, den Grundwehrdienst und die Miliz aufzuwerten. Das ist Teil des Regierungsprogrammes, das wir umsetzen. Unter dem Motto: Mein Dienst für Österreich, haben wir eine Reihe von Maßnahmen um 10 Millionen Euro jährlich getroffen, die wir bereits präsentieren durften. Warum machen wir das, sehr geehrte Damen und Herren? – Die Grundwehrdiener sind die Basis unse­res Bundesheeres, ohne sie gibt es keine Kadersoldaten und keine Miliz.

Sehr geehrte Damen und Herren! Jeder Euro, der in das Budget des Verteidigungs­ressorts fließt, ist ein Euro für die Sicherheit unserer Kinder, unserer Eltern, unserer Verwandten, unserer Familie, am Ende des Tages auch für uns selbst. Wir kümmern uns damit um die Sicherheit. Wir können uns diese nicht zu 100 Prozent kaufen, das mussten wir schmerzvoll erst jüngst erfahren, aber wir können eines sicherstellen, nämlich dass unsere Soldatinnen und Soldaten, unsere Zivilbediensteten ihren Auftrag erfüllen können und uns so schützen können. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

13.27



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 425

Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Ing. Manfred Hofinger. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.27.33

Abgeordneter Ing. Manfred Hofinger (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Frau Bun­desministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, es ist unzweifelhaft: Wir haben ein sehr anstrengendes Jahr mit vielen Herausforderungen hinter uns, aber es hat uns gezeigt, dass das Bundesheer vor allem für die Bewältigung von Krisen wie der Pan­demie, die wir jetzt haben, und auch für die Sicherheit, wenn wir an den Terrorangriff in Wien denken, besonders wichtig ist und dass die Bedeutung des Bundesheeres in die­sem Jahr besonders gestiegen ist.

Ich glaube, darum ist es wichtig, dass wir sehr viel in das Bundesheer investieren. Mit großen Investitionen beschließen wir das höchste Bundesheerbudget, das es jemals gegeben hat, und dazu möchte ich Ihnen recht herzlich gratulieren. Damit wird es uns auch gelingen, das Bundesheer zukunftsfit zu machen. Fast 2,7 Milliarden Euro oder 2,7 Prozent der gesamten Bundesausgaben Österreichs werden wir in das Bundesheer investieren.

Es ist schon viel gesagt worden. Es gibt natürlich auch einen Investitionsstau, und wir Abgeordnete sind in den Regionen, bei den Kasernen und machen dort auch Besuche. Uns ist es auch bewusst: Sie leisten eine wunderbare Arbeit, aber natürlich bedürfen die Gebäude und die Kasernen einer Sanierung, und da müssen wir natürlich investieren, auch dafür, dass die Motivation der SoldatInnen wieder gegeben ist.

Wir investieren insgesamt 470 Millionen Euro in neue Gerätschaften, in Kasernen, und diese Investitionen haben ja auch einen Mehrwert für die Regionen. Das möchte ich schon auch aufgreifen und betonen, denn jede Investition hilft der Region, schafft Arbeitsplätze, lukriert Wertschöpfung. Wir investieren – und das hat das heurige Jahr gezeigt – natürlich auch in die Miliz: Assistenzeinsätze, Cybersicherheit, Terrorbekämp­fung, Katastrophenpaket, Sanitätspaket und ABC-Paket. All diese Investitionen machen unser Bundesheer zukunftsfit, wir müssen modernes Gerät anschaffen, wir müssen moderne Unterkünfte bieten und die Ausbildung attraktivieren, um unseren Grundwehr­dienern ein attraktives Bundesheer bieten zu können – in der heutigen Zeit ist das Bun­desheer keine Selbstverständlichkeit, junge Menschen können sich das ja heutzutage schon aussuchen.

Ja, die Bedrohungsszenarien, die hybriden Bedrohungen werden immer mehr, und – die Frau Bundesministerin hat es schon angesprochen – wir investieren daher in den Cybersicherheitsbereich und die Terrorbekämpfung sehr massiv. Wir investieren auch – Frau Bundesministerin, es freut mich sehr, dass wir das im heurigen Jahr beschlossen haben – in neue Hubschrauber, also die Luftraumüberwachung wird auch in Zukunft gewährleistet sein.

Einen persönlichen Punkt möchte ich noch herausgreifen, weil mir der auch persönlich ganz besonders wichtig ist: die Kasernensanierungen. Ich als Abgeordneter lebe an der Grenze zu Deutschland, und betreffend die Grenzsicherung war dieses heurige Jahr ein ganz herausforderndes. Die Soldaten der Zehner-Kaserne in Ried leisten wunderbare Arbeit, sie waren bei der Grenze und bei den Testungen im Einsatz, haben das Rote Kreuz unterstützt und so weiter und so fort. Sie sind auch bei Umweltkatastrophen immer zur Stelle, sind viel bei Auslandseinsätzen, und ich stehe mit ihnen sehr gut in Ver­bindung. Es sind sehr motivierte Leute, sie brauchen aber natürlich auch neue Gebäude, das ist, glaube ich, etwas ganz Wichtiges. Es gibt da auch schon erste Planungen, und ich glaube, dass im Frühjahr 2021 schon mit den ersten Sanierungen begonnen werden kann. Dafür möchte ich mich recht herzlich bedanken.


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Abschließend ein genereller Dank an alle Soldatinnen und Soldaten, an alle Verantwor­tungsträger, Vorgesetzten, die im vergangenen Jahr Besonderes geleistet haben, für die Sicherheit gesorgt haben, für die Bekämpfung der Pandemie gesorgt haben, und ich möchte mich auch im Vorhinein schon dafür bedanken, dass sie uns auch wieder bei den Testungen, die nach dem zweiten Lockdown stattfinden, unterstützen. Auf das österreichische Bundesheer ist Verlass. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Koza.)

13.31


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Frau Petra Wimmer. – Bitte, Frau Abgeordnete.


13.32.11

Abgeordnete Petra Wimmer (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren, Kinder und Jugendliche und alle, die uns heute zusehen! Werte Frau Ministerin! Das Bundesheer ist besonders in Krisenzeiten auch ein wichtiger Faktor für das Sicherheits­gefühl der Bevölkerung, und eines ist sicher: Wir können uns auf das Heer verlassen. Wir können uns auf die tatkräftige Unterstützung bei Unwettern, bei Hochwasser, bei Schneechaos, aber auch aktuell bei den vielfältigen Aufgaben und Herausforderungen einer Gesundheitskrise verlassen. Sie haben das vorhin auch ausgeführt, 35 000 Sol­datInnen sind und waren dafür im Einsatz. Da wird besonders sichtbar, welche wichtigen und vielfältigen Aufgaben das Bundesheer und auch die Grundwehrdiener in Österreich verrichten. Sie werden immer dann herangezogen, wenn Hilfe im großen Stil gebraucht wird, und sie sind dann auch immer zur Stelle. (Beifall bei der SPÖ.)

Besonders wichtig wäre das Bundesheer natürlich auch im Falle eines Blackouts. Die Bevölkerung geht davon aus, dass das Bundesheer parat steht, um bei einem solchen Totalausfall die Notversorgung mit Energie, mit Wasser, mit Lebensmitteln, mit Treibstoff zu gewährleisten. Ist das aber realistisch? Sind die Kasernen wirklich dafür gerüstet? Sind die Stromaggregate in den Kasernen vorhanden? Gibt es Trinkwasserbrunnen, Trinkwasserspeicher? Wie sieht es mit der Treibstoffversorgung aus?

Sehr geehrte Frau Ministerin, leider wurden diese Fragen bisher nicht zufriedenstellend beantwortet. Die Bevölkerung hat aber ein Recht darauf, zu erfahren, ob ihr auch im Falle eines solchen Totalausfalls, eines Blackouts, das Bundesheer tatkräftig zur Seite stehen kann und ob es dafür auch gerüstet ist, ob alles da ist, was man in so einem Fall braucht.

Frau Ministerin, ich ersuche Sie, geben Sie dem Bundesheer die Möglichkeit, im Falle eines Blackouts die Bevölkerung so gut wie möglich zu unterstützen, schaffen Sie die dafür notwendigen Voraussetzungen und statten Sie die Kasernen entsprechend aus!

Geschätzte Damen und Herren, wir wissen, wir können uns auf das Bundesheer verlassen, und das Bundesheer muss sich auf uns, auf die Politik verlassen, dass wir die Rahmenbedingungen schaffen, die es braucht. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

13.34


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Mag. Friedrich Ofenauer. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.34.46

Abgeordneter Mag. Friedrich Ofenauer (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Hohen Haus! Sehr verehrte Zuseherinnen und Zuseher! Ja, Frau Bundesministerin, die Zahlen, die Daten und die Fakten des Budgets zum Thema Militärische Angelegenheiten wurden bereits dargelegt. Ich darf ganz herzlich dazu gratulieren, und ich glaube, dass mit dieser Darlegung des


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Budgets erneut klargestellt ist, dass die militärische Landesverteidigung die wesentliche Aufgabe des österreichischen Bundesheeres ist und auch bleiben wird.

Um nochmals zwei Zahlen herauszugreifen: Es sind im Jahr 2021 Auszahlungen in Höhe von 2,673 Milliarden Euro vorgesehen, was einer Erhöhung von 5 Prozent gegenüber 2020 entspricht, und die Investitionen steigen auf 470,6 Millionen Euro im Jahr 2021 gegenüber 347,1 Millionen Euro im Jahr 2020.

Klargestellt ist natürlich auch, dass wir dem österreichischen Bundesheer neben den konventionellen Aufgaben, die es hat und weiterhin haben wird, auch ermöglichen müssen, sich für neue Herausforderungen zu wappnen – sie wurden bereits ange­sprochen –, nämlich hybride Bedrohungen, Cyberangriffe, Terrorakte; und das alles noch zusätzlich zu den Fähigkeiten im konventionellen Kampf. Das ist ganz wichtig, meine Damen und Herren.

Warum sind hybride Bedrohungen so gefährlich? – Der Begriff alleine klingt schon ge­fährlich: weil sie eine Kombination aus herkömmlichen Militäreinsätzen – deswegen ist auch nach wie vor die Fähigkeit im konventionellen Kampf wichtig – verbunden mit wirtschaftlichem Druck, mit Cyberangriffen sowie Propaganda in den sozialen Medien und im Internet sind.

Um das bewältigen zu können, braucht es ein breites Fähigkeitsspektrum, meine sehr verehrten Damen und Herren, denn das Ziel solcher Angriffe ist nicht nur, Schaden anzurichten, sondern insbesondere ganze Gesellschaften zu destabilisieren und die Mei­nung zu beeinflussen. Die Antwort darauf kann nur, so wie es schon lange im Bundes-Verfassungsgesetz steht, die umfassende Landesverteidigung sein, die militärische, die geistige, die zivile und die wirtschaftliche. Gerade für den militärischen Bereich, für die entsprechenden Fähigkeiten, ist im Budget 2021 Vorsorge getroffen – für die Cyberabwehr mit 19 Millionen Euro, für die Aufstockung der ABC-Abwehr, die Stärkung der Miliz durch persönliche Ausrüstung, Kommunikationsmittel, Fahrzeuge, die Stärkung der Resilienz und Autarkie der Kasernen. Die Hubschrauberbeschaffung wurde angesprochen, die Anschaffung von schwerem Gerät ist nicht zu vergessen.

Das Ganze hat das Ziel, dass die militärische Landesverteidigung die zentrale Aufgabe des österreichischen Bundesheeres ist und bleibt. Es soll auch die strategische Reserve nach dem Motto: Helfen, wenn andere nicht mehr können!, sein, was besonders im Katastrophenschutz wichtig ist.

Als Grundlage für die zivile Landesverteidigung hat für mich daher der Grundwehrdienst eine ganz wesentliche Funktion, weil die Kenntnisse und die Fähigkeiten, die da erwor­ben werden – natürlich auch für den militärischen Bereich –, dann idealerweise auch ins zivile Leben mitgenommen werden und im zivilen Leben angewendet werden können. Ich denke, in diese Richtung müssen wir auch den Grundwehrdienst noch aufwerten, nach dem Motto: Eine Wehrpflicht mit Mehrwert.

Wir müssen auch das Personal betreffend in die Zukunft schauen. Auch im öster­reichischen Bundesheer werden wir in den nächsten zehn Jahren eine Pensionie­rungs­welle haben, aber das wird uns auch die Chance geben, die Personalstruktur umzu­bauen, mehr Personal in die Truppe zu verlagern – und natürlich wäre es dann auch schön und wünschenswert, wenn dieses Budget dann auch im österreichischen Bun­desheer verbleiben würde.

Abschließend möchte ich mich bei den Soldatinnen und Soldaten für ihren Einsatz be­danken, egal wo sie ihn leisten, ob in der Ausbildung, im Ausland oder im Inland, bei den


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Assistenzeinsätzen anlässlich der Coronapandemie oder an der Grenze. – Ein herz­liches Dankeschön für diesen Einsatz. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Koza.)

13.38


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Herr MMag. DDr. Hubert Fuchs. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


13.39.06

Abgeordneter MMag. DDr. Hubert Fuchs (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Hohes Haus! Geschätzte Österreicherinnen und Österreicher! Wieder einmal möchte die ÖVP das wertvolle Familiensilber des österreichischen Bundes­heeres, also die Liegenschaften, verscherbeln. Beispielsweise soll in Salzburg eine Teilfläche der Schwarzenberg-Kaserne verkauft werden, wo das Bundesheer seit vielen, vielen Jahren ein Heereslogistikzentrum betreibt.

Ich darf daran erinnern, dass wir gestern hier im Hohen Haus, und zwar einstimmig, das COVID-19-Lagergesetz beschlossen haben. Das Bundesheer ist aufgrund des COVID-19-Lagergesetzes beauftragt, strategische Reserven an Schutzausrüstung für die Republik einzulagern und diese auch zu beschaffen. Mangels entsprechender Lager­kapazitäten muss dafür auch extern Lagerfläche um teures Geld angemietet werden. In Salzburg hätten wir die entsprechenden Möglichkeiten. Wichtige Erweiterungsflächen gehen dem Bundesheer durch diesen Verkauf verloren.

Besonders katastrophal für das österreichische Bundesheer sind jedoch die Verwer­tungspläne der Liegenschaften in Wien. Diese sollen zu einem Freundschaftspreis an die BIG verschleudert werden. Großer Profiteur dieser Vermögenstransaktion sind die BIG und deren Mutter, die Öbag. Wenn schon Liegenschaften des österreichischen Bundesheeres veräußert werden müssen, was die FPÖ strikt ablehnt, dann müssen diese Liegenschaftstransaktionen am freien Markt stattfinden, wo der freie Wettbewerb und nicht die BIG den Preis bestimmt. (Beifall bei der FPÖ.)

Frau Bundesminister, die BIG wird keinen fremdüblichen Preis zahlen, das wissen Sie ganz genau. Ihre Erklärungsversuche im Budgetausschuss, Stichwort Besserungs­klau­sel, sind vollkommen untaugliche Beschwichtigungsversuche. Aus Sicht des österreichi­schen Bundesheeres gibt es keinen sachlichen Grund für eine Involvierung der BIG.

Frau Minister Tanner, warum wehren Sie sich gegen eine öffentliche Ausschreibung am freien Markt? Sie handeln da nicht im Interesse des österreichischen Bundesheeres.

Die Erhöhung des Bundesheerbudgets basiert nicht auf dem Verhandlungsgeschick der Frau Bundesminister, sondern wird vom österreichischen Bundesheer selbst durch die unterpreisige Verschleuderung von Liegenschaften finanziert.

In diesem Zusammenhang darf ich auch auf einen Rechnungshofbericht zu den Assistenz- und Unterstützungsleistungen des Bundesheeres zum Grenzmanagement verweisen, in dem festgestellt wird, dass zwei Drittel dieser Kosten dem österreichischen Bundesheer nicht ersetzt wurden, zwei Drittel musste das österreichische Bundesheer aus dem Regelbudget bestreiten. Daher bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Reinhard Eugen Bösch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Kostenersatz für Assistenz- und Unterstützungsleistungen des Heeres“

Der Nationalrat wolle beschließen:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 429

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Bundesministerium für Landes­ver­teidi­gung rückwirkend ab 01.01.2020 und in Zukunft sämtliche Kosten für Assistenz– und Unterstützungsleistungen zu ersetzen.“

*****

Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

13.43

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Dr. Bösch, MMag. DDr. Fuchs, MMMag. Dr. Kassegger. Ing. Mag. Reifenberger

und weiterer Abgeordneter

betreffend Kostenersatz für Assistenz– und Unterstützungsleistungen des Heeres

eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 11, Bericht des Bud­getausschusses über die Regierungsvorlage (380 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2021 (Bundesfinanzgesetz 2021 – BFG 2021) samt Anlagen (449 d.B.), Untergliederung 14 – Militärische Angelegenheiten, in der 62. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 18. November 2020

Dem Bericht des Rechnungshofes Reihe BUND 2020/38 konnte folgendes entnommen werden:

„Die Bundesregierung beschloss Mitte September2015, zur Bewältigung der Migrations­lage das Bundesheer in einen unbefristeten sicherheitspolizeilichen Assistenzeinsatz insbesondere zum Grenzmanagement zu entsenden. Mit August2016 erweiterte die Bundesregierung den Assistenzeinsatz um die Bewachung ausländischer Vertretungen in Wien (beendet Ende 2018), im August 2017 um die Durchführung von Großkontrollen im Landesinneren. Der Assistenzeinsatz dauerte zur Zeit der Gebarungsüberprüfung noch an.

Zusätzlich erbrachte das Bundesheer Unterstützungsleistungen, wie Verpflegungs–, Pionier– und Sanitätsleistungen. Das Bundesheer managte auch die Beförderung von rund einer Million Flüchtlingen.

Die Kosten für die Assistenz– und Unterstützungsleistungen des Bundesheeres zum Grenzmanagement betrugen zwischenzweiter Jahreshälfte 2015 und dem Jahr 2017 272,92 Mio. EUR. Davon entfielen rd. 246,37 Mio. EUR auf den Assistenzeinsatz und rd.26,54Mio. EUR auf Unterstützungsleistungen.

Das Bundesministerium für Landesverteidigung musste 177,84 Mio. EUR, somit knapp zwei Drittel der 272,92 Mio. EUR, aus seinem jährlichen Regelbudget finanzieren, weil das Bundesministerium für Inneres und das Bundesministerium für Finanzen nur teilweise für diese Kosten aufkamen. Das Verteidigungsministerium erhielt für die Assistenz– und Unterstützungsleistungen 90,42 Mio. EUR (rund ein Drittel seiner Kosten) budgetwirksam ersetzt.“

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 430

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Bundesministerium für Landes­verteidi­gung rückwirkend ab 01.01.2020 und in Zukunft sämtliche Kosten für Assistenz– und Unterstützungsleistungen zu ersetzen.“

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Mag. Peter Weidinger. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.43.11

Abgeordneter Mag. Peter Weidinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen, werte Kollegen! Liebe Österreicherinnen, liebe Österreicher und alle Menschen, die hier leben! Ich glaube, wir alle sind uns hier in einem Punkt einig – und das ist eigentlich bei allen Rednern zu dieser Thematik ganz klar hervorgekommen –: dass die Sicherheit von besonderer Bedeutung ist, dass es not­wendig und richtig ist, dem verfassungsmäßigen Auftrag des österreichischen Bun­desheeres im vollen Umfang zu entsprechen und zum Schutz und zur Sicherheit der Bevölkerung auch alle notwendigen Maßnahmen zu setzen.

Wenn man sich die Kritikpunkte der Opposition ansieht, meine Damen und Herren, wird erkennbar, dass man schon sehr weit zurückgehen muss, um in diesem Bereich Versäumnisse festzustellen, denn seit die Frau Bundesministerin im Amt ist, wird klar strukturiert und strategisch ein Plan verfolgt, um Schutz und Sicherheit zu erhöhen sowie das Militär und seine Infrastruktur auszubauen.

Ich möchte mich an dieser Stelle seitens der Villacher Bevölkerung für die klare Ent­scheidung, dass eine Großkaserne in Villach entsteht, dass aus drei Kasernen­stand­orten ein Kasernenstandort gemacht wird, herzlich bedanken. Das möchte ich hier ausdrücklich festhalten. (Beifall bei der ÖVP.)

Man merkt auch, je regionalpolitischer man sich dieser Thematik nähert, desto mehr Verständnis gibt es in der Bevölkerung dafür. Der Kärntner Landeshauptmann und der Villacher Bürgermeister haben gemeinsam unter Führung der Frau Bundesministerin in einem Arbeitsgespräch die Schritte festgelegt, um dieses Projekt im Interesse der Bevölkerung vor Ort, aber auch darüber hinaus umzusetzen.

Warum ist das notwendig und richtig, meine Damen und Herren? – Sicherheitsinseln sind notwendig, um im Falle von Blackouts, Pandemien, terroristischen Aktivitäten, aber auch Cyberattacken dementsprechend bereitzustehen und einen Beitrag zu leisten, die Bevölkerung zu unterstützen.

Der Frau Bundesministerin ist es in den Verhandlungen gelungen, zum Beispiel im Be­reich der Investitionen ein Plus von 127 Prozent herauszuverhandeln. Das ist großartig, das ist richtig und das ist auch gut so.

Ich möchte noch einen Satz betreffend die Grundstücksverkäufe sagen: Ich bin felsen­fest davon überzeugt und für mich steht das ohne Zweifel fest, dass diesbezüglich sämtliche Aktivitäten immer auf dem Boden des Rechtsstaates stattfinden werden, und ich kann nur am Beispiel der Stadt Villach sagen, man freut sich darüber, dass es dann, wenn zwei Standorte, einer in der Innenstadt und einer im Wirtschaftsgebiet, auf­gelassen werden, neue, zusätzliche Möglichkeiten zur Stadtentwicklung gibt.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 431

In diesem Sinne: Danke den Männern und Frauen, die sich in Uniform einsetzen und helfen, wenn andere nicht mehr können, und Danke Ihnen, Frau Bundesministerin, für dieses ausgezeichnete Budget, das wir mit Freude unterstützen werden. (Beifall bei der ÖVP.)

13.46


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Herr Dr. Harald Troch. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.46.07

Abgeordneter Dr. Harald Troch (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundes­ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir diskutieren jetzt den Staats­haus­halt 2021: Militärische Angelegenheiten/österreichisches Bundesheer.

Wenn ich mir die Redner von Türkis und Grün anhöre, dann glaube ich, wir diskutieren über die Schweizer Armee: Alles ist in Ordnung, einer bedankt sich beim anderen, es gibt Glückwünsche für das größte Budget. Die Jubelredner, die Laudatoren, die Lob­preiser von Grün und Schwarz beziehungsweise Türkis, sorry, glauben, dass sie so mehr Mittel beim Finanzminister erkämpfen können. – Das ist ein Holzweg, ich glaube, zu mehr Budgetmittel vom Finanzminister kommt man nur, indem man hier die Probleme offen anspricht, die Probleme, die es in der Realität gibt. (Beifall bei der SPÖ.) Die Lobpreiser von Grün und Türkis helfen in dieser Situation nicht, tatsächlich mehr Mittel für die Sicherheit zu erkämpfen.

Die Terrorattacke in Wien vom 2. November hat gezeigt, dass Sicherheit ein Topthema geworden ist. Dem Thema mehr Geld für Sicherheit wird man durch Lobpreisen und Lobhudeln nicht beikommen, sondern man wird um mehr Mittel kämpfen müssen. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Terrorattacke vom 2. November in Wien hat auch gezeigt, dass die Bereitschaft von Exekutivkräften, Menschen vor Ort und die Ausrüstung enorm wichtig geworden sind. Einer jener Helfer vor Ort war ein Milizionär des österreichischen Bundesheeres, der am Schwedenplatz Verwundete gleich mitversorgt hat. So etwas ist nur möglich mit einer gut ausgebildeten Miliz; eine gut ausgebildete Miliz kann im Katastrophenfall, kann in Notsituationen helfen. Ich glaube, ein wesentlicher Punkt sind die verpflichtenden Übun­gen der Miliz, und dazu muss es die entsprechende Ausrüstung, dazu muss es eine entsprechende Mobilität geben, da gibt es aber große Mängel.

Apropos Mobilität: Das Mobilitätspaket wird seit 2018 angekündigt, eine gute Ge­schichte, aber was ist bei diesem Mobilitätspaket weitergegangen? Mir fehlen da die Ergebnisse. Die Ankündigungspolitik und das Abfeiern von einem angeblich großen Buffet ist mir da viel zu wenig.

Was ich sehr, sehr positiv finde, ist die Fortsetzung des Auftrages für den Truppen­transporter Pandur, der die Sicherheit gewährleistet, das ist eine gute, eine effiziente Maßnahme. Die Fortsetzung des Auftrages betreffend diesen Truppentransporter, der in Wien-Simmering hergestellt wird, ist eine gute Geschichte, insbesondere auch für die Auslandseinsätze und die Friedensmissionen. Die Opposition spielt da eine konstruktive Rolle. Wir sehen nicht alles schwarz, wie die Regierungsredner alles positiv sehen, wir haben eine differenzierte Sichtweise, und wenn die Regierung etwas Positives macht, wie die Anschaffung des Truppentransporters, dann sagen wir das auch. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich glaube, nur das differenzierte Bild der Opposition in Bezug auf Sicherheit wird dazu beitragen, dass es in Zukunft mehr Mittel geben wird. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.49



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 432

Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr MMMag. Dr. Axel Kassegger. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


13.49.53

Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Nicht abgesprochen mit Kollegen Troch (eine Tafel auf das Rednerpult stellend, auf der unter der Überschrift „Verteidigungsbudget / Mrd. €“ anhand von drei grünen Säulen die Höhe des jeweiligen Verteidigungsbudgets für Österreich, Schweden und die Schweiz dargestellt wird): Wir sind nicht in der Schweiz, die Schweiz ist, was das Heeresbudget betrifft, hier (auf die höchste Säule auf der Tafel weisend), und Österreich ist in der grafischen Darstellung da (auf die niedrigste Säule auf der Tafel weisend); Schweiz: über 4 Milliarden Euro, Österreich: 2,6 Milliarden Euro.

Es ist jetzt viel über die Aufgaben des Bundesheeres geredet worden, und bis auf Kollegen Ofenauer hat keiner der Vorredner, auch nicht die Frau Bundesminister, die Aufgabe militärische Landesverteidigung wörtlich erwähnt. Es ist über Katastrophen­schutz, Cyber, Assistenzleistungen, Hilfeleistungen et cetera geredet worden – da sind wir dann unten auf der Ebene Packerl packen für die Post, Coronateststraßen und Drive-in-Teststationen machen. Das ist alles schön und gut.

Das Selbstverständnis der Freiheitlichen Partei ist jenes, dass eine Organisation, die sich Militär nennt, die Kernaufgabe militärische Landesverteidigung hat. Die militärische Landesverteidigung ist also das Herz einer Organisation, die sich Militär nennt. Diese militärische Landesverteidigung kostet natürlich, diese militärische Landesverteidigung ist die strategische Reserve. Investitionen in die militärische Landesverteidigung sind Investitionen in die strategische Reserve, die jetzt hier schon so oft bemüht wurde. Sie dient zum Schutz, zur Sicherheit unserer Kinder und Enkel, zum Schutz der Menschen, zum Schutz unserer Neutralität für den Ultima-Ratio-Fall, den militärischen Konfliktfall. Cyber und Katastrophenschutz, Botschaften bewachen und sonstige Assistenzleis­tun­gen, das ist alles schön und gut, aber die Kernaufgabe des österreichischen Bundes­heeres ist die militärische Landesverteidigung und der Schutz unserer Kinder, Enkel, unserer Bevölkerung für den Fall eines militärischen Konflikts. (Beifall bei der FPÖ.)

Dafür sind wir nicht vorbereitet, denn dafür bedarf es entsprechender Mittel, und da reichen die 2,6 Milliarden Euro bei Weitem nicht – das höchste Budget aller Zeiten im Übrigen, das geht dann bis 2024 wieder runter –, im Gegensatz zum Budget der Schweden, die jetzt schon über 3 Milliarden Euro haben. Ich habe bewusst Österreich, Schweden und die Schweiz genommen, denn diese Länder sind vergleichbar.

Die Nato ist eine Organisation, die jeder kennt, bei der man, wie ich glaube, schon davon ausgehen kann, dass sie die Standards betreffend Ressourcen ungefähr kennt, dass sie weiß, was man an Ressourcen braucht, um den Auftrag der militärischen Landesver­teidigung erfüllen zu können. Sie kennen das, der Nato-Standard beträgt 2 Prozent. 2 Prozent wären also für Österreich 8 Milliarden Euro – davon redet ja keiner, denn davon sind wir Lichtjahre entfernt. Wir dümpeln bei 2,6 Milliarden Euro, Tendenz fallend.

Wir sind nicht in der Lage, die militärische Landesverteidigung so abzudecken, dass es entsprechenden Standards entspricht. Wir sind nicht in der Lage, die strategische Re­serve zur Sicherheit unserer Bevölkerung darzustellen, und zwar bei Weitem nicht. Warum sind wir dazu nicht in der Lage? – Weil Sie das nicht wollen. Ich sage ganz bewusst: Sie wollen das nicht, die ÖVP will das nicht! Bei den Grünen ist es klar, da wundert es mich nicht. Herr Kollege Stögmüller ist für ein modernes Bundesheer – das ist der Ansatz der Grünen – mit Katastrophenschutz, Cyber et cetera, aber natürlich für keine militärische Landesverteidigung. Die ÖVP aber will das auch nicht.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 433

Wenn Sie das wollten, dann müssten Sie das österreichische Bundesheer zumindest mittelfristig mit Mitteln etwa im Bereich von 3, 4, 5 Milliarden Euro ausstatten, dann wären wir auch in der Lage, zum Beispiel entsprechende schwere Waffen anzu­schaf­fen – das ist ja eine Katastrophe für unser Heer! (Bundesministerin Tanner: Da habt ihr dafür gesorgt, dass wir keine haben! Das wissen Sie ganz genau, Herr Abgeordneter!) Die Schweiz hat 700 Panzer – 700! –, Schweden 600. Wir haben 300, wobei ich nicht genau wissen will, wie viele davon überhaupt einsatzfähig sind. Und Sie präsentieren uns Investitionsprogramme, bei denen Sie sich über die Anschaffung von Autobussen und ähnlichen Dingen freuen. (Bundesministerin Tanner: Die brauchen wir auch!)

Da sind wir in einem anderen Film. In unserem Film, jenem der Freiheitlichen, wollen wir ein Heer, das in der Lage ist, seine Hauptaufgabe, die militärische Landesverteidigung, zu erfüllen. Die Grünen wollen das nicht, und Sie wollen das auch nicht. Es wäre ehrlich, sich hinzustellen und zu sagen: Okay, wir wollen das nicht. Wir wollen ein Heer, das Cyber, Katastrophenschutz und Hilfsdienste macht, aber wir wollen kein Heer für die militärische Landesverteidigung, weil wir das Heer nicht mit den entsprechenden Ressourcen ausstatten. Die militärische Landesverteidigung ist für das österreichische Bundesheer jetzt nicht so wichtig.

Das ist ein schwerer strategischer Fehler, insbesondere in dem geopolitischen Sicher­heitsumfeld, in dem wir uns bewegen. Ich hoffe nicht, dass wir dafür einmal die Rech­nung bezahlen, so wie wir jetzt die Rechnung dafür bezahlen, dass Sie das Sani­täts­wesen und das Krankenhauswesen kaputtgespart haben. Die Krankenhausinfrastruktur hätten wir jetzt wunderbar gebrauchen können – alles kaputtgespart. Ich möchte nicht, dass wir irgendwann einmal die Rechnung dafür bezahlen, dass Sie das Militär im Rah­men der militärischen Landesverteidigung kaputtgespart haben. (Beifall bei der FPÖ.)

13.55


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als nächster Redner ist Abgeordneter Rudolf Silvan zu Wort gemeldet. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


13.55.25

Abgeordneter Rudolf Silvan (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause! Die Sozial­demokratie steht voll und ganz dazu, dass die Republik Österreich das Heeres­ge­schichtliche Museum betreibt, es sollte aber den Anforderungen des 21. Jahrhunderts entsprechen.

Der Rechnungshof hat von August bis November 2019 das Heeresgeschichtliche Museum geprüft, und es sind zahlreiche Mängel und Missstände in der Verwaltung aufgetreten: Details der eigenen finanziellen Gebarung für die Jahre 2014 bis 2018 waren nicht nachvollziehbar und zur Verfügung zu stellen, die Einnahmen aus Eintrittsgeldern sowie die Anzahl der zahlenden BesucherInnen konnten nicht schlüssig nachvollziehbar belegt werden, ganz zu schweigen von den rechtsradikalen Vorgängen innerhalb der Beleg­schaft des Heeresgeschichtlichen Museums.

Frau Bundesministerin, ich frage mich, warum der Direktor des Heeresgeschichtlichen Museums noch in Amt und Würden ist. Wieso wird beim HGM nicht schon längst nicht nur ein personeller, sondern auch ein organisatorischer Neustart geplant? Ich ersuche Sie, da wirklich rasch zu handeln, denn diese Zustände sind nicht tragbar. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Vorredner haben schon ausgeführt, dass Cyberdefence die Herausforderung des 21. Jahrhundert darstellt. Es gibt beim österreichischen Bundesheer auf der einen Seite die Informations- und Kommunikationstechnik, in der ein Teil der Cyberdefence ange­siedelt ist, auf der anderen Seite gibt es das Cybersicherheitszentrum, das sich mit


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 434

Cyberdefence beschäftigt, und des Weiteren gibt es einen Cyberstab mit circa 60 Per­sonen, der bei den Landstreitkräften oder bei den Streitkräften angesiedelt ist. Aus gut informierten Kreisen hört man jetzt, warum diese drei Organisationseinheiten nicht gebündelt werden – offensichtlich stehen dem parteipolitische Gründe im Weg.

Frau Bundesministerin, wenn dem wirklich so ist, ersuche ich Sie, nicht denselben Fehler zu machen wie Ihre ÖVP-Kollegen seit 20 Jahren im Innenministerium: Riskieren Sie die Sicherheit Österreichs nicht aufgrund von parteipolitischen, taktischen Überlegungen! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

13.57


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Herr Ing. Mag. Volker Reifenberger. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.58.01

Abgeordneter Ing. Mag. Volker Reifenberger (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren zu Hause vor den Bild­schirmen! Hohes Haus! Das Bundesheerbudget für das kommende Jahr 2021 ist wieder, um das Vokabular eines früheren Nationalratspräsidenten, Herrn Andreas Khol, zu ge­brauchen, eine schallende Ohrfeige für unsere Soldaten, aber auch für die Sicherheit unseres Landes.

Ich habe Verständnis dafür, dass Sie, Frau Bundesminister, das Ganze in der Öffent­lichkeit natürlich ganz anders verkaufen wollen und müssen. Inzwischen sind Sie aber doch schon einige Monate im Amt, und es sollte Ihnen das Problem der Unter­finan­zierung des Bundesheeres eigentlich klar sein. Ich bin mir sicher, in Wahrheit ist es Ihnen das auch. Den mangelnden Willen, dem Bundesheer jene Mittel zu geben, die es tat­sächlich braucht, kreide ich aber in erster Linie gar nicht Ihnen persönlich an, Frau Bundesminister, sondern in Wahrheit Bundeskanzler Kurz und Finanzminister Blümel.

Ihnen, Frau Bundesminister, kreide ich aber an, dass Sie gegenüber Ihren eigenen Parteifreunden nicht aufstehen, nicht auf den Tisch hauen, nicht mit Nachdruck jene Mittel einfordern, die das Bundesheer braucht. Ihre Parteifreunde sollten Sie einmal kennenlernen! Hätten Sie politisches Rückgrat, dann würden Sie keine Rücksicht auf Ihre eigene politische Karriere nehmen, sondern Sie würden sich für unser Bundesheer lautstark gegen Ihre Parteifreunde auflehnen. Als folgsame Parteisoldatin führen Sie aber die Befehle aus dem Kanzleramt widerstandslos aus und passen das Bundesheer an das mangelnde Budget an. Sie stellen damit parteipolitische Interessen über jene Ihres eigenen Ressorts und über jene unseres Landes.

In Wahrheit wissen Sie ganz genau, dass mit diesem Budget der enorme Inves­titions­rückstau nur kosmetisch kaschiert werden kann. Sie wissen auch, dass ohne verpflich­tende Milizübungen der verfassungskonforme Zustand unseres Bundesheeres nicht her­gestellt werden kann. Sie wissen auch, dass ohne schwere Waffen die verfassungs­rechtliche Hauptaufgabe der militärischen Landesverteidigung nicht funktionieren kann. Und Sie wissen auch, dass bereits heute – und umso mehr ab dem nächsten Jahr, wenn die Saab 105 nicht mehr fliegen werden – die aktive Luftraumüberwachung nicht mehr rund um die Uhr gewährleistet ist.

Obwohl Sie das alles wissen, machen Sie gute Miene zum bösen Spiel. Ihr großes Glück ist es, dass Sie innerhalb Ihres Ressorts kaum Widerstände zu überwinden haben. Ein Teil der Soldaten ist es gewohnt, Befehle auszuführen, ohne diese kritisch zu hinterfra­gen oder zumindest mit seiner Kritik vornehm hinter dem Berg zu halten, und ein weiterer Teil der Soldaten, speziell Ihre Berater mit Generalstabskurs, stellt häufig die eigenen, persönlichen Karrierepläne über die staatspolitische Verantwortung.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 435

Wenn ich mir das Bundesfinanzrahmengesetz mit den sinkenden Budgets 2023 und 2024 ansehe (Bundesministerin Tanner: Das ist ja gar nicht wahr! Es wird jedes Jahr ...! Genau dasselbe haben Sie ... auch gesagt, Herr Abgeordneter!), dann ist eines klar: Das Bundesheer wird mit diesem Budget nicht einmal in seiner jetzigen veralteten Form das Auslangen finden, geschweige denn eine positive Entwicklung nehmen können.

Sie werden unser Bundesheer verkleinern, Liegenschaften und Waffensysteme ver­scher­beln, es in ein leicht bewaffnetes technisches Hilfswerk umwandeln. (Zwischenbe­merkung von Bundesministerin Tanner.) – Frau Bundesminister, Sie dürfen sich gerne noch einmal zu Wort melden. Vielleicht lassen Sie mich kurz ausreden! (Abg. Kickl – in Richtung Bundesministerin Tanner –: Er versteht Sie nicht, wenn Sie ...!) Sie werden eine Personalreserve daraus machen, die gut genug zum Fiebermessen, zum Corona­testen, zum Regalschlichten und zum Pistentreten auf der Streif ist und dafür gut genug ist, um der Polizei bei lästigen Aufgaben zu helfen. Dazu kommen noch ein paar Pio­niere, damit auch die Landeshauptleute glücklich und zufrieden sind, und prestige­trächtige Auslandseinsätze, damit Bundeskanzler Kurz international aufgeigen kann. Das war es dann aber auch schon. Mehr will diese Regierung gar nicht. – Landesver­teidigung ade! (Beifall bei der FPÖ.)

14.02


Präsident Ing. Norbert Hofer: Mir liegen dazu nun keine Wortmeldungen mehr vor. Die Beratungen zu diesem Themenbereich sind somit beendet.

14.02.09UG 33: Wirtschaft (Forschung)

UG 40: Wirtschaft


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen jetzt zu den Untergliederungen 33, Wirt­schaft (Forschung), sowie 40, Wirtschaft. Hierüber findet eine gemeinsame Debatte statt.

Zu Wort gelangt Herr Dr. Christoph Matznetter. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.02.24

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen auf der Regierungsbank! Ich weiß schon, dass Sie die nächste Folge der lieben Serie „Pleiten-, Pech- und Pannendienst“ wollen, und ich verstehe auch, dass die Laiendarsteller in der österreichischen Bundesregierung gerne denselben Kultstatus wie Mister Bean erwer­ben würden, aber wir können den geschätzten Wählerinnen und Wählern nicht immer das gleiche Programm bieten.

Daher habe ich mir für heute überlegt, dass wir die Budgetdebatte zum Thema Wirt­schaft – Wirtschaft ist jener Teil unserer Gesellschaft, der gerade wegen Corona zusam­menbricht – nützen, um die beliebte volkskundliche Serie fortzusetzen, die von diesem Rednerpult aus zuletzt Peter Pilz gemacht hat, nämlich über die besonderen Exemplare in der Fauna der österreichischen politischen Landschaft zu sprechen.

Damals war es der Exkurs über den ÖVP-Salatdackel, wenn ich mich richtig erinnere. Das war ein interessanter Beitrag, nämlich zu dem Versuch, Wurst zu essen und zu be­haupten, man isst nur Salat. Inzwischen hat ja die Forschergruppe Ibiza-Unter­suchungsausschuss einiges an neuen Erkenntnissen zu diesem Exemplar zutage gefördert: Wenn ich dir spendiere, gehörst du mir, du liebes Tier!, oder so ähnlich, vonseiten derer, die zahlen. In diesem Teil gibt es noch andere Aspekte, und über die sollten wir reden.

Es war ja dieser schwarze Salatdackel bisher in seinem Paarungsverhalten selten mit dem kleinen grünen veganen Dackel zu sehen. Also in Westösterreich im alpinen Hochland


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gab es solche Dinge schon, aber was wir heuer festgestellt haben, war, dass zwei Dinge passiert sind: Der schwarze Salatdackel ist mutiert. Der ÖVP-Salatdackel ist plötzlich türkis, und er hat im heurigen Jahr winzige grüne Sprenkel bekommen. Die sieht man normalerweise nicht, aber weil sich Türkis und Grün schlagen, kommt es zur Interferenz, und daher sieht man die grünen Sprenkel.

So, und jetzt geistert er in ganz Österreich herum. Die Mutation ist aber nicht unprob­lematisch, meine Damen und Herren. Es gibt auf der Welt ja viele Spezies, die sehr vernünftig Winterschlaf halten. Warum? – Gibt es wenig zu essen und damit keine Energie, schlafen sie, und putzig wie die Murmeltiere stehen sie dann im Frühjahr auf und setzen fort. Dieser türkise ÖVP-Salatdackel mit den grünen Sprenkeln hat aber einen Sommerschlaf gehalten (Abg. Höfinger: Jetzt wird’s fad!), einen Sommerschlaf, bei dem er vergessen hat, dass in der restlichen Fauna eine Epidemie herrscht. (Beifall der Abgeordneten Eypeltauer und Loacker. – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Höfinger.) Die Konzepte, die wir gebraucht hätten, sind leider verschlafen worden. Die Schubladen, in denen sie sich angeblich befinden, klemmen. (Zwischenruf des Abg. Höfinger.) Es muss etwas passiert sein, denn jetzt haben wir einen zweiten Lockdown, und die Regierung steht da, als hätte sie das erste Mal in ihrem Leben von Corona und den Problemen der Wirtschaft gehört. Es ist ja unglaublich! (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

Dann versucht man, die Deutschen nachzumachen, weil die mit den 75 Prozent Umsatz­erstattung schneller waren, hat aber kein fertiges Konzept. Dann stellt sich heraus: Der Waffenhandel ist offen, die Friseurinnen und Friseure können zu Hause besuchen, während die Reisebüros nicht geschlossen haben müssen – um was zu tun? Um auf den nächsten Reisegast im Jahr 2021 zu warten? Oder nur damit sie von den Förde­rungen ausgeschlossen sind? Die indirekt Betroffenen kriegen nichts. Während die Christkindlmarktstandler 80 Prozent bekommen, kriegt derjenige, der das liefert, wofür sie einmal die Miete zahlen würden – nämlich den Stand und die Möbel –, gar nichts. Das ist der Zustand, meine Damen und Herren!

Ehrlich, Frau Bundesministerin: Vielleicht ist der Sommerschlaf auch schön. Ich glaube nur, dass der türkise Dackel mit den grünen Sprenkeln die falsche Jahreszeit gewählt hat. Es wäre besser gewesen, über diesen Sommer intensiv zu arbeiten, Konzepte für den D-Day bereit zu haben, für alle zu sorgen, damit sie, wenn es so weit ist, nicht untergehen.

Derzeit sehe ich leider weiterhin schwarz – nicht türkis-grün –, und zwar schwarz für unsere Betriebe, denn so, wie es jetzt funktioniert, funktioniert es leider gar nicht. Und ehrlich gesagt: Mit diesem Budget wird es auch nicht besser, Frau Minister. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

14.06


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Peter Haubner. – Bitte schön.


14.06.45

Abgeordneter Peter Haubner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Meine werten Kolleginnen und Kollegen! Kollege Matznetter, ich möchte aus der Fabelwelt wieder zurück in die reale Wirtschaftswelt kommen. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir behandeln nämlich heute das Budget für das Jahr 2021 und jetzt gerade das Kapitel Wirtschaft, und wir alle wissen, dass wir in Österreich eine sehr angespannte Situation im Wirtschaftsbereich haben – so wie in ganz Europa und auf der ganzen Welt, wir sind da keine Ausnahme –, doch ich denke, wir haben viele Maßnahmen in dieser Situation richtig gesetzt, und viele Maßnahmen kommen auch an. Dass es bei der einen oder anderen Maßnahme einen Nachbesserungsbedarf gibt, haben wir gewusst, und wir


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versuchen, da auch immer wieder zu optimieren. Also ich denke, wenn man sich die Summe der Maßnahmen, mit denen wir die Wirtschaft unterstützen, anschaut, dann wird man feststellen können, dass wir in Österreich damit im absoluten Spitzenfeld in Europa liegen. Wenn wir mit den Unternehmerinnen und Unternehmern draußen sprechen, dann wissen wir, dass bei vielen die Unterstützung auch schon angekommen ist. (Ruf bei der FPÖ: Das stimmt ja gar nicht!)

Ich denke, meine Damen und Herren, wir haben mit diesen Maßnahmenpaketen – von der Kurzarbeit über den Fixkostenzuschuss bis hin zum Umsatzersatz – ein Bündel ge­schnürt, das auch die Vielfalt der österreichischen Unternehmerschaft abbildet, sodass für jeden ein Paket dabei ist, das ihm durch diese Krise helfen kann.

Zum Budget selber ist natürlich auch etwas zu sagen. Das Kapitel Wirtschaft ist ja eines, das sehr wichtig ist und auch Maßnahmen wie etwa Steigerungen im Bereich der Wirt­schaftsförderung, Steigerungen im Bereich der Digitalisierung beinhaltet. Gerade die Digitalisierung ist ein ganz wichtiger Punkt, und dafür haben wir für die Jahre 2021 und 2022 jeweils 80 Millionen Euro vorgesehen, um einerseits unsere Führungsposition im E-Government, bei dem wir ja europaweit sehr gut aufgestellt sind, weiter ausbauen und andererseits auch noch Optimierungen bei den Ministerien vornehmen zu können. Auch das ist also eine wichtige Investition.

Das Dritte ist noch eine Investition im öffentlichen Bereich. Gerade die Höherdotierung der Burghauptmannschaft ist auch ein wesentlicher Punkt, denn dafür stehen 2021 30 Millionen mehr und im Jahr 2022 35 Millionen mehr zur Verfügung (Ruf bei der FPÖ: Das ist eine ganz schwache Rede!), um auch da gewisse Investitionen tätigen zu kön­nen, die dann wieder der regionalen Wirtschaft zugutekommen.

Wir alle wissen, es ist nicht einfach, aber es wird nicht besser, wenn wir dauernd nur kritisieren. Ich glaube, es ist ein Schulterschluss gefragt, denn zusammenzuhalten und gemeinsam etwas weiterzubringen hat Österreich in die Position gebracht, in der wir vor der Krise waren (Zwischenruf des Abg. Hafenecker), und ich denke, dorthin sollten wir wieder kommen, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.)

Frau Minister, bitte bleiben Sie hart am Kurs, was Digitalisierung und die Maßnahmen für den Wirtschaftsstandort Österreich betrifft. Wir unterstützen Sie dabei – und danke. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Leichtfried: Danke!)

14.09


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Erwin Angerer. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


14.10.03

Abgeordneter Erwin Angerer (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Ich glaube, die Fabelwelt, die Kollege Matznetter beschrieben hat, ist von der Realität nicht so weit entfernt, Herr Kollege Haubner. Was erleben wir seit dem Frühjahr, seit Beginn der Krise? Was erleben die Unternehmen seit dem Frühjahr, seit Beginn der Krise?

„Koste es, was es wolle“, hat es geheißen, und: „Wer schnell hilft, hilft doppelt.“ Was aber war die Realität? – Wir erinnern uns zurück: Für Zahlungen aus dem Härtefallfonds haben sich die Unternehmen durch einen Bürokratiewust und -dschungel kämpfen müssen, damit sie dann am Ende 500 Euro bekommen, die auf der anderen Seite wiederum der Steuerberater für die Antragstellung gebraucht hat. Also das war die erste schnelle Hilfe, die die Unternehmer in diesem Land gespürt haben.

Wir haben die Situation, dass Branchen völlig unterschiedlich betroffen sind. Gewissen Branchen geht es gut, die haben bessere Aufträge und sogar ein besseres Jahr als die


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Jahre zuvor. Andere Branchen aber trifft es schwer, die lässt man leider im Regen stehen, die können nichts dafür, sie sind durch diese Regierung geschlossen worden. Man hat ihnen das Epidemiegesetz als Grundlage für eine entsprechende Entschä­digung, die sie gehabt hätten, entzogen, und dann hat man sie als Almosenempfänger abgestempelt. Das ist die Realität, die die Unternehmen in diesem Land leider erleben müssen.

Die Unternehmen haben den Lockdown des Frühjahres überstanden, dann ist es mit der Wirtschaft endlich wieder aufwärtsgegangen, aber es ist leider so, dass diese Regierung über den Sommer alles verschlafen hat – sämtliche Vorbereitungsmaßnahmen, die not­wendig gewesen wären, die für die Wirtschaft notwendig gewesen wären, wurden nicht getroffen.

Kollege Matznetter hat das Modell Deutschland angesprochen und völlig richtig gesagt: Man stellt den Betrieben 80 Prozent Kostenersatz zur Verfügung und hat bei dieser Lösung leider wieder sehr viele Unternehmen einfach vergessen. Die ganze Zuliefer­branche und viele Dienstleistungsbereiche fallen durch den Rost und bekommen wieder nichts. Das ist jetzt diese 80-Prozent-Unterstützung, wobei 80 Prozent von nichts leider nichts sind, also das hilft ihnen leider überhaupt nicht. Herr Blümel ist seit Monaten nicht in der Lage, mit der EU eine Vereinbarung zu schließen, damit der Fixkostenzuschuss Phase zwei endlich in die Gänge kommt. Also es ist einfach ein Faktum und zeigt, was passiert. Alles andere entspricht nicht der Realität, deshalb wollen wir ihnen mit einem entsprechenden Antrag helfen. Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „dringende Um­setzung des Fixkostenzuschuss II sowie Ermöglichung eines Umsatzersatzes für alle auch indirekt vom zweiten Lockdown betroffenen Unternehmen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, einerseits umgehend sicherzustellen, dass auch die indirekt betroffenen Zulieferfirmen der aufgrund des zweiten Lockdowns ge­schlos­senen Betriebe einen Umsatzersatz erhalten, und andererseits den Fixkosten­zuschuss II unmittelbar umzusetzen.“

*****

Ich ersuche um Zustimmung. Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

14.13

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Erwin Angerer

und weiterer Abgeordneter

betreffend dringende Umsetzung des Fixkostenzuschuss II sowie Ermöglichung eines Umsatzersatzes für alle auch indirekt vom zweiten Lockdown betroffenen Unternehmen

eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 11, Bericht des Budget­ausschusses über die Regierungsvorlage (380 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2021 (Bundesfinanzgesetz 2021 – BFG 2021)


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samt Anlagen (449 d.B.), Untergliederung UG 40 – Wirtschaft, in der 62. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 18. November 2020

In den letzten Monaten mussten sich viele Betriebe und Unternehmen in Folge von COVID-19 und des verordneten Lockdowns massiv verschulden und befinden sich nach wie vor, wenn auch mit branchenabhängigen Unterschieden, in einer wirtschaftlich äußerst schwierigen Lage. Die WKO-Bundessparte Gewerbe und Handwerk geht in der „Presse“ vom 8. September 2020 davon aus, dass die rund 230.000 Unternehmen in Gewerbe und Handwerk bis Jahresende einen Umsatzverlust von mindestens 11 Mrd. Euro hinnehmen werden müssen. Besonders hart trifft es Betriebe im Kreativ- und Designbereich wie die Eventbranche bzw. Unternehmen im Gesundheits- und Wellness­sektor.

Stark in Mitleidenschaft gezogen wurde auch die Reisebürobranche, die für das Jahr 2020 mit einem Umsatzrückgang rund um die 80 Prozent rechnen müsse, so Gregor Kadanka, Obmann des Fachverbandes Reisebüros in der Wirtschaftskammer Öster­reich (WKÖ) im Ö1-Journal am 25. August 2020.

Äußerst prekär ist darüber hinaus auch die Situation im Gastronomie- und Tourismus­bereich: „Wir werden in vielen Unternehmen als Konsequenz der Krise mehr Schulden bei geringeren Umsätzen und Erträgen haben - das ist sicher kein Erfolgsmodell“, bringt ÖHT-Generaldirektor Wolfgang Kleemann die Lage im Tourismus auf den Punkt.

„Im Herbst drohe eine Pleitewelle, weil die Klein- und Mittelunternehmen in Österreich im Schnitt eine zu geringe Eigenkapitalausstattung hätten und weil dann diverse Stun­dungen aus der Coronazeit, etwa für Finanz- und Sozialabgaben, auslaufen, sagte vor wenigen Tagen der Chef des Instituts für Wirtschaftsforschung (Wifo), Christoph Badelt.“ Oberösterreichische Nachrichten, 18. Juli 2020.

Laut Budgetbericht liegen dem Budget 2021 – noch ohne Miteinbeziehung des mittler­weile „verordneten“ Lockdowns - folgende Daten zugrunde:

„Im Jahr 2020 ist die wirtschaftliche Entwicklung in Österreich sehr stark von der welt­weiten COVID-19 Pandemie gekennzeichnet. Nationale wie auch internationale Maß­nahmen zur Eindämmung dieser Pandemie und die damit verbundene Konsum­zurück­haltung haben eine tiefe globale Rezession ausgelöst.

Der starke Rückgang des Welthandels, Handelskonflikte, Unterbrechungen bei Liefer­ketten und Maßnahmen zur Reduktion der Mobilität prägen die externen Rahmenbedin­gungen für die österreichische Konjunktur. Die Unsicherheiten über die Dauer des wirt­schaftlichen Einbruches sind hoch und insgesamt betrachtet dominieren die Abwärts­risiken für die Wirtschaft.

Für das Jahr 2020 prognostiziert das WIFO einen BIP-Rückgang von -6,8%. Das erwartete reale BIP-Wachstum für 2021 beträgt 4,4%. Damit wird das reale BIP Ende 2021 voraussichtlich immer noch niedriger sein als Ende 2019.

Der starke wirtschaftliche Einbruch bei Österreichs Handelspartnern schlägt sich auch in der Entwicklung der heimischen Exportmärkte nieder. Das WIFO rechnet mit einem Rückgang heimischer Exporte in der Höhe von 12,4%.“

Wie drastisch die Auswirkungen eines zweiten Lockdowns für die Wirtschaft in Öster­reich wären, haben IHS und WIFO nämlich kürzlich dargelegt, die einen neuen Lock­down mit folgender Begründung als argen Schlag bezeichnen!

„Ein neuerlicher Lockdown in diesem Herbst könnte die BIP-Raten - laut Wifo heuer minus 6,8 Prozent, 2021 plus 4,4 Prozent - um 2,5 bis 4,0 Prozentpunkte senken, warnte das Wirtschaftsforschungsinstitut am Freitag. (…) Im zweiten Quartal war der Tiefpunkt der Rezession erreicht, danach zog die wirtschaftliche Aktivität wieder kräftig an. Ein


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neuerlicher Lockdown freilich könnte die Wirtschaftsleistung im vierten Quartal auf das Niveau des zweiten Quartals herunterdrücken und im gesamten Prognosezeitraum einen Wertschöpfungsverlust von 4,5 Prozent bewirken, warnt das Wifo.“ APA0140 Fr, 09.Okt 2020

Wir haben die Bundesregierung bereits vor einigen Wochen mit einem Antrag dazu auf­gefordert, vor dem Hintergrund dieser dramatischen Auswirkungen eines zweiten Lockdowns, umgehend öffentlich einen zweiten Lockdown in Österreich auszuschließen.

In eben diese Kerbe schlug auch die Wirtschaftskammer, wenn Präsident Mahrer und Generalsekretär Kopf in diesem Zusammenhang in einer Aussendung vom 9. Oktober 2020 „wirtschaftspolitische Vernunft“ und die Verhinderung eines neuerlichen Lock­downs einforderten:

„Viele österreichische Betriebe werden weiterhin mit der größten Wirtschaftskrise der vergangenen Jahrzehnte ringen. Ein zweiter Lockdown ist undenkbar und daher unter allen Umständen zu vermeiden. Umso notwendiger ist jetzt, dass alle Beteiligten gemäß der wirtschaftspolitische Vernunft agieren, tragfähige Lösungen mittragen und positive Signale im Sinne der Betriebe und ihrer Beschäftigten aussenden“, betonen Mahrer und Kopf. (OTS0141 Fr, 09.Okt 2020)

Mit Wirksamkeit vom 03.11.2020 ist nunmehr der zweite Lock-Down in Kraft getreten, dem auch die WKO ganz offensichtlich zugestimmt hat.

Die entsprechenden Auswirkungen dieses zweiten Lockdowns beurteilt bzw. beziffert das WIFO in einer Aussendung vom 5. November 2020 wie folgt:

 „Der wegen der Corona-Pandemie seit Dienstag geltende zweite Lockdown in Öster­reich wird die heimische Wirtschaft heuer und nächstes Jahr stärker in Mitleidenschaft ziehen als bisher angenommen. Das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) geht für 2020 nun von 7,7 Prozent BIP-Einbruch aus statt der noch im Oktober angenommenen 6,8 Prozent Minus. Und 2021 dürfte die Wirtschaft nur um 2,8 statt 4,4 Prozent wachsen.

0,6 Prozentpunkte dieses zusätzlichen Einbruchs im heurigen Jahr seien auf den Bereich Beherbergung und Gastronomie zurückzuführen, der Rest vor allem auf (frei­willigen) Konsumverzicht in anderen Bereichen, erklärte das Wifo am Donnerstag in einem Update zu seiner Herbstprognose und seiner jüngsten Mittelfristprognose.

APA0170 / 05.Nov 2020

Als finanziellen Ausgleich für jene Unternehmen, die vom zweiten Lockdown betroffen sind, wurde ein 80 %iger Umsatzersatz des Umsatzes des Vorjahresmonats ver­sprochen.

Völlig unverständlich ist in diesem Zusammenhang aber, dass man mit der gegen­ständlichen Regelung hier auf eine große Zahl an massiv betroffenen Unternehmen „vergessen“ hat, was auch bereits Herrn WKO-Präsidenten Mahrer am 6. November auf den Plan rief, der – wenig glaubwürdig – zumal die WKO mit Sicherheit in die dies­bezüglichen Entscheidungen eingebunden war folgende Forderung erhob:

Die Umsatzentschädigung, die heute präsentiert wurde, ist eine Erste-Hilfe-Maßnahme für unmittelbar betroffene Betriebe in dieser Ausnahmesituation“, sagt Harald Mahrer, Präsident der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ).

Wesentlich ist, dass auch von der Schließung teilbetroffene Mischbetriebe und in einer zweiten Welle dann auch die indirekt betroffenen Zulieferfirmen der geschlossenen Betriebe gleichwertig entschädigt werden. „Das ist eine Frage der Fairness, hat eine stabilisierende Wirkung auf die Gesamtwirtschaft und sichert tausende Arbeitsplätze“, so Karlheinz Kopf, Generalsekretär der WKÖ. (…)„Wir haben mehrfach betont, dass


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nicht nur die direkt vom Lockdown betroffenen Branchen eine Perspektive brauchen, sondern auch jene, die indirekt betroffen sind. Diese Perspektive müssen wir den Betrieben rasch geben“, betont Mahrer.

Die zweite seit Monaten offene Baustelle, auf der offensichtlich mehr planlos als zielgerichtet am Rücken der Unternehmer zwischen Finanzminister Blümel und der Europäischen Kommission gestritten wird, ist der Fixkostenzuschuss II, der aufgrund einer EU-rechtlich fehlerhaften Begründung für die Notifizierung noch immer nicht umgesetzt wurde.

Diese fehlerhafte Begründung hat den Vertreter der EU-Kommission Martin Selmayr zur Aussage bewogen, dass „es besser sei, wenn man es vorher so schreibt, dass es richtig ist“.

Auch in diesem Zusammenhang meldete sich Harald Mahrer gegenüber der Tiroler Tageszeitung am 1. Oktober 2020 zu Wort und mahnte eine schnellstmögliche Um­setzung der Verlängerung des Fixkostenzuschusses ein, „da sonst viele Betriebe zusperren müssten und er absolut kein Verständnis für Diskussionen auf dem Rücken der österreichischen Betriebe habe.“

Der verordnete Lockdown von Gastronomie, Hotellerie, Event- und Veranstaltungs-branche treffe aber auch indirekt viele Betriebe hart, beklagte die Obfrau der WKÖ-Sparte Gewerbe und Handwerk, Renate Scheichelbauer-Schuster. Viele Zulieferer und Dienstleister für die direkt betroffenen Branchen müssten zwar nicht selbst zusperren, ihr Geschäft komme im November aber de facto zum Erliegen und die Umsatzausfälle seien "dramatisch und bisweilen existenzgefährdend". "Ich denke hier zum Beispiel speziell an Textilreiniger, Gebäudereiniger, Bäckereien oder Fleischereibetriebe, aber auch an die Veranstaltungstechniker und die Musikinstrumentenhersteller", sagt Scheichelbauer-Schuster. Auch für sie müsse es gleichwertige Entschädigungen geben. Massiv betrof­fen seien auch Dienstleister wie Friseure, Fußpfleger, Kosmetiker oder Masseure und viele andere Branchen. "Hier braucht es adäquate Hilfe, noch im November", so die Spartenobfrau. "Der Fixkostenzuschuss II muss endlich fließen."

APA0345 / 06. Nov 2020

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten daher nach­ste­hen­den

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, einerseits umgehend sicherzustellen, dass auch die indirekt betroffenen Zulieferfirmen der aufgrund des zweiten Lockdowns ge­schlossenen Betriebe einen Umsatzersatz erhalten, und andererseits den Fixkosten­zuschuss II unmittelbar umzusetzen.“

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, er ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Mag. Dr. Jakob Schwarz. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.13.39

Abgeordneter Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA (Grüne): Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich werde gleich zum


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Budget 2021 kommen. Da aber die Opposition immer wieder gerne über das vorige Budget, das Budget des Jahres 2020, spricht: Die Soforthilfe ist doch das beste Beispiel dafür, dass die Regierung eben versucht, möglichst schnell zu helfen. Im Sinne von: Wer schnell hilft, hilft doppelt!, ist die Soforthilfe genau das, was Sie eigentlich fordern würden.

Sie sagen: 80 Prozent von nichts sind auch nichts. – Die Bemessungsgrundlage für die Soforthilfe ist der Umsatz von November 2019, also müsste man dort null Umsatz gemacht haben, damit Ihre Rechnung stimmt, Herr Angerer.

Nun aber kurz zu den Schwerpunkten im Budget, denn um die soll es heute gehen. Ich glaube, dass das Budget in UG 33 und 40 für das steht, was die Regierung insgesamt als Zugang zum Budget gewählt hat, nämlich die Absicherung der Unternehmen – für die, glaube ich, der Härtefallfonds repräsentativ steht –, kombiniert mit dem Versuch, sich aus der Krise rauszuinvestieren – für den die Investitionsprämie, der größte Teil des Zuwachses im Budget, repräsentativ steht –, und gleichzeitig auch die Einleitung dieser Transformation der Wirtschaft hin in Richtung der Zukunftsbranchen und Zukunfts­bereiche, wie zum Beispiel die 18-Millionen-Euro-Beteiligung am Ipcei für Mikroelek­tronik. Auch die Investitionsprämie hat ja quasi durch ihre Steuerungswirkung einen gewissen Anteil an diesem Transformationsgedanken.

Der Härtefallfonds war natürlich eine wichtige Stütze für die Unternehmen. Es ist auch nicht so, wie Sie gesagt haben, dass nur ein bisschen etwas angekommen ist, sondern es ist sehr viel angekommen. Es sind – Stand Oktober – bereits 600 Millionen Euro an Überbrückungshilfen ausgezahlt worden, davon 130 Millionen Euro in der ersten Sofort­hilfe, in der ersten Woche, als 1 000 Euro pro Unternehmen ausbezahlt worden sind. Jetzt sind noch einmal 200 Millionen Euro für das nächste Budget budgetiert, und das ist gut so.

Wenn es dann aber wieder raus aus der Krise geht, braucht es natürlich Investitionen. Diese sind ein zentraler Konjunkturmotor, damit wird die Wertschöpfung angestoßen und werden Arbeitsplätze geschaffen. Wenn die Aussicht wieder besser wird, wenn die Investitionen wieder anziehen, ist es wichtig, dass quasi die in der Krise zurückge­haltenen Investitionen in die richtige Richtung gelenkt werden. Dazu trägt die Inves­titionsprämie bei. Damit wird die Krise zu einer Chance, da nämlich mehr Investitionen in Richtung Klimaschutz, Lifesciences und Digitalisierung gehen, als das im Normalfall, in der Normalzeit der Fall gewesen wäre. Diese Lenkung scheint auch zu gelingen: Von den 44 000 Anträgen zur Investitionsprämie sind 18 000 Anträge zu Ökoinvestitionen, das sind 40 Prozent der Anträge.

Was mich auch besonders freut, ist, dass insbesondere kleine und kleinste Unternehmen diese Investitionsprämie in Anspruch nehmen wollen. 63 Prozent der Anträge kommen von Kleinstunternehmen, das sind ungefähr 40 Prozent des Volumens.

Ein Nachsatz, mit dem ich mir hier wahrscheinlich keine oder nicht nur Freunde mache, betrifft die Förderung von klimafreundlichen Technologien. Das ist eine gute Sache und findet auch weitgehend Zustimmung. Ich glaube, die wenigsten sind da gegen die Investitionsprämie, aber die Wahrheit ist – das zeigt auch eine kürzlich erschienene Boku-Studie –, dass es auch Exnovation braucht, das heißt, wir müssen die alten, fossilen Technologien vom Markt nehmen. Auch dazu leistet diese Investitionsprämie einen Beitrag, indem diese alten, fossilen Technologien von der Prämie ausgeschlossen sind.

Es braucht eben diese beiden Förderungen, aber auch dieses Rausziehen, um die notwendige Wende wirklich hinzukriegen. Dafür ist in diesem Fall schon einmal der Grundstein gelegt. Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

14.17



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 443

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Josef Schellhorn. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.17.40

Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Herr Präsident! Frau Minister! Christoph Matznetter, du liegst in deiner Fabelwelt natürlich völlig falsch. Hylax, der Hund, ist ja treu, sorglos, freundlich und gutherzig. Es ist die Henne, es ist der Kratzefuß Henne; die ist nämlich eitel, einfältig und ängstlich. (Abg. Obernosterer: Was ist der Schellhorn?) – Mutig! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Keine Angst! (Beifall bei NEOS und SPÖ.) Darum geht es nämlich.

Wenn ich mir die Wirkungsziele anschaue, die da stehen: Unter den vier Punkten steht einmal, ja, wir wollen die Außenwirtschaft ankurbeln, wir wollen die KMUs stärken. (Zwischenruf des Abg. Hörl.) – Das haben wir 2017 auch gelesen. Das ist ein Budget mit Wirkungszielen, die überhaupt nichts mit 2021 und den Herausforderungen zu tun haben. Die Herausforderungen, die Außenwirtschaft und die KMUs zu stärken, haben wir eh jedes Jahr, das sind No-na-Wirkungsziele, und ich denke, darauf kommt es an.

Frau Minister, in Ihrem Wirkungsziel müsste stehen: Wir müssen Arbeit halten, und wir müssen Arbeit schaffen. Dazu gehören ein paar Merkmale. Dazu gehört ein Konjunk­turprogramm, das sich gewaschen hat. Von mir aus bauen Sie Schulen heute und morgen, bevor Sie irgendwelche Straßen bauen lassen! In Ihrem Ressort, das eh schon so beschnitten ist, ist Ihnen viel weggenommen worden. Wenn ich dann lese, dass für Digitalisierung im KMU-Bereich 2,5 bis 5 Millionen Euro jährlich verwendet werden – das macht zum Beispiel Amazon in einer Viertelstunde – und wir das als Leistung hervor­kehren wollen, dann schäme ich mich direkt dafür, dass wir digital so weit hinten sind. Wenn wir im schulischen Bereich digital schon so weit hinten sind – wie ich gestern ge­lesen habe –, dass die virtuellen Schulklassen zwar online sind, aber die, die in der Klasse sind, sich nicht einloggen können, dann wissen wir, dass wir ein massives digitales Problem haben, und Sie wollen gleichzeitig um 2,5 Millionen Euro KMUs stär­ken.

Ich glaube, diese Fabelwelt der Henne kommt gerade in diesem Budget sehr einfach und klar zutage. Worum geht es jetzt, was müssen wir tun? – Wir müssen jetzt einmal durch den Winter kommen. Um durch den Winter zu kommen, brauchen wir auch eine gewisse Planungssicherheit für alle Unternehmer, nicht nur für den Tourismus.

Köstinger und Blümel haben gestern sehr wohl und sehr klar gesagt, was ich schon den ganzen Sommer über gesagt habe: Stirbt der Tourismus, stirbt auch der Tischler! Es gilt jetzt, alles dafür zu tun, die Klein- und Mittelbetriebe im Handwerk – den Installateur und alle anderen – zu schützen beziehungsweise ihnen zu helfen, über den Winter zu kommen, weil die Investitionstätigkeit sinken wird.

Es wird dramatisch sein, wenn die Banken heute schon sagen: Wenn wir jetzt nichts tun, um die Liquidität zu erhalten, wenn wir jetzt nichts tun, um den Betrieben zu helfen, unter einen Schutzschirm zu kommen, dann werden wir – sagen die Banken – 30 Milliarden Euro an faulen Krediten haben. Das wird dann wiederum zum Problem für die Regierung. Und wenn Sie jetzt nichts tun, um sich auch langfristig dafür einzusetzen, dass über Investitionsbanken und Stützungsprogramme etwas passiert, dann werden wir dieses Problem haben.

Das nächste Problem ist, dass diese Investitionsstützungsprogramme, diese Förder­pro­gramme zwar richtig gut sind – dafür muss ich Sie auch loben –, nur was hilft es, wenn ich eine Investitionsförderung bekomme und dann sechs Monate auf die Genehmigung


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warte? Da ist die Investition inzwischen dahin, bevor ich es erledigen kann. (Bundes­ministerin Schramböck: Zehn Tage!) Den Staatsapparat zu verschlanken oder ihn schneller zu machen ist also eine Ihrer Hauptaufgaben.

Eine Frage besteht ja nach wie vor: Wir haben bei der AUA ein Problem gehabt, und dieses Problem wird nicht vom Tisch sein. Dazu hätte ich gerne Antworten. Was passiert jetzt mit der AUA? Kommt sie noch einmal mit neuen Forderungen? (Abg. Kassegger: Lockdown zwei!) Das AUA-Konzept, das Ihnen vorgelegt wurde, war ja ein Best-Case-Szenario und kein Worst-Case-Szenario. Wir rechnen jetzt aber mit dem Worst-Case-Szenario, und ich will auch klare Antworten, ob weiterhin in die AUA hineingepumpt wird oder ob dieses Geld vielleicht woanders verwendet wird, nämlich zur Stützung von Klein- und Mittelbetrieben. Das wäre ganz wichtig. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Zum Staatsapparat und zu diesen Zukunftsprojekten: Ich hätte mir von Ihnen gewünscht, dass Sie in Ihrer Untergliederung einen Budgetentwurf vorlegen, der zukunftsweisend ist, der konjunkturbelebend ist, mit dem in jene Bereiche investiert wird, in denen wir – wie bei der Digitalisierung – seit Jahrzehnten Probleme haben, mit dem wir in jene Bereiche investieren, in denen auch in der Vergangenheit massive Probleme aufgetreten sind. Es ist de facto ein Pflasterl, das Sie auf eine riesige Fleischwunde legen, und das kann es nicht sein.

Wir erwarten uns vor allem eine mutige Ansage, was mit den Klein- und Mittelbetrieben passiert, welche Schutzmaßnahmen Sie anlegen, denn wir müssen bis Juni 2021 kom­men. Sagen wir einmal so: Der Coronavirus ist nicht vom Himmel gefallen, und am 9. Dezember wird er nicht in der Hölle verschwinden. Das ist einer der markanten Punkte, denn wir haben es schon gestern gehört: Es gibt zum Beispiel gewisse Sektoren im Tourismus, bei denen es nicht mit dem 9. Dezember vorbei sein wird. Dafür brauchen wir klare, mutige Ansagen – jene der Henne oder jene des Dackels. Ich würde mir jene des Dackels sehr wünschen! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

14.24


Präsident Ing. Norbert Hofer: Frau Bundesministerin Dr.in Margarete Schramböck gelangt nun zu Wort. – Bitte, Frau Minister.


14.24.10

Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Ich gehe jetzt nicht auf die Vergleiche mit unterschiedlichen Tieren ein. Ich mag die Henne, ich mag den Hund, aber ich glaube, wir sollten uns in der jetzigen Krise darauf konzentrieren, wie schwer sie ist und wie viele Unternehmen in dieser Krise wirklich schwierige Zeiten erleben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Es ist immerhin die größte Weltwirtschaftskrise, die wir, die wir in diesem Raum sitzen, und auch die Menschen, die zu Hause zusehen, erlebt haben. Es ist die größte Krise, und sie betrifft nicht nur unsere Gesundheit. Heute ist ein sehr trauriger Tag: Innerhalb von 24 Stunden gibt es 100 Tote. Das ist ein trauriger Tag in Österreich, und es ist auch für viele Betriebe traurig, wie es ihnen geht. Glauben Sie mir, ich leide mit den Betrieben, mein Herz blutet mit den Betrieben, und gleichzeitig ist es aber unsere Verantwortung, daran zu arbeiten, die Betriebe bestmöglich durch diese Krise zu bringen.

Es ist auch unsere Aufgabe, den Wohlstand in Österreich zu erhalten, die soziale Stabilität, um die uns viele in anderen Ländern beneiden, und vor allem ist eines wichtig: Ich möchte Sie daran erinnern, dass wir jenes Land sind, das in der Lage ist, den Menschen die meisten Hilfen pro Kopf zukommen zu lassen. Kein anderes europäisches Land, nicht einmal Deutschland, ist dazu in der Lage. Wir können darauf stolz sein, dass


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wir unsere Unternehmen unterstützen können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der Grünen.)

Jetzt ist es unsere Aufgabe, die richtigen Weichen zu stellen, und die finden Sie – und nun gehe ich auf das Budget ein – im Budget meines Ressorts im nächsten Jahr klar abgebildet. Es gibt kaum ein Ressort, das eine derartige Steigerung hat, wir haben das Budget auf 1,24 Milliarden Euro verdoppelt. Ich glaube, das ist ein klares und starkes Zeichen für den Wirtschaftsstandort.

Der wirtschaftliche Wiederaufbau muss unterschiedliche Schwerpunkte haben, da haben Sie durchaus recht. Es braucht ganz unterschiedliche Maßnahmen, es braucht ein Maß­nahmenpaket, darum gibt es die 50 Milliarden Euro. Wir haben ganz spezifische Schwer­punkte für die Wirtschaft gesetzt.

Wichtig ist jetzt mehr denn je die digitale Transformation, denn sie macht die Unter­nehmen resilienter, sie macht sie zukunftsfähiger und lässt sie auch besser durch zu­künftige Krisen kommen.

Sie haben notwendige Investitionen selbst angesprochen. Danke, dass Sie diese auch mittragen. Die Investitionsprämie ist auch auszuweiten, diese Woche wird sie wiederum behandelt werden. Ich danke dem Parlament für die Zustimmung zu dieser Investitions­prämie, sie ist gerade jetzt ganz besonders wichtig, um einen Anreiz dafür zu schaffen, dass die Unternehmen ihre Pläne aus den Schubladen holen, denn das tun sie. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ja, ich gebe Ihnen recht, dass es auch unsere Aufgabe ist, überflüssige Bürokratie zu beseitigen. Ich gebe Ihnen ein Beispiel, weil Sie das Thema betreffend die Investitions­prämie genannt haben: Die Zusage erfolgt in etwa innerhalb von zehn Tagen. Es ist voll digital, es wird bei der AWS voll digital abgearbeitet, und sie können das auch nur deshalb, weil sie vor drei Jahren schon mit einem digitalen Programm begonnen haben. Sie haben vorgesorgt, sonst könnten sie nie die Menge an Anträgen von NGOs und EPUs, die sie jetzt abwickeln müssen, auch abwickeln. Es dauert also wenige Tage, und wenn die Investitionsprämie mit Ihrer Unterstützung wieder aufgestockt ist, dann können wir auch wieder rasch mit den Zusagen hinausgehen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Lassen Sie mich nun auf das Thema digitale Transformation eingehen! Warum ist das so wichtig? – Es ist deshalb so wichtig, weil es alle Unternehmen in Österreich betrifft und ein hohes Potenzial birgt, nämlich das Potenzial, pro Jahr mindestens 20 000 Ar­beits­plätze in Österreich zu schaffen. Es schafft außerdem die Möglichkeit, das Brutto­inlandsprodukt zu steigern. Wenn wir die digitalen Kompetenzen bei allen erhöhen – vom Lehrling bis hin zu jenen, die einen neuen Job suchen –, ist das auch ein wichtiger Schlüssel für den Wirtschaftsstandort.

Ich möchte noch kurz auf den Digitalisierungsfonds eingehen, weil er neu ist und genau darauf abzielt, was Sie sagen: Staat muss einfacher werden, Staat muss digitaler werden, Staat muss zugänglich sein, 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr. Deshalb ist der mit 160 Millionen Euro dotierte Fonds für Digitalisierung ein wichtiges Herzstück der Arbeit an Themen wie once only, an Themen wie einem einfachen Zugang zu den Amtswegen sowohl für die Menschen, die in Österreich leben, als auch für die Unternehmen in Österreich. Das werden wir tun: Bürokratie abbauen, entlasten und als Staat entsprechend digitaler werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Die Anreize für die Investitionsprämie zeigen sich in dem Budget für dieses Jahr, aber auch im Budget für das nächste Jahr und das Jahr darauf. Lassen Sie mich einen Überblick geben: Am Stichtag 1. November sind 35 219 Anträge eingelangt, über


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20,3 Milliarden Euro an Investitionen ausgelöst und ein Zuschussvolumen von 2 Milliarden Euro schon vergeben.

Wie gesagt: Es wird auf die nächste Milliarde der Investitionsprämie gewartet. Von diesen Investitionen sind 87 Prozent genehmigt – also das ist schon sehr, sehr viel, mehr als 50 Prozent. Auch die Steuerung in Richtung Ökologisierung und Digitalisierung funktioniert, denn die beiden Dinge sind sehr stark miteinander verbunden.

Lassen Sie mich IHS-Chef Martin Kocher zitieren, der zufrieden bilanziert: Die Inves­titionsprämie wirkt sehr gut, sogar besser als gedacht. Sie sorgt für Stabilität. Ohne die Investitionsprämie wären viele Projekte in der Schublade liegen geblieben. – Zitatende. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Lassen Sie mich zum Schluss noch auf die Fachkräfteausbildung eingehen, denn das Thema Fachkräfte wird durch den Coronavirus nicht einfach verschwinden: Das Thema Fachkräfte ist jetzt da, das signalisieren mir auch die Unternehmen. Übrigens: Die Unternehmen, die international tätig sind, signalisieren mir, dass sie Aufträge haben, dass – anders als im ersten Lockdown – die Wertschöpfungsketten und die Grenzen offen sind, dass das ein ganz wichtiger Faktor ist. Sie wissen, wie viele kleine Betriebe an den österreichischen Leitbetrieben hängen. Das ist also sehr, sehr wichtig.

Um diesem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, haben wir den Lehrlingsbonus aufgestellt. Sie sehen ihn auch in dem entsprechenden Budget. Unser Ziel war es, bei den Lehrlingen die Anfänger und die Unternehmen zu unterstützen. Ursprünglich dachte man, es sind minus 30 Prozent – jetzt sind es minus 8 Prozent. Auch das ist zu viel, aber wir haben viele der Lehrlinge in der überbetrieblichen Lehre und werden sie bis Ende März in die Betriebe übernehmen können. Da ist mein Aufruf an alle Betriebe Öster­reichs, das zu nutzen und in diese überbetriebliche Lehre hineinzuschauen: Es sind gute junge Menschen dabei, die in den Betrieben arbeiten wollen. Ich bitte Sie um Unterstützung, nehmen Sie diese Lehrlinge in die Betriebe auf! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Sehr geehrte Damen und Herren, ich möchte auf noch etwas eingehen: Wir haben auch das Baubudget erhöht, auch das sehen Sie in dem von mir verantworteten Budget. Darin ist etwas enthalten, was die Erweiterung des Tiergartens betrifft. Jetzt könnten einige sagen: Wozu braucht man denn das? Warum ist das genau jetzt notwendig? Braucht man denn jetzt dieses Gehege? – Ja, es ist wichtig für den Standort Österreich – vor allem für Wien und die Umgebung von Wien –, denn der Coronavirus wird vorbeigehen, die Touristen werden wieder zu uns kommen, sie werden wieder nach Wien kommen, und dort wollen sie den besten Zoo der Welt vorfinden, der er auch jetzt ist. 800 KMUs hängen jedes Jahr von diesem Zoo ab. Das ist ein schönes und gutes Ökosystem, das wir mit diesem Budget auch unterstützen.

Es sind auch die kleinen Projekte abgebildet. Bauen ist wichtig, und bauen können wir auch mit diesem Budget – das ist ebenso abgesichert. Wir wollen den Standort und die Zukunft Österreichs stärken und natürlich jeden Arbeitsplatz in diesem Lande unter­stützen und absichern. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

14.33


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Laurenz Pöttinger. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


14.33.37

Abgeordneter Laurenz Pöttinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Frau Minister! Frau Ministerin, ich muss Ihnen sagen, Sie machen einen tollen Job, und wir können in Österreich stolz sein. Es ist unglaublich, wie fundiert Ihr Wissen ist und welche Maßnahmen Sie setzen. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)


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Da muss ich ganz ehrlich sagen: Die Opposition könnte froh sein, wenn sie solche Menschen in ihren Reihen hätte. (Abg. Wurm: Die Kollegen in der Wirtschaft werden das anders sehen!) Ganz ehrlich, aus Unternehmersicht muss ich sagen: Dieses Budget für die Wirtschaft ist hervorragend und großartig. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch. – Abg. Hafenecker: Wie der Gerstl!)

Herr Kollege Schellhorn: Egal, was wir machen (Abg. Schellhorn: Da bin ich!) – ab und zu haben Sie einen Ansatz und loben einmal, und dann sehen Sie nicht einmal die Investitionsprämie, die daliegt und mit der wir - - (Abg. Schellhorn: Habe ich ja eh gesagt!) – Ja, aber im zweiten Satz haben Sie schon wieder kritisiert, dass wir nichts für die kleinen und mittleren Betriebe tun. (Zwischenruf des Abg. Rauch. – Abg. Schellhorn: Nicht im Budget!) Das stimmt einfach nicht. Die Investitionsprämie – Sie sehen es ganz genau – wird toll angenommen: 60 Prozent für Kleinst- und Kleinunternehmen. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Rauch.)

Ganz ehrlich: In dieser Qualität ist das ein Investitionsturbo, ein Turbo für unsere Arbeits­welt und unsere Wirtschaft. Das ist unserer Frau Ministerin großartig gelungen – ein großes Dankeschön dafür. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Matznetter: Danke, Sebastian ...! – Abg. Rauch: Sagen Sie nochmal Danke!)

Im Bereich von Nachhaltigkeit und Digitalisierung geschieht sehr, sehr viel. Sie wissen auch: Bei der Investitionsprämie wird das mit dieser Förderung toll angenommen. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Insgesamt: Jede Milliarde, die wir hineingeben, bewirkt weitere 10 Milliarden, und die werden uns in Zukunft helfen. (Abg. Belakowitsch: Ist das Kabarett oder ist das echt? – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Ein ganz großes Dankeschön – Gott sei Dank haben wir in den vergangenen Jahren so gut gewirt­schaftet, damit wir uns das jetzt, in dieser schwierigen Zeit, auch leisten können. (Abg. Belakowitsch: Na Gott sei Dank!) Die Wirtschaft braucht es.

Noch einmal – ich hoffe, dass alle hier im Raum mitziehen. (Abg. Matznetter: Zweimal Danke gibt keine Prämie, Herr Kollege! Noch einmal Danke, Danke, dann kriegen Sie’s!) Herr Kollege Matznetter, ab und zu bin ich der Meinung, dass Sie die Unterlagen nicht lesen, denn wenn Sie das Budget anschauen würden, müssten auch Sie Danke sagen und dazu klatschen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwi­schenruf des Abg. Matznetter. – Abg. Belakowitsch: Das war eine selten peinliche Rede! – Abg. Rauch: Was wollen Sie noch werden, Herr Kollege?)

14.36


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Maximilian Lercher. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


14.36.40

Abgeordneter Maximilian Lercher (SPÖ): Sehr verehrter Herr Präsident! Frau Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzter Kollege Pöttinger! Bei allem Lob für die Frau Ministerin darf ich, glaube ich, im Namen der gesamten Opposition sagen (Abg. Zanger: Das kann nur mehr der Hörl übertreffen!): Wir sind doch sehr froh, dass sie bei Ihnen und nicht bei uns ist. (Ruf bei der ÖVP: Das ist eine Gemeinheit!) Ich glaube, dass wir im Sinne einer guten Diskussion doch andere Dinge zu besprechen haben als reine Lobhudelei – aber Sie werden es schon wissen, vielleicht haben Sie innerparteilich noch einiges vor. Das war heute die Fürsprache dafür. (Abg. Hafenecker: Der Kollege Pöttinger braucht auch seine Stricherln!)

Frau Minister, ich glaube, ein Budget in der Krise muss drei Dinge können: Erstens muss es Arbeitsplätze und Unternehmen retten. Dafür haben Sie einige Punkte und Maß­nahmen beschlossen, die durchwegs gut sind. Ich stehe nicht hintan, das auch zu


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betonen. Da haben wir mitgestimmt. Letztlich ist aber ein sehr, sehr großer Fehler gleich am Beginn dieser Krise passiert, und zwar: Sie haben das Epidemiegesetz für die Klein- und Mittelbetriebe ausgehebelt, und das war ein Fehler. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Zweitens: Man muss in einer Krise Einkommen sichern. Sie haben das in dem Ausmaß, in dem wir uns das gewünscht haben, nicht gemacht. (Zwischenbemerkung von Bun­desministerin Schramböck.) Sie haben die Steuerreform verschoben, und Sie haben gestern den Leistungsträgerinnen und Leistungsträgern mit der Abschaffung der Hacklerregelung einen weiteren Schlag versetzt. (Zwischenruf des Abg. Koza.)

Drittens: Ein Budget in der Krise muss mit öffentlichen Investitionen den Einbruch bei den privaten Investitionen ausgleichen. Wir müssen die Kaufkraft stärken. Dabei ver­stehe ich einfach nicht, Frau Ministerin, warum Sie die Gemeinden nicht in dem Ausmaß als Partner begreifen, wie sie es sein könnten – indem Sie ihnen mehr geben, indem Sie ihnen die gesamten Ertragsanteile ersetzen, denn das werden sie für die Investitionen in unserem Land brauchen. (Abg. Hörl: Eine Milliarde, Herr Lercher!)

Frau Ministerin, was mir auffällt und was ich als gefährlich empfinde, ist, dass Sie die Rolle des Staates nicht aktiv in Form von Beteiligungsgesellschaften wahrnehmen. Wir brauchen jetzt den Staat in Form von Beteiligungsgesellschaften, wie es sie in Deutsch­land und in Wien gibt, um den Wandel in Industrie und Wirtschaft zu schaffen – nach ökologischen und sozialen Kriterien. Wir hätten diese Beteiligung auch bei ATB in Spielberg gebraucht. Sie waren schnell bereit, in Ihrem Wahlkreis Millionen für die Standortsicherung lockerzumachen, aber auch in anderen Wahlkreisen hätten wir diese Unterstützung und diesen Einsatz gebraucht. (Abg. Hörl: Wo?) Deswegen bitte ich Sie inständig, diesen Wandel auch durch Beteiligungen des Staates mitzugestalten. Das wäre progressive, aktive Arbeitsmarktpolitik, und die werden wir von der Sozial­demo­kratie einfordern und es überall betonen, denn es braucht sie für die Arbeitsplätze und die Wirtschaft in diesem Land. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Hörl.)

14.39


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Dr.in Elisabeth Götze. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


14.40.02

Abgeordnete Dr. Elisabeth Götze (Grüne): Herr Vorsitzender! Werte Frau Ministerin! Liebes Hohes Haus und geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Ich möchte Ihnen kurz drei Beispiele von Innovationen, von innovativen Projekten – Unternehmen in Öster­reich – schildern.

Das erste ist der SolOcean Floater, das sind floßähnliche Fotovoltaikanlagen, die auf jedem Gewässer wind- und wetterresistent funktionieren und Energie erzeugen. Das zweite ist Green Sentinel. Sie rezyklieren aus Abfall, aus Klärschlamm, die wertvollen Rohstoffe, zum Beispiel Phosphor, und der Rest wird zu Biobrennstoff. Das dritte Beispiel – vielleicht haben Sie es schon einmal gehört – ist Spirulix, ein junges Unterneh­men, das sich auf die Erzeugung von Spirulinaalgen konzentriert und in den letzten Jahren auch viel in diesem Bereich geforscht hat, um das nachhaltig, mit wenig Energie- und Wassereinsatz zu machen. Spirulinaalgen sind heute als Superfood, aber schon seit Langem dafür bekannt, dass sie sehr viele wertvolle Nährstoffe haben. Die Algen werden in Niederösterreich in einer Algenfarm erzeugt. Ich konnte es kaum glauben, als ich das Unternehmen besucht habe: eine Algenfarm zwischen Feldern der Bauern der Um­gebung, eine sehr innovative Algenproduktion in Österreich, die inzwischen auch inter­national sehr erfolgreich ist und übrigens den Kompost der Bauern der Umgebung für die Energiegewinnung nützt.


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Das zeigt: Österreichische UnternehmerInnen sind sehr innovativ und haben eine große Innovationskraft. (Beifall bei Grünen und ÖVP.) – Genau; danke.

Wir sind Nummer acht im European Innovation Scoreboard, sind ein Strong Innovator. Vieles läuft gut, sonst wäre das ja nicht möglich. Es gibt aber auch noch einiges zu verbessern, und darüber möchte ich jetzt sprechen. Die Frau Ministerin hat es schon angesprochen: Das erste Wichtige ist die digitale Transformation. Gerade diese Krise zeigt, wie wichtig das ist und dass wir Unternehmen dabei unterstützen müssen, inklusive des weiterhin intensiven Breitbandausbaus.

Zweitens braucht es noch mehr Fokus auf angewandte Grundlagenforschung: Die Ipcei – Important Projects of Common European Interest – sind dabei zu nennen, in deren Rahmen wir beispielsweise jetzt nicht nur in Batterien und Mikroelektronik inves­tieren, sondern auch Methoden zur Reduktion von CO2-Verbrauch finden wollen.

Dritter Punkt – ganz wichtig –: Wir brauchen mehr Risikokapital, also Geld, das in inter­essante Projekte wie die vorhin genannten investiert wird, damit diese kleinen Unternehmen wachsen, rasch Produkte auf den Markt bringen und vermarkten können.

Es sind sozusagen Alternativen zum Sparbuch. Das braucht gesetzliche Rahmen­bedingungen, sodass zum Beispiel auch Pensionsfonds in diese Projekte investieren würden. Der Runway-Fonds, auf den wir alle warten, fällt darunter (Ruf bei der FPÖ: Das ist gar nicht Österreich!), bei dem der Staat einen Teil des Risikos übernehmen soll.

Nächster Punkt: ein gründungsfreundliches Umfeld. Das fängt mit Beratung der Unter­nehmen an – gerade in der Anfangsphase, in der Preseedphase –, berührt aber auch rechtliche Rahmenbedingungen. Start-ups wünschen sich eine neue Gesellschaftsform. Wohin uns das führt, werden wir sehen. Austrian Limited ist in dem Kontext intensiv in Diskussion, und es gibt internationale Vorbilder.

Einen letzten Punkt möchte ich noch ansprechen: Bildung, in verschiedensten Be­reichen, zum Beispiel zur Frage, wie man Unternehmerin, Unternehmer wird. Dies kann man schon in der Schule diskutieren und attraktiv darstellen, sodass es für kleine Kinder interessant wird. Dies gilt auch hinsichtlich des Geldanlegens. Ich habe schon vom Sparbuch gesprochen. Das ist nicht die einzige Möglichkeit, Geld anzulegen, sondern es gibt auch andere, sinnvolle Alternativen.

Zusammenfassend: Ich bin davon überzeugt, dass wir auf einem guten Weg sind, dass wir damit attraktive Arbeitsplätze in Österreich schaffen, dass wir das Know-how, das in Österreich absolut vorhanden ist, in interessante Produkte umsetzen können. Damit können und werden die Unternehmen auch wettbewerbsfähig sein und einen Beitrag zur Lösung unserer heutigen Probleme leisten. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

14.45


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Walter Rauch. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


14.45.15

Abgeordneter Walter Rauch (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundes­minister! Hohes Haus! Ich beginne meine Rede mit keinem Danke, wie es die Regierungsparteien immer sehr, sehr impulsiv verbreiten, sondern – um in der Sprache der Verteidigungs­ministerin zu sprechen –: Frau Bundesminister, Sie haben das Wirtschaftsbudget, die Wirtschaft in diesem Staat zusammengeschossen. Warum haben Sie die Wirtschaft in diesem Staat zusammengeschossen? (Zwischenruf bei der FPÖ.) – Weil Sie den zweiten Lockdown verursacht haben. Sie haben Maßnahmen gesetzt, die im Endeffekt unrealistisch oder in dem Zusammenhang zumindest in diesem Land unverhältnismäßig


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sind. Dazu haben Sie die Wirtschaft zusammengeschossen, und das ist ein Verbrechen an der Gesellschaft und an der Wirtschaft. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich kann es auch begründen: Kollege Haubner hat auch ganz großspurig von Danke, Danke, Danke gesprochen, fordert einen Schulterschluss betreffend die Wirtschafts­probleme der ganzen Welt und Europas – und, und, und. Da fordern Sie einen Schul­terschluss. Wenn man mit Ihnen einen Schulterschluss macht: Nicht nur, dass man sich die Schulter auskegelt – man braucht eine Not-OP oder sogar eine Amputation in diesem Bereich (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Schramböck), weil Sie im End­effekt Maßnahmen setzen, die jenseitig und realitätsfremd sind. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Dieser Investitionsfonds mit den 2 Milliarden Euro, den Sie so großartig verkündet haben – reden Sie mit dem kleinen Unternehmer, der jetzt einen Antrag stellt, darüber, in welcher Warteschleife er landet! Es geht komplett an der Realität vorbei. Die Unter­nehmer bekommen gar nichts. Ich bitte Sie, Frau Bundesminister: Stocken Sie diesen Investitionsfonds auf! Das brauchen die Unternehmer – und nicht Ankündigungen, wie super und toll alles ist, und Danke, Danke, Danke. Das ist zu wenig. (Beifall bei der FPÖ.)

Das nächste Thema: Sie sprechen von Digitalisierung. Unsere Kinder sitzen in den Schulen bei einem Distancelearningsystem. Wenn das Kind in der Schule sitzt, fällt 97 Mal der Computer aus und es kann dem Unterricht nicht folgen. Zu Hause ist es besser. Sie haben also Versäumnisse noch und nöcher! Ich bitte Sie daher: Gehen Sie in diesem Bereich einmal an die Arbeit, halten Sie nicht permanent gegenseitige Dankesreden! – Das ist zu wenig. Das erwarten sich die Menschen auch nicht, sondern die Menschen erwarten sich Handlungen, die nachhaltig umgesetzt werden, und Ent­scheidungen, die die Wirtschaft, die Unternehmer und vor allem die Menschen zu Hause unterstützen und ihnen helfen. Diese Maßnahmen werden von Ihnen nicht getroffen.

Alleine die Ansage von Bundesminister Anschober, der sagt: Okay, wenn wir keinen Impfstoff haben, ist alles bis 15. Jänner geschlossen! (Abg. Gabriela Schwarz: Das hat er nicht gesagt ...!) – Ja sicher hat er das gesagt! Hören Sie sich an, was er in den Medien gesagt hat, auf Puls 24! (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Gabriela Schwarz.) Also ganz ehrlich: Ich erwarte mir konkrete Ansagen. Sie hecheln von einer Presse­konferenz zur nächsten, und das ist zu wenig. Geben Sie einmal klare Botschaften und setzen Sie klare, konkrete Maßnahmen! (Beifall bei der FPÖ.)

14.48


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Andreas Minnich. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Ruf bei der FPÖ: Weniger reden, mehr arbeiten!)


14.48.29

Abgeordneter Andreas Minnich (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Wirtschaftsministerin! Werte Kollegen! Liebe Zuseher zu Hause! Das Wirtschafts­budget 2021 wird ein um 602 Millionen Euro höheres Budget gegenüber jenem des Vorjahres sein. Diese Erhöhung auf mehr als das Doppelte ergibt sich insbesondere aus Covid-19-Maßnahmen im Bereich der Wirtschaftsförderung, wie dem Härtefallfonds mit 200 Millionen Euro und der Investitionsprämie mit 400 Millionen Euro. Außerdem gibt es zum ersten Mal eine Dotierung des Digitalisierungsfonds von 80 Millionen Euro zur Modernisierung unserer wirtschaftlichen Infrastruktur.

Die aktuelle Krise bringt viele Unternehmer und Unternehmen ans Limit. Die Lage ist weltweit äußerst angespannt. Mit dem Umsatzersatz von bis zu 80 Prozent und unserem Kurzarbeitsmodell zusätzlich zum Fixkostenzuschuss haben wir aber international das umfangreichste und beste Hilfspaket. (Beifall bei der ÖVP.)

Der Umsatzersatz im November hilft schnell, und: Wer schnell hilft, hilft doppelt.


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Wir werden uns aus dieser weltweit schwierigen Krise mit den durch die Bundes­regie­rung gesetzten Maßnahmen herauskämpfen, davon bin ich überzeugt – aber ein Appell an die Opposition: Halten wir zusammen, achten wir auf unsere lokalen Geschäfte und unterstützen wir unsere regionalen Unternehmen! Bitte kaufen wir lokal und halten wir alle zusammen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Leichtfried: Ich hab’ geglaubt, wir sollen Abstand halten!)

14.50


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.50.36

Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Wir alle kennen die sehr erfolgreiche Firma Biontech inzwischen zumindest vom Namen. Wir warten darauf, dass sie ein wunderbares Produkt auf den Markt bringen wird und wir geimpft werden. Das Schönste an der Firma ist ja die Adresse, nicht? – An der Goldgrube 12. Ich jedenfalls gönne den Damen und Herren natürlich, dass sie hoffentlich viel Geld verdienen, weil sie eine sehr harte Arbeit betrieben haben – das wissen wir auch.

Mir ist aufgefallen, dass in den Berichten immer geschrieben worden ist: Da sind zwei Türken dabei. – Das ist besonders betont worden, als ob es etwas Besonderes wäre. Das waren halt zwei Menschen, ein Mann und eine Frau, die gemeinsam mit anderen geforscht haben. Ich habe es hier bereits gesagt: Jeder, der einmal Hengstschläger gelesen hat, weiß, dass Rassismus besonders deppert ist. Es gibt schließlich nicht gescheitere und blödere Völker, sondern das sind halt Menschen, die großartig geforscht haben und die allerdings – das ist auch wichtig – vom Staat auch sehr stark unterstützt wurden.

Jetzt sind wir bei einem wesentlichen Punkt: Wir haben sicherlich auch großartige Forscherinnen und Forscher in Österreich, aber das Problem ist, dass immer wieder Unterstützung versprochen wird, diese aber zu wenig ist. Das, was die Deutschen da getan haben – 750 Millionen Euro Förderung für drei Projekte –, war schon ganz beson­ders wichtig. Gegenwärtig beobachten wir diesen Wettlauf zwischen Biontech und Moderna, hoffen, dass beide erfolgreiche Impfprodukte hervorbringen, und freuen uns darauf.

Nebenbei sei noch gesagt, weil wir ja Österreich mit Deutschland vergleichen: Ich habe mir heute noch einmal die Zahlen angesehen – in Österreich liegen wir bei 7 091 Infizier­ten, in Deutschland bei 17 500. Abgesehen davon, dass ich diesen Wettlauf immer unsympathisch gefunden habe – wir sind die Besten, wir haben weniger, et cetera –: Wir sind die Schlechtesten, und wir sollten zumindest darüber reden, dass wir die Schlech­testen sind und was falsch gelaufen ist. Und da gelange ich schon wieder zur Wis­senschaft und natürlich auch zur Digitalisierung und zu den Daten, denn offensichtlich haben wir mit den Daten schlecht gearbeitet, haben zu schlecht verfolgt, woher die Infektionen kommen, und auch diesbezüglich ist natürlich sehr viel nachzuholen. – Das ist zunächst der erste Punkt.

Der zweite ist: Warum haben wir nicht auch diese tollen Unternehmen? Wir reden seit vielen Jahren von diesem Austrian Private Equity Fund, aber es gibt ihn noch immer nicht. Es wird zu wenig Risikokapital investiert. Auch wenn ich mit den Vertreterinnen und Vertretern der Wiener Börse spreche, machen diese mich immer darauf aufmerk­sam: Ja, wir reden eh mit der Regierung, und das soll irgendwie besser werden, aber konkrete Aktionen folgen dann leider nicht.


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Weiters – und jetzt würde ich Sie sehr dringend um Aufmerksamkeit bitten, Frau Bundesministerin (Bundesministerin Schramböck spricht mit Abg. Sobotka) –: Die Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP machen sich derzeit ein bisschen darüber lustig, dass die NEOS in Wien mitregieren. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Ich würde Sie bitten, Frau Bundesministerin: Schauen Sie sich an, welche großartigen Vereinbarungen in Wien getroffen wurden, gerade für Wirtschaft und Forschung! Wien soll in den Bereichen Umweltforschung, Präzisionsmedizin, digitaler Humanismus und künstliche Intelligenz zu einer der führenden Forschungs- und Innovationsmetropolen Europas ausgebaut werden. (Zwischenruf des Abg. Sobotka.) Bitte sagen Sie Ihren Parteifreundinnen und Parteifreunden: Man kann sich die verschiedenen Kapitel anschauen, das ist auch in Ordnung, aber alles, was Wirtschaft und Forschung betrifft, ist großartig. Der Bund, die Republik Österreich wird davon profitieren, dass da in Wien etwas weitergegangen sein wird. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Sobotka: Wirtschaftlich! Wirtschaftlich!)

Nun komme ich zum nächsten Punkt – und der ist mir auch sehr wichtig –: Frau Bundes­ministerin, ich habe andere Mitglieder der Bundesregierung zum Thema Digitalisierung und 5G befragt. Sie als wirklich ausgewiesene Expertin wissen und können uns ja auch hier erklären, wie wesentlich 5G ist, auch wenn Sie, glaube ich, im Detail nicht zuständig sind – die Zuständigkeiten sind ja manchmal verwirrend. 5G ist jedenfalls wichtig, weil dann Menschen in Echtzeit miteinander reden können und Daten austauschen werden – auch Maschinen werden Daten mit Maschinen austauschen. Das heißt, für den Standort, der immer wieder angesprochen wird, ist es extrem wichtig, dass wir bei 5G gut auf­gestellt sind.

Die nächste Frage ist aber: Mit wem machen wir das? Ich habe mehrere Mitglieder der Bundesregierung gefragt: Huawei – ja oder nein? Ich glaube, es muss irgendwann eine klare Antwort geben. Die Antwort von Frau Köstinger war: Na ja, wenn sie bei uns hineinspionieren können, dann nicht. – Ja, es gibt das Investitionsgesetz aus China aus dem Jahr 2017, und darin ist ganz eindeutig geregelt, dass ein chinesisches Unterneh­men alle Daten und Inhalte hergeben muss, wenn der Staat es dazu zwingt.

Da Sie auf eine gute Buchempfehlung warten: „Stealth War“ ist ein ganz neues Buch von einem amerikanischen Luftwaffengeneral (das genannte Buch in die Höhe haltend – Zwischenruf bei der ÖVP), der im Detail analysiert, wie gefährlich es für uns sein kann, wenn wir uns den Chinesen ergeben.

Ich bin der Letzte, der sagt, wir sollen nicht mit ihnen Handel treiben, ganz im Gegenteil – aber auf Augenhöhe, und wir müssen wissen, was wir einkaufen. Ich hätte wirklich gern einmal eine Antwort darauf – ja oder nein –, aber natürlich muss das auf europäischer Ebene abgesprochen werden, und mich würde interessieren, ob das der Fall ist.

Zum Schluss: Ich wollte Herrn Orbán ja gestern nicht beleidigen, aber ich habe gesagt, er war einmal ein Kommunistenbub, und Leute haben mir geschrieben, dass das gar nicht stimmt. Also habe ich in der von Paul Lendvai verfassten Biografie nachgeschaut: Er war als Jugendlicher der Sekretär der Kommunistischen Jugend in seiner Schule, also war er ein Kommunistenjugendlicher – soll sein. (Zwischenruf des Abg. Hafenecker.) Der wesentliche Punkt aber ist: Ihr Parteifreund Othmar Karas hat heute gefordert, ihn aus der EVP auszuschließen. Auch diesbezüglich würde ich mir eine offizielle Antwort darauf erwarten: Passiert das jetzt endlich? (Zwischenruf des Abg. Strasser.) Ich glaube, dass es ein wesentlicher Schritt wäre.

Ich hoffe, dass wir mit den Ungarn wieder in ein normales Verhältnis kommen. Ich hoffe, dass die Ungarn die Rechtsstaatlichkeit wieder anerkennen werden, aber ich erwarte auch von der ÖVP, dass sie den Druck auf Orbán noch deutlich verstärkt. (Zwischenrufe der Abgeordneten Wurm und Hafenecker.)


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Ganz zum Schluss, weil wir ja über die österreichische Wirtschaft gesprochen haben: Bitte kaufen Sie gerade auch vor Weihnachten Bücher bei den österreichischen Buch­händlern. Man kann jedes Buch auch bei einem österreichischen Buchhändler auch online kaufen. Sie haben nämlich – das weiß ich von einigen kleineren und größeren Buchhandlungen – die letzten Monate genützt und die Digitalisierung wirklich vorange­trieben, und man soll sie dafür loben. Bitte unterstützen wir sie dabei! – Danke schön. (Beifall bei den NEOS.)

14.57


Präsident Ing. Norbert Hofer: Herr Abgeordneter Johann Höfinger ist der nächste Redner. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.57.13

Abgeordneter Johann Höfinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundes­minister! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, es ist nicht gerade eine einfache Zeit, um ein Budget im Bereich Wirtschaft zu schnüren. Die Zeit ist außergewöhnlich und dramatisch, sie stellt viele vor wirklich große Hürden, aber wir haben es in den letzten Monaten geschafft – und das ist sehr wichtig –, Soforthilfe zu geben, zu unterstützen, die Menschen in ihrer wirtschaftlich sehr schwierigen, ja drama­tischen Situation mit der Härtefallregelung, den Investitionsprogrammen und vielem mehr zu begleiten.

Dabei hat sich auch gezeigt, dass es nicht das Wirtschaftsministerium allein ist, sondern dass alle Ministerien – Arbeit, Soziales bis hin zur Gesundheit – eigentlich verknüpft agieren, zusammenhalten und zusammenarbeiten müssen. Das wurde in der jüngsten Vergangenheit gut dokumentiert, denn es geht nicht nur darum, die Unternehmer selbst zu begleiten, sondern es geht auch darum, die Arbeitsplätze, die dahinterstehen, abzu­sichern. Es geht darum, jungen Menschen, die gegenwärtig in die Arbeitswelt hinein­wachsen, Perspektiven zu geben. All das, denke ich, haben wir angestoßen.

Das Zweite ist aber: Wir müssen nun auch in die Zukunft investieren. Sie haben das im Bereich der Digitalisierung hervorragend gemacht, denn es ist derzeit auch notwendig, so rasch wie möglich Veränderung in unseren Arbeitsprozessen zu realisieren. Wenn man sich so manchen Oppositionsredner anhört, dann denkt man sich, Österreich sei in einer Blase. Nein, wir stehen international vor riesigen Herausforderungen, die wir be­wältigen müssen, und auch dabei gilt es, international zusammenzuarbeiten. Österreich ist nicht allein gefordert, sondern das kann nur im internationalen Kontext passieren.

Den Appell meines Vorredners kann ich nur unterstützen: Bitte kaufen Sie nicht nur Bücher, sondern alles, was möglich ist, bei unseren kleinen und mittelständischen Unternehmen – auch in dieser Vorweihnachtszeit –, denn Wirtschaft sind wir alle, und das dokumentieren wir durch unsere politische Arbeit, aber auch durch das persönliche Kaufverhalten. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

14.59


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag.a Dr.in Petra Oberrauner. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


14.59.30

Abgeordnete Mag. Dr. Petra Oberrauner (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Was macht ein normaler Wirtschafts­treibender, der für seinen Betrieb verantwortlich ist, in einer Krise? – Er schaut: Wie viel Geld habe ich, wie viel Geld brauche ich, wo ist mein Markt, wo bricht er monatelang weg, wie viel Spielraum habe ich, was ist mein Risiko, und was kann ich riskieren, um weiterhin zu überleben?


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Eigentlich ist das auch die Handlungsanleitung für die Bereitstellung von Geld von Regierungsseite. Ich schätze die Bestrebungen der Frau Minister sehr. Sie ist sehr detailliert, sie ist oft am Punkt, aber das Leben verändert sich so dramatisch schnell, dass es wahrscheinlich besser wäre, die Fördermaßnahmen zusammenzufassen und sich um die Sicherstellung der Liquidität zu kümmern. Wenn Sie sagen: Wir haben so und so viele Millionen Euro bereitgestellt!, stört mich schon einmal als Erstes das Wir, denn Sie haben keinen einzigen Cent von diesen Millionen verdient, kein einziger Cent ist ÖVP-Geld. Sie sollten sich nicht bei den Ministern bedanken, die einen guten Job machen, sondern bei der Bevölkerung, die diese Hilfen finanziert. (Beifall bei der SPÖ.)

Das Zweite ist: Sie sollten sich dringend um die Liquidität und die Auszahlungen küm­mern, weil die Banken nicht darauf warten, was bereitgestellt ist. Die Banken wollen sehen, dass etwas kommt. Daran scheitern viele Klein- und Mittelbetriebe. Die Inves­titionsprämie ist sicher eine ganz gute Maßnahme, aber ich möchte im Lockdown dazusagen: Die Unternehmen, die investieren, rechnen mit einem Return of Investment, weil sie das, was sie investieren, ja irgendwie erwirtschaften müssen. Wenn zu ist, ist zu – dann wird nichts erwirtschaftet, und dann hilft die beste Investitionsprämie nichts, weil die Unternehmer das Geld zum Investieren nicht mehr haben werden.

Das Nächste ist: Die Beteiligung des Staates ist überfällig. Man sollte sich als Staat auch einmal um den Return of Investment kümmern. Wie werden Sie zukünftig ein Budget machen, wenn Sie keine Steuern einnehmen? Beteiligungsformen mit entsprechender Beteiligung auch am Gewinn wären vielleicht eine Möglichkeit, ein PPP-Projekt, das innovativ ist, aufzuzäumen und aufzuziehen. Da hätten wir vielleicht mit unserer inno­vativen Wissenschaft und Wirtschaft in Österreich eine Chance, Geld zurückzube­kom­men. (Präsident Sobotka übernimmt den Vorsitz.)

Öffentliche Investitionsprojekte, muss ich sagen, lassen noch ein bisschen auf sich warten. Die versprochene Milliardeninvestition in Klimaschutz, öffentlichen Verkehr und Breitbandausbau sieht man im Budget nur in winzigen Schritten.

Die Digitalisierungsoffensive, die dringend notwendig ist – ja, Sie haben sie im Wirt­schaftsausschuss vorgestellt: 160 Millionen Euro. Die Relation passt nicht zur Zeitachse. Sie haben 80 Millionen Euro für die Verwaltung, was gut und schön ist, aber in der Verwaltung einen Auftrag zu vergeben – das wissen Sie selber –, dauert Monate. Wenn Sie wirklich jetzt Wettbewerb wollen, wie Sie im Ausschuss gesagt haben, würde ich Sie bitten, das Wirtschaftsbudget in diesem Bereich nicht um 17 Prozent zu kürzen, sondern 80 Prozent der Wirtschaft, die das sofort umsetzen kann, zur Verfügung zu stellen und 50 Prozent im öffentlichen Bereich zu lassen, weil Sie eine längere Zeitachse haben.

Zum Thema NEOS und Wien möchte ich sagen: Bürgermeister und Landeshauptmann Ludwig hat etwas gemacht, was eigentlich das Ganze auf den Punkt bringt. Sie haben gesagt: „Koste es, was es wolle“. Er hat gesagt: Koste es, was es braucht. – Ich glaube, das ist ein großer Unterschied: Brauchen ist eine aktive Handlung seitens der Bevöl­kerung. Wollen ist eine Bestimmung, die Sie vornehmen, und die Bevölkerung muss auf Sie warten. Das ist nicht in Ordnung.

Ich lehne mich da an Erwin Ringel an: Die schönste Form der Anerkennung ist der Neid. Das ist eines der wenigen Dinge, zu denen die türkise Partei auch fähig ist. – Danke. (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

15.03


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Abgeordnete Kaufmann ist zu Wort gemel­det. – Bitte.



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15.03.17

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen hier im Hohen Haus! Vor allem: Liebe Unternehmerinnen und Unternehmer und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu Hause! Bei dieser Debatte, in der es um das Budget geht, ist es oft sehr spannend: Die Opposition steht hier und erklärt uns, dass alles zu wenig, zu wenig schnell und eigentlich viel zu spät ist und noch viel, viel mehr sein sollte.

Als Allererstes aber – und das ist der Punkt – möchte ich mich einmal bedanken. Für uns Unternehmerinnen und Unternehmer ist heuer kein einfaches Jahr. Viele haben mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern daran gearbeitet, neue Ideen, neue Konzepte zu entwickeln. Zustelldienste sind entstanden, viele haben ihre Angebote ins Internet über­tragen und so neue Geschäftsmodelle geschaffen. Danke an Sie alle, dass Sie diesen Weg gegangen sind und in dieser schwierigen, herausfordernden Zeit unsere Wirtschaft in Österreich am Laufen gehalten haben. (Beifall bei der ÖVP.)

Das vorliegende Budget hat aus meiner Sicht zwei ganz wesentliche Punkte: Auf der einen Seite ist genau da, wo es notwendig ist, in die Zukunft zu investieren – nämlich im Bereich der dualen Berufsausbildung –, viel vorgesehen. Inhaltlich wird es in den nächs­ten Jahren im Wirtschaftsressort wesentliche Weichenstellungen für die duale Berufs­aus­bildung und damit auch für die Fachkräfte in Österreich geben. Viele Unterstützungs­leistungen wurden auch im heurigen Jahr genau in diese Richtung geschnürt.

Als Lehrlingssprecherin sei mir auch erlaubt, an dieser Stelle zu sagen: Es gibt in Österreich offene Lehrstellen. In Graz, bei mir zu Hause, sind es noch um die 250. Liebe Jugendliche in Österreich, bitte bewerbt euch bei den Betrieben! Ihr seid ein wichtiger Teil des Wirtschaftslebens in Österreich.

Ein zweiter wichtiger Teil, den das Budget abdeckt, ist die Digitalisierung. Wir haben heuer gesehen, wie notwendig es ist, dass wir in die Digitalisierung in unseren Unter­nehmen investieren, damit Österreich als Standort zukunftsfit ist.

Aus diesem Grund kann ich zu diesem großartigen Budget nur gratulieren. Gehen wir gemeinsam den Weg des Standorts Österreich weiter! (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenruf des Abg. Matznetter.)

15.05


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Kassegger ist zu Wort ge­meldet. – Bitte.


15.05.44

Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Wirtschaft – das ist jetzt ein Allgemeinplatz – ist Psycho­logie. Wirtschaft lebt von Erwartungshaltungen, Wirtschaft lebt von Planung, Wirtschaft lebt von Planbarkeit. Der Motor der Wirtschaft sind selbstverständlich die Unternehmen.

Vorhin wurde schon von Kollegen Matznetter der „Sommerschlaf“ angesprochen. Das sehen wir Freiheitliche genauso. Wenn bereits im Sommer zu erwarten war – und das war durchaus zu erwarten –, dass sich die Verbreitung des Virus wieder verschlimmern wird, dann stellt sich die berechtigte Frage: Was haben Sie den ganzen Sommer über getan außer geschlafen? Was haben Sie bezüglich vorbereitender Maßnahmen in der Bildungs- und Schulpolitik getan? – Nichts! Sie haben geschlafen. Was haben Sie bezüglich vorbereitender Maßnahmen in der Gesundheitspolitik getan, beim Thema Kapazität der Krankenhäuser et cetera? – Nichts! Sie haben geschlafen. Was haben Sie in der Wirtschaftspolitik getan? – Nichts! Sie haben geschlafen. Diesen Vorwurf müssen Sie sich gefallen lassen. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.)


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Was tun Sie jetzt? – Sie sprechen immer davon: Wir müssen jetzt Arbeit halten, wir müssen Arbeit schaffen, das ist unser oberstes Ziel. Im gleichen Atemzug verbieten Sie den Unternehmern und damit den Arbeitsplatzbereitstellern, zu arbeiten. Das ist für mich nicht besonders logisch.

Sie sperren das Land in weiten Teilen zu, Sie sperren Unternehmen in vielen Bereichen zu, Sie sperren die Menschen ein. Also das ist für mich kein logisches Konzept, um dem Ziel, Arbeit zu halten und Arbeit zu schaffen, gerecht zu werden, sondern ganz im Gegenteil: Ich stelle mit Sorge fest, dass wir auf dem Wege beziehungsweise mittendrin sind, uns von einer freien/sozialen Marktwirtschaft zu verabschieden. Wir bewegen uns mit Riesenschritten zu einer auf Ermächtigungsgesetzen basierenden und im Verord­nungswege angeordneten Planwirtschaft hin, die uns in weiterer Folge zum Triple A führt, allerdings nicht zu dem Triple A, das wir wollen, sondern zum Triple A der Almo­sen, der Abhängigkeiten und der Arbeitslosigkeit. Das sehen wir mit großer, großer Sorge.

Es gibt durchaus Maßnahmen, die Sie getroffen haben, die auch wir Freiheitliche als sinnvoll erachten, wie etwa die Investitionsprämie oder auch die partiellen Steuer­sen­kungen. Bei den Abschreibungen ist das schon wieder so eine Sache: Die nützen in Wirklichkeit nur dann etwas, wenn man in der Gewinnzone ist, und ich möchte bezweifeln, dass das momentan auf viele Unternehmen zutrifft.

Die Kurzarbeit kostet richtig viel Geld, aber: „Koste es, was es wolle“. Uns gefällt auch „Koste es, was es braucht“ wesentlich besser. „Koste es, was es wolle“ ist ein Signal von der obersten Spitze, das im Wesentlichen heißt: Das Geld ist abgeschafft, und wir schütten jetzt Geld aus und schauen nicht, was die Wirkung ist. Die Wirkung der Kurz­arbeit ist meines Erachtens im Wesentlichen eine Verschiebung der totalen Katastrophe in der Arbeitslosenstatistik. Man kann das nur verschieben, aber um welchen Preis? – Der Preis ist sehr, sehr hoch.

Eine besonders verunglückte Regelung ist meines Erachtens der 80-Prozent-Umsatz­ersatz nur für ganz partielle Bereiche. Wir haben vorhin schon gehört: Das ist völlig unvollständig. Mir gefällt auch der grundsätzliche Zugang nicht, den Umsatzentgang zu ersetzen. Ich weiß nicht – vielleicht gibt es da Unklarheit hinsichtlich der Begriffe Umsatz, Kosten, Ergebnis, Verlust et cetera.

Das kostet richtig viel Geld. Das Geld ist aber da, und – das ist jetzt mein Verdacht – es muss noch schnell ausgegeben werden. Wo ist das Geld? – Bei Herrn Finanzminister Blümel. Er hat sich ja diese 20 Milliarden Euro im Ermächtigungsgesetz genehmigen lassen. Die müssen jetzt noch schnell ausgegeben werden, weil offensichtlich die vorge­sehenen Budgets bei den Ersthilfen, die dringend notwendig gewesen wären, bei Weitem nicht angekommen sind. Er sitzt nun auf einem riesigen Haufen Geld, und das Signal ist: „Koste es, was es wolle“, also geben wir das aus!

Die deutsche Regelung mit den 75 Prozent ist da wesentlich besser, auch, dass die Kurzarbeitsabgeltungen abgezogen werden müssen – no na – und die Erlöse aus den Teilgeschäften auch miteinbezogen werden. Bei uns spielt das alles keine Rolle, das wird zugeschüttet.

Ich habe da wirklich ernste Sorgen, auch wenn wir unser Budget anschauen: nächstes Jahr minus 23 Milliarden Euro. Ich habe ernste Sorgen auch insofern, als dass in der Krise, die immer eine Chance ist, diese Chancen nicht genutzt worden sind, nämlich hinsichtlich der wesentlichen Aufgaben, die wir hätten machen müssen. Niemand hätte die Regierung daran gehindert, die Strukturreformen anzugehen. Niemand in der Re­gierung hat ausgabenseitig geschaut: Wenn man in einer Krise ist, erhöht man doch nicht die Ausgaben! (Zwischenruf bei der ÖVP.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 457

Wir besprechen nun drei Tage lang das Budget, und in praktisch jeder Untergliederung werden die Ausgaben erhöht. Wenn man in der Krise ist, erwartet man doch, dass man bei den Ausgaben schaut und sagt: Das, was nicht unbedingt notwendig ist, werden wir im nächsten und übernächsten Jahr nicht an Ausgaben tätigen. (Abg. Haubner: ... investiert!)

Nichts von dem findet statt, weil das Geld abgeschafft ist, keine Rolle spielt: „Koste es, was es wolle“. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Wir sind mittlerweile bei 350 Milliarden Euro Staatsverschuldung. Das ist momentan kein Problem, weil das Zinsniveau bei null ist, aber ich warne, denn das kann zu einem riesigen, riesigen Problem werden. (Beifall bei der FPÖ.)

Das war eigentlich schon der Schlusssatz. (Heiterkeit bei Abgeordneten von FPÖ und SPÖ.) – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

15.11


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Christoph Stark. – Bitte.


15.12.00

Abgeordneter Christoph Stark (ÖVP): Herr Präsident! Frau Ministerin! Geschätzte Damen und Herren! Hohes Haus! Ich darf mich auch kurz zur Untergliederung Wirtschaft zu Wort melden, die einer inhaltlichen Kritik ausgesetzt ist – diese Kritik ist ja in Ordnung, das ist Teil des Parlamentarismus. Es wird den handelnden Personen, speziell der Frau Ministerin, aber auch allen anderen, unterstellt, das Budget gehe völlig an den Zielen vorbei, sei völlig plan- und auch wirkungslos.

Erlauben Sie mir: Ich unterstelle der Regierung, Ministerin Schramböck und allen Teams dahinter, dass sie das Ziel verfolgt, in einer der größten Krisen der Menschheit, in einer der größten Krisen unserer Republik das Beste für unser Land zu tun! Das unterstelle ich allen MinisterInnen. (Beifall bei der ÖVP.)

Eines möchte ich aber hier auch zurechtrücken, weil es mir ein Anliegen ist: Kollege Rauch von der FPÖ hat die Frau Ministerin eines Verbrechens bezichtigt. Er hat hier gesagt, die Frau Ministerin habe – wörtlich – „die Wirtschaft zusammengeschossen.“ – Meine Damen und Herren, das ist wiederum eine Wortwahl, die im Grunde abzulehnen ist. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wenn ich Sie, liebe Kollegen und Kolleginnen von der FPÖ, mit Ihrer Haltung, in diesem Haus nirgends eine Maske zu tragen – in keinem Raum! –, ansehe, dann muss ich sagen, damit befeuern Sie die Spaltung der Gesellschaft (Beifall bei der ÖVP), damit zeigen Sie: Einem strammen FPÖler kann das Virus nichts anhaben, von ihm geht keine Gefahr aus! (Zwischenruf des Abg. Amesbauer.) – Damit befeuern Sie die Spaltung der Gesellschaft, und damit tragen auch Sie Verantwortung für den Lockdown. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Amesbauer. – Gegenruf bei der ÖVP.) Das muss Ihnen klar sein. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Meine Damen und Herren, an diesen Folgen haben wir jetzt zu arbeiten, und dazu ist auch das Budget der Wirtschaft da. (Zwischenruf des Abg. Deimek.) Ich kann nur noch einmal den Appell meiner Kollegen Höfinger und Brandstätter wiederholen (Zwischen­rufe bei der FPÖ): Stützen Sie die Wirtschaft jetzt, indem Sie bei der heimischen Wirt­schaft konsumieren und die heimische Wirtschaft mit Ihrem Konsum über diese schwere Krise retten! – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf bei der FPÖ.)

15.14



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 458

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Becher. – Bitte. (Zwischenruf des Abg. Matznetter. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)


15.14.37

Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Matznetter hat heute zu Beginn der Debatte gesagt, es klemmen einige Schubladen. Ich kann sagen: Pech und Pannen kenn­zeich­nen die Coronahilfen der Regierung.

Es braucht aktive Wirtschaftspolitik, und es braucht aktive Arbeitsmarktpolitik. Im Budget ist eher nur ein Stopfen von Löchern vorgesehen, aber um den Wohlstand zu erhalten, müssen wir einen oder auch zwei Schritte im Voraus denken. Um zu zeigen, wie das geschieht, ein Verweis auf das Forschungsbudget: Dort ist im Finanzrahmen bis 2024 weniger Geld als jetzt vorgesehen. (Abg. Matznetter: Hört, hört!)

Statt Löcher zu stopfen, braucht es einen aktiven Plan für die Zukunft, und dafür gibt es sehr viele gute Ideen, die auf dem Tisch liegen. Ich habe als Wohnbausprecherin der Regierung vorgeschlagen, dass die Republik in den nächsten fünf Jahren selbst 150 000 Wohnungen baut. Der Bau dieser Wohnungen würde Tausende von Arbeits­plätzen sichern, er würde den Kindern der Coronakrise als Chance ermöglichen, einen modernen Wohnraum für ihre Familien zu haben, und ganz egal, ob die Zinsen steigen, ob sie fallen, sind auf jeden Fall Werte vorhanden, die gleich bleiben. Die Republik hätte 150 000 Wohnungen in ihrem Eigentum – das wäre ein echter Wert.

Ja, meine Damen und Herren der ÖVP, ich denke, man kann Wohnungen auch bauen und nicht nur verkaufen. Ich möchte an den Verkauf der Buwog erinnern, bei dem 60 000 Wohnungen, die den Österreichern gehört haben, um damals 16 020 Euro pro Wohnung verkauft wurden. Heute gehören sie einem deutschen Spekulanten. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Stögmüller.)

Machen Sie das wieder gut, liebe Damen und Herren der ÖVP! Bauen Sie schöne neue Wohnungen für Menschen, so wie es die SPÖ in Wien macht! Finanzieren kann man das durch die Europäische Investitionsbank, dort gibt es gratis Kredite. Die Wbib hat es im Übrigen ja schon gegeben, sie ist aber unter der blau-schwarzen Regierung wieder abgeschafft worden, und das, noch bevor eine einzige Wohnung gebaut wurde.

Daher mein Appell an Sie: Investieren Sie kräftig in der Krise, schaffen Sie Arbeits­plätze – sichere Arbeitsplätze –, und stellen Sie leistbaren Wohnraum für die Menschen zur Verfügung! Das kurbelt die Wirtschaft an und bringt gleichzeitig bleibende Werte. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

15.17


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Hintner. – Bitte.


15.17.49

Abgeordneter Hans Stefan Hintner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! In der Pandemie gilt es ja, um jeden Arbeitsplatz zu kämpfen, und umso schmerzlicher sind Betriebsschließungen wie bei Mayr-Melnhof in Hirschwang, MAN Steyr oder ATB in Leoben. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Ein wesentlicher Faktor für einen Wirtschaftsstandort ist das politische Klima gegenüber den Unternehmern. Als Abgeordneter des Wahlkreises Baden/Mödling finde ich es daher erschreckend, wie in letzter Zeit einer der größten und erfolgreichsten Betriebe unserer Region, nämlich die Novomatic, von einigen Parlamentariern verunglimpft, ja


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 459

sogar kriminalisiert wird. Ich halte es für einen Skandal, einen weltweit erfolgreichen Betrieb mit 3 500 Arbeitsplätzen in Österreich und mehr als 30 000 Beschäftigten weltweit im Zuge des Ibiza-Untersuchungsausschusses untergriffig anzupatzen. (Zwi­schen­ruf des Abg. Loacker.) Einer SPÖ, die auf der einen Seite für Arbeitsplätze demonstrieren geht, sind anscheinend 3 500 Arbeitsplätze nichts wert (Zwischenruf bei der SPÖ), lieber Jan Krainer. (Beifall bei der ÖVP.)

Die ursprünglich wirtschaftsliberalen NEOS stehen dem Novomatic-Bashing ja in nichts nach und versuchen alles, um die Beschäftigten zu verunsichern (Zwischenruf bei den NEOS), liebe Frau Stephanie Krischper (Abg. Schellhorn: Krisper!) – Krisper, danke, Frau Krisper (Abg. Schellhorn: Danke!) –, und eines sage ich euch: Wir können jeden Tag ein Kerzerl dafür anzünden, dass sie noch in Gumpoldskirchen sind (Zwischenruf des Abg. Loacker), nicht in China und nicht anderswo. – Danke, Prof. Johann Graf. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Schellhorn: ... Novomatic zahlt alle! – Ruf bei der ÖVP: Nur Haselsteiner zahlt NEOS!)

15.19


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schroll. – Bitte.


15.19.39

Abgeordneter Alois Schroll (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Ja, eines ist ganz klar: Wir reden seit gestern, wir reden heute und wir werden noch die nächsten Tage über ein Budget reden, das es so nicht geben wird, das auf sehr wackeligen Beinen steht, und klar ist, dass angesichts der höchsten Arbeitslosenzahlen in der Zweiten Republik – alle zusam­mengefasst, also auch jene, die in Kurzarbeit sind, weit über 600 000 Menschen in Österreich – ein mutiges, ein kräftiges Konjunkturpaket nötig sein wird, um die Wirtschaft zu stärken, aber natürlich auch, Frau Ministerin, um Arbeitsplätze zu schaffen und diese auch zu erhalten. Das ist ganz, ganz wichtig.

Ganz wichtig dabei ist auch, dass nicht einzelne Bereiche übersehen werden, und ein ganz großer Bereich – eigentlich der größte und Konjunkturmotor Österreichs – sind die 2 095 Gemeinden. Diese Gemeinden, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, wurden seit dem 14. März von den Regierungsparteien hier im Hohen Haus leider Gottes verges­sen – heuer vergessen und auch im Budget 2021 vergessen. Die Bedeutung der Ge­meinden kann man gar nicht hoch genug einschätzen, wenn man weiß, was die Gemein­den und ihre über 200 000 Beschäftigten in Österreich leisten.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, ich kann nur eines sagen – auch mein Kollege Andi Kollross hat es schon ein paarmal angesprochen –: Beim Programm, das wir hier beschlossen haben, bei dem wir auch mitgestimmt haben, dem kommunalen Inves­titionsprogramm, dem Kommunalinvestitionsgesetz – dem Hilflosenpaket, wenn man es so nennen möchte –, zeigen die Zahlen doch alles. Wir haben uns die Zahlen vor zwei bis drei Wochen angesehen, und bis dato wurden von 1 Milliarde Euro nur 42 Millionen Euro abgerufen. Das zeigt genau das, was wir von Anfang an gesagt haben: Diese 1 Milliarde Euro kommt bei den Gemeinden nicht an! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

Die meisten Gemeinden haben nämlich eine negative Finanzspitze und können daher nicht das Geld aufbringen, das für die Kofinanzierung der Projekte, für die der Bund diese 1 Milliarde Euro zur Verfügung gestellt hat, nötig ist. (Zwischenruf des Abg. Brandweiner.) Ich kann nur sagen, dass ich als Bürgermeister folgende Erfahrung gemacht habe: Die Gemeinden sind jetzt wirklich auf Notstrom heruntergefahren worden, und wenn man irgendwo Notstrom einsetzt, ist es auch ganz, ganz wichtig, dass man schaut, dass man


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 460

die Reparatur angeht. Das ist aber heuer nicht passiert, und es ist auch im Budget für nächstes Jahr leider Gottes nicht vorgesehen.

Frau Ministerin, vielleicht können Sie den Herrn Finanzminister fragen, ob er § 72 der niederösterreichischen Gemeindeordnung, Allgemeine Haushaltsgrundsätze, kennt. Gemäß diesem Paragraphen ist nämlich jede Bürgermeisterin, jeder Bürgermeister dazu aufgerufen und auch verpflichtet, den Haushalt ausgeglichen zu budgetieren. (Zwischen­ruf bei der ÖVP.) Wie soll das passieren? Wie soll das funktionieren?

Liebe, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, ich kann nur noch einmal an alle appel­lieren – es sitzen so viele Bürgermeisterkolleginnen und -kollegen hier –: Auch unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den 2 095 Gemeinden wissen nicht, wie sie jetzt den Nachtragsvoranschlag gestalten (Zwischenruf des Abg. Hörl) und den Voranschlag machen sollen. Da können Sie ruhig schreien, Herr Kollege, es wird auch Ihre über 1 500 Bürgermeisterkollegen in Österreich betreffen, denn was sagt Bürgermeister Nagl aus Graz oder was sagt der Bürgermeister aus Lustenau? – Es ist nicht mehr zu finan­zieren! (Neuerlicher Zwischenruf bei der ÖVP.)

Ich kann nur eines sagen, und ich bitte euch alle, darüber nachzudenken: Stellen Sie sich einmal vor, es gibt kein Geld mehr, mit dem die Gemeinden die Wasserversorgung und die Wasserentsorgung aufrechterhalten können, es gibt keinen Platz mehr für ihre Kinder im Kinderhort, in der Krabbelstube, in der Schule und vieles mehr. Wir haben Hallenbäder zu erhalten, wir haben Rettungen, Feuerwehren, wir haben die Müllent­sorgung. Stellen Sie sich vor, wir können nicht einmal mehr unsere Liebsten, unsere Familienmitglieder beerdigen, weil die Gemeinden das nicht mehr finanzieren können. (Ruf bei der ÖVP: Geh bitte!) – Willkommen im Jahr 2021: auf Gemeindeebene eine Katastrophe mit Anlauf!

Ich kann nur sagen: Wenn ich als Bürgermeister – das gilt wahrscheinlich für viele Kollegen hier – so budgetieren würde, dann wäre ich wahrscheinlich die längste Zeit Bürgermeister gewesen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

15.23


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Beratungen zu diesem Themenbereich sind somit beendet.

Ich bedanke mich bei der Frau Wirtschaftsministerin.

15.24.10UG 42: Landwirtschaft, Regionen und Tourismus


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen jetzt zur Untergliederung 42: Land­wirtschaft, Regionen und Tourismus.

Ich begrüße die Frau Ministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus.

Als erste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Ecker. – Bitte.


15.24.27

Abgeordnete Cornelia Ecker (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen Ministerinnen! Wir befinden uns im zweiten Lockdown, und die Kosten dieser Maßnahmen sind nicht im Budget 2021 abgebildet. Das ist keine verantwortungsvolle Finanzpolitik für die Men­schen in diesem Land, wie ich meine. (Zwischenruf des Abg. Sieber.)

Nun aber zum eigentlichen Punkt, dem Budget für den Bereich Landwirtschaft, Regionen und Tourismus: Für die heimischen Bäuerinnen und Bauern ist das momentan eine sehr,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 461

sehr herausfordernde Zeit. Der Klimawandel beeinträchtigt die Ernteerträge, Billigpro­dukte aus dem Ausland drücken die Preise von österreichischen Qualitätsprodukten, und Schädlinge, wie beispielsweise der Borkenkäfer, vernichten ganze Wälder. Die Landwirtinnen und Landwirte sorgen in der Krise für die Versorgungssicherheit bei Lebensmitteln, und ich hätte mir gewünscht, dass die Landwirtschaftsministerin mit die­sem Budgetentwurf darlegt, wie sie den Bäuerinnen und Bauern die Sicherheit geben möchte, auch weiterhin von ihrem Beruf und ihren Erzeugnissen gut leben zu können. Dies ist leider nicht abgebildet, Frau Ministerin. (Beifall bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.)

Zwar steigt der Geldbetrag für dieses Budgetkapitel um satte 22,3 Prozent, es kann somit mit über 595 Millionen Euro mehr als im Vorjahr verbuchen, doch nach genauerer Betrachtung gibt diese Steigerung keinen Anlass zu besonderer Freude. (Heiterkeit der Bundesministerin Köstinger.) Zuallererst: Ich finde es mehr als befremdlich, wenn ich diversen Presseaussendungen entnehmen muss, dass nun auch die Gelder für den Breitbandausbau in das Agrarbudget eingerechnet werden. Die dafür veranschlagte Summe beträgt 261,5 Millionen Euro. Somit ist ein beträchtlicher Teil des Agrarbudgets für Maßnahmen gedacht, welche so gut wie gar nichts mit diesem Sektor zu tun haben. Wie kommen Sie auf diese Idee, Frau Ministerin? (Heiterkeit der Bundesministerin Köstinger.) Was wollen Sie damit verschleiern?

Die UG 42 muss anders aufgesetzt werden, und das sind nicht nur meine Worte, sondern, Frau Ministerin, der Budgetdienst des Parlaments hat Sie eindeutig darauf hingewiesen, dass Bereiche, die nichts miteinander zu tun haben, auch monetär getrennt werden müssen.

Nun zu dem mit 157,9 Millionen Euro dotierten Waldfonds: Ich möchte betonen, dass ich in meiner Funktion als SPÖ-Agrarsprecherin grundsätzlich für Fördermaßnahmen für Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer bin, wenn deren Flächen von Schädlingen betrof­fen sind – gerade der Borkenkäfer hat im Bereich unserer Wälder riesige Schäden an­gerichtet –, doch die Ausgestaltung dieses Fonds kritisieren wir als SPÖ scharf. Es gibt bis heute keine veröffentlichten Richtlinien dafür, wer für welche Leistungen wie viel Förderung bekommt. Wir haben massive Bedenken, dass Großgrundbesitzer die meis­ten Unterstützungsleistungen ausschöpfen werden, daher fordern wir in diesem Bereich ein degressives Fördermodell (Beifall bei der SPÖ), wodurch kleinere Forsteigentümer in Relation mehr Ausgleich und mehr Geld als die Waldgroßgrundbesitzer erhalten werden.

Es braucht auch eine klare Verpflichtung zur kollektivvertraglichen Entlohnung für Wald­arbeiter (Abg. Wöginger: Eh, die Landarbeiterkammer!), und es braucht auch ordnungs­gemäße Unterkünfte für diese. (Beifall bei der SPÖ.)

Zum Abschluss: Für die Förderwerber muss es auch eine Verpflichtung geben, auf chemisch-synthetische Pestizide zu verzichten. Momentan ist der Waldfonds nur ein persönlicher Geldtopf unserer Frau Bundesministerin, welche diesen nach Gutdünken ohne parlamentarische Kontrolle – das muss man sich einmal vorstellen: ohne jegliche parlamentarische Kontrolle! – ausschöpfen kann. Das ist Spielgeld, Frau Ministerin, und das lehnen wir ab. (Beifall bei der SPÖ.)

Hinzu kommt, dass die Landwirtschaftsministerin offensichtlich beabsichtigt, im Förder­programm für den ländlichen Raum die Maßnahme Soziale Dienstleistungen mit keinen Geldmitteln mehr auszustatten. Es ist aus Sicht der SPÖ unverständlich, wie man in Zeiten einer Covid-Pandemie Geldmittel, welche in die Pflege, in die Gesundheit und in die Kinderbetreuung fließen, nicht weiterführen möchte. Diese Förderschiene ist aus unserer Sicht essenziell, um gerade junge Menschen, Familien und Alleinerziehende im


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 462

ländlichen Raum zu halten und einer Abwanderung in die Ballungszentren entgegenzu­treten.

Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Cornelia Ecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend „faire und nach­haltige Verteilung der öffentlichen Steuergelder des Waldfonds dringend gefordert“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus und die Bundes­ministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie wer­den aufgefordert, die laut § 5 Waldfondsgesetz zu erlassenden Richtlinien aus Gründen der sozialen und ökologischen Nachhaltigkeit so zu gestalten, dass:

- die Förderungen degressiv sind, so dass pro Hektar Förderfläche kleinere Forst­eigentümerInnen in Relation mehr Ausgleich erhalten als Wald-Großgrundbesitzer,

- die Einhaltung der kollektivvertraglichen Entlohnung und der ordnungsgemäßen Unterkünfte der durch diese Maßnahmen beschäftigten WaldarbeiterInnen überprüft und garantiert wird,

- ein Verzicht auf den Einsatz chemisch-synthetischer Pestizide vorgegeben wird,

und dem Nationalrat für die Dauer der Maßnahmen jährlich einen Bericht vorzulegen, der neben einer Darstellung der Förderfälle u.a. auch eine Quantifizierung der CO2-Einsparungen ausweist.“

*****

Ich bringe noch einen weiteren Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Cornelia Ecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erhalt der ELER-Fördermaßnahme ,Soziale Angelegenheiten‘ (Soziale Dienstleistungen, SDL) im Programm für die ländliche Entwicklung“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus wird aufgefordert, die Maßnahme ,Soziale Dienstleistungen (SDL)‘ auch in den nächsten beiden Über­gangsjahren der GAP im Rahmen des Programms für die ländliche Entwicklung vorzu­sehen und in Höhe entsprechender zu dotieren.“

*****

Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

15.31

Die Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 463

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Cornelia Ecker,

Genossinnen und Genossen

betreffend faire und nachhaltige Verteilung der öffentlichen Steuergelder des Waldfonds dringend gefordert

eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Budgetausschusses über die Regie­rungsvorlage (380 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2021 (Bundesfinanzgesetz 2021 —  BFG 2021) samt Anlagen (449 d.B.), UG 42 (TOP 11)

Das durch die Regierung überfallsartig, ohne Begutachtung, im Sommer 2020 vorge­legte und beschlossene Waldfondsgesetz sieht die Verteilung von 350 Mio. € öffent­lichen Steuermitteln vor, wovon im Jahr 2020 87,5 Mio. € ausgezahlt werden sollten, im Jahr 2021 157,5 Mio. €.

„Das Geld hat kein Mascherl“ kann im Zusammenhang mit dem Waldfonds mit Fug und Recht behauptet werden, da die gesetzliche Regelung weder eine Zuteilung der Geld­mittel zu den aufgelisteten Maßnahmen enthält, noch werden CO2-Einsparungsziele für eine nachvollziehbare Bewertung der Maßnahmen gesetzt.

350 Mio. € werden also hoffentlich einen Beitrag zu einer CO2-Einsparung leisten, die Bundesministerinnen werden hoffentlich die Mittel der Steuerzahlerinnen und Steuer­zahler so einsetzen, dass jene Betriebe davon profitieren, die tatsächlich existenzielle Schwierigkeiten haben.

Da das Waldfondsgesetz die Förderung als „Gewährung von Zuschüssen zu den Kosten der förderbaren Maßnahmen“ festlegt, wird diese geldwerte Zuwendung zukünftig in keiner Einkommensstatistik aufscheinen und die tatsächlichen Einkommen um einige Millionen Euro niedriger erscheinen – dies macht die Einkommenssituation in der Forstwirtschaft in den nächsten Jahren intransparenter und erschwert eine Einschätzung der Politik über zukünftige Maßnahmen.

Es ist gerechtfertigt, dass die Öffentlichkeit bei Einsatz einer so umfangreichen Förde­rung der Forstwirtschaft aus Steuermitteln von den Waldeigentümerinnen und Wald­eigentümern einen Ausgleich erhält.

Trotz äußerst rascher Vorlage und Beschlussfassung des Gesetzes wurden bisher keine Richtlinien veröffentlicht, im Budgetvoranschlag wird das Waldfondsgesetz gemeinsam mit dem Breitbandausbau als Konjunkturpaket bezeichnet.

Die gefertigten Abgeordneten stellen daher den

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus und die Bundes­ministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie werden aufgefordert, die laut § 5 Waldfondsgesetz zu erlassenden Richtlinien aus Gründen der sozialen und ökologischen Nachhaltigkeit so zu gestalten, dass:

• die Förderungen degressiv sind, so dass pro Hektar Förderfläche kleinere Forst­eigentümerInnen in Relation mehr Ausgleich erhalten als Wald-Großgrundbesitzer,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 464

• die Einhaltung der kollektivvertraglichen Entlohnung und der ordnungsgemäßen Unter­künfte der durch diese Maßnahmen beschäftigten WaldarbeiterInnen überprüft und garantiert wird,

• ein Verzicht auf den Einsatz chemisch-synthetischer Pestizide vorgegeben wird,

und dem Nationalrat für die Dauer der Maßnahmen jährlich einen Bericht vorzulegen, der neben einer Darstellung der Förderfälle u.a. auch eine Quantifizierung der CO2-Einsparungen ausweist.“

*****

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Cornelia Ecker,

Genossinnen und Genossen

betreffend Erhalt der ELER-Fördermaßnahme „Soziale Angelegenheiten“ (Soziale Dienstleistungen, SDL) im Programm für die ländliche Entwicklung

eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Budgetausschusses über die Regie­rungsvorlage (380 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2021 (Bundesfinanzgesetz 2021 —  BFG 2021) samt Anlagen (449 d.B.), UG 42 (TOP 11)

Das Programm für die ländliche Entwicklung stellt als 2. Säule der GAP jenen Teil der Fördermittel dar, deren Ziel es sein soll, ländliche Regionen zu stärken. In diesem Zusammenhang sieht der ELER-Fonds vor, dass ein Mitgliedsstaat Investitionen in soziale Dienstleistungen fördern und EU-Mittel für diese Maßnahme verwenden kann. In Österreich existiert diese Förderschiene seit Beginn der laufenden Periode, die nunmehr in den nächsten beiden Jahren als sog. „Übergangsjahren“ fortgeführt werden soll. 118 Mio. € wurden so in Pflege, Kinderbetreuung und Gesundheitsleistungen investiert. Zu Beginn der Maßnahme kam es zu Anfangsschwierigkeiten, mittlerweile sind die Bundes­länder, die für die Durchführung verantwortlich sind, sehr erfolgreich in der Umsetzung.

Vor Kurzem ist bekanntgeworden, dass die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regio­nen und Tourismus beabsichtigt, diese Maßnahme in den Budgetjahren 2021 und 2022 mit einem Nullbudget auszustatten! – eine Maßnahme, die auch besonders unter dem Aspekt der Abwanderung aus ländlichen Regionen gesehen werden muss, als unterstüt­zende Maßnahme, dass sich Frauen und junge Menschen nicht wegen fehlender sozia­ler Infrastruktur entschließen, woanders zu wohnen, zu arbeiten, ihren Lebensmittel­punkt zu errichten.

Es ist völlig unverständlich, dass gerade auch in Zeiten einer Pandemie, geplant ist, Mittel, die unter anderem in Pflege, Gesundheit und Kinderbetreuung fließen, zu streichen. Zusätzlich werden die ELER-Mittel 2021 insgesamt viel höher dotiert und die Bundesmittel für den ELER für andere Maßnahmen um 27,2 Mio. € steigen. Auch aus Bundesländern, die für die nationale Kofinanzierung dieser Maßnahme zahlen, ist ein großes Interesse an der Bereitstellung der ELER-Mittel zu vernehmen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher den


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 465

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus wird aufgefordert, die Maßnahme „Soziale Dienstleistungen (SDL)“ auch in den nächsten beiden Über­gangsjahren der GAP im Rahmen des Programms für die ländliche Entwicklung vorzu­sehen und in Höhe entsprechender zu dotieren.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die beiden Anträge sind ordnungsgemäß einge­bracht, ausreichend unterstützt und stehen mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Strasser. – Bitte. (Abg. Wöginger – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Strasser –: Jetzt erklär ihnen einmal Land- und Forstwirtschaft!)


15.31.13

Abgeordneter Dipl.-Ing. Georg Strasser (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! In diesem Ministerium und auch in diesem Budget ist sehr viel enthalten, was der ländliche Raum braucht. Das sind Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft, das sind Maß­nahmen, die den Breitbandausbau und die Digitalisierung betreffen, und das sind Maß­nahmen – eine gute Nachricht für die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister – rund um die Siedlungswasserwirtschaft. Mit einer Erhöhung dieses Budgets – dieser Budgets! – in Höhe von rund 600 Millionen Euro setzt diese Bundesregierung ein absolut richtiges Zeichen, und es geht in die richtige Richtung. – Danke, Frau Bundesministerin, für die Kompetenz und für dein Engagement für den ländlichen Raum! (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Voglauer.)

Ich darf aber auch zu den Zwischenergebnissen auf europäischer Ebene gratulieren, wenn es um die neue Gemeinsame Agrarpolitik geht. Dazu gab es wichtige Verhand­lungen im Agrarministerrat und auch Beschlüsse im Europäischen Parlament. Damit wird die Selbstversorgung sichergestellt. Es wird sichergestellt, dass wir auch in Zukunft eine Selbstversorgung mit österreichischen und auch europäischen Lebensmitteln haben, sodass in Zukunft Lebensmittel nicht vorwiegend aus Nordafrika oder Südamerika zu uns kommen.

Zweitens ist sichergestellt, dass die Bäuerinnen und Bauern – und wir wollen da auch liefern – mehr für den Klima- und Umweltschutz tun werden; und drittens ist sicher­gestellt, dass es praxistaugliche Programme geben wird, sodass letztendlich auch Bäue­rinnen und Bauern in die Lage versetzt werden, mit ihren Betrieben Einkommen zu erwirtschaften, damit man am Ende des Tages als Betrieb, als bäuerliche Familie nicht zwischen den Tendenzen des Green Deals und dem Kaufverhalten, dem Konsum­verhalten der Menschen sowie der europäischen Handelspolitik aufgerieben wird. – Ein großes Dankeschön auch für dieses Engagement und Gratulation zu diesen Verhand­lungsergebnissen! (Beifall bei der ÖVP.)

Jetzt, liebe Frau Kollegin Ecker, zur SPÖ: Es hat gestern einige spannende Diskus­sions­punkte gegeben. Kollege Wimmer hat eine Tirade gegen uns Bäuerinnen und Bauern losgelassen, und auch Kollege Stöger hat wieder einmal Aussagen rund um unser Pen­sionssystem getroffen, die so einfach nicht stimmen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 466

Ich darf das berichtigen: Stöger meint, in unserem Pensionsrechnungskreis betrage der Zuschuss aus öffentlichen Mitteln 95 Prozent. – Das stimmt nicht. Nach Rechnungs­abschluss 2018 sind das 77,8 Prozent. Der Grund dafür ist, dass nicht mehr wie in den Fünfziger- oder Sechzigerjahren circa 25 Prozent, 35 Prozent der Bevölkerung – ich weiß es nicht genau – in der Landwirtschaft erwerbstätig sind, sondern dass es halt nur mehr 3 bis 4 Prozent sind. Die Bäuerinnen und Bauern haben sich im Erwerbsle­ben einen redlichen Pensionsanspruch erworben. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Voglauer.) Wir reden dabei von den geringsten Pensionen, und Sie hauen da drauf!

Kollege Wimmer ist gerade nicht da. (Abg. Vogl: Der soll bald in Pension gehen!) Er wurde von einer Bäuerin, die ich zufällig selber kenne, im Fernsehen gesehen. Ihr Mann hatte vor drei Jahren einen schweren Arbeitsunfall (Zwischenrufe bei der SPÖ), er ist arbeitsunfähig und hat eine schwere Behinderung. Sie schreibt mir: Liebe Grüße an den Kollegen Wimmer!, er könne sie gerne anrufen. Sie hat mir auch den Pensionsbescheid ihres Mannes geschickt: Die Pension beträgt monatlich, bei Pflegestufe 3 und zuzüglich Kinderzuschuss für zwei Kinder, 875 Euro. – Und Sie halten es für notwendig, auf diese Bevölkerungsgruppe draufzuhauen. Schämen Sie sich! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf des Abg. Vogl.)

15.35


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Abgeordneter Schmiedlechner ist zu Wort gemel­det. – Bitte.


15.35.30

Abgeordneter Peter Schmiedlechner (FPÖ): Herr Präsident! Frau Minister! Sehr ge­ehrte Zuseher und Zuseherinnen! Budget Landwirtschaft, Regionen und Tourismus – es ist seltsam, was der ÖVP-Bauernbund da zustande bringt. Während die Landwirtschaft bereits ruiniert ist, werden im Zuge von Corona jetzt auch die Gastronomie und der Tourismus hingerichtet. Gleichzeitig gibt es noch eine weitere Ministerin, auch vom Bauernbund, die das Bundesheer ruiniert. – Das ist eine starke Leistung.

Auf den ersten Blick ist dieses Budget höher als das der letzten Jahre. Doch es gibt keinen Grund zur Freude. Viele Bauern und Bäuerinnen stehen mit dem Rücken zur Wand. Tatsächlich kommt sehr wenig von diesem Budget bei den Bauern und Bäuerin­nen an. Sie und Ihre ÖVP, Frau Ministerin, haben es geschafft, innerhalb von mehreren Jahren – seit 1987 stellt die ÖVP den Landwirtschaftsminister, in diesem Zeitraum also  160 000 Betriebe zu zerstören. Und dann stellen sich ÖVP-Abgeordnete hier heraus und sprechen von Erfolg! Für mich ist das mehr als scheinheilig – ja, man kann von Falschheit sprechen. (Zwischenruf des Abg. Obernosterer.)

Ein Beweis, „Top agrar“, vor einigen Tagen: Bauernbund-Präsident: Agrarreform längst überfällig, bäuerliche Betriebe gehen vor die Hunde. – Zitatende. (Abg. Strasser: Falsches Zitat!) Auf der anderen Seite Herr Berlakovich – er ist jetzt nicht da; doch, da ist er –: LK Burgenland bietet Seminare an, „Aussteigen aus der Landwirtschaft – So mache ich es richtig.“ – Na, das ist eine super Agrarpolitik, das ist eine gute Standes­vertretung!

Frau Minister, wohin soll die Reise gehen? Wollen Sie unsere Bauern retten und ihnen langfristige Perspektiven und Planungssicherheit geben, oder ist es Ihnen egal? In diesem Budget sehe ich wenig – keine Innovationen, keine Verbesserungen, keine langfristigen Antworten. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Gerade in der derzeitigen Wirt­schaftskrise braucht es dringend eine Veränderung. Der beste Beweis ist der aktuelle Grüne Bericht: ungebremstes Bauernsterben, niedrige Einkommen der Bauern und Bäuerinnen in allen Sparten.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 467

Zusammenfassung: Die Situation der Land- und Forstwirte ist katastrophal. Damit un­sere Bauern auch langfristig überleben, braucht es weitreichende Maßnahmen, nicht nur Ankündigungen. Es braucht eine sofortige Entlastung der Bauern durch Neubewertung des Einheitswertes – da sollten bei der Berechnung die öffentlichen Gelder nicht mehr miteingerechnet werden. Es braucht Mechanismen, um bessere Preise für die Produ­zenten zu erreichen, und es braucht eine ordentliche Lebensmittelkennzeichnung.

Aus diesem Grund bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „frei­heitlicher Rettungsschirm für die Landwirtschaft“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzu­leiten, durch welche der freiheitliche Rettungsschirm für die Landwirtschaft in folgenden Punkten umgesetzt wird und entsprechende budgetäre Berücksichtigung findet:

- Aussetzen der Einhebung von Beiträgen gemäß § 21c AMA-Gesetz 1992 für die Dauer der COVID-19 Krise

- Erlass der Sozialversicherungsbeiträge für alle kleinen und mittleren landwirt­schaft­lichen Betriebe für die Dauer der COVID-19 Krise, insbesondere wenn diese gestundet sind oder Ratenzahlung vereinbart wurde

- Einführung eines Sockelförderbetrages pro Arbeitskraft im landwirtschaftlichen Betrieb zur Sicherung von Arbeitsplätzen

- Streichung des fiktiven Ausgedinges im Rahme einer Novelle des Sozialversiche­rungsrechts zugunsten eines modernen Ausgedinges

- Schaffung der Möglichkeit für Kleinstwaldbesitzer bei Schadereignissen einen Antrag auf Reduktion des Einheitswertes, analog zur Regelung für Kleinwaldbesitzer, zu stel­len.“

*****

Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

15.40

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Peter Schmiedlechner

und weiterer Abgeordneter

betreffend freiheitlicher Rettungsschirm für die Landwirtschaft

eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 11, Bericht des Bud­getausschusses über die Regierungsvorlage (380 d.B.): Bundesgesetz über die Be­willigung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2021 (Bundesfinanzgesetz 2021 – BFG 2021) samt Anlagen (449 d.B.), Untergliederung UG 42 – Landwirtschaft, Regionen und Tourismus, in der 62. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 18. November 2020


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 468

Gegenwärtig wird die neue Gemeinsame Agrarpolitik der EU (GAP) verhandelt. Das Ergebnis dieser Verhandlungen wird entscheidend dafür sein, wie es mit unserer Land­wirtschaft in Folge der COVID-19-Krise weitergeht, aber auch unabsehbare budgetäre Konsequenzen haben. Es geht insbesondere darum, ob es den Bauern in zehn Jahren noch möglich sein wird, die Bevölkerung mit gesunden Lebensmitteln zu versorgen und ob flächendeckend Landwirtschaft im Einklang mit den hohen heimischen Umwelt- und Tierschutzstandards betrieben werden kann.

Die Anforderungen an die Land- und Forstwirtschaft verändern sich gleichermaßen wie die Gesellschaft selbst und steigen nicht zuletzt durch die Klimaveränderung. Die höheren Standards im Hinblick auf Umweltschutz, Tierwohl und Nachhaltigkeit verur­sachen jedoch auch höhere Kosten in der heimische Lebensmittelproduktion.  Gleich­zeitig sinken die Einkommen der Bäuerinnen und Bauern (2019: durchschnittlich 27.966 Euro je Betrieb, 2018: durchschnittlich 28.035 Euro/Betrieb). Dies führt zur prekären wirtschaftlichen Situationen auf unseren heimischen Bauernhöfen, die es durch Aus­setzung und Erlass von Fixkosten abzufedern gilt.

Die langfristige Sicherung von Arbeitsplätzen am Bauernhof muss gewährleistet werden. Insbesondere in einer Wirtschaftskrise mit hohen Arbeitslosenzahlen, müssen Arbeits­plätze am Bauernhof auch gefördert werden. Damit einhergehend braucht es ein moder­nes Ausgedinge, welches der gelebten Realität bäuerlicher Familien entspricht.

Wenn wir es schaffen die heimischen Bauernhöfe zu erhalten, sichern wir auch gleich­zeitig die Wertschöpfung in den Regionen und erzeugen einen positiven Impuls für weitere Arbeitsplätze im ländlichen Raum.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, durch welche der freiheitliche Rettungsschirm für die Landwirtschaft in folgenden Punkten umgesetzt wird und entsprechende budgetäre Berücksichtigung findet:

•             Aussetzen der Einhebung von Beiträgen gemäß § 21c AMA-Gesetz 1992 für die Dauer der COVID-19 Krise

•             Erlass der Sozialversicherungsbeiträge für alle kleinen und mittleren land­wirtschaftlichen Betriebe für die Dauer der COVID-19 Krise, insbesondere wenn diese gestundet sind oder Ratenzahlung vereinbart wurde

•             Einführung eines Sockelförderbetrages pro Arbeitskraft im landwirtschaftlichen Betrieb zur Sicherung von Arbeitsplätzen

•             Streichung des fiktiven Ausgedinges im Rahme einer Novelle des Sozial­ver­sicherungsrechts zugunsten eines modernen Ausgedinges

•             Schaffung der Möglichkeit für Kleinstwaldbesitzer bei Schadereignissen einen Antrag auf Reduktion des Einheitswertes, analog zur Regelung für Kleinwaldbesitzer, zu stellen.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ausreichend unterstützt, ord­nungs­gemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 469

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Strasser zu Wort gemeldet. – Bitte. (Ruf bei der SPÖ: Der Stöger war als Erster!)


15.40.33

Abgeordneter Dipl.-Ing. Georg Strasser (ÖVP): Kollege Schmiedlechner hat mich aus „Top agrar“ damit zitiert, dass die bäuerlichen Betriebe vor die Hunde gehen würden.

Ich berichtige tatsächlich: „Agrarreform: ‚Bäuerliche Betriebe dürfen nicht vor die Hunde gehen!‘“ – Das beschreibt den Zusammenhang, den ich auch in meiner Rede ausgeführt habe.

Peter, wo warst du, als wir die Stalleinbrüche ins Strafgesetzbuch hineinschreiben woll­ten? – Du hast uns im Stich gelassen. (Beifall bei der ÖVP.)

15.41


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Abgeordneter Stöger zu Wort gemeldet. – Bitte.


15.41.14

Abgeordneter Alois Stöger, diplômé (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Ministerin! Herr Abgeordneter Strasser hat in seiner Rede behauptet, dass ich gesagt hätte, ich neide den Bauern ihre Pension. – Ganz im Gegenteil, ich habe gesagt (Abg. Schellhorn: Ich berichtige tatsächlich!), dass die SPÖ die Pensionen eingeführt hat.

Außerdem berichtige ich tatsächlich: Er hat gemeint, es stimmt nicht, dass 95 Prozent die Zuschüsse vom Staat sind. Herr Abgeordneter, im Geschäftsbericht der SVB sind 1 759 591 806,41 Euro als Gesamtkosten für die Pension ausgewiesen, daraus ergibt sich ein Staatszuschuss von 1 540 423 754,65 Euro und – das habt ihr vergessen! – eine Partnerleistung von 166 426 884 Euro. Daraus ergibt sich, dass die Mittel zu 95 Prozent aus öffentlichen, aus Steuermitteln kommen.

Zum Dritten, Herr Abgeordneter Strasser – das ist auch eine tatsächliche Berichtigung (Abg. Wöginger: Das ist keine tatsächliche Berichtigung ...! – weitere Zwischenrufe bei der ÖVP) – hat etwas bezüglich Berufsunfähigkeitspension behauptet. Diese haben Arbeitnehmer auch; und genau diese Leute, die eine Berufsunfähigkeitspension haben, bekommen die Abschläge, die ihr wieder einführt. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Genau! – Abg. Wöginger: Das stimmt überhaupt nicht, was du da sagst, aber das ist eh nichts Neues! – Abg. Martin Graf: Wo ist denn das Präsidium? – Unruhe im Saal.)

15.43


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Prinz zu Wort gemeldet. – Bitte. (Ruf bei der SPÖ: Jetzt haben Sie dasselbe wieder gemacht, wie das letzte Mal!)


15.43.42

Abgeordneter Nikolaus Prinz (ÖVP): Nur ganz kurz zu Kollegen Stöger (heftiger Widerspruch bei der SPÖ), da er immer wieder behauptet, die bäuerliche Sozialver­sicherung sei von der SPÖ eingeführt worden: Das stimmt nicht! (Anhaltende Zwi­schenrufe bei SPÖ und FPÖ.) Die bäuerliche Sozialversicherung wurde hier im Parla­ment unter Bundeskanzler Josef Klaus beschlossen, und die ersten Auszahlungen fanden unter Bundeskanzler Kreisky statt. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Gahr: Jetzt ist es richtiggestellt! – Abg. Vogl: ... das zweite Mal in zwei Tagen, dass Sie das zulassen, Herr Präsident! Nehmen Sie Ihre Vorsitzführung ernst! Das ist purer Wahnsinn! – Abg. Kuntzl: Kennen Sie die Geschäftsordnung nicht? – Abg. Cornelia Ecker: Hat jemand eine Geschäftsordnung für den Präsidenten?! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

15.44



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 470

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Das Präsidium hat beraten, und die Experten haben das in dieser Form akzeptiert. (Ruf bei der SPÖ: Sie sind der Vorsitzführende!) Ich wusste auch nicht, zu wem sie kommt. Es wäre eine Erwiderung gewesen, wenn Abgeordneter Strasser herausgekommen wäre. (Abg. Kollross: Nein!) Wir werden die Situation noch einmal beraten und das dann richtigstellen. Sollte es eine Erwiderung gewesen sein, wird es als persönliche Anmerkung gewertet und auf die Redezeit angerechnet. (Abg. Cornelia Ecker: Genau! – Abg. Gabriela Schwarz – in Richtung SPÖ –: Eben, keep cool! – Abg. Wöginger: Aber beim Stöger auch!)

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Stammler. – Bitte.


15.45.08

Abgeordneter Clemens Stammler (Grüne): Herr Präsident! Geschätzte Frau Minis­terin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Danke, Nikolaus Prinz, dass du mir so viel Auf­merksamkeit im Saal geschaffen hast. (Abg. Prinz: Gern geschehen, Clemens!) Das ist bei einem Budgetplenum nicht selbstverständlich.

Wir haben gestern gehört: Österreich ist Weltmeister, was die Coronainfektionszahlen anbelangt. Österreich ist aber auch Europameister, und zwar Europameister an Super­marktfläche je Einwohner. Österreich hat die größte Supermarktdichte und nebenbei auch noch 15 Laufmeter Straßennetz je Einwohner, das ist eines der dichtesten Straßen­netze in Europa. (Abg. Schellhorn – in Richtung ÖVP –: Nur dass ihr es wisst: Das geht gegen euch!)

Das zeigt, dass man, wenn man will, auch den schwer erarbeiteten Wohlstand gegen sich selbst richten kann. Ich rede nämlich von unseren Böden, das sind die Böden, auf denen unser Essen wächst. Wir betonieren nach wie vor jeden Tag 20 Hektar zu – und genau da beginnt die Katze, sich in den Schwanz zu beißen. 1950 betrug der Erlösanteil für die Landwirtschaft bei Lebensmitteln noch 55 Prozent; heute sind wir bei 20 Prozent. Der Rest geht in die Verarbeitung und hauptsächlich in den Handel. Allein dieser Umstand zwingt immer mehr Bäuerinnen und Bauern, von der einmaligen Fruchtfolge zu leben, nämlich vom Grundverkauf. (Beifall bei den Grünen.) Auf diesen Gründen entstehen dann wieder Supermärkte, die man in Wahrheit eigentlich nicht mehr braucht.

Gleichzeitig steigt der Wohnbedarf in Österreich, und auch dieser Wohnbedarf wird mit Neubauten – aus Kostengründen meistens auf der grünen Wiese errichtet – und nicht durch Nutzung von Leerständen gedeckt. (Abg. Martin Graf: So wie in Wien unter der grünen Führung!)

Ein weiterer Grund, warum das so passiert, sind die zersplitterten Kompetenzen in der Raumordnung, in der Raumplanung und in der Widmung. Der Bund schiebt ganz gerne die Verantwortung auf die Länder, die Länder schieben sie auf die Gemeinden, und zwischen den Gemeinden gibt es meistens keine räumliche Abstimmung und Arbeits­teilung. Die Folgen sind Zersiedelung, Leerstand, lange Transport- und Arbeitswege und vor allen Dingen auch Monofunktionen im ländlichen Raum.

Eine sinnvolle Kreislaufwirtschaft für den ländlichen Raum, die so wichtig wäre, kann unter diesen Umständen nicht funktionieren. Es verwaisen die Ortskerne, die einstmals Orte der Begegnung und soziale Treffpunkte waren, und ein Stück österreichische Identität geht dabei verloren. Wir müssen handeln, und dazu haben wir einige Punkte im Regierungsprogramm stehen, die durchaus Ziele sind – aber wir müssen sie angehen.

Jede untätige Stunde bedeutet 8 000 Quadratmeter verbetonierten Boden. Wir brauchen aktives Flächenmanagement und aktive Bodenpolitik mit dem Ziel, den Flächen­ver­brauch zu minimieren. Es braucht eine Ausweisung von landwirtschaftlichen Produk­tions­flächen und ökologischen Vorrangflächen; es braucht eine überregionale Planung und eine Entwirrung der Förderungen zugunsten der Aktivierung der Leerstände. Es


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 471

braucht eine Leerstandserhebung statt Neubauten auf der grünen Wiese. Gerade uns als Agrarpolitikern muss es ein Anliegen sein, die Zukunft mit fruchtbaren Böden und nicht mit Beton zu gestalten.

Frau Minister, mit der Broschüre der Örok und unserem Regierungsprogramm haben wir einen Arbeitsauftrag. – Ich bitte darum. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Martin Graf: Deswegen wird es Zeit, dass endlich die Grünen in die Regierung kommen! – Ruf bei der SPÖ: Genau! – Zwischenrufe bei Grünen und ÖVP.)

15.49


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Doppelbauer. – Bitte.


15.49.33

Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Herr Präsident! Frau Bundes­minister! Hohes Haus! Ich möchte an die Ausführungen meines Vorredners anschließen, da es ja einen aktuellen Fall in Oberösterreich gibt, wo gerade die Raumordnungsnovelle präsentiert worden ist. Da gab es ja von den Expertinnen und Experten einen wirklich sehr, sehr guten Vorschlag, der dann aber natürlich vom schwarzen Landesrat Achleitner vollkommen ignoriert wurde. Es ist ein Gesetz herausgekommen, das seinesgleichen sucht und an Dilettantismus wirklich nicht zu übertreffen ist. Das schadet natürlich der Landwirtschaft, und das schadet auch maßgeblich der Biodiversität.

Heute geht es um den Budgetentwurf 2021. Gleich vorweg, Frau Bundesminister: Auch das Budget für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus ist für uns eine große Ent­täuschung. Es wird signifikant mehr Geld ausgegeben, aber es fehlen natürlich wieder einmal die Reformen, und es fehlen vor allem auch die innovativen wirtschaftlichen Modelle in diesem Konzept. Sie haben es verabsäumt, Verantwortung für die Zukunft der Landwirtschaft und auch für die Zukunft des ländlichen Raumes zu übernehmen.

Worum geht es, wenn ich das sage? – Ich sage recht bewusst: Die Landwirtschaft ist ein Schlüsselsektor, sie ist ein hoch strategisches Feld. Ich bleibe dabei: Wir brauchen ganz, ganz klare Antworten auf folgende Fragen, die ich ja auch schon im Juni und Juli hier in diesem Haus gestellt habe, die aber nicht beantwortet sind.

Wir müssen beantworten: Wovon sollen unsere Landwirte in zehn, in 20, in 30 Jahren leben? Welche wirtschaftliche, welche gesellschaftliche und welche ökologische Rolle sollen sie spielen? Wie erhalten wir die natürlichen Ressourcen? Wie gehen wir mit Digitalisierung um? Wie gehen wir mit Automatisierung um, mit dem Weltmarkt, mit der CO2-Bepreisung? Wie gehen wir vor allem auch mit der Klimakrise um? – Das sind die ganz großen Fragen, die beantwortet gehören, und Sie schulden uns nach wie vor eine Antwort darauf.

Ja, es gibt immer wieder groß angekündigte Projekte, aber da fehlen dann oft die ent­sprechenden Resultate. Man lernt offenbar nicht einmal aus Fehlern. Ich spreche dabei ein ganz, ganz wichtiges Thema für den ländlichen Raum an, nämlich den Breitband­ausbau. Viele von uns werden sich erinnern: Vor zehn Jahren gab es die berühmte Breitbandmilliarde, die hätte umgesetzt werden sollen. Die Resultate kann man wirklich gut in einem Rechnungshofbericht von 2018 nachlesen, in dem nicht nur kritisiert wird, wie die Intransparenz sozusagen angewachsen ist und wie ineffizient die Mittel einge­setzt worden sind, sondern in dem die Maßnahmen in der Luft zerrissen werden.

Wer es nicht glaubt, kann sich das auch im Breitbandatlas anschauen – es wurde sehr viel Geld für sehr wenig Wirkung ausgegeben. Die Gemeinden bauen nach wie vor unkoordiniert, es gibt keine Gesamtstrategie, es gibt keinen Gesamtplan. Das alles ist bekannt. Man würde natürlich meinen, dass man sich, wenn man jetzt wieder mehr Geld in den Breitbandausbau steckt, das vorher überlegt und wirklich ein Gesamtkonzept


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aufstellt – aber nein. Ganz im Ernst: Das birgt wirklich die Gefahr, dass wir ganz, ganz grob fahrlässig Steuergelder ausgeben. Das kann es ja wohl nicht sein!

Kommen wir aber zurück zur Landwirtschaft! Ich sage euch noch einmal: Die Land­wirtschaft ist für mich ein Schlüsselsektor, der in der Coronakrise auch hervorragend gehalten hat. Was man aber schon sieht, ist, dass die Einkommen der Bauern mehr und mehr von Ausgleichszahlungen abhängen. Deren Prozentsatz wird immer höher. Es gibt aber Möglichkeiten, und die sieht man ja auch recht gut im Grünen Bericht. Wenn etwa Familienbetriebe diversifizieren, wenn sie sich in Nischen begeben, wenn sie innovative Modelle ausbauen, dann können sie ein gutes Auskommen finden. Da sollten Sie ansetzen. Da sollten Sie wirklich ansetzen, ein rechtliches Umfeld schaffen, die Rahmen­bedingungen dafür schaffen und auch unternehmerische Initiativen unterstützen. Es gibt gute Beispiele dafür, Sie kennen sie: Agrarfotovoltaik – das haben wir diskutiert.

Wir haben weiters den CO2-Zertifikatshandel diskutiert. Ja, es gibt auch private Vereine von Produzentinnen und Produzenten, die eigene Marken schaffen. Ja, ganz im Ernst, da müssen Sie ein bisschen lernen, zu vertrauen! Die können auch funktionieren, wenn nicht die AMA darin sitzt, wenn nicht die Landwirtschaftskammer darin sitzt und wenn nicht der Bauernbund darin sitzt.

Das übergeordnete Ziel, das Sie in Ihrem Regierungsprogramm beschrieben haben, ist „die Versorgung mit hochwertigen Lebensmitteln, der Erhalt einer multifunktionalen, nachhaltigen, wettbewerbsfähigen und flächendeckenden Land- und Forstwirtschaft sowie ein hoher Selbstversorgungsgrad“. Das sind schöne Worte, doch ganz im Ernst: Im Budget 2021 fehlt die Umsetzung dieser Strategie. Das Ziel sehen wir darin nicht. Es gibt jetzt eine gute Möglichkeit – eigentlich eine großartige, eine einmalige Möglichkeit –, im Rahmen des nationalen Strategieplans für die GAP noch einiges hineinzubringen.

Ich fordere, dass in diesem Land jedenfalls eine Landwirtschaftspolitik gemacht wird, die ambitioniert Reformen angeht und in der man sich mit innovativen wirtschaftlichen Konzepten wirklich wiederfindet. Ich will keine Landwirtschaft, die keine anderen Antworten kennt, als Geld in gescheiterte Systeme zu buttern, weil es eben immer schon so war. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

15.54


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Bundesminis­terin Köstinger. – Bitte.


15.54.42

Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus Elisabeth Köstinger: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete! Mit dem Budget, das wir heute diskutieren dürfen, decken wir nahezu alle Zukunftsbereiche, die für uns im ländlichen Raum, in den Regionen von ganz besonderer Bedeutung sind, ab. Das Erfreuliche am Budget für das Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus ist, dass es uns gelungen ist, eine Erhöhung von 595 Millionen Euro für diesen Zuständigkeitsbereich zustande zu bringen. Wir haben damit eine sehr solide und vor allem auch verlässliche Grundlage für die Absicherung der Land- und Forstwirtschaft, des gesamten ländlichen Raumes, des Tourismusbereiches, der Wasserwirtschaft, des Bergbaus, aber vor allem auch der Regionalpolitik, der Post-, Breitband- und Telekom­bereiche und des Zivildienstes geschaffen. Vor allem ist es uns aber auch gelungen, dass es zu keinen Kürzungen kommt, sodass wir in wichtige strategische Zukunfts­be­reiche investieren können.

Eine weitere sehr positive Nachricht: Mit dem Finanzrahmen 2021 bis 2024 werden für die Regionen in Summe 1,7 Milliarden Euro mehr zur Verfügung stehen. Die Steigerung im aktuellen Budget 2021 ist vor allem durch vier zentrale Maßnahmen zu erklären.


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Zum einen investieren wir ganz massiv in den Wald- und Forstbereich. Die Forstwirt­schaft ist für Österreich nicht nur, was den Umweltschutz, den Klimaschutz betrifft, ein erheblicher, wichtiger Faktor, sondern sie ist auch ein enorm wichtiger Wirtschaftsfaktor in unserem Land. Wir können im nächsten Jahr rund 158 Millionen Euro in zukunftsfitte Wälder investieren. Das ist zum einen eine sehr entscheidende, wichtige Konjunktur­maßnahme für den gesamten ländlichen Raum, es bietet zum anderen aber auch jenen Waldbauern eine Perspektive, die in den letzten Jahren von einem massiven Schädlings­befall durch den Borkenkäfer oder auch beispielsweise von Windwürfen, Starkregen­ereig­nissen oder späten Schneebrüchen betroffen waren. Der Wald ist die Klimaanlage in unserem Land, und diese Investition ist auch eine Investition in mehr Klimaschutz. Die Bäuerinnen und Bauern werden dazu ihren Beitrag leisten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Mehr Finanzmittel können wir auch für den Breitbandausbau bereitstellen. Es stehen 261 Millionen Euro zur Verfügung. Das sind die Lebensadern unserer Regionen. Ich glaube, gerade aktuell sehen wir wieder: Homeoffice gewinnt an zentraler Bedeutung, viele Schülerinnen und Schüler müssen durch Distancelearning dem Unterricht folgen können. Die Investition von 261 Millionen Euro in die Zukunft und damit einhergehend auch die Neuaufstellung der Breitbandförderung sind genau jetzt das richtige Signal. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir setzen auch eine eigentlich einzigartige Erfolgsgeschichte in ganz Europa fort, und das ist der Bereich der ländlichen Entwicklung. Das wird in vollem Umfang fortgesetzt. Insgesamt werden wir im nächsten Jahr für die ländliche Entwicklung und die Regio­nalpolitik 991 Millionen Euro zur Verfügung haben, bestehen wird das vor allem aus der Fortführung der Übergangsjahre, weil es zurzeit auf europäischer Ebene intensive Diskussionen um die Neuausrichtungen gibt.

Wir investieren auch in mehr Tierwohl. Das heißt, die Bäuerinnen und Bauern haben der Gesellschaft zugehört und merken natürlich, dass es eine größere Forderung gibt, mehr in Tierwohl zu investieren. Wir nehmen dafür 120 Millionen Euro pro Jahr in die Hand. Dann liegt es auch an der Gesellschaft, an den Konsumentinnen und Konsumenten, diese Produkte zu kaufen. Wir setzen dabei vor allem Maßnahmen in Richtung der pro­duzierenden Landwirtschaft. Alles, was wir in Österreich vorfinden, ist nicht selbst­verständlich. Ganz im Gegenteil: Es ist Teil von 365 Tagen harter Arbeit im Jahr, und all das wird sich auch in unseren Programmen wiederfinden.

Der vierte zentrale Punkt, der eine massive Aufwertung erfährt, ist die Siedlungs­was­serwirtschaft. Das ist für unsere Regionen, für unsere Gemeinden ein ganz wichtiger Bereich. Es geht um die Versorgung mit sauberem Wasser, um die nachhaltige Entsor­gung von Abwässern. Auch dafür erhöhen wir die Mittel in den nächsten Jahren um in Summe 35 Millionen Euro. Damit können wir auf der einen Seite bewährte Maßnahmen fortsetzen, auf der anderen Seite aber auch in wichtige Zukunftsbereiche investieren.

Unser Budget ist, wie das gesamte Themenspektrum des Ministeriums, sehr breit auf­gestellt und für die Regionen in diesem Land ein ganz entscheidendes, wichtiges Signal. Ein ganz wesentlicher Bereich ist der Schutz vor Naturgefahren: Hochwasser­schutz­maßnahmen und das enorm wichtige und erfolgreiche Lawinenschutzprogramm sind für die Zukunft abgesichert. Ebenso abgesichert wird die Weiterführung aller laufenden Tourismusprogramme. Die notwendigen Hilfsmaßnahmen, die wir aufgrund der Corona­krise in diesem Bereich brauchen, werden aus dem Covid-19-Krisenbewältigungsfonds zur Verfügung gestellt.

An dieser Stelle wirklich auch ein herzliches Dankeschön für die gute Zusammenarbeit mit dem Finanzministerium – dort sind wesentliche Weichen gestellt worden, damit wir die Tourismusbranche, die Gastronomie und vor allem auch die Veranstalter, die Kunst-


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und Kulturbranche in den nächsten Monaten maßgeblich unterstützen können. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Zuletzt darf ich noch zum Zivildienst kommen, der seit Jänner auch in unserer Ressort­zuständigkeit ist und vor allem auch mit Beginn der Coronakrise vor einer sehr großen Bewährungsprobe gestanden ist. Der Zivildienst ist aus unserer Sicht die ganz große, zentrale und wichtige strategische Reserve im Gesundheitsbereich. Auch da werden wir zur Unterstützung des Sozial- und Gesundheitssystems durch Zivildiener die Mittel weiter auf diesem Niveau halten. Wir werden vor allem im Bereich des Zivildiensts in die Zukunft denken. Wir haben also in den nächsten Monaten und Jahren durchaus einiges an Verbesserungen vor.

In Summe wird dieses höhere Budget dem ländlichen Raum in den verschiedensten Facetten zugutekommen. Wir hängen natürlich in vielen Bereich auch von der guten Zusammenarbeit mit den Bundesländern und vor allem auch mit den Lebenszellen unseres ländlichen Raums – den Gemeinden – ab. Wir investieren in die Regionen, das ist vor allem auch unsere budgetäre Antwort auf die Coronakrise.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich vielleicht zum Abschluss noch etwas zu den aufkeimenden Klassenkämpfen, die man in den letzten Tagen hier im Hohen Haus verfolgen konnte, sagen: Es ist meiner Meinung nach wirklich beschä­mend – und das macht mich auch wirklich wütend –, wie zum Teil versucht wird, Debat­ten auf dem Rücken der Bäuerinnen und Bauern auszutragen. Die Bäuerinnen und Bauern zeichnen 365 Tage im Jahr dafür verantwortlich, dass wir mit Lebensmitteln bester Qualität versorgt werden. Die Bäuerinnen und Bauern sind die Grundlage dafür, dass wir in Österreich dermaßen reines Wasser haben und der Tourismus so gut funk­tioniert, wie er funktioniert. Die Natur und all das, was erhalten und geschützt wird, ist die Leistung der Bäuerinnen und Bauern.

Dass wir im Sozialversicherungsbereich eine Debatte darüber führen, ob eine Entlastung der Mindestpensionsbezieherinnen und -bezieher im landwirtschaftlichen Bereich ge­recht­fertigt ist oder nicht, ist beschämend, macht wütend und ist vor allem einer Sozial­demokratie nicht würdig! – Vielen herzlichen Dank. (Anhaltender Beifall bei der ÖVP sowie Beifall bei Abgeordneten der Grünen.)

16.02


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Berlakovich. – Bitte.


16.02.42

Abgeordneter Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Herr Kollege Schmiedlechner, Sie stellen sich hierher und regen sich über Seminare auf, die wir veranstalten. Wissen Sie, was das für Seminare sind? – Das sind Seminare für Bäuerinnen, die keine Kinder haben, das sind Seminare für Bauern, die keine Nachfolger haben, die mit teilweise verschuldeten Betrieben dastehen und die wir als Kammer begleiten, damit sie alles richtig machen und nicht überbleiben – aus Verantwortung für die Bauern. Hätten Sie sich erkundigt, dann wüssten Sie, worum es geht! So nehmen wir Verantwortung wahr. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Zweiter Punkt: Sie stellen sich hierher und sagen, 160 000 Betriebe werden zerstört. Im Übrigen: Wenn man Ihnen zuhört, muss man als Bauer sowieso gleich aufhören. Sie verbreiten nur Frust und Not und Elend. Wissen Sie, warum die Betriebe aufhören? – Weil Leute wie Sie bei Aktionen mitstimmen, sodass die nicht mehr mitkönnen! Zuletzt die FPÖ: Glyphosatverbot – weg damit! Stalleinbrüche als Delikt darstellen – weg damit! Sie sind auch schuld daran, dass Bedingungen beschlossen werden, die den Bauern


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das Leben schwer machen. Also stellen Sie sich nicht hierher, um zu moralisieren! (Bei­fall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Schmiedlechner.)

Nein, das ist eine ernste Sache! Das ist doch eine ernste Sache. (Abg. Schmiedlechner: 160 000 ...!) Es ist in Wahrheit so – der Appell geht nämlich an das ganze Hohe Haus –: Wenn man die Auflagen für die Bauern immer höherschraubt, wird es schwieriger, zu arbeiten.

Folgendes – und jetzt komme ich zu dem Punkt, der den Bauern eine Perspektive bietet –: Die Coronakrise hat viele Diskussionen in der Gesellschaft ausgelöst, neben der Krankheitsbewältigung nämlich auch die Frage des Wertesystems. Welche Prioritä­ten gibt es? – Ein ganz starker Trend in Richtung Regionalität zeigt sich. Wir, der Bauern­bund, die ÖVP, haben uns seit Jahren darum bemüht, diese Regionalität in der Bevöl­kerung zu verankern. Danke an die Konsumentinnen und Konsumenten, die dabei auch mittun und regionale Lebensmittel kaufen. Dieser Trend hat sich ganz gewaltig verstärkt. Ich sehe die Regionalität auch als einen weiteren Begriff, wenn wir berechtigterweise in Europa darüber diskutieren, wie viele Medikamente wir am eigenen Kontinent haben, damit wir das Wohl der Bevölkerung sichern können. Bei den Lebensmitteln geht es auch genau darum. Wie können wir garantieren, dass es regionale Lebensmittel gibt? Die Bevölkerung greift danach. Das ist auch eine Chance für unsere bäuerliche Land­wirtschaft.

Frau Kollegin Doppelbauer, ich gebe Ihnen schon recht, dass die Diversifizierung der Punkt ist – wir tun das ja seit Jahrzehnten. Gerade unsere Landwirtschaft ist sehr breit aufgestellt, aber vergessen Sie nicht die große Masse der anderen Bauern, die Lebensmittel auch für die breite Masse der Bevölkerung produziert.

Das, was wir wollen, ist eine regionale Versorgung auch mit größeren Gütern wie Milch, Getreide, Fleisch und mit Spezialprodukten. Das ist wie in der Wirtschaft: In der Wirtschaft gibt es große Industriebetriebe und viele kleine, spezialisierte KMUs. So ist es auch in der Land- und Forstwirtschaft. Ich sage das nicht als Vorwurf, sondern ich meine: Dass man sich nur darauf konzentriert, wäre ein Fehler. Wir brauchen das Gleiche, weil wir in Österreich im Bereich der Selbstversorgung zurückfallen.

Wir hatten in den Neunzigerjahren beim Getreide 121 Prozent Selbstversorgung, jetzt haben wir 87 Prozent. Wir können uns nicht mehr selbst versorgen. Beim Gemüse hatten wir 73 Prozent Selbstversorgung, sind auf 44 Prozent runtergefallen, bei den Ölsaaten von 44 Prozent auf 29 Prozent (Abg. Schmiedlechner: Zugemacht!), weil die Auflagen immer höher werden und sich die Produktion nicht mehr rechnet, weil Sie auch Pflanzen­schutzmittel verbieten, wir dann aber die Lebensmittel von woanders importieren. Daher danke ich Bundesministerin Köstinger, dass sie sich gerade bei Mercosur so dagegen­stemmt, denn das ist der Todesstoß für die Regionalität, wenn da im Großen und Ganzen importiert wird. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Voglauer.)

Zu diesem Thema ließe sich noch vieles sagen. Ich wollte aber auch zur Regionalpolitik der Europäischen Union Stellung nehmen, die neben der Gemeinsamen Agrarpolitik eine Klammer für dieses gemeinsame Europa ist: schwachen Regionen in Europa zu helfen, damit sie an das Wirtschaftsniveau stärkerer Regionen herankommen. So wie bei der GAP, die von Ministerin Köstinger sehr gut verhandelt wurde – es gibt sehr gute Voraussetzungen für eine Einigung –, ist es auch bei der Regionalpolitik. Es gibt den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds. Auch die grenzüberschreitende Zusammenarbeit soll auf europäischer Ebene kontinuierlich wei­ter­geführt werden.

Gerade in der Postcoronazeit ist es sinnvoll, dass Finanzmittel verwendet werden, um in die regionale Wirtschaft und in die regionale Arbeitskräfteweiterbildung zu investieren. Diese Mittel sind auch für Österreich in Aussicht gestellt, Österreich nutzt sie auch sehr.


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Das verbessert unsere Nettozahlerposition und ist eine Chance, dass wir hoffentlich in der Zeit nach Corona der Wirtschaft, aber auch der Landwirtschaft eine gute Perspektive geben.

Abschließend: Ich schließe mich dem Appell von Elisabeth Köstinger an. Wissen Sie, Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ und andere, was der Schlüsselbegriff nach der Coronapandemie ist? – Gemeinsam. Wir können das nur gemeinsam schaffen, es hat keinen Sinn, die Gesellschaft zu spalten: Da arbeitet der Angestellte, da die Bauern, da die Wirtschaft – und gegeneinander. Nur gemeinsam können wir etwas voranbringen, und nicht, indem wir gegeneinander arbeiten. Das ist mein Appell an Sie! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

16.08


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Vorderwinkler. – Bitte.


16.08.06

Abgeordnete Petra Vorderwinkler (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minis­terin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseher! Schauen Sie mit mir kurz in die nähere Zukunft, in den Winter! Im Tourismus kommt mehr als die Hälfte des üblichen Jahresproduktionswertes aus dem Wintertourismus. Heuer schaut es da leider sehr traurig aus. Der österreichische Markt kann das – im Gegensatz zum Sommer – nicht aufholen: 80 Prozent der Gäste kommen aus dem Ausland. Diese Situation wird sich angesichts dieser Zahlen und der Reisebeschränkungen wahrscheinlich auch bis zum nächsten Frühjahr nicht ändern.

Die österreichischen Gäste können das nicht aufholen. Was bedeutet das? – Es be­deutet Verluste. Allein wegen des Zusammenbruchs des Wintertourismus wird es in Österreich noch massivere Wirtschaftsprobleme geben, und daher ist es notwendig, dass die öffentliche Hand noch mehr stützt, damit die Wirtschaft wieder angekurbelt wird und die Arbeitsplätze gesichert werden. In Ihren Plänen findet man aber sehr wenig dafür.

Die Tourismusbetriebe hingegen haben alles gemacht, was man ihnen vorgegeben hat, haben sich streng daran gehalten. Ich darf das jetzt rückblickend in kurzen Stichworten anführen: Betriebe werden zugesperrt, Betriebe dürfen Take-away-Speisen verkaufen. Dann wurden die Betriebe wieder geöffnet, die Lokale wurden umgerüstet, Gästezahlen und Sitzplätze reduziert, Sitzplätze statt Stehplätze geschaffen. Die Sperrstunde wurde vorverlegt, es gab eine angekündigte und gescheiterte Teststrategie, Abstandsregeln wurden strikt eingehalten. Es gab die Gästeregistrierung, wobei den Betrieben auch noch die Verantwortung für den Datenschutz auferlegt wurde, das Konzept Sichere Gastfreundschaft, Frau Ministerin, und trotzdem mussten die Betriebe schließen, obwohl sich nachweislich kein Gast in einem Betrieb infiziert hat.

Die Grundlagen sind nicht nachvollziehbar und die derzeitigen Regelungen auch nicht fair. Die Folgen sind Existenzängste, die Stimmung ist getrübt, die Betriebe haben das Vertrauen verloren. Es helfen auch keine Investitionszuckerln, denn die Betriebe wissen im Moment nicht einmal mehr, wie sie das Weihnachtsgeld an ihre Angestellten bezahlen sollen.

Es gibt auch kein Vorhaben, das eine Regelung vorsieht, um Betriebe in Würde sterben zu lassen. Wie wir wissen, entstehen bei der Auflösung enorm hohe Steuer­belas­tun­gen – auch dafür gibt es keine Hilfe. Ich hoffe sehr, dass alle Betroffenen, die im Stich gelassen wurden und durch Fehlentscheidungen unverschuldet in eine solche Lage gekommen sind, sich lange gut merken werden, wer das gemacht hat, denn Covid-19 wird die Karten neu mischen. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)


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Allem voran brauchen wir einen Plan – und ein Budget ist ein Plan –, in dem die Hilfen und die Unterstützungen abgebildet sind. Wir müssen von der Panikmache mit Hunder­ten Pressekonferenzen wegkommen, hin zu einem effektiven Management. Das wäre Leadership.

Sie als Tourismusministerin sind für Tausende Betriebe zuständig, die in Ihren Bereich fallen, und obwohl Sie für Fixkostenzuschuss und Umsatzersatz nicht zuständig sind, sind Sie dennoch dafür verantwortlich. Deshalb erwarte ich mir, stellvertretend für die Menschen draußen, eine dementsprechende Hilfe von Ihnen, um mittelfristige, maßge­schneiderte Unterstützung zu entwickeln und niemanden zu vergessen. Ich glaube nicht, dass Werbung, Imagekampagnen, Hygienevorschriften und Verhaltensregeln allein wirtschaftswirksame Maßnahmen sind.

Zum Fixkostenzuschuss Phase zwei möchte ich noch sagen, dass Finanzminister Blümel diesbezüglich durch sein Pokerspiel bei der EU viele Existenzen gefährdet hat. Morgen sollen wir ein Budget für 2021 beschließen, und es ist jetzt schon überholt. Fakt ist, dass derzeit zu wenig Geld im Tourismuskreislauf ist, so schnell auch keines kom­men kann und im Budget auch kein Geld für weitere Krisenbewältigungsmaßnahmen angedacht ist.

Laut dem von Ihnen formulierten Wirkungsziel soll eine Stärkung des österreichischen Tourismus stattfinden. Wie wir wissen, wird es aber drei bis fünf Jahre dauern, bis wir zu dem Zustand kommen, der vor Corona war. Wie Sie dieses Ziel erreichen wollen, wissen wir noch nicht. Genauso wissen wir auch nicht, wie es für die Betriebe im Tourismus nach dem 6. Dezember weitergehen soll. Auch diese Frage ist noch offen.

Zum Schluss möchte ich noch darauf hinweisen, dass Sie wieder eine Branche ver­gessen haben, und zwar die Reisebürobranche, die nicht berücksichtigt wird. Deshalb bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Maximilian Köllner, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Rettet die Reisebranche“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, diese stark betroffene Branche bei den Ent­schädigungen, insbesondere beim Umsatzkostenersatz, zu berücksichtigen.“

*****

Ich ersuche Sie, auch diese Branche zu bedenken, und bitte um eine breite Mehrheit. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Sehr tolle Rede!)

16.12

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Köllner Maximilian, Petra Vorderwinkler,

Genossinnen und Genossen

betreffend Rettet die Reisebranche


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 478

eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Budgetausschusses über TOP 11: Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2021 (Bundesfinanzgesetz 2021 - BFG 2021) samt Anlagen -UG 42

Die Covid-Pandemie hat die gesamte Tourismusbranche umfassend und nachhaltig getroffen. Vor allem ist auch die Reisebranche in einem existenzbedrohenden Ausmaß von der weltweiten Krise betroffen. Seit März 2020 verzeichnet diese Branche in Um­satzminus von rund 90%, wobei mit keiner schnellen Verbesserung der tristen Aus­gangssituation gerechnet werden kann.

Die Bundesregierung erklärte in unzähligen Pressekonferenzen Hilfestellungen zu leis­ten. Wir haben noch den Satz „Koste es was es wolle“ im Ohr. Allerdings ist gerade in der Reisebranche die versprochene Hilfe noch nicht angekommen.

Genauso wie die Gastronomie- und Tourismusbetriebe braucht die Reisebranche einen umfassenden Umsatzkostenersatz, denn nur mit ihm sind die schwerwiegenden Um­satzeinbrüche noch irgendwie zu meistern.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, diese stark betroffene Branche bei den Ent­schädigungen, insbesondere beim Umsatzkostenersatz, zu berücksichtigen.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, aus­reichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Voglauer. – Bitte.


16.13.10

Abgeordnete Dipl.-Ing. Olga Voglauer (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Spoštovana Visoka Hiša! Dragi poslušalci in poslušalke! Vor uns liegt ein Agrarbudget, das uns erstmals auch im Bereich der Bio­landwirtschaft Neuigkeiten bietet. Mit dem jetzigen Budget wird es möglich, jährlich in die Biolandwirtschaft einzusteigen, und ich glaube, das ist ein wesentlicher Erfolg und etwas Neues. Wir wollen das beibehalten, denn wir sehen gerade in der biologischen Landwirtschaft den Weg zur Erreichung der Klimaziele, denen wir uns in Österreich verschrieben haben.

Es ist November, und wenn man sich anschaut, was in diesem Jahr die Landwirtschaft oder die politische Landschaft in der Landwirtschaft geprägt hat und was sie auch noch stark prägen wird, dann sind das meiner Meinung nach drei wichtige Dinge: der Green Deal der Europäischen Kommission, die Farm-to-Fork-Strategie und die Biodiversitäts­strategie. Alle drei werden auch wesentlich Einfluss darauf nehmen, wohin sich Öster­reichs Landwirtschaft entwickeln wird.

Mit der Farm-to-Fork-Strategie haben wir erstmals den Punkt erreicht, bei dem wir vom Acker bis zum Teller nicht nur die Bäuerinnen und Bauern mitnehmen, sondern auch die Konsumentinnen und Konsumenten. Gemeinsam vergesellschaften wir damit eigentlich, dass das tägliche Lebensmittel nicht etwas ist, was irgendwo anonym produziert wird, sondern letztendlich auf dem Teller einen Namen, einen Ort und auch den Namen der


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 479

Bäuerin und des Bauern, die es produziert haben, bekommt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Bei aller Entwicklung werden wir auch in der Landwirtschaft nicht um die Erreichung der Klimaziele herumkommen. Erreichen wir diese Ziele nicht, wird es diese produzierende Landwirtschaft, wie wir sie oft nennen, in Österreich in der Form, wie sie jetzt stattfindet, nicht mehr geben. Es hilft nicht, den Kopf in den Sand zu stecken und weiterzumachen wie bisher, weil das nicht mehr möglich sein wird. Gerade Bäuerinnen und Bauern erleben tagtäglich im Sommer, im Winter, im Herbst und im Frühjahr auf ihren Feldern, was es heißt, wenn das Wetter seine Kapriolen schlägt.

Es muss uns also bewusst werden, dass es eine Landwirtschaft braucht, die unseren Boden schützt, die die Fruchtbarkeit erhält, die vor Erosion schützt und die sich letzt­endlich einer ethischen Tierhaltung verschrieben hat.

Die Zukunft der Landwirtschaft ist dort zu finden, wo Konsumentinnen und Konsumenten wissen, dass es nicht egal ist, zu welchem Produkt im Regal sie greifen. Es ist zu wenig, zu sagen, der Markt werde das schon selber richten. Da haben auch wir in der Politik noch einige Aufgaben vor uns. Es braucht unserer Meinung nach ein klares Bekenntnis dazu, dass sich die Ernährungsgewohnheiten der Menschen nun einfach auch ändern. Dem muss deshalb auch die Landwirtschaft folgen können. Dazu braucht es gezielte Förderungen und letztendlich auch ein Bewusstsein dafür, dass der kostbare Boden, der hochwertige Lebensmittel hervorbringt, auch mit dem Boden, der hochwertige Futter­mittel liefert, in Balance sein muss und die tierische Produktion hintanzustellen ist.

Die Zukunft liegt also dort, wo KonsumentInnen sowie Bäuerinnen und Bauern auf einen gemeinsamen Weg kommen, wo Transparenz im Vordergrund steht und letztendlich eine Landwirtschaft vorherrscht, die das Klima schützt und nicht nur klimafit ist. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.16


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Hauser. – Bitte.


16.16.55

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Frau Minister! Hohes Haus! Zur Landwirtschaft: Ich sage immer, die Zahlen lügen nicht. Wenn man sich den Grünen Bericht 2019 anschaut und feststellt, dass das durchschnittliche Ein­kom­men der Bauern im Jahr 2019 bei 27 966 Euro und im Jahr 2018 bei 28 035 Euro lag – also gab es 2019 sogar ein leichtes Minus –, dann weiß man, dass da ein Klassenkampf total fehl am Platz ist, weil die Einkommen für einen Bauernhof in Summe bescheiden sind. Wenn wir uns anschauen, dass die Bergbauern im Durchschnitt sogar noch 19 Prozent unter diesem durchschnittlichen Einkommen liegen, wissen wir, dass die Berglandwirtschaft, der ländliche Raum, natürlich unsere Unterstützung benötigt.

Geschätzte Kollegen von der ÖVP! Geschätzter Kollege Berlakovich, dein Angriff auf Kollegen Schmiedlechner war wirklich bei Weitem überzogen. Gerade ihr wisst, dass wir hinter der Berglandwirtschaft, hinter den bäuerlichen Betrieben und Familien stehen. (Zwischenrufe der Abgeordneten Berlakovich und Schmuckenschlager.) Natürlich kann man unterschiedliche Zugänge haben – das ist ja normal, wir sind nicht eine Partei –, aber eines muss sein, und das haben wir immer klar signalisiert: Wir stehen hinter der Landwirtschaft, wir stehen hinter der Berglandwirtschaft, wir stehen hinter den bäuerlichen Betrieben, und das machen wir aus Überzeugung und mit Herz. Nehmt das bitte schön zur Kenntnis! (Beifall bei der FPÖ.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 480

Ein letztes Wort: Beim Thema Glyphosat kann man durchaus unterschiedlicher Meinung sein. Das ist auch krebserregend, da kann man unterschiedliche Zugänge haben. Unsere Position ist, Glyphosat zu verbieten. Das muss in der Demokratie möglich sein, auch dazu stehen wir, Kollege Berlakovich.

Zum Tourismus: Der Tourismus ist für den ländlichen Raum vollkommen unverzichtbar. Auch das in aller Kürze: Wir müssen schauen, dass wir den Tourismus und unsere Betriebe so rasch wie möglich wieder zum Arbeiten bringen. Das ist die einzige Möglichkeit. Unsere Tourismusbetriebe sind nicht die Infektionstreiber, sie haben tolle Sicherheitskonzepte erstellt, und die Statistik sagt, dass maximal 2 bis 4 Prozent aller Infektionen aus dieser Branche stammen. Wir machen also alles richtig.

Ich darf hier vom Rednerpult aus ein Riesenkompliment in Richtung unserer Touris­muswirtschaft, der Gastronomie, der Hotellerie, der privaten Vermieter aussprechen, die den Sommer, trotz schwierigster Rahmenbedingungen, mit Bravour gemeistert haben. Was die Tourismuswirtschaft jetzt braucht, ist Planungssicherheit. Sie muss wissen, wann sie wieder aufsperren darf – man muss ja Mitarbeiter einstellen, man muss Marketing machen, man muss sich mit Waren eindecken, man muss sich für den Winter vorbereiten. Das kann man nicht tun, wenn die Voraussetzungen nicht gegeben sind.

Ein Wort zur Kurzarbeit: Auch dieses Instrument greift jetzt in der Krise zu kurz, denn um Anspruch auf Kurzarbeit zu haben, muss der Mitarbeiter einen Monat lang angestellt sein. Wie soll denn das in dieser krisenhaften Situation funktionieren? Dieser Monat gehört weg! Man muss die Kurzarbeit für die Tourismusbetriebe sofort öffnen, sonst müssten die Betriebe die Mitarbeiter von Mitte Dezember bis Ende Jänner voll durch­bezahlen und können erst danach die Kurzarbeit beanspruchen! Ich kann noch so viele öffentliche Mittel in ein Fass ohne Boden hineinschütten, wenn ich die wirtschaftlichen Voraussetzungen nicht schaffe, bringt es nichts. Auch das ist also zu ändern.

Geschätzte Frau Minister, mir tut es ja fast schon leid, wenn man auch immer wieder nachbessern muss. Es gibt viele Aktionen, es gibt viele, die sofort greifen – so war, wie ich schon gesagt habe, die Reduktion der Mehrwertsteuer eine tolle Geschichte –, aber es gibt auch viele Programme, bei deren Planung wichtige Zielgruppen einfach verges­sen wurden. Das passiert immer wieder. (Der Redner stellt eine Tafel mit  der Überschrift „Fixkostenzuschuss – Antrag entspricht nicht den geforderten Kriterien“ auf das Redner­pult.)

Gestern habe ich mich mit den Privatvermietern beschäftigt, heute geht es mit den kleinen Gewerbebetrieben weiter. Nur ein Beispiel: Ein kleiner Gewerbebetrieb – vier Wohnungen, 29 Gäste, das ist ein Gewerbebetrieb. Er zahlt die Pflichtbeiträge, zahlt die Tourismusabgaben, zahlt seine Steuern, bekommt aber den Fixkostenzuschuss und den Umsatzersatz nicht. Das kann es doch nicht sein! Und wieso geht das nicht? – Weil man in der Verordnung für den Anspruch auf Fixkosten- und Umsatzersatz einfach vergessen hat, den § 28 Einkommensteuergesetz hineinzuschreiben. Das sind all jene Betriebe, die steuerrechtlich ihren Gewinn gemäß Vermietung und Verpachtung ermitteln, es sind aber trotzdem Gewerbebetriebe.

Deswegen stellen wir heute hier den Antrag – ich habe auch schon im Ausschuss erwähnt, dass wir das bitte ändern müssen –, in dem wir fordern, die entsprechende Verordnung dahin gehend zu ändern, dass natürlich alle Gewerbebetriebe um den Fix­kostenersatz ansuchen können und den Umsatzersatz bekommen.

Ich bringe daher folgenden Entschließungsantrag ein:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 481

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Gewer­betreibenden helfen – Schikanen beim Fixkostenzuschuss und Umsatzersatz beenden“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, umgehend sicherzustellen, dass bei der Fest­stellung des Vorliegens eines begünstigten Unternehmens als Voraussetzung für einen Antrag auf Fixkostenzuschuss bzw. Umsatzersatz nicht nur auf eine bestimmte Ein­kunftsart sondern alternativ auf das Vorliegen einer entsprechenden Gewerbeberech­ti­gung abgestellt wird.“

*****

Das heißt, alle Gewerbebetriebe müssen den Anspruch auf Fixkostenersatz und Um­satzersatz erhalten. Stellen Sie bitte auch das klar, Frau Minister! – Ich bedanke mich. (Beifall bei der FPÖ.)

16.22

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Mag. Gerald Hauser

und weiterer Abgeordneter

betreffend Gewerbetreibenden helfen - Schikanen beim Fixkostenzuschuss und Um­satzersatz beenden 

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 11: Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (449 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvor­an­schlages für das Jahr 2021 (Bundesfinanzgesetz 2021 – BFG 2021) samt Anlagen (380 d.B.) – UG 42 Landwirtschaft, Regionen und Tourismus

in der 62. Sitzung des Nationalrates am 18. November 2020

Laut homepage des Finanzministeriums soll der Fixkostenzuschuss insbesondere „zur Erhaltung der Zahlungsfähigkeit und Überbrückung von Liquiditätsschwierigkeiten von Unternehmen im Zusammenhang mit der Ausbreitung von COVID-19 und den dadurch verursachten wirtschaftlichen Auswirkungen“ dienen.

Begünstigte Unternehmen sind entsprechend der Richtlinien über die Gewährung von Zuschüssen zur Deckung von Fixkosten durch die COVID-19 Finanzierungsagentur des Bundes GmbH (COFAG) Unternehmen, bei denen nachstehende Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind:

• Das Unternehmen hat seinen Sitz oder eine Betriebsstätte in Österreich;

• Das Unternehmen übt eine operative Tätigkeit in Österreich aus, die zu Einkünften gemäß §§ 21, 22 oder 23 des Einkommensteuergesetzes 1988, BGBl. Nr. 400/1988 (EStG 1988), führt.

Die oben angeführten §§ des Einkommensteuergesetzes normieren betriebliche Ein­künfte aus Land- und Forstwirtschaft, selbständiger Arbeit sowie aus Gewerbebetrieb.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 482

Diese Regelung bzw. die Auslegung derselben führt nun in der Praxis zu völlig absurden und unverständlichen Härtefällen, wie anhand des nachfolgenden Beispiels drastisch vor Augen geführt wird:

Eine Gewerbetreibende mit einem Appartementhaus mit vier Appartements mit bis zu 29 Betten fällt nicht unter die Einkunftsart: „Gewerbebetrieb“ gemäß § 23 EStG und erfüllt damit nicht die o.a. Voraussetzungen, um einen Fixkostenzuschuss zu erhalten.

Die eigenartig anmutende Begründung dafür:

Die Voraussetzung für Einkünfte aus Gewerbebetrieb liegt erst ab einer Anzahl von fünf Appartements vor, darunter sind die entsprechenden Einkünfte solche aus „Vermietung und Verpachtung“ gemäß § 28 EStG.

„Ich bin seit 2007 Mitglied der Wirtschaftskammer, habe einen gültigen Gewerbeschein, bin bei der SVA versichert, zahle alle Beiträge die für einen gewerblichen Betrieb anfallen, (Steuern, Tourismusabgabe, AKM, …. ) habe aber auf Grund der Tatsache, dass ich steuerrechtlich unter Vermietung und Verpachtung falle, keinen Anspruch auf einen Fixkostenzuschuss,“ bringt die Betroffene ihr Unverständnis und ihren Unmut zum Ausdruck.

Diese völlig absurde Regelung bzw. Auslegung der entsprechenden Richtlinie führen zu teils existenzbedrohenden Situationen bei den betroffenen Gewerbetreibenden, die völlig unschuldig in diese Lage versetzt wurden und nun um den dringend benötigten Fixkostenzuschuss umfallen.

Dazu kommt, dass aufgrund eben dargelegter Beschränkung des Begünstigtenkreises auf bestimmte Einkunftsarten beim Fixkostenzuschuss die Betroffenen nun auch um die Möglichkeit der Beantragung eines Umsatzersatzes umfallen.

Aus Sicht der unterfertigten Abgeordneten ist diese Vorgangsweise ein weiteres Beispiel für die verantwortungslose „Krisenpolitik“ dieser Bundesregierung und ein Schlag ins Gesicht all jener Unternehmen, die auf das Bekenntnis des Bundeskanzlers „Koste es, was es wolle“ vertraut haben und nun in diesen schwierigen Zeiten weiterhin auf Hilfen warten müssen.

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, umgehend sicherzustellen, dass bei der Fest­stellung des Vorliegens eines begünstigten Unternehmens als Voraussetzung für einen Antrag auf Fixkostenzuschuss bzw. Umsatzersatz nicht nur auf eine bestimmte Ein­kunftsart sondern alternativ auf das Vorliegen einer entsprechenden Gewerbe­berech­tigung abgestellt wird.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, aus­reichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

*****

Wir haben uns jetzt das Stenographische Protokoll der jeweiligen tatsächlichen Berich­tigungen kommen lassen, weil wir nicht wussten, wer apostrophiert wurde. Es war richtig,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 483

die tatsächliche Berichtigung, die Kollege Prinz gemacht hat, ist nicht korrekt, die hätte Abgeordneter Strasser als Erwiderung machen können, weil er persönlich apostrophiert wäre. Daher wird diese Redezeit von jener des ÖVP-Klubs abgezogen.

*****

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schmidhofer. – Bitte.


16.23.35

Abgeordneter Karl Schmidhofer (ÖVP): Herr Nationalratspräsident! Frau Bundes­ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte ZuseherInnen zu Hause! Zurück zum Thema: Lieber Kollege Schmiedlechner, das ist kein hinnehmbares Wording: Hin­richtung der Gastronomie und der Hotellerie. Lassen wir uns nicht auseinander­divi­dieren! (Zwischenruf des Abg. Schmiedlechner.) Wir gehören in den Regionen zusam­men – die Landwirtschaft, der Tourismus. Wir brauchen uns gegenseitig, wir brauchen die gesunden regionalen Lebensmittel, wir brauchen die Wanderwege, wir brauchen die Skipisten, wir brauchen für das Tourengehen, für das Radfahren jeden Tag unsere Bäuerinnen und Bauern, damit der Tourismus draußen in den Regionen so möglich ist. Zündeln Sie nicht, sondern kämpfen Sie für die Sache! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Frau Vorderwinkler, angesichts Ihrer Ausführungen frage ich mich: Haben Sie im Aus­schuss geschlafen? Wissen Sie denn nicht, was wir alles an Hilfsmaßnahmen für den Tourismus beschlossen haben? Ich darf nur aufzählen, dass wir die Haftungsüber­nah­men gerade erhöht haben – nämlich von 375 Millionen Euro auf 625 Millionen Euro –, dass wir das Wirtepaket mit der Mehrwertsteuersenkung gemacht haben, den Lehrlings­bonus – 3 000 Euro für einen Lehrling. Weiters haben wir die Investitionsprämien eingeführt – 7 Prozent bis 14 Prozent –, für die Sichere Gastfreundschaft haben wir 100 Millionen für Testungen zur Verfügung gestellt, und der Umsatzersatz in der Höhe von 80 Prozent ist eine Soforthilfe, die ihresgleichen sucht. (Zwischenruf des Abg. Loacker.)

Jetzt habe ich schnell nachgeschaut, zu welcher Berufsgruppe Sie gehören. Ich will Ihnen nichts nachsagen, aber ich habe fast vermutet, dass Sie berufsfremd sind. Sie haben keine Ahnung von dem Geschäft! (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.) Sie als Volksschuldirektorin kommen von ganz woanders, und ich muss bekräftigen: Schauen Sie genau, was da getan wird, und melden Sie sich erst dann zu Wort! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Kollross.)

Nun zum Budget: Frau Bundesministerin, vielen Dank dafür, dass wir die Budgetsum­men so halten können. (Ruf bei der SPÖ: Danke!) Wir werden für Tourismusförderungen für mittlere und kleine Betriebe wieder sehr viel zur Verfügung haben, für die Österreich-Werbung, die ja ganz wichtig ist und unter anderem auch für den heurigen Sommer­betrieb ganz wichtig war. Wir haben in einigen Regionen doch die Sommersaison gut retten können, weil wir die richtigen Maßnahmen gesetzt haben. Wir haben vielen Familienbetrieben helfen und damit auch Arbeitsplätze und Wirtschaftskraft in den Regionen sichern können. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP. – Ruf bei der SPÖ: Danke!)

Letztlich darf ich auch noch die Bitte an Sie richten, Frau Ministerin, weiterhin dran­zubleiben. Ich weiß, dass Sie bezüglich der Reisewarnungen mit den wichtigsten Her­kunftsländern unserer Touristen, die gerne bei uns zu Gast sind – mit Deutschland und vielen anderen –, in Verbindung sind. Wir müssen schauen, dass unsere Gäste ehest­möglich, wenn es die Zahlen zulassen, wieder einreisen und bei uns konsumieren dürfen. Das ist natürlich die größte Hilfe.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 484

Sepp Schellhorn, danke dir dafür, dass du diesen 80-Prozent-Umsatzersatz mitgelobt hast, obwohl du einer anderen Fraktion angehörst. Ich glaube, das braucht das Parla­ment: dass wir gemeinsam im Schulterschluss, ohne Klassenkämpfe für die Tourismus­wirtschaft arbeiten. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP. – Ruf bei der SPÖ: Danke, Kollege Schellhorn!)

16.27


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schellhorn. – Bitte.


16.27.06

Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Herr Präsident! Geschätzte Frau Minister! Um bei Kollegen Schmidhofer anzuknüpfen: Ja, ich habe mich positiv dazu geäußert und gesagt, dass das sehr schnell gegangen ist. Das habe ich schon mehrmals gesagt. Ich stehe auch nicht an, der Frau Minister dafür Lob auszusprechen und Danke dafür zu sagen, dass sie sich in der letzten Zeit für den Tourismus sehr eingesetzt hat. (Beifall bei NEOS und ÖVP sowie bei Abgeordneten der Grünen.)

Der Druck in diesem Bereich war groß, der Druck ist aber auch noch groß. Wenn es um das Budget geht, dann geht es meistens nicht nur um Planung, sondern auch um Liquidität. Daher habe ich folgende Bitte – das hat ja auch Kollege Schmidhofer gesagt –: Ja, es ist jetzt passiert, im November. Es ist notwendig, die Infektionszahlen nach unten zu drücken, auch damit die Reisewarnungen wegkommen, und diese Reisewarnungen bestehen ja laut Auskunft des deutschen Botschafters nach wie vor bis 30.3. Das heißt, dass in dieser Zeit die Quarantänepflicht bei Rückreise nach wie vor aufrecht ist. Wir müssen erreichen, dass das abgeschafft wird.

Worum aber geht es? – Ich glaube, wir sind mit Ihnen, Frau Minister, und mit Herrn Finanzminister Blümel einer Meinung, dass es diesen 80-prozentigen Kostenersatz im Dezember und im Jänner nicht mehr geben wird, weil er das Budget sprengen würde. Bedenken wir auch, dass der Dezember für die Stadthotellerie, und zwar vor allem für Wien, der umsatzstärkste Monat ist – für uns in den Ferienregionen noch nicht.

Was ich meine, ist, dass wir jetzt Planbarkeit brauchen. Daher würde ich Sie darum bitten, im Interesse des Tourismus vorzuarbeiten und vielleicht beihilfenrechtlich von den 800 000 Euro als maximale Obergrenze wegzugehen, vielleicht auch vorzuarbeiten bezüglich des Artikels 107 Abs. 2 lit. b, was den Katastrophenparagraphen betrifft, nämlich die Verlustkompensation. Das wird es sein, was uns im Wintertourismus treffen wird, das wird es sein, was uns beschäftigen wird. Ich glaube nicht, dass das nach einem langsamen Wiederhinauffahren, wie es Bundeskanzler Kurz gesagt hat, im Dezember vorbei sein wird. Es wird uns nicht viel nützen, wenn wir im Dezember die Cafés bis 18 Uhr geöffnet lassen und dann wieder vor der Wahl stehen: Öffnen wir, oder schließen wir Ende Jänner wieder? Wir brauchen klare Ansagen und den Mut, das auch sagen zu können. Ich stelle zur Diskussion – ich fordere es nicht, aber ich stelle es zur Dis­kussion –, ob wir nicht darüber beraten sollten, wenn die Infektionszahlen nicht ent­sprechend sinken, zumindest den halben Jänner, den Februar und den März zu retten. Das ist betriebswirtschaftlich noch immer besser, als das zu vergeigen, nur weil man Weihnachten und Silvester retten will. Das könnte man diskutieren.

Frau Minister, vielleicht darf ich auch noch eine Anregung aussprechen: Es ist jetzt auch eine Chance für 2021, wirklich näher zusammenzuwachsen und die regionale Entwick­lung, Tourismus und Landwirtschaft gemeinsam zu sehen – nicht mit Vorschreibungen betreffend Kennzeichnungspflichten auf den österreichischen Speisekarten, sondern damit, wie wir das gemeinsam vernetzen und bewerben können. Das wäre ein Wunsch. Da vermisse ich etwas in der Budgetierung, auch in der gesamten Ausrichtung betreffend


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ÖW und vor allem die gemeinsame Bewerbung landwirtschaftlicher Produkte. Da könnte man an einer Gesamtstrategie arbeiten.

Es sind fünf Punkte: Es braucht die klare Ansage, wie es weitergeht, vor allem, weil der Tourismus nach wie vor gebeutelt ist. Nicht nur der Städtetourismus ist nach wie vor gebeutelt, sondern dem Wintertourismus blüht genau das gleiche Schicksal wie dem Städtetourismus, nämlich minus 70 Prozent.

Wir werden über den 80-prozentigen Umsatzersatz weiter diskutieren müssen, da er das Budget sprengt, aber das wirklich Dramatische ist, dass es den Betrieben an Liquidität fehlt, und sie brauchen vor allem auch kapitalstärkende Maßnahmen. Sie brauchen aber eventuell auch die Möglichkeit einer Strukturbereinigung – des Schließens, des Sanie­rens oder beides. Das heißt, wir haben auch da ein massives Nachfolgeproblem. Wir könnten steuerliche Anreize setzen, sodass eine gewisse Überkapazität, die schon in den vergangenen Jahren vorgeherrscht hat, weiter bereinigt werden kann – Betriebe, die eigentlich nur mehr am Leben gehalten und nicht geschlossen werden, weil sie einen geringen Buchwert haben und der Verkaufswert viel höher wäre.

Summa summarum braucht es klare Konzepte. Ich biete auch dabei unsere Zusam­menarbeit an. Wir müssen das jetzt nämlich angehen, damit es im Frühjahr oder Som­mer 2021 nicht vor allem im Tourismus die faulen Kredite gibt. Darüber würde ich mich sehr freuen. (Beifall bei den NEOS.)

16.33


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Neßler. – Bitte.


16.33.08

Abgeordnete Barbara Neßler (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Geschätzte Ministerin! Für viele Tourismusbetriebe ist die derzeitige Situation wirklich alles andere als einfach. Es ist mir vollkommen bewusst, dass wir die größtmögliche Anstrengung unternehmen müssen, um den Betrieben eine Zukunftsperspektive zu bieten, soweit es uns in Anbetracht der Covid-Krise möglich ist.

Was es über das Krisenmanagement, das jetzt schon mehrfach angesprochen und aus­geführt wurde, hinaus jetzt braucht, sind im Großen und Ganzen drei Punkte: Erstens braucht es kurzfristige und schnelle Hilfe, um die Betriebe, um die Arbeitsplätze zu sichern. Zweitens müssen die – ich nenne es jetzt einmal so – Vorerkrankungen der Betriebe angegangen werden, und drittens müssen wir die Krise nützen, um die Weichen zu stellen, um einen krisenfesten und zukunftsfitten Tourismus anzugehen.

Zur kurzfristigen Absicherung: Wir haben für die Branche zahlreiche Maßnahmen er­stellt, beispielsweise – das ist schon angeführt worden – den Fixkostenzuschuss Phase eins und zwei, das Kreditmoratorium, den Verlustrücktrag, die Kurzarbeit, den Umsatz­ersatz von 80 Prozent. Wenn es noch weitere Maßnahmen braucht, wie Herr Schellhorn angeführt hat, dann werden wir auch weitere Maßnahmen schaffen, denn wir dürfen nicht vergessen, dass der Tourismus nicht nur einer der größten Arbeitgeber ist, sondern dass noch eine ganze touristische Wertschöpfungskette – vom Bäcker vor Ort über die Bergführerin bis hin zur Tischlerin – daran hängt.

Es wird aber über das aktuelle Krisenmanagement hinaus noch mehr brauchen, denn spätestens jetzt merken wir, auf welch wackligen Beinen unser Tourismus steht. Allein wenn man die negative Eigenkapitalquote der Betriebe sieht, weiß man, dass wir die Tourismuswirtschaft langfristig auf sichere Beine stellen müssen.

Ich habe schon öfters betont, dass der enorme Konkurrenzdruck und der Investitions­druck in der Branche mit dem Konzentrationsprozess dazu führen können, dass einfach


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nur wenige davon profitieren, aber viele darunter leiden oder verlieren. Das ist nicht nur unter einem ökonomischen, sondern auch unter einem ökologischen Aspekt wenig gewinnbringend.

Wir müssen jetzt darüber sprechen, in welche Richtung sich unser Tourismus entwickelt, in welche Richtung er sich entwickeln soll. Die Covid-Krise wird nicht die letzte Heraus­forderung für unseren Tourismus sein – Stichwort: Gerade im Hinblick auf den Winter­tourismus – das wurde schon angesprochen, und ich schaue über diese Saison hinaus –, gibt es die Klimakrise. Die Krise ist wie ein Vergrößerungsglas, das bestehende Prob­leme radikal aufdeckt. Bestehende Probleme können nicht gelöst werden, indem wir sie ignorieren, sondern wir müssen sie angehen und im Prinzip heute schon an den Touris­mus von morgen denken.

Zu Ihnen, geschätzter Kollege Hörl – der zwar gerade telefoniert, aber trotzdem –: Wir werden nicht umhinkommen, dass wir im Tourismus eine Veränderung einleiten. Das hat nichts mit Hetze zu tun, sondern das ist dringend notwendig. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir müssen den Tourismus krisen- und klimafest anlegen. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Keine Angst, Herr Hörl, es geht jetzt nicht darum, dass wir alle öko werden. Es geht darum, dass wir unsere Geschäftsgrundlage nicht kaputt machen, denn die Natur ist das Kapital des Tourismus. Es geht darum, mit grünen Ideen schwarze Zahlen zu schreiben. (Beifall bei Grünen und ÖVP. Zwischenruf des Abg. Weidinger.)

Für uns heißt das, dass wir die Förderstruktur in dem Sinne ändern müssen, dass kleinbetriebliche, oft familiär geführte Betriebe, die schon in Richtung sozial nachhaltigen Tourismus gehen, besser unterstützt werden, dass wir Fairness in der Branche schaffen, dass wir schauen, dass die kleineren Betriebe nicht unter Investitionsdruck kommen und durch den Wachstumszwang verlieren, sondern dass wir in der Branche wirklich Fairness schaffen und vor allem kleinere, klein strukturierte, familiär geführte Betriebe unterstützen.

Genauso müssen wir am Anfang etwas ändern, wenn wir uns anschauen, wie die Erfolge im Tourismus überhaupt gemessen werden. Im Moment beschränken wir uns nur auf die Nächtigungszahlen, die sagen aber weder etwas über die Qualität noch über sonst irgendetwas aus. Wir müssen uns anschauen, welche Indikatoren es zur Erfolgs­mes­sung braucht. Es geht um die Fragen: Wie viel Wertschöpfung bleibt in der Region? Wie schaut es mit den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen im Tourismus aus? Wie zufrieden sind die Gäste, wie lange sind unsere Gäste da?, und so weiter.

Da jetzt die Redezeit abläuft, sage ich nur noch: Nützen wir die Zeit, den Tourismus krisen- und zukunftsfest zu machen, denn krisenanfällige Wachstumskonzepte sind – im wahrsten Sinne des Wortes – Schnee von gestern. Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP. Abg. Leichtfried: Da schaut der Kollege Hörl!)

16.38


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Herr. – Bitte.


16.39.01

Abgeordnete Julia Elisabeth Herr (SPÖ): Sehr geehrtes Hohes Haus! Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Das Budget für die Landwirtschaft steigt, und ein Grund dafür ist auch der Waldfonds im Ausmaß von 350 Millionen Euro.

Prinzipiell gilt: Die Klimakrise trifft natürlich auch unsere Wälder mit verheerenden Auswirkungen, seien es gewisse Baumarten, die aufgrund des heißen Sommers einfach nicht mehr wachsen, oder Schädlinge wie etwa der Borkenkäfer. Unsere Wälder sind


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betroffen, das ist klar, aber sie sind gleichzeitig natürlich auch Teil der Lösung. (Beifall bei der SPÖ.) Ja, da kann man auch klatschen.

Bäume sind großartig, Bäume binden nämlich das CO2, das wir ausstoßen, und helfen uns damit, unsere Emissionen zu reduzieren. Deshalb haben auch wir mehr Budget für unsere Wälder gefordert, um diese klimafit zu machen und auch die Betroffenen zu entschädigen.

Wie viel Umweltschutz mit diesen 350 Millionen Euro aber tatsächlich passiert, wissen wir nicht. Wie viel CO2 Sie mit diesen 350 Millionen Euro einsparen, Frau Ministerin, wissen Sie nicht. Es gibt nämlich keine Wirkungsfolgenabschätzung. Sie verteilen die Gelder nämlich ganz unabhängig von den tatsächlichen CO2-Reduktionszahlen. Und, Frau Ministerin: Es warat 2020, wegen der Klimakrise waratʼs – das sei an dieser Stelle angemerkt. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber gut – nach welchen Kriterien wird jetzt tatsächlich aufgeteilt oder teilen Sie tat­sächlich auf? Sie sind ja ermächtigt, das quasi per Richtlinie selbst vorzunehmen, es ist Ihr Körberlgeld, das Sie verteilen können. Wie das genau erfolgt, wissen wir immer noch nicht. Diese Richtlinien gibt es nämlich noch nicht, obwohl wir das Gesetz vor circa einem halben Jahr beschlossen haben. Das ist deshalb verwunderlich, denn: Wissen Sie noch, wie stressig das im Frühjahr war? Damals haben Sie das Gesetz ohne Diskussion, ohne Begutachtungsphase, ohne dass wir im Ausschuss lange darüber diskutiert haben, eingebracht. Da war es extrem stressig, da haben Sie erklärt, dass das aufgrund von Corona unbedingt schnell passieren muss. Ein halbes Jahr später gibt es die Richtlinien noch nicht – aha, okay! (Zwischenruf des Abg. Vogl.)

Der Punkt ist aber folgender: Der Waldbesitz in Österreich ist leider wie so vieles extrem ungleich verteilt. Wir haben auf der einen Seite viele Menschen, die jeweils ein kleines Stück Wald besitzen, vielleicht geerbt haben, wir haben aber auf der anderen Seite sehr wenige, die sehr, sehr, sehr viel Grund besitzen. (Ruf: Die Bundesforste!) Der Verdacht, dass es sich dabei um Klientelpolitik handelt, die Sie während der Coronakrise geschickt genutzt haben, um Ihren Freunden unter den Großgrundbesitzern und -besitzerinnen Geld und Budget zukommen zu lassen, liegt nahe.

Deshalb komme ich auch schon zum Abschluss und sage nur mehr: Stimmen Sie doch bitte unserem Antrag für eine degressive Verteilung, damit die Kleinen unterstützt wer­den, zu! Nehmen Sie uns die Zweifel, dass es sich dabei um Klientelpolitik handelt, und nehmen Sie uns auch die Zweifel, dass dabei schon wieder einmal einige wenige Privi­legierte abcashen sollen! Der Antrag meiner Kollegin Ecker wäre doch eine gute Idee. (Beifall bei der SPÖ.)

Ganz zum Schluss: Es freut mich, dass Kollege Berlakovich – er hat zwar jetzt die FPÖ kritisiert, weil sie bei Beschlüssen wie jenem zum Glyphosatverbot mitgeht – anerkennt, dass wir hier im Haus schon zweimal einen Beschluss für das Glyphosatverbot gefasst haben. Ich hoffe, es folgt dann irgendwann die Umsetzung. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Leichtfried.)

16.42


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Obernosterer. – Bitte.


16.42.51

Abgeordneter Gabriel Obernosterer (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren zu Hause vor den Bildschirmen! Noch einmal kurz zurück zum Tourismus: Wir haben gehört, was von der Regierung alles verlangt wird, und wir kennen alle Maßnahmen dieser Regierung, die unsere Frau Bundesministerin für Tourismus mit der Regierung ausverhandelt hat


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und die es der Tourismusbranche ermöglichen, diese Krise halbwegs stabil zu über­stehen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Jetzt sage ich euch etwas als Tourismussprecher: Wisst ihr, was dem Tourismus am meisten hilft? – Dass es endlich wieder eine Einigung darüber gibt, wie wir die Zahlen herunterbringen. Und die ist so einfach: Wisst ihr, wie sie heißt? – Hände waschen, Ab­stand halten, Mund-Nasen-Schutz tragen.

Ich sage euch: Die Bevölkerung draußen verhält sich sehr nach uns und nach dem, was die einzelnen Fraktionen hier machen. Schauen wir, was die SPÖ zu diesem Thema macht! Sie ist nicht immer dagegen, sie ist nicht immer dafür, aber dann wird zum Beispiel gesagt: Wenn Menschen nicht um Paradeiser streiten und sich anbrüllen, brauchen wir beim Einkaufen keine Masken. – Da geben wir sie halt herunter, und sonst geben wir sie wieder hinauf.

Zum Beispiel hat der Kärntner Landeshauptmann Kaiser vor Kurzem noch gesagt: Wien kannst du nicht mit Kärnten vergleichen, überall müssen wir in Kärnten nicht die Maske tragen. – Da soll sich einer auskennen, was wir tun sollen. (Abg. Kucher: Die Elli Köstinger ...!)

Wisst ihr, was die NEOS gesagt haben, und zwar erst am 15.11.? – Die Maßnahmen seien überschießend, Arbeitslosigkeit verkürze auch das Leben. – Da soll man wissen, was gut und was nicht gut ist.

Die FPÖ sagt es ganz klar – sie sind die Einzigen, die es ganz klar sagen (Zwischenruf des Abg. Schmiedlechner) –: Wir leben in einem freien Land, jeder muss für sich ent­scheiden, was er macht, eine Après-Ski-Bar mit Sitzplätzen ist wie eine Tanzveranstal­tung ohne Tanzen, es soll ein vollkommen normaler Betrieb stattfinden. (Beifall bei der FPÖ.)

Jeder Experte und jeder Mensch, der normal, vernünftig denkt, weiß in diesem Land, dass wir die Zahlen nur herunterbringen, wenn diese drei Grundpunkte eingehalten wer­den: Abstand halten, Mund-Nasen-Schutz verwenden und Hände waschen. (Zwischen­ruf des Abg. Kucher.) Wenn wir alle das machen, dann werden wir eine Wintersaison kriegen, die Touristiker machen ein Geschäft, und ihr könnt in den Urlaub fahren. (Zwi­schenruf des Abg. Lausch.) Geht mit diesem Beispiel voran, dann wird sich auch die Bevölkerung daran halten, und fordert nicht nur, was die Regierung zu tun hat! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Ruf bei der SPÖ: Das Licht am Ende des Tunnels! Das hat auch die SPÖ gesagt?)

16.45


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kainz. – Bitte.


16.45.35

Abgeordneter Alois Kainz (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Sehr geehrte Zuseher! Die Coronapandemie hat viele Österreicherinnen und Österreicher stark getroffen. Insbesondere die Tourismusbranche und auch Land- und Forstwirte standen dieses Jahr vor vielen Herausforderungen. Umso wichtiger ist es, dass wir gerade sie unterstützen und ihnen helfen.

Das Gesamtbudget für die Untergliederung Landwirtschaft, Regionen und Tourismus für das Jahr 2021 beträgt 3,27 Milliarden Euro. Im Vergleich zum Vorjahr gibt es also zwar eine Budgeterhöhung, diese ist aber hauptsächlich auf die Budgetierung des Waldfonds, die Höherdotierung des Breitbandausbaus und auf die Mittel zur Ausfinanzierung der Ländlichen Entwicklung der Programmperiode 2014 bis 2020 sowie auf die Mittel für die Direktzahlungen zurückzuführen.


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Meine Damen und Herren, die sogenannte Bauernpartei ÖVP und die Grünen haben es bis dato leider nicht geschafft, einen umfassenden Rettungsschirm für die Landwirtschaft zu beschließen, obwohl gerade diese massive Ertragseinbußen durch die Coronakrise hinnehmen musste. Auch die Schäden durch den Borkenkäfer und andere Ereignisse können wohl kaum durch den mit 157,9 Millionen Euro dotierten Waldfonds gedeckt werden.

Frau Landwirtschaftsministerin Köstinger, ich bin mir sicher, dass Sie wissen, dass wir hier im Nationalrat das Budget auf Ebene der Untergliederungen und als Globalbudget beschließen. Wir beschließen jedoch nicht die innerhalb des Globalbudgets definierten Detailbudgets. Der Budgetdienst merkte bereits an, dass deshalb eine Novellierung der Budgetstruktur im Bereich Landwirtschaft, Regionen und Tourismus vorgenommen wer­den sollte, damit der Nationalrat die Möglichkeit hat, die Budgets für den jeweiligen Schwerpunkt getrennt zu beschließen. Für Ihr Ressort gibt es nämlich mittlerweile zehn Detailbudgets. De facto haben Sie daher einen sehr hohen Gestaltungsspielraum bei der Mittelverwendung und bei Umschichtungen der einzelnen Schwerpunkte im Rahmen der Detailbudgets. Dadurch, dass solche Reklassifizierungen innerhalb der Detail­bud­gets, welche teils sachlich gar nicht zusammenpassen, derzeit allein Ihnen und Ihrem Ressort unterliegen, übernehmen Sie eine enorme Verantwortung.

Für viele Land- und Forstwirtschaftsbetriebe in Österreich bedeutet das, dass ein wirt­schaftliches Überleben gerade in Anbetracht der Coronapandemie von Ihren Entschei­dungen zu Umschichtungen der Detailbudgets abhängig ist. In diesem Sinn möchte ich noch einmal an Sie appellieren: Wir benötigen dringend Entlastung und eine Unterstüt­zung unserer österreichischen Landwirte. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

16.48


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Abgeordnete Himmelbauer ist zu Wort gemeldet. – Bitte.


16.48.47

Abgeordnete Eva-Maria Himmelbauer, BSc (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundes­ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf mich zum Bereich Telekom­muni­kation und Breitbandausbau zu Wort melden, der ja seit Anfang des Jahres im Ressort der Bundesministerin beheimatet ist und auch eine gute Synergie mit dem Themen­bereich Regionen, ländliche Entwicklung bildet.

Ich darf vielleicht gleich auf den Redebeitrag von Kollegin Doppelbauer reagieren, die sich in diesem Rahmen ein bisschen Feedback oder eine Zwischenbilanz des beste­henden Breitbandprogramms 2020 gewünscht hat. Soweit ich weiß, war das Thema im Ausschuss und ist dort auch dargelegt worden, aber ich wiederhole es gerne: Es ist ein Programm, das 2015 in verschiedenen Programmunterabschnitten von Access, Back­haul, Connect und Leerrohr gestartet worden ist, bei dem wir durchaus vorzeigen kön­nen, dass mit dem investierten Geld vieles passiert ist. 940 Millionen Euro sind in den letzten Jahren an 388 Fördernehmer – private Unternehmen, Infrastruktur­gesell­schaf­ten, Gemeinden et cetera – für über 1 200 Projekte ausgeschrieben worden, und das in mehr als der Hälfte der Gemeinden in Österreich.

Eine Million Bürger war unmittelbar positiv davon betroffen, dass in ihrer Heimat, in ihrer Region ausgebaut worden ist. Wir haben es geschafft, mit dem investierten Geld einen Förderhebel von 2,5 zu erreichen: Das heißt, seit 2015 sind mehr als 2 Milliarden Euro in die Breitbandinfrastruktur in Österreich geflossen. Ich glaube, es ist durchaus eine gute Zwischenbilanz, die wir heute vorlegen können. (Beifall bei der ÖVP.)

Bei allen Fortschritten, die wir damit erreicht haben, ist uns aber bewusst – und das zeigen nicht nur, aber auch die Lehren aus der Krise –, dass der Bedarf an leistungsfähigen


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Internetanschlüssen immer noch ein großes Thema ist. Wir wissen – das ist uns durchaus bewusst –, dass es in vielen Regionen noch Aufholbedarf gibt. Nicht umsonst wird das Jahr 2021, dessen Budget wir heute debattieren, ein wichtiges Signaljahr für die weitere Förderung im Bereich des Breitbandausbaus sein: Im nächsten Jahr steht das Telekommunikationsgesetz an. Im Ressort werden jetzt schon das Förder­pro­gramm 2030 und – darauf aufbauend – natürlich das Förderprogramm, das mit der EU-Kommission abzustimmen ist, erarbeitet. Wir legen mit rund 260 Millionen Euro im Bud­get 2021 auch die Grundlage für alle weiteren Schritte. Wir schaffen damit einen wichtigen wirtschaftlichen Impuls. Wir schaffen die Infrastruktur der Zukunft, und wir schaffen die Grundlage für die Unternehmen und die Arbeitsplätze von morgen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

16.51


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Seemayer. – Bitte.


16.51.52

Abgeordneter Michael Seemayer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Kolleginnen und Kollegen! Darüber, dass der Zivildienst eine wichtige Rolle und Funktion in der Bewältigung der Gesundheitskrise hatte, noch immer hat und haben wird, sind wir uns, glaube ich, über weite Strecken einig, und es steht außer Diskussion. Für viele Einrichtungen wäre es gar nicht möglich gewesen, den Betrieb aufrechtzuerhalten, wenn sie keine Zivildiener zugeteilt bekommen hätten. Umso wichtiger ist, dass der Zivildienst zukunftsfit gehalten wird.

Wenn man sich anschaut, dass die Wünsche der Einrichtungen derzeit nur zu gut 80 Prozent abdeckbar sind, und man weiß, dass durch die geburtenschwachen Jahr­gänge die Zahlen der Zivildiener vielleicht rückläufig sein könnten, erkennt man, dass Handlungsbedarf besteht. Sie haben vorhin selber gesagt, dass für die nächsten Monate und Jahre Verbesserungen angedacht sind. Eine Teiltauglichkeit lehnen wir – wie von uns schon angemerkt – entschieden ab. Wir glauben auch, dass das rechtlich schwer umzusetzen ist. Vielmehr könnte ein Modell ähnlich wie beim Grundwehrdienst, bei dem jetzt eine freiwillige Verlängerung mit einem höheren Verdienst möglich ist, eine Option sein. Ich denke, dass das auch für den Zivildienst eine ordentliche Möglichkeit sein kann, damit man Zivildiener länger zur Verfügung hat. Es könnte für die Zukunft ein guter Anreiz sein. Ein freiwilliges soziales Jahr kann auch eine Möglichkeit sein – das ist nicht Ihr Ressort –, denn eine Stärkung dessen würde natürlich die Organisationen entlasten. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Nur eine Anmerkung zum Umsatzersatz, der aufgrund all der Schließungen in der Gastronomie notwendig geworden ist: Man kann natürlich viel diskutieren, ob er zu spät kam, ob er nicht treffsicher ist, ob es eine Überförderung gibt, weil Kurzarbeit nicht ange­rechnet werden muss, aber eines ist schon klar: Wenn ein Totalausfall der Einkünfte in der Gastronomie einen 80-prozentigen Ersatz rechtfertigt beziehungsweise notwendig macht, frage ich mich schon, warum das für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht gelten soll. Wenn nämlich eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer in der jetzigen Situation arbeitslos wird und somit einen Totalausfall ihrer oder seiner Einkünfte hat, dann bekommt sie oder er nur 55 Prozent in Form des Arbeitslosengeldes ersetzt. Kolleginnen und Kollegen, es ist mir ganz wichtig, das zu sagen: Es soll in dieser Frage keine Neiddebatte entstehen. Natürlich muss das Überleben der Gastronomie gesichert sein, aber es kann nicht sein, dass Menschen unverschuldet die Arbeit verlieren und mit 55 Prozent Ersatzrate abgespeist werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Es braucht daher dringend eine Anhebung des Arbeitslosengeldes, diese würde auch die Wirtschaft beziehungsweise Gastronomie und Handel unterstützen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 491

Eines möchte ich aber auch noch sagen: Sie haben es beschämend gefunden, dass man über eine Erhöhung bei den Bauern redet. (Bundesministerin Köstinger: Bei Mindestpensionisten!) Frau Ministerin, es ist auch beschämend, wenn man den einen etwas gibt – nämlich den Bauern –, während man bei den anderen – nämlich bei den ASVGlern – hineinschneidet (Abg. Strasser: Die haben ja das Gleiche gekriegt – die Pensionisten!) und jenen, die genauso lange gearbeitet haben, die Pension kürzt. Das ist auch beschämend, Frau Ministerin. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Strasser.)

16.55


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Abgeordneter Schmuckenschlager ist zu Wort ge­meldet. – Bitte.


16.55.28

Abgeordneter Johannes Schmuckenschlager (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Dieses Budget im Bereich Landwirtschaft, Regionen und Tourismus gibt vor allem eines: ein starkes Signal zur Stabilität, und das vor allem im Bereich der Land- und Forstwirtschaft. Ich glaube, das ist das Allerwichtigste, was die Bundesregierung heute aussenden kann: stabile Rah­menbedingungen für die nächsten Jahre, denn die Volatilität auf den Märkten trifft uns – sie sind unter Druck.

Wir sehen auch, dass wir vor großen Herausforderungen stehen, wenn wir nur die Veränderung der Arbeitswelt des Bauernhofes betrachten. Ich möchte die Stichworte Automatisierung und Digitalisierung erwähnen. Wenn wir die große Herausforderung des Klimawandels ernst nehmen, wird die Land- und Forstwirtschaft mit der Bereit­stellung von Grund und Boden, aber natürlich auch mit der Bereitstellung von agrari­schen Rohstoffen der zentrale Spieler sein. Nur so werden wir die Wende hin zu erneuerbaren Energieformen zustande bringen.

Auch der Waldfonds ist ein umfangreiches Paket, das es in dieser Dotation und Ausfor­mung für den österreichischen Forst noch nie gegeben hat. Das ist ein Wahnsinn und sucht europaweit seinesgleichen. Wir schaffen es, für den Umbau des Forstes ent­sprechende Unterstützung zu geben, aber vor allem auch, die klimafitten Wälder Österreichs zu erhalten. Es geht dabei um den österreichischen Forst. Der Borkenkäfer unterscheidet nicht so wie Sie, in welchen Baum er sich hineinbohrt und wer der Eigentümer des Baumes ist. Wenn wir mit dem Fonds eine Zielwirkung haben, ist es die, den österreichischen Forst zu erhalten. Mir ist es dabei relativ gleich, wem der Baum gehört oder nicht gehört, denn wir unterscheiden ja auch bei der Klimawirkung des Forstes nicht, ob die gute Luft aus dem Wienerwald vielleicht beim Karl-Marx-Hof aufhören muss oder nicht. Es geht dabei um den österreichischen Forst und seine gesamte Klimawirkung. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Rössler.)

Wenn Sie aber Agrarpolitik permanent mit Sozialpolitik verwechseln, sollten Sie sich im Themenblock Sozialpolitik ein bisschen mehr engagieren, und dann werden Sie auch bemerken, dass all Ihre Ausführungen zu den bäuerlichen Pensionen so nicht stimmen. Ich will Ihnen gar nicht unterstellen, dass es Ihre Sorge um das Geld ist – es wäre wahrscheinlich das erste Mal in der Zweiten Republik, dass Ihnen um das Steuergeld leid wäre –, sondern vielmehr ist ja das Problem, dass Ihre Mitglieder und auch viele Teile der Bevölkerung längst erkannt haben: Den Bauern brauchen sie dreimal am Tag. Wie oft sie einen Alois Stöger brauchen, lässt sich, glaube ich, sehr rasch abzählen. (Beifall bei der ÖVP.)

Mit 5 Euro mehr pro Monat für österreichische Rohstoffe im Einkauf schaffen wir zu­sätzlich 4 500 Arbeitsplätze in Österreich. Das heißt, die Bäuerinnen und Bauern in


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 492

Österreich schaffen auf der einen Seite Versorgungssicherheit in Krisenzeiten und andererseits Sicherheit für Arbeitsplätze – dort, wo uns vielleicht die einen oder anderen internationalen Konzerne schon längst verlassen haben. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Rössler.)

16.58


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schnedlitz. – Bitte.


16.58.41

Abgeordneter Michael Schnedlitz (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Minister! Werte Sozialisten, ich glaube, wir müssen einmal etwas Grund­sätzliches klären, weil Sie den gestrigen und den heutigen Tag wieder dazu benutzt haben, um auf die Bauern zu schimpfen und die Landwirtschaft in ein schiefes Licht zu rücken. Ich sage Ihnen ganz deutlich: Ich schäme mich nicht dafür, dass ich ein Bauer bin. Ich bin sogar stolz darauf, dass ich von einem Bergbauernhof komme. Kein Bauer muss sich dafür schämen, dass er täglich – von Montag bis Sonntag – um 5 Uhr Früh in den Stall geht, damit Sie gesundes Essen auf dem Tisch haben. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Sieber.) Kein Bauer muss sich dafür schämen, dass er laufend dafür sorgt, dass die Wiesen, Felder und Agrarflächen in Schuss sind, damit Sie, wenn Sie auf Luxuserholungsurlaub fahren, einen Ausblick auf eine grüne, gepflegte Landschaft haben.

Sehr geehrte Damen und Herren, man muss sich nicht dafür schämen, dass es noch normal ist, wenn die Familie zusammenhilft, damit bei der Arbeit etwas weitergeht. Sie wollen eine Arbeiterpartei sein? Sie wissen doch nicht einmal mehr, was ehrliche Arbeit ist! Ich schäme mich nicht dafür, dass ich mir beim Arbeiten die Hände schmutzig mache, denn das ist das Zeichen dafür, dass man in diesem Land noch ehrlich arbeitet. Ich schäme mich für etwas ganz anderes: dass Nadelstreifpolitiker von diesem Podium aus auf die Bevölkerung, sprich auf die Bauernschaft, schimpfen.

Sehr geehrte Damen und Herren, Sie verteufeln jene, die sieben Tage in der Woche arbeiten und jeden Tag in den Stall gehen müssen. Was glauben Sie eigentlich, woher die frische Milch kommt? – Ich verrate Ihnen ein Geheimnis: Das Supermarktkühlregal ist es nicht. Damit Sie es vielleicht besser verstehen: Eine Kuh, sehr geehrte Damen und Herren, muss jeden Tag gemolken werden, sie kennt keinen Urlaub und kein Wochen­ende, ergo kennt auch der Bauer keinen Urlaub und kein Wochenende. Ein Bauer kann nicht in der Früh im Bett bleiben und sagen: Mir geht es heute nicht gut, ich gehe in den Krankenstand!, denn eine Kuh kennt auch keinen Krankenstand. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Die Realität ist: Damit Sie auf regionale Produkte zugreifen können und die klein­bäuer­lichen Strukturen aufrechtbleiben, gehen viele sogar, nachdem sie den Hof übernommen haben, noch nebenbei arbeiten, damit sie Geld in den Hof stecken können – also nicht Geld herausnehmen, sondern Geld hineinstecken können –, damit der Hof erhalten bleibt.

Sehr geehrte Damen und Herren, auch der Übergeber, der Altbauer, geht dann nicht in Pension. Altbauern arbeiten bis ins hohe Alter, damit sich der Laden überhaupt noch am Leben erhalten lässt. Da wird der Spruch: Arbeiten bis zum Umfallen!, wirklich zur Realität, sehr geehrte Damen und Herren.

Unsere Bauern brauchen keine Almosen, unsere Bauern brauchen zwei ganz einfache Dinge: Das ist auf der einen Seite, dass ihnen die Politik keine Prügel vor die Füße wirft –


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 493

Prügel wie zum Beispiel eine zu hohe Sozialversicherung, ein unfaires fiktives Aus­ge­dinge, zu viel Bürokratie oder Ähnliches. Zweitens brauchen sie, dass die Umfeld­bedin­gungen dafür geschaffen werden, dass die Bauern für die hochqualitativen Produkte, die sie erzeugen, auch wirklich fair entlohnt werden.

Es ist geisteskrank, sehr geehrte Damen und Herren, dass ein Marken-T-Shirt mehr kostet, als ein Bauer für 10 Tonnen – für 10 000 Kilogramm – Erdäpfel bekommt, näm­lich 50 bis 80 Euro. Es ist nicht normal, dass 1 Kilo Hundefutter im Supermarkt 6 Euro kostet, Sie aber die Ente, die Sie für sich selbst zum Essen kaufen, um die Hälfte – um 3 Euro pro Kilo – bekommen. Das kann in unserem Land nicht mehr funktionieren.

Sehr geehrte Damen und Herren, wissen Sie, was unser Land braucht, abgesehen davon, dass wir dieses Ungleichgewicht aus der Welt schaffen müssen? – Dass sich die Politiker unter Ihnen, die hier vom hohen Ross herab auf die Bevölkerung, auf die Bauernschaft schimpfen, von der fleißigen Arbeiterschaft und auch von den Bauern eine Handvoll von dem abschauen, was diese tagtäglich leben, sehr geehrte Damen und Herren; dass sie sich von den arbeitenden Bauern Werte abschauen – Werte wie Arbeit und Fleiß, Werte wie Nachbarschaftshilfe, die Wertschätzung von Grund, von Boden, von Heimat, von Regionalität. Wenn Sie als Nadelstreifpolitiker so hackeln würden wie unsere fleißigen Arbeiter und Bauern, dann würde nicht nur für die Bauern, sondern grundsätzlich für unser Land mehr weitergehen. (Beifall und Zwischenrufe bei der FPÖ. – Heiterkeit bei der ÖVP.)

17.03


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Klaus Lindinger, Sie gelangen als Nächster zu Wort. – Bitte.


17.03.18

Abgeordneter Ing. Klaus Lindinger, BSc (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Wenn wir heute hier das Budget zur UG 42 Landwirtschaft, Regionen und Tourismus diskutieren, dann darf ich eines ganz klar hervorstreichen: Dieses Budget steht im Zeichen eines großen Plus an Euro – insgesamt plus 595 Millionen Euro –, dieses Budget steht im Zeichen der Nachhaltigkeit und vor allem im Zeichen der ökosozialen Agrarpolitik. Danke schön an Ministerin Köstinger für diesen großen Erfolg für unsere Regionen, für unsere Landwirtschaft, für den Tourismus! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich darf aber schon auf eines eingehen, denn wir betreiben Agrarpolitik, damit wir auch in der Zukunft unsere Höfe entsprechend be­wirtschaften können: Genau deshalb hat es ein Entlastungs- und Investitionspaket gegeben, das rückwirkend mit 1. Jänner 2020 in Kraft getreten ist. Dazu sage ich eines: Die Mindestpensionisten wurden entlastet, die Sozialversicherungsbeiträge bei den Klein- und Mittelbetrieben wurden gesenkt, und in der Jungbauernschaft haben wir vor allem im Bereich der Pensionsversicherungen einen höheren Zuschuss erreicht. Wenn sich wie gestern Kollege Wimmer von der SPÖ hier ans Rednerpult stellt und behauptet, dass die jungen Bäuerinnen und Bauern bis zum Alter von 27 Jahren keine Sozial­versicherungsbeiträge bezahlen, dann ist das einfach nur falsch. Das ist Klassenkampf auf tiefstem Niveau auf dem Rücken unserer Bäuerinnen und Bauern und vor allem auf dem Rücken der Jungbauern, und das verurteilen wir zutiefst, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Landwirtschaft ist ja maßgeblich von der Gemeinsamen Agrarpolitik geprägt, und da darf ich unserem Bundeskanzler (Ruf bei der SPÖ: Danken!) und unserer Landwirt­schaftsministerin ganz herzlich danken, denn sie haben durch ihren Verhandlungserfolg ein Plus beim Budget für die Gemeinsame Agrarpolitik erreicht. Als Österreichische


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Jungbauernschaft haben wir uns in den letzten Wochen und Monaten zusammen­gesetzt, haben diskutiert, wie wir diese Gemeinsame Agrarpolitik in Österreich ausge­stal­ten, und diesbezüglich ein Positionspapier erarbeitet, das wir erst vor Kurzem der Ministerin gegeben haben und in dem wir unsere Ideen und Forderungen – vom Westen bis zum Osten, aus ganz Österreich – einbringen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Bäuerinnen und Bauern leisten viel: von der Produktion qualitativ hochwertiger Lebensmittel, vor allem auch in der Krisenzeit, bis dazu, dass dreimal am Tag jeder Tisch gedeckt ist. Wir sind auch bereit, uns auf den Markt, auf die Nachfrage einzustellen. Das hat man vor allem gesehen, als es um die Kontrahierung der Zuckerrübenfläche gegangen ist: Da haben alle an einem Strang gezogen. Es wurden die 38 000 Hektar in Österreich erreicht, womit beide Zucker­fabriken und somit auch Arbeitsplätze gesichert sind. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich sage nur eines: Man kennt ja die Waagen von früher, bei denen man auf die eine Seite das Produkt und auf die andere Seite das Gewicht gelegt hat, um so zu wiegen. Ich sehe die Waage folgendermaßen: Auf der einen Seite sind die Bäuerinnen und Bauern, sind die Produkte unserer Bäuerinnen und Bauern, und auf der anderen Seite stehen die Konsumentinnen und Konsumenten, und das muss im Gleichgewicht sein, dann schaffen wir auch die Versorgung für die Zukunft. Dafür sorgen unsere Bäuerinnen und Bauern. (Beifall bei der ÖVP.)

17.06


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Lukas Brandweiner. – Bitte.


17.07.10

Abgeordneter Lukas Brandweiner (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bun­desministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause vor den Bildschirmen! Als ÖVP-Zivildienstsprecher möchte ich zu Beginn allen Zivildienern für ihren Einsatz Danke sagen, und zwar egal ob beim Rettungsdienst, in Pflegeheimen, in Krankenhäusern oder sonstigen Einrichtungen. Sie leisten einen wirklich wichtigen und unverzichtbaren Beitrag – dafür ein herzliches Dankeschön! (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Stögmüller.)

Es freut mich auch besonders, dass wir erst vor Kurzem die Zivildiener des Jahres 2019 auszeichnen durften. Natürlich leisten alle jungen Männer einen hervorragenden Beitrag, aber manche leisten eben mehr und vor allem mit einem beherzten Engagement. Ich glaube, es ist auch wichtig und richtig, dass wir diese vor den Vorhang holen und stell­vertretend allen jungen Männern Danke sagen und sie natürlich auch ehren.

Ich freue mich auch schon darauf, wenn wir nächstes Jahr die Zivildiener dieses Jahres ehren können. Das wird aber nicht einfach. Warum? – Gerade dieses Jahr war natürlich auch für die Zivildiener extrem herausfordernd und ist es noch immer. Es haben sich viele freiwillig gemeldet. Ich darf vielleicht daran erinnern, dass wir erst im März erstmals in der Geschichte der Zweiten Republik den außerordentlichen Zivildienst einberufen haben, und es macht mich schon auch stolz, dass sich so viele junge Männer freiwillig gemeldet und sich noch einmal in den Dienst der Gesellschaft gestellt haben.

Gleichzeitig aber möchte ich daran erinnern – ich habe es auch bei meiner letzten Rede zum Zivildienst hier im Plenum gesagt –: Ich hoffe, dass wir nie wieder in eine Situation kommen, in der wir den außerordentlichen Zivildienst einberufen müssen. Das gilt nach wie vor, aber es ist gut zu wissen und gibt der Bevölkerung natürlich Sicherheit, dass wir, wenn es erforderlich ist, auf diese strategische Reserve zurückgreifen können. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)


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Aktuell ist die Lage bei den Trägerorganisationen sehr angespannt. Aufgrund der Covid-Situation gibt es auch dort etliche Ausfälle durch Quarantänemaßnahmen, denn das Virus macht natürlich auch um diese Personen keinen Bogen, wodurch es zu Ausfällen kommt. Es werden laufend Zivildiener gesucht, und das in einer Zeit, in der die Zahl der wehrpflichtigen jungen Männer aufgrund der geburtenschwachen Jahrgänge rückläufig ist. Vielleicht nur ein paar Zahlen dazu: Letztes Jahr sind circa 14 600 Männer als Zivil­diener in 1 700 Trägerorganisationen eingesetzt worden. Das sind circa 40 bis 45 Pro­zent der tauglichen Wehrpflichtigen. Natürlich hoffe ich, dass wir mit der geplanten Ein­führung der Teiltauglichkeit entgegensteuern und das ausgleichen.

Einen wichtigen Aspekt möchte ich noch ansprechen: Der Zivildienst öffnet natürlich auch Türen zum Ehrenamt. Rund 27 Prozent der Männer bleiben zumindest einige Jahre in ihrer Einrichtung ehrenamtlich tätig, und rund 6 Prozent arbeiten dann sogar haupt­amtlich weiter. Daher bin ich auch froh, dass im Budget 2021 die notwendigen Mittel von 60 Millionen Euro für den Zivildienst enthalten sind.

Abschließend möchte ich mich bei dir, geschätzte Frau Ministerin, und bei deinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern recht herzlich für die gute Zusammenarbeit bedanken. Ich bin davon überzeugt, dass wir gemeinsam noch viel Gutes für den Zivildienst erreichen werden. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

17.10


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Franz Hörl. – Bitte.


17.11.05

Abgeordneter Franz Hörl (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Herzliche Gratulation zu dem, was meine Vorredner schon gesagt haben, und auch zur Budgeterhöhung in Ihrem Ministerium – dem Ministerium, das für unseren ländlichen Raum, für die Täler und Berggebiete in unserem Lande so wichtig ist und in dem Sie durchgehend eine hervorragende Arbeit geleistet haben. Herzlichen Dank dafür!

Freitag, der 13. März ist für mich ein Albtraum, den ich wahrscheinlich in meinem Leben nicht mehr vergessen werde. Wir haben mit Tirol ein Land zugesperrt, das gerade eine blühende Wintersaison hatte, wir konnten es innerhalb von zwei, drei Tagen zusperren – und ich habe mir nie gedacht, dass wir vielleicht wieder in eine ähnliche Situation kom­men werden. Der Sommer war gut, es gab viele Erleichterungen und Begleitmaß­nah­men – von der Umsatzsteuerhalbierung bis zum Umsatzersatz –, die diese Bundesregie­rung geschaffen hat und die uns das Leben in dieser Krise ermöglicht, uns unterstützt und den Standort Österreich auch sicher gehalten haben.

Die Infektionen der letzten Tage haben aber dazu geführt, dass wir uns noch einmal in einem Lockdown befinden und nun vor der Situation stehen, dass wir die Saison möglicherweise nicht starten können. Kollege Hauser hat schon von Planbarkeit ge­sprochen. Natürlich wäre Planbarkeit wichtig. Alle meine Kollegen fragen danach, aber es herrscht natürlich sehr viel Unsicherheit am Markt. Die Deutschen haben eine aufrechte Reisewarnung mit fünftägiger Pflichtquarantäne nach Rückkehr, sodass wir auch nicht wissen, was in unseren Märkten möglich sein wird. Es wäre allerdings schon gut – und die Frau Kollegin, Tourismussprecherin Neßler, könnte bei ihrem Bundes­minister Anschober dafür Sorge tragen –, wenn nicht dasselbe passiert, was im Frühjahr war, als wir zwischen dem Lockdown (Zwischenruf des Abg. Stögmüller) und dem Beginn der Saison sechs Wochen gebraucht haben, um unsere Skigebiete und die Lifte in Betrieb nehmen zu können. (Abg. Leichtfried: Da hast schon recht!) Das darf dieses Mal nicht passieren. (Zwischenruf des Abg. Wurm.) Wir haben nur drei Wochen Zeit.

Nur noch eine Kleinigkeit: Wir reden alle davon, dass Weihnachten möglicherweise nicht stattfindet. Damit Sie ein paar Zahlen haben: Über zwei Drittel der Wintergäste kommen


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nach Österreich, um Ski zu fahren oder zu snowboarden. 55 Millionen Skifahrertage in Österreich sorgen dafür, dass wir die Nummer eins auf der Welt sind, und wir liegen bei 41 Millionen Nächtigungen. (Ruf: Nummer eins ...!) Der jährliche Bruttoumsatz der Berg­bahnbenutzer liegt bei 11,2 Milliarden Euro. Alleine die Mehrwertsteuerleistung beträgt 1,7 Milliarden Euro, die Wertschöpfung liegt bei ungefähr 6 Milliarden Euro. Das ist das eineinhalbfache Budget des Landes Tirol.

Durch die österreichische Seilbahnwirtschaft werden etwa 140 000 Arbeitsplätze ge­sichert, 17 000 bei den Seilbahnen und noch 100 000 in anderen Branchen. In der Zeit zwischen dem 1.11. und dem 15.1., die wir vor uns haben, also um Weihnachten, geschehen rund 27 Prozent der Ersteintritte. Das heißt, bei einer Verzögerung der Saison bis Mitte Jänner verlieren wir ein Viertel bis ein Drittel der Umsätze. Das sind 3 bis 4 Milliarden Euro (Abg. Schellhorn: ... die Saison ...!) – damit wir wissen, wovon wir reden, und damit man aufhört, leichtfertig mit diesen unseren Unternehmungen zu spielen.

Noch etwas: Bergsteigerdörfer sind nicht als Cashcows bekannt und auch nicht über­mäßig ausgelastet. Dort wird grünes Wirtschaften möglich sein, aber ich weiß nicht, ob dabei viele schwarze Zahlen herauskommen. Nur eines sei auch noch klargestellt: Ohne Skiangebot reduziert sich die Wintersaison auf circa 15 Prozent in den Bergdörfern. Wenn man österreichweit die Stadthotellerie dazurechnet, sind es immer noch erst 35 Prozent. Lassen wir also die Kirche im Dorf und den Skifahrer auf dem Berg! – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Drozda: Du bist schon zu weit weg! – Abg. Leichtfried: Also die Rede von der Frau Neßler war bei Weitem besser!)

17.14


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Manfred Hofinger. – Bitte.


17.14.55

Abgeordneter Ing. Manfred Hofinger (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Bundesminister Köstinger, ich möchte grund­sätz­lich einmal recht herzlich zu diesem Budget gratulieren. Es ist ein Zeichen von Stabilität für die Landwirtschaft, und das, glaube ich, brauchen wir in dieser Zeit besonders. In den letzten eineinhalb Jahren ist sehr viel gelungen.

Ich möchte die Zeit ein bisschen zurückdrehen – vielleicht eineinhalb Jahre. Damals war nicht sichergestellt, wie es mit den EU-Finanzen ausschaut, wie es mit der Gemein­samen Agrarpolitik weitergeht. Es war nicht sicher, ob wir österreichweit die Kofinan­zierung sicherstellen können, und es war auch nicht sicher, wie wir mit den Auswir­kungen des Klimawandels umgehen. Das sind drei wesentliche Punkte, die Sie gemein­sam mit Ihren Mitarbeitern, gemeinsam mit Ihrem Team mit Ihren Verhandlungen auf EU-Ebene gut erreicht haben – dazu noch einmal herzliche Gratulation. (Beifall bei der ÖVP.)

Ja, wir haben in der Landwirtschaft sehr viele Unsicherheiten und Problemstellungen – coronabedingt, oder siehe auch das Forstpaket im Klimabereich oder auch die Zucker­produktion in Leopoldsdorf in Niederösterreich. Genau diese Dinge sind wesentlich und wichtig für den Fortbestand unserer Familienbetriebe. Ich möchte dir, Frau Bundesminis­terin, gratulieren, weil du immer ein Ziel vor Augen hast: die kleinstrukturierten, nach­haltigen und ökologischen Familienbetriebe zu erhalten und für die Konsumenten die Selbstversorgung sicherzustellen – wie zum Beispiel beim Zucker – und somit Lebens­mittel zu garantieren, die regional produziert werden. Dies ist, glaube ich, ein ganz we­sentlicher Wert, es sind zwei wesentliche Ziele, die wir in der Landwirtschaft verfolgen müssen, und das machst du hervorragend – herzlichen Dank dafür. (Beifall bei der ÖVP.)


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Ich möchte noch ganz kurz zum Breitbandausbau kommen: Breitbandausbau ist für mich in unserer Region, dem oberösterreichischen Innviertel, etwas ganz Wesentliches. Ich kann auch die Aussage von Kollegin Doppelbauer, dass da nur ein Chaos herrscht, nicht stehen lassen. Es wird sehr viel ausgebaut, und ich möchte auch diesbezüglich das Budget loben – weil wir nächstes Jahr 261 Millionen Euro investieren. Das sind um 41 Millionen Euro mehr als im vergangenen Jahr, das ist für die Standortpolitik in unseren ländlichen Regionen ein ganz wesentlicher Beitrag, und gerade in der momen­tanen Krise bekommt der Breitbandausbau durch das Distancelearning, aber genauso durch das Homeoffice eine ganz andere Dimension. Ich glaube, da sind wir auf einem ganz guten Weg, vor allem die Bundesländer unterstützen das, und dadurch entsteht ja auch ein Turbo an Investitionen im ländlichen Raum. Das ist ein wesentlicher Teil.

Ganz kurz abschließend noch zum Gemeindepaket: Es ist schon sehr bedauerlich, wenn ich von den Abgeordneten der SPÖ immer höre, dass im Gemeindepaket im Bereich Gemeindehilfen nichts weitergeht. Wir haben 1 Milliarde Euro beschlossen. Die Gemeinden holen sich das in dieser Zeit stückweise ab. Es stimmt, dass noch nicht alle Gemeinden es sich abgeholt haben, aber wir müssen den Gemeinden diesbezüglich auch Zeit geben, und wenn wir die gesamten Auswirkungen auf die Gemeinden beur­teilen, kann ich aufgrund vieler Gespräche mit anderen Bürgermeisterkollegen schon eines sagen: dass wir im heurigen Jahr – hätten wir nicht den zweiten Lockdown – finanziell gerade so über die Runden kommen.

Es stimmt allerdings: Wenn sich die Coronakrise so weiterentwickelt, werden wir zusätzliche Hilfen benötigen. (Zwischenruf des Abg. Vogl.) Da werden wir unsere Gemeinden sicher nicht im Stich lassen, und ich glaube, wir gehen alle darüber d’accord, dass wir auch für die Finanzhaushalte der Gemeinden sorgen müssen, damit ein Aus­gleich möglich ist. Die Gemeinden haben in der Krise sehr viel geleistet, sie waren die ersten Ansprechpartner (Zwischenruf des Abg. Schellhorn), und ich bin auch froh über das föderale System, das genau in diesen Krisen immer schnell agieren kann. Die Menschen in den einzelnen kleinen Gemeinden kennen ihre Leute und können vor Ort über das notwendige Ausmaß hinaus helfen – ich glaube, das ist ganz wesentlich, und dafür möchte ich noch herzlichen Dank sagen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

17.19


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Maria Großbauer. – Bitte.


17.19.33

Abgeordnete Maria Großbauer (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Hohes Haus! Die enormen Auswirkungen der Coronakrise auf den Tourismus in Öster­reich wurden heute schon ausführlich diskutiert. Als Mitglied des Tourismusaus­schusses und Kultursprecherin möchte ich betonen, wie stark diese beiden Bereiche miteinander verbunden und zum Teil auch voneinander abhängig sind.

So viele kulturelle Institutionen – Stichwort Festspiele – leben vor allem auch von einem internationalen Publikum, also vom Tourismus. Vice versa haben 70 Prozent aller Wien­touristen vor Corona gesagt, dass sie wegen der Kultur kommen, zum Beispiel in die Spanische Hofreitschule, gegründet vor 450 Jahren, immaterielles Weltkulturerbe der Unesco. Diese weltberühmte Einrichtung trifft die Krise natürlich auch sehr stark, nämlich weil sie davor 94 Prozent Eigendeckung erzielte und im letzten Jahr mit 385 000 Gästen, 85 Prozent davon international, einen Besucherrekord erlebte. Frau Ministerin, vielen Dank dafür, dass Sie das Fortbestehen der Spanischen Hofreitschule vorerst sicherge­stellt haben! Sie wird aber sicher auch noch nächstes Jahr Unterstützung brauchen.


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Der Tourismus in Österreich wird noch ganz viel brauchen, auf jeden Fall auch die Österreich-Werbung, denn wenn die Krise hoffentlich bald vorbei sein wird, muss Österreich wieder als Topurlaubs- und Kulturland in den Köpfen der Menschen präsent werden. Dafür braucht es jetzt und in den nächsten Jahren ganz besonders auch die Österreich-Werbung, die schon das ganze Coronajahr mit Hochdruck daran arbeitet, dass Österreich in den Zielmärkten präsent bleibt. Sie kommuniziert emotionale Ver­bundenheit, Zuversicht, aber auch handfeste Facts, wie Urlaub in Österreich hoffentlich bald wieder funktionieren kann, mit einer 3I-Strategie: informieren, inspirieren, Image verankern. Das ist eine sehr gute Sache.

Da ich selbst beruflich aus der Werbung komme: Dort wird seit vielen Jahren ein Satz von Henry Ford zitiert: „Wer nicht wirbt, stirbt.“ – Österreich muss sich diesbezüglich Gott sei Dank keine Sorgen machen, denn Ministerin Köstinger hat die Österreich-Werbung finanziell hervorragend ausgestattet. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

17.21


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Joachim Schnabel. – Bitte.


17.21.43

Abgeordneter Joachim Schnabel (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Ministerin! Werte Damen und Herren vor den Monitoren! Hohes Haus! Im heurigen Sommer haben viele Menschen in unserem Heimatland Urlaub gemacht und Österreichs Regionen als schön und lebenswert wahrgenommen. Geschätzte Damen und Herren, es ist keine Selbstverständlichkeit, dass die ländlichen Regionen diese Lobesworte bekommen; das gelingt durch den Fleiß, die Tatkraft und das Engagement der Men­schen vor Ort. Es ist erst recht keine Selbstverständlichkeit, dass dies auch in der Zukunft so bleibt.

Es gibt Herausforderungen, eine davon ist zum Beispiel die Urbanisierung. Wir werden darauf reagieren, unter anderem mit diesem Budget und den Wirkungszielen, die in die­sem Budget, in dieser Untergliederung genannt sind. Dazu zählt eine starke, selbst­bewusste Region. Stark sind die Regionen vor allem mit einer sehr guten Infrastruktur. Im Sinne der Binnengerechtigkeit brauchen wir nicht nur Smartcitys, sondern auch Smartvillages, wir brauchen eine smarte Region, die als Basis eine moderne Breitband­infrastruktur bietet – eine Bandbreite nicht in Brieftaubengeschwindigkeit, sondern mit modernen, leistungsfähigen Gigabytenetzen. (Beifall bei der ÖVP.)

Geschätzte Frau Ministerin, ich bin dir sehr dankbar für dein persönliches Engagement und dafür, dass im nächsten Jahr 261 Millionen Euro für den Ausbau zur Verfügung gestellt werden. Auch in meinem Heimatbundesland können somit 68 Gemeinden Pro­jekte umsetzen. Damit gelingt für die bestehenden Betriebe vor Ort ein Wettbewerbs­ausgleich, und die Regionen erhalten die Chance, mit modernen Rahmenbedingungen neue Betriebe anzusiedeln. Wir brauchen diese Infrastruktur auch im Sinne des Klima- und Umweltschutzes, weil es nur dann eine dezentrale Wirtschaftsentwicklung, Arbeits­plätze vor Ort und dementsprechend auch die Wertschöpfung vor Ort gibt.

Von Selbstbewusstsein habe ich gesprochen: Wir wollen das Selbstbewusstsein der Regionen stärken. Ein Mittel dazu ist die Leader-Aktionsgruppe, und auch das wird weiterfinanziert. Dafür danke ich auch, und ich danke vor allem als Regionsvorsitzender den vielen Damen und Herren, die in den verschiedensten Institutionen vor Ort in den Regionen arbeite, die sich im Leader-Regionalmanagement, den Länderabteilungen, einbringen. Nur mit ihrer persönlichen Arbeit ist es möglich, unsere Regionen, unseren ländlichen Raum so zu entwickeln und in Zukunft eine lebenswerte Landschaft, eine


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lebenswerte Heimat für diese 3,6 Millionen Menschen zu bieten. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

17.24


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Carina Reiter. – Bitte.


17.24.28

Abgeordnete Carina Reiter (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Frau Bun­desministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer! Im Bereich Landwirtschaft, Regionen und Tourismus können wir uns ins­gesamt über eine Budgeterhöhung freuen. Das ist ein deutliches Signal für den länd­lichen Raum, aber auch für die bäuerlichen Familienbetriebe.

Der Schutz vor Naturgefahren wie Hochwasser, Lawinen, Steinschlägen oder Hangrut­schungen ist unerlässlich für unseren ländlichen Raum. Dass die Mittel für Aktionspro­gramme wie Hochwassersicheres Österreich und die Lawinenschutzprogramme mit 248 Millionen Euro abgesichert sind, ist wichtig und richtig. Allein 2019 haben wir 3 789 Gebäude zusätzlich vor hundertjährlichen Hochwassern schützen können.

Die Mittel der Gemeinsamen Agrarpolitik und der Ländlichen Entwicklung sind ebenfalls sichergestellt. Das bedeutet auch eine gewisse Sicherheit für unsere Bäuerinnen und Bauern. Dieses System der Förderungen und Ausgleichszahlungen gibt es in seinem Ursprung eigentlich, um die Lebensmittel leistbar zu machen. Somit sind die GAP-Mittel eigentlich eine gewaltige Konsumentenförderung. Dessen sollte man sich auch bewusst sein. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Die Bäuerinnen und Bauern leisten für unsere Gesellschaft vieles. Eine Kernaufgabe ist die Lebensmittelproduktion. Damit die Bäuerinnen und Bauern das aber auch in Zukunft sicherstellen können, braucht es faire Preise, angemessene Ausgleichszahlungen und eine gute Portion Wertschätzung. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Maurer.)

17.26


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Andreas Kühberger. – Bitte.


17.26.15

Abgeordneter Andreas Kühberger (ÖVP): Geschätzte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Österreicherinnen und Österreicher! Ich möchte Herrn Kollegen Schnedlitz von der Freiheitlichen Partei zu seiner Rede vorhin gratulieren – ich wäre auch gerne wie er mit einer vorbereiteten Rede herausgegangen und hätte etwas zur Landwirtschaft vorge­tragen –, aber, meine Damen und Herren, das Lob kommt zu früh. Es bleibt nämlich bei der Freiheitlichen Partei schon ein blaues Auge übrig, was die Bäuerinnen und Bauern bei uns in Österreich betrifft.

Herr Kollege Schmiedlechner – er kann das dann tatsächlich berichtigen, wenn er will – hat sicher Niki Berlakovich mit Frau Dagmar Belakowitsch verwechselt. Warum? – Weil sie es war, die am 18. Juni dieses Jahres hier im Hohen Haus die Erhöhung der Bauernpension kritisiert hat. Das hat sie kritisiert. Also, liebe Freiheitliche Partei: Wo seid ihr für die Bäuerinnen und Bauern da? – Da bleibt ein blaues Auge übrig. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Hauser.) Wie gesagt, Kollege Schmiedlechner kann dazu ja noch eine tatsächliche Berichtigung machen, wenn es nicht stimmen sollte.

Jetzt gehen wir ein bisschen weiter hinüber zu den Roten – Entschuldigung, zu den Pinken, die aber in Sachen Landwirtschaft, so wie in Wien, anscheinend auch schon rotsehen und rote Politik vertreten. (Zwischenruf des Abg. Loacker.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 500

Liebe Kollegin Doppelbauer – da sitzt sie –, du stehst hier heraußen und sagst: Na ja, wer weiß, ob es in zehn, 20, 30 Jahren überhaupt noch Bäuerinnen und Bauern bei uns in Österreich gibt? – Wenn es nach den NEOS ginge, also nach Rot – Entschuldigung, Pink; ich kenne mich jetzt auch nicht mehr aus –, wenn es nach den NEOS ginge, Frau Kollegin, dann würde es in zehn Jahren wirklich keine Bauern mehr geben, weil ihr immer dagegen seid und immer auf die Barrikaden klettert, wenn wir, wie zum Beispiel beim Dürrepaket, das Budget für die Bauern erhöhen wollen. (Beifall bei der ÖVP.)

Jetzt, meine Damen und Herren, komme ich zur lieben SPÖ. Herr Kollege Wimmer, Frau Kollegin Herr – doppelt rot sehen die, oder dreifach, ein bisschen Reisinger ist jetzt auch drinnen –: Ihr seht bei diesen Ausgleichszahlungen immer rot, ihr kritisiert sie und macht von Haus aus Bauernbashing. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich bin Bürgermeister in meiner Gemeinde. Vielleicht geht auch ihr, liebe Kollegen, ab und zu in ein Gasthaus und redet dort mit den Leuten! Ich war bei einer Diskussion dabei, bei der es um die Ausgleichszahlungen gegangen ist und bei der es auch Kritik gegeben hat. Dabei ist mir ein Spruch in Erinnerung geblieben. Ein Altbauer ist aufgestanden und hat gesagt: Liebe Kollegen, diese Ausgleichszahlungen bekommen eigentlich gar nicht wir Bäuerinnen und Bauern – nein, der Konsument bekommt sie, weil es erst durch diese Ausgleichszahlungen für uns fleißige Bäuerinnen und Bauern in Österreich möglich ist, hochwertige und günstige Lebensmittel zu erzeugen. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Jetzt sage ich Ihnen noch etwas: Das unterstreiche ich zu 100 Prozent. Auch im Grünen Bericht steht, dass es Bereiche in der Landwirtschaft gibt, in denen man vom Erlös ohne Ausgleichzahlungen nicht mehr leben kann. Darum bin ich sehr dankbar dafür, dass jetzt, zum ersten Mal nach 2002, wieder ein Plus bei den GAP-Zahlungen für die Land- und Forstwirtschaft steht. Das ist ein wichtiges Zeichen für unsere bäuerlichen Familien­betriebe, für umweltschonende Landwirtschaft und vor allem für die Versorgungssicher­heit.

Ja, es gibt aber viele Anforderungen und Herausforderungen, und sie steigen jedes Jahr: Ich nenne das Tierwohl, die Qualitätsstandards, aber auch das Kuhurteil, den Borken­käferbefall, den Coronavirus und seine Auswirkungen, den Klimawandel.

Wir Bäuerinnen und Bauern sind Erstbetroffene. Wie ich am Beginn meiner Rede gesagt habe und was immer kritisiert wird: Diese Ausgleichszahlungen kommen uns allen zugute, im Sinne von Umweltschutz, im Sinne von Versorgungssicherheit und im Sinne von hochwertigen Lebensmitteln zu niedrigen Preisen. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Rössler.)

17.30


Präsidentin Doris Bures: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abge­ordnete Cornelia Ecker zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Abgeordnete.


17.30.39

Abgeordnete Cornelia Ecker (SPÖ): Frau Präsidentin! Abgeordneter Kühberger hat in seiner Rede behauptet, dass wir Sozialdemokraten gegen Ausgleichszahlungen seien. – Das ist nicht wahr. Im Gegenteil: Wir haben besonders für die Bergbauerngebiete in höherer und höchster Ebene immer eine höhere Ausgleichszahlung gefordert. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Kühberger.)

17.30


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Josef Hechenberger. – Bitte. (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 501

17.31.19

Abgeordneter Ing. Josef Hechenberger (ÖVP): Geschätzte Frau Präsidentin! Ge­schätzte Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kol­legen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich darf mit einem positiven Thema beginnen, und zwar auch in Lockdownzeiten: Auch in schwierigen Zeiten gibt es keine Probleme, keine Versorgungsengpässe bei Lebensmitteln, weil unsere österreichischen Bauern­familien rund um die Uhr fleißig arbeiten und Lebensmittel in ausreichender Menge und in hoher Qualität zur Verfügung stellen – letztendlich ist das auch unsere Aufgabe beziehungsweise unser Job.

Ich glaube aber, ein Thema ist sehr entscheidend: Wir haben einerseits stagnierende Produktpreise – das sind die wirklichen Herausforderungen für die Bauernfamilien – und andererseits steigende Anforderungen seitens der Gesellschaft, und da, denke ich, sind auch sehr, sehr stark politische Parteien mit dabei, die jeden Tag darüber nachdenken, wie man die Arbeit der Bauernfamilien erschweren und wie man das noch mehr kontrol­lieren kann – Thema Bürokratie. Gerade gestern haben wir wieder gesehen (Zwischen­ruf des Abg. Vogl), wie das Thema Bashing der Landwirtschaft mehr oder weniger einen Höhepunkt erlebt hat. Auf den Bauernpensionisten ist man neidig, weil er 850 Euro Pension kriegt (Ruf bei der SPÖ: Na, falsch!), auf den Mindestsicherungsempfänger, der in Wien 920 Euro kriegt, ist man nicht neidig. Das ist nicht fair, das ist nicht ehrlich, das ist nicht in Ordnung. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Gott sei Dank haben wir mit der GAP für die nächsten sieben Jahre stabile Rahmen­bedingungen. Jetzt geht es darum, gerecht zu verteilen. Wir müssen die Jugend stärken (Zwischenruf bei der SPÖ), wir müssen die produzierende Landwirtschaft stärken, wir müssen ganz wesentlich auch das Thema Tierwohl in Betracht ziehen. Sehr ent­schei­dend aus meiner Sicht ist, klar zu sagen: Die Bauernfamilien waren die ersten Umwelt­schützer, deshalb ist die Gemeinsame Agrarpolitik mit dem Öpul eine gute Ausrichtung und eine gute Unterstützung.

Bauern arbeiten fleißig, nicht 45 Jahre lang, sondern sobald es als Kind geht, und solange man arbeiten kann, solange es der Körper zulässt, arbeiten unsere Bauern­familien fleißig. Das machen wir auch sehr gerne. Wir brauchen ein bisschen Wert­schätzung.

In diesem Sinne: Danke für die Aufmerksamkeit! Ich glaube, letztendlich ist eines wichtig, nämlich dass wir einfach auch nach außen tragen, dass die Landwirtschaft unverzichtbar ist, denn sie versorgt uns das ganze Jahr, 365 Tage, mit Lebensmitteln. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

17.33


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Johann Weber. – Bitte. (Zwischenruf bei der SPÖ.)


17.33.48

Abgeordneter Ing. Johann Weber (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren hier im Hohen Haus! Vor allem aber geschätzte Damen und Herren zu Hause vor den Bildschirmen! Ja, ich bin ein Bauernkind, mein Vater war es, mein Bruder ist es, meine Schwester ist es, und Generationen vor uns waren es auch schon. Meine Familie steht für unser tägliches Brot, für das Leben in der Natur und mit der Natur und auch für eine Berufung. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Bauern denken nicht in Zehnjahresplänen, sie denken in Generationen. Sie übernehmen Verantwortung für ihr Land, ernähren die Menschen, und deshalb haben sie ein Recht auf entsprechendes Vertrauen, ein Recht auf Respekt, ein Recht auf Achtung ihres Eigentums.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 502

Heute haben viele Existenzängste. In den letzten 30 Jahren haben circa 50 Prozent der Höfe zugesperrt. Warum? – Sie haben vor den Niedrigpreisen, vor den hohen Flächen­preisen kapituliert (Zwischenrufe bei der SPÖ) und auch wegen der Bürokratie resigniert. Der Handel führt – gestatten Sie mir den Ausdruck! – einen grausamen Preiskampf. Notfalls werden die Waren aus dem Ausland importiert. (Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wir wissen nicht, wie sie genau produziert werden, aber Hauptsache, sie sind dann billig im Regal zu kaufen.

Verbraucher erwarten Höchstleistungen zu Tiefstpreisen. Der Grill darf kosten, was er will, das Fleisch soll möglichst gratis sein. Medien und Öffentlichkeit sehen in der Landwirtschaft den Sündenbock der Nation. Die Landwirtschaft ist für viele der Klima­killer, der Wasserverpester, der Insektentöter und so weiter und so fort. Jeder glaubt zu wissen, wie es geht, und verlangt das von uns. Die Preise zahlen letztendlich die Bauern, die Familien, das Land. Wenn wir ehrlich sind, zahlen wir das Ganze letztendlich alle selber. Wie würde Österreich ohne unsere Höfe aussehen?

Zur Wahrheit gehört dann aber noch etwas, und zwar fühlen sich unsere Bauern vom Markt zerrieben, von der Gesellschaft geächtet, von der Politik teilweise verlassen, das haben wir gestern eindeutig gehört – ich erinnere an den gestrigen Tag, an die Rede von Herrn Kollegen Wimmer.

Alles, was unsere Bauern brauchen, sind faire Rahmenbedingungen. Gott sei Dank haben wir eine Ministerin – Elisabeth Köstinger ist ja so eine (Zwischenruf bei der SPÖ) –, die für unseren Bauernstand noch kämpft, in den Ring steigt und ein entsprechendes Budget auf die Beine stellt, damit wir doch noch positiv in die Zukunft blicken können. (Neuerlicher Zwischenruf bei der SPÖ.)

In diesem Sinne: Danke für dieses Budget, und den Bauern alles Gute! – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

17.36


Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete Irene Neumann-Hartberger ist die nächste Rednerin. – Bitte.


17.36.36

Abgeordnete Irene Neumann-Hartberger (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Allein die Tatsache, dass ich als 34. Rednerin zum Tagesordnungspunkt Landwirtschaft, Regionen und Tourismus spreche, zeigt uns, wie komplex dieser Bereich ist. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Trotzdem sind es nur mehr 3 bis 4 Prozent der Bevölkerung, die in der Landwirtschaft tätig sind. Von ihren Leis­tungen profitieren aber alle Österreicherinnen und Österreicher, denn die Landwirtschaft schafft viele Arbeitsplätze im vor- und nachgelagerten Bereich.

Ich weiß, dass jedem in diesem Saal bewusst ist, dass alle kulinarischen Genüsse, die wir tagtäglich zu uns nehmen, in der ureigensten Form Produkte unserer Landwirtschaft sind und es eine Selbstverständlichkeit ist, dass die Regale heutzutage rund um die Uhr gefüllt sind. Die Landwirtschaft war und ist jetzt auch wieder durch den fehlenden Absatz im Tourismus mit massiven Preiseinbußen in vielen Bereichen konfrontiert, aber einige haben die Krise als Chance gesehen, sich spezialisiert und gehen neue Wege in der Vermarktung.

In die gleiche Kerbe schlägt das von unserer Ministerin geführte Netzwerk Kulinarik mit dem weiterentwickelten AMA-Genuss-Region-Siegel. Weil Qualität auch Kontrolle braucht, haben sich bereits rund 1 600 Gastronomiebetriebe, Direktvermarkter und Manufakturen zertifizieren lassen und damit zum Ausdruck gebracht, dass ihnen regio­nale Produkte, qualitäts- und herkunftsgesichert, ein Anliegen sind.


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Diese Initiative unterstützt nämlich Gastronomie und bäuerliche Familienbetriebe, mit dem Zusatzeffekt, dass Arbeitsplätze in der Region bleiben und kürzere Transportwege die Umwelt schonen. Unsere Bäuerinnen und Bauern finden mit ihrer Offenheit und Kreativität immer wieder neue Wege und damit Zukunftschancen und sichern so ihr Einkommen mit zusätzlichen Standbeinen zur Urproduktion. Urlaub am Bauernhof, private Beherbergungsbetriebe sowie Buschenschanken und Heurige leiden genauso unter dem Lockdown, und deshalb auch an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an unsere Frau Minister, die für diese Betriebe den Umsatzersatz im selben Ausmaß wie für Gastronomie und Tourismus sicherstellt.

In der Landwirtschaft wissen wir, dass wir nicht alles kontrollieren und steuern können, wie zum Beispiel das Wetter oder Weltmarktpreise, aber wir sind es gewohnt, Dinge, die man nicht ändern kann, zu akzeptieren und dennoch mit Zuversicht und Fleiß das Beste daraus zu machen. Rahmenbedingungen zu schaffen liegt in der Verantwortung der Politik. Das erhöhte Budget 2021 bildet eine solide und verlässliche Grundlage für die Absicherung der produzierenden Land- und Forstwirtschaft und des ländlichen Raums.

Weil gestern hier das Dankesagen so belächelt wurde: Bitte und Danke sind Grundwerte, die man Kindern als Erstes beibringt. Danke drückt Wertschätzung aus, und Danke zu sagen tut nicht weh. Ein großes Dankeschön an dieser Stelle an unsere Bäuerinnen und Bauern und an unsere Frau Ministerin, die Tag für Tag für die österreichische Land- und Forstwirtschaft kämpft. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

17.39


Präsidentin Doris Bures: Zur Untergliederung Landwirtschaft, Regionen und Touris­mus liegt mir nun keine Wortmeldung mehr vor. Daher erkläre ich diesen Themenbereich für beendet.

17.40.09UG 30: Bildung

UG 31: Wissenschaft und Forschung


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen nun zu den Untergliederungen 30: Bildung, sowie 31: Wissenschaft und Forschung. Hierüber werden wir die Debatten unter einem durchführen.

Ich begrüße Herrn Bundesminister Heinz Faßmann in unserer Mitte.

Als erste Rednerin ist Frau Abgeordnete Sonja Hammerschmid zu Wort gemeldet. Ich erteile ihr das Wort. – Bitte.


17.40.36

Abgeordnete Mag. Dr. Sonja Hammerschmid (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe ZuseherInnen zu Hause! Ja, Herr Bundesminister, mehr Schaden hätte man mit dem Herunterfahren des regu­lären Präsenzunterrichts nicht anrichten können. Die Pädagoginnen und Pädagogen dazu zu verdonnern, innovativen, kreativen Onlineunterricht für die Kinder zu Hause vor den Bildschirmen entlang ihrer Stundentafel anzubieten, sie aber gleichzeitig aufzu­fordern, dass sie in Kleingruppen an der Schule die Kinder betreuen und auch noch Unterricht und Förderunterricht mit ihnen machen sollen, das kann sich selbst im besten Fall nicht ausgehen. Dieser Spagat kann einfach nicht gelingen – vor allem auch dann, wenn es noch an Grundsätzlichem fehlt.

Die Rückmeldungen, die wir erhalten haben, per Mail, aber auch in den Medien – der „Falter“ hat es unter dem Titel „Das große Versagen“ wirklich gut zusammengefasst –,


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sprechen ja eine deutliche Sprache. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Den Schulen und den PädagogInnen heute noch auszurichten, dass unterbeschäftigte Lehrer – das ist jetzt nicht meine Wortwahl, die kommt aus dem Ministerium – für Betreuung und andere Dinge an der Schule eingesetzt werden sollen, finde ich schon wirklich zynisch; dazu nachher noch mehr.

Die LehrerInnen berichten noch immer von fehlenden Tablets, andere davon, dass Kinder zwar ein Endgerät haben, aber nicht genug Datenvolumen zu Hause, um über­haupt arbeiten zu könnten. Andere sagen, Schoolfox ist zwar angeschafft, aber noch nicht installiert. Die einen haben wenige Kinder an der Schule, die anderen haben 70, 80 Prozent der Kinder an der Schule. Man findet also ganz, ganz unterschiedliche Verhältnisse vor.

An dieser Stelle mein herzlichster Dank an die Pädagoginnen und Pädagogen in unseren Schulen, die mit ihrer Kreativität, mit ihrem Engagement und mit ihrer Leidenschaft Schule in dieser schweren Zeit gelingen lassen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeord­neten der NEOS.)

Das Traurige an der ganzen Geschichte ist: Das alles wäre mit einer cleveren Test­strategie, die wir seit dem Sommer einfordern, nicht notwendig gewesen. Seit dem Sommer fordern wir diese ein und sagen: Pädagoginnen und Pädagogen bitte in ein Screeningprogramm aufnehmen, ähnlich wie es das in der Pflege, ähnlich wie es das im Krankenhaus gibt, sodass man Infizierte sehr rasch erkennen kann. Weiters ist die Verwendung von Schutzmasken, FFP2-Masken, die jetzt bestellt wurden – ein wenig spät, wie ich meine –, essenziell sowie eine wirklich frühzeitige Ausstattung von Schüle­rinnen und Schülern und Pädagoginnen und Pädagogen nicht nur mit Endgeräten, sondern auch mit erprobten Lernplattformen. Dann könnten nämlich die Schülerinnen und Schüler im regulären Schulunterricht, in regulären Klassenverbänden und nicht täglich neu zusammengewürfelt in Kleingruppen in der Schule sitzen, und am Nach­mittag in der Nachmittagsbetreuung werden sie noch einmal neu gemischt – und das in Zeiten von Corona.

Die Auswirkung auf unsere Kinder ist immens, das wissen wir. Nicht nur die kurzfristigen Bildungsverluste, sondern auch die mittel- und langfristigen Verluste reichen von 100 bis 200 Euro Einkommensverlust für jeden einzelnen Monat im Schullockdown, und die wirtschaftlichen Verluste und Kosten liegen bei 2 Milliarden Euro pro Monat mit geschlossenen Schulen.

Der Herr Bildungsminister wird mir jetzt an dieser Stelle wieder einmal erklären, dass er ja eh auch im Budget vorgesorgt hätte, weil nämlich für 2021 235 Millionen Euro für die Anschaffung von Computern im Budget vorhanden sind und bereits im Frühjahr 10 000 Endgeräte gekauft wurden. Diese mit 235 Millionen Euro budgetierten Computer landen im Schuljahr 2021/2022 in unseren Klassenzimmern, und da nur in der 5. und in der 6. Schulstufe, und drei Lehrer pro Klasse bekommen dann gnädigerweise auch noch einen. Wir wissen aber schon aus der ersten Phase des Lockdowns, dass es 140 000 Kinder gibt, die kein eigenes Endgerät zu Hause haben.

Was findet sich noch im Budget? – Ein Schmalspurchancenindex, einmalig für nächstes Jahr mit 15 Millionen Euro budgetiert – und das war es; als gäbe es Corona nicht, als hätten wir kein Problem. Wir brauchen aber dringend mehr Geld für Förderungen, für Förderstunden, für Pädagoginnen und Pädagogen, für Unterstützungspersonal et cetera, et cetera. Sibylle Hamann hat im „Falter“ noch ausgeführt, Sie würden unglaub­lich viel Geld in die Hand nehmen – ja, aber im Budget ist davon gar nichts zu finden.


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Was dort auch nicht drinnen ist, ist der Ausbau der ganztägigen Schulen, denn diese könnten jetzt wirklich helfen: Es gäbe ausreichend Zeit, mit den Kindern zu arbeiten, sie zu fördern, Defizite aufzuholen, aber auch die Möglichkeit, an diesen Schulen Breitband-WLAN entsprechend abzubilden, einzubauen und Endgeräte vor Ort zu haben, sodass diese Defizite, die daheim vorhanden sind, an diesen ganztägigen Schulen ausgeglichen werden könnten. Das trägt zur Bildungsgerechtigkeit bei und kann die Defizite schwinden lassen. In der Ganztagsschule sind die Kinder nicht mehr, wie in der halbtägigen Haus­übungsschule, vom pädagogischen Talent ihrer Eltern oder deren Geldbörsen abhän­gig – und das Budget für diese ganztägigen Schulen wurde in der letzten Legislaturperi­ode halbiert.

Deshalb bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, Kolleginnen und Kollegen betreffend „verstärkter Ausbau der Ganztagsschulen“

Der Nationalrat wolle beschließen: 

„Der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung wird aufgefordert, den zügigen Ausbau der Ganztagsschule zu garantieren, um zu ermöglichen, dass bis 2027 50% aller SchülerInnen eine ganztägige Schule besuchen können.“

*****

(Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

17.46

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Sonja Hammerschmid,

Genossinnen und Genossen

betreffend verstärkter Ausbau der Ganztagsschulen

eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Budgetausschusses über TOP 11: Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2021 (Bundesfinanzgesetz 2021 - BFG 2021) samt Anlagen -UG 30

Die Corona Krise hat uns die Probleme und Defizite unseres Schulsystems erst so richtig deutlich gemacht. Viele Kinder konnten im Home Schooling nicht erreicht werden und starteten mit völlig unterschiedlichen Voraussetzungen wieder in die Schule, weil Schulen für Distance-Learning nicht gerüstet waren. Die Bildungsschere droht noch weiter aufzugehen. Daher wären dringend weitere Maßnahmen in vielen schulischen Bereichen notwendig – besonders auch der Ausbau der Ganztagsschule. Dies unter­streichen auch die Ergebnisse der Experten des Integrationsberichtes, der im Septem­ber 2020 präsentiert wurde. Für die Vorsitzende der Expertenkommission Katharina Pabel, ist es notwendig auf ganztätige Schulen zu setzen: "Davon würden alle Schülerin­nen und Schüler profitieren"1.

Fakt ist aber, dass die Mittel zum Ausbau ganztägiger Schulformen nicht erhöht, sondern gestreckt wurden. Die 750 Millionen Euro, welche 2016 im Bildungsinvestitionsgesetz beschlossen wurden und das mit 1. September 2017 in Kraft trat, hatten ursprünglich


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zum Ziel, bis 2025 40% aller Schülerinnen und Schüler den Besuch einer ganztägigen Schule zu ermöglichen. Den Schülerinnen und Schülern soll eine qualitätsvolle schuli­sche Betreuung geboten werden und ein ganzjähriges, bedarfsorientiertes Angebot für die Erziehungsberechtigten darstellen und somit zu einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf beitragen. Unter der ÖVP/FPÖ Regierung wurde in einer Novelle zum Bildungsinvestitionsgesetz der Zeitraum von 2025 bis 2032 erstreckt und somit der Ausbau ganztägiger Schulformen entscheidend verlangsamt.

Die letzten Monate haben uns jedoch allen gezeigt, dass Eltern kein Ersatz für Leh­rerinnen und Lehrer sein können. Homeschooling kann die Schule nicht ersetzen. Daher ist es dringend notwendig, dass wir von der Hausübungs- und Halbtagsschule weg­kommen, in der der Erfolg unserer Kinder weiterhin von den Unterstützungsmöglich­keiten der Eltern abhängen. Auch für den OECD Bildungsdirektor Andreas Schleicher ist klar, dass die meisten erfolgreichen Bildungssysteme auf Ganztagsschulen setzen, da sie bessere Förderung bieten.2 Die Mittel für den Ausbau von ganztägigen Schulformen sollen erhöht werden, sodass alle 6- bis 14-Jährigen die Möglichkeit haben, in ihrem Bezirk eine ganztägige Schule zu besuchen. Langfristig muss es das Ziel sein, den Eltern in unmittelbarer Wohnumgebung echte Wahlfreiheit zu bieten und den Anteil der Schülerinnen und Schülern in ganztägigen Schulformen auf 50 % im Jahr 2027 zu erhöhen und den Schulerhaltern, die hierfür notwendigen Budgetmittel sowie Unterstüt­zung zur Verfügung zu stellen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung wird aufgefordert, den zügigen Ausbau der Ganztagsschule zu garantieren, um zu ermöglichen, dass bis 2027 50% aller SchülerInnen eine ganztägige Schule besuchen können.“

1 https://www.derstandard.at/story/2000119855870/bildung-als-baustelle-fuer-integration-politik-und-experten-mit-unterschiedlichen

2 https://www.spiegel.de/lebenundlernen/schule/pisa-interview-schneewittchen-und-die-bildungsreformen-a-525753.html

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher auch mit in Verhandlung.

Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Rudolf Taschner. – Bitte.


17.46.58

Abgeordneter Mag. Dr. Rudolf Taschner (ÖVP): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Geschätzte Frau Kollegin Hammerschmid, vielleicht haben Sie die Karikatur von Wizany in den „Salzburger Nachrichten“ – ich glaube, es war gestern oder vorgestern – gesehen. Da wurde berichtet, welches Mittel die sozialistische Partei gegen die Coronakrise hat: Das hat man aus bestimmten Gründen Suderol genannt (Zwischenruf des Abg. Vogl), und das war auch in Ihrer Rede wieder zu hören.

Dabei ist es eigentlich höchst eigenartig, dass Sie dann aber trotzdem sagen können – und ich schließe mich Ihrem Dank den Lehrerinnen und Lehrern gegenüber natürlich an –, dass Schule gelingt. Ja, Schule wird gelingen! (Zwischenruf der Abg. Hammerschmid.) Sie


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wird natürlich aufgrund des großen Engagements derer, die in der Schule arbeiten, gelingen, und selbstverständlich ist das anzuerkennen – na, ganz klar! –, aber dieses sozusagen Hinstellen: Wir sind vor dem Abgrund!, damit sind Sie in einem anderen Universum als in Österreich, das kann ich Ihnen schon mitteilen. (Beifall bei der ÖVP.)

Es muss auch dazugesagt werden: Wir sprechen hier über das Budget des Jahres 2021, ich möchte daher auf die Zahlen zurückkommen, auf die es ankommt. Wir haben nämlich mehr Geld im Bildungsbereich – im Bildungsbereich sind es 9,75 Milliarden Euro, das ist eine Steigerung um 3,7 Prozent und damit eine wirklich immense Steigerung (Zwi­schenruf der Abg. Hammerschmid) –, und im Forschungs- und Wissenschafts­bereich haben wir mehr als 5 Milliarden Euro zusätzlich und damit eine Steigerung von 8,7 Pro­zent.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Zahlen sprechen für sich, und zwar dahin gehend, dass aufgrund der Arbeit, die die Regierung hier leistet, Österreich in der Bildung und in der Wissenschaft und Forschung wirklich gut dasteht. Ich glaube, das sollte man auch anerkennen, selbst wenn Sie meinen, wir stehen vor dem Abgrund, was wir natürlich nicht tun. (Zwischenruf des Abg. Vogl.)

Nebenbei gesagt könnten Sie sagen: Dieses Geld wird falsch ausgegeben! – Darin haben Sie natürlich Erfahrung, Frau Bundesministerin a. D., und auch die Bundesminis­terinnen vor Ihnen, aber wir werden dieses Geld, und zwar jeden Cent, sinnvoll aus­geben. Ich will zum Beispiel nur – die Kolleginnen und Kollegen, die nach mir sprechen, werden es einzeln aufzählen – die 235 Millionen Euro erwähnen, die wir in den digitalen Unterricht investieren. Wir machen das nicht husch, pfusch: Da habt ihr Tablets und jetzt geht!, sondern wir haben ein Achtpunkteprogramm aufgesetzt, in dem eine genaue Strategie entwickelt wird, wie Digitalisierung in der Schule gelingen soll: nämlich zu­nächst einmal Digitalisierung als Kompetenz, dass man mit diesem digitalen Gerät umgehen kann, Digitalisierung als Hilfsmittel für die anderen Fächer – nebenbei gesagt ist Mathematik gar nicht das Hauptfach dabei, denn wenn man Mathematik verstehen will, ist meistens der Computer das größte Hindernis – und Digitalisierung auch in dem Sinne nahezubringen, dass mit dem digitalen Gerät die Conditio humana erhalten bleibt, dass es also gilt, diese Dialektik aufzuschlüsseln.

Das sind hohe Ansprüche, die wir mit diesen 235 Millionen Euro verbinden. Diesen hohen Ansprüchen werden wir uns stellen, und es wird uns mithilfe der Mitarbeit der Kolleginnen und Kollegen, die in den Schulen unterrichten, aber auch mithilfe der klugen Regierungsführung aufseiten des Bundesministers auch gelingen. Ich glaube, daran können Sie sich ein Beispiel nehmen. Legen Sie vielleicht Ihren kritischen Blick ab und schauen Sie, wie man es richtig macht! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

17.50


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hermann Brückl. – Bitte.


17.50.32

Abgeordneter Hermann Brückl, MA (FPÖ): Frau Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Hohes Haus! Die Hoffnung stirbt be­kanntlich zuletzt. In diesem Fall ist es die Hoffnung unserer Kinder und ihrer Eltern auf eine baldige Rückkehr in den Präsenzunterricht sowie auch die Hoffnung darauf, dass die Schäden, die entstanden sind und noch entstehen werden, tatsächlich wieder repa­riert werden können.

Entgegen jeder wissenschaftlichen Evidenz und auch entgegen jeder in Österreich mit Bildungspolitik befasster Organisation hat der Herr Bundeskanzler im Alleingang die


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Schulen geschlossen. Er hat im Alleingang unsere Kinder wieder in das Distancelearning geschickt.

Angefangen vom Gesundheitsminister über den Herrn Bildungsminister, die Corona­kom­mission, den Katholischen Familienverband, Kinderfreunde, Industriellenvereini­gung, Arbeiterkammer, Wirtschaftskammer, Ärztekammer, Wifo, IHS, Caritas, Öster­reichische Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde, und, und, und, alle haben gesagt: Lasst die Schulen offen! (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Vogl.)

Sie haben es vor allem auch deswegen gesagt, weil erwiesenermaßen die Schulen nicht die Treiber des Infektionsgeschehens sind. Das wissen auch Sie, Herr Bundesminister. Und – bei allem Respekt, Herr Professor Taschner –, der Schaden ist angerichtet, die Bildungslücken sind da, die Bildungsrückstände sind da, und wir wissen nicht, ob das wiedergutgemacht werden kann. Motivation und Tagesstruktur unserer Kinder sind verloren gegangen, soziale Isolation hat zu massiven Schäden geführt, Zukunftsängste sind entstanden. Eine ganze Coronageneration hat sich da herauskristallisiert und ist herangewachsen.

Die Regierung hat dann mit ihren Maßnahmen auch noch einen Keil in unsere Ge­sellschaft getrieben, der sich jetzt ganz besonders auch im Schulbereich manifestiert: Jene Eltern, die keine andere Betreuungsmöglichkeit haben und ihre Kinder jetzt zur Betreuung in die Schule schicken, werden von jenen Eltern, die die Möglichkeit haben, zu Hause auf ihre Kinder aufzupassen, mit bösen Blicken und mit harscher Kritik gestraft.

Die Regierung wäre gut beraten, wenn sie versuchen würde, diesen von ihr angesetzten Keil wieder herauszubringen, und die Regierung wäre auch gut beraten, wenn sie bud­getär dafür sorgen würde, dass die Folgeschäden, die jetzt durch diesen zweiten Schul­lockdown entstehen, der vom ÖVP-Bundesparteiobmann im Alleingang beschlos­sen wurde, abgefedert werden.

In diesem Sinne darf ich folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Hermann Brückl, MA, Kolleginnen und Kolleginnen betreffend „aus­reichende Budgetmittel für Schulschließungs- und Lockdown-Verlierer“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung werden aufgefordert, die notwendigen Budgetmittel für Begleit­maß­nahmen sicherzustellen, um mit diesen Maßnahmen die Folgeschäden des Schul-Lock­downs möglichst gering zu halten“

*****

Der Herr Bundeskanzler wäre im Übrigen auch gut beraten, wenn er, anstatt die dritte Welle, den dritten Lockdown anzukündigen, wie er es heute in den Medien getan hat, dafür sorgen würde, dass man den Menschen Hoffnung gibt und dass er nach außen etwas Positives ausstrahlt. (Zwischenruf des Abg. Strasser.)

Hohes Haus! Unsere Kinder brauchen soziale Kontakte, sie brauchen Motivation, sie brauchen Zukunftshoffnung, sie brauchen eine Tagesstruktur, sie brauchen Mut und Zuversicht und sie haben das Recht auf Schulbesuch – das muss man ihnen geben und die Regierung muss dafür sorgen! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der SPÖ.)

17.54


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 509

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Hermann Brückl, MA

und weiterer Abgeordneter

betreffend ausreichende Budgetmittel für Schulschließungs- und Lockdown-Verlierer

eingebracht in der 62. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 18. November 2020 im Zuge der Debatte zu TOP 11, Bericht des Budgetausschusses über die Regierungs­vorlage (380 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2021 (Bundesfinanzgesetz 2021 – BFG 2021) samt Anlagen (449 d.B.) – UG30

Entgegen jeder wissenschaftlicher Evidenz und ohne jeglicher Begleitforschung verkün­detet die Bundesregierung am 13. November 2020 die neuerliche defacto Schul­schließung mit 17. November 2020. Davor wurde bereits der Präsenzunterricht in der Oberstufe mit 3. November auf „distance-learning“ umgestellt. Nach den wochenlangen Schulschließung im März, April und Mai dieses Jahres, der nächste Anschlag auf die Kinder, Jugendliche, Eltern und Lehrer.

Sollen, falls die Coronazahlen nicht sinken, nach den Oberstufen auch die Pflichtschulen wieder geschlossen werden? Die Opposition ist dagegen, die Bundesländer sind dagegen, die Eltern- und Familienverbände sind dagegen. Und auch das Bildungs­ministerium ist strikt dagegen. Das Ressort von Minister Heinz Faßmann führt für das Offenhalten der Pflichtschulen zahlreiche Argumente ins Treffen. (Salzburger Nach­richten am 10. November 2020)

Die Österreichische Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ) spricht sich am 10. November 2020 für bessere Präventionsmaßnahmen innerhalb der Bildungs­einrichtungen statt Schulschließungen und Distance Learning aus.

IV-Präsident Georg Knill zu Schulschließungen am 11. November 2020: „Gravierende wirtschaftliche und soziale Folgen – Große Belastung für Kinder, Lehrende, Eltern und Betriebe – Bildungspolitische Reparaturmaßnahmen nötig“.

Die Gesundheitskrise dürfe nicht auf dem Rücken der Kinder ausgetragen werden, mahnte am 11. November 2020 WKO Steiermark Vizepräsidentin und Landesvorsit­zende von Frau in der Wirtschaft, Gabriele Lechner. Sie lehnt einen Bildungslockdown ab.

AK-Präsidentin Anderl am 12. November zu möglichen Schulschließungen: „Kinder und Jugendliche dürfen nicht weiter die Verlierer der Corona-Einschränkungen bleiben.“

Werner Rainer vom Landesverband der Elternvereine Kärnten plädierte am 12. Novem­ber 2020 dafür, die Schulen so lange wie möglich offen zu halten. Auch die Lehrer seien aus pädagogischer Sicht für das Offenhalten, sagte Pflichtschullehrer-Gewerk­schafter Stefan Sandrieser.

Joris Gruber, Präsident des Landesverbands der Elternvereine an höheren und mittleren Schulen, bleibt auch am 14. November 2020 bei seiner Forderung, dass die Schulen offen bleiben sollten. "Die Kinder brauchen geregelten Unterricht und soziale Kontakte", sagt er.

Die baden-württembergische Kultusministerin Eismann (CDU), weiß es inzwischen auch besser. Bei einer erst kürzlich stattgefunden Bürgersprechstunde meinte sie: „Flächen­deckende Schulschließung war ein Fehler.“


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 510

Geht es nach der Regierungs-Ampel-Kommission vom 12. November 2020, sollen Schulen trotz der hohen Corona-Zahlen weiterhin geöffnet bleiben, da es sich dabei nicht um die Treiber des Infektionsgeschehens handle.

 „Ich fürchte, dass wir dadurch eine ganze Generation zu Corona-Verlierern machen“, so Vizepräsidentin des katholischen Familienverband Österreichs (kfbö) Astrid Ebenberger am 16.11.2020 in einer Aussendung.

Auch wenn eine Covid-19-Begeleitforschung nicht sattgefunden hat - auf Grund der beharrlichen Weigerung der Bundesregierung Budgetmittel zur Verfügung zu stellen - ist es völlig klar, dass die Schulschließungen enorme Folgeschäden bei den Betroffenen, vor allem aber bei den Schülerinnen und Schülern, verursachen. Um diese zumindest abzufedern, ist eine entsprechende budgetäre Vorsorge zu treffen.

Daher stellen die unterzeichnenden Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung werden aufgefordert, die notwendigen Budgetmittel für Begleit­maß­nahmen sicherzustellen, um mit diesen Maßnahmen die Folgeschäden des Schul-Lockdowns möglichst gering zu halten“

*****


Präsidentin Doris Bures: Dieser Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß einge­bracht und steht daher mit in Verhandlung.

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Sibylle Hamann. – Bitte.


17.54.30

Abgeordnete Mag. Sibylle Hamann (Grüne): Frau Präsidentin! Lieber Herr Bundes­minister! Wir reden heute über das Budget und die eine Zahl ist ja schon gefallen: 235 Millionen Euro. Die stehen im Budget für Laptops und digitale Endgeräte für Schü­lerinnen und Schüler, und das ist einmal viel Geld. Es ist aber nicht nur viel Geld, es ist auch die Einlösung eines wirklich großen, umfassenden Versprechens, das Österreich eigentlich schon vor Jahrzehnten gegeben hat, nämlich dass Kinder in Österreich alle Mittel, die sie für den Schulbesuch und für das Lernen brauchen, kostenlos vom Staat bekommen, unabhängig von ihrer Herkunft. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Kollegin Hammerschmid hat schon recht: Wir alle hören die Berichte aus der Praxis in den Schulen. Es gibt selbstverständlich Probleme mit dem Distancelearning. Es gibt selbstverständlich noch immer – was ein Skandal ist – Schulen ohne funktionierendes WLAN, es gibt natürlich noch immer Lehrer, die das alles von ihren privaten Geräten aus machen, und es gibt viele Kinder, die überhaupt keine Geräte haben.

Da können wir schon mit dem Finger auf uns zeigen und sagen, das haben wir zu verantworten. (Zwischenruf des Abg. Rauch.) Wenn Sie aber ganz ehrlich sind, dann wissen auch Sie, dass die Digitalisierungsdefizite in diesem Land Jahrzehnte zurück­reichen und dass wir da riesige Versäumnisse angehäuft haben, die man in einem Jahr vielleicht ein bisschen aufholen kann, aber nicht grundsätzlich wegbringt. Das sollten Sie eigentlich wissen! (Beifall bei Abgeordneten von Grünen und ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Kollross.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 511

Wir gehen das Problem jetzt aber an, und zwar mit einem wirklich großen Sprung  die 235 Millionen Euro wurden ja schon erwähnt. Ich werde jetzt historisch ein bisschen ausholen, damit man sich der Dimension dieser Sache ein bisschen bewusst wird.

Wie war denn das in den Sechzigerjahren in Österreich? – Da gab es in den Schulen die bürgerlichen Kinder. Sie kamen mit ordentlichen, festen Schuhen in die Schule und saßen mit sauberen Heften und neuen Büchern in der Klasse, weil sich ihre Eltern diese Bücher leisten konnten. Und dann gab es die Kinder, die man manchmal die Schmud­delkinder genannt hat. Wir haben ja vorhin gerade von den Bauern geredet, Werner Kogler erzählt das auch immer ganz gerne: Er stank halt immer, wenn er in die Schule kam, noch ein bisschen nach Stall. Diese Kinder hatten in den Sechzigerjahren die zernudelten Bücher, die die Lehrer irgendwo aus der Lade hervorgezogen haben, denn die waren aus dritter Hand und wurden immer weitergegeben.

Was macht das mit Kindern? – Das ist ein Signal, gerade auch, wenn wir an die höheren Schulen denken: Du gehörst mit deinen zernudelten Büchern eigentlich nicht hierher!

Warum sage ich das? – Schauen Sie sich an, wie Kinder heute mit Laptops arbeiten und wie da die Unterschiede sind! Das ist genau dasselbe wie damals mit den Büchern! (Zwischenruf des Abg. Kollross.) Da gibt es die einen, die alle zwei Jahre ein neues Apple-Modell haben, es gibt die anderen, die nur die Handys mit dem kaputten Display haben, und die vielen, die irgendeinen Uraltlaptop haben. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Kollross.) Den hat vielleicht die Arbeitskollegin der Nachbarin gespendet, weil der Akku nicht mehr so gut funktioniert. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Wenn man sich einmal historisch betrachtet überlegt, was wir da mit diesem Geld und mit dem dauerhaften Programm, das wir aufsetzen, machen, dann stellt man fest: Wir machen nichts anderes als das, was die Schulbuchaktion in den Siebzigerjahren ge­macht hat. Das ist doch eigentlich etwas, auf das Sie stolz sein sollten!

Was wir machen, ist: Wir sorgen für dieselben, für neue, einheitliche hochwertige Geräte für alle Kinder, damit alle Kinder in unserem Schulsystem dieselben Chancen haben. Das ist zumindest einer der großen und großartigen Brocken in diesem neuen Budget, in diesem Budget für das nächste Jahr. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

17.58


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Martina Künsberg Sarre. – Bitte.


17.58.37

Abgeordnete Mag. Martina Künsberg Sarre (NEOS): Frau Präsidentin! Herr Minister! Hohes Haus! Zuerst einmal: Hut ab, Herr Minister Faßmann, dass zumindest Sie als Einziger in dieser Bundesregierung letzten Samstag bis zum Schluss dafür gekämpft haben, dass die Schulen offen bleiben, gemeinsam mit vielen Expertinnen und Experten, mit der Coronakommission, die sich auch gegen die Schließung ausgesprochen hat, mit den Oppositionsparteien und auch mit den Bildungsreferenten der Länder. Wie wir sehen, hat das aber nichts genützt, weil offensichtlich nur einer in dieser Bundes­regie­rung etwas zu sagen hat, nämlich der Bundeskanzler.

Wenn ich mir das Bildungsbudget anschaue, dann sehe ich: Es ist mutlos und visionslos. Es ist eine Fortschreibung des Bestehenden, und bis auf die von Frau Kollegin Hamann gerade angesprochenen und großgemachten 235 Millionen Euro für die Digitalisierung ist de facto nichts Neues da. (Abg. Salzmann: Geh! ... ist komplett neu!)

Die Digitalisierungsoffensive – ich glaube, darin sind wir uns alle einig – kommt jetzt, also im nächsten Jahr, weil die Not durch Covid so groß war. Diese Zeit hat uns vor Augen geführt, dass die Digitalisierung in Österreich verschlafen wurde. Sie können jetzt


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sagen, das waren die vorigen Regierungen, aber man muss in solch einer Krise ja ein bisschen lernen, in die Gänge kommen und an Tempo zulegen.

Diese Vergangenheitsaufzählung, was in den Sechzigerjahren und in den Siebziger­jahren im Bildungsbereich passiert ist, nützt uns heute nichts, sondern wir müssen in die Zukunft schauen – und das habe ich in Ihrem Redebeitrag auch vermisst, Frau Kollegin Hamann. Die Krise macht vieles deutlich, die Bildungsschere geht auseinander, und dagegen ist im Budget überhaupt nichts abgebildet. Es gibt kein zusätzliches Förder­programm, es gibt kein Angebot für verschiedene Schülergruppen, wie die Maturanten, die nicht wissen, wie es weitergeht. Das gilt auch für die Jugendlichen, die jetzt die Pflichtschule abschließen, und viele andere Kinder mehr.

Wir bräuchten Investitionen, ich sage nur das Stichwort Lüftung – das ist in anderen Ländern bereits angekommen, in Österreich, glaube ich, noch nicht. Da ist überhaupt nichts vorgesehen, obwohl Sie sechs Monate Zeit gehabt hätten, etwas auf die Beine zu stellen, auch aus den Erfahrungen des Frühlings zu lernen, was wir brauchen und was wir dringend umsetzen sollen.

Was haben Sie gemacht? – Es gibt 15 Millionen Euro für Desinfektionsmittel und Mas­ken. Das ist gleich viel Geld, wie für das Projekt 100 Schulen, das einmal ein grünes Prestigeprojekt gewesen ist und jetzt im Ministerium unter Forschungsprojekt läuft, vorgesehen ist. Wir brauchen mehr als 100 Schulen, und wir brauchen auch mehr als 15 Millionen Euro für Schulen mit besonderen Herausforderungen. Das wird jetzt noch deutlicher.

Da es die Grünen und auch die ÖVP hier so schmerzt, dass sie nicht mehr oder nicht Mitglied der neuen Wiener Stadtregierung sind, habe ich Ihnen auch etwas mitgebracht. In Wien – und es ist gut, dass Pink, dass NEOS dabei ist – wird es in den nächsten Jahren jährlich 120 Millionen Euro mehr für Bildung geben. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es wird das größte Schulentwicklungsprogramm geben, es wird viel in Unterstützungs- und sozialpädagogisches Personal investiert. Der Fokus liegt auf Elementarpädagogik, nicht nur im quantitativen, sondern vor allem im qualitativen Ausbau. Um Ihnen den Vergleich zwischen diesen 15 Millionen Euro für 100 Schulen und dem, was wir jetzt in Wien machen werden, zu zeigen, habe ich Ihnen etwas mitgebracht.

Da sehen Sie den Unterschied (eine Tafel mit einem Säulendiagramm, dessen eine Säule mit „Türkis-Grün“ und dessen andere Säule mit „Rot-Pink“ beschriftet ist, in die Höhe haltend): jährlich 120 Millionen Euro gegenüber 15 Millionen Euro, die im Bund für Brennpunktschulen ausgegeben werden. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Ich glaube, das ist ein Beitrag aus Wien dazu, die Bildungsschere zu schließen oder in den nächsten Jahren zumindest zu verkleinern.

Jetzt noch eine kurze Anmerkung zu den Schulschließungen – Kollege Taschner wird sich jetzt wahrscheinlich gleich wieder auf den Weg machen, um mich tatsächlich zu berichtigen, weil ja die Schulen nicht geschlossen sind (Zwischenrufe bei der ÖVP) –: In den Schulen findet kein Unterricht statt, und die Schulen sind nicht offen. Wenn Sie die Bevölkerung fragen, wie sie das wahrnimmt, werden Ihnen ganz, ganz viele Menschen sagen, die Schulen sind nicht offen. (Beifall bei den NEOS. – Ruf bei der ÖVP: Das wurde falsch vermittelt! – Zwischenruf des Abg. Martin Graf.)

Es ist auch eine Haltungsfrage, welchen Stellenwert Bildung für Kinder und Jugendliche in diesem Land hat – und da hätten wir uns auch von den Grünen mehr erwartet, die nämlich nicht für Bildung einstehen, sondern zusätzlich noch die Aussagen des Bun­deskanzlers wiederholen und sogar verteidigen. Letztes Jahr haben sie plakatiert: „Wen würde die Bildung wählen?“ (Ruf bei der FPÖ: Die Grünen sicher nicht mehr!) – Also ich


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glaube, die Grünen ganz sicher nicht mehr. (Beifall bei NEOS und FPÖ sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Andere Länder machen es vor: Sie haben in der Covid-Krise dieselben Probleme wie wir, sie fahren aber nur das öffentliche Leben herunter und lassen die Schulen offen – Irland zum Beispiel –, selbstverständlich mit Sicherheitsmaßnahmen wie Masken und einer gelingenden Teststrategie. Von beidem sind wir an den Schulen sehr, sehr weit entfernt, obwohl wir das seit Monaten fordern.

Ich glaube, Sie alle werden mir zustimmen, dass die Kinder echte Helden in dieser Krise sind. Wir haben ihnen schon sehr, sehr viel zugemutet und wir muten ihnen im Moment auch wieder ganz, ganz viel zu. Genau deswegen wäre es verantwortungsvoll und zukunftsorientiert, hier auch Geld in die Hand zu nehmen und ein Paket aufzusetzen, das auch den Kindern und Jugendlichen und nicht nur den anderen Lebensbereichen hilft, weil diese Kinder nämlich diejenigen sind, die die ganze Zeche, die jetzt quasi aufgenommen wird, zurückzahlen werden. Ich glaube, es wäre anständig, da auch ein gutes Paket aufzusetzen. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.)

Ich möchte auch noch zum Wissenschaftsbudget etwas sagen – wir NEOS loben ja immer, wenn etwas gut ist, und das möchte ich auch tun –: Es ist gut, dass die Uni­versitäten und auch die Fachhochschulen so viel mehr Geld bekommen. Das ist wirklich gut. Was wir weniger erfreulich finden, ist, dass es eine neue technische Universität in Oberösterreich geben wird. Das ist offensichtlich vor jeder Landtagswahl in Ober­öster­reich jetzt Usus: Zuerst gibt es eine medizinische Fakultät, dann gibt es eine technische Universität. Die Frage ist, was dann bei der übernächsten Wahl noch geplant ist. Das finden wir sehr, sehr spannend. Ein Bundespolitiker und ein Landespolitiker werden sich am Telefon sicher wieder etwas einfallen lassen. (Zwischenruf des Abg. Pöttinger.)

Wir reden immer davon, dass wir im Wissenschaftsbereich international mithalten wollen, international aufschließen wollen, auf Augenhöhe mit ganz, ganz wichtigen Wissen­schaftsstandorten sein wollen – und dann kommt eine neue Universität auf diese Weise quasi zur Welt. Das ist international unüblich. Ich glaube auch nicht, dass das in dieser Community gutgeheißen wird.

Was außer Streit steht, ist, dass wir einen Fokus auf Innovation, Technologie und Digitalisierung brauchen und dass wir auch einen IT-Fachkräftemangel haben. Das steht außer Streit.

Es geht darum, ein Standortkonzept zu entwickeln, bei dem einmal geschaut wird, was es gibt, wo Synergien gehoben werden können, wo Lücken sind – und erst dann soll es einen Standort geben. Es geht nicht, dass der Standort festgelegt ist und man dann alles andere rundherum baut.

Ein kurzes Wort noch zum Budget der Grundlagenforschung: Das steigt nicht so pro­portional wie die zusätzlichen Mittel für die Einrichtungen, das ist schade. Ich habe das im Budgetausschuss schon gesagt. Wir NEOS glauben, dass das wichtig wäre, weil Wettbewerb natürlich Innovation bringt und für Forschungseinrichtungen wichtig ist. Wir finden, dass das nicht sehr ambitioniert ist.

Auch die Mittel für die Nationalstiftung laufen Ende des Jahres aus. Da gibt es im Regie­rungsprogramm den Plan, den Fonds Zukunft Österreich zu etablieren. Da ist man ver­mutlich nicht wahnsinnig weit, was man daran erkennen kann, dass die Forschungs­einrichtungen eine Petition auf den Weg gebracht haben, mit der der Finanzminister aufgefordert wird, diesen Fonds Zukunft Österreich endlich umzusetzen und auch zu dotieren.


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Ich würde Sie also bitten, diesbezüglich auch mit dem Finanzminister zu reden und entsprechend Druck zu machen, damit die Forschungseinrichtungen Planbarkeit für nächstes Jahr haben. – Danke. (Beifall bei den NEOS.)

18.07


Präsidentin Doris Bures: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abge­ordnete Sibylle Hamann zu Wort gemeldet. (Zwischenruf bei den NEOS.) – Sie kennen die Bestimmungen der Geschäftsordnung. Bitte.


18.08.01

Abgeordnete Mag. Sibylle Hamann (Grüne): Ja, laut § 58. Kollegin Künsberg Sarre hat es sich ausdrücklich gewünscht, sie hat vorher gesagt, die Schulen seien nicht offen. (Abg. Brandstätter: Geh, hör auf!)

Ich berichtige: die Schulen sind offen, und zwar nicht nur für Betreuung, sondern auch für Unterstützung beim Lernen für alle, die das brauchen. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenrufe bei SPÖ und NEOS.)

18.08


Präsidentin Doris Bures: Eine weitere Wortmeldung zu einer tatsächlichen Berich­tigung liegt von Frau Abgeordneter Sonja Hammerschmid vor. – Bitte, Frau Abgeord­nete. (Abg. Kollross: Da hat die ÖVP den ...!)


18.08.34

Abgeordnete Mag. Dr. Sonja Hammerschmid (SPÖ): Abgeordnete Sibylle Hamann hat in ihrer Rede behauptet, dass alle Kinder ihre Lernmittel kostenlos vom Staat be­kommen, gemeint waren die Computer. – Das ist unrichtig. Es gibt nämlich einen 25-prozentigen Selbstbehalt. Selbst im Budget kann man die 6,3 Millionen Euro an Einnahmen sehen, die aus diesem Selbstbehalt budgetiert sind, die aus den Taschen der Eltern kommen. Es betrifft auch nicht alle Kinder, sondern die in der 5. und 6. Schulstufe. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von FPÖ und NEOS. – Abg. Hafenecker: Lauter Scherben, überall lauter Scherben!)

18.09


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordneter Maria Theresia Niss. – Bitte.


18.09.10

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Niss, MBA (ÖVP): Hohes Haus! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Ich darf ganz am Anfang als gebürtige Oberösterreicherin auf die von euch verteufelte TU Linz eingehen: Ich glaube, eine TU von Anfang an zu verteufeln (Abg. Kassegger: Wir haben ja schon drei, das reicht!), obwohl wir in diesem Bereich so viele Fachkräfte brauchen, obwohl wir in Oberösterreich einen Technologiestandort haben, obwohl wir mit dieser Universität eine international exzellente Universität haben, finde ich schon ein bisschen, ehrlich gesagt, hanebüchen. Schauen wir einmal, was dabei herauskommt! Ich bin mir sicher, es wird ein exzellentes Institut. Reden wir vielleicht dann weiter, wenn es sie gibt. (Beifall bei der ÖVP.)

Das Zweite – das ist das, was ich heute eigentlich sagen wollte – ist: Das ist ein Freu­dentag für die Forschung. Jetzt höre ich – ich kann es gar nicht glauben –, das sei ein nicht ambitioniertes Budget. Ich verstehe das nicht ganz. Ich kann jetzt verschiedene Kennzahlen hernehmen, aber es gibt für die Grundlagenforschung fast 20 Prozent mehr. Wir steigern von 540 Millionen auf 660 Millionen Euro. Also ich verstehe nicht, wo ihr da


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eine Krise seht. Es gibt sie nicht. Im Gegenteil! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Künsberg Sarre: International ...!)

Ich möchte mich hier explizit beim Herrn Minister bedanken. Ich weiß, er hat sich stark dafür eingesetzt, dass wir im Bereich der Wissenschaft und vor allem im Bereich der Forschung, aber auch im Bereich der Bildung ein mutiges Budget haben. Im Bereich der Forschung kann sich das wirklich sehen lassen. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Blimlinger.)

Wir erstellen gerade die FTI-Strategie. Damit wollen wir nun endlich Innovationleader werden, wir nehmen uns das seit einiger Zeit vor. Aber ich bin mir sicher, wir schaffen es damit gerade in Schwerpunktbereichen, die wir in Österreich haben, im Green-Tech-Bereich, im Lifescience-Bereich, im Industrie-4.0-Bereich, tatsächlich eine Strategie auf die Beine zu bringen, die uns sowohl in der Grundlagenforschung als auch in der ange­wandten Forschung, aber vor allem bei diesem Wissenstransfer an die Spitze bringt.

Daraus hervorgehend sind wir auch gerade dabei, den Pakt zu erstellen. Dieser Pakt, meine Damen und Herren, geht ja aus dem Forschungsfinanzierungsgesetz, über das wir hier im Juni gesprochen haben, hervor; er will den außeruniversitären Forschungs- und Forschungsförderungseinrichtungen Planungssicherheit geben. Wie oft haben wir gehört, das sei so unambitioniert, es gebe keinen Wachstumspfad? Plus 19 Prozent gibt es für diese Einrichtungen. Ich glaube, das kann sich wirklich sehen lassen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Redezeit geht schon dem Ende zu, deswegen ein paar Schwerpunkte, die ich hervorheben möchte: Betreffend Universitäten haben wir es endlich geschafft, die Exzel­lenzinitiative umzusetzen – ich glaube, das ist sehr wichtig –, zum Beispiel die Exzel­lenzcluster, wo wir wirklich institutsübergreifend, länderübergreifend Kooperationen ein­richten möchten und die besten Köpfe nach Österreich bringen wollen. Ich glaube, das war sehr wichtig. Sie (in Richtung Bundesminister Faßmann) haben sich lange dafür eingesetzt – herzlichen Dank dafür! –, jetzt können wir das umsetzen. (Rufe bei der FPÖ: Danke! Danke!)

Zweitens – und das ist mir sehr wichtig –: das Thema Wissenstransfer. Österreich ist gut darin, den Austausch zwischen Wirtschaft und Wissenschaft zu fördern. Mir ist es aber wichtig, dass wir hier noch stärker werden, dass sie noch besser zusammenarbeiten. Es freut mich sehr, dass das Spin-off-Programm weitergeführt wird. Es sind schon drei exzellente Spin-offs daraus hervorgegangen. Es gibt tolle Initiativen, wie beispielsweise die Spin-off-Austria-Initiative von Hermann Hauser, aus der bis 2030 1 000 neue Start-ups hervorgehen sollen. Ich glaube, genau solche Initiativen brauchen wir.

Es ist für die Universitäten wichtig, dass sie in diesem Zusammenhang auch Drittmittel von der Wirtschaft einfordern, dass die Kooperation zwischen Wirtschaft und Wissen­schaft funktioniert. Es würde mich in diesem Sinne auch freuen, wenn vielleicht Teile der Basisfinanzierung der Universitäten ein bisschen daran gebunden werden, dass Uni­versitäten Drittmittel von der Wirtschaft einwerben.

Ein kurzer letzter Punkt: Wo wir jetzt noch die letzten Schritte gehen müssen, das ist tatsächlich bei der Nationalstiftung. Wir haben uns im Regierungsprogramm vorgenom­men, dass wir einen Zukunftsfonds Österreich einwerben. Ich glaube, diese 140 Mil­lio­nen Euro sind wichtig. Es liegt an uns, hier ein Konzept vorzulegen, diesen Fonds einzurichten, das rasch zu machen, damit die Mittel für das Jahr 2021 dotiert werden. Das ist wichtig. Ich glaube, dann haben wir tatsächlich alle Hausaufgaben gemacht. – Herr Minister, noch einmal herzlichen Dank. (Rufe bei der FPÖ: Danke! Danke! – Heiter­keit bei der FPÖ.)


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Ich glaube, dieses Budget kann sich sehen lassen. Wenn wir darauf aufbauen und die Energie tatsächlich umsetzen, dann können wir uns freuen; das muss auch einmal gesagt werden. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Rufe bei der FPÖ: Danke! Danke!)

18.14


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Herr Bundesminister Heinz Faßmann zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister.


18.14.22

Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Hohes Haus! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Meine Anmerkungen zum Budget: Die Zukunftsfelder Bildung, Wissenschaft und Forschung sind eindeutig Gewinner der Budgetierung. Dass ich darüber froh bin, ist verständlich, ich bin der zuständige Fachminister. Dass ich aber auch als Bürger dieses Landes darüber froh bin, der genau weiß, dass die Zukunftsfähigkeit eines Landes von Bildung, Wissenschaft und Forschung abhängig ist, möchte ich hinzufügen.

Für das Bildungsbudget, die UG 30, wird im Vergleich zum heurigen Jahr im Jahr 2024 fast 1 Milliarde Euro mehr zur Verfügung stehen. Das ist immerhin eine Steigerung von 11 Prozent. In den Jahren 2021 bis 2024 werden somit in Summe 40 Milliarden Euro insgesamt für Bildungszwecke budgetiert. Im Jahr 2023 überschreiten wir erstmals die 10-Milliarden-Euro-Grenze für die UG 30.

Wofür wird das Geld ausgegeben? – Der wichtigste Teil ist unzweifelhaft das Personal. Über 7,7 Milliarden Euro, 83 Prozent des Budgets, werden für Lehrkräfte bereitgestellt. Damit investieren wir weiterhin in den wichtigsten Bereich des Bildungssystems. Wir sorgen, glaube ich, auch weiterhin dafür, dass die international herzeigbare Betreuungs­quote, das Verhältnis Schüler und Schülerinnen zu Lehrenden, hervorragend bleibt.

Wir investieren insgesamt 235 Millionen Euro in die Digitalisierung, darüber wurde schon gesprochen. Wir werden im nächsten Jahr erstmalig die Schüler und Schülerinnen der 5. und 6. Schulstufe flächendeckend mit digitalen Endgeräten versorgen.

Ich weiß, Frau Klubobfrau Meinl-Reisinger, Frau Abgeordnete Hammerschmid, Ihre Fragen sind: Warum nicht früher? – Die Antworten sind relativ einfach: Wir sind an die gesetzlichen Vorschriften der Bundesbeschaffung gebunden. Beschaffungen dieser Größenordnung müssen zwingend europaweit ausgeschrieben werden. Das ist insge­samt ein Prozess von sechs plus drei Monaten, das liegt eben im Rahmen des Bundes­vergabegesetzes. Ich muss rechtlich einwandfrei arbeiten. Ich bitte um Nachsicht dafür, dass ich dies tue, aber ich bitte auch um Verständnis dafür, es bleibt ein echter Meilenstein in diesem Bereich. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

67 Millionen Euro stehen bis 2024 für die Einführung des Ethikunterrichts in der gesamten Sekundarstufe II zur Verfügung. Wir überführen damit die bewährten Schul­versuche, beginnend mit der 9. Schulstufe, in das Regelschulwesen. Eine jahrzehnte­lange Diskussion kann damit abgeschlossen werden.

Wir wollen einen besseren Blick darauf bekommen, was Schulen helfen kann, mit sozia­len Herausforderungen besser umzugehen. Für dieses Projekt, das 100-Schulen-Projekt, stehen 15 Millionen Euro bereit, aber wohlgemerkt für das Projekt, nicht für die Ausrollung.

Warum ein Projekt? – Frau Abgeordnete Künsberg Sarre, ich glaube, wir müssen besser als bisher wissen, was Schulen bei der konkreten Bewältigung von sozialen Heraus­forderungen hilft. Ich weiß schon, die Standardantwort lautet: mehr Geld, mehr Personal und am besten mit der Gießkanne verteilt, aber das ist nicht die endgültige Antwort und


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es ist es auch keine treffsichere Antwort. Wir wollen mit diesem Projekt treffsichere Antworten finden. Wir haben dafür auch eine wissenschaftliche Projektbegleitung in Kooperation mit der Uni Wien aufgestellt – dann können wir das ins Regelbudget über­nehmen.

Wir investieren in den Schulneubau. Das ist Konjunkturpolitik auf der einen Seite und Klimapolitik zugleich, denn wir bauen auf einem sehr hohen Klimaaktiv-Standard, Däm­mung, Wärmerückgewinnung, Luftreinigung, Fotovoltaik, insgesamt eine moderne Archi­tektur, die sozusagen Lust und Freude am Unterrichten, aber auch am Lernen erzeugt. Im neuen, nächsten Schep sind immerhin 2,4 Milliarden Euro dafür reserviert. Ich glaube, das ist auch ein kräftiges Signal für die jeweils regionale Wirtschaft, im Budget ist das in den Mietausgaben enthalten.

Wir haben im Budget auch noch weitere Ausgaben: 9 Millionen Euro für das Nachholen des Pflichtschulabschlusses, 12 Millionen Euro für das Erfolgsprojekt Lehre mit Matura, 40 Millionen Euro für eine gezielte Sprachförderung, 32 Millionen Euro für die Bewälti­gung der Covid-Pandemie im Jahr 2020, weitere 19 Millionen Euro dafür für das nächste Jahr.

Ich darf dem Hohen Haus noch etwas zur UG 31, Wissenschaft und Forschung, präsentieren. Da steigt ja das jährliche Budget auf rund 5,3 Milliarden Euro im Jahr 2021. In den Jahren 2021 bis 2024 werden wir insgesamt in Summe in der UG 31 22 Milliarden Euro für die Wissenschaft ausgeben. 2024 wird das jährliche Budget in der UG 31 bei immerhin 5,9 Milliarden Euro liegen. Auch das ist eine ganz erhebliche Steigerung im Vergleich zu den Jahren davor.

Wofür werden wir diesen Zuwachs ausgeben? – Die Universitäten bekommen in der nächsten Leistungsvereinbarungsperiode fast 1,4 Milliarden Euro zusätzlich. Jeder, der den Universitätssektor kennt, weiß, dass das eine wirklich gewaltige Summe ist. Das ist noch mehr als in der letzten Leistungsvereinbarungsperiode, ein Plus von 13 Prozent. Den Universitäten stehen in der nächsten LV-Periode insgesamt 12,3 Milliarden Euro zur Verfügung, sie können sich damit weiterentwickeln, Schwerpunkte setzen und die Betreuungsverhältnisse verbessern.

Das Budget der UG 31 erlaubt auch die Realisierung zentraler Bauprojekte an vielen Universitätsstandorten, über die schon Jahrzehnte gesprochen wurde. Sie kennen sicherlich die Diskussion um das Haus der Physik in Innsbruck – wie lange wurde darü­ber schon gesprochen?; wir können es realisieren –, das Center of Physics in Graz, das Buchdepot in Wien, ein neues Institutsgebäude in Klagenfurt, Bauprojekte im Zusam­menhang mit dem Mozarteum in Salzburg. Das alles sind lang diskutierte Angelegen­heiten, jetzt können wir sie im Rahmen der nächsten Budgetierung auch finanzieren und realisieren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Frau Sarre – das muss ich der Aufzählung dieser Bauprojekte noch hinzufügen –, das alles als ambitionslos und zukunftsverdrossen zu bezeichnen, kann ich nicht nachvoll­ziehen. Ich kann vieles nachvollziehen, aber dieser Argumentation kann ich nicht folgen.

Wir haben einen weiteren wesentlichen Punkt im Rahmen der UG 31, den wir auch realisieren können, das ist das Programm Uni-Med-Impuls 2030. Wir haben dafür in der kommenden Leistungsvereinbarungsperiode Mittel in der Größenordnung von rund 120 Millionen Euro eingeplant. Was wollen wir damit erreichen? – Eine Erhöhung der Anzahl der Ausbildungsplätze des Medizinstudiums – ganz wichtig, langjährig gefordert und natürlich auch vor dem Hintergrund einer alternden Gesellschaft absolut berechtigt. Wir wollen zusätzlich gerade das Studium der Allgemeinmedizin im Rahmen der Medi­zinausbildung attraktivieren, auch das ist eine ganz wesentliche Angelegenheit. Für all die, die den ländlichen Raum kennen und diskutieren, dass uns dort die Landärzte ausgehen:


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Da sagen wir ja, mit einer verstärkten Forcierung der Allgemeinmedizin schaffen wir zumindest angebotsseitig eine Voraussetzung.

Wir werden auch mit den zusätzlich zur Verfügung stehenden Mitteln in jene Professuren investieren können, die im Rahmen der Pandemiebekämpfung extrem wichtig sind: in Infektiologie, in Epidemiologie, in Public Health und vieles andere mehr. Ich hoffe, dass wir die Covid-Krise bald mit der Entwicklung entsprechender Therapeutika oder Impfungen überwunden haben werden, aber andere Epidemien können kommen, gar keine Frage, und andere Bedrohungen wie Antibiotikaresistenzen beispielsweise sind bereits vorhanden. Wir müssen daher, glaube ich, den medizinischen Universitäten, die Großartiges geleistet haben, gerade in diesen verschiedenen Disziplinen helfen und sie unterstützen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wir haben auch im Fachhochschulsektor eine beträchtliche Budgetsteigerung. Wir haben mit den Fachhochschulen lange darüber diskutiert, und jetzt ist es gelungen, ab 1.1.2021 tatsächlich so etwas wie 10 Prozent mehr auf die Fördersätze zu finanzieren und zu gewähren. Wir investieren in der Periode 2021 bis 2024 in Summe insgesamt 1,5 Milliarden Euro in den Fachhochschulsektor – so viel wie noch nie. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Meine letzte Anmerkung betrifft die außeruniversitäre Forschung: Da haben wir ein Plus von 340 Millionen Euro bis 2024. Sie erinnern sich, glaube ich, noch alle an die gut gestellte Frage von Hannes Androsch im Zusammenhang mit dem Forschungs­finanzie­rungsgesetz. Er hat, natürlich rein rhetorisch, immer gefragt, ob das Forschungsfinan­zierungsgesetz eine Pralinenschachtel ist, die Pralinen enthält oder leer ist. Ich kann heute die Antwort geben: Ja, es ist eine Pralinenschachtel, aber wir haben auch Pralinen hineingelegt. Ich denke, dass das sehr wohlschmeckende Pralinen sind, denn wir kön­nen mit dem Budget ganz wichtige Impulse im Bereich der außeruniversitären Forschung leisten, die im FoFinaG, im Forschungsfinanzierungsgesetz, zusammengefasst sind.

Die Akademie der Wissenschaften plant ein Zentrum für Antisemitismusforschung, wir können gemeinsam mit dem Land Niederösterreich das IST Austria weiter ausbauen und das Institut sicherlich in der globalen Liga der Grundlagenforschungsinstitute festi­gen und etablieren. Wir können die LBG, die Ludwig-Boltzmann-Gesellschaft, ausbauen und vielleicht stärker in Richtung klinische Forschung verankern, denn in der klinischen Forschung haben wir sicherlich Defizite. Wir haben den FWF und wir können den FWF mit mehr Mitteln bedenken und dieses Mehr an Mitteln auch für die Exzellenzinitiative verwenden.

Meine Damen und Herren, Sie merken vielleicht an meiner für Sie ungewohnten Emotio­nalität bei diesem Thema: Da ist ein ordentliches Budget geschnürt worden. Dies als visions- und ambitionslos zu bezeichnen, das geht mit den Zahlen nicht zusammen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich habe die Hoffnung, dass wir die Pandemie überwinden werden, aber ich habe die Sicherheit, dass wir sinnvolle Initiativen für die Zukunftsfähigkeit Österreichs setzen werden, die UG 30 und 31 erlauben dies. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Strasser: Bravo!)

18.26


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Andrea Kuntzl. – Bitte.


18.27.04

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Herr Bundesminister! Es ist für die Eltern oder Lehrer, die jetzt zuschauen und dieser Debatte folgen, sicher sehr enttäuschend, dass Sie die Gelegenheit nicht genutzt haben, um etwas zur aktuellen Situation an den Schulen zu sagen (Bundesminister Faßmann: Das ist die Budgetdebatte!), denn die


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Situation – nennen Sie es geschlossen, denn die Kinder werden nicht unterrichtet – ist eine schwierige, stößt viele Lehrer, viele Eltern vor den Kopf. Die Kinder leiden darunter, die Eltern stehen vor zum Teil unlösbaren Situationen, und Sie sagen dazu einfach nichts. (Bundesminister Faßmann: Weil es die Budgetdebatte ist!) – Es ist die Budget­debatte, aber Sie sind auf aktuelle Themen angesprochen worden und es steht Ihnen selbstverständlich frei, im Gegenteil, wir erwarten das sogar von Ihnen, dass Sie auf die Debattenbeiträge hier im Parlament reagieren; noch dazu, wenn sie so wichtig für die Leute sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie haben so getan, als wäre es business as usual, als wäre die Situation so wie immer, und haben völlig negiert, dass wir im Moment in einer Krisensituation sind, die sich ganz besonders in Ihrem Bereich niederschlägt. Wer soll das verstehen, dass die Kinder nicht unterrichtet werden dürfen, aber Waffen verkauft werden dürfen?! Das versteht niemand! Dafür hätte ich gerne eine Erklärung, ich wäre sehr gespannt auf die Erklärung. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Salzmann: Was ist das für ein Vergleich? – Zwischenruf des Abg. Strasser.)

Diese Situation, diese Grundhaltung setzt sich an den Universitäten fort. Die Studie­ren­den sind jetzt das zweite Semester im Distancelearning. Es findet Universität nicht mehr statt, so wie wir uns das vorstellen, so wie das wichtig wäre. Die Auseinandersetzung, das Hinterfragen, das Kennenlernen von anderen Leuten, das Diskutieren, der Aus­tausch, das findet alles nicht mehr statt. (Abg. Salzmann: Da kann aber der Minister nichts dafür!) Die Angebote sind mal besser, mal nicht ganz so gut, manche Studierende tun sich leichter damit, manche tun sich gar nicht leicht damit. Es gibt in der Situation keine Unterstützung für die Studierenden.

Den Studierenden sind zum Teil die Jobs weggebrochen, die ökonomische Situation ist angespannt, die jungen Leute leiden sehr darunter, dass sie im Moment keine Perspek­tiven haben, dass vieles, wie die berufliche Entwicklung, die Ausbildung, das Leben da­nach weitergehen soll, infrage gestellt wurde. Da wäre es doch wichtig, die Studieren­den zu unterstützen (Beifall bei der SPÖ), wenigstens dadurch, dass man sagt: Okay, es ist eine schwierige Situation, die Universitäten tun, was sie können, mal besser, mal schlech­ter, wir erlassen euch die Studiengebühren für ein Semester. – Das ist im Som­mersemester nicht passiert. Machen Sie es jetzt im Wintersemester! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie sagen, die Angebote sind da, die Studierenden sollen sie doch annehmen! – So einfach ist das nicht. Da verschließen Sie die Augen vor der Situation und verhöhnen die Studierenden. Es ist eine wirklich schwierige Situation, in der man den jungen Leuten unter die Arme greifen sollte. Aber was passiert? – Nein, die Studiengebühren werden nicht refundiert, die Studienförderung wird nicht verbessert, es wird nicht investiert in die Unterstützung für studentisches Wohnen. Das findet sich alles gar nicht im Budget.

Was passiert aber? – Es kommt eine Studienrechtsnovelle, durch die die Situation der Studierenden verschärft, verschlechtert wird. Es kommt mehr Geld ins System, das ist gut und richtig, die Universitäten bekommen mehr Mittel. Da würden wir uns doch erwar­ten, dass das auch den Studierenden unterstützend zugutekommt, dass die Studien­situation sich verbessert. Aber was machen Sie? – Sie sagen: Wer nicht so und so viele Punkte in einer gewissen Zeit erreicht, wird vom Studium ausgeschlossen. Das ist ja - - Ich traue mich gar nicht zu sagen, was ich davon halte, sonst bekomme ich von der Frau Präsidentin zu Recht einen Ordnungsruf, aber das in der jetzigen Zeit zu machen, näm­lich die Schraube noch einmal anzudrehen, das ist gar nicht zu verstehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundesminister, die Vorsitzende Ihrer Studentenorganisation sagt: Überdenken, so geht das nicht! Die Senatsvorsitzenden aller Universitäten in Österreich sagen: Das geht nicht, das kann man nicht machen!


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Also: Gut, dass es an den Universitäten mehr Mittel geben wird, aber die Studierenden muss man unterstützen, nicht sekkieren! (Beifall bei der SPÖ.)

18.32


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Eva Blimlinger zu Wort. – Bitte.


18.32.31

Abgeordnete Mag. Eva Blimlinger (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Es ist schon bemerkenswert, wie sich Frau Abgeordnete Kuntzl, die ja seit Jahrzehnten, muss man fast sagen, Wissenschaftssprecherin ist, beharrlich der Realität verweigert und immer Dinge behauptet, die schlicht und ergreifend nicht stimmen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Sie sollten halt einmal faktenbasiert, das wäre ganz gut, evidenzbasiert argumentieren. (Zwischenruf des Abg. Rauch.) In der Zeit der Pandemie im letzten Studienjahr hat die Prüfungsaktivität der Studierenden zugenommen, nicht abgenommen, weil es mehr Zeit gab, weil es so aufbereitet war. Ich bin die Letzte, die sagt, man soll Studierende nicht unterstützen. Das Geld, das den Universitäten Gott sei Dank oder Göttin sei Dank mit der nächsten – und ich hoffe, auch mit der übernächsten – Leistungsvereinbarung zu­gutekommt, ist natürlich für die Studierenden. Es geht darum, die Betreuungs­verhält­nisse zu verbessern und die guten zu erhalten. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Rauch.) Deswegen kann es auch mehr Prüfungsaktivität geben.

Bevor Sie behaupten, es würden jetzt die Daumenschrauben angesetzt, wäre es gut, wenn Sie sich nicht nur über Hörensagen informieren, sondern abwarten würden, bis wir die Novelle des UG in Begutachtung schicken. Dann können Sie sich immer noch über Dinge aufregen, die Sie gar nicht wissen, sondern nur angeblich gehört haben.

Zur Behauptung bezüglich der Senatsvorsitzenden, dass das wahnsinnig undemo­kra­tisch ist, sage ich nur ein Wort: Wer behauptet, dass der Senat ein demokratisches Organ ist, den muss ich ins 19. Jahrhundert verweisen. Dort gilt nämlich ein Kurien­wahl­recht. Es kann ja wohl nicht Ihr Ernst sein, zu behaupten, dass das demokratisch ist! Es ist ein Organ, in dem diejenigen, die die meisten sind, am geringsten repräsentiert sind. Dort sitzen die Professoren, Professorinnen mit der Hälfte der Stimmen, dabei ist es die geringste Gruppe. Und da sagen die Sozialdemokraten, das ist demokratisch? – Sorry, geht gar nicht! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Ich muss aber jetzt auf die Pralinenschachtel vom Herrn Minister zurückkommen. Sie ist nicht ganz voll, die Pralinenschachtel, was den Pfad betrifft. Da hätten wir uns – auch du, Herr Minister, glaube ich – mehr gewünscht, aber es ist zumindest so, dass alle Pralinen kriegen, vielleicht nicht zwei oder drei, aber zumindest eine, um auf den Gusto zu kommen, den wir dann weiter damit bedienen. (Abg. Martin Graf: Das sind eher saure Drops!)

Lassen Sie mich noch zwei, drei Punkte sagen, die mir wichtig sind. Mir ist es sehr wichtig, dass – und das ist in der Endphase, wir haben das schon besprochen – die FTI-Strategie und der FTI-Pakt vorangetrieben werden. Da reicht das Spektrum von der Grundlagenforschung bis zur angewandten Forschung und vom OeAD bis zur Ludwig-Boltzmann-Gesellschaft, die in dem ganzen Bereich drinnen sind. Ich freue mich, wenn wir da sozusagen die kleine Petitesse-Pralinenschachtel haben – besser als gar keine. Das ist der erste Schritt, um diesen Pfad zu gehen.

Ebenfalls wichtig ist mir in diesem Zusammenhang, dass Programme wie Sparkling Science fortgesetzt werden. Durch dieses sehr erfolgreiche Programm soll das Interesse der jungen Menschen an Wissenschaft und Forschung geweckt werden. So sollen die


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jungen Menschen langsam an die Wissenschaft, an die Forschung, an die Universitäten und überhaupt an den tertiären Sektor inklusive Fachhochschulen oder auch Päda­gogischen Hochschulen herangeführt werden.

Ein Bereich, der sicherlich noch zu diskutieren sein wird, ist die Ankündigung einer technischen Universität in Oberösterreich. Standorte sind ja da noch in der Diskussion – Sie wissen, wir haben Landtagswahlen nächstes Jahr –, und es melden sich immer mehr Städte: Linz, Wels, Thalheim. In Hagenberg gibt es schon eine Fachhochschule. (Ruf bei der SPÖ: Steyr!) Schauen wir mal, wie das weitergeht. Eine Arbeitsgruppe ist eingesetzt. Ich glaube, wir sollten das kritisch begleiten.

Zwei Punkte zum Abschluss: Die FPÖ hat ja schon in ihrer OTS gemeint, wie furchtbar alles ist, alles sei grausam. In der Aussendung steht wieder ihre Forderung, dass die Akademie und die Angewandte zusammengelegt werden. – Sicher nicht! Das Geld geben wir dafür nicht aus. Es sind zwei wunderbare Universitäten. Die bleiben so, die werden sicher nicht zusammengelegt.

Vielleicht auch eine Korrektur, weil Sie über die Bummelstudenten und über die Be­schränkung mit den 16 ECTS gesprochen haben, wobei auch Sie keine Ahnung haben, was da drinnen steht, weil Sie es nicht kennen. Dabei haben Sie im Zusam­menhang mit BummelstudentInnen die Klubobfrau Maurer und den Herrn Bundeskanzler erwähnt. (Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Ich darf Sie darauf hinweisen, dass Frau Klubobfrau Maurer ihr Studium mit einem Bachelor schon vor längerer Zeit abgeschlossen hat. Das heißt, sie ist keine Bummel­studentin mehr. Und der Herr Bundeskanzler ist, soviel mir bekannt ist, nicht mehr inskri­biert. Er könnte sein Studium wieder aufnehmen, wenn er nicht mehr Bundes­kanzler ist. Das heißt, das würde auch auf ihn nicht zutreffen, wenn das, was Sie behaupten, überhaupt zum Tragen kommt. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Also, das bleibt so, und ich freue mich darüber, dass die Universitäten, die Wissenschaft, die Forschung, die Bildung im tertiären Sektor so ein gutes Budget kriegen. Ich hoffe, dass das Budget auch bei der nächsten und übernächsten Leistungsvereinbarung das bringen wird, was es schon bei der ersten Leistungsvereinbarung gebracht hat, nämlich eine Verbesserung, und das war das Hauptziel: eine Verbesserung der Betreuungs­verhältnisse für Studierende. Das ist ein gutes Jahr für Studierende und für Univer­si­täten.

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass die Windisch-Kaserne in Richard-Wadani-Kaserne umbenannt werden soll. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Deimek.)

18.38


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Axel Kassegger zu Wort. – Bitte.


18.38.45

Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Kollegin Blimlinger hat jetzt eh schon eindrucksvoll dokumentiert, wo unter anderem die Unterschiede zwischen Freiheitlichen und Grünen liegen. Unbestritten ist, dass viel mehr Geld da ist. Das ist gut so. Niemand von den Freiheitlichen bestreitet das oder sagt, es ist jetzt schlecht, dass wesentlich mehr Geld da ist.

Die Frage ist immer nur – erstens –: Wer zahlt die Pralinen, von denen wir da sprechen? – Der Steuerzahler. Wir verstehen uns als Anwalt der Steuerzahler und gehen davon aus, dass dieses Geld auch vernünftig, zielorientiert, effizient und effektiv eingesetzt wird.


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Also ich teile jetzt den Optimismus oder die Einschätzung des Kollegen Taschner, dass jeder Cent sinnvoll angelegt sei, nur bedingt.

Ich frage mich, warum Sie sich seit Jahren weigern beziehungsweise warum bei der Implementierung einer echten Kosten- und Leistungsrechnung bei den Universitäten nichts weitergeht, die genau diese zielgerichtete, effiziente Ressourcenallokation ermög­lichen würde. (Beifall bei der FPÖ.)

Das ist hier aber gar nicht mein wesentliches Thema, denn ich bin über eine andere Entwicklung besorgt, die an den Universitäten Platz zu greifen scheint – nicht nur scheint, sondern es offensichtlich tut –, nämlich folgende: Aus Anlass der furchtbaren Terroranschläge am 2. November in Wien hat es ja verschiedenste Razzien und polizei­liche Aktionen gegeben, was gut und richtig ist. Im Rahmen dieser Razzien sind auch im universitären Umfeld Fälle bekannt geworden, zum Beispiel ein Fall in Salzburg, bei dem ein Politikwissenschaftler und Islamophobieforscher in das Visier der Behörden geraten ist. Man muss annehmen, was die Finanzierung seines Postens betrifft, dass da nicht alles ganz korrekt und ordentlich abgelaufen ist.

Ausgerechnet auf meiner Alma Mater, der Universitas Litterarum Carola Francisca Graecensis, gibt es einen Fall, dass ein Professor Vortragsreihen mit Hauptverdächtigen des politischen Islams und der Muslimbruderschaft hält. Also damit sind bei uns drei rote Linien überschritten, das hat auf Universitäten aber überhaupt nichts verloren. Aus diesem Grunde bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten MMMag. Dr. Axel Kassegger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „kein Budget für islamischen Fundamentalismus an den Universitäten“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung werden aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass an den Universitäten keine budgetären Mittel (Geld, Räume, …) für islamistisch-fundamentalistische Lehrver­anstaltungen, Vorträge, etc. verwendet werden.“

*****

Herr Bundesminister, wir haben die Autonomie, das ist schon klar, aber es gibt da Mittel und Möglichkeiten, auch über das Ministerium, über die Leistungsvereinbarungen mittel­fristig, aber auch kurzfristig im Rahmen des Aufsichtsrechts, das das Ministerium hat – das in diesem Fall meines Erachtens zu einer Aufsichtspflicht wird –, eine Kommission, eine Untersuchungskommission zusammenstellen, die sich dieser ernsten Sache an­nimmt. Ich bitte Sie darum. (Beifall bei der FPÖ.)

18.42

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten MMMag. Dr. Axel Kassegger und weiterer Abgeordneter

betreffend kein Budget für islamischen Fundamentalismus an den Universitäten

eingebracht in der 62. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 18. November 2020 im Zuge der Debatte zu TOP 11, Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 523

(380 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2021 (Bundesfinanzgesetz 2021 – BFG 2021) samt Anlagen (449 d.B.) – UG31

Im Zuge der Razzia im Umfeld der Muslimbrüder ist auch ein an der Universität Salzburg situierter Politikwissenschafter und Islamophobie-Forscher ins Visier der Behörden geraten, berichteten mehrere Zeitungen am Freitag. Der Posten des Islam-Forschers soll teils mit Geldern aus Saudi-Arabien finanziert worden sein. (oe24.at am 13.11.2020)

Ausgerechnet die ehrwürdige Universität Graz rückt seit der Razzia unter dem Namen „Luxor“ am Montag in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Denn dort soll Professor Wolfgang Benedek gemeinsam mit dem Hauptverdächtigen der Polizeiaktion eine Vortragsreihe mit Rednern der Muslimbruderschaft organisiert haben. (unzen­su­riert.at am 11.11.2020)

Seit Jahren sind Aktivisten aus dem Umfeld der antisemitischen Milli-Görüs auf Wahllisten und im Bundesvorstand der ÖVP-nahen Hochschülerschaft (Aktionsgemein­schaft/AG) vertreten. Dazu finden jährlich mehrere gemeinsame Großveranstaltungen statt. (unzensuriert.at am 24.04.2020)

FPÖ-Verfassungssprecherin Susanne Fürst kritisiert den für heute, Dienstag, Abend angekündigten Auftritt des Politikwissenschaftlers Farid Hafez in der Diplomatischen Akademie in Wien. „Hafez ist einer jener muslimischen Wissenschaftler, die unter dem Deckmantel der ‚Islamophobie-Forschung‘ den politischen Islam rechtfertigen und zugleich jede Kritik daran kriminalisieren wollen“, beschreibt Fürst die Intention des heutigen Vortragenden. Dass Hafez dabei mit der Geschäftsführerin des linken Anti-Rassismus-Instituts ZARA diskutiere, lasse zudem erkennen, dass Kritik an seinen The­sen nicht erwünscht sei. (fpoe.at am 12.11.2019)

Offensichtlich gibt es ein islamisches Fundamentalistenproblem an den Universitäten, das noch dazu mit Steuergeld finanziert wird.

Daher stellen die unterzeichnenden Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung werden aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass an den Universitäten keine budgetären Mittel (Geld, Räume, …) für islamistisch-fundamentalistische Lehrver­anstaltungen, Vorträge, etc. verwendet werden.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, er steht mit in Verhandlung.

Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Martina Kaufmann. – Bitte.


18.42.21

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen hier im Hohen Haus, aber auch alle, die uns zu dieser Uhrzeit noch zuschauen! Eigentlich wollte ich auf die für die Zukunft wesentlichen Punkte, die dieses Bildungs- und Wissenschaftsbudget beinhaltet, eingehen, aber Frau Kuntzl wünscht, dass wir über die aktuelle Situation reden.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 524

Als schon seit sehr, sehr vielen Jahren in den unterschiedlichsten Bereichen, in den unterschiedlichsten Ebenen bildungspolitisch Aktive möchte ich auf die aktuelle Situation und Diskussion, vor allem auf die, die die Opposition hier hereinträgt, die sie aber natürlich auch medial forciert, eingehen, und zwar auf eine ganz bestimmte Sache. Sowohl bei den Schulen als auch bei den Universitäten wird angeprangert, dass jetzt nichts mehr passiert, dass unsere Kinder, Jugendlichen und Studierenden nichts mehr lernen. (Abg. Kuntzl: Das hat niemand gesagt!)

Die Situation, die wir seit dem Frühjahr erlebt haben, ist allerdings so: Wir haben heraus­ragende Pädagoginnen und Pädagogen, die sowohl in der Schule als auch auf den Universitäten als auch auf den Fachhochschulen sofort sehr, sehr gut umgeswitcht haben und es geschafft haben, unsere Kinder und Jugendlichen voranzutreiben und somit auch zukunftsfit zu machen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Opposition! Sie sind es, die von verlorenen Generationen sprechen, Sie sind es, die die Ausbildung der jungen Menschen, die eine grandiose Zukunft in Österreich vor sich haben, schlechtreden. Ich glaube, genau das ist verantwortungslose Politik, die Sie hier in Österreich betreiben! (Beifall bei der ÖVP.)

Genau deshalb, weil wir keine verantwortungslose Politik betreiben, sondern Bildung Zukunftspolitik ist, wird in den einzelnen Bereichen das Budget aufgestockt. Wir haben gelernt, dass es notwendig ist, auch für die digitalen Herausforderungen gerüstet zu sein. Deswegen gibt es auch 235 Millionen Euro für Laptops für die Schülerinnen und Schüler. Das sind allein in meinem Wahlkreis in Graz 9 700 Laptops, die zur Verfügung gestellt werden. Das ist ned nix! Das ist ein riesengroßer Schritt, der in den vergangenen Jahren nicht gesetzt wurde. In den vergangenen Jahren, als ich Schülervertreterin war, gab es immer rote BildungsministerInnen, die verantwortlich waren und nichts zusammen­ge­bracht haben. (Beifall bei der ÖVP.)

Jetzt, da diese Meilensteine geschaffen werden, ist es für Sie zu spät, zu wenig. – Ja, eh, das kann man ja leicht einfordern. Es wird aber gemacht und es wird zukunfts­wei­send gemacht! Genauso wie zukunftsweisend zum jetzigen Zeitpunkt erstmalig seit langer Zeit in die Fachhochschulen investiert wird. Eine 10-prozentige Steigerung, eine Steigerung in diesem großen Ausmaß gab es für die Fachhochschulen noch nie. Sie sind auch diejenigen, die es gut geschafft haben, in der Krise die digitalen Heraus­forderungen zu bewältigen, sie werden zukunftsfit sein und damit natürlich auch unseren Bildungsstandort Österreich in die Zukunft bringen.

Auf das können wir alle hier stolz sein. Wir sollten den nächsten Generationen nicht sagen, dass sie verlorene Generationen sind. Wir sollten hier heute das Signal aus­senden, dass wir mit diesen Herausforderungen, mit dieser Herausforderung der Pande­mie in die Zukunft gehen können und so vielleicht den einen oder anderen digitalen Schritt sogar übersprungen haben.

In diesem Sinne: Mit den Budgets sind die Grundlagen für den Bildungs- und für den Wissenschaftsbereich geschaffen, damit wir in Österreich zukunftsfit sind. Machen wir auch allen anderen diesen Mut! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

18.46


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Fiona Fiedler. – Bitte.


18.46.11

Abgeordnete Fiona Fiedler, BEd (NEOS): Frau Präsidentin! Werter Minister! Kolle­ginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause! Ich weiß, es ist schon spät und die Aufmerksamkeit lässt schon nach, dennoch würde ich Sie gerne auf eine kurze Reise mitnehmen: Tauchen Sie mit mir ein in die Welt der inklusiven Schule!


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 525

In dieser Welt wird nicht mehr differenziert zwischen Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf und Kindern ohne sonderpädagogischem Förderbedarf. Es wurde ein inklusiver Schulbetrieb geschaffen, in dem Stärken der Kinder individuell gefördert werden. Vor meinem inneren Auge sehe ich nun einen Raum voll lachender Kinder, die gemeinsam musizieren und turnen. Ich sehe, wie ein Kind im Rollstuhl mit einem Kind, das nicht im Rollstuhl sitzt, Ball spielt. Ich sehe, wie das eine Kind das andere unterstützt. Wissen Sie, was ich nicht sehe? – Feindseligkeit, Abscheu, Angst vor der Nähe, denn sie alle kennen es so und für sie ist es einfach normal.

Sie fragen sich jetzt sicher: Wie funktioniert das in Mathematik und Deutsch und Englisch? Natürlich stehen wir da vor Herausforderungen, aber dennoch ist es möglich. Ich denke dabei beispielsweise an die Schule Am Himmel, die sensationelle Pionier­arbeit leistet, an ein unglaublich bereicherndes Gespräch mit Frau Rieger, der Direktorin der Schule Am Himmel, die einmal zu mir gesagt hat: Geben Sie mir eine Schule und ich mache sie inklusiv! (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

Ich denke, wir alle, und vor allem die Regierung, müssen uns über eines klar werden: Wollen wir das oder wollen wir das nicht? Was wir momentan haben, sind unbefrie­digende Übergangslösungen. Fakt ist, es braucht einen strukturellen Umbau, man muss ins Tun kommen. Dass dies nicht flächendeckend von heute auf morgen geschieht, ist mir absolut klar, aber was es braucht, ist ein Fahrplan. Meine Damen und Herren, KollegInnen der ÖVP und der Grünen, die vagen Formulierungen und die Ideen Ihres Regierungsprogramms, die auch noch durch die Coronakrise durchkreuzt wurden, reichen da einfach nicht aus.

Es ist ein erster Schritt, Pilotschulprojekte anzubieten, aber es gibt inklusive Pilotprojekte schon seit Jahren. Jetzt ist es Zeit für die Umsetzung. Die Community hat keine Geduld mehr, denn es geht um deren Kinder, die immer noch ausgegrenzt werden. Egal mit wem ich spreche, die Ideen werden dankend angenommen, meistens teilen diese Gesprächspartner meine Vorschläge, finden sie gut, aber dann höre ich immer wieder den Satz: Das Geld reicht aber leider nicht aus, vielleicht ergibt sich ja was beim nächsten Finanzausgleich! Und das ist des Pudels Kern: Es gibt nicht genug Geld dafür – oder aber der Wille ist nicht da, hier zu investieren.

Jetzt haben wir hier ein Budget vorliegen, in dem Geld verteilt wird. Warum aber nicht für die inklusive Bildung? Wir diskutieren über die Notwendigkeit des Ethikunterrichts, lassen aber gleichzeitig 1,4 Millionen Menschen zurück.

Ich begrüße natürlich sehr, dass beispielsweise für SonderpädagogInnen mehr Budget zur Verfügung gestellt wird. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch: Ich sehe Bemühungen, aber was ich vermisse, ist ein Plan, auf lange Sicht etwas zu verändern. Der Missstand der fehlenden Gebärdendolmetscher in der PädagogInnenausbildung ist erschreckend – nur weil wir nicht abschätzen können, wie viele Kinder diesen brauchen würden.

Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen klar und deutlich: Auf dem Weg in ein inklusives Schulsystem sind auch Gebärdensprache und die jeweiligen Dolmetscher unumgänglich. Nur so kann die Schule inklusiv werden und es werden mehr und mehr Kinder die Schule besuchen, weil sie Unterstützung vorfinden. Wenn man sich nicht endlich darüber klar wird, dann werden wir auch noch in den kommenden Jahrzehnten unbefriedigende Übergangslösungen haben. Wir brauchen ein klares Bekenntnis zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention, um niemanden zurückzulassen, kein Kind mit und kein Kind ohne Behinderung. Bildung ist nicht exklusiv, Bildung ist inklusiv. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen.)

18.50


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Nico Marchetti. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 526

18.50.28

Abgeordneter Nico Marchetti (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich möchte mit etwas Grundsätzlicherem beginnen: Ich beobachte ja gerne und höre auch gerne meinen Kolleginnen und Kollegen zu. Ich habe das in den letzten paar Tagen vor dem Hintergrund gemacht: Zu wem sprechen wir eigentlich, wenn wir hier vorne reden? Der eine redet zu seinem Wahlkreis, der andere vielleicht zu seinen Parteifunktionären – es hat jeder seine Zielgruppe, zu der er spricht. Ich glaube, wir sollten uns aber alle dessen bewusst sein – ich glaube, das sind wir uns auch –, dass die Gesamtheit der Debatten, die wir hier führen, irgendwie schon auch das Bild der gesamten Politik ausmacht. Ich habe in den letzten Wochen und Monaten manchmal das Gefühl gehabt, dass das Gesamtbild, das wir als Parlament, als Politik abgeben, vielleicht nicht immer so ist, wie wir uns das eigentlich wünschen.

Ich glaube, dass es gerade in einer Zeit wie jetzt, die wirklich schwierig ist, einfach wichtig ist, dass wir als Politik insgesamt vertrauenserweckend agieren. Mir ist vollkommen klar, es gibt natürlich dieses Spannungsfeld von Kritik, Kontrolle, Regieren, alles Mögliche. Das ist vollkommen klar, jeder hat seine Rolle. Was aber die Tonart und das Wie und die Art und Weise betrifft, ist das nicht der Anspruch, den wir an dieses Parlament haben sollten. Das hat mich wirklich gewurmt und beschäftigt, und ich wollte es an dieser Stelle auch einmal sagen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Weil wir als Politik insgesamt agieren müssen, ist natürlich auch klar, dass wir mit Ziel­konflikten konfrontiert sind, Zielkonflikten im Coronakrisenmanagement. Die sind unbe­friedigend, und da gibt es natürlich immer auch Frustration. Ich spreche das Thema Schulschließungen an. Wir diskutieren ja das Thema Schulschließungen nicht isoliert, sonst würden wir ja alle sagen: Na, um Gottes willen! (Abg. Brandstätter: Sind sie jetzt doch geschlossen, oder was?!) – Nein, das ist natürlich semantisch nicht perfekt, aber das ist der Terminus, der hier auch immer kursiert ist.

Wir diskutieren das ja im Zusammenhang mit der Coronapandemie, und wenn ich die Zahlen der letzten Tage lese, dass in den letzten 24 Stunden über 100 Tote zu beklagen sind, dann wird, glaube ich, der Zielkonflikt sehr deutlich. Auf der einen Seite finden wir es natürlich schlimm, wenn es eventuell Bildungsverluste gibt, die schwer aufzuholen sind. Natürlich ist es schlimm, wenn Eltern dabei vor schwierige Herausforderungen gestellt werden (Abg. Rauch: Was können unsere Kinder dafür?!), aber wir reden von Leuten, zu denen wir nicht sagen können: Wir erledigen das nachher noch! Die sind einfach verstorben, die können Weihnachten nicht gemeinsam mit ihrer Familie feiern, und das finde ich noch schlimmer.

Ich glaube, das kann man Kindern und Jugendlichen auch erklären, dass die Eltern von einem Mitschüler in einer Risikogruppe sind und gerade in einer solchen Infektionslage gefährdet sind (Abg. Brandstätter: Was war in Irland? Warum haben die bessere Zahlen? Auch Deutschland!), dass die Großmutter ernsthaft gefährdet ist und vielleicht wirklich auf der Intensivstation landen könnte und noch Schlimmeres. Man kann das den Kindern und Jugendlichen, glaube ich, erklären. Sie sind wirklich gescheit genug, um das zu verstehen. (Abg. Rauch: Wir haben dann traumatisierte Kinder!) Wir müssen alles tun, damit wir diese schlimmen Dinge, die auch notwendig sind, gemeinsam rüber­bringen, es erklären und schauen, dass wir das große Ziel erreichen, dass wir nicht in 24 Stunden wieder einmal 100 Tote haben, dass wir dem entgegenwirken. Ich glaube, das ist richtig. (Beifall bei der ÖVP.)

Zum Budget: Wir haben natürlich auch – es wird immer wieder beklagt, und die Kritik ist auch berechtigt – Aufholbedarf im Bereich Digitalisierung. Ich bin froh, dass wir in diesem Budget sehr wohl einen Schritt in die Zukunft gehen. Ja, Herr Kollege Kassegger, ich möchte zuerst einmal den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern danken, dass wir


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235 Millionen Euro zur Verfügung haben, um diese Investitionen im Bereich Digitalisie­rung und Schule zu tätigen, dass wir 2,4 Milliarden Euro an Steuergeld haben, um ins Schulentwicklungsprogramm zu investieren. Ich bedanke mich aber auch bei unserem Herrn Bundesminister (Rufe bei der FPÖ: Danke!), dass er es geschafft hat, diese politischen Prioritäten so zu setzen, dass das Geld auch sinnvoll eingesetzt wird, denn das sind wirklich Dinge, von denen ich glaube, dass es wichtig ist, dass wir dafür Geld in die Hand nehmen und investieren.

Ich möchte auch noch kurz zum Unisektor kommen. Wir bleiben am Wachstumspfad, das ist schon gesagt worden. 10 Prozent mehr für die FHs sind, glaube ich, wichtig, um auch die Qualität zu sichern, die die FHs erbringen.

Ich würde einfach sagen, nehmen wir dieses Budget, so wie es ist. Ich habe ja vorhin gesagt, wir sind ein Parlament, wir geben ein Bild ab. Der Budgetdienst, unser aller Budgetdienst, hat im Zuge seiner Analyse sehr viele lobende Worte für die UG 30 und 31 gefunden. Ich glaube, ganz falsch kann es nicht sein, wenn ich sage, es ist ein sinnvolles Budget, ein gutes Budget, ein Zukunftsbudget. Ich freue mich, wenn wir das in den nächsten Jahren auch umsetzen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

18.55


Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete Katharina Kucharowits ist die nächste Rednerin. – Bitte.


18.55.32

Abgeordnete Katharina Kucharowits (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Ge­schätzte Kollegen und Kolleginnen! Ich möchte aus ganz aktuellem Anlass eines kundtun: Gewaltverherrlichende Sprache, Hasskommentare oder Hasspostings haben in unserer Gesellschaft ganz einfach keinen Platz, und sind nicht tolerierbar. (Beifall bei der SPÖ.) Es ist wurscht – ich möchte das an der Stelle ganz einfach sagen –, von welcher Fraktion das kommt, ob von der eigenen, ob von allen anderen. Das hat in unserem Parlament, in der Politik, in der Demokratie und in unserer Gesellschaft keinen Platz. Volle Solidarität mit allen Frauen hier und mit allen Frauen außerhalb! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP, Grünen und NEOS.)

Ich möchte jetzt zum ganz wichtigen Kapitel Bildung und Wissenschaft kommen und finde es – so wie es Kollegin Kuntzl auch schon angesprochen hat – ein bisschen schade, Herr Minister, dass Sie sich so gar nicht mit der Lebensrealität von Kindern und Jugendlichen auseinandersetzen, auch nicht von Eltern, ElementarpädagogInnen oder LehrerInnen. Ganz ehrlich, die Begriffe Distancelearning oder Homeschooling sind mittlerweile nicht mehr so positiv besetzt und konnotiert, weil sie wahnsinnige Heraus­forderungen mit sich bringen.

Wir haben es schon gehört, ich möchte auch Blitzlichter von mir geben, weil ich in dem Fall auch mit Eltern von Kindern gesprochen habe, die erzählt haben, wie es Kindern geht. Homeschooling, lauter Videokonferenzen sind nicht leicht zu packen – ich sage das jetzt einmal so. Es ist total schwierig, das wirklich aufzunehmen und am Nachmittag auch noch Hausübungen zu machen. Noch dazu gibt es, wie heute schon oft erwähnt wurde, die Laptops nicht, die dafür dringend notwendig wären. Am Handy zu arbeiten, das ist doch offen gesprochen kein Zustand.

Es ist halt nicht so, wie Sie das sehr, sehr lapidar formuliert haben, Herr Bundesminister. Sie haben den realitätsfernen Tipp gegeben: Trennen Sie die Lern- von den Spiel­räumen! – Herr Minister, das ist ein schlechter Scherz! Wie soll das mit zwei Kindern gehen, wenn man sich Wohnungen vorstellt? (Zwischenruf der Abg. Salzmann.) Es gibt


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diese Trennungen nicht, das ist völlig realitätsfern! Befassen Sie sich deshalb wirklich mit der Situation, wie es Kindern, Jugendlichen und auch Studierenden geht.

Ich möchte etwas zu dem anmerken, was Kollege Marchetti vorhin gesagt hat: Es gibt Länder, die die Zahlen ohne Schulschließungen auch ganz klar runtergebracht haben. Die sind am Tisch! Irland hat innerhalb von drei Wochen eine Reduktion von 50 Prozent erreicht. Auch Deutschland ist auf einem guten Weg. Sie haben gegen das ExpertInnen­wissen gehandelt und haben Schulen und Kindergärten geschlossen. Wurscht wie man es darstellt, sie sind zu, denn wenn sie das Kind hinbringen, haben viele Eltern ganz ehrlich ein unfassbar schlechtes Gewissen. Das ist auch durch die Pressekonferenzen begründet, das muss man an der Stelle auch einmal sagen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte aber jetzt vor allem noch zu den Studierenden und zu deren Situation kommen. Studierendenwohnheime wären eine Möglichkeit, um Wohnen endlich bezahl­bar zu machen, denn ohne Finanzspritze aus einer finanzkräftigen Familie sind Woh­nungen für Studierende nicht mehr leistbar. Umso trauriger ist es, Herr Bundesminister, dass für Studierendenwohnungen null Euro im Budget vorgesehen sind, weder etwas für die Sanierung noch für die Neuerrichtung. Ich halte das für völlig falsch, das ist ein völlig falscher Zugang!

Ich möchte auch darauf aufmerksam machen, dass aufgrund der Covid-Krise viele Studierende natürlich frühzeitig aus ihren Wohnheimen ausziehen, weil sie sie nicht brauchen – Stichwort Distancelearning. Sie kommen aber aus den Mietverträgen nicht heraus. Gleichzeitig haben natürlich die Wohnheime ein Problem damit. Das ist eine Situation, der man sich jetzt stellen muss.

Wir tun das und bringen deshalb heute folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Unter­stützung von gemeinnützigen Studierendenwohnheimen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung wird aufgefordert, finanzielle Mittel für den Neubau und die Sanierung von gemeinnützigen Studierendenwohnheimen zur Verfügung zu stellen und COVID-19-bedingte Unterstützungen für gemeinnützige StudierendenheimträgerInnen zu leisten.

*****

Machen wir Wohnen zumindest für Studierende wieder ein Stück weit bezahlbar! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

19.00

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Katharina Kucharowits, Dr.in Petra Oberrauner, Genossinnen und Genossen

betreffend Unterstützung von gemeinnützigen Studierendenwohnheimen

eingebracht im Zuge der Debatte zu UG 31 Wissenschaft und Forschung


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in der Sitzung des Nationalrats am 18. November 2020

Gemeinnützige Studierendenwohnheime leisten einen großen Beitrag zur sozialen Durchmischung der Studierenden in Österreich, indem sie das Wohnen am Studienort zu erschwinglichen Mietkosten ermöglichen. Diese kostendeckende Mietpreisgestaltung wurde unterstützt durch die Förderung der Errichtung dieser Studierendenwohnheime und auch durch die Förderung von später notwendigen Sanierungen. Die Unterglie­derung 31 des Budgets sieht nunmehr keine Unterstützung für gemeinnützige Studieren­denwohnheime vor. Weder wird die Errichtung dieser Einrichtungen gefördert noch deren Sanierung. Damit wird es den HeimträgerInnen enorm erschwert, ihre Tätigkeit kostendeckend fortzusetzen.

Ebenso ergeben sich Probleme aus der derzeitigen COVID-19-Situation:

Studierende, die derzeit nicht am Studienort aufhältig sein müssen, bedingt durch bloße Online-Studienangebote an den Universitäten, benötigen ihren Studierendenheimplatz nicht und versuchen naturgemäß die abgeschlossenen Mietverträge kurzfristig zu lösen. Die rechtliche Situation dieser Lösungsmöglichkeit ist derzeit ungeklärt. Ebenso entsteht durch den COVID-bedingten Mangel an typischen Studierendenbeschäftigungen (z.B. in der Gastronomie) die Notwendigkeit für viele Studierende, die Mietverträge mit den HeimträgerInnen aufgrund der finanziellen prekären Situation kurzfristig aufzukündigen. Aus diesem Grund erscheint es daher notwendig, auch COVID-19-Hilfsmittel den Heim­trägerInnen von gemeinnützigen Studierendenwohnheimen zukommen zu lassen.

Aus den genannten Gründen stellen daher die unterfertigten Abgeordneten nachfol­gen­den

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung wird aufgefordert, finanzielle Mittel für den Neubau und die Sanierung von gemeinnützigen Studierendenwohnheimen zur Verfügung zu stellen und COVID-19-be­dingte Unterstützungen für gemeinnützige StudierendenheimträgerInnen zu leisten.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher mit in Verhandlung.

Nächster Redner: Herr Abgeordneter Josef Smolle. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.00.21

Abgeordneter Dr. Josef Smolle (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was den Umgang mit den Schulen betrifft, ist die Sache in rein epidemiolo­gi­scher Hinsicht ambivalent, es tauchen solche, es tauchen solche Studien auf. Es gibt jetzt wieder Hinweise, dass es für das Infektionsgeschehen relevant ist. (Präsident Hofer übernimmt den Vorsitz.)

Neun europäische Länder haben bei den Schulen auch eingegriffen, andere haben es nicht getan. Einig ist man sich darüber, dass es eine enorme Herausforderung für alle Beteiligten ist. Wenn wir aber über die negativen Auswirkungen sprechen, möchte ich mir nicht ausmalen, wie negativ die Auswirkungen auch am psychologischen Sektor wären,


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wenn wir die Pandemie nicht in den Griff bekommen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Zum Wissenschaftsbudget: Bis 2022 steigt es von 5 Milliarden auf 5,6 Milliarden Euro. Das teilt sich auf verschiedene Einrichtungen auf. Die knapp 1,4 Milliarden Euro für die Universitäten in der nächsten dreijährigen Leistungsvereinbarungsperiode bringen tat­sächlich ganz, ganz tolle Chancen. Ich denke an die Infrastruktur und freue mich als Grazer natürlich ganz besonders über das Center of Physics. Für die Studierenden freue ich mich über die Verbesserung der Betreuungsrelation. Das ist jetzt dann ja schon die zweite Periode der Universitätsfinanzierung Neu, das heißt, da wird zielgerichtet und qualitätsorientiert finanziert.

Die Fachhochschulen, in den vergangenen Jahrzehnten finanziell nicht immer so aus­gestattet wie gewünscht, kriegen das größte Plus, das sie bisher bekommen konnten. Auch das ist ganz, ganz wichtig, weil diese gerade in vielen Berufen, die so essenziell für unsere Gesellschaft sind, ganz ausgezeichnet ausbilden.

Die außeruniversitäre Forschung wurde auch schon angesprochen. Da geht es jetzt nicht nur darum, dass das Budget in den nächsten Jahren um 18,4 Prozent steigt, son­dern dass diese außeruniversitären Forschungseinrichtungen nun auch ihre dreijährigen Leistungsvereinbarungen haben, ihre Planbarkeit, verbunden auch mit der Verpflichtung dahin gehend, was wir als Gesellschaft von ihnen erwarten. Das ist ein ganz, ganz großer Fortschritt.

Ich freue mich natürlich, dass der FWF entsprechend aufgewertet wird, dass die anderen Trägerorganisationen aufgewertet werden. Als Mediziner sage ich auch, die Fokus­sierung einer dieser Einrichtungen, nämlich der Ludwig Boltzmann Gesellschaft, auf klinische Forschung ist auch ein absolut zeitgemäßer und sehr wichtiger Schritt und passt auch gut zum Uni-Med-Impuls 2030 dazu.

Ein ganz kleiner Punkt noch, der vielleicht sonst untergehen könnte, betreffend eine kleine organisatorische Revision: Dass die Zentralanstalt für Meteorologie und Geo­dynamik und die Geologische Bundesanstalt zusammengeführt werden, hat das Poten­zial zu enormen inhaltlichen Synergien und ist gerade in Zeiten der Klimaheraus­forde­rung etwas ganz, ganz Wichtiges.

Wir stehen dazu, dass in der Wissenschaft ein Wachstumspfad unumgänglich ist. Ich erinnere mich an die heftige Diskussion anlässlich des FoFinaG, als es geheißen hat: Warum steht keine Zahl drinnen? Wir haben dann gesagt, es steht ein Wachstumspfad drinnen. In meinen knapp 40 Jahren im österreichischen Wissenschaftsbetrieb kann ich sagen, es war faktisch immer ein Wachstumspfad. Auch in dieser Krise jetzt werden die Mittel genau für die Forschung und für die Wissenschaft signifikant gesteigert, und das ist ganz, ganz wichtig.

Zum Abschluss möchte ich noch etwas sagen, was Kollegin Niss schon angesprochen hat. Die Kooperation Wissenschaft und Wirtschaft ist etwas ganz, ganz Essenzielles. Wir schaffen mit einer florierenden Wissenschaft die Voraussetzung für die Arbeitsplätze und die Produktion der Zukunft, und dadurch, dass wir die Produktion und die Arbeitsplätze halten, halten wir auf Dauer auch wiederum die Wissenschaft und die Entwicklung im Land. Deshalb müssen wir das synergistisch betrachten. Wir sind auf einem guten Weg. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

19.04


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Gerald Hauser zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.



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19.05.04

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Faßmann, Sie haben und Sie hatten ein riesengroßes Privileg: Alle Fraktionen dieses Hauses haben Sie betreffend Offenhalten der Schulen unterstützt. Wir haben letzte Woche bei den Budgetverhandlungen intensiv über dieses Thema diskutiert und haben Sie alle mit unterschiedlichen Argumenten unterstützt, die ich mangels Zeit jetzt nicht wiederholen kann. Sie selber waren der Mei­nung, dass die Schulen offen bleiben sollen. Bedauerlicherweise haben Sie über die Regierung unsere Schulen schließen lassen – mit allen negativen Konsequenzen, die daran hängen. Und bitte, Kollegen von der ÖVP, geht heute nicht zum Rednerpult und sagt, die Schulen sind offen. Die Schulen sind zu, gegen unser aller Willen und gegen unser aller Meinung. Das hat es überhaupt noch nie gegeben. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich zitiere jetzt aus Ihrem Erlass, Herr Minister, den Sie an alle Schulen geschickt haben, in dem betreffend die Unterstufen drinnen steht: „Schülerinnen und Schüler, die zur Erfül­lung der Arbeitsaufgaben zuhause keinen geeigneten Arbeitsplatz haben, über keinen Zugang zu IT-Endgeräten verfügen, die pädagogische Unterstützung benötigen oder die zuhause nicht betreut werden können“, können in die Schule gehen. Das heißt, unter bestimmten Voraussetzungen – alle anderen nicht.

Und was die Oberstufe anbelangt, ist von Ihnen überhaupt klar festgehalten: Die Ober­stufe findet im Fernunterricht statt. Da kann nur die Direktion fallweise und dann nur ein Mal pro Woche überhaupt einen Schulunterricht abhalten. – Ich danke. (Beifall bei der FPÖ.)

19.07


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächste Rednerin ist Frau MMMag. Gertraud Salzmann. – Bitte, Frau Abgeordnete.


19.07.07

Abgeordnete MMMag. Gertraud Salzmann (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen hier im Haus, aber auch liebe Kolleginnen und Kollegen daheim vor den Fernsehgeräten! Ich habe viele SMS bekom­men, ich weiß, dass viele interessiert diese Diskussion hier mitverfolgen.

Wir debattieren das Budget Bildung und Wissenschaft, aber ich höre auch alles andere. Ich möchte jetzt aber trotzdem ganz bewusst, zumindest ganz kurz, auf das vorliegende Budget eingehen, Herr Minister. Sie haben wirklich sehr, sehr gut verhandelt, denn sowohl das Budget für die Bildung als auch das Budget für die Wissenschaft kann sich wirklich sehen lassen.

Es gibt im Bildungsbereich in den nächsten Jahren bis 2024 eine Erhöhung um 996 Mil­lionen Euro. Meine Damen und Herren, das ist eine sehr, sehr große Summe. Wenn ich zu Frau Kollegin Hammerschmid hinüberschaue: In den Jahren 2013 bis 2016 – in diesen vier Jahren unter SPÖ-Führung – gab es in Summe eine Erhöhung von 29 Mil­lionen Euro. Also bitte, dann schauen wir, wer Bildung kann! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Dieses Geld, meine Damen und Herren, wird sehr sinnvoll eingesetzt, und zwar endlich für die Ausrüstung für digitale Schulbildung. Frau Kollegin Hammerschmid, Sie sind hier vorne gestanden und haben gesagt: Wir brauchen das endlich! – Ja, ich kenne Sie als Ministerin, als ich Lehrerin war. Sie können jetzt so tun, wie Sie wollen – ob Sie mich ernst nehmen oder nicht –, aber ich kenne Sie als Ministerin. Ich frage Sie und Ihre Vorgängerkolleginnen: Warum habt ihr nicht die digitale Schulbildung umgesetzt?


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Warum seid ihr da nicht reingegangen? (Zwischenruf der Abg. Hammerschmid.) Das frage ich mich schon. (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.) In Ihrem Ressort, unter Ihnen, Herr Minister Faßmann, wird es jetzt gemacht.

Der zweite Punkt, meine Damen und Herren, bei dem in Bildung investiert wird – das ist auch ein Punkt, den ihr nicht umgesetzt habt, meine Damen, ich kann es nicht anders bezeichnen –, ist der Ethikunterricht. Wir setzen ihn endlich um. Seit 2011 liegen die Zahlen am Tisch. Dazu kommt, dass wir jetzt auch in die Schulen investieren, die vor einer besonderen Herausforderung stehen. Da sage ich auch Danke Richtung grüner Fraktion (Rufe bei der FPÖ: Danke!) – der Chor der FPÖ stimmt ein, Sie sind schon recht gut eingestimmt –, zuvorderst auch dir, liebe Sibylle Hamann.

Aus Zeitgründen gehe ich jetzt nicht auf die Wissenschaft im Detail ein, ihr möget es mir verzeihen, auch wenn sie sehr wichtig ist: 1,2 Milliarden Euro kommen dazu.

Lasst mich als Pädagogin aber jetzt noch auf die aktuelle Situation eingehen: Wir haben so viel gehört, und ich kann euch versichern, als Pädagogin ist es mir wirklich ein Herzensanliegen, den Präsenzunterricht so lange wie irgend möglich abzuhalten. Jetzt haben wir aber von den Vorrednern gehört, wie schwierig die Situation derzeit mit den Infektionszahlen ist.

Der Gesundheitsminister hat hier gesagt: Heute gibt es wieder 7 100 Neuinfizierte. (Abg. Rauch: Der Gesundheitsminister hat auch gesagt, die Schulen bleiben offen!) Wir haben tagtäglich viele Tote, und diese besondere Herausforderung braucht auch besondere Maßnahmen. Ihr von der Opposition haut nur drauf. Das könnt ihr gut, aber es bringt gar nichts. (Zwischenruf des Abg. Rauch.) Ich vermisse eure sinnvollen Vorschläge. Heute sind einige gekommen, aber jetzt ist es schon ein bisschen spät. Aus dieser Krise auf dem Rücken der Schülerinnen und Schüler politisches Kleingeld herauszuschlagen, halte ich für schäbig – das muss ich euch wirklich sagen. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenruf des Abg. Loacker.)

Frau Kollegin Künsberg Sarre, du bist wenigstens da und erkennst auch wertschätzend an, was da ist. Da wird auch differenziert – das finde ich gut. Wir sind im Dialog, das ist wichtig (Abg. Rauch: Sie vernichten ...!), aber bitte hört auf, immer wieder vom Chaos in den Schulen zu reden! Warum? Lieber Kollege Brückl, du hast davon gesprochen, dass die Motivation weg ist, aber warum denn? (Abg. Brückl: Jede Zeitung: Chaos! – Abg. Rauch: Sie machen Chaos!) – Wenn ihr euren Kindern, den Schülern ständig sagt, dass alles im Chaos untergeht, braucht ihr euch nicht zu wundern, dass die Motivation weg ist. Wisst ihr was? Ihr tut allen Lehrerinnen und Lehrern und allen Direktorinnen und Direktoren Unrecht, weil sie nämlich jeden Tag in der Schule stehen und sich wirklich bis an die Grenze ihrer Belastbarkeit einsetzen. (Abg. Rauch: Lassen Sie die Lehrer und die Kinder in die Klassen!) Da fehlt mir die Wertschätzung. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich zum Schluss kommen! Lieber Herr Faßmann (Abg. Rauch: Danke, danke, danke!), ich bin froh, dass die Vorgängerinnen nicht mehr im Ressort sind, sondern dass Sie in dieser sehr, sehr schweren Krise der Zweiten Republik dieses Ressort so verantwortungsvoll führen. Sie haben ein Herz für die Bildung, und bei Ihnen ist die Bildung nicht nur ein Lippenbekenntnis. Ich danke für Ihren Einsatz. (Abg. Rauch: Danke, danke, danke!) – Ja, Einsatz passt, die FPÖ folgt schon. (Heiterkeit bei FPÖ und NEOS.) – Ein großes Danke im Chor aus dem ganzen Parlament an alle Lehrerinnen und Lehrer, an alle Direktorinnen und Direktoren und auch an das Schulverwaltungspersonal, denn das sind die Personen, die den Betrieb in unseren Schulen jetzt so gut aufrechterhalten! – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf bei der SPÖ.)

19.12



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Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Mag.a Dr.in Sonja Hammerschmid zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Abgeordnete.


19.12.40

Abgeordnete Mag. Dr. Sonja Hammerschmid (SPÖ): Frau Abgeordnete Salzmann hat in ihrer Rede gerade behauptet, dass wir vom Jahr 2014 bis zum Jahr 2016 nur 29 Mil­lionen Euro mehr an Budget bekommen haben und in der digitalen Bildung nichts getan hätten.

Ich berichtige tatsächlich: Zum einen, liebe Frau Salzmann – ich habe nicht mehr alle Budgetzahlen vom Jahr 2014 bis zum Jahr 2016 präsent –, war ich 2016 und 2017 Ministerin. (Zwischenruf des Abg. Stögmüller.) Zum anderen darf ich Ihnen sagen, dass alleine ich in den eineinhalb Jahren 750 Millionen Euro mehr für den Ausbau der Ganztagsschulen bekommen habe – das ist mir wohl präsent –, und 300 Millionen Euro zur Deckung der strukturellen Lücke. Woher Sie die 29 Millionen Euro haben, weiß ich schlichtweg nicht. (Beifall bei der SPÖ. – Heiterkeit bei der FPÖ.)

Noch ein Wort zur digitalen Bildung (Zwischenrufe bei der ÖVP): In meiner Zeit haben wir ein Strategiekonzept für die Digitalisierung geschrieben. In meiner Zeit haben wir den Lehrplan für digitale Bildung pilotiert. In meiner Zeit haben wir Education Innovation Labs eingerichtet. In meiner Zeit haben wir - -


Präsident Ing. Norbert Hofer: Frau Abgeordnete, bitte noch einen Satz, damit das auch wirklich eine tatsächliche Berichtigung bleibt.


Abgeordnete Mag. Dr. Sonja Hammerschmid (fortsetzend): Ich könnte die Liste lange fortsetzen – aber zu sagen, wir hätten nichts getan, ist schlichtweg falsch. (Beifall bei der SPÖ.)

19.14


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Herr Dr. Helmut Brandstätter. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.14.09

Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mit einem Thema beginnen, das viele Menschen – hier und auch draußen – im Moment wahnsinnig aufregt. Herr Bundesminister, ich weiß, Sie sind nicht zuständig, aber ich bitte Sie drin­gend: Rufen Sie Herrn Kurz und Herrn Anschober an – es muss sich etwas ändern! Sie können in diesem Land heute überall Waffen kaufen, aber wenn Sie den Buchhändler Ihres Vertrauens anrufen und sagen: Bitte, ich möchte kontaktlos ein Buch abholen!, ist das verboten. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Der Buchhandel hat sich schon aufgeregt, es war kurz auf der ORF-Seite, dann ist es verschwunden – es soll darüber nicht geredet werden. Wollen Sie wirklich, dass die Leute nicht einmal mehr Bücher bekommen? Ich bitte Sie dringend: Rufen Sie den Bundeskanzler an und sagen Sie ihm, dass das schnell geändert werden muss. Es muss doch in diesem Land noch möglich sein, kontaktlos Bücher zu bekommen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwi­schenruf des Abg. Kollross.)

Jetzt sage ich Ihnen etwas: Herrn Professor Hengstschläger habe ich schon vorgestellt – damit sind wir mitten in der Wissenschaft –, über ihn habe ich schon einmal gesprochen. Das hätten Sie gemeinsam mit der Regierung vorher lesen sollen (das Buch „Die Lösungsbegabung“ von Markus Hengstschläger in die Höhe haltend), weil er nämlich über Lösungskompetenz redet. Für die Lösung unerwarteter Probleme brauchen wir – zusätzlich zum erlernten Wissen – soziale Kompetenz, kritisches Denken, Kreativität, Kommunikation, Ethik und Resilienz.


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Resilienz – sich irgendwie zurücklehnen, es wird schon gehen – sehe ich, aber alles andere habe ich in letzter Zeit leider wirklich vermisst – am allermeisten bei der Frage der Schulen. Liebe Frau Kollegin Hamann: Ich habe mir heute die gestrige Sendung auf Puls 24 – Hamann versus Martina Künsberg – angeschaut, und Sie haben immer wieder dasselbe gesagt: Nein, die Schulen sind ohnehin offen! – Natürlich, man kann hinein­gehen, aber man soll nicht hineingehen. Das war für mich wirklich enttäuschend, ich muss das sehr deutlich sagen. Ich habe kurz die Augen zugemacht und mir gedacht: Aha, das ist die Pressesprecherin von Kurz. Sie haben eins zu eins die Argumente der ÖVP übernommen. Was ist denn aus euch geworden? – Das kann ja nicht wahr sein! (Beifall bei NEOS und FPÖ sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir wissen doch, dass wir die Schulen brauchen – und der Herr Bundesminister weiß es am besten. Ich zitiere ihn, weil er das vor wenigen Tagen gesagt hat: Wenn die Schüler lange weg seien, könne man auch Lernprozesse schlechter kontrollierend begleiten. Außerdem habe man im Sommersemester gesehen, dass vor allem Schüler aus bil­dungsfernen Familien eher verloren gingen. Man müsse darauf achten, dass die Bil­dungsschere nicht aufgeht. – Herr Bundesminister, wir sind uns wahrscheinlich einig: Es gibt diese Bildungsschere. Wir wissen – Sie nicken –, dass Bildung in diesem Land vererbt wird. Wir wissen, dass es die größte Ungerechtigkeit von allen ist, und Sie und alle anderen schauen zu, wie die Bildungsschere weiter aufgeht, und die Grünen unterstützen das. Sagt zu den NEOS nie wieder neoliberal, denn das Beste, was die NEOS je gemacht haben, ist, sich für Bildung, Bildung, Bildung einzusetzen! (Zwi­schenrufe bei der ÖVP.) Sie setzen es jetzt auch in Wien durch, und – das ist der wesentliche Punkt – ihr habt es vergessen. Das tut mir sehr leid. (Beifall bei den NEOS. – Ruf bei der ÖVP: Heiße Luft!)

Noch ein Punkt – weil das angesprochen wurde –: die TU Linz. Nein, Frau Kollegin Niss, Martina Künsberg hat die TU Linz nicht verteufelt, ich habe sehr genau zugehört. Die Wortmeldung war: Wir werden einmal schauen, was das wird. – Ich glaube ja, dass der Herr Bundesminister auch nicht genau gewusst hat, dass Herr Kurz dort etwas ver­schenkt. Niemand weiß, wie die Uni aussehen wird, niemand weiß, wie sie finanziert werden soll – wir werden schauen, was das wird. Wenn das Bildungsplanung ist, dann weiß ich es nicht. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Ich wollte aber auch etwas Positives sagen: Ja, für den Bereich der Grundlagen­for­schung gibt es mehr Geld – Wissenschaftsbudget ja, nur das Bildungsbudget lässt leider aus.

Ich muss leider wieder zurück zum Negativen, nämlich zur Frage der Universitäten: Ich habe mit Kollegen Slager von den Jungen NEOS über die Uni gesprochen. Er hat mir von vielen Szenen erzählt, in denen natürlich auch die Studentinnen und Studenten ver­unsichert sind. Sie sagen natürlich richtigerweise: Das ist die Autonomie der Hoch­schulen! – Ja, das weiß ich schon, aber im Bereich der Digitalisierung funktioniert vieles nicht. Die Studentinnen und Studenten kennen sich nicht aus, was nicht offen ist und was schon. Ist die Universitätsbibliothek offen? Ist die Nationalbibliothek nicht zu? Man kennt sich nicht aus, und auch das wirft die Leute zurück. Deswegen gehe ich davon aus, dass Sie das mit den 16 ECTS jetzt ohnehin einmal vergessen. Ich glaube, dass wir wirklich andere Sorgen haben als zu schauen, ob wir noch jemanden aus der Uni rausdrängen können. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

Nein, wir brauchen mehr Bildung im Land, wir brauchen mehr Menschen, die die Chance haben. Es ist wirklich das Gefährlichste: Ich wundere mich bei der ÖVP ja leider ohnehin nicht mehr, aber bei den Grünen wundere ich mich, dass man bei dem weiteren Aufgehen der Bildungsschere mitmacht. Sie können jetzt herauskommen und sagen: Die Schulen sind ohnehin offen! – Ich weiß, dass sie offen sind und man hineingehen kann. Ich weiß aber auch – und das war schon das Argument im Frühjahr –, dass auf


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die Eltern Druck ausgeübt wird. Wo war die Planung? Wo waren Sie im Frühjahr, um in andere Länder zu schauen, die vieles besser machen? In Irland hat jede Lehrerin, jeder Lehrer eine solche Maske (eine FFP2-Maske in die Höhe haltend), eine FFP2-Maske. Bei uns haben sie nichts. In Irland und Deutschland sind die Schulen offen, und die Länder haben deutlich niedrigere Zahlen. Wir sind die Schlechtesten, was die Infektionen betrifft, und dann sperren wir die Schulen zu, damit alles noch schlimmer wird. Das ist wirklich enttäuschend. (Zwischenruf des Abg. Sieber.) Ich könnte noch lange darüber reden, aber noch einmal mein Appell: Geben Sie wenigstens den Leuten die Chance, nicht nur Waffen, sondern auch Bücher zu kaufen! Geistige Waffen brauchen wir, nicht etwas zum Schießen! – Danke schön. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

19.19


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Ing. Johann Weber. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.19.55

Abgeordneter Ing. Johann Weber (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuschauer und Zuhörer zu Hause vor den Bildschirmen! Ich möchte meine Rede mit dem Namen Markus beginnen. Markus ist ein ehemaliger Schüler. Er kam seinerzeit mit 15 Jahren zu uns an die landwirtschaftliche Fachschule, um die Prüfung zum landwirtschaftlichen Facharbeiter letztendlich erfolg­reich abzulegen. Nebenbei konnte er sich auch für seine weitere Zukunft beruflich orientieren und entdeckte dabei seine Liebe zur Technik, was ihn nach der schulischen Ausbildung dazu bewogen hat, eine Lehre mit Matura im Bereich Maschinenbautechnik zu beginnen. Vier Jahre später hat er die Lehrabschlussprüfung gemacht und die Reife­prüfung sehr erfolgreich abgelegt, was ihm in weiterer Folge zusätzliche Möglichkeiten eröffnet hat: Er ging nach Wien, finanzierte sich sein Studium an der Veterinärmedizi­nischen Universität mit dem Selbsterhalterstipendium, und jetzt ist er erfolgreich prak­tizierender Tierarzt bei uns im wunderschönen Lavanttal. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Nicht nur deswegen bin ich ein Anhänger und Freund der dualen Ausbildung, im spe­ziellen Fall der Lehre mit Matura. In meinem Heimatbezirk Wolfsberg haben wir im Schnitt circa 900 Lehrlinge, und circa 10 Prozent dieser Lehrlinge entscheiden sich jährlich für die Lehre mit Matura. Ich glaube, das ist im Österreichvergleich ein sehr guter Wert. Warum ist das bei uns so? – Die Berufsschule Wolfsberg unter Direktor Norbert Aichholzer und seinem Team – er schaut übrigens heute die Übertragung an – steht zu 100 Prozent hinter dieser Ausbildungsform.

Der junge Lehrling verdient von Beginn seiner Lehre an bereits schönes, ehrlich ver­dientes Geld, und das wird letztendlich auch schon pensionswirksam. Er weiß, warum er etwas macht. (Zwischenruf bei der SPÖ.) In weiterer Folge steigen – als gefragter Facharbeiter – nicht nur die Arbeitschancen, sondern auch weitere Türen in der Karriere­leiter und im weiteren Bildungsbereich gehen auf, wie eben beim vorhin erwähnten Beispiel Markus.

In Summe wird in Österreich in diesem Bereich schon sehr viel richtig gemacht, aber wir können und müssen uns da sicherlich auch noch verbessern. Wir wissen, wir haben in diesem Bereich noch ein zu hohe Drop-out-Quote, dafür ist aber im Regierungs­pro­gramm einiges vorgesehen.

Herr Bundesminister, noch einmal recht herzlichen Dank für die 12,4 Millionen Euro (Rufe bei der FPÖ: Danke, danke!), die dafür vorgesehen sind. Ich wünsche allen Lehr­lingen mit Matura alles Gute für die Zukunft. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

19.22



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 536

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Kai Jan Krainer zu Wort gemeldet. – Sie als langjähriger Mandatar kennen die Bestimmungen der Geschäftsordnung. Bitte schön.


19.22.52

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Kollegin Kaufmann hat vor wenigen Minuten gemeint, als sie Schülervertreterin war, habe es nur rote Bildungs­minister gegeben, die nichts zustande gebracht hätten.

Wie ich ihrem Lebenslauf entnehmen kann, ist sie 1986 geboren. Das heißt, von ihrem neunten bis zu ihrem 20. Lebensjahr gab es nur eine Ministerin: Das war Ministerin Elisabeth Gehrer. (Ruf bei der SPÖ: Na geh!) Ich will nicht bestreiten, dass sie nichts zustande gebracht hat, aber ich muss hier tatsächlich berichtigen: Sie war keine Rote, sondern sie war von der ÖVP. Insofern fällt Minister Faßmann damit, dass auch er nichts zustande bringt, nicht aus der Reihe. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

19.23


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Eva Maria Holzleitner. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


19.23.43

Abgeordnete Eva Maria Holzleitner, BSc (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute Vormittag schon sehr oft gehört, dass eine Landesregierung zigmal kritisiert worden ist, obwohl sie noch nicht einmal angelobt ist. Auch wenn diese Regierungsform in Österreich bis jetzt vielleicht noch nicht präsent war: Rot-Pink hat heute hier schon solch einen Shitstorm abbe­kommen, ohne noch angelobt zu sein. (Abg. Stögmüller: Das kennen wir gut, dieses Gefühl!) Einen Minister, der zu Weihnachten sein mittlerweile dreijähriges Amtsjubiläum feiert, nicht kritisieren zu dürfen, weil das frevelhaft ist, finde ich ehrlicherweise schon ein sehr starkes Stück bei dem, was wir den ganzen Tag schon erleben. (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

Wir diskutieren hier zwei Untergliederungen – Bildung und Wissenschaft –, die eigentlich zukunftsweisend sein sollen. Ich habe mich heute wirklich ein bisschen gewundert: Ich habe meine Redeunterlagen vom Frühjahr herausgenommen und hätte das in Wahrheit eins zu eins sagen können, weil die Kritik noch immer dieselbe ist – bis auf eine ganz kleine Kleinigkeit. Schon im Frühjahr hat der Budgetdienst angeprangert, dass die Ungerechtigkeiten in unserem Bildungssystem gerade mit Homeschooling und Distance­learning noch verschärft werden. Auch jetzt, für das Budget 2021, stellt der Budgetdienst das wieder exakt so dar. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es ist einfach ein Faktum, das wir nicht ignorieren dürfen. Um dieses Problem zu lösen, wäre ein flächendeckender Chancenindex ein gutes Mittel, um wirklich gegenzusteuern und die Bildungsvererbung endlich aufzubrechen – und nicht in solch einer Miniform: Popup-Chancenindex, haben wir schon gehört. Ich finde, das ist eigentlich sehr passend: ein bisschen etwas, nur für ein Jahr, nicht flächendeckend, eine halbseichte Geschichte, wie man so schön sagt. Gerade jetzt wäre es eigentlich ganz, ganz dringend notwendig, die Schulen, die Schülerinnen und Schüler, die Lehrerinnen und Lehrer bestmöglich zu unterstützen. Ich finde, dass durchaus auch eine Frage berechtigt ist: Warum erst jetzt und nicht schon 2018 oder 2019? Ich glaube, dass man das durchaus aussprechen darf.

Damit komme ich noch zum Bereich der Hochschulen. Im Bereich der Studierenden erkennen wir leider auch überhaupt nichts, was die Studierenden unterstützen soll: keine Ambitionen, die Studiengebühren für Berufstätige wieder abzuschaffen, keine Ambi­tionen für Investitionen in Studiheime, keine Ambitionen, den Hochschulzugang durchlässiger


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zu machen, und keine Ambitionen für eine echte Ausfinanzierung von Österreichs Hochschulen.

Als Daily Reminder: Der Anstieg des Hochschulbudgets resultiert aus einem Beschluss von 2017 in diesem Hohen Haus, bei dem die ÖVP nicht mitgegangen ist – auch das haben wir hier schon sehr oft dargelegt. (Beifall bei der SPÖ.)

Was bekommen wir aber mit diesem Budget? – Ein Luftschloss namens Technische Uni­versität Oberösterreich. Ich freue mich wirklich auf das Jahr 2021, in dem in Ober­öster­reich nicht nur Landtagswahlen, sondern auch Bürgermeisterinnen- und Bürgermeister- und Gemeinderatswahlen anstehen. Ich freue mich wirklich auf das Hochglanz­spaten­stichfoto zur Landtagswahl, auf dem dann wahrscheinlich der Herr Landeshauptmann, der Bildungsminister und der Herr Kanzler mit einem goldenen Spaten stehen, in die Erde stechen und sagen: Supertoll, das haben wir für Oberösterreich zustande ge­bracht! – Es ist ein Luftschloss, ein perfektes Wahlzuckerl für die Österreichische Volks­partei. (Beifall bei SPÖ und NEOS. – Zwischenruf bei der SPÖ.)

Der Druck im Bildungssystem und im Hochschulsystem besteht schon viel, viel länger – nicht nur durch Corona –, deswegen darf ich abschließend noch folgenden Entschließungs­antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend „flächendeckende Umsetzung des Chancenindex“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung wird aufgefordert, das 100-Schulen-Projekt sofort zu einem flächendeckenden Chancenindex auszubauen und die für alle Schularten vorgesehene Verordnung zur chancenindexierten Mittelverteilung zu erlassen.“

*****

Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

19.28

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Eva Maria Holzleitner,

Genossinnen und Genossen

betreffend flächendeckende Umsetzung des Chancenindex

eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Budgetausschusses über TOP 11: Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2021 (Bundesfinanzgesetz 2021 - BFG 2021) samt Anlagen -UG 30

Zahlreiche nationale und internationale Studien (OECD, PISA, Resilienz, usw.) kommen zum Schluss, dass der Bildungserfolg eines Kindes in Österreich nur zu einem Teil von seinen Talenten abhängig ist. Zu weiten Teilen hängt er immer noch davon ab, wie gut Eltern ihre Kinder unterstützen können. Wir wissen: Bildungsvererbung verdeckt die Talente unserer Kinder und hindert sie daran ihre vollen Potentiale zu erkennen und zu


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nutzen. Die Corona Krise hat wie ein Brennglas gewirkt: Kinder, die nicht auf die But­terseite des Lebens gefallen sind, haben stärker unter der Situation gelitten. Vor allem jene, die aus sozial benachteiligten Familien kommen und Lernschwächen haben, wurden überproportional stark von den Schulschließungen getroffen.

Um dieses Problem zu lösen, müssen wir die ungerechte Verteilung von (Bildungs-)Chan­cen in unserem Land beenden. Ein Chancenindex ist seit langem erforscht und könnte auf Basis der aktuellen Rechtslage seit 2017 problemlos umgesetzt werden:

Die Arbeiterkammer  hat errechnet, dass jede sechste Schule (VS, NMS und AHS) in Österreich ihre Kinder auf Grund der Lernumgebung nicht fördern kann. Das sind 745 Schulen im ganzen Land, die dringend Unterstützung benötigen. Jedoch sollen lediglich 100 (13%) dieser Schulen unterstützt werden. Auch die PISA Sonderauswertung  zur Bildungspolitik hat uns gezeigt, dass an 66% aller Schulen in Österreich nicht genügend Unterstützungspersonal tätig ist – nur ein Bruchteil wird Teil des Projektes sein.

Im Bildungsreformpaket 2017 wurde im § 5 Abs. 4 des Bildungsdirektionen-Einrich­tungsgesetzes folgendes verankert: „Die Bewirtschaftung der Lehrpersonalressourcen hat sich jedenfalls an der Zahl der Schülerinnen und Schüler, am Bildungsangebot, am sozioökonomischen Hintergrund, am Förderbedarf der Schülerinnen und Schüler sowie an deren im Alltag gebrauchter Sprache und an den regionalen Bedürfnissen zu orientieren. Das zuständige Mitglied der Bundesregierung kann zur Berücksichtigung des sozioökonomischen Hintergrunds der Schülerinnen und Schüler durch Verordnung entsprechende Kriterien festlegen.“

Leider ist das Budget für das 100-Schulen-Projekt, das sich den Kriterien eines Chan­cenindex nähert, jedoch nur mit 15 Millionen Euro dotiert. Das ist weit weg von den 300 Millionen Euro pro Jahr, die die Arbeiterkammer in ihrem Chancenindex Modell errechnet hat. Zudem sieht es das Bildungsministerium auch als Forschungsprojekt. Dieser „Pop-up Chancenindex“ startet wohl auch erst im Oktober 2021 – 18 Monate nach den ersten Schulschließungen während des Covid-19-Pandemie Lockdowns im Frühjahr 2020. Somit werden die Herausforderungen in den Schulen, die sich durch Corona nur verstärkt haben, nicht gelöst werden.

Was droht, wissen wir leider auch: die negativen Effekte der Schulschließungen aus dem Frühjahr – Reduktion der Kompetenzen, höhere Lernrückstände, verringertes Lebens­ein­kommen der Corona SchülerInnengeneration, Reduktion des langfristigen Wirt­schafts­wachstums etc. – werden somit verfestigt.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung wird aufgefordert, das 100-Schulen-Projekt sofort zu einem flächendeckenden Chancenindex auszubauen und die für alle Schularten vorgesehene Verordnung zur chancenindexierten Mittelverteilung zu erlassen.“

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun MMag. Dr. Agnes Totter. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 539

19.28.11

Abgeordnete MMag. Dr. Agnes Totter, BEd (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zu­seher! Der Bereich Bildung zählt zu den budgetären Schwerpunkten im Jahr 2021: eine Steigerung von 6 Prozent – von 9,2 Milliarden auf 9,8 Milliarden Euro. 235 Millionen Euro gibt es nun, wie bereits erwähnt, für digitale Endgeräte in der 5. und der 6. Schulstufe der Sekundarstufe I und für digitalen Unterricht. Jetzt können Sie mit mir mitreden: Vielen Dank, Herr Minister Faßmann, dafür (Rufe bei der FPÖ: Danke, danke!), dass auch die Mit­telschulen mitgenommen werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der Grünen.)

Das stärkt den ländlichen Raum und entlastet unsere Gemeinden als Schulerhalter. Die Coronapandemie stellt die Schulstandorte weiterhin vor große Herausforderungen. Ich frage Sie jetzt: Gibt es jemanden unter Ihnen, der noch keine persönliche Krise durch­gemacht hat? Wie haben Sie diese gemeistert? War das nicht mit Unterstützung anderer einfacher? Was Sie als Opposition jetzt machen, ist genau das Gegenteil: anstatt zusammenzuhalten, spalten Sie die Bevölkerung. Und Spalten bedeutet, höchstens die halbe Kraft für etwas zu haben, für das man doch die ganze Kraft braucht. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Loacker.)

Ständig sprechen Sie davon, dass die Schulen geschlossen sind, was schlichtweg nicht stimmt. Schulen haben ihren Unterricht auf Distancelearning umgestellt. Lehrerinnen und Lehrer sind für die Betreuung der Kinder da, sie sorgen dafür, dass die Schülerinnen und Schüler weiter unterrichtet werden können und unterstützen die, die Förderung brauchen. Dafür gebührt den Pädagoginnen und Pädagogen, aber auch den Schulleitun­gen meine – ich glaube, auch unsere – größte Wertschätzung. (Beifall bei der ÖVP.)

Auf die Frage, die Sie sich permanent stellen: Hat die Bundesregierung den Lockdown und damit auch die Umstellung auf Distancelearning zu spät verhängt?, kann ich nur die Antwort unseres Bundeskanzlers wiederholen: Ein harter Lockdown wäre vor Wochen nicht möglich gewesen, weil die Bereitschaft der Menschen für diese Maßnahme vielfach gefehlt hat. (Zwischenruf bei der FPÖ.)

Gefehlt hat diese vor allem deshalb, weil Sie permanent verunsichern, Tatsachen nicht hinnehmen können oder wollen (Zwischenrufe bei FPÖ und SPÖ) und – jetzt spreche ich ganz gezielt die Freiheitliche Partei an –: Sie tun so, als ob es diese Gesundheitskrise gar nicht gäbe. (Anhaltende Zwischenrufe bei der FPÖ.) Sie weigern sich sogar, hier im Hohen Haus die Masken zu tragen und vermitteln nach außen den Eindruck, dass dies überhaupt nicht notwendig sei.

Meine Damen und Herren! Der Lockdown und die Umstellung auf Distancelearning waren notwendig, und ich bitte Sie: Tun wir nicht so, als ob die Schule eine eigene Blase bilden würde, in die das Coronavirus gar nicht hinein könne! Auch dort arbeiten Men­schen, deren Leben und Gesundheit schutzwürdig ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir werden diese Krise nur bewältigen können, wenn wir miteinander konstruktiv an Lösungen arbeiten, alle zusammenhalten und nicht spalten. Friede ist nicht die Abwe­sen­heit von Krieg, meine Damen und Herren, Friede ist eine Geisteshaltung. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

19.31


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Herr Mag. Dr. Martin Graf. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.32.02

Abgeordneter Mag. Dr. Martin Graf (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehr­ter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! In aller


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 540

Kürze: Es gibt mehr Budget. – Toll, das ist klasse, das begrüßen wir auch. Trotzdem darf man aber als Oppositionspartei noch Kritik anbringen, zumal es ja auch genug Probleme und Organisations- oder andere Fragen gibt, die ungelöst sind. Ob das jetzt – um Beispiele zu nennen – in der Organisationsreform ist, wo nichts angegangen wird: Ich erinnere an das Vorhaben, die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik und die Geologische Bundesanstalt zusammenzulegen. Nehmen wir doch – wenn Sie mehr Geld haben, das brauchen wir auch für Reformen – vielleicht die zwei anderen staat­lichen Wetterdienste, Austro Control und den des ORF, gleich mit dazu, dann wäre es eine ordentliche Reform, die man endlich angehen muss. (Zwischenruf der Abg. Gabriela Schwarz.) – Wozu braucht Österreich vier staatlich alimentierte Wetterdienste? Das frage ich Sie! (Abg. Gabriela Schwarz: Der ORF ist kein ...!) Da müssen wir doch etwas tun – da werden wir nicht aufhören.

Ein weiteres Beispiel: Wenn man Organisationseinheiten nicht zusammenlegt, nur um Rektorenposten aufrechtzuerhalten, wie bei der Akademie der bildenden Künste oder bei der Angewandten in Wien, dann werden wir das immer wieder zum Thema machen. Ein gutes Projekt ist nicht aufzuhalten, es ist nicht eine Frage des Ob, sondern nur, wann es kommt – unter Ihnen freilich nicht, denn Sie unterstützen keine guten Projekte. Das nehme ich zur Kenntnis. (Beifall bei der FPÖ.)

Es gibt aber noch viele andere Themen: Studienplatzfinanzierung und so weiter. Dieses Jahr war kein so gutes Jahr im Reformwesen, aber für das nächste Jahr gibt es mehr Geld, und da sagen wir: Es darf nicht mit der Gießkanne verteilt werden. Nicht jeder darf mehr kriegen, sondern man muss genau hinschauen. Man muss Geld in die Hand nehmen, auch, um dort Reformen zu machen. Auch wenn es mehr Geld gibt, muss man vielleicht dort und da hineingreifen.

Jetzt zu dem Thema, mit dem Sie sich beschäftigen – und das ist in dem Ministerium schon längere Zeit unsere Sorge –: die Exmatrikulation von Studenten, die nicht 16 ECTS-Punkte im Jahr bringen. Herr Minister, bitte, stoppen Sie das Projekt! Es ist sinnlos, es vergeudet nur Geld und bringt gar nichts.

Wir machen es an einem Beispiel fest, ich bringe folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Dr. Martin Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend „keine Zwangs-Exmatrikulation von Studierenden wie Sigrid Maurer und Sebastian Kurz

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung werden aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass es in der geplanten UG-Novelle zu keiner Verschärfung der Bestimmungen betreffend Erlöschen der Zulas­sung zu ordentlichen Studien kommt, da diese Maßnahme keine positiven budgetären Effekte erzielt.“

*****

Wir wissen, dass das in Bescheidform ergehen müsste. Sie erzeugen ein Bürokratie­monster, und als gelernte Österreicher wissen wir, bei Tausenden Bescheiden gibt es Tausende Berufungen, und dann müssen sich Instanzen und Oberinstanzen damit beschäftigen. Wir können dieses Geld für die Wissenschaft besser ausgeben. Das brauchen wir ganz sicher nicht.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 541

Frau Sigi Maurer wäre nämlich exmatrikuliert worden, wenn es zu ihrer Zeit so etwas gegeben hätte, denn sie hat elf Jahre für einen Bachelor gebraucht, für den man drei Jahre braucht. Herr Bundeskanzler Kurz hat das Studium bis heute überhaupt nicht beendet, nicht einmal einen Bachelor, und studiert 15 Jahre – sage ich nur dazu. Wir wollten das plastisch machen. Es geht auch um die Vermeidung von irgendwelchen Bürokratiemonstern, die Sie unter Umständen erzeugen. Man muss neue Pfade gehen.

Herr Bundesminister, ich habe gelesen oder ich weiß, Sie sind auch Preisträger des Camillo-Sitte-Preises. Nehmen Sie sich an ihm ein Beispiel, denn er hat als Architekt und Städteplaner, wie Sie ja wissen, all seine Vorschläge, wie auch die der Opposition, als Antwort darauf verstanden, das mathematisch abgezirkelte moderne Leben, in dem der Mensch förmlich zur Maschine wird, zu verhindern. Genau das wollen wir auch. Wir – und nehmen Sie sich beim Handeln daran ein Beispiel – wollen nicht, dass unsere Jugend weniger Rechte als die Jugend vor zehn und 20 Jahren hat, so wie Sie das derzeit andenken. Nein, wir wollen ihnen die gleichen Rechte geben, die wir in Anspruch genommen haben, und wollen auch nicht, dass sie zu Maschinen werden, wie es Camillo Sitte auch nicht wollte – ich hoffe, Sie auch nicht, Herr Bundesminister! (Beifall bei der FPÖ.)

19.36

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Dr. Martin Graf

und weiterer Abgeordneter

betreffend keine Zwangs-Exmatrikulation von Studierenden wie Sigrid Maurer und Sebastian Kurz

eingebracht in der 62. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 18. November 2020 im Zuge der Debatte zu TOP 11, Bericht des Budgetausschusses über die Regierungs­vorlage (380 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2021 (Bundesfinanzgesetz 2021 – BFG 2021) samt Anlagen (449 d.B.) – UG31

In den bereits medial kolportierten und im Wissenschaftsausschuss bestätigten Plänen des Wissenschaftsministerium betreffend Änderungen des Universitätsgesetztes ist auch eine Verschärfung der Bestimmungen beim Erlöschen der Zulassung zu ordent­lichen Studien vorgesehen.

So sollen Studierende in Zukunft eine Mindeststudienleistung von 16 ECTS pro Studien­jahr erbringen müssen, sonst erlischt ihre Zulassung.

Besonders gefährdet bei den geplanten Regelungen sind Studierende, die auch einem Beruf nachgehen. Exemplarisch herausgegriffen wären das die heutige Klubobfrau der Grünen, Sigrid Maurer, und der ÖVP-Bundeskanzler Sebastian Kurz.

Maurer studiert seit dem Jahr 2006 und schaffte es, nach 11 Jahren das Bachelor­studium der Soziologie abzuschließen. Für den Abschluss benötigt man 180 ECTS. Somit absolvierte die Studentin Maurer im Durchschnitt etwa die geforderten 16 ECTS/Jahr. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass sie ihr Studium genauso eingeteilt hat, dass sie jedes Jahr die zukünftig notwendigen 16 ECTS erreicht hat. Seit 2017 besucht Maurer das Masterstudium der Soziologie mit 120 ECTS. Wie viele sie davon bereits absolviert hat, ist unbekannt und somit auch, ob sie die 16 ECTS-Punkte jährlich erfüllt hat.


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Sebastian Kurz begann sein Studium ein Jahr vor Maurer, nämlich 2005. Für den erfolg­reichen Abschluss des Diplomstudiums Rechtswissenschaften sind 240 ECTS-Punkte notwendig. Würde der Student Kurz heuer nach 15 Jahren fertig, dann hätte er im Durch­schnitt genau die notwendigen 16 ECTS jährlich absolvieren können – noch ist es möglich, bevor ihn Wissenschaftsminister Faßmann exmatrikulieren muss.

Von den beiden genannten Spitzenpolitikern abgesehen, ist die geplante Verschärfung weder sachlich noch finanziell zu rechtfertigen. Die Universitäten sollen weiterhin auch Personen, die voll im Berufsleben stehen, die Möglichkeit zu Weiterbildung im individuell möglichen Ausmaß bieten.

Wer lange studiert und wenige Lehrveranstaltungen absolviert, verursacht darüber hinaus kaum Kosten, sondern bezahl im Gegenteil zumeist Studienbeiträge, deren Betrag die Kosten der in Anspruch genommenen Leistungen weit übersteigen. Auch mit Hinblick auf die finanzielle Lage der Universitäten ist diese Diskriminierung daher keineswegs argumentierbar, sondern im Gegenteil sogar kontraproduktiv.

Daher stellen die unterzeichnenden Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung werden aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass es in der geplanten UG-Novelle zu keiner Verschärfung der Bestimmungen betreffend Erlöschen der Zulas­sung zu ordentlichen Studien kommt, da diese Maßnahme keine positiven budgetären Effekte erzielt.“

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der eingebrachte Antrag ist ausreichend unterstützt, wurde ordnungsgemäß eingebracht und steht somit auch in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Frau Irene Neumann-Hartberger. – Bitte, Frau Abgeordnete.


19.37.05

Abgeordnete Irene Neumann-Hartberger (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Hungersnot, Fresswelle, Erlebnis­gastronomie, Wegwerfgesellschaft, Gesundheitswelle, Fast Food, Slow Food, Con­venience Food, Vegetarismus, Veganismus, Frutarier – all das sind Stichworte zum Essverhalten der letzten hundert Jahre.

Während vor einigen Jahrzehnten noch Regelmäßigkeit und Ordnung den Essalltag bestimmten, hat sich das in den letzten Jahren erheblich verändert. Singlehaushalte, veränderte Frauenrollen – weg von der Hausfrau hin zur berufstätigen Frau –, Auf­brechen klassischer Familienstrukturen, Hektik und Zeitknappheit haben den modernen Essalltag verändert. Gemeinsames Essen mit der Familie hat leider nicht mehr den gleichen Stellenwert wie früher.

Bevor jetzt Zwischenrufe kommen, was all das mit Bildung zu tun hat: Ich bin davon überzeugt, sehr viel. Ernährungsgewohnheiten etablieren sich nämlich früh im Leben und werden bis ins Erwachsenenalter beibehalten.

In vielen Beiträgen, die wir bis jetzt gehört haben, geht es um ein positives Budget, Notwendigkeiten, Entwicklungen, Spezialisierungen und Digitalisierung – alles wichtig und zukunftsorientiert. (Ruf bei der FPÖ: Geht’s auch zum Thema?!) Es braucht aber


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auch Wissen über unsere Grundbedürfnisse, allen voran Ernährung und Gesundheit, weil eines mit dem anderen einhergeht.

Parallel dazu können wir feststellen, dass es eine deutliche Abnahme des Wissens (Ruf bei der FPÖ: Zur Tagesordnung!) über Lebensmittel, über die praktischen Kochkom­petenzen und vor allem über die Fähigkeit, einen Haushalt samt Vorratshaltung zu führen – und das noch effizient –, gibt. Es braucht Lebensmittelwissen bei Kindern, Schülerinnen und Schülern, Pädagoginnen, Pädagogen und Eltern, Wissen um die Qualität von Lebensmitteln, um ihre Herkunft und ihre Produktion, damit die Konsu­mentInnen von heute und morgen verantwortungsvolle Ernährungs- und Kaufentschei­dungen treffen können.

Wir österreichischen Bäuerinnen, allen voran unsere geschätzte Bundesbäuerin Andrea Schwarzmann, fordern einen Ausbau und die Adaptierung des Pflichtschulfaches Ernäh­rung und Haushalt in der Sekundarstufe I. Große Zustimmung findet dieses Anliegen auch in der Bevölkerung, damit unsere Kinder später nicht Äpfel mit Birnen vergleichen, wie eine von der Arge Bäuerinnen initiierte Onlineumfrage zeigt, an der insgesamt rund 9 000 Personen teilnahmen. 99 Prozent der Befragten hielten es nämlich für sehr notwendig, dass Kinder in der Schule über Lebensmittel, Ernährung und Konsumbildung lernen (Zwischenruf bei der FPÖ) und wünschen sich eine Ausweitung dieses Unter­richtsfaches.

Auch die Coronakrise hat uns aufgezeigt, wie enorm wichtig dieses Lebensmittelwissen ist, um mit möglicherweise geringerem Einkommen auszukommen und trotzdem ein gutes und qualitativ hochwertiges Essen auf den Tisch zu bringen, aus Überzeugung regionale und saisonale Lebensmittel einzukaufen und gemeinsam mit der Familie zu kochen und zu essen. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Ernährungs-, Gesundheits- und Konsumwissen sind wesentliche Kompetenzen für ein reflektiertes, selbstbestimmtes und gesundes Erwachsenenleben. Dieser Basis muss im Pflichtschulalter unbedingt mehr Raum gegeben werden. Ich bin mir sicher, mit diesem Bundesminister sind wir gemeinsam auf einem guten Weg. Vielen herzlichen Dank dafür. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

19.40


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Frau Mag.a Dr.in Petra Oberrauner. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


19.40.49

Abgeordnete Mag. Dr. Petra Oberrauner (SPÖ): Sehr geschätzter Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich wollte eigentlich am Anfang einen Entschließungsantrag einbringen, aber nach den Darbietungen der türkisen Fraktion muss ich zu den Äußerungen, die da getätigt worden sind, Stellung nehmen. Vor kurzer Zeit war die Parole: Mit dem Virus leben lernen! Nirgendwo ist das so sichtbar wie im Bildungsbereich, weil da die gesamte Familie betroffen ist, wenn irgendetwas nicht funktioniert.

Ich danke Ihnen auch, dass Sie dafür sorgen wollten, dass die Schulen mit Unterricht offen bleiben und nicht zu einem Ort der Beherbergung der Kinder werden, die dort abgegeben werden müssen, weil die Eltern nicht freibekommen. – Das ist übrigens auch Ihrer Chaospolitik zuzurechnen: Zuerst war klar, dass der Staat den Arbeitgebern die Zeit finanziell entsprechend abgilt, wenn die Mütter zu Hause bleiben müssen. Das wäre in Ordnung gewesen, das wäre respektvoll gewesen und das wäre volkswirtschaftlich und für die Gesellschaft im Allgemeinen sinnvoll gewesen, weil man dann Respekt vor den Familien zeigt. Jetzt kommen wir drauf, dass dem nicht so ist. Dann wollte man zwischendurch die Handelsangestellten ausschließen, und zum Schluss ist es so weit,


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dass man die Arbeitgeber fragen muss, ob sie das Geld entgegennehmen wollen. Also ich muss wirklich sagen, das ist von einer guten Familien- und Sozialpolitik so weit entfernt wie wir vom Mond.

Das Zweite, das ich immer wieder feststelle: Bei Ihnen gibt es ein Syndrom, das mich wirklich ein bisschen verunsichert. Das ist dieses Pippi-Langstrumpf-Syndrom, bei dem man sich jeden Tag sagt: Ich mache mir die Welt so, wie sie mir gefällt, egal was rundherum passiert! – Wir leben mit einer Pandemie, und eine Pandemie bedeutet andere Herausforderungen als ein normales Budget und Regierungsverantwortung präsentiert im großen Stil, bei der man jeden Tag zweifach und dreifach durch Marketing verstärkte Machtdemonstrationen zeigt. Ich muss schon sagen, die Aussage von Frau Mag. Salzmann hat das alles bestätigt.

Danke an die Lehrerinnen und Lehrer, die den Schulbetrieb so gut aufrechterhalten. Schlimm genug, dass Sie die Rahmenbedingungen nicht geschaffen haben und dass das notwendig ist, denn das wäre Ihre Aufgabe als Politiker und Politikerinnen.

Das Dritte, das ich noch anführen möchte, ist, dass Sie immer wieder davon reden, dass wir die Spalter der Nation seien – wenn jemand eine andere Meinung äußert oder etwas einbringen will, damit sich etwas verbessert. Das Gegenteil von spalten ist kooperieren. Ich verstehe nicht, warum es für Sie so schwer ist, eine Anregung von der Opposition anzunehmen, wenn sie gut ist. (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

Ich nehme auch eine Anregung von der Regierung an, wenn sie gut ist. Wenn ich sie nicht gut finde, habe ich als Politikerin die Verantwortung, Ihnen begründet und nicht polemisch zu sagen, warum ich sie nicht gut finde und was die Verbesserungsvorschläge wären. Ich muss sagen, Sie besitzen mit Ihrer Mehrheit nicht die Meinung der gesamten Bevölkerung. Das muss Ihnen einmal klar werden. Es gibt mehrere Seiten, es gibt verschiedene Wähler, es gibt Leute in der Gesellschaft, die unterschiedlich denken. Vielfalt ist wichtig. In Einsamkeit glücklich und gemeinsam einsam zu leben, so wie Sie das praktizieren, ist, glaube ich, nicht der richtige Zugang betreffend die Pandemie. (Beifall bei der SPÖ.)

Dass es einen Virus gibt, ist unbestritten, dass dieser sehr gefährlich ist, ist auch unbe­stritten, aber so eine Verleugnung der Realität mit solchen Machtdemonstrationen ist mindestens genauso gefährlich. Ich würde Sie wirklich bitten, das Parlament ernster zu nehmen, die Kontrollfunktionen des Parlaments zu respektieren und nicht überall mitzu­tun, weil Sie glauben, Sie müssen den Marketingkanzler unterstützen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Lausch.)

So, und jetzt komme ich zu meinem Entschließungsantrag, der sich auf die Lehrerinnen und Lehrer bezieht, die ebenfalls Nachholbedarf bei der neuen Herausforderung des digitalisierten Unterrichtes haben. Eine Studie sagt, dass 28 Prozent der Lehrkräfte sich wenigstens einigermaßen fit für den Einsatz von digitaler Technik im Unterricht fühlen, aber 52 Prozent fühlen sich gar nicht in der Lage, sie anzuwenden. Leider haben wir beim Budget festgestellt, dass nach 70 000 Euro im Jahr 2020 bis zum Jahr 2022 0 Euro budgetiert sind. Da würde ich Sie dringend bitten, Herr Minister, unserem Entschließungs­antrag nachzukommen, der wie folgt lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Stärkung der Digitalen Kompetenzen aller Lehrkräfte“

Der Nationalrat wolle beschließen:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 545

Der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung wird aufgefordert, die notwendigen finanziellen Ressourcen bereit zu stellen und zu garantieren, dass Päda­goginnen und Pädagogen über Weiterbildungen die digitalen Fertigkeiten und Kompe­tenzen für einen digitalen Unterricht erlangen. Gleichzeitig muss sichergestellt werden, dass digitale Kompetenzen in allen Lehramtsstudien vermittelt werden.“

*****

Ich würde Sie wirklich bitten, diese Anregung aufzunehmen. Sie ist sinnvoll, sie ist nachhaltig, sie ist notwendig, und sie kommt von der Opposition, ja, weil Sie halt nicht daran gedacht haben. Wir nehmen es aber nicht für uns in Anspruch, wenn Sie es ver­markten wollen. – Bitte. (Beifall bei der SPÖ.)

19.46

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Petra Oberrauner, Genossinnen und Genossen

betreffend Stärkung der Digitalen Kompetenzen aller Lehrkräfte

eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Budgetausschusses über TOP 11: Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2021 (Bundesfinanzgesetz 2021 - BFG 2021) samt Anlagen -UG 30

Die Covid-19 Krise hat Schülerinnen und Schüler und Lehrerinnen und Lehrer gleicher­maßen gefordert. Mit der Schließung der Schulen im ersten Lockdown wurde der Unter­richt in die eigenen vier Wände verschoben und „distance learning“ zur Notwen­digkeit. Der abrupte Umstieg auf das Lernen zu Hause war eine große Herausforderung für das Lehrpersonal und zeigte, dass die österreichischen Schulen nicht darauf vorbereitet waren. Laut einer Studie des IHS wurden rund 12% Prozent, also ca. 140.000 Schüle­rin­nen und Schüler, im Homeschooling von ihren Lehrerinnen und Lehrern nicht erreicht.1

Das Bundesgesetz zur Finanzierung der Digitalisierung des österreichischen Schul­wesens (DigiSchg) sieht mit der Umsetzung des 8 Punkte Plans - wenn auch erst ab Herbst 2021 – vor, die technische Ausstattung der Schülerinnen und Schüler zu starten und auf ein einheitliches technisches Niveau zu bringen. In einem Zeitraum von vier Jahren sollen alle Schülerinnen und Schüler der Unterstufen mit digitalen Endgeräten ausgestatten sein. Für die Weiterbildung von Lehrerinnen und Lehrer sieht das Gesetz aber nur wenige Mittel vor. Für die Umsetzung der MOOC (massive open online course), einer Online-Basis-Schulung des Lehrpersonals, sind für 2021 nur noch Mittel von 44.000 € budgetiert (Vergleich 2020: 70.000 €) ab 2022 jedoch kein Cent mehr.

Dass genau an der Stelle der Fortbildung gespart wird, ist fatal. Die aktuelle Sonder­auswertung der Pisa Studie (TALIS 2018)2 zeigt, dass noch immer weniger als die Hälfte der österreichischen Lehrerinnen und Lehrer angibt, dass die Verwendung von Infor­mations-und Kommunikationstechnologie (IKT) im Unterricht Teil ihrer formellen Ausbil­dung war. Dementsprechend fühlen sich Lehrerinnen und Lehrer in Österreich nur „einigermaßen“ (28%) bzw. „gar nicht“ (52%) auf den Einsatz von IKT im Unterricht vorbereitet, zugleich besuchen sie jedoch vergleichsweise wenige Fortbildungen in diesem Bereich. Auch wenn Lehrerinnen und Lehrer mit Endgeräten ausgestattet werden, können sie aufgrund mangelnder digitaler Fähigkeiten, die Schülerinnen und Schüler nicht damit unterrichten. Distance learning kann dadurch oft nur begrenzt funktionieren Eine entsprechende flächendeckende Lehrerbildung ist demnach wesent­lich für das Gelingen eines jeglichen Digitalisierungskonzeptes.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 546

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung wird aufgefordert, die notwendigen finanziellen Ressourcen bereit zu stellen und zu garantieren, dass Päda­goginnen und Pädagogen über Weiterbildungen die digitalen Fertigkeiten und Kompe­ten­zen für einen digitalen Unterricht erlangen. Gleichzeitig muss sichergestellt werden, dass digitale Kompetenzen in allen Lehramtsstudien vermittelt werden.“

1https://www.ihs.ac.at/fileadmin/public/2016_Files/Documents/2020/WWTF_Webinar_Praes_100920.pdf

2http://www.bifie.at/wp-content/uploads/2019/06/TALIS-2018_Gesamt_final_Web.pdf

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht in Verhandlung.

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Mag. Dr. Martin Graf zu Wort gemel­det. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.46.39

Abgeordneter Mag. Dr. Martin Graf (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Ich melde mich zu einer tatsächlichen Berichtigung, weil sehr viele Abgeordnete, unter anderem Abgeordneter Marchetti, aber auch Abgeordneter Taschner und Frau Abgeordnete Kaufmann, also alles Abgeordnete der ÖVP-Riege, sich hier ständig vom Rednerpult aus beim Minister für das Budget bedankt haben.

Ich berichtige tatsächlich (Abg. Stögmüller: Das ist keine tatsächliche Berichtigung!): Herr Minister, wir als Parlament sind die, die das Budget erstellen und die Budgethoheit haben, und Sie sind das Vollzugsorgan. (Zwischenruf des Abg. Stögmüller.) Eigentlich müssten Sie sich bei uns allen bedanken, wenn das Budget ein gutes wird. (Beifall bei FPÖ und SPÖ. – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Stögmüller.) Das wollte ich an dieser Stelle nur einmal anbringen. (Abg. Stögmüller: Diese Rede war keine tatsäch­liche Berichtigung!)

19.47


Präsident Ing. Norbert Hofer: Frau Abgeordnete Petra Vorderwinkler gelangt nun zu Wort. – Bitte, Frau Abgeordnete.


19.47.37

Abgeordnete Petra Vorderwinkler (SPÖ): Herr Vorsitzender! Sehr geehrter Herr Minis­ter! (Ruf bei der FPÖ: Das war die falsche Anrede! Das ist der Herr Dritte Prä­sident ...!) Sehr geehrter Herr Präsident! Entschuldigung! Werte geschätzte Kollegen! Ich bin die letzte Rednerin, und ich möchte mich jetzt auch bedanken, und zwar dafür, dass Sie mir immer noch zuhören. Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

Zusammenhalten: Von der ÖVP kommen ständig Vorhaltungen, dass wir nicht zusam­menhalten. Zusammenhalten bedeutet für Sie, dass wir alle Ihrer Meinung sind – dann ist es für Sie zusammenhalten. So schaut es nämlich aus. (Beifall bei der SPÖ.)

Für uns würde zusammenhalten bedeuten, dass Sie auch hin und wieder Anträge der Oppositionsparteien annehmen, denn das wäre doch hin und wieder auch sinnvoll.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 547

Herr Minister, wissen Sie eigentlich tatsächlich, was sich momentan in den Schulen abspielt? – Ich glaube es eher nicht. Ich berichte Tatsachen, und zwar: Dieses Organi­sationschaos im Moment ist unzumutbar. Nach wie vor müssen sich die Schulleiterinnen und Schulleiter Informationen über die Pressekonferenzen einholen – seit März. Zum wiederholten Male erhalten sie Informationen über schwerwiegende Maßnahmenpakete am Wochenende. Handlungsanweisungen kommen über eine E-Mail-Adresse des Ministeriums und nicht mehr von ihren Vorgesetzten. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Sie haben keine befugten Ansprechpartner mehr. Es ist tatsächlich alleine den SchulleiterIn­nen mit ihren Teams zu verdanken, dass der Schulbetrieb trotzdem läuft, wie er läuft, und nicht dem Ministerium. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist unzumutbar, dass die Schulen keine Unterstützung erhalten. Sie haben vor Wochen 1 800 Lehramtsstudierende versprochen, die für Ersatz bei Ausfällen sorgen sollen. Die sind noch immer nicht da. Wie funktioniert das? Wo sind die Testungen? Wo sind die versprochenen FFP2-Masken? Wo bleibt die schriftliche Erläuterung für die Abgeltung der anfallenden Mehrdienstleistungen? – Es fehlt vieles. Die Mehrfach­belastung der Lehrerinnen und Lehrer ist unzumutbar. Sie müssen die Schulgruppen betreuen, sie müssen Vorbereitungen in Papierform treffen, sie müssen das Distance­learning in On­linekursen abhalten, sie müssen bei Ausfällen supplieren, sie müssen psychologische Hilfe für verstörte Kinder zur Verfügung stellen, weil die Beratungs­lehrerInnen abgezo­gen werden. Sie sind an der Belastungsgrenze, und wir haben November – es ist erst seit drei Monaten Schule. (Zwischenruf des Abg. Hörl.)

Ich frage Sie jetzt: Welche Vorkehrungen treffen Sie nun, damit die Lehrer nicht bis zum Ende des Schuljahres im Juni verheizt sind? (Zwischenruf des Abg. Vogl.) Sie pro­duzieren derzeit jede Menge ausgebrannte KollegInnen. Die Leiterinnen und Leiter, die Lehrerinnen und Lehrer sind hochbelastet und jeder schaut weg. Es geht da nicht mehr nur um Covid-19, es geht um die allgemeine Gesundheit und es geht um eine ver­lässliche Schule für alle. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist unzumutbar für Eltern, ihre Kinder im Homeschooling zu unterrichten. Das ist nicht ihre Aufgabe und es belastet die Familien. Es ist unzumutbar, dass da momentan auch die Sonderbetreuung nicht greift. Es ist unzumutbar, dass jene Schülerinnen, die in die Be­treuung gehen, in gemischten Gruppen betreut werden. Welchen Sinn macht das? Es wäre doch besser, normale, feste Klasseneinheiten zu lassen. Es ist unzumutbar, dass Schüler zu wenig Betreuung durch die Beratungslehrer und SchulpsychologInnen be­kommen. Sie haben häufiger schwierige Situationen zu Hause. Sie müssen mit Angst, Krankheit, finan­zi­ellen Sorgen und leider auch erhöhter Gewalt umgehen, und hier wird weggeschaut.

Auch die Lehrerinnen und Lehrer müssen das abfedern, weil sie keine Unterstützung haben. Die Frage ist: Wie unterstützen Sie sie in dieser Situation? Es ist unzumutbar für Schülerinnen und Schüler, sich teilweise im Selbststudium Inhalte anzueignen. Jedes Kind hat das Recht auf qualitativen Unterricht, und jedes Kind hat auch das Recht auf Zeit, die ihm gewidmet wird. In den höheren Schulen zum Beispiel, in denen es schon seit Anfang November Distancelearning gibt, müssen sich die Kinder in Mathematik oder Mechanik – 2. Klasse HTL bei meinem Sohn zum Beispiel – Inhalte selbst aneignen. Da möchte ich bei den 200 Menschen, die hier sind, schauen, ob das vielleicht eine Handvoll schaffen würde – und die Kinder sollen es alleine machen. So geht das nicht.

Es sind Punkte, auf die wir seit Monaten hinweisen, Herr Minister, und es ist nicht wahr, dass wir nicht schon früher etwas gesagt haben. Wir haben es immer wieder wiederholt. Der gesamte Bereich läuft gerade komplett aus dem Ruder, und es gibt kein Budget, das ermöglicht, diesen Bildungsrückstand aufzuholen. Es ist nichts drin.

Wenn es in den ersten paar Monaten 2021 zu einem dritten Lockdown kommen sollte: Wie werden Sie damit umgehen, dass 1,1 Millionen Schülerinnen und Schüler dann ein


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ganzes Jahr verlieren? Wird das Jahr gestrichen? Wiederholen alle? Steigen alle auf? Wie schaut die Matura aus? (Zwischenruf des Abg. Hanger.) Es gibt Fragen über Fragen. Unsere Kinder können nichts dafür, Herr Minister, dass über den Sommer kein Konzept erstellt wurde. Andere Länder haben es auch geschafft. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Der Schulbeginn am 7. September kam nicht überraschend, das muss man auch dazusagen. Die Kinder haben eine Chance verdient. Sie haben ihr Leben vor sich – und mit den Rahmenbedingungen, die wir zur Verfügung stellen, schauen die Aussichten nicht gut aus. Ich nehme an, dass Sie, Herr Minister, die jetzige Situation weder so geplant haben noch so wollten. Sie haben aber die Verantwortung für die Folgen dieser Fehlentscheidung, die unsere Kinder und in weiterem Sinn uns alle gesamtwirtschaftlich noch sehr lange beschäftigen werden. Fakt ist: Wir tun das vielen Kindern an, anstatt ordentliches Krisenmanagement zu betreiben und das Budget für alles andere, für die Krankenanstalten – und in diesen im Moment auch die Kapazitäten – zu erhöhen.

In meiner Rede in der letzten Budgetsitzung im April habe ich gesagt: „Wir befinden uns der­zeit auf dem Weg in eine ausgewachsene Schulkrise“, wenn einfach nur gewartet wird. Jetzt sind wir dort angekommen – und es gibt kein Budget, um diese Bildungs­ver­luste aufgrund der Krise abzudecken. Mein Appell an Sie, Herr Minister: Reparieren Sie das bitte, wie und wo es geht! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Künsberg-Sarre und Loacker.)

19.54


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Abgeordneter Michel Reimon. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.54.08

Abgeordneter Michel Reimon, MBA (Grüne): Werte Kolleginnen! Herr Präsident, auch wenn Sie Parteichef sind: Ich würde Sie bitten, dieses Amt überparteilich auszufüllen. Dass Kollege Graf da rausgeht und eine tatsächliche Berichtigung macht, die keine ist (Abg. Deimek: Wir alle haben das gesehen!), nur weil seine Fraktion keine Minute Rede­zeit mehr hat, geht einfach nicht. Dass Sie das durchlassen, geht auch nicht. (Bei­fall bei Grünen und ÖVP.)

Man sollte euch wirklich kein Budget anvertrauen, wenn ihr nicht einmal Zeitbudgets einhalten könnt. Wir haben noch 18 Minuten; ich könnte euch jetzt 18 Minuten erzählen, warum wir froh sind, dass Rechtsextreme kein Budget verwalten (Abg. Martin Graf: Wir sind das Parlament!), aber ich glaube, wir sparen uns das. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Martin Graf: Und kannst du ...?)

19.54


Präsident Ing. Norbert Hofer: Mir liegen dazu nun keine Wortmeldungen mehr vor. Die Beratungen zu diesen Themenbereichen sind somit beendet.

Ich unterbreche nun die Sitzung bis Donnerstag, den 19. November 2020, 9 Uhr. Die Verhandlungen werden mit Untergliederung 10: Frauen und Gleichstellung, fortgesetzt.

Die Sitzung ist unterbrochen.

19.55.15*****

(Die Sitzung wird am Mittwoch, dem 18. November 2020, um 19.55 Uhr unterbrochen und am Donnerstag, dem 19. November 2020, um 9.05 Uhr wieder aufgenommen.)

*****


 


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 549

09.05.26Fortsetzung der Sitzung: 9.05 Uhr

09.05.28


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich nehme die Sitzung wieder auf. Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete, ich darf Sie recht herzlich am dritten Tag zur Fortsetzung der 62. Sitzung des Nationalrates begrüßen. (Viele Abgeordnete der SPÖ tragen einheitliche gelbe Masken und auf ihren Plätzen stehen Tafeln mit Aufschriften wie „Happy Birthday Kinderrechte“, „Kinder haben Rechte!“, „Mein Recht auf Mitbe­stimmung“ oder „Mein Recht auf eine Familie“.)

Ich begrüße die Vertreter der Journalistik und die Damen und Herren zu Hause vor den Fernsehgeräten.

Für den heutigen Sitzungstag als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Franz Leonhard Eßl, Kira Grünberg, Mag. Michael Hammer, Klaus Köchl, Bedrana Ribo, MA, und Süleyman Zorba.

*****

Wie üblich überträgt der ORF die Sitzung, bis 13 Uhr auf ORF 2 und bis 19.15 Uhr auf ORF III, und dann wird via Livestream gesendet.

Redezeitbeschränkung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wie Sie wissen, haben wir für den heutigen Tag eine Tagesblockzeit von 8 „Wiener Stunden“ vereinbart. Das ergibt für die ÖVP 156 Mi­nu­ten Redezeit, für die SPÖ 108, für die FPÖ 88, für die Grünen 80 sowie für die NEOS 64 Minuten. Die Redezeit der Abgeordneten, die keinem Klub angehören, beträgt ins­gesamt 32 Minuten und pro Debatte 5 Minuten.

*****

Die Gliederung der Beratungen ist Ihnen bekannt.

Wir setzen die Budgetberatungen fort.

09.06.31UG 10: Frauen und Gleichstellung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir beginnen mit der Untergliederung 10: Frauen und Gleichstellung.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Heinisch-Hosek. – Bitte.


9.06.43

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Guten Morgen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, Zuseherinnen und Zuseher! Be­vor ich auf das Frauenbudget etwas näher eingehe, möchte auch ich eine Klarstellung vornehmen: Sexuelle Belästigung von Männern gegenüber Frauen, verbale Attacken, Gewaltattacken von Männern gegenüber Frauen, von Politikern gegenüber Politikerin­nen sind absolut intolerabel, sind nicht zu tolerieren. (Beifall bei SPÖ und NEOS sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.) Ich appelliere an unsere Verantwortung als


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 550

Vorbilder – als Politikerinnen, als Politiker –, dass wir das einfach nicht mehr zulassen. (Beifall bei SPÖ, ÖVP, Grünen und NEOS.)

Frau Bundesministerin, die Budgeterhöhung ist wirklich gut, allerdings geht die Hälfte der Erhöhung in die Zeitverwendungsstudie, die ungefähr 1 Million Euro oder etwas mehr kosten wird. Das heißt, es sind nicht 2,5 Millionen Euro, sondern nur 1,3 Millionen Euro mehr an Budget. Wie gesagt, das ist gut, aber für ein Krisenbudget lange nicht genug. Ich glaube, Frau Bundesministerin, ein Coronakrisenbudget müsste auch für so ein kleines Budget wie das Frauenbudget viel deutlicher und höher ausfallen.

Sie wissen es alle: Seit Johanna Dohnal, seit 1990, sind Frauenministerinnen diejenigen, die sich überall einmischen, sind diejenigen, die fordern, sind diejenigen, die für Frauen und ihre Rechte kämpfen. Sie aber, Frau Bundesministerin, sind sehr, sehr leise, was das anlangt. Wir hören eigentlich nie, dass Sie kämpfen, dass Sie fordern. Sie sind eigentlich nie bei den Pressekonferenzen dabei, bei denen es so wichtig wäre, dass dort die Hälfte der Bevölkerung mitgenannt wird, mitgenommen wird (Zwischenruf bei der ÖVP), dass für die Hälfte der Bevölkerung, für uns Frauen, jemand das Wort ergreift – die Männer machen es nämlich nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Ministerin, gerade in dieser Coronapandemie ist es so wichtig (Zwischenruf des Abg. Sieber), dass Sie die Stimme erheben. Die Mehrfachbelastung von Frauen, die steigende Zahl von Gewalttaten, auch die Verzweiflung der Einrichtungen, die den Frauen nicht gut genug helfen können – dazu höre ich, dazu hören wir nichts. Sie können aber mit dem Finanzminister sprechen, Sie können sich budgetär ja auch einmischen, Frau Ministerin!

Es wäre so wichtig, dass die einzelnen Ministerien endlich auch einmal benennen, wie viel Geld sie wofür ausgeben – für die Männer und die Frauen. Wir müssten dazu kom­men, dass jedes Ressort das auch monetär, geldlich, darstellt, was die Ausgaben an­langt. Dann wüssten wir, ob es ein Ungleichgewicht zwischen den Ausgaben für Männer und den Ausgaben für Frauen gibt – nicht, dass mehr Geld für Frauen als für Männer ausgegeben werden soll, aber Genderbudgeting, wie es so schön heißt, ist wichtig, und wir sind verpflichtet, es auch anzuwenden.

Daher bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend „um­fassendes Gender Budgeting umsetzen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen, wird aufge­for­dert, ein umfassendes Gender Budgeting umzusetzen, insbesondere

 - Durchführung einer geschlechtsspezifischen (Wirkungs-) Analyse der Förderungen und Leistungen der Covid-19-Hilfen sowie des Konjunkturpakets;

 - Einsetzen der WFA bereits bei der Konzeption von Regelungsvorhaben;

 - Eine Verknüpfung von Maßnahmen mit Ressourcen;

 - Erarbeitung einer umfassenden Gleichstellungsstrategie und stärkere Ex-ante Koordi­nation der Ressorts;

 


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 551

- Schließen der Datenlücke und Erhöhung der analytischen Kompetenzen der Res­sorts.“

*****

Frau Ministerin, werden Sie bitte lauter für uns Frauen! (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

9.10

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek,

Genossinnen und Genossen

betreffend umfassendes Gender Budgeting umsetzen

Eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 11.) Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (380 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoran­schlages für das Jahr 2021 (Bundesfinanzgesetz 2021 – BFG 2021) samt Anlagen (449 d.B.) in der 62. Sitzung des Nationalrates am 19. November 2020 – UG 10 Frauen und Gleichstellung

Seit dem Jahr 2009 verpflichtet Art. 13 Abs. 3 B-VG „Bund, Länder und Gemeinden bei der Haushaltsführung die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern anzu­streben“ und bildet die rechtliche Grundlage für die Implementierung von Gender Bud­geting. Mit dem In Kraft-Treten des Bundeshaushaltsgesetzes 2013 wurde die Berück­sichtigung des Ziels der tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern bei der Erläuterung von Zielen, Strategien und Wirkungen im Strategiebericht (§14 Abs. 2 BHG 2013), der Wirkungsorientierten Folgenabschätzung (§ 17 Abs. 1 BHG 2013), der Er­stellung der Angaben zur Wirkungsorientierung auf Untergliederungs-, Globalbudget-und auch Detailbudgetebene (§ 41 Abs. 1 und 2 sowie § 43 BHG 2013) sowie der Berichtslegung über die Ergebnisse des Wirkungscontrolling (§ 68 Abs. 5 BHG 2013) verbindlich festgelegt.1

Dennoch spielt die Gleichstellung von Frauen und Männern in der Gesamtausrichtung des vorliegenden BVA-E 2021, dem Budgetbericht 2021 und dem Strategiebericht 2021   2024 so gut wie keine Rolle. In ihrer Budgetanalyse hält die Arbeiterkammer Wien in diesem Zusammenhang fest: „Es fehlt an einer gleichstellungspolitischen und ressort­übergreifenden Gesamtstrategie, an einer Zuordnung von konkreten Budgetmitteln zu den Gleichstellungszielen und -maßnahmen sowie an detaillierten Darstellungen ge­schlechtsspezifischer budgetärer Auswirkungen.“ 2

Auch der Budgetdienst des Parlaments kritisiert seit langem die fehlende Berücksich­tigung von Gender Budgeting bei der Budgeterstellung und unterstreicht diese Mängel auch in einer ausführlichen Anfragebeantwortung „Gender Budgeting: Fortschritte und Herausforderungen“ 3.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen, wird aufge­fordert, ein umfassendes Gender Budgeting umzusetzen, insbesondere


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-          Durchführung einer geschlechtsspezifischen (Wirkungs-) Analyse der Förderun­gen und Leistungen der Covid-19-Hilfen sowie des Konjunkturpakets;

-          Einsetzen der WFA bereits bei der Konzeption von Regelungsvorhaben;

-          Eine Verknüpfung von Maßnahmen mit Ressourcen;

-          Erarbeitung einer umfassenden Gleichstellungsstrategie und stärkere Ex-ante Koordination der Ressorts;

-          Schließen der Datenlücke und Erhöhung der analytischen Kompetenzen der Ressorts.“

1 Anfragebeantwortung des Budgetdienstes der Parlamentsdirektion „Gender Budgeting Fortschritte und Herausforderungen“ vom 4. Dezember 2019

2 Zu spät, zu wenig, nicht ausreichend fokussiert. Budgetpolitik in der Corona-Krise. Analyse des BVA 2021 und darüber hinaus; Working Paper Reihe der AK Wien, 2020

3 Budgetanalyse 2021 des Budgetdienstes der Parlamentsdirektion

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Pfurtscheller. – Bitte.


9.11.02

Abgeordnete Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte Kollegin Heinisch-Hosek doch Folgendes entgegenhalten: Die Herren in unserem Klub denken uns immer mit und sind sehr bemüht (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek), uns auch bei der politischen Arbeit zu unterstützen. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Disoski.) Das ist bei der SPÖ vielleicht anders, aber bei uns ist das jedenfalls so.

Ich möchte gerne ein bisschen detaillierter auf das Frauenbudget eingehen. Wie Kollegin Heinisch-Hosek schon gesagt hat, war es in den vergangenen Jahren, bis 2019, bei circa 10 Millionen Euro angesiedelt. 2020 konnte die Frau Ministerin eine Erhöhung von rund 2 Millionen Euro erreichen und jetzt für 2021 noch einmal 2,5 Millionen Euro. Wir freuen uns alle wirklich sehr, dass es damit gelungen ist, das Frauenbudget innerhalb von zwei Budgetjahren sozusagen um 43 Prozent zu erhöhen. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Rössler.)

Rund die Hälfte des Budgets wird für Frauen- und Mädchenberatungsstellen verwendet. Der Rest des letztjährigen Budgets wurde in erster Linie für den Gewaltschutz ver­wendet; und ja, heuer kommt die Zeitverwendungsstudie noch dazu, Frau Kollegin Heinisch-Hosek, Sie haben aber so getan, als sei sie nicht Teil des Budgets. Gerade Sie sind auch eine, die diese Zeitverwendungsstudie immer gefordert hat, und wir sind sehr froh darüber, dass sie jetzt auch umgesetzt und budgetär berücksichtigt wird. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Das Geld, das dann noch zur Verfügung steht, wird hauptsächlich für die Stärkung der Selbstbestimmung von Frauen und Mädchen verwendet. Es ist ja so: Verhinderung von Gewalt ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe – natürlich nicht nur der Gewalt gegen Frauen, auch jener gegen Männer, aber speziell Frauen und Kinder sind von Gewalt bedroht. Deswegen sind auch mehrere Ministerien damit befasst, deswegen ist der Ge­walt­schutz in mehreren Ministerien verortet, zum Beispiel auch im Innenministerium und


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 553

im Justizministerium. Auch diese Ministerien stellen Geld für den Gewaltschutz zur Verfügung.

Die Frau Ministerin hat gestern veranlasst, dass 400 000 neue Infofolder in Geschäften, Supermärkten, Apotheken und Arztpraxen verteilt werden, damit sich Frauen darüber informieren können, wohin sie sich wenden können. Gerade jetzt im zweiten Lockdown ist das sehr wichtig. Ich möchte wirklich alle, die Angst haben, die sich bedroht fühlen, dazu ermuntern, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Man kann diesen Infofolder auch von der Website des BKA herunterladen, er ist in 13 Sprachen abrufbar – das heißt, auch für jene Menschen, jene Frauen und Jugendlichen, die eventuell nicht ganz so gut Deutsch können.

Außerdem haben die Ministerinnen Edtstadler, Zadić und Raab auch ein Paket gegen Hass im Netz auf den Weg gebracht. Es war ja schon in Begutachtung, es wurde noch einmal überarbeitet und gestern im Ministerrat beschlossen. Ich denke, es ist unglaublich wichtig, dass wir dieses Gesetzespaket noch vor dem Jahreswechsel beschließen kön­nen. Einige von uns – eigentlich sogar ziemlich viele – haben Hass im Netz schon des Öfteren erlebt, speziell natürlich auch Frauen, und deswegen wissen wir auch, wie wich­tig das ist.

Gewalt beginnt sehr oft mit Sprache. Gerade in den letzten Tagen konnten wir fest­stellen, dass die Hemmschwelle bei vielen noch ein Stück nach unten gerutscht ist. Ich denke, dass wir alle hier in diesem Hohen Haus uns gerade zu Beginn des dritten Bud­gettages vielleicht auch einmal für 1 Minute überlegen sollten, wie wir Sprache verwen­den. Was da gestern und vorgestern teilweise an Wortschöpfungen verwendet worden ist, ist aus meiner Sicht nicht akzeptabel. Es gibt Ordnungsrufe des Präsidenten oder der Präsidentin, aber die Redner fühlen sich nicht bemüßigt, sich zu entschuldigen, sondern sagen einfach, sie nehmen das zur Kenntnis. Ich glaube nicht, dass das ein gutes Zeichen nach außen ist.

Ich möchte Ihnen zum Abschluss ein Zitat vorlesen. Ein Facebook-Freund von mir hat mir heute Nacht etwas auf meine Seite gepostet, was ich Ihnen gerne vorlesen möchte – es ist an Sie alle gerichtet –: „Wenn im politischen Disput Inakzeptables spürbar in Rich­tung traurige Normalität zu wandern scheint, braucht man sich über die zuneh­mende Verrohung in weiten Teilen mit allen ihren fatalen Folgen nicht zu wundern.“

Bitte nehmen Sie sich das zu Herzen! Bitte seien wir heute das, was wir sein sollten: Volksvertreter, die diesen Namen verdient haben! Verwenden wir eine Sprache, die wir auch können! Zeigen wir den Menschen, dass man diskutieren kann, aber auf Augen­höhe und mit Respekt! – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

9.16


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Rosa Ecker. – Bitte.


9.16.50

Abgeordnete Rosa Ecker, MBA (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geschätzte Damen und Herren hier im Saal und zu Hause! Moder­nem Frauenbild drohen Rückschritte; Negative Entwicklung für Frauen; Frauen tragen die Hauptlast; „Die unbemerkte Multiarbeit von Frauen“; Es bleibt an den Frauen hängen; Coronakrise wird die Situation noch verschlechtern; „Krise führt zu Tradition statt Wandel“; Frauen von Coronakrise schwerer betroffen; Wer die Möglichkeit hat, soll zu Hause betreuen; Wer Bedarf hat, dem stehen die Einrichtungen offen; Frauen sind die großen Verliererinnen in der Covid-Krise; Sonderbetreuung gilt im Lockdown nicht; „Frauen zerreißen sich und fühlen sich trotzdem wie Versagerinnen“.


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Was sagen Sie denn zu diesen Schlagzeilen? Ganz viele von Ihnen haben sie auch gelesen. Ich bringe Ihnen noch eine ganz aktuelle: „Frauen bringen uns auch durch den zweiten Lockdown“. – Ja, bleiben wir bei diesem Statement! Frauen bringen uns auch durch den zweiten Lockdown: wieder ein Lockdown, wieder eine große Herausfor­de­rung, und wieder trifft es zum überwiegenden Teil die Frauen. Zur Arbeitsbelastung kommt Homeschooling, kommen noch mehr Sorgen, kommen noch mehr Ängste, weil Frauen noch immer oder schon wieder keine Arbeit haben – wohlgemerkt außerhäus­liche, bezahlte Arbeit –, weil das Familieneinkommen wackelt, weil der Mann in Kurz­arbeit ist und niemand weiß, wie lange das noch dauern wird, weil das Arbeiten in diesen ach so bedankten systemrelevanten Berufen beinahe nicht mehr auszuhalten ist – mehr Arbeit, mehr Schichtdienst, um die Versorgung sicherzustellen, Überstunden, Urlaubs­sperren. Einige bekamen Coronaprämien, viele bekamen nichts, und vom Klatschen bezahlen sich keine Rechnungen. All diese Lebenssituationen haben Auswirkungen auf die psychische Gesundheit: Antriebslosigkeit, Energielosigkeit, Müdigkeit und Schlaf­störungen.

Wir sprechen heute hier über das Frauenbudget. Das kostet viele der Frauen draußen nicht einmal ein müdes Lächeln, weil die Frauen schon müde sind. Die Frauen in Österreich erwarten sich von der Frauenpolitik nichts mehr. Wir werden heute noch viel Lob für das Budget hören. Man muss dabei schon auch sachlich bleiben: Es wird erhöht, es deckt zum Großteil nur die Inflation der letzten Jahre ab, und die Mittel waren in den letzten Jahren schon viel zu gering.

Für das Frauenressort gibt es 8,3 Millionen Euro für Transferaufwand und 6,4 Millionen Euro für den betrieblichen Sachaufwand der Gewaltschutzzentren. Diese jetzige zwölf­pro­zentige Erhöhung für die Fraueneinrichtungen wird durch die gestiegenen Miet­kosten, durch die Energiekosten, durch die Lohnkosten – einfach durch die Inflation – aufgefressen, und es bleibt wieder kein finanzieller Spielraum für zusätzliche Maß­nahmen. Diese würden wir aber dringend brauchen, weil wir leider vor dem Hintergrund der vielen Gewalttaten gegen Frauen noch immer einen Schwerpunkt Gewaltschutz brauchen.

Häusliche Gewalt ist mehr denn je Thema. Wir wissen das aus den gestiegenen Zahlen der Wegweisungen und der Betretungsverbote während des ersten Lockdowns. Die Frauen stehen ab dieser Woche wieder vor derselben Situation.

Auch sonst wird nicht viel gemacht: Der Aktionsplan Frauengesundheit wird nicht evaluiert, er enthält keine einzige Coronaperspektive. Frau Minister, zur Gleichstellungs­politik hört man nicht viel von Ihnen! Es ist nichts im Budget eingepreist. Die Frauen können nicht mehr warten, die Frauen wollen nicht mehr bescheiden sein. Was tun Sie? Wo sind Sie?

Es gibt keine finanzielle Anerkennung für die Leistungen der Frauen im Alltag, die sie für die Gesellschaft erbringen: für die Pflege zu Hause, für Homeoffice, für Hausarbeit, für Heimunterricht. Die Frauen haben während des Lockdowns laut Studien rund 5 100 Euro an Lebenseinkommen verloren, und das betrifft auch die selbstständigen Frauen. Wie sieht es da mit einem Frauenkonjunkturpaket aus? – Fehlanzeige. Es gibt zwar wieder einen erleichterten Zugang zum Unterhaltsvorschuss, noch immer aber keine gesetz­liche Regelung. Die geplante Zeitverwendungsstudie wird den Frauen nichts bringen.

Frau Minister, Sie haben vor Kurzem hier in diesem Saal selbst noch gesagt, dass diese Zeitverwendungsstudie coronabedingt verzerrte Daten bringen wird. Das heißt, die Hälfte der Budgeterhöhung geht für dieses Papier drauf. Produzieren Sie wirklich so gerne Papier für den Mistkübel? (Beifall bei der FPÖ.)

9.22


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Disoski. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 555

9.22.20

Abgeordnete Mag. Meri Disoski (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundes­ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich muss aus aktuellem Anlass auch meine heutige Rede anders als geplant beginnen.

Am Dienstag habe ich hier über den ehemaligen ÖVP-Nationalratspräsidenten Khol gesprochen. Sie erinnern sich: Er hat gemeint, SPÖ-Klubobfrau Rendi-Wagner habe nach einer Watsche gerufen. Am selben Tag formuliert SPÖ-Bundesrat Günter Kovacs auf Facebook Kritik zum FrühstarterInnenbonus, den wir im Hohen Haus beschlossen haben. Er verwendet für sein Posting ein Bild der grünen Klubobfrau Sigi Maurer. Ein User kommentiert darunter, manche PolitikerInnen gehörten abgetrieben. Anstatt diesen beleidigenden, frauenverachtenden Kommentar entschieden zurückzuweisen, verteidigt der Bundesrat ihn auch noch mit dem Hinweis, man möge Demokratie akzeptieren.

Wie Khol hat sich auch Kovacs entschuldigt, ich sage Ihnen aber etwas: Dornauer, Geisler gestern; Khol, Kovacs heute – wer kommt morgen? Was ist mit euch? Was ist los mit den Männern in diesem Land? Was ist mit euch? (Beifall bei Grünen, SPÖ und NEOS.)

Es ist bezeichnend, dass hier bei der FPÖ darauf gar nicht reagiert wird, sondern eher Belustigung und Heiterkeit herrschen. Ich frage mich: Was gibt es da zu lachen? Was finden Sie an misogynem Hass, an frauenfeindlichen Diffamierungen, die für Frauen in diesem Land – ob sie Politikerinnen sind oder nicht – Alltag sind, lustig? Was ist da los? (Die Abgeordneten Kassegger und Mühlberghuber: Wer lacht?) – Ihr schaut amüsiert. Wieso schaut ihr amüsiert? (Abg. Kassegger: Das sind pauschale Anschuldigungen! Wer lacht?) – Was für pauschale Anschuldigungen? Ihr schaut amüsiert, wenn ich das thematisiere! (Abg. Kassegger: Sie beurteilen jetzt, wie ich dreinzuschauen habe!) Was ist daran lustig? – Daran ist überhaupt nichts lustig. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

Ja, jetzt werde ich hier ankrakeelt – das sehen die Zuseherinnen und Zuseher nicht –, ich werde hier von der FPÖ ankrakeelt. Ich weiß nicht (Zwischenruf des Abg. Kassegger): Die Frau am RednerInnenpult soll man mundtot machen (Zwischenrufe der Abgeord­neten Hauser und Mühlberghuber) – ist es das, was Sie mir jetzt zeigen wollen? Mundtot machen – ist das jetzt die kulturell bedingte Gewalt, von der die FPÖ immer spricht? Parallelkultur FPÖ – ist es das, was wir gerade sehen?

Eigentlich will ich mich in meiner Rede aber mit Wichtigerem als mit der FPÖ beschäf­tigen, nämlich mit dem Budget der UG 10, Frauen- und Gleichstellungsagenden. (Beifall bei den Grünen.) Wir haben es jetzt schon gehört: Zehn Jahre lang gab es im Frauen­ministerium unter rot-schwarzen - - (Abg. Rauch: ... ordentlich vorbereiten!) – Könnten Sie bitte so höflich sein, zuzuhören und nicht ständig zu versuchen, mich zu unter­brechen? Geht das? Schaffen Sie das? (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Schnedlitz.)

Zehn Jahre lang gab es im Frauenministerium unter rot-schwarzen Regierungen Budget­stag­nationen und unter der türkis-blauen Regierung zuletzt sogar Budgetkürzungen. Wir haben es jetzt geschafft, dass wir das Frauenbudget um 43 Prozent erhöhen – von 10 Millionen Euro auf 14,65 Millionen. Das ist wichtig, und das ist gut so. (Beifall bei Abgeordneten der Grünen.)

Kolleginnen von der SPÖ, wenn Sie sich heute hier herausstellen und bemängeln, dass diese knapp 15 Millionen Euro nicht ausreichen, dann kann ich als Frauensprecherin der Grünen gar nicht anders, als Ihnen beizupflichten. Wir sind einen großen Schritt weiter, und gleichzeitig sind wir noch lange nicht dort, wo wir eigentlich hinwollen und auch hinmüssen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 556

Gleichzeitig aber möchte ich Ihnen eine Frage stellen: Ich habe bei der Vorbereitung auf meine Rede in der Parlamentskorrespondenz gestöbert – das Archiv vergisst bekannt­lich nie –, und im November 2015 vermerkt die Parlamentskorrespondenz – ich zitiere –: „Für Frauen und Geschlechtergerechtigkeit in Österreich wird es 2016 im Vergleich zum Vorjahr nicht mehr Geld geben, aber auch nicht weniger.“ – Nicht mehr Geld.

Diese Stagnation der Mittel wurde von der damaligen SPÖ-Frauenministerin als Erfolg gewertet. – Daran anknüpfend meine Frage an Sie: Wenn Sie eine Stagnation der Mittel als Erfolg bezeichnen, als was bezeichnen Sie dann eine Erhöhung um 43 Prozent? (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Kollegin Ecker, wenn Sie zu Recht kritisieren, dass die Mittel nicht ausreichen würden, dann darf ich Sie schon daran erinnern, dass es Ihre Partei war, die mit der ÖVP die Mittel gekürzt hat. Das war die FPÖ, das waren nicht wir, das wart ihr. Wenn Sie sagen und behaupten, wir würden nichts tun, um gegen Altersarmut von Frauen vorzugehen – ich weiß nicht, ob Sie in den Plenarsitzungen dabei waren –, dann sage ich Ihnen: Wir haben den FrühstarterInnenbonus beschlossen, wir haben die Ausgleichszulagen erhöht. Wir tun etwas gegen Altersarmut von Frauen. Das haben Sie vorher nicht getan. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Im November 2019 hat die von mir sehr geschätzte damalige Frauenministerin Ines Stilling in einer Anfragebeantwortung festgehalten, dass es im Frauenbudget 4 Millionen Euro mehr braucht, um die Gewaltschutzeinrichtungen und deren Angebote aufrecht­zuerhalten, sowie insgesamt mehr Mittel in der Justiz, bei der Polizei und auch im Gesundheitsbereich. 4 Millionen Euro mehr hat Ines Stilling damals gefordert.

Ein Jahr später haben wir ein Plus von 4,5 Millionen Euro und mehrere Millionen für Gewalt­schutz und Gewaltprävention in der Justiz, bei der Polizei, im Gesundheits­bereich, und das lassen wir uns von Ihnen sicher nicht schlechtreden! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Mit dieser Budgeterhöhung stärken wir einerseits den Gewaltschutz – gerade auch in der Coronapandemie ist das dringend notwendig –, andererseits finanzieren wir die Zeit­verwendungsstudie, die wir im Koalitionsübereinkommen haben und die auch Expertin­nen und Experten lange gefordert haben.

Da darf ich Sie korrigieren, Kollegin Heinisch-Hosek: Die Kosten dafür betragen circa 1,2 Millionen Euro. Aufgeteilt werden sie voraussichtlich auf drei Jahre. Wenn ich dann die Summe für das kommende Budget abrechne, bin ich bei 2 Millionen Euro für den Gewaltschutz. Das ist gut und wichtig.

Henni (in Richtung Abg. Brandstötter), du hast im vorletzten Gleichbehandlungs­aus­schuss gemeint, es gab einen Antrag von dir zur Zeitverwendungsstudie, der vertagt wurde. Du meintest dann auf Twitter, Vertagung bedeute im Parlamentsjargon Begräb­nis erster Klasse. – Ich denke, ihr solltet eure Auslegung von Vertagungen überdenken. (Beifall bei Abgeordneten von Grünen und ÖVP.)

Ich komme zum Schluss: So sehr ich mich als Frauensprecherin meiner Fraktion über die Erhöhung des Frauenbudgets freue, so ehrlich bin ich auch, auf die Frage, ob ich gerne mehr gehabt, mehr gefordert hätte, natürlich mit einem lauten Selbstverständlich zu antworten. Ich wäre eine schlechte Frauensprecherin, würde ich das nicht tun! Auch eine 43-prozentige Erhöhung kann und darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir auf dem Weg in eine für Frauen diskriminierungsfreie und gewaltfreie Gesellschaft noch viel zu tun haben. Machen wir es bitte gemeinsam! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

9.28


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Brandstötter. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 557

9.28.31

Abgeordnete Henrike Brandstötter (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bun­desministerin! Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! Wir reden noch immer vom Gewaltschutz. Wir reden immer noch davon, dass man Frauen nicht mehr so leicht „eine auflegen“ kann, auch wenn das der eine oder andere Nationalratspräsident a. D. gerne machen würde.

Wir reden noch immer von der Zeitverwendungsstudie, damit endlich transparenter und vergleichbarer wird, wovon wir überhaupt reden, wenn wir von Arbeitsteilung im Haus­halt, von Geschlechtergerechtigkeit im Alltag reden, und wir reden von Beratungs- und Betreuungseinrichtungen.

Wir reden und reden und reden, dabei sollte das ja eigentlich alles selbstverständlich sein. Wir sollten nicht als Folge von zu wenig Tatkraft eine Budgeterhöhung bejubeln müssen. Ganz im Gegenteil, das sind Maßnahmen, die eigentlich nicht mehr der Rede wert sein sollten. So ist es aber leider nicht. In Wahrheit brauchen wir diese 20-prozen­tige Budgeterhöhung, um überhaupt ein Minimum abdecken zu können, und das ist ja eigentlich traurig. Es geht da um Erste Hilfe – darum, die gröbsten Probleme zu lösen.

Es geht nicht um zukunftsorientierte Politik, und vor allem geht es nicht um Frauenpolitik, denn Hand aufs Herz: Was von diesen Posten hat überhaupt etwas in einem Frauen­budget verloren? Warum geht es zulasten eines Frauenbudgets, wenn Männer ein Problem mit Gewalt haben? Warum muss es das Frauenbudget belasten, wenn in der Zeitverwendungsstudie erhoben wird, womit Männer und Frauen ihre Zeit verbringen? (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.) Frauenpolitik, die Frauen fördert, die mit Ungerechtigkeiten und Benachteiligungen von Frauen aufräumt, sieht anders aus.

In Ihrem Budget finde ich auch nichts zum Genderpaygap. Bis letztes Jahr gab es dafür zumindest Zielwerte, genauso wie für den Anteil von Frauen in Teilzeitbeschäftigung – die sind verschwunden. Ich sehe auch keine Maßnahmen, um die Altersarmut von Frauen zu bekämpfen oder ihre finanzielle Unabhängigkeit sicherzustellen.

Ich traue mich ja schon gar nicht mehr, in diesem Budget nach etwas Coronarelevantem zu suchen, dafür gibt es nämlich auch keinerlei Strategie. Wir alle wissen: Die großen Verliererinnen dieser Krise sind die Frauen, weil sie es sind, die sich zwischen Home­office und Homeschooling abstrudeln, die zwischen Job und Kinder- und Alten­betreuung aufgerieben werden, die tagtäglich unbezahlte Arbeit leisten, die zehn Jahre nach der Geburt ihres ersten Kindes im Schnitt 45 Prozent weniger als im Jahr vor der Geburt verdienen. Diesen Dauerbacklash, in dem Frauen seit Beginn der Krise gefangen sind, zeigt auch eine aktuelle Befragung des Jobportals Stepstone. Demnach sagt jede zweite Frau, dass die Coronakrise die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern verschärft und Frauen während des Lockdowns wieder vermehrt in traditionelle Rollen gerutscht sind.

Und so drehen sich diese altbekannten Probleme immer weiter im Kreis. Es gibt über­haupt keinen Ansatz, diese zu lösen, die Spirale dreht sich, und man kann nicht aus­brechen. Die Krise verschärft diese Ungleichheiten weiter. Die unbezahlte Arbeit im Haushalt, bei Homeschooling und anderen Betreuungspflichten bleibt größtenteils an Frauen hängen.

Die WU hat das übrigens auch festgestellt. Dort hat man den ersten Lockdown mit einer Studie begleitet und eine – aufgepasst! – Zeitverwendungsstudie für diese sieben Wochen erstellt. Eines der vielen und wenig erfreulichen Ergebnisse: In einem Paarhaushalt mit Kindern arbeiten die Mütter etwas über 14 Stunden täglich, 9,5 davon unbezahlt, Väter arbeiten knapp 13,75 Stunden, davon nicht ganz 7 Stunden täglich unbezahlt. Männer arbeiten also insgesamt weniger und vor allem deutlich weniger lang unbezahlt – wer


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 558

rechnen kann, ist klar im Vorteil! Ich kann schon nachvollziehen, dass es für die Hälfte der Menschheit eine bequeme Angelegenheit ist, wenn man weniger arbeitet und dabei mehr verdient, aber wir sollten uns damit nicht zufriedengeben.

Wir NEOS wollen, dass Frauen und Männer selbstbestimmt leben können, dass sie die faire Chance bekommen, ihre Talente zu verfolgen und sich gemäß den eigenen Ideen zu entfalten, dass sie die Chance haben, von eigener Arbeit zu leben und nach eigener Fasson glücklich zu werden.

Was wir nicht wollen, ist eine rückwärtsgewandte Frauenpolitik, die lässig mit den Achseln zuckt und Richtung Herd deutet, weil sie glaubt, das ist ein angemessener Platz für Frauen. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Kucher.)

9.32


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesminister Raab. – Bitte.


9.33.05

Bundesministerin für Frauen und Integration im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Wir befinden uns inmitten der Coronapandemie, inmitten des zweiten Lock­downs. Es ist eine Pandemie, die unsere Gesellschaft, unsere Wirtschaft und einfach alle Menschen in unserem Land seit einigen Monaten in Atem hält, eine Situation, die für niemanden in unserem Land einfach ist. Ich kann Ihnen aber versichern, dass wir, die gesamte Bundesregierung, alles tun, um die negativen Auswirkungen auf die Men­schen in unserem Land wo nur irgendwie möglich abzufedern. Das vorliegende Budget ist Ausdruck eben genau dieser Anstrengungen, dieser Bemühungen auf allen Ebenen.

Die Coronakrise hat uns alle vor Herausforderungen gestellt, und ja, dabei sind es insbesondere die Frauen in unserem Land, die in dieser Zeit Enormes für unsere Gesellschaft leisten (Beifall bei ÖVP und Grünen), etwa als Arbeitnehmerinnen und Unternehmerinnen in den systemrelevanten Branchen, in denen überwiegend Frauen tätig sind – im Lebensmitteleinzelhandel, im Gesundheitsbereich, in der Pflege –, oder aber auch in der Kinderbetreuung und im Homeoffice, im Homeschooling und in vielen anderen Bereichen. Frauen waren und sind derzeit in der Familie, im Beruf, im Privatleben einfach diejenigen, die besonders gefordert sind, diejenigen, die sozusagen das Werkl am Laufen halten und in vielen Bereichen alles zusammenhalten.

Meine Kolleginnen und Kollegen in der Bundesregierung und ich haben daher ge­mein­sam mehrere Maßnahmen getroffen, um Frauen und Familien in der Krise besonders zu unterstützen. Vom Familienkrisenfonds über den Familienhärtefonds, den Kinderbonus bis zum erleichterten Zugang zum Unterhaltsvorschuss oder dem Frauen­schwerpunkt in der Coronaarbeitsstiftung, den wir jetzt gesetzt haben (Beifall bei ÖVP und Grünen): Wir wollen in schwierigen Situationen nicht nur reden, sondern handeln, entlasten – auch finanziell – und auch neue Perspektiven schaffen.

Ja, ich weiß, dass das Aussetzen des Unterrichts für viele Frauen, für viele Familien schwierig, mühsam und eine Herausforderung ist, aber die Intensivbettenkapazität in Österreich ist beinahe erschöpft, und vor dem Hintergrund des Schutzes der Gesundheit und des Lebens war diese Maßnahme, dieser Schritt einfach unausweichlich. Uns war es wichtig, dass Schulen und Kindergärten trotzdem auch weiterhin eine pädagogische Betreuung und eine Lernunterstützung sicherstellen (Abg. Heinisch-Hosek: ... Rechts­anspruch auf Sonderbetreuungszeit!) und dafür offen sind, so wie ein Rechtsanspruch auf Sonderbetreuungszeit einfach garantiert, dass, wenn die Schulen und die Kinder­gärten nicht mehr offen sein können, weil es dort Coronafälle gibt, weil Quarantäne


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darüber verhängt wurde, keine Frau, keine Familie in eine Notsituation gerät und die Betreuung sichergestellt ist. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ich kann Ihnen versichern, dass dieser Weg der konsequenten Unterstützung auf allen Ebenen – das ist so wichtig in der Frauenpolitik, weil diese ein Querschnittsthema ist – sichergestellt ist und auch mit dem kommenden Budget mit voller Kraft weitergegangen wird.

Den Auftrag zur Stärkung von Frauen auf allen Ebenen haben wir uns bereits im ge­meinsamen Regierungsprogramm gegeben, und dieser wird nun auch durch die neuerliche Erhöhung des Frauenbudgets mehr als sichtbar. Bereits im heurigen Jahr konnten wir die erste substanzielle Erhöhung des Frauenbudgets in den letzten zehn Jahren – die erste substanzielle Erhöhung der letzten zehn Jahre! – bewirken, und umso mehr freut es mich, dass nun für 2021 eine neuerliche, noch deutlichere Erhöhung des Frauenbudgets um 2,5 Millionen Euro stattfinden wird. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Das Budget für 2021 wird – vorbehaltlich des Beschlusses durch Sie, sehr geehrte Damen und Herren – somit 14,65 Millionen Euro betragen. Das ist eine Erhöhung um 43 Prozent im Vergleich zu den letzten zehn Jahren. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Mit dem Frauenbudget 2021 werde ich folgende Schwerpunkte setzen, die ich auch, aber nicht nur, coronabedingt als wichtig erachte: Die Basis für ein selbstbestimmtes Leben – das ist es, was ich für alle Mädchen und Frauen in diesem Land will – ist ein angstfreies und ein gewaltfreies Leben. Ich will, dass wir vonseiten der Politik, dass wir als Gesellschaft einfach alles tun, um Frauen und Kinder vor Gewalt zu schützen. Es gibt für jede Frau einen Ausweg aus der Gewaltspirale, und das zu vermitteln ist unsere Aufgabe. Ich möchte, dass jede Frau weiß, dass es einen Ausweg gibt und sie in Österreich geschützt wird. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Vor allem in Zeiten wie diesen, in denen sich das Leben jetzt wieder verstärkt nach innen verlagert, kann man nicht oft genug betonen, wo Hilfe zur Verfügung steht: sei es durch eine österreichweite Frauenhelpline, die 24 Stunden zur Verfügung steht, die Online­beratung, 171 Frauen- und Mädchenberatungseinrichtungen, Gewaltschutzzentren, Frauenhäuser, Notunterkünfte oder Notwohnungen.

Um auf das flächendeckende niederschwellige Angebot aufmerksam zu machen und auch alle Frauen zu erreichen, habe ich analog zum Frühjahr nun eine zweite, noch viel umfassendere Informationsoffensive gestartet. In dieser Woche werden in Apotheken, in Arztpraxen niedergelassener Ärzte und auch im Handel bundesländerspezifische Beratungsinformationen zur Verfügung stehen, damit auch während des Lockdowns sichergestellt ist, dass alle Frauen wissen, wo sie Hilfe bekommen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ein Danke richte ich an dieser Stelle ausdrücklich an den Handelsverband, die Apo­thekerkammer und die Ärztekammer dafür, dass sie mich bei dieser Initiative unter­stützen.

Auch 2021 wird ein Großteil der Mittel für den Gewaltschutz eingesetzt, vor allem für die Finanzierung von österreichweiten Gewaltschutzzentren und die Finanzierung der flächendeckenden Frauen- und Mädchenberatungseinrichtungen, die in rund 90 Prozent aller Bezirke in Österreich Frauen unterstützen und von mehr als 100 000 Frauen und Mädchen im Jahr in Anspruch genommen werden.

Zum Zweiten, sehr geehrte Damen und Herren, werden wir weiter für die Selbstbe­stim­mung von Mädchen und Frauen und ihre Gleichstellung auf allen Ebenen kämpfen. Ein Beruf, der Freude bringt und finanziell unabhängig macht, ist die Voraussetzung für die Selbstbestimmung und auch wesentlich für die Verringerung bestehender Einkommens­unterschiede, die es in unserer Gesellschaft nach wie vor gibt.


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Es geht mir zum Beispiel auch darum, dass wir Mädchen und junge Frauen für Zukunfts­branchen, für Mint-Berufe begeistern, für Jobs in besser bezahlten Branchen, in denen sie eben besser verdienen und Karriere machen können. Wir haben großartige Frauen in unserem Land, die Vorbilder sind. Diese muss man vor den Vorhang holen, damit sie Mädchen Mut machen, einen anderen, neuen Weg einzuschlagen und auch neue Branchen zu erobern.

Zum Dritten, sehr geehrte Damen und Herren, geht es mir darum, die Selbstbestimmung von Mädchen und Frauen in jedem Lebensalter zu fördern, vom Kindergarten über die Schule bis hin zu Frauen in höherem Alter. Einen wichtigen Schritt dazu setzen wir nun durch die Einführung des Frühstarterbonus bei den Pensionen – endlich ein System, das Frauen nicht mehr benachteiligt, endlich ein System, bei dem Pensionistinnen nicht mehr durch die Finger schauen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Einen weiteren Schritt für die Gleichberechtigung von Männern und Frauen in höherem Alter werden wir durch die Einführung des automatischen Pensionssplittings setzen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die großartigen Frauen in unserem Land leisten in allen Bereichen des Lebens Enormes, in Coronazeiten und darüber hinaus, und dafür verdienen sie unsere Anerkennung, aber auch unsere Unterstützung auf allen Ebenen. Dafür trete ich als Frauenministerin ein. (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.) Diese Aufgabe werde ich auch im kommenden Budgetjahr mit großer Freude wahrnehmen, und das jetzige Budget ist eine gute Basis dafür. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

9.41


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Abgeordnete Deckenbacher ist zu Wort gemel­det. – Bitte.


9.42.07

Abgeordnete Mag. Romana Deckenbacher (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! In den nächsten Tagen findet wieder die Kampagne 16 Tage gegen Gewalt an Frauen statt, nicht nur in Wien, sondern international, weltweit. (Die Rednerin hält eine überdimen­sionale Stopphand aus Karton in die Höhe, auf der auf der einen Seite „Stopp Gewalt!“ und auf der anderen Seite „Stopp Gewalt! In Wien.“ zu lesen ist.) Diese 16 Tage umfassen den Zeitraum von 25. November – das ist der Gedenktag für alle Frauen, die Opfer von Gewalt geworden sind – bis 10. Dezember, dem internationalen Tag der Men­schenrechte.

Gewalt an Frauen ist vor allem jetzt in dieser herausfordernden Zeit in vielen Familien leider traurige Realität. Bereits in diesem Jahr gab es diesbezüglich 36 000 Anzeigen und 16 Frauenmorde, und ich sage es hier immer wieder: Jeder einzelne Fall ist einer zu viel! Vor allem wissen wir, dass im häuslichen Bereich die Zahl der Gewaltopfer sehr hoch ist und mehr als 1 000 Wegweisungen in einem Monat die Folge waren.

Frau Brandstötter, wenn Sie sagen, wir reden und reden und reden, dann möchte ich Ihnen sagen: Unsere Bundesregierung setzt auch Maßnahmen – wichtige Maßnahmen im Kampf gegen die Gewalt! (Beifall bei ÖVP und Grünen.) So werden unsere Frau Bundesministerin Raab und unser Herr Innenminister Nehammer schon in der kom­men­den Woche einen Gewaltschutzgipfel abhalten (Zwischenruf der Abg. Brandstötter), bei dem es um höhere Investitionen in Gewaltschutzprojekte geht, Frau Brandstötter. Darüber hinaus wird auch die Zusammenarbeit mit dem Innenressort im Rahmen der Kampagne Gemeinsam sicher gegen Gewalt an Frauen intensiviert.

Seit dem Amtsantritt unserer Frau Bundesminister ist das Frauenbudget um mehr als 40 Prozent gestiegen, das Budget beträgt nun 14,6 Millionen Euro. Das ist die höchste


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Erhöhung seit 2010, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.) Insgesamt investieren wir für die Stärkung von Frauen und Mädchen über 3 Millionen Euro.

Es gab außerdem bereits eine Erweiterung der bestehenden Maßnahmen im Kampf gegen häusliche Gewalt, wie die Frau Bundesminister schon erwähnt hat: die 24-Stunden-Helpline, ein Gewaltschutzzentrum in jedem Bundesland und so weiter.

Gewalt hat viele Erscheinungsformen, und da möchte ich einen Bereich noch explizit erwähnen, nämlich das Gesetzespaket der Bundesregierung gegen Hass im Netz, von dem vor allem Frauen profitieren werden. Damit wird ein wichtiger Beitrag zum Kampf gegen Sexismus geleistet, denn zwei Drittel aller 18- bis 23-jährigen Frauen sind Opfer von Hass-im-Netz-Delikten. Jungen Mädchen widerfährt das sogar dreimal häufiger als Burschen.

Gewalt hat in unserer Gesellschaft keinen Platz! (Beifall bei ÖVP und Grünen.) Gewalt betrifft alle sozialen Schichten, völlig unabhängig vom Familienstand, vom Bildungs­stand, vom Alter und der religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit. Darum noch meine abschließende Bitte: Kämpfen wir gemeinsam über alle Parteigrenzen hinweg – über alle Parteigrenzen hinweg! – für mehr Schutz für von Gewalt betroffene Frauen und Mädchen! – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

9.45


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Kucher. – Bitte.


09.45.57

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Frau Bundesminis­terin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollegin Brandstötter hat es gut auf den Punkt gebracht: Wir reden zwar über ein höheres Budget, aber was hilft eine Budgeterhöhung, wenn wir eine Ministerin haben, die Schicksale von Menschen einfach nicht sieht und wahrnimmt, und wenn wir eine Bundesregierung haben, die in wesentlichen Fragen die Stimme eben nicht erhebt, wenn es um Schicksale von Frauen geht?

Als im Frühjahr Frauen plötzlich auf die Kinder aufpassen mussten, de facto allein waren und nicht gewusst haben, wie es weitergeht, de facto allein die Verantwortung für die Kinderbetreuung gehabt und gesagt haben: Bitte, liebe Politik, unterstützt uns, schaut, dass ihr entsprechende Rahmenbedingungen für uns findet!, hat die Ministerin ge­schwiegen. (Abg. Pfurtscheller: Das ist überhaupt nicht wahr!)

Als dieser Tage die Regierung mit Imagevideos auf die Pflegesituation reagiert hat, hat die Politik, hat die Ministerin geschwiegen.

Als Sebastian Kurz eine Pressekonferenz gegeben und gesagt hat: Die Schulen sind in Wahrheit geschlossen!, Werner Kogler danebengestanden ist und gesagt hat: Nein, die sind eh offen!, und die Eltern in Österreich sich nicht mehr ausgekannt haben, hat die Ministerin geschwiegen.

Als Minister Faßmann gesagt hat: Damit die Kinder zu Hause gut unterrichtet werden können, ist es sinnvoll, eine räumliche Trennung zu machen, daher: Räumt den West­flügel und macht dort ein Lernzentrum auf, und im Gästehaus könnte man noch einen Spieleraum für die Kinder einrichten!, als diese Lebensrealität vom Minister geschildert worden ist, hat die Ministerin geschwiegen.

Als Frauen verzweifelt waren, weil sie nicht gewusst haben, wie es weitergehen soll, alleinerziehende Mütter, die keinen Job hatten, verzweifelt waren und ihren Töchtern und Söhnen Hoffnung geben sollten, da hat die Ministerin geschwiegen.


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Das ist leider die Politik, die die Ministerin gelernt hat. Sie hat gemeinsam mit Sebastian Kurz im Ministerium begonnen und gelernt: Mach das, was dir selbst nützt, und orientiere deine Politik an Umfragen! – Das erleben wir leider bei der Ministerin im Bereich der Integrationspolitik: mitschimpfen über die Ausländer und das machen, was populistisch ist und funktioniert. Alles, was für die Umfragen zählt, macht sie (Abg. Weidinger: Unerhört!), aber konkret die Dinge, mit denen die Politik den Menschen dienen würde, um für vom Schicksal gebeutelte Menschen da zu sein, um dort zu helfen, wo es not­wendig ist, all das macht sie eben leider nicht. Das erleben wir leider: Politik nach Um­fragen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich bitte Sie wirklich, Frau Ministerin: So viele Frauen sind darauf angewiesen, dass Sie eine starke Stimme für sie sind. Machen Sie nicht eine Politik, die Ihnen persönlich nutzt, auch wenn das im Umfeld von Sebastian Kurz so gewünscht ist! Seien Sie die starke Stimme für all die Frauen, die Sie brauchen! Nicht Marketing darf im Vordergrund stehen. Lassen Sie nicht immer nur Maßnahmen abtesten, die gut funktionieren, sondern setzen Sie Maßnahmen, die das Leben von Frauen in diesem Land wirklich konkret verbessern! All das haben Sie in der Vergangenheit leider nicht gemacht. Das ist die Politik, die Sie leider in den letzten Monaten praktiziert haben. (Beifall bei der SPÖ.)

9.48


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Es erfolgt eine tatsächliche Berichtigung durch Frau Abgeordnete Pfurtscheller. – Bitte.


9.49.05

Abgeordnete Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller (ÖVP): Geschätzte Kollegen! Herr Kollege Kucher hat gerade behauptet, beim ersten Lockdown, als es für die Frauen schwierig geworden ist, habe die Frau Ministerin geschwiegen.

Ich berichtige tatsächlich: Es gab Anfang März eine Pressekonferenz mit Frau Ministerin Zadić. (Oh-Rufe bei der SPÖ.) – Ja sollen wir schweigen oder dürfen wir eine Presse­konferenz machen? Jetzt müsst ihr euch schon einigen, gell? Also nicht „oh“ schreien! (Beifall bei der ÖVP.)

Anfang März gab es eine Pressekonferenz mit Frau Ministerin Raab und Frau Ministerin Zadić, in der sie bekannt gegeben haben, welche Maßnahmen sie getroffen haben, um die vom Lockdown betroffenen Frauen zu unterstützen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

9.49


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Grebien. – Bitte.


9.50.01

Abgeordnete Heike Grebien (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundes­minis­terin! Sehr geehrte KollegInnen! Wertgeschätzte ZuseherInnen! Wenn man Maßnahmen zur Gewaltprävention setzt, dann ist es wichtig, auch an Frauen mit Behinderungen zu denken. Frauen mit Behinderungen sind eine Gruppe, die nicht oft gesehen wird, sie sind aber oft von Gewalt betroffen – öfter als Frauen ohne Behinderungen. Es werden drei Formen von Gewalt unterschieden.

Es gibt die psychische Gewalt, das ist Gewalt durch Ausüben von Druck und/oder durch Drohungen, Beschimpfungen, oder dadurch, dass jemand verfolgt wird, belästigt wird und/oder jemandem aufgelauert wird. Von dieser Form der Gewalt sind Frauen mit Be­hinderungen zwei- bis dreimal so häufig betroffen.


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Dann gibt es die physische Gewalt: Diese bezieht sich auf den Körper; das bedeutet, geschlagen oder verprügelt zu werden. Davon sind Frauen mit Behinderungen fünfmal so häufig betroffen.

Dann gibt es die sexuelle Gewalt: Da unterscheiden wir zwischen sexualisierter Gewalt – das sind Bemerkungen über den Körper – und sexueller Gewalt – das ist Hands-on-Gewalt. Betrachtet man die Ergebnisse der Studie des IRKS betreffend Erfahrungen und Prävention von Gewalt an Menschen mit Behinderungen, so zeigt sich, dass jede fünfte Frau mit Behinderung von Erfahrungen versuchten oder erzwungenen Geschlechts­ver­kehrs berichtet.

Deshalb braucht es Maßnahmen, um Frauen mit Behinderungen zu unterstützen. Vor allem gute Beratungsangebote und langfristige Unterstützung der Frauen sind notwen­dig, um erlebte Traumata verarbeiten zu können, aber auch um das Empowerment von Frauen zu fördern und zu stärken und damit Gewalt zu verhindern.

Ein positives Beispiel, das hier genannt werden kann, ist das vom Frauenministerium unter Mitfinanzierung des Sozialministeriums durchgeführte Projekt Ressourcen für gewaltbetroffene Frauen mit Behinderungen. Ziel des Projekts ist es, eine Broschüre in leichter Sprache zu erstellen, um von Gewalt betroffene Frauen zu unterstützen, die Broschüre als Website umzusetzen, weil wir wissen, dass Frauen so einen nieder­schwelligen Zugang finden, mit Frauen Workshops zu gestalten und durchzuführen, aber auch Workshops mit den Bezugspersonen der Frauen abzuhalten. Das Projekt wird vom Verein Ninlil und dem Verein Leicht Lesen durchgeführt.

Beide Vereine leisten in der Arbeit mit Frauen mit Behinderungen seit Jahren hervor­ragende Unterstützungsarbeit und werden nicht müde, sich für die Anliegen der Frauen einzusetzen. Zu nennen sind zum Beispiel bei Ninlil die Peerberatung für Frauen mit Behinderungen und die Empowermentkurse, bei denen 2018 zum Beispiel 83 Teilneh­merinnen mitgemacht haben. Der Verein Ninlil vertritt die Anliegen der Frauen in ver­schiedenen Gremien, er ist zum Beispiel auch Mitglied des Netzwerks österreichi­scher Frauen- und Mädchenberatungsstellen, und daher wissen sie sehr gut Bescheid, dass manche der Beraterinnen spezifische Schulungen brauchen. Aufgrund der Personalres­sourcen haben sie sich dann überlegt, einen Leitfaden für Beraterinnen in Frauenein­richtungen zu erstellen, mit dem Titel „Beratung für gewaltbetroffene Frauen* mit Lern­schwierigkeiten*“ (die genannte Broschüre in die Höhe haltend) – das kann ich nicht wie eine Tafel aufstellen.

Der Verein Leicht Lesen hat in den letzten zwei Jahren wichtige Informationsbroschüren in Leichter Sprache erarbeitet, unter anderem „Frau. Mann. Und noch viel mehr.“ (die genannte Broschüre in die Höhe haltend) – diese bietet die Möglichkeit, sich über unterschiedliche sexuelle Orientierungen in Leichter Sprache zu informieren. „Im Wechsel.“ (die genannte Broschüre in die Höhe haltend) ermöglicht Frauen mit Lern­schwierigkeiten, sich in Leichter Sprache über die Wechseljahre zu informieren.

Weil wir wissen, dass es bezüglich der sexuellen Gesundheit dringend Informationen in Leichter Sprache, aber auch in ÖGS braucht, haben wir dazu im letzten Gleichbe­hand­lungsausschuss einen entsprechenden Entschließungsantrag eingebracht. Davon werde ich morgen mehr erzählen.

Betreffend Gewalt an Menschen mit Behinderungen sind auch ganz klar Männer mit Behinderungen zu berücksichtigen, denn auch sie erleben im Vergleich zu Männern ohne Behinderungen überproportional Gewalt. Es braucht dafür natürlich mehr, es braucht eine breite Allianz. Ich danke den Vereinen Ninlil, Leicht Lesen, aber auch vielen anderen in den Bundesländern – dort gibt es auch tolle Projekte –, in welchen großartige und wichtige Arbeit geleistet wird. Ich habe Broschüren mitgenommen und hinten auf


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meinem Platz noch eine Fachzeitschrift zu Gewaltprävention, mit Best-Practice-Bei­spielen, wie man Gewaltprävention bei Frauen und Männern mit Behinderungen durch­führen kann.

Kommen Sie bitte auf mich zu, schnappen Sie sich eine Broschüre, schauen Sie einmal rein, denn Wegschauen geht nicht mehr! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

9.54


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Oberrauner. – Bitte.


9.54.52

Abgeordnete Mag. Dr. Petra Oberrauner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzte Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zu Beginn meiner Rede folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erhö­hung des Budgets für Frauenangelegenheiten und Gleichstellung“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen, wird ersucht, im Bundesfinanzgesetz 2021 sowie im Bundesfinanzrahmengesetz 2021-2024 eine Erhö­hung des Budgets ,Frauenangelegenheiten und Gleichstellung‘ auf jährlich zumindest 30 Mio. Euro vorzusehen.“

*****

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Covid-Krise trifft Frauen in besonderem Maße, und sie sind davon schwer betroffen. Frauen arbeiten überproportional stark im Dienst­leistungsbereich – in Hotels und Gaststätten, die jetzt zuhaben –, im Handel und so weiter. Ihre Arbeitslosigkeit dauert länger, und gleichzeitig haben die Frauen den Ausfall von Kindergärten und Schulen zu bewältigen. Der Hauptteil der unbezahlten Arbeit wird nach wie vor von Frauen übernommen. Diese Umstände verschlechtern die finanzielle Unabhängigkeit von Frauen und drängen Frauen zurück in veraltete Rollenbilder.

Dies zeigt auch eine Umfrage des Jobportals Stepstone: Jede zweite Frau hat den Ein­druck, dass sich für sie in der Coronakrise die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern verschärft hat. Während des Lockdowns haben sie das Gefühl, dass sie wieder in die traditionellen Rollen zurückrutschen. Diese Einschätzung muss uns alle beunruhigen, und deshalb ist der Bereich der Ministerin für Frauen und Gleichstellung in den nächsten Jahren ganz besonders gefordert, sich gegen die Verdrängung der Frauen am Arbeits­markt, den spürbaren Verlust bei Einkommen und Pensionen und die abnehmende Gleich­stellung von Frauen in Österreich zu wehren. Es ist ganz genau darauf zu achten, dass Frauen und ihre besondere Lebenssituation im Rahmen der Maßnahmen der Covid-19-Hilfen und des Konjunkturpaketes ausreichend und fair berücksichtigt werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Basis für ein selbstbestimmtes Leben von Frauen, geschätzte Frau Minister, sind gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit und eine gute Ausbildung. Das Leben frei von Gewalt sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Dass es Hilfe gibt, ist gut, dass es Hilfe


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braucht, ist beschämend. Frauen übernehmen ihre Verantwortung – von der Kinder­betreuung bis zur Pflege von Angehörigen – unter den schwierigsten Bedingungen, sie kümmern sich um Familie, Arbeit, Haushalt und um die Sorgen betreffend Lockdowns und sonstige Dinge.

Frauen übernehmen Verantwortung in der Gesellschaft, und wir erwarten uns, dass die Regierung die Verantwortung für die Frauen übernimmt. 30 Millionen Euro sind 0,06 Pro­zent des Covid-Budgets: Ich glaube, es wäre ein sichtbares Zeichen dafür, dass Sie es wirklich ernst meinen und dass Sie den Frauen Ihre Wertschätzung nicht nur in Wort­spenden geben, sondern auch in Geld. Ich glaube, das trägt dazu bei, dass sich wirklich etwas verändert. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

9.58

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Jan Krainer,

Genossinnen und Genossen

betreffend Erhöhung des Budgets für Frauenangelegenheiten und Gleichstellung

Eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 11.) Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (380 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvor­an­schla­ges für das Jahr 2021 (Bundesfinanzgesetz 2021 – BFG 2021) samt Anlagen (449 d.B.) in der 62. Sitzung des Nationalrates am 19. November 2020 – UG 10 Frauen und Gleichstellung

Das vorliegende Budget für Frauenangelegenheiten und Gleichstellung wird den Lebens­welten und der Betroffenheit von Frauen in der COVID-19-Krise in keiner Weise gerecht. Zahlreiche Studien belegen, dass Frauen gerade in der Corona-Pandemie einen großen Teil der Krisenlast übernehmen und dadurch noch stärker gefordert sind als Männer. Trotz alldem nimmt das Frauenbudget im gesamten Budget 2021 lediglich einen Anteil von 0,015 % der veranschlagten Gesamtauszahlungen ein.

Auch die Budgeterhöhung um 2,5 Mio. Euro auf 14,65 Mio. Euro in der UG 10.02, ist nicht mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein. Die zur Verfügung gestellten Mittel sind noch immer viel zu gering für die Aufgabenstellungen des Ressorts.

Einmal mehr wird deutlich: Frauenpolitische Anliegen kommen in diesem Budget gene­rell viel zu kurz.

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen, wird ersucht, im Bundesfinanzgesetz 2021 sowie im Bundesfinanzrahmengesetz 2021-2024 eine Erhö­hung des Budgets „Frauenangelegenheiten und Gleichstellung“ auf jährlich zumin­dest 30 Mio. Euro vorzusehen.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, aus­reichend unterstützt und steht somit in Verhandlung. (Das Telefon am Platz des Prä­sidenten läutet. – Ruf bei der FPÖ: Telefon!)


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Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Sieber. – Bitte. (Das Telefon am Platz des Präsiden­ten läutet neuerlich.)


9.58.19

Abgeordneter Norbert Sieber (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! (Ruf bei der FPÖ: Der telefoniert! – Allgemeine Heiterkeit.) Sehr geehrte Frau Minister! Hohes Haus! (Das Telefon am Platz des Präsidenten läutet erneut. – Ruf bei der FPÖ: Einfach nicht abheben! Ignorieren!) – Herr Präsident, das gibt eine Spende an die Drei Könige.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Es ist weder meine Frau noch die Rettung. (Allge­meine Heiterkeit.)


Abgeordneter Norbert Sieber (fortsetzend): Ich stehe hier nicht nur als Mitglied des Gleichbehandlungsausschusses, ich stehe hier nicht nur als Familiensprecher meiner Partei, sondern ich stehe hier auch als Mann, dem durch die Erfahrungen auch im Gleichbehandlungsausschuss, durch die Diskussionen dort, Gleichbehandlung und die faire Verteilung von Chancen zwischen den Geschlechtern sehr wichtig ist.

Frau Heinisch-Hosek, Ihre Aussage hat mich durchaus betroffen gemacht. Und ganz ehrlich, ich hätte nicht gedacht, dass ich das einmal sage, aber ich stelle mich hier an Ihre Seite und fordere die Kolleginnen und vor allem die Kollegen der Sozialdemokratie auf: Setzt euch für Frauenrechte ein, setzt euch für die faire Verteilung von Chancen ein! Wir von der ÖVP sind auf jeden Fall dabei. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Kucher: Der war nicht schlecht! – Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.)

Gleichbehandlung und Frauenpolitik, meine Damen und Herren, finden sich natürlich nicht nur im Frauenbudget wieder. Diese Materie ist dank des Engagements unserer Frauenministerin eine Querschnittsmaterie (Zwischenruf des Abg. Vogl), die sich auch in anderen Bereichen wiederfindet – so natürlich auch im Familienbudget, in dem wir unter dem Wirkungsziel 2 – das ist eben das Gleichstellungsziel – die „Erleichterungen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ festgeschrieben haben. (Das Telefon am Platz des Präsidenten läutet. – Allgemeine Heiterkeit.) Da steht: der Ausbau von Kinder­betreuung in qualitativer und quantitativer Art, die gezielte Information zum Kinderbetreu­ungsgeld und eben die Möglichkeit des Bezugs durch Väter.

Meine Damen und Herren, seit 2017, seit wir eben das Kinderbetreuungsgeldkonto haben, ist festgeschrieben, dass Eltern, die sich den Bezug partnerschaftlich teilen, zusätzlich einen Partnerschaftsbonus bekommen. Dazu werden uns die Zahlen, ob das Wirkungsziel auch erreicht wurde – die, wie ich denke, doch sehr aufschlussreich sein werden –, erst Ende 2020 vorliegen.

Wenn man sich als Vater auch direkt nach der Geburt für die Erziehung, für die Be­treuung einsetzt, dann gibt es einen zusätzlichen Familienzeitbonus.

Das Ziel des Ausbaus von Kinderbetreuungseinrichtungen in qualitativer und quantita­tiver Form, meine Damen und Herren, eint uns über alle Parteigrenzen hinweg. Es ist aber auch zu beachten und interessant, dass vor Kurzem in der Zeitung „Der Standard“ eine Studie veröffentlicht wurde, die von Prof. Josef Zweimüller und von Frau Posch von der Universität Zürich in Zusammenarbeit mit den Universitäten Princeton und Edinburgh sowie der London School of Economics gemacht wurde. Diese Studie sagt sehr klar, dass der alleinige Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen eben zu wenig ist. Es werden viele weitere Schritte aufgezählt – ich kann hier nicht auf alle eingehen –, und einer der wesentlichen Schlüssel zum Erfolg ist die Väterbeteiligung.

Dabei sind wir zwar durchaus weitergekommen, aber es ist noch Luft nach oben. Da hilft mitunter auch ein Blick über die Grenzen. Deutschland, das uns ja nicht unähnlich ist, ist da wesentlich weiter als wir. Wenn man sich den deutschen Väterreport etwas genauer


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anschaut und durchliest, dann findet man im Vorwort der dortigen Frauenministerin Giffey Folgendes zu lesen: „Vaterschaft verändert sich: Väter heute haben ein neues Selbstverständnis. Sie wollen sich aktiv und auch im Alltag um ihre Kinder kümmern. Gerade junge Paare wollen auch als Eltern gleichberechtigt leben. Tatsächlich erziehen und betreuen Väter ihre Kinder heute mehr als sie es von ihren eigenen Vätern kennen. Sie wünschen sich vielfach noch mehr Zeit für die Familie“. (Abg. Heinisch-Hosek: Arbeitszeitverkürzung ...!)

Meine Damen und Herren, ich sage: Ja, das stimmt! Ich gehe jetzt davon aus, dass dieses Zitat kein Plagiat ist. Dieses Zitat ist jedenfalls gut und richtig.

Die Quintessenz ist für mich: Wir müssen die Familien, wir müssen die Menschen in ihren selbst gewählten Lebenswelten abholen und auch zur Kenntnis nehmen, dass manches von den Familien selbst bestimmt wird. Das bloße und alleinige Verteufeln von Teilzeitarbeit, der selbst gewählten Aufteilung von Arbeitszeit wird zu wenig sein. Wir müssen die Menschen dabei mit auf den Weg nehmen, ihnen Antwort geben können. Ich glaube, dass da auch noch eine ganz andere Qualität notwendig sein wird. Wir sind auf einem guten Weg, die Väterbeteiligung steigt, aber wir haben alles daran zu setzen, dass da noch mehr möglich ist. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ord­neten der Grünen.)

10.03


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Kucharowits. – Bitte.


10.03.57

Abgeordnete Katharina Kucharowits (SPÖ): Herr Präsident! Frau Frauenministerin! Geschätzte Kollegen und Kolleginnen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Kollege Sieber, da haben sogar Sie schmunzeln müssen, als Sie gesagt haben, die ÖVP setzt sich für Chancengerechtigkeit ein. (Abg. Sieber: Ich schmunzle immer ...!) Das war köstlich, ein wirklich köstlicher Moment für uns. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte aber damit beginnen: Frau Ministerin, wir Frauen wollen ganz einfach nicht die Verliererinnen der Krise sein – und dürfen es auch nicht sein. Ganz offen ge­sprochen: Im Moment schaut es ein bissel so aus, denn: Wer schupft die Arbeit in den Spitälern, in den Pflegeeinrichtungen, in den Lebensmittelgeschäften, in den Schulen, in den Kindergärten, in der Carearbeit, im Homeoffice, im Homeschooling? – Das sind überwiegend Frauen. Wer hat in den letzten Monaten durch die Krise den Job verloren oder ist in Kurzarbeit? – Das sind auch überwiegend Frauen. Denken wir an die Touris­musbranche, denken wir an die Gastrobranche, denken wir aber zum Beispiel auch an die Flugbranche, in der wahnsinnig viele Frauen in Kurzarbeit sind. Dadurch oder aufgrund der Arbeitslosigkeit stecken diese ganz klar mit einem Bein in der Armut – und Sie tun nichts dagegen. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie denken nämlich nicht darüber nach, das Arbeitslosengeld ganz einfach zu erhöhen, was dringend vonnöten ist – vor allem für Frauen. Sie denken auch nicht darüber nach, verkürzte Vollzeit auf die Füße zu bekommen, damit mehr Personen wieder Jobs haben. Über all das denken Sie leider nicht nach.

Besonders dramatisch ist die Situation aber für Alleinerzieherinnen. Ich glaube, es geht vielen hier im Raum so: Wir haben nicht nur einen Anruf bekommen, weil viele Allein­erzieherinnen einfach nicht mehr wissen, wie sie über die Runden kommen sollen, wie sie die Miete finanzieren sollen und wie sie ihr Kind ernähren können.

Ich frage Sie ganz ehrlich: Warum sollte eine Alleinerziehende für Ihr Budget stimmen? Was tut Ihr Budget für Alleinerziehende? – Die versprochene Unterhaltsgarantie, die im Übrigen 2017 – ich weiß, wir wiederholen uns – in einem TV-Auftritt von allen Fraktionen,


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von allen Spitzenkandidaten und Spitzenkandidatinnen mit einem Taferl mit Ja sozu­sagen befürwortet wurde, gibt es bis heute nicht. Sie schauen noch immer durch die Finger.

Lassen Sie mich auch noch einen Satz zum Gewaltschutz sagen, weil das ganz, ganz zentral ist: Ja, es gibt eine Erhöhung. Sie wissen aber auch: Im Gewaltschutzbereich braucht es, um die Istanbulkonvention im umfassendsten Sinn umzusetzen, ganz ein­fach mehr Geld. Der Grevio-Bericht, das ist ein ExpertInnengremium auf Ebene des Europarates, sagt ganz klar: 210 Millionen Euro.

Da es auch immer wieder Thema ist und heute vonseiten Kollegin Pfurtscheller auch war: Ja, es ist ganz, ganz zentral, Hass im Netz im umfassendsten Sinn zu bekämpfen. Ich möchte aber ganz klar zum Ausdruck bringen: Es gibt in Ihrem Budget keinen Cent, um Gewalt im Netz zu bekämpfen (Zwischenruf der Abg. Disoski), um Präventionsarbeit zu leisten, um Sensibilisierungsarbeit zu leisten. Kollegin Disoski, Zara bekommt keinen Cent aus dem Frauenbudget. Das ist eine ganz, ganz wichtige Einrichtung im Kampf gegen Hass im Netz; diese bekommt nichts davon.

Abschließend möchte ich noch einmal betonen: Es ist ganz, ganz viel zu tun, Frau Ministerin. Sie lassen das leider an diesem Budget 2021 vorüberziehen. Frauen sind in der Krise Systemerhalterinnen, oftmals viel, viel schlechter bezahlt als die Männer. Wir haben nämlich noch immer nicht das ganze Stück des Kuchens und viele noch immer nicht die gleiche Bezahlung. Deshalb mein neuerlicher dringlicher Appell: Lassen Sie uns Frauen, Frau Ministerin, nicht die Verliererinnen der Krise sein! Tun Sie endlich etwas! (Beifall bei der SPÖ.)

10.07


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Saxinger. – Bitte. (Abg. Matznetter: Wie viele Männer hat die ÖVP ...?)


10.07.45

Abgeordneter Dr. Werner Saxinger, MSc (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Frau Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich starte mit einem Zitat von Frau Prof. Kautzky-Willer, die 2016 in Österreich Wissen­schaftlerin des Jahres war und seit 2010 Professorin für Gendermedizin an der Uni Wien ist: Die geschlechtsspezifische Medizin muss und wird ein integrativer Bestandteil der personalisierten Medizin in der Zukunft sein. – Zitatende.

Bei uns führt die geschlechtsspezifische Medizin, oder volkstümlich gesagt Gender­medizin, noch immer ein relatives Schattendasein – völlig zu Unrecht. Für unsere Frau­en­ministerin ist auch die Frauengesundheit sehr wichtig, und das wird auch im Budget abgebildet. Ein paar Zahlen, Daten und Fakten dazu (Abg. Kucher: ... alles beim Anschober!): Es ist bekannt – auch dir, lieber Philipp –, dass Frauen im Durchschnitt älter als Männer werden. Haben Sie aber gewusst, dass Frauen in Summe weniger gesunde Lebensjahre haben und fast doppelt so häufig an Medikamentenneben­wir­kungen leiden als Männer?

Die Medizin – ich sehe das tagtäglich auch bei mir – wird weiblich, die Frauenquote steigt laufend. 2019 waren 62 Prozent der Teilnehmer des Medizinaufnahmetests Frauen. Das heißt: Fast zwei Drittel der kommenden Mediziner sind Frauen. Also, liebe Männer, warm anziehen: Die Zukunft in der Medizin – und nicht nur in der Medizin – wird weiblich!

Ohne klischeehaft denken zu wollen: Frauen behandeln oft ganzheitlicher und nehmen sich oftmals mehr Zeit für ein Patientengespräch. Ein weiteres Beispiel: Woran denken Sie, wenn Sie plötzlich Brustschmerzen links mit Ausstrahlung in den linken Arm haben? – Richtig, an einen Herzinfarkt. Aber: Frauen zeigen auch Symptome, die von Übelkeit bis zu Schlafstörungen und Müdigkeit reichen. In der Folge versterben Frauen


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auch häufiger an einem Infarkt, obwohl das immer noch als typische Männerkrankheit gilt.

Das Beispiel Herzinfarkt ist das bekannteste, wenn es um Gendermedizin geht. Gen­dermedizin oder geschlechtsspezifische Medizin heißt Berücksichtigung der biologi­schen Unterschiede zwischen Mann und Frau in der Forschung und Behandlung von Erkrankungen.

Im Regierungsprogramm wird ein besonderer Fokus auf die Frauengesundheit gelegt. Ich zitiere: „Die Verbesserung von Frauengesundheit ist ein besonderes Anliegen [...]. Eine forcierte Umsetzung des Aktionsplans Frauengesundheit und die Erstellung eines jährlichen Frauengesundheitsberichts sowie die Weiterentwicklung und Anwendung von Gender-Medizin ist daher von besonderer Bedeutung.“

In der Medizin gilt nach wie vor der Mann als Prototyp. Die Unterrepräsentation von Frauen in Pharmastudien ist signifikant, und es sind auch hauptsächlich männliche Zel­len und Versuchstiere bei Studien in Verwendung. Frauen verteilen und bauen Medika­mente im Körper anders ab, da sich Muskelmasse, Körpergewicht sowie Wasseranteil bei Frauen und Männern unterscheiden. Es besteht nicht nur ein Unterschied in den Chromosomen, sondern auch auf Organ-, Hormon-, Stoffwechsel- und der sozialpsycho­logischen Ebene.

Die geschlechtsspezifische Medizin bedeutet auch eine präzisere Medizin, sie erlaubt eine individualisiertere Behandlung; wir wissen auch, dass Frauen und Männer auf Umwelt und Krankheiten völlig unterschiedlich reagieren. Viele verwenden statt Gender­medizin lieber den Begriff geschlechtsspezifische Medizin, da Gendermedizin von manchen irrtümlich als feministische Ideologie gesehen wird. Gendermedizin ist nur ein Teil der geschlechtsspezifischen Medizin, ein Begriff aus der Sozialwissenschaft im Hin­blick auf die Selbstwahrnehmung, das Selbstwertgefühl oder auch das Rollenbild.

Ein weiteres Beispiel sind Rauchen und Alkoholkonsum. Frauen sind empfindlicher für Nikotin und Rauchinhaltsstoffe. Schwere Asthma- und Bronchitisfälle treten früher als bei Männern auf. Es gibt auch unterschiedliche Risken bei Männern und Frauen bei Osteoporose, Nieren- und Leberfunktionsstörungen.

Unsere Frauenministerin Susanne Raab hat eine Aufstockung der Mittel im Frauen­budget von über 20 Prozent für 2021 erreicht, wobei schon 2020 erstmals seit vielen Jahren eine Aufstockung erfolgt ist. (Beifall bei der ÖVP.) Dieses Geld soll haupt­sächlich für Maßnahmen wie Gewaltschutz, zur Stärkung der Gleichstellung von Frauen sowie für Erhalt und Ausbau der frauenspezifischen Beratungs- und Betreuungseinrichtungen eingesetzt werden.

Statt dem üblichen Danke an die Frau Minister möchte ich das so formulieren und beschreiben: Schlau und zielgenau für die Frau – wow! – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

10.12


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Reimon. – Bitte.


10.12.37

Abgeordneter Michel Reimon, MBA (Grüne): Herr Präsident! Hohes Haus! Frauen­politik, Gleichstellungspolitik findet sich in vielen Budgetposten, Budgetpunkten, nicht nur in diesem. Wir haben schon etwas für eine Pensionsreform beschlossen und ver­suchen, die Situation von Frauen dort deutlich zu verbessern, und Gleiches gilt auch für andere Bereiche. Frau Kollegin Kucharowits hat vorhin gesagt, in dem Budget finde sich jetzt nichts gegen Hass im Netz. – Das gilt für das Frauenbudget, nicht aber für das


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Justizbudget, dort sind zu diesem Punkt mehrere Millionen festgeschrieben. (Zwischen­ruf der Abg. Kucharowits.) Es tut sich Gott sei Dank in vielen Bereichen etwas, und so soll das auch sein. Es soll übergreifend gedacht werden.

Ich möchte aber auf einen Punkt, den man noch einmal betonen muss, ganz besonders eingehen, und das ist Gewalt gegen Frauen. Die Täter sind überwiegend Männer, daher müssen wir Männer, finde ich, auch darüber sprechen und uns dazu äußern. Da muss mehr passieren! Wir sind für eine Reorganisation dieses Bereiches, es muss mehr investiert werden.

Das kann nicht nur von Frauen ausgehen, das betrifft nicht nur Frauen. Ich habe hier vom Podium aus mehrere Aufrufe an Frauen gehört: Wendet euch an die Hilfsstellen, ruft an, sucht Unterstützung! – Das muss man auch den Männern sagen, das muss man den Tätern sagen: Ihr seid Täter, ihr müsst euch selbst darum kümmern, etwas dagegen zu tun!, und das muss man den Freunden dieser Männer sagen: Wenn ihr mitbekommt, dass in Beziehungen Gewalt ausgeübt wird, dass eure Freunde gewalttätig sind, dann unternehmt etwas, schaut nicht weg und schweigt nicht! (Beifall bei Grünen, ÖVP, SPÖ und NEOS.) – Ich finde, es ist unsere Aufgabe, das hier in dieser Deutlichkeit zu sagen.

Österreich ist ein wunderschönes Land, wir loben es die ganze Zeit. – 20 Prozent der über 15 Jahre alten Frauen wurden in Österreich Opfer von Gewalt. Wenn ihr durch dieses Land fahrt und diese wunderschönen Dörfer anschaut, sollt ihr wissen: Hinter jeder fünften Fassade lebt eine Frau, die geschlagen wurde. Das sollte man vielleicht in dieser Deutlichkeit viel öfter bekannt machen und in diese Welt hinausbrüllen.

Vielleicht noch einen letzten Punkt dazu: Die Istanbulkonvention ist jetzt de facto im zehnten Jahr. Österreich ist beigetreten, wurde überprüft, der Europarat hat sich das angesehen. Österreich wurde überprüft, und wir werden im nächsten Jahr Maßnahmen vorschlagen müssen, werden Maßnahmen vorschlagen, werden ins Tun kommen und uns den Tätern ganz besonders widmen. Das muss eine Kernaufgabe dieser Koalition sein, das muss eine Kernaufgabe dieser Politik sein.

Ein allerletzter Satz als Europasprecher: Während wir hier stehen, wird in Brüssel über das europäische Budget gesprochen. Viktor Orbán droht mit einem Veto. Warum droht er mit einem Veto? – Weil die Wahrung der Rechtsstaatlichkeit von ihm eingefordert wird, weil die Art und Weise, wie gleichgeschlechtliche Paare, gleichgeschlechtlich liebende Menschen in Ungarn behandelt werden, gegen die Rechte verstößt. Es geht um eine Rechtsstaatlichkeitsfrage, und wir können nicht akzeptieren, dass Viktor Orbán da blockiert und man nachgibt. – Das ist keine Frauenpolitik, sondern Gleichstellungs­politik, aber dieser Tagesordnungspunkt jetzt umfasst auch dieses Thema. (Beifall bei Grünen, ÖVP und NEOS sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

10.15


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Fürst. – Bitte.


10.15.49

Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Das vorgelegte Budgetkapitel Frauen enthält als Wirkungsziel die Erreichung eines friedlichen, sicheren und chancengleichen Zusam­menlebens der Bevölkerung in Österreich, die Erreichung einer umfassenden Gleich­stellung, natürlich auch ökonomischen Gleichstellung, und die Eindämmung von Ge­walt. – Das sind Dinge und Anliegen, denen wir uns alle anschließen können, die wir uns alle wünschen.

Wer jetzt aber erwartet, dass in den Ausführungen, in den Budgetunterlagen oder auch in der Diskussion, die ich jetzt hier verfolgt habe, echte Lösungsansätze zur Erreichung dieses Ziels geboten werden, der täuscht sich gründlich. Mit ein paar Beratungsstellen


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hier und dort, mit Infooffensiven, mit Projekten und Infofoldern werden wir nicht weit kommen, damit wird man die wahren Probleme nicht angehen und lösen können. Und ich fürchte, auch das Genderbudgeting – ich weiß nicht, Frau Heinisch-Hosek – wird uns da nicht wirklich weiterbringen.

Ja, wir alle wollen in einem friedlichen und sicheren Österreich leben. Dazu brauchen wir vor allen Dingen und über allen Dingen eine effiziente und effektive Sicherheitspolitik, denn eine gute Sicherheitspolitik ist eine gute Frauenpolitik. Die Grundvoraussetzung dafür, dass wir uns familiär und beruflich weiterentwickeln können – das schaffen wir dann schon selbst –, ist, dass wir uns einmal frei und sicher auf der Straße bewegen können. Da muss man sich schon ein bisschen in der EU umschauen: Wenn sich schon in Schweden, dem Vorreiterland für Gleichberechtigung und Gleichstellung, ein wirklich erheblicher Teil der Frauen davor fürchtet, auf die Straße zu gehen, die Wohnung zu verlassen – vor allen Dingen in den Städten –, Angst vor Übergriffen hat, dann muss uns das nachdenklich machen. Es ist auch in den deutschen Großstädten nicht anders, und die Tendenz geht leider auch bei uns in Österreich in diese Richtung. Wir haben überall einen Anstieg von Kriminalität gegen Frauen zu verzeichnen, einen Anstieg bei Verge­waltigungen, Übergriffen, Respektlosigkeiten (Beifall bei der FPÖ) – leider, ein trauriger Umstand –, und nicht zuletzt hat uns in Wien jetzt auch der Terror erreicht.

Ich spreche dabei von der echten, wahren Gewalt! Bisher haben alle hier das Projekt „Hass im Netz“ angesprochen – dabei geht es um verbale Gewalt, die es auch tatsäch­lich gibt und auf die sich die Bundesregierung jetzt ausschließlich konzentriert; die Staatsanwälte sollen da massiert werden, um verbale Entgleisungen zu löschen –, ich spreche aber bitte von der wahren, von der echten Gewalt, von den echten Übergriffen, die die Frauen in einem trostlosen Leben zurücklassen. Ich denke schon, dass es immer noch wichtiger wäre, sich der Gewalt auf der Straße vehement entgegenzustellen. (Beifall bei der FPÖ.)

Wer sich weigert, die wahren Ursachen für diese Gewalt auf der Straße auch wirklich anzusprechen, der wird auch nicht weiterkommen. Wir haben diesen Anstieg in allen Ländern, die ich genannt habe, und auch hier in Österreich zu einem herausragenden Teil der illegalen Einwanderung und der zunehmenden Etablierung einer patriarcha­lischen Gesellschaft, für deren Integration Sie (in Richtung Bundesministerin Raab) zuständig sind, zu verdanken. Auch dabei wird es mit Infooffensiven und -foldern, glaube ich, nicht getan sein, auch nicht mit Moscheeschließungen, die gar nicht stattfinden.

Man muss schon wirklich etwas anderes verlangen und anders auftreten: zum Beispiel wie der französische Premierminister Emmanuel Macron – ein bisschen aufgewacht auch durch die Terrorangriffe in Frankreich –, der festgestellt hat, man müsse Terroris­mus und illegale Einwanderung zusammen denken, sonst könne man die Probleme nicht angehen und nicht lösen.

Genauso muss man Frauenpolitik, Sicherheitspolitik und illegale Einwanderung zusam­men denken. Alles andere ist leeres Gerede, das sind nur Worthülsen, die nichts bewirken werden. (Beifall bei der FPÖ.)

Entsprechend gab es jetzt eine Erklärung der EU-Innenminister vom 13. November 2020, also ganz aktuell, in der genau diese Bezugnahme, die Macron verlangt hat, diese Verbindung zwischen überbordender Migration und Terrorismus, natürlich wieder fallen gelassen wurde, und genauso auch alle Forderungen integrationspolitischer Natur an die Migranten. Das heißt: Mit einem friedlichen, sicheren Österreich, das da im Wir­kungsziel vorgesehen ist, wird es, wie ich befürchte, nichts werden beziehungsweise sieht es schlecht aus. Ich hoffe da auf eine Kurskorrektur.

Widmen wir uns noch der Chancengleichheit und der Gleichberechtigung, die für uns alle ein großes Ziel sind. Auch in diesem Zusammenhang gibt es ein Strategiepapier der


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EU, welches auch der Bundesregierung als Vorbild dient: „Everyone should feel free to be who they are – without fear [...]. This is what Europe is about [...].“ – Ja, natürlich: In einer freien, freiheitlichen, demokratischen Gesellschaft, wie wir sie die letzten Jahr­zehnte genossen haben, ist das selbstverständlich, da hat niemand etwas dagegen. Wir sollen alle nach unserer Fasson leben, uns weiterentwickeln sowie unsere Leistungen erbringen können und tolerant sein.

Bei dem, was hier unter diesem Titel gemacht wird und sich auch in diesem Strategie­papier versteckt, ist jedoch die Geschlechtergerechtigkeit nur ein Vorwand. Es geht um ideologische Umerziehung, und dieser stellen wir uns entgegen! Schauen wir uns nur ganz kurz die wesentlichen Punkte an: Wenn es um die Auflösung der biologischen Geschlechter geht, kann ich nur sagen: Was soll das? Sie können sich bei der Natur oder der göttlichen Schöpfung darüber beschweren, dass es Frauen und Männer gibt, aber bitte nicht hier, nicht in Wien und auch nicht in Brüssel. Es gibt Frauen und Männer, wir haben ein biologisches Geschlecht. Ich bestehe darauf: Ich bin biologisch eine Frau, und ich halte das Frausein nicht sozusagen für eine schlechte soziale Angewohnheit. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich möchte auch als Frau behandelt werden. Dieser Ansatz, dass das Geschlecht sozu­sagen nur ein soziales Konstrukt ist, vernichtet alle Errungenschaften der Emanzipation der Frau. (Abg. Heinisch-Hosek: Das ist peinlich!) – Peinlich ist, wie Sie jetzt feststellen, die Gendersprache! (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.) Ich spreche das Projekt nur an, weil es Tausende Seiten füllt, weil Brüssel damit beschäftigt ist und Wien damit beschäftigt ist. Dafür werden Stellen und Professorenstühle finanziert, und dann kommen merkwürdige Sachen heraus wie etwa – das ist alles nicht ausgedacht und nicht populistisch –, dass wir uns folgendermaßen äußern sollen: der Bund der SteuerzahlerInnen. – Das umfasst alle. Ich würde sagen: Da ist es gleich viel leichter, die Steuern zu zahlen!

Die deutsche Bundeswehr beschäftigt sich mit dem Ausdruck der weiblichen Dienst­grade, damit das mehr zur Geltung kommt. Es wird diskutiert, ob es Oberstleutnantin, Feldwebelin oder Brigadegeneralin heißen soll. – Na, da wird die Bundeswehr sicher gleich viel wehrhafter werden! Übrigens scheitert die Einführung dieser weiblichen Dienstgrade an den Soldatinnen, weil sie das nicht wollen. Ihnen geht es nämlich um die echte Gleichberechtigung, darum, dass sie diese Funktionen erlangen können. (Zwi­schenrufe bei der SPÖ.) Es geht um den Inhalt, es geht um die Funktion, aber nicht um die Bezeichnung, nicht um die ewig angesprochene Herkunft und das Geschlecht. Sie wollen das einfach sein können – darum geht es. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir hier sagen Gott sei Dank alle noch: Sehr geehrte Damen und Herren! – In vielen deutschen Städten ist das verpönt und gilt als ganz, ganz schlecht. Die Bezeichnung der Zukunft ist: Sehr geehrte Menschen! – Auch in der Verwaltungssprache wird das ausge­führt: Es geht nicht mehr, zu sagen: Herr Schulz, was haben Sie für Anliegen?, oder: Frau Schulz, was möchten Sie bitte von mir? – Ganz falsch! Es sollen nur mehr die Vor- und Nachnamen verwendet werden. In Zukunft soll es dann, um das Geschlecht nicht zum Ausdruck zu bringen, weil das diskriminierend ist, offensichtlich heißen: Sie, Schulz, was woll’n S’? (Heiterkeit der Abgeordneten Belakowitsch, Brandstötter und Scherak.)

Wie gesagt: All diese Ansätze finden sich tatsächlich. Ich weiß nicht, ob wir in Österreich etwas davon haben, wenn im Zusammenhang mit dem 2.11., diesem schrecklichen Tag, auch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen von Terroristinnen und Terroristen gesprochen wird. Ich weiß nicht, ob wir darauf stolz sein können. Die Gendersprache hilft niemandem und versteckt nur die wahren Probleme. Es ist sehr bezeichnend, dass im Frauenbudget die Rolle der Frau als Mutter der Kinder überhaupt nicht vorkommt und nicht relevant ist. Das gehört offensichtlich zur neuen Vielfalt nicht dazu. Mit dieser Floskelpolitik und auf diesem Irrweg wird es nichts mit diesem Wirkungsziel werden, dem wir uns eigentlich


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alle anschließen könnten, nämlich dem friedlichen, sicheren und chancengleichen Zu­sammenleben. Wir werden aber weiter dafür kämpfen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

10.25


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist dazu niemand mehr. Die Beratungen zu diesem Bereich sind somit beendet.

10.25.21UG 20: Arbeit

UG 25: Familie und Jugend


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zu den Untergliederungen Arbeit sowie Familie und Jugend. Hierüber finden die Debatten unter einem statt.

Ich bedanke mich bei Frau Bundesministerin Raab und begrüße Frau Bundesministerin Aschbacher.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Muchitsch. – Bitte, Herr Abgeordneter.


10.25.44

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Ich darf zum Thema Arbeitsmarkt sprechen. Ich glaube, wir alle hier in diesem Saal sind uns darüber einig, was ein Budget in der Krise können muss. Es muss Arbeitsplätze und Unternehmen sichern, es muss vor allem kleine Einkommen sichern, es muss mit öffentlichen Investitionen den Einbruch bei privaten Investitionen ausgleichen. Dieses Budget muss unser Gesundheitssystem absichern, den Ausbau und die Aufrecht­erhaltung der Kinderbetreuung ermöglichen und letztendlich, wie gesagt, auch Arbeits­plätze sichern. – In all diesen Punkten, die für ein funktionierendes Budget in der Krise so wichtig sind, hat die Bundesregierung versagt. Sie hat deshalb versagt, weil sie Dinge gemacht hat, mit denen nicht die Ziele erreicht werden, die sie bei Pressekonferenzen angekündigt hat.

Ich möchte nur einige Punkte herausgreifen: Ihre Förderungen mit der Gießkanne ver­schlingen sehr viel Geld. Diese Förderungen kommen aber nicht dort an, wo sie ankom­men sollen. Ein Beispiel dafür ist die Lehrlingsförderung: Sie fördern Unternehmen mit Rekordumsätzen, mit Gewinnen, die Millionen an Dividenden und Boni auszahlen. Diese Betriebe, die dieses Geld gar nicht brauchen, fördern Sie mit einer Lehrlingsförderung! Sie fördern damit nicht jene jungen Menschen, die einen Lehrplatz brauchen. Die Statistik ist sehr erleuchtend. Zum Vergleich: Mit September haben um 8,9 Prozent weniger junge Menschen eine Lehre begonnen als im Vorjahr. Diese Förderung ist nicht dort angekommen, wo sie ankommen sollte. (Beifall bei der SPÖ.)

Zweite Anregung: Wenn es das Ziel ist, mehr Beschäftigung zu schaffen, dann braucht es aber konkrete Ausbildungs- und Beschäftigungsprogramme. Arbeit suchende Men­schen brauchen zugeschnittene Ausbildungen, die damit verbunden sind, dass sie nach dieser Ausbildung eine realistische Jobchance haben, und am besten gelingt das über Stiftungen. Jene Arbeitsuchenden, die sich über eine Stiftung umschulen und weiter­bil­den lassen, sind in dieser Ausbildung schon in den meisten Fällen mit ihrem nächsten Arbeitgeber in Verbindung. Das hat in der Vergangenheit Sinn gemacht, und das macht auch jetzt Sinn, vor allem in Anbetracht der größten Rekordarbeitslosigkeit in der Zweiten Republik. (Beifall bei der SPÖ.)

Dritte Anregung: Betreffend Arbeitslose der Gruppe 50 plus braucht es Förderanreize für Unternehmen und für Gemeinden. Wir müssen jetzt hier im Hohen Haus nicht immer die Aktion 20 000 diskutieren, aber genau solche Modelle braucht es: Beschäftigungsprogramme, mit welchen entsprechende Jobs für Menschen der Gruppe 50 plus geschaffen werden.


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Der vierte Punkt betrifft ältere Langzeitarbeitslose: Wir haben leider Rekordzahlen bei den älteren Langzeitarbeitslosen, denen nur mehr wenige Monate und Jahre zur Pension fehlen. Wir müssen versuchen, genau diese Menschen vom Bewerbungsstress und vom Ausbildungsstress wegzubringen. Hier sollte man alternativ ein Überbrückungsmodell, wie vom Präsidenten des ÖGB Wolfgang Katzian vorgeschlagen, in Betracht ziehen, mit dem von der Langzeitarbeitslosigkeit in die Pension eine Brücke gebaut wird. Damit sparen wir Ressourcen beim AMS und die betroffenen Menschen haben auch eine Brücke in ihre Pension. (Beifall bei der SPÖ.)

Der letzte Punkt, den ich anregen möchte: Auch bei der Gewährung von staatlichen Unterstützungen und Prämien für Betriebe muss auf den Erhalt der Arbeitsplätze bestanden werden. Diesbezüglich haben wir als SPÖ eine klare Position bezogen: Wer Steuergelder erhält, muss aber auch Arbeitsplätze in Österreich erhalten.

Abschließend: Wir haben Möglichkeiten, diese Förderungen und Prämien, die jetzt in Milliardenhöhe ausgeschüttet werden, EU-rechtlich so zu gestalten, dass diese För­derungen an Vergaben an österreichische Firmen gebunden sind, an Vergaben an Firmen, bei denen österreichische Produkte gekauft werden. Dazu gibt es Modelle, die funktionieren, und auch diese Modelle sollten wir bitte bei all diesen Förderungen und Investitionen, die wir hier tätigen, nutzen.

Abschließend noch eine Anmerkung zu einem anderen Punkt, gerichtet an die beiden Klubverantwortlichen von ÖVP und Grünen: Sie haben am Dienstag um 9.30 Uhr eine Pressekonferenz zur Abschaffung der Hacklerregelung, der abschlagsfreien Langzeit­ver­sichertenregelung, abgehalten. Sie haben bei dieser Pressekonferenz um 9.30 Uhr öffentlich verlautbart: Die Oppositionsparteien bekommen dazu hier rechtzeitig einen Antrag. – Bis heute ist keiner eingelangt. Das ist unfair, das ist undemokratisch! (Abg. Belakowitsch: Das ist jetzt keine Überraschung! Das ist immer so!) Wenn Sie diese Fairness haben und das, was Sie vor laufender Kamera sagen, einhalten wollen, dann übermitteln Sie uns bitte umgehend diesen Antrag! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

10.30


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Zopf. – Bitte.


10.31.11

Abgeordnete Bettina Zopf (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Ministerin! Liebe Kolle­ginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher vor den Fernsehbild­schir­men! Da viele Menschen in Österreich arbeiten gehen und Steuern zahlen, ist Österreich ein ausgezeichneter Sozialstaat. Das hat Kollege Muchitsch gerade erwähnt. Eines aber kann ich nicht vertreten: Dass der Staat Österreich nur gemolken wird. Die SPÖ verwechselt etwas bei der Verteilungsgerechtigkeit. Ihr teilt nicht das eigene Geld – so wie der heilige Martin seinen Mantel –, nein, es geht um das Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Es kann nicht das Ziel sein, die soziale Hängematte noch weicher zu gestalten, als sie jetzt schon ist. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Die zahlreichen Anträge auf Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf 70 Prozent sind nicht nur der Tod für die Kurzarbeit, sondern einfach nur überzogen. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abgeord­nete der SPÖ halten Tafeln mit den Aufschriften „Mein Recht auf ein gesundes Leben“ und „Happy Birthday, Kinderrechte“ in die Höhe.)

Ich frage mich: Wo ist da die soziale Gerechtigkeit? Ein prozentueller Anstieg des Arbeitslosengeldes stärkt die hohen Einkommen auch in der Arbeitslosigkeit wesentlich mehr als die niedrigen. Der Pauschalbetrag von 450 Euro stärkt jeden im selben Aus­maß. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Die arbeitslose Friseurin kriegt genauso viel wie der arbeitslose Vorarbeiter. Das ist wiederum, liebe SPÖ, ein Beitrag zur Schließung der


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Einkommensschere. Gerade in schwierigen Zeiten und vor allem im Bereich der Niedrig­verdiener greift diese Maßnahme so richtig. (Beifall bei der ÖVP.) Warum die Opposition das kritisiert, ist mir einfach unverständlich. (Abg. Belakowitsch: Na gut, Sie verstehen es halt nicht!) Wir helfen, wo wir helfen können, aber bitte bleiben Sie am Boden der Realität! (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Jeder und jede Arbeitslose ist einer oder eine zu viel. Daher stellt die Regierung – horcht gut zu, liebe SPÖ! – 1,5 Milliarden Euro für die Kurzarbeit (Zwischenruf des Abg. Schroll), 700 Millionen Euro für die Arbeitsstiftung, die zur Umschulung von Arbeitsuchenden dient, 57 Millionen Euro für Ausbildungspflichtige bis 18, 105 Millionen Euro für die Wie­dereingliederung von Langzeitarbeitslosen zur Verfügung. Es muss immer darum gehen, möglichst viele Menschen in Beschäftigung zu halten und Arbeitslose wieder in ein Arbeitsverhältnis zu bringen.

Ich möchte heute das Budget 2021 in der Coronakrise mit einer unbekannten Bergtour vergleichen. Es gibt Berge, über die man drüber muss, sonst geht der Weg nicht weiter. Dazu muss man wissen – wer einen Berg besteigt, muss sich dessen bewusst sein –, dass der Gipfel nicht das Ende ist. Die Kunst bei der Bergtour Coronakrise ist es, mit seinen Kräften hauszuhalten. Die Bundesregierung hat sich auf diesen Coronaberg mit einem stets gut bewirtschafteten Staatsbudget vorbereitet. Wir haben eine gute Kon­dition, daher können wir uns es jetzt leisten, auf die Ressourcen zurückzugreifen und mit unseren Modellen den Menschen Halt und Sicherheit bei den schwierigen Passagen zu geben. Das Wichtigste bei einer unbekannten Bergtour ist immer der Glaube, dass wir es gemeinsam schaffen.

Eines möchte ich abschließend noch sagen: Jeder Einzelne in diesem Land hat nun auch die Möglichkeit, einen Beitrag zur Bewältigung der Krise zu leisten, vor allem jetzt in der Vorweihnachtszeit. Unterstützen wir den österreichischen Handel (Abg. Belakowitsch: ...! Der ist ja zu!), die österreichische Gastronomie und die österreichischen Betriebe (Abg. Belakowitsch: Wenn die Geschäfte zugesperrt sind ...?! Da müssen Sie jetzt selber lachen, bitte! – weitere Zwischenrufe bei der FPÖ sowie Zwischenrufe bei SPÖ und NEOS), denn nur so sichern wir unzählige Arbeitsplätze in den Betrieben, nur so kann unsere Wirtschaft in Schwung kommen (neuerliche Zwischenrufe bei FPÖ und SPÖ – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen) – ein Konjunkturpaket namens Eigenverantwortung aller Österreicherinnen und Österreicher! (Beifall bei der ÖVP.)

10.35


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Belakowitsch. – Bitte.


10.35.26

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Herr Präsident! Frau Minister! Werte Kollegin Zopf, ich glaube, Sie haben zu viele Bergtouren gemacht, sonst hätten Sie nämlich mitbekommen, dass die Geschäfte und der Handel gesperrt sind. (Beifall bei Abgeordneten von FPÖ und SPÖ.)

Es geht auch nicht um Bergtouren, es geht hier um den österreichischen Arbeitsmarkt, und der österreichische Arbeitsmarkt ist von dieser Bundesregierung mutwillig kaputt gemacht worden, meine Damen und Herren.

Interessant war jetzt schon auch, aus dem Mund einer ÖVPlerin, die sich hierherstellt, zu hören: Na, wenn man beim Arbeitslosengeld die Ersatzrate erhöht, dann würden ja auch die mehr kriegen, die vorher mehr verdient haben! – Ja, das ist so, aber das entspricht einem Leistungsgedanken. Ich weiß nicht, der ist bei euch offenbar verloren gegangen. Euch ist es nicht mehr wichtig, dass die Leute Leistung erbringen, euch ist es auch nicht mehr wichtig, dass ihr die Leute dazu anregt und dass ihr den Leuten Mut


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gebt, etwas zu leisten. Ihr wollt sie nur noch zu Almosenempfängern und Bittstellern degradieren. Das ist das, was ihr seit Monaten in diesem Land macht, und das ist der Grund, warum es in diesem Land so ausschaut! (Beifall bei der FPÖ.)

Wissen Sie, Frau Minister – jetzt komme ich zu Ihnen, denn es zahlt sich gar nicht aus, sich so lange mit Kollegin Zopf auseinanderzusetzen (Heiterkeit bei Abgeordneten der ÖVP) –, wir sind in einer ganz veritablen Krise. Wir haben fast eine halbe Million Arbeitslose, wir haben Hunderttausende in der Kurzarbeit, und die Situation wird ja nicht besser. Wir haben jetzt einen zweiten sogenannten harten Lockdown, und das Einzige, was von Ihnen kommt, ist ein freundliches Lächeln. Ich sage es Ihnen ehrlich, Frau Minister, man kann diese Krise nicht weglächeln, und wenn auf den Hinweis, dass es innerhalb einer Woche 7 000 zusätzliche Arbeitslose gibt, Ihre Antwort lautet: Na ja, 1 400 haben wir jetzt eh als Contacttracer untergebracht!, na Entschuldigung, was sollen sich denn da die Arbeitslosen in diesem Land denken?

Glauben Sie tatsächlich, dass sich das jetzt alles stabilisieren wird? Denken Sie doch bitte darüber nach, was im nächsten Jahr noch passieren wird! Die Arbeitslosenzahlen werden explodieren! Wenn wir heute in einem Jahr hier stehen, dann werden wir uns alle nur noch wundern, was in diesem Land abgeht. Wir haben die höchsten Arbeits­losenzahlen seit Beginn der Zweiten Republik, und das Einzige, was Ihnen einfällt, sind Almosen, die Sie an die Leute verteilen wollen. Das funktioniert nicht.

Dann stellt sich die Kollegin her und sagt, wir sollen im österreichischen Handel einkaufen. – Ja, das würden wir gerne, aber der Handel muss sperren! Sie machen einen zweiten Lockdown, Sie sperren den Leuten ihre Existenz! Sie machen die Menschen in diesem Land kaputt, und das alles, ohne dass Sie über Alternativen nachdenken, ohne dass Sie ihnen Ersatzmöglichkeiten geben. Sie wollen die Leute schlicht und einfach nur zu Bittstellern degradieren. (Beifall bei der FPÖ.)

Es sind im heurigen Jahr fast 10 Prozent weniger junge Menschen, die eine Lehre begonnen haben. Wissen Sie, was das heißt? – Seit Jahren kommt gerade aus dem Bereich der Unternehmer die Klage, es gibt zu wenig Facharbeiter. Anstatt dass Sie es fördern, dass wir weiterhin Lehrlinge ausbilden – das sind nämlich die Facharbeiter der Zukunft –, ist die einzige Antwort der Bundesregierung: Na, wer jetzt keine Lehrstelle findet, für den finden wir irgendwo schon noch einen Schulplatz, denn beim Home­schooling ist es eh egal! – Das ist doch der Zugang, den Sie haben. Ihnen sind doch die Bürger da draußen vollkommen egal! Sie denken doch nicht 1 Minute darüber nach, was das jetzt wieder für die österreichische Bevölkerung bedeutet und wie verzweifelt viele Menschen jetzt schon sind. Sie haben nicht nur weniger Einkommen, sie haben mehr Stress, sie haben Homeschooling.

Und was Sie noch gemacht haben, Frau Minister: Letzte Woche im Sozialausschuss haben Sie sich hingestellt und haben ganz groß verkündet: Wenn jetzt wieder die Schulen gesperrt werden, dann gibt es den Rechtsanspruch auf Sonderbetreu­ungs­zeiten für alle! – Was haben Sie gemacht? – Sie sperren auf der einen Seite die Schulen, sagen aber gleichzeitig, die Schulen sind eh offen. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Es gibt keinen Unterricht in den Schulen, meine Damen und Herren (Abg. Salzmann schüttelt den Kopf) – da können Sie den Kopf schütteln, so viel Sie wollen. Sie machen den Leuten das Leben zur Hölle. Sie wollen, dass die Kinder zu Hause bleiben. (Abg. Salzmann schüttelt neuerlich den Kopf.) – Na dann sperren Sie die Schulen auf und machen Sie Unterricht! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Abg. Salzmann.)

Und hören Sie mit diesen Taschentricks auf! Das ist doch ein Wahnsinn, was Sie hier machen! Sie machen den Kindern die Zukunft kaputt (Abg. Salzmann schüttelt den Kopf), Sie nehmen unseren Kindern die Bildung!


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Wissen Sie eigentlich, was das bedeutet? – Das ganze letzte Semester sind die Jugend­lichen daheim gesessen. Jetzt sitzen sie seit den Herbstferien wieder daheim. Es gibt keinen definitiven Unterricht. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Salzmann.)

Diese jungen Leute sollen in wenigen Monaten oder in einigen Jahren vielleicht eine Matura abschließen, sie sollen in den Beruf einsteigen – Sie nehmen ihnen jegliche Chancen. Sie nehmen ihnen Monate der Bildung, Sie nehmen ihnen Lebensjahre, meine Damen und Herren von der ÖVP! Und da gehen Sie drüber wie nichts, das ist Ihnen vollkommen egal, meine Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)

Und jetzt noch ein Wort zu Ihrer Arbeitsstiftung: 700 Millionen Euro für die Arbeitsstiftung aufgeteilt auf zwei Jahre – ja, das sind 350 Millionen Euro für Umschulungen, aber, wissen Sie, bei so vielen Arbeitslosen ist das ein Tropfen auf den heißen Stein, und noch habe ich nicht einen erlebt, der damit großartig glücklich und zufrieden war.

Wir haben zahlreiche E-Mails von Leuten bekommen, die sich in den Bereich der Pflege umschulen lassen wollten – ein wichtiger Beruf, der ja auch immer wichtiger werden wird, auch ein Beruf mit Zukunft, durchaus etwas Positives. Und was schreiben uns diese Leute? – Sie schreiben uns, sie fallen aus allen Systemen raus, sie sind teilweise nicht einmal mehr sozialversichert.

Wir konfrontieren Sie damit im Sozialausschuss, und was war Ihre Reaktion? – Nichts. Schweigen. Sie haben nicht reagiert. Es interessiert Sie eigentlich gar nicht – und das ist das Problem. Sie nehmen den Leuten ja auch den Mut, sich umschulen zu lassen, weil Sie sie auf der Strecke lassen. Viele wissen eigentlich nicht mehr, wie sie sich dann das tägliche Leben werden leisten können, weil sie rausfallen, weil Ihre Bestimmungen so komisch gemacht sind, dass jemand, der sich auf einer FH zum Pfleger ausbilden lässt, überhaupt aus allen Systemen rausfällt, wenn sich jemand hingegen in einer Krankenpflegeschule umschulen lässt, dann kriegt er etwas.

Sagen Sie das den Leuten vorher oder reparieren Sie das endlich! Sie wissen es jetzt seit Wochen. Wir haben es Ihnen in den Ausschüssen schon mehrmals gesagt, aber bis heute ist dieses Problem aufrecht.

Frau Minister, so kann man keine Arbeitsmarktpolitik machen. Was Sie hier machen, ist der Todesstoß für den Arbeitsmarkt. Sie sind wirklich der Todesengel des Arbeits­marktes. (Beifall bei der FPÖ.)

10.41


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Abgeordnete Salzmann zu Wort gemeldet.

Ich darf noch einmal darauf hinweisen und darum bitten, die Masken einzustecken und nicht auf dem Pult liegen zu lassen. – Danke schön.


10.42.01

Abgeordnete MMMag. Gertraud Salzmann (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Liebe Frau Belakowitsch, für mich ist es völlig unver­ständlich, was Sie da vorn von sich geben, was die Schulen anlangt. Es ist keine einzige Schule in Österreich geschlossen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grü­nen. – Abg. Belakowitsch: Aber kein Unterricht! Das ist ja genau das, was ich gesagt habe! Das ist ja der miese Trick!) – Hören Sie mir zu! Es ist keine einzige Schule in Österreich geschlossen. (Abg. Kassegger: Kein Schulunterricht! – Abg. Belakowitsch: Aber es ist kein Schulunterricht! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Hört mir zu, ich erkläre es euch! Wenn ihr es nicht wisst, dann hört mir zu! (Abg. Belakowitsch: Das brauchen Sie mir nicht erklären! Glauben Sie eigentlich, alle Leute ...? – Abg. Stefan: Haben Sie keine Kinder, oder was? – Abg. Kassegger: Es gibt keine Schule, die


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Unterricht hat! – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.) Es gibt derzeit keine Schulschließungen. (Abg. Kassegger: Ich weiß nicht, wie Sie das ...!)

Es ist die Oberstufe seit einigen Wochen im Distancelearning, es sind derzeit, im Lock­down, die Unterstufe, die Sekundarstufe I und die Volksschule auch im Distancelearning, aber diese Schulen sind offen. Lassen Sie das nicht ständig unter den Tisch fallen, das ist völlig ungerecht gegenüber den Lehrerinnen und Lehrern und den Direktorinnen und Direktoren, und auch gegenüber den Schülern! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Stefan: Die wollen das ja gar nicht! Die wollen das ja nicht! – Abg. Rauch: Die Lehrer wollen das gar nicht und die Direktoren! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Diese Schulen sind offen (Abg. Belakowitsch: Aber es gibt keinen Unterricht!) und es kann jede Schülerin und jeder Schüler in die Schule kommen, wenn daheim keine Betreuung zur Verfügung steht, wenn das Kind Lernunterstützung braucht (Abg. Belakowitsch: Das ist ja nicht wahr!), wenn das Kind keine IT-Geräte hat. Dass Ihnen das nicht schmeckt, das verstehe ich ja. (Abg. Rauch: Reden Sie nicht so einen Blödsinn! Das ist ein Blödsinn, was Sie von sich geben!)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Abgeordnete, das ist keine tatsächliche Berichtigung. Sie müssen zuerst den Umstand erklären, der falsch war, und es dann rich­tig sagen. – Bitte. (Rufe bei der FPÖ: Keine tatsächliche Berichtigung! – Abg. Belakowitsch: Zeit vorbei! – Zwischenruf des Abg. Loacker.)


Abgeordnete MMMag. Gertraud Salzmann (fortsetzend): Zur Sonderbetreuungszeit – das ist der zweite Punkt (Abg. Stefan: Sie erklären uns das jetzt!) –: Die Sonderbetreu­ungszeit gilt nach wie vor, der Rechtsanspruch besteht nach wie vor für die Fälle, die das Gesetz vorsieht – und Sie kennen das Gesetz, lesen Sie es halt nach! (Abg. Rauch: Sie ruinieren die Chancen unserer Kinder! – Abg. Loacker:  ... endlich einmal die Ge­schäftsordnung! – Abg. Rauch: ... die Geschäftsordnung, Herr Präsident! Sie sind ja unfähig, den Vorsitz zu führen!) Die Sonderbetreuungszeit gilt für die Fälle, in denen aufgrund des Gesetzes eine Schließung durch die Gesundheitsbehörde erklärt worden ist. (Abg. Bernhard – in Richtung Präsident Sobotka –: Ja hallo!) Im Distancelearning sind die Schulen offen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Belakowitsch: Offen schon, aber kein Unterricht! – Abg. Kassegger: Im Distancelearning sind die Schulen offen! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

10.44


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Koza. – Bitte.


10.44.25

Abgeordneter Mag. Markus Koza (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte ZuseherInnen! 2021 ist, was das Arbeitsmarktbudget betrifft, ein Rekordjahr. Ich kann mich nicht erinnern, dass jemals mehr Geld für Beschäftigung, für den Kampf gegen Arbeitslosigkeit und für die Sicherung von Einkommen ausgegeben wurde.

Das ist ein Rekord, der allerdings kein Grund zum Jubeln ist, weil das in Wirklichkeit nur aufzeigt, dass wir in einer schweren Arbeitsmarktkrise stecken und die Herausforde­rungen an die Politik für die nächsten Jahre enorm sind, um die Folgen der Covid-Krise auf die Beschäftigung, auf die Einkommen, auf den Arbeitsmarkt auch entsprechend zu bewältigen.

Die aktuellen Zahlen sind soweit bekannt: Am 16. November waren über 440 000 Men­schen arbeitslos gemeldet oder in Schulungen, knapp 170 000 Menschen waren in Teilzeit, und die Tendenz ist steigend. So erfreulich es ist, dass im Rahmen des zweiten Lock­downs die Unternehmensunterstützungen an den Erhalt der Beschäftigung gebun­den wurden – also ohne dass der Beschäftigtenstand gleich bleibt, gibt es keine Förderungen,


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Unterstützungen, Hilfen –, ist trotzdem zu befürchten, dass die Arbeitslosigkeit auch in den nächsten Wochen und Monaten noch steigen wird.

Es ist daher auch klar, wohin das Arbeitsmarktbudget gehen muss. Einerseits, und das passiert auch, werden weitere Mittel für die Kurzarbeit bereitgestellt, 1,5 Milliarden Euro, auch 2021, und die Bildungsmaßnahmen im Rahmen der Joboffensive, der sogenannten Coronaarbeitsstiftung werden einmal mit 461 Millionen Euro budgetiert, inklusive des Bildungsbonus von 33,6 Millionen Euro.

Weiters fließen 25 Millionen Euro für mehr AMS-Personal, und das ist auch eine ganz wesentliche Maßnahme, weil natürlich gerade die Bewältigung des Anstiegs der Zahl der Arbeitslosen auch eine Ausweitung des Förderungs- und Beratungsangebots not­wendig macht und die Beschäftigten im AMS entlastet werden müssen.

Was natürlich auch entsprechend ins Gewicht fällt, ist die Dotierung für Arbeitslosengeld und Notstandshilfe. Über 4 Milliarden Euro sind für 2021 vorgesehen, das sind um über 600 Millionen Euro mehr als noch im Budgetvoranschlag 2020. Wir werden 2021 alles tun müssen, und genau dafür soll diese Joboffensive auch verwendet werden: für Arbeitsstiftungen, für Ausbildungen, für Qualifizierung, aber auch für Maßnahmen für Menschen in langer Arbeitslosigkeit, in sozialökonomischen Projekten, in Projekten, die arbeitsmarktnahe sind und wieder zum Arbeitsmarkt hinführen sollen. Genau jetzt müssen wir alles tun, um Langzeitarbeitslosigkeit bestmöglich zu verhindern und einzu­dämmen, wobei wir in Wirklichkeit schon in einer Phase leben, in der Langzeitarbeits­losigkeit für viele Menschen bedauerlicherweise Realität ist, weil einfach die Coronakrise über weite Strecken keine zusätzliche Beschäftigung zugelassen hat, gerade für Menschen, die schon lange von Arbeitslosigkeit betroffen sind. (Beifall bei den Grünen.)

Die Joboffensive im Rahmen der Coronaschulungsmaßnahmen ist allerdings nur der eine Teil. Ausbilden, Qualifizieren, Weiterbilden funktioniert dann, wenn gleichzeitig ent­sprechende Investitionen getätigt werden, um auch die entsprechenden Jobs zu schaffen, und da gibt es glücklicherweise Hunderte Millionen Euro, die im Bereich des Klimaschutzes, der erneuerbaren Energie, des Ausbaus öffentlicher Verkehrsmittel aus­gegeben werden, massive Investitions- und Konjunkturinstrumente, die tatsächlich zu mehr Beschäftigung führen sollen und führen werden, wobei auch eines klar sein muss: All diese Maßnahmen werden erst dann wirken, wenn wir die schwere Gesundheitskrise tatsächlich überwunden haben.

Umso wichtiger ist es auch, dass man aktuell jene Menschen unterstützt, die von Arbeitslosigkeit und von massivem Einkommensverlust betroffen sind, und wir haben das im Jahr 2020 mit der Erhöhung des Arbeitslosengeldes, mit der Anhebung der Höhe der Notstandshilfe auf jene des Arbeitslosengeldes, mit dem Familienbonus, der ein­malig ausgezahlt worden ist, auch mit der Senkung des Einkommensteuersatzes im untersten Bereich getan. All diese Maßnahmen haben letztlich dazu beigetragen, dass glücklicherweise – das belegt zumindest eine Studie mit einer Ersteinschätzung des Wifo, des IHS, aber auch des Inequality Instituts der WU und anderer Forschungs­ein­richtungen in einer ersten Analyse – zumindest das Ansteigen der Armutsgefährdung und eine wachsende Ungleichverteilung bei den Einkommen verhindert werden konnte.

Das wird allerdings nicht reichen. Wir werden 2021 noch mehr tun müssen, auch noch weitere Maßnahmen setzen müssen, um Armut und Armutsgefährdung zu verhindern. Die 1 000 Euro Ausgleichszulagenrichtsatz, die kommen werden und die auch Aus­wir­kungen auf die höhere Mindestsicherung haben, sind da ein Schritt, ebenso der Früh­starterbonus, der mittelfristig die Einkommen von Menschen mit niedrigen und mittleren Pensionen, vor allem von Frauen, aber eben auch von vielen Männern, stärken wird.

Das vorliegende Arbeitsmarktbudget ist in dem Sinn ein wichtiger Beitrag, um Menschen Perspektiven zu geben. Es wird aber mit Sicherheit nicht der letzte Beitrag gewesen


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sein, es wird noch mehr dazu brauchen. Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Ab­geordneten der ÖVP.)

10.50


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Loacker. – Bitte.


10.50.13

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bun­desministerin! Zuerst einmal zu Kollegin Salzmann, die sich unter dem Vorwand einer tatsächlichen Berichtigung hier herausstellt und eine lupenreine Rede hält (Ruf bei der FPÖ: Das ist ein Wahnsinn!) und offensichtlich als ausgebildete Juristin nicht imstande ist, die Geschäftsordnung des Nationalrates zu lesen. Der Herr Präsident hat leider ein bisschen weggehört und nicht so genau wahrgenommen, dass da jemand die Geschäfts­ordnung für einen Redebeitrag ausgenützt hat. (Beifall bei NEOS, SPÖ und FPÖ.)

Nun zum Arbeitsmarktbudget: Die Covid-Krise beschleunigt Veränderungsprozesse, sie verändert den Arbeitsmarkt massiv und nachhaltig. Wenn wir ins Budget hineinschauen, dann sehen wir, dass 60 Prozent der Ausgaben des Gesamtbudgets für Arbeit und Soziales eigentlich in strukturerhaltende und nicht in strukturverändernde Maßnahmen fließen. Drei von vier zusätzlichen Euros im Arbeitsmarkt- und Sozialbudget in Summe gehen in die Pensionen – drei von vier Euros gehen in die Pensionen, also dorthin, wo wir eigentlich keine Krise haben – und in den Arbeitsmarkt – dorthin, wo wir die Krise haben – fließt nur ein Bruchteil! (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Aschbacher.) Und selbst aus dem Arbeitsmarktbudget geht dann wieder ein großer Brocken in die Pensionsversicherung, nämlich aus den Teilversicherungsbeiträgen. Wir schubsen also mehr Geld aus dem Arbeitsmarktbudget in die Pensionsversicherung als in die Kurz­arbeit fließt.

Geschätzte Damen und Herren vor den Fernsehgeräten, wenn Sie glauben, da wird viel Geld für den Arbeitsmarkt in die Hand genommen, dann muss ich Ihnen sagen, das ist nicht der Fall. Den Löwenanteil fressen immer die Pensionen auf. Um die Menschen, die sich auf dem Arbeitsmarkt befinden und die das Steuergeld erwirtschaften, mit dem wir diesen Staat erhalten, geht es immer erst in zweiter Linie. (Zwischenrufe der Abge­ordneten Lausch und Wurm.)

Die Arbeitslosenzahlen nähern sich der 500 000er-Marke, und das ist ja erst der matte Anfang. Der zweite Lockdown wird seine Folgen erst zeigen, die Stellenabbau­program­me werden weitergehen und der dritte Lockdown steht ante portas, so wie die Regierung vor sich hinstolpert und von Woche zu Woche überlegt, was sie vielleicht noch machen könnte. Das heißt, wir werden von heute weg in einem Jahr bei den Arbeitslosen näher an der Millionengrenze als an den 400 000 sein (Abg. Wurm: Leider!), und da müsste man sich fragen: Was kommt da? – Aber kein Hilfspaket kann das je ausgleichen, was Sie kaputt machen.

Das, was die Regierung macht, ist nämlich nicht die berühmte Politik von „The Hammer and the Dance“, denn dann hätte man im März einmal den Hammer ausgepackt und müsste sich jetzt vorsichtig durch die Krise balancieren. (Abg. Wurm: ... nur Hammer!) Sie machen: Hammer (mit geschlossenen Händen einen Hammerschlag darstellend) und auf (die geschlossen gehaltenen Hände nun weit öffnend), Hammer und auf (neuer­lich die beschriebenen Bewegungen darstellend) und im Februar dann noch einmal Hammer und noch einmal auf (ein weiteres Mal die beschriebenen Bewegungen darstel­lend) – das kann kein Unternehmen überleben! Bei Amazon und Zalando knallen wöchent­lich die Sektkorken – wöchentlich! –, und sie warten schon auf die nächste Presse­konferenz (Zwischenruf des Abg. Vogl); eigentlich könnten sie täglich Sekt saufen.


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Es gibt zwar jetzt eine Arbeitsstiftung mit 700 Millionen Euro, aber wir wissen nicht einmal genau, was mit dem Geld gemacht wird. Es wird daher auch kein Wirkungs­controlling geben können, da man nicht im Vorhinein gesagt hat, was man mit den 700 Millionen Euro erreichen will. Das ist eine nette Zahl, die im Budget steht, aber mehr ist es nicht.

Was Sie machen, ist strukturkonservierend. Es wird Geld für Kurzarbeit ausgegeben. Damit erhalten wir Stellen, die es schon gibt, aber eigentlich müsste das Ziel sein, jene Menschen, die in Kurzarbeit sind, wieder in echte Vollzeitstellen zu bringen. Da passiert nichts! 450 Euro Bonus kriegt jemand, der in der Arbeitslosigkeit bleibt. Eigentlich müssten wir diesen Bonus auch dann zahlen, wenn einer aus einer Kurzarbeitsstelle in eine nicht staatlich geförderte Vollzeitstelle wechselt und das Risiko eines Jobwechsels auf sich nimmt – den müsste man mit 450 Euro belohnen, denn der entlastet die Staats­kasse viel mehr als jener, den man mit viel Geld lange in der Kurzarbeit hält.

Kollege Koza hat den Neustartbonus gelobt: Der Neustartbonus ist eine Teilzeitför­derung, und er wird das verstärken, was wir bei den Frauen schon haben, nämlich die Teilzeitfalle. Diese Förderung für Teilzeitjobs ist genau das Falsche.

Wenn wir auf die Veränderung schauen, die wir erleben: Jeder arbeitet jetzt öfter von zu Hause aus, wenn nicht überhaupt ständig. Die Regeln für das Homeoffice, die Sie angekündigt haben, brauchen länger als die Impfstoffentwicklung. Für den März haben Sie uns neue Regeln zum Homeoffice angekündigt. Ich hoffe ja, dass wir dann in der Krise schon ein Stück weiter sind – aber in der Arbeitsmarktkrise werden wir nicht weiter sein. Sie haben einen Leitfaden zum Homeoffice online gestellt: Geschätzte Bürgerinnen und Bürger, wenn Sie sich diesen durchlesen, lernen Sie zum Beispiel, dass Sie ihr Homeoffice so einrichten sollen, dass Sie nicht über eine Leiter zum Arbeitsplatz gehen! – Also solch wertvolle Tipps stehen da drinnen, und dafür brauchen wir ein Arbeitsminis­terium; wenigstens brauchen wir nicht viel Budget für den Leitfaden.

Sie haben auch noch angekündigt, dass man die Sonderbetreuungszeit jetzt auch mit der Kurzarbeit kombinieren kann. Dass Sie damit dem Missbrauch Tür und Tor öffnen, fällt Ihnen gar nicht auf, nämlich dass man jetzt die Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken kann und in Sonderbetreuungszeit, weil man eigentlich null Arbeit für sie hat. Dazu macht man mit ihnen 50 Prozent Kurzarbeit aus und diese Kurzarbeit deckt man vier Wochen lang mit Sonderbetreuungszeit ab, die man frei vereinbaren kann. Solche Miss­brauchs­dinge fallen Ihnen gar nicht auf! Dafür wird das Steuergeld ausgegeben, aber nicht für die Transformation der Wirtschaft und für das Schaffen neuer Arbeitsplätze. (Beifall bei den NEOS.)

10.55


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Loacker, ich habe nicht weg­gehört! Sie können es auch im Protokoll nachlesen, dass ich sie darauf hingewiesen habe, dass es keine tatsächliche Berichtigung ist und sie das anders formulieren müsse.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Sieber. – Bitte.


10.56.16

Abgeordneter Norbert Sieber (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Hohes Haus! Neben der Arbeitsmarktpolitik diskutieren wir ja in diesem Kapitel auch die Familienpolitik, und natürlich ist die Familienpolitik ein sehr, sehr großes Thema. Es ist vielschichtig und es ist, wie wir schon oft gehört haben, auch die Familien­politik eine Querschnittsmaterie, es geht um Sozialpolitik, um Frauen und Männer, also um Gleichstellungspolitik, um Gesundheitspolitik, um Arbeitsmarktpolitik und auch um Bildungspolitik – die Reihe wäre durchaus weiterzuführen.


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Es lohnt sich aber schon, einen Blick auf die Zahlen zur UG 25 zu werfen: Wir haben hier Auszahlungen von 7,59 Milliarden Euro; das ist ein Anstieg von 191,3 Millionen Euro oder – in Prozent – ein Anstieg um 2,6 Prozent. Ich glaube, zu diesem Ergebnis kann man der Frau Ministerin für ihre Verhandlungen schon gratulieren. Ich weiß, dass die Opposition diese Dankesreden nicht sehr gerne hört, aber ich möchte euch sagen: Stimmt diesem guten Budget zu, dann bedanken wir uns auch bei euch! (Beifall bei der ÖVP. Abg. Wurm: ... beim Kurz bedanken ...! – Abg. Kucher: ... Danke sagen!)

Wie ist aber nun die Entwicklung dieser Auszahlungen in der Mittelfristbetrachtung? – Sich das anzuschauen ist auch einen Blick wert. Derzeit liegt der Anteil an den gesamten Auszahlungen des gesamten Haushaltes im Jahr 2021 bei 7,8 Prozent und dieser Wert wird bis zum Jahr 2024 auf 8,9 Prozent steigen. Meine Damen und Herren, das ist also eine sehr wesentliche Steigerung, die zeigt, dass diese Regierung für Familienpolitik, für die Familien in Österreich vieles tun will.

89 Prozent dieser 7,5 Milliarden Euro sind überwiegend Transfers. 4,7 Milliarden Euro gehen an private Haushalte, direkt an die Familien, weil es sich unter anderem um die Familienbeihilfe und das Kinderbetreuungsgeld handelt. 1,9 Milliarden Euro, meine Damen und Herren, gehen an öffentliche Körperschaften; es sind vor allem die Pen­sionsbeiträge für Kindererziehungszeiten und Krankenversicherungsbeiträge bezie­hungs­weise der Teilersatz für das Wochengeld. Dann gibt es auch noch den Sach­aufwand, aus dem heraus die Schulbuchaktion und die Schüler- und Lehrlingsfreifahrten finanziert werden.

Natürlich hat sich die Covid-19-Pandemie auch auf den Voranschlag 2021 ausgewirkt. Es werden für den notwendigen Familienhärteausgleich zusätzliche Mittel von 50 Mil­lionen Euro aus dem Flaf bereitgestellt. Auch im Jahr 2020 hat sich die Pandemie natürlich ganz wesentlich ausgewirkt, es waren Überschreitungen notwendig – 665 Mil­lionen Euro für die Einmalzahlung im September, das Geld, das an die Familien zusam­men mit der Familienbeihilfe ausbezahlt wurde, 117 Millionen Euro für den Familien­härteausgleich, 20 Millionen Euro für die Verlängerung beziehungsweise Inanspruch­nahme aus dem Familienbonus. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Da es aber auch eine Querschnittsmaterie ist und ich hier nicht nur herunterbeten will, was wir als politisch Verantwortliche dazu sagen, lohnt es sich, auch einmal zuzuhören, was Außenstehende, die in der Familienpolitik tätig sind, zu all dem, was da passiert ist, zu sagen haben. Ich möchte dazu den Katholischen Familienverband Österreichs zitieren, der am 9.4. gesagt hat:  „Familienverband begrüßt Öffnung des Familien­härte­ausgleichsfonds“; am 23.4.: „Familienverband begrüßt Erhöhung des Familienhärte­aus­gleichsfonds“; am 24.4.: „Katholischer Familienverband begrüßt Plan zur stufen­weisen Öffnung der Schulen“.  Am 4.6. begrüßt der Katholische Familienverband Österreichs die Richtlinien für Ferienbetreuung. – Das ließe sich noch weiterführen. Wenn man diese Rückmeldungen hört, können wir, glaube ich mit Fug und Recht behaupten, es ist vieles sehr richtig gemacht worden.

Wichtig in der Familienpolitik ist natürlich auch der Flaf. Da ist es wichtig, in den nächsten Jahren die Entwicklung genau im Auge zu behalten, denn durch die Pandemie wird es auch bei den Einzahlungen in den Flaf schwieriger. Ich bin froh, dass bei der Debatte dennoch klargestellt wurde, dass die Familienleistungen gesichert sind – das wurde ja auch vom Budgetdienst so bestätigt.

Ich möchte die Gelegenheit auch dazu nutzen, unserem parlamentarischen Budget­dienst mit Helmut Berger an der Spitze für die Budgetanalysen zu danken, die wir von ihm zur Verfügung gestellt bekommen. Das ist eine ausgezeichnete Arbeitsgrundlage, mit der wir Abgeordnete alle hervorragend arbeiten können. – Vielen Dank für diese Zurverfügungstellung! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)


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Meine Damen und Herren, zusammenfassend kann man sagen, mit diesem Budget geben wir den österreichischen Familien das Signal, dass wir ihre Leistungen gesichert haben, dass wir für sie arbeiten und dass sie sich auf uns verlassen können. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

11.01


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek. – Bitte.


11.01.46

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundes­minis­terin! (Die Rednerin stellt eine Tafel mit der Aufschrift „Kinder haben Rechte!“ auf das Rednerpult.) Am heutigen Tag der Kinderrechte würde ich Sie gern als Arbeits- und Familienministerin ansprechen, denn morgen werden wir ja den Rechtsanspruch auf Sonderbetreuungszeit beschließen, den wir sehr lange eingefordert haben. Jetzt ist aber heute eben noch heute, und der Beschluss erfolgt erst morgen, noch gilt der Rechts­anspruch also nicht.

Jemand ist per E-Mail an mich herangetreten: Ein Kind wird abgesondert – muss abge­sondert werden –, weil ein anderes Kind aus der Klasse positiv getestet wurde. Die Mutter als K1-Person wendet sich, weil sie nicht weiß, wen sie kontaktieren soll, an die Bezirksverwaltungsbehörde – und die sagt: Geht uns nichts an, da sind wir nicht zuständig. Das stimmt zwar, aber es bedeutet natürlich eine große Hilflosigkeit und Unsicherheit für die Eltern. Ab morgen haben diese hoffentlich ein Ende, weil dann dieser Rechtsanspruch auf Sonderbetreuungszeit gilt, wenn ein Kind abgesondert werden muss.

Was aber in all diesen Tagen und Wochen nicht geschehen ist, Frau Ministerin, und aus dieser Verantwortung kann ich Sie auch jetzt nicht entlassen, ist Folgendes: Die Eltern haben bisher nicht genau gewusst, ob die Schulen zusperren oder ob sie offen bleiben. Da geht es ja nicht darum, ein Gebäude auf- oder zuzusperren, sondern die Frage ist, ob auch Unterricht stattfinden wird oder nur Betreuung vorgesehen ist.

Rechtlich wird es dann natürlich so sein, dass Kinder problemlos den halben oder den ganzen Tag dort verbringen können, wenn die Schule offen ist und Betreuung vorge­sehen ist, dann ist ja auch Nachmittagsbetreuung möglich. Jetzt muss man sich aber vorstellen, dass eine Mutter an der Supermarktkasse sitzt, bis 18 oder 19 Uhr – länger haben die Geschäfte nicht offen –, und das Kind wird währenddessen betreut. Am Abend wird dann gelernt, wenn alle müde sind, wenn alle erschöpft sind.

Der Bundeskanzler sagt: Macht alle Homeschooling, trefft wenig Leute, so wenig Leute wie möglich! (Ruf bei der FPÖ: Ja!) Die Frau muss aber arbeiten gehen, weil sie in einem systemrelevanten Beruf tätig ist, und Rechtsanspruch auf Sonderbetreuungszeit hat sie nicht, weil die Schule ja geöffnet ist. So, jetzt wird um 20 Uhr oder um 19 Uhr, ich weiß nicht wann, gelernt – aber vielleicht kann gar nicht richtig gelernt werden, wie das Distancelearning es vorsehen würde, weil die Familie möglicherweise Probleme hat, die Miete zu bezahlen, oder weil es nicht einmal ein Endgerät gibt, mit dem Distancelearning möglich ist.

Ihnen in Ihrer Doppelfunktion, Frau Ministerin, sage ich: In diesen Bereichen sind schwerste Versäumnisse passiert. Die Eltern sind getäuscht worden, sie haben sich darauf verlassen, dass es einen Rechtsanspruch geben wird, wenn die Schulen ge­schlossen sind. Jetzt sind die Schulhäuser zwar offen, aber die Kinder werden nicht unterrichtet, deswegen dieses Schild hier (auf die auf dem Rednerpult stehende Tafel weisend): Jedes Kind hat das Recht auf Bildung! Jedes Kind hat das Recht, auch Unterricht haben zu können – aber irgendwie hat das bisher nicht geklappt.


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Es wäre nichtsdestotrotz wichtig, Frau Ministerin, dass morgen der Rechtsanspruch auf Sonderbetreuungszeit nicht nur für den Fall, dass Kinder abgesondert werden, beschlossen wird, sondern dieser auch dann gilt, wenn eine Pflegerin im privaten Be­reich ausfällt und Familienangehörige die Pflege übernehmen müssen. Diesen Leger hätte sich die Bundesregierung, hätte sich der Kanzler trotzdem sparen können. (Beifall bei der SPÖ.)

11.04


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Barbara Neßler. – Bitte.


11.05.11

Abgeordnete Barbara Neßler (Grüne): Frau Präsidentin! Geschätzte Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ganz kurz an meine Vorrednerin von der SPÖ: Keine Sorge, es muss nicht am Abend gelernt werden, denn die Schulen sind offen. (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek. – Abg. Wurm: ... Arbeit! – Abg. Zanger: Sind Ihre Kinder auch in der Schule?)

Ich glaube, das ist nicht nur für die Eltern wichtig, sondern auch für die Kinder, und es wird da auch eine Lernbegleitung stattfinden. Zur Sonderbetreuungszeit können wir morgen noch ausführlich diskutieren. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Über die Budgetzahlen im Familienbudget hat der Vorredner von der ÖVP schon ausführlich gesprochen, das will ich jetzt nicht wiederholen. Ich möchte aber auf einen Aspekt eingehen, der in der Debatte genauso wichtig ist: Das ist die Situation von Kindern und jungen Menschen in der Coronakrise, besonders vor dem Hintergrund des morgigen Kinderrechtetags.

Ich glaube, wir alle hier haben gemerkt, was es heißt, wenn gemütliche Runden mit den Arbeitskollegen und Arbeitskolleginnen, mit den Freunden und Freundinnen oder im großen Familienkreis nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr möglich sind. Jetzt stellen Sie sich vor, Sie wären 15 oder 18 Jahre alt: Wenn man jung ist, dann kommt einem die Welt ohnehin schon sehr klein vor, und jetzt ist diese Welt noch kleiner geworden. (Zwischenruf des Abg. Wurm.)

Diese noch kleinere Welt besteht jetzt aus beschränkten sozialen Kontakten, die mehr oder weniger nur innerhalb der Familien stattfinden. Um es auf den Punkt zu bringen: Kinder sind nicht nur von der Krise betroffen, sondern Kinder befinden sich mitten in der Krise.

Um etwas wirklich Wichtiges anzusprechen: Ich hatte letzte Woche ein Gespräch mit den Verantwortlichen von Rat auf Draht, und wir wissen, dass die Situation im Moment nicht einfach ist – aber die Zahlen, die genannt wurden, sind wirklich dramatisch. Um nur einige zu nennen: Es wurde ein Anstieg von 220 Prozent verzeichnet, was Angstzu­stände bei Kindern anbelangt, also etwa Zukunftsängste, Angst, dass jemand erkrankt, Angst, dass die Eltern den Job verlieren und so weiter. Ein Anstieg von 240 Prozent, was Schlafprobleme betrifft, ausgelöst durch den veränderten Tagesrhythmus, durch Stress, Überforderung und so weiter. (Abg. Belakowitsch: Ja bitte: Machen! Ändern!)

Einen Anstieg von 146 Prozent gibt es bei psychischen Erkrankungen, also Depres­sionen, Panikattacken, Zwangsstörungen und so weiter. Was wirklich besorgniserre­gend ist, ist die Zunahme von 54 Prozent bei Suizidgedanken.

Nächste Woche ist der Internationale Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen, und wir müssen immer bedenken, dass es auch Gewalt gegen Kinder gibt. Da liegt ein Anstieg von 88 Prozent jener Fälle vor, in denen Kinder und junge Menschen physische Gewalt in ihren Familien erleben. Natürlich spiegeln sich diese Zahlen nicht immer in


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den Anzeigen wider, weil die Dunkelziffer wirklich enorm ist. Wir müssen da aber nicht nur hinschauen, wir müssen auch ressortübergreifend den möglichen Langzeitfolgen entgegenwirken.

Was ich hier noch sagen möchte: In unserer Gesellschaft werden psychische Erkran­kungen leider immer wieder mit Schwäche verwechselt – aber ein Leben mit einer psychischen Erkrankung bedarf sehr viel Stärke! Ich möchte daher allen jungen Men­schen noch einmal sagen: Leider können wir nicht vorhersehen, wann diese schwierige Situation vorbei sein wird, aber scheut euch wirklich nicht, Hilfe zu holen! Eines ist auch klar: Es werden wieder bessere Zeiten kommen! – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

11.09


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Peter Wurm. – Bitte.


11.09.33

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Frau Präsidentin! Frau Minister! Hohes Haus! Werte Zuseher! Das war ein erschütternder Tatsachenbericht der Grünen Abgeordneten Neßler darüber, was diese Regierung angerichtet hat. (Ruf bei der ÖVP: Na bitte!) Vielleicht zur Erinnerung an die Grünen: Ihr seid in der Regierung! (Beifall bei der FPÖ.)

Es gibt ja noch weitere Rekorde dieser Regierung zu vermelden – Bundeskanzler Kurz war ja immer sehr stolz, so nach dem Motto: Wir sind die Besten! –, und mit diesen Rekorden werden Sie sicher in die Geschichtsbücher eingehen: Wir haben dank dieser Regierung die höchste Arbeitslosigkeit seit dem Zweiten Weltkrieg. Das ist ein Rekord, den Sie sich einmal umhängen können. (Abg. Obernosterer: Was du redest! Weitere Zwischenrufe bei ÖVP und Grünen.)

Wir haben dank dieser schwarz-grünen Bundesregierung die höchste Staats­verschul­dung seit dem Zweiten Weltkrieg. Wir haben dank dieser Regierung den größten Rück­gang des Bruttoinlandsproduktes (Zwischenruf bei den Grünen) seit dem Zweiten Welt­krieg und wir haben dank dieser Regierung weltweit die höchsten Ansteckungs­zahlen, was Covid betrifft. Also diese Regierung geht mit Sicherheit in die Geschichts­bücher ein. (Beifall bei der FPÖ. Zwischenrufe der Abgeordneten Litschauer und Schallmeiner.) Ja, die Wahrheit tut weh, ich weiß, aber man muss es immer wieder erwähnen, damit es auch keiner vergisst. (Beifall bei der FPÖ. Abg. Schallmeiner: ... vor lauter Schmer­zen!)

So, noch einmal zu den Detailzahlen: Arbeitslos sind aktuell rund 450 000 Personen und 170 000 sind in der Kurzarbeit. Das steigt wöchentlich dramatisch an und wir stehen jetzt erst am Anfang dieses zweiten oder eigentlich dritten Lockdowns. Dramatisch ist – wenn man sich die Zahlen vom AMS genauer anschaut –, Frau Minister, dass wir in der Breite eine Zunahme der Arbeitslosigkeit haben. Das heißt, wir haben vor allem mehr Arbeits­lose bei Männern im Haupterwerbsalter zwischen 25 und 50, wir haben – was so auch erstmalig in dieser Brutalität da ist – über alle Ausbildungszweige hinweg, das heißt vom Akademiker bis zum Absolventen der Grundschule, mehr Arbeitslose. Im Prinzip steigt die Arbeitslosigkeit überall dramatisch an und wir stehen, was die Arbeitslosigkeit betrifft – das ist ja auch ein Rekord dieser Bundesregierung – in Europa nicht einmal mehr unter den Top Ten. Ich kann mich noch an Zeiten erinnern, in denen wir betreffend geringste Arbeitslosigkeit entweder Erster, Zweiter oder Dritter waren, jetzt sind wir, glaube ich, auf Platz elf oder zwölf. Also das sind die Erfolge dieser türkis-grünen Bun­desregierung.

Frau Minister! Sie haben auch mir in Diskussionen immer wieder gesagt, Optimismus und Mut sind wichtig. Ich würde Sie also bitten, auch heute wieder ein Zeichen zu setzen. Frau Minister, nehmen Sie bitte die Maske ab, zeigen Sie der Bevölkerung, dass diese Bundesregierung nach vorne geht, Optimismus, Zuversicht und Mut verbreiten will! Sie


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könnten auch heute wieder ein Zeichen setzen, es wird Sie auf diese Distanz niemand anstecken, darauf können Sie sich verlassen, Frau Minister. (Abg. Hafenecker: ...hat gestern auch Maske aufgehabt! Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Was grundsätzlich einfach klar sein sollte (Abg. Obernosterer: Hast schlecht geschlafen heute?) – bei den Grünen habe ich nie angenommen, dass es so ist, aber bei der ÖVP –: Arbeitsplätze schafft natürlich die Wirtschaft. (Abg. Haubner: Gott sei Dank!) Wenn ich die Wirtschaft kontinuierlich kaputtmache – es sind ja einige vom Wirtschaftsbund da –, dann kann auch die Arbeitslosigkeit nicht sinken. Ihr wisst das ganz genau und ihr kennt die Verzweiflung der Unternehmer draußen. 90 Prozent der Unternehmen in Österreich sind Kleinstunternehmer mit bis zu zehn Mitarbeitern. Die zerstört ihr jetzt seit dem Frühjahr kontinuierlich. Bitte, liebe ÖVP, ich appelliere an euer Gewissen, stellt die Sys­tematik um, stellt euer System um, redet mit Bundeskanzler Kurz – der ist ein ewiger Student, der wird es nicht verstehen –, denn Wirtschaft schafft Arbeitsplätze (Zwischen­rufe bei der ÖVP), und ihr müsst die Unternehmer bitte endlich stützen! Schafft Möglich­keiten, dass der Konsum wieder in Gang kommt (Zwischenruf des Abg. Obernosterer), dass man auch einkaufen kann bei Unternehmen, sonst kann und wird das nichts werden!

Das soziale Netz hält noch, wir geben zwar Milliarden aus, aber es hält noch. Wer es dann bezahlen wird, wird man dann in den nächsten Jahren sehen. Ihr habt ja diese Woche bereits einen ersten Einblick geliefert: Das sind vor allem die Leistungsträger, die 45 Jahre gearbeitet haben. Die sind die Ersten, die das zurückzahlen müssen. Wir haben immer gesagt, das soziale Netz kann nur halten, wenn es von Tüchtigen und Fleißigen finanziert wird. Auch da gibt es leider eine sehr schlechte Entwicklung.

Ich möchte zum Abschluss noch einen Entschließungsantrag einbringen.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Er­höhung der Nettoersatzrate beim Bezug des Arbeitslosengeldes (COVID-19-Maßnahme)“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die zum Inhalt hat, dass allen beim Arbeitsmarktservice als arbeitslos registrierten Personen der Bezug der aktuellen Leistung um die Dauer der Krise, mindestens jedoch bis zum 31.Mai 2021 verlängert wird und zusätzlich ein ‚COVID-19-Ausgleich‘ für Arbeitslose in Form eines 30-prozentigen Zuschlages zu allen Arbeitslosenversicherungsleistungen rückwirkend mit 15. März 2020 gewährt wird. Dieser Zuschlag soll über die Finanzämter, bei denen alle Daten aller Erwerbstätigen vorhanden sind, automatisch, also ohne formale AntragsteIlung, ausgezahlt werden.“

*****

Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

11.15

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Peter Wurm


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 587

und weiterer Abgeordneter

betreffend Erhöhung der Nettoersatzrate beim Bezug des Arbeitslosengeldes (COVID-19-Maßnahme)

eingebracht im Zuge der Debatte zu Top 11: Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (449 d.B): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoran­schlags für das Jahr 2021 (Bundesfinanzgesetz 2021-BFG 2021) samt Anlagen (380 d.B.)-UG 20 Arbeit in der 62. Sitzung des Nationalrats ( XXVII. GP) am 19.November 2020

Die von der schwarz-grünen Bundesregierung unter Bundeskanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Werner Kogler gesetzten COVID-19-Maßnahmen seit März 2020 haben massive negative Auswirkungen auf den österreichischen Arbeitsmarkt, die Österreich die höchste Zahl an Arbeitslosen und die meisten Arbeitnehmer in Kurzarbeit seit 1945 beschert haben.

Das bedeutet, dass zeitweise weit mehr als eine halbe Millionen Menschen seit März 2020 mit lediglich 55 Prozent ihres letzten Nettogehalts ihre Lebenshaltung (Nahrungs­mittel, Wohn- und Betriebskosten usw.) bestreiten müssen. Die weit überwiegende Anzahl dieser betroffenen Arbeitslosen hat durch die COVID-19-Maßnahmen der Bun­desregierung den Arbeitsplatz verloren bzw. wurde der Chance beraubt, nach einer Phase der Arbeitslosigkeit oder einer AMS-Aus-, Fort- und Weiterbildung wieder in den Arbeitsmarkt integriert zu werden.

Um dieser Gruppe von rund 500.000 Personen einen finanziellen Ausgleich für die Arbeitsplatzvernichtung durch die COVID-19-Maßnahmen der Bundesregierung zu gewährleisten und damit ihr ökonomisches Überleben abzusichern, ist aber eine Erhöhung der Nettoersatzrate des Arbeitslosengeldes (inklusive Notstandshilfe) von 55 Prozent auf 70 Prozent dringend notwendig und auch volkswirtschaftspolitisch ver­nünftig. Dies ist durch eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes und der Notstandshilfe inklusive der Familienzuschläge um 30 Prozent (entspricht einer Nettoersatzrate von 70 Prozent) umzusetzen.

Durch diese Nettorersatzratenerhöhung um 15 Prozentpunkte werden die Kaufkraft und damit auch die innerösterreichische Konjunktur durch vermehrte Konsumausgaben gestärkt. Dies führt wiederum zu vermehrten Einnahmen der Unternehmer, aber auch Steuereinnahmen und schafft dadurch neue Arbeitsplätze bzw. sichert bestehende Arbeitsplätze ab.

Über die Sommermonate und nach Ende des ersten Lockdowns sind die Arbeitslosen­zahlen zwar kurzfristig wieder zurückgegangen, durch den zweiten Lockdown werden die Arbeitslosenzahlen jedoch wohl bis Ende 2020 die arbeitsmarkpolitische „Schall­mauer“ von 500.000 Arbeitslosen wieder deutlich durchschlagen.

Demgegenüber sind die arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen der schwarz-grünen Bun­desregierung, die von Arbeitsministerin Christine Aschbacher (ÖVP) und Sozialminister Rudolf Anschober (Die Grünen) vorgestellt wurden, absolut untauglich. Ein „Arbeits­marktbonus“ von lediglich 450 Euro für die Monate Juli bis September, wobei man zwei von diesen drei Monaten durchgehend arbeitslos sein muss, war und ist weder treffsicher noch sozial. Ganz im Gegenteil: Die seit Mitte März durch Regierungsmaßnahmen be­wusst produzierte Arbeitslosigkeit wird ignoriert, und man enthält den betroffenen Arbeit­nehmern einen gerechten Ausgleich vor.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 588

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die zum Inhalt hat, dass allen beim Arbeitsmarktservice als arbeitslos registrierten Personen der Bezug der aktuellen Leistung um die Dauer der Krise, mindestens jedoch bis zum 31.Mai 2021 verlängert wird und zusätzlich ein „COVID-19-Ausgleich“ für Arbeitslose in Form eines 30-prozentigen Zuschlages zu allen Arbeitslosenversicherungsleistungen rückwirkend mit 15. März 2020 gewährt wird. Dieser Zuschlag soll über die Finanzämter, bei denen alle Daten aller Erwerbstätigen vorhanden sind, automatisch, also ohne formale AntragsteIlung, ausgezahlt werden.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, er steht daher auch mit in Verhandlung.

Als nächste Rednerin gelangt Frau Abgeordnete Plakolm zu Wort. – Bitte.


11.15.28

Abgeordnete Claudia Plakolm (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es wird oft behauptetet, die Jugend hält sich gar nicht an die Maßnahmen bezüglich Corona. Das möchte ich mit aller Klarheit zurückweisen, denn es sind gerade viele Jugendliche, die mit positivem Beispiel voran­gehen und die auch zeigen (Abg. Belakowitsch: Das hat der Anschober gesagt!), was Zusammenhalt aller Generationen in unserer Gesellschaft bedeutet. (Beifall bei der ÖVP.)

Ja, es ist nicht einfach, auf vieles Freunde treffen, Parties feiern zu verzichten, gerade in der besten Zeit des Lebens. Maturabälle, Abschlussfeiern, Abrüsten und Spon­sionen, all das ist heuer nicht möglich, vieles von dem kann für eine gesamte Generation leider auch nicht nachgeholt werden. Wir alle müssen aber diese Pandemie ernst neh­men, wenn schon nicht wegen der eigenen Gesundheit, dann denken wir zumindest an die vielen Pflegerinnen und Pfleger, an die Ärztinnen und Ärzte, die in diesen Monaten besonders gefordert sind und in den Krankenhäusern und Spitälern Unglaubliches leisten. In diesen Dank möchte ich auch alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Behörden und Krisenstäben miteinschließen. Danke schön, ihr leistet Großartiges in dieser Zeit! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Leider sind die gesundheitlichen Folgen von Corona nicht die einzigen für meine Ge­neration, die Jugend ist quasi dreifacher Coronaverlierer. Zum Ersten bei der Bildung: Schon zum zweiten Mal haben wir den Unterricht in den Schulen und Universitäten komplett ins Netz verschieben müssen. Das ist für alle Beteiligten, für Lehrer, Eltern und Schüler eine enorme Herausforderung, absolut keine Frage. Zum Zweiten, zum Thema Arbeit: Viele stehen am Start ins Berufsleben und die aktuelle Situation am Arbeitsmarkt ist besonders für Jugendliche eine große Herausforderung – Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit, abgesagte Jobzusagen und Ferialpraktika. In der Taskforce für Jugendbeschäftigung wird mit Hochdruck gearbeitet, damit Jugendlichen eine Perspektive gegeben werden kann, insbesondere auch unseren Lehrlingen. Zum Dritten, warum wir dreifacher Coro­na­verlierer sind: Wer soll das alles bezahlen? – Auch wir, die kommenden Generationen. Die Rechnung bekommen wir dafür vermutlich erst später.


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Genau deshalb muss es in unser aller Interesse sein, dass wir rasch aus dieser Krise kommen, dass wir bald wieder einen wirtschaftlichen Aufschwung erleben. Das Dach soll gedeckt werden, wenn die Sonne scheint. Wir haben in den letzten Jahren dieses Dach unter Bundeskanzler Sebastian Kurz gedeckt und in einer wirtschaftlich sonnigen Zeit keine neuen Schulden gemacht. Wir haben unser Dach saniert, es gut ausgebaut und sicher gemacht. Österreich hat also gute budgetäre Ausgangsbedingungen. Jetzt, wo es stürmt und regnet, hält unser Dach und bietet uns Schutz. 2020 ist bestimmt kein Sonnenjahr für uns. Wir gehen weiterhin verantwortungsvoll mit dem Geld der Steuer­zahlerinnen und Steuerzahler um, das ist auch die Grundlage dafür, warum wir in dieser Krise besser helfen können als so manche andere Länder. (Beifall bei der ÖVP.)

Mit vielen Paketen kurbeln wir die Wirtschaft an, die Konjunktur an, unterstützen Arbeit­nehmer, Familien und Unternehmen in dieser Ausnahmesituation und ziehen geplante Steuerentlastungen, die wir im Regierungsprogramm festgelegt haben, in dieser Krise vor, weil es notwendig ist. Das größte Konjunkturpaket kann aber, das ist schon ange­sprochen worden, nur schwer im Budget beziffert werden. Das größte Konjunkturpaket hat jeder Einzelne selbst in der Hand. Machen Sie Ihre Besorgungen, kaufen Sie Ihre Weihnachtsgeschenke bei regionalen Unternehmen. (Abg. Belakowitsch: Ja wo?) Viele bieten in Zeiten wie diesen einen Onlineshop an. (Abg. Belakowitsch: Ist ja alles gesperrt! Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Es muss nicht immer Amazon und Co sein. (Beifall bei der ÖVP. Abg. Belakowitsch: Bei Zalando, oder wo soll ich es kau­fen?)

Dieses Bewusstsein für regionale Produkte, für regionale Lebensmittel, das ist hoffent­lich eine der positiven Folgen dieser Coronakrise (Zwischenruf bei der FPÖ) und das wird uns hoffentlich noch viel länger beschäftigen. Gott sei Dank! (Beifall bei der ÖVP.)

Das ist nicht nur gut für die Umwelt, das stärkt auch unsere Wirtschaft und somit unzäh­lige Arbeitsplätze in der Region. (Anhaltende Zwischenrufe bei der FPÖ.) So freuen sich vielleicht nicht nur die eigenen Kinder auf das bevorstehende Weihnachtsfest, sondern auch die Kinder in anderen Familien, wenn wir durch regionalen Einkauf ganz, ganz viele Arbeitsplätze sichern können. (Abg. Belakowitsch: Ist nicht möglich, ihr habt alles gesperrt!) Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP. Abg. Plakolm auf dem Weg zu ihrem Sitzplatz in Richtung Abg. Belakowitsch –: Online! Abg. Belakowitsch: Also doch Zalando!)

11.19


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Michael Bernhard. –Bitte.


11.20.01

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Minis­terin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Ich ver­wende normalerweise keine Zuschriften von Bürgern und Bürgerinnen, wenn ich hier herauskomme und vor Ihnen spreche. Heute möchte ich es aber machen, denn es geht um das Bild der Familien, über das wir ja auch diskutieren.

Ich war wegen des Familienhärteausgleichs mit vielen Familien im persönlichen Aus­tausch und habe vor ein paar Tagen ein E-Mail bekommen. Der Betreff war: Uns geht die Luft aus. – Der Text – ich lasse die Einleitung weg – lautet dann: Nach einer kurzen Besserung der Situation bin ich nun ein drittes Mal in Kurzarbeit. Auch mein Nebenjob, den ich mir im Sommer suchen musste, ist nun vom zweiten Lockdown betroffen. Es wird immer schwieriger, über die Runden zu kommen. Wir sparen bereits an den Lebens­mitteln. – Zitatende. Das ist die Situation, in der Familien in verschiedensten Bereichen heute sind.


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Wenn man sich die Einkommen anschaut, stellt man fest, dass knapp 75 Prozent der Familieneinkommen zwischen 1 250 Euro und 3 700 Euro liegen. Da geht es um Einkommen einer Familie mit zwei Erwachsenen und im Durchschnitt 1,6 Kindern! Diese Familien sind ja nicht immer von Haus aus wirtschaftlich angeschlagen gewesen, son­dern sie sind in eine Situation gekommen, die für alle überraschend war, und sie haben ihre ganz normalen Lebenshaltungskosten zu tragen. Sie müssen möglicherweise die Kreditrückzahlungsrate, die Leasingrate für das Auto und vielleicht auch etwas für die Schule bezahlen.

Als ich dieses E-Mail gelesen habe und das Budget für 2021 gesehen habe, habe ich mich gefragt: Hilft dieses Budget, das Sie uns für 2021 vorlegen, jenen Menschen, die uns als Abgeordneten heute solche E-Mails schreiben? – Ich bin zutiefst davon über­zeugt, dass das nicht der Fall ist.

Es ist nicht der Fall, denn all diese konkreten Familien beginnen jetzt im zweiten Lock­down bei den Lebensmitteln zu sparen, und die Frage ist, wo sie dann im dritten Lock­down sparen müssen. Hilft es diesen Familien, wenn Sie pauschal über die gesamte Bevölkerung Einmalzahlungen ausschütten, die Hunderte von Millionen Euro kosten? – Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass diese Maßnahmen diesen Familien nicht aus­reichend helfen. Andere brauchen dieses Geld vielleicht nicht und wären aus Solidarität auch dazu geneigt, darauf zu verzichten.

Die zweite Frage ist aber: Haben wir ausreichend Mittel für genau diese Familien, die jetzt gerade betroffen sind? – Nein, denn da ist es wiederum so, dass man aufgrund der anderen Maßnahmen nicht ausreichend Geld in die Hand nehmen kann.

Damit komme ich schon zu einem ersten Punkt, Frau Ministerin Aschbacher: Es fehlt eine gezielte Maßnahme für die Familien, die jetzt im zweiten Lockdown wirklich nicht mehr können. Da ist zu wenig an Information da, da ist zu wenig an Förderung da. Sie haben einen Familienhärteausgleich für drei Monate vorgesehen. Da kann man quasi diesen Betrag, der einem in der Kurzarbeit fehlt, wieder hereinholen. Wenn Sie aber zwei oder drei Lockdowns machen, wenn Sie Unternehmen monatelang zusperren, dann reichen drei Monate nicht aus. Die Maßnahmen, die Sie heute als Werkzeug präsentieren, sind jene, die Sie sich im April überlegt haben, und das ist deutlich zu wenig.

Wenn man auf die Krise im Allgemeinen schaut, dann erkennt man, es wird nicht leichter. Familienberatungsstellen, die jetzt in dieser Krise definitiv mehr Arbeit haben als sonst – da jetzt Kinder und auch Erwachsene mitunter 24 Stunden am Tag zu Hause sind und mitunter in emotionale Konflikte kommen beziehungsweise hineingezogen werden –, sagen, dass sie selbst in einem Nichtkrisenjahr 15 Millionen Euro brauchen. Sie haben als Ministerin im Mai versprochen, dass Sie sich dafür einsetzen werden, dass diese 15 Millionen Euro kommen. Die sind nicht gekommen, stattdessen gab es nur 12,5 Mil­lionen Euro. Das heißt, Familienberatungsstellen bekommen im Jahr 2021 nicht einmal das Geld, das sie für ein Nichtkrisenjahr bräuchten, und wenn jetzt mehr Beratung online stattfindet, reicht das einfach nicht aus.

Sie haben gesagt, dass die Schulen ja offen sind. Wenn ich jetzt aber über diese Fa­milien nachdenke, die nun wieder kämpfen müssen, dann muss ich sagen: Es ist nicht hilfreich, wenn sie am Montag in der Früh nicht wissen: Ist am Dienstag die Schule nun ganz offen oder ganz zu? Wird das Kind unterrichtet? Ist es besser für das Kind, damit es vielleicht auch eine wirklich starke Zukunft hat, dass ich es zu Hause lasse, oder ist es besser, dass ich es in die Schule bringe, wo es auch seine Schulfreundinnen und -freunde sieht? Die Eltern konnten das am Dienstag in der Früh nicht beantworten.

Das liegt natürlich rein von der Kompetenz her bei Minister Faßmann, aber Sie als Fami­lienministerin müssten jeden Tag in der Früh aufstehen und massiv dafür werben, dass


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es da eine klare Antwort gibt und dass die Kinder, egal ob sie zur Betreuung in die Schule gebracht werden oder zu Hause sind, immer die beste Bildung bekommen.

Es hilft auch nichts, wenn Sie zugleich jenen Leistungsträgerinnen und -trägern, die aus Ost- und Südosteuropa kommen und auch im Lockdown weiter für uns arbeiten, etwa in der Pflege und im Einzelhandel, weiterhin die Indexierung der Familienleistungen vor Augen führen.

Wir müssen eine andere Sprache finden, wie wir mit Familien umgehen, und wir brauchen 2021 ein Krisenbudget, das jenen Menschen, die die Krise am stärksten spüren, auch tatsächlich hilft. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

11.25


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Frau Bundesministerin Christine Aschbacher zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Ministerin.


11.25.30

Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend Mag. (FH) Christine Aschbacher: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Sehr geehrte Zuschaue­rin­nen und Zuschauer! Wir befinden uns in einem absoluten Ausnahmejahr. Das Corona­virus lässt nichts und niemanden außen vor, sondern schwirrt irgendwo herum und betrifft uns in allen Lebensbereichen, sei es in der Arbeitswelt, sei es in der Familie, sei es in unserem Alltag. So sitzen wir beispielsweise hier mit dem Mund-Nasen-Schutz, um uns selbst, aber auch andere zu schützen.

Die gesundheitliche Entwicklung hat oberste Priorität. Corona hat aber auch eine globale Wirtschaftskrise ausgelöst, deren direkte Auswirkungen wir auch sehr intensiv – das haben uns auch Expertinnen und Experten, beispielsweise aus den Wirtschaftsfor­schungs­instituten, bestätigt – am Arbeitsmarkt spüren. An unseren Arbeitsplätzen ändern sich die Rahmenbedingungen, beispielsweise durch die Kurzarbeit oder auch durch die infolge von Corona entstandene Arbeitslosigkeit.

Insofern verlangt auch dieser Lockdown von uns allen enorm viel ab, von jedem und jeder Einzelnen, der beziehungsweise die betroffen ist. Dabei sind wir alle nicht nur betroffen, sondern auch beteiligt, denn es kommt jetzt auf jede und jeden Einzelnen an. Es ist wichtig, dass wir alle hier mitmachen, mitanpacken, um eine Überlastung unseres Gesundheitssystems zu verhindern und unser verlässliches Gesundheitssystem sichern. Es ist wichtig, dass nicht nur der Notbetrieb aufrechterhalten wird, sondern dass auch, wenn es zu Akutfällen wie beispielsweise Unfällen kommt, wir Erwachsene und unsere Kinder bestmöglich versorgt sind.

Als Arbeits-, Familien- und Jugendministerin ist es mir sehr wichtig, jene Menschen zu unterstützen, die gerade jetzt tagtäglich arbeiten gehen und sehr intensiv gefordert sind, aber auch jene Menschen, die auf Arbeitssuche sind. Zugleich ist es mir aber ebenfalls sehr wichtig, die vielen Familien mit ihren Kindern, Jugendlichen und Großeltern zu unterstützen – jemand in der Familie geht arbeiten, jemand ist vielleicht auf Arbeits­suche, jemand ist Jugendlicher in Ausbildung und so weiter. Wir unterstützen sie in dieser herausfordernden Zeit durch besondere Maßnahmen.

Wir als Bundesregierung tun alles, um die Folgen dieser Pandemie beziehungsweise der Weltwirtschaftskrise bestmöglich abzufedern, um möglichst breit und zugleich treff­sicher zu unterstützen. Sichergestellt ist, dass im kommenden Budget 39 Milliarden Euro für Beschäftigung gesichert sind. Sichergestellt ist, dass über 11 Milliarden Euro davon für aktive Arbeitsmarktpolitik und Beschäftigung sind, damit wir so gut wie möglich Arbeitsplätze sichern können, Arbeitsplätze ermöglichen und auch schaffen können, beispielsweise durch Investitionen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.) Noch nie zuvor haben wir so viele Mittel für Beschäftigung investiert und das ist gerade jetzt auch notwendig.


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Lassen Sie mich auf konkrete Maßnahmen eingehen, mit denen wir auf die aktuelle Situation reagieren! Wir haben Anpassungen bei der Coronakurzarbeit vorgenommen: All jene Unternehmen, die jetzt direkt vom Lockdown betroffen sind, können nun die Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter auf 0 Prozent reduzieren, sodass keine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gekündigt werden müssen. Alle können jetzt durch diesen Lockdown kom­men, weil die Coronakurzarbeit dafür adaptiert wurde.

Ich bitte Sie, liebe Unternehmerinnen und Unternehmer, wenden Sie die Coronakurz­arbeit an! Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des AMS sind mehr denn je für Sie da. An dieser Stelle möchte ich allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des AMS meinen Dank aussprechen. Ihr leistet, Sie leisten Großartiges, schon seit Monaten und auch jetzt in dieser besonderen Zeit wieder! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Wir haben in diesem Jahr über 5,2 Milliarden Euro in die Coronakurzarbeit investiert und konnten damit zu Spitzenzeiten über 1,3 Millionen Arbeitsplätze sichern. Wir haben auch für das kommende Jahr 1,5 Milliarden Euro im Budget dafür sichergestellt. Ich kann Ihnen versprechen: Wenn es mehr Bedarf gibt, wird es mehr Mittel dafür geben. Darauf haben wir uns in der Bundesregierung geeinigt, denn jeder Arbeitsplatz, den wir mit der Coronakurzarbeit sichern können, ist ein wichtiger. Da können Sie auf unsere Unterstützung zählen. (Beifall bei der ÖVP.)

Zu unserem zweiten zentralen Programm in der Krise: Es gibt eine Joboffensive und dort, wo es sinnvoll ist, wo wir Menschen damit unterstützen können, regionale Arbeits­stiftungen. Im Verwaltungsrat haben auch die Sozialpartner mitbestimmt und zuge­stimmt. Da bin ich, was die Coronakurzarbeit, aber besonders auch die Joboffensive betrifft, sehr dankbar für die konstruktive Zusammenarbeit, denn damit stellen wir sicher, dass wir mit den 700 Millionen Euro in den nächsten ein bis zwei Jahren über 116 000 Menschen aus- und weiterbilden können, dort, wo die Jobs auf sie warten, dort, wo es Jobchancen gibt, nämlich arbeitsplatznahe und zugleich in den Zukunftsbranchen.

Jetzt, in dieser besonderen Zeit, geht es darum, dass die Aus- und Weiterbildung so gut wie möglich weitergeführt werden kann. Deshalb bin ich stolz, dass wir es geschafft haben, über drei Viertel dieser konkreten Aus- und Weiterbildungen auf digital umzu­stellen, und dass jene, bei denen es erforderlich ist, vor Ort weiterzuarbeiten, zum Bei­spiel in den Werkstätten, unter Einhaltung der strengsten Gesundheits- und Hygiene­bestimmungen weitergeführt werden. Dafür ein großes Dankeschön an all die vielen Träger und Partner des AMS, die mitanpacken und das jetzt sicherstellen! (Beifall bei der ÖVP.)

Wir investieren damit direkt in die Menschen, die wir sozusagen als Arbeitskräfte von morgen brauchen werden, etwa im gesamten Mint-Bereich, wo wir jetzt nach wie vor Fachkräftemangel haben, im gesamten Digitalisierungsbereich, im gesamten Bereich Gesundheit und Pflege, aber zugleich auch im Nachhaltigkeitsbereich, was die erneuer­baren Energien und so weiter betrifft. Darauf haben wir den Fokus gelegt und damit stellen wir sicher, dass all jene, die eine Ausbildung machen wollen und bereit sind, mitanzupacken, davon auch profitieren können. Zusätzlich stellen wir mit einem Bil­dungsbonus von 180 Euro pro Monat bei einer Ausbildung, die länger als vier Monate dauert, sicher, dass man in der Zeit der Aus- und Weiterbildung finanziell so gut wie möglich über die Runden kommt.

Unsere oberste Priorität ist dennoch, dass wir Menschen so schnell wie möglich in Be­schäftigung bringen. Dementsprechend bedarf es auch eines unterschiedlichen Maß­nahmenmix zusätzlich zu diesen zwei zentralen Programmen, nämlich für unterschied­liche Zielgruppen und für unterschiedliche Unterstützungsbereiche. Damit das möglich ist, habe ich dafür gesorgt, dass das AMS ausgestattet ist und dass insgesamt 500 Plan­stellen für heuer sichergestellt sind, damit auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dem


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Fokus folgen können. Da ist intensiv aufgestockt worden, auch mit Unterstützung von dort, wo es schon Expertise gibt, beispielsweise den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus der Buchhaltungsagentur des Bundes, die bis jetzt schon intensiv bei der Abwicklung und Abrechnung der Kurzarbeit unterstützt haben. Auch dafür haben wir 25 Millionen Euro pro Jahr bis 2023 im Budget sichergestellt.

Zugleich gibt es, um Menschen in Beschäftigung zu bringen, auch Unterstützungspro­gramme wie beispielsweise den Neustartbonus, denn wenn es nicht möglich ist, einer Vollzeitbeschäftigung nachzugehen, ist es besser, die Menschen gehen einer Teilzeit­beschäftigung nach und bekommen Unterstützung durch eine Zuzahlung, damit es sich auszahlt, arbeiten zu gehen. Dazu dient der Neustartbonus. Wenn dann aufgrund der wirtschaftlichen Lage eine Mehrbeschäftigung möglich ist, sollen diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter selbstverständlich in eine Vollbeschäftigung übernommen werden.

Als dritten Punkt haben wir die Unterstützung älterer Arbeit suchender Menschen sicher­gestellt. Dafür haben wir 900 Millionen Euro im Budget bereitgestellt. Zusätzlich haben wir noch für die Personen, die schon länger arbeitslos sind, für die Langzeitarbeitslosen, über 105 Millionen Euro zweckgebunden sichergestellt. Auch für die Frauen haben wir mit 3,5 Prozent im Budget überproportional viel mit zusätzlichen Programmen oder Aufstockungen wie bei FIT, Frauen in Technik, oder auch dem Job-Navi für junge Mütter, der auch eine Kinderbetreuung sicherstellt, damit wir die jungen Mütter und insgesamt Frauen am Arbeitsmarkt bestmöglich unterstützen können.

Der gesamte Bereich unserer Jugendlichen ist mir ein besonderes Herzensanliegen. Im Frühsommer haben wir die Taskforce für Jugendbeschäftigung eingesetzt und gemein­sam mit der Wirtschaftsministerin, dem Sozialminister und dem Bildungsminister sicher­gestellt, dass wir keine Lehrlingslücke haben, damit für die jungen Menschen Aus­bildungsplätze gesichert sind. Wir haben über 12 000 zusätzliche Lehrplätze geschaffen, einerseits mit dem Lehrlingsbonus, und andererseits haben wir dort, wo es notwendig ist, auch punktuell und situativ die überbetrieblichen Lehrstellen aufgestockt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Viele der arbeitenden Menschen, die jetzt besonders gefordert sind, bei denen ich mich auch herzlich bedanken möchte, die jetzt vorwiegend wieder im Homeoffice sind und unter den Umständen, die bei jedem anders sind, tagtäglich ihr Bestes geben, sind Fa­milien – Familien mit Kindern, Familien mit Jugendlichen –, die schon seit Monaten Herausragendes leisten.

Auch wir sind Eltern, wir sind Kinder unserer Eltern, wir sind Onkel und Tanten, und manche von uns in der Bundesregierung sind auch Großeltern. Das heißt, wir kennen die Sorgen und Ängste der Menschen und sind mit vielen Familien in Gesprächen, sei es mit Kindern, sei es mit berufstätigen Eltern, für die es immer ein Balanceakt ist und von denen jetzt dringender denn je Unterstützung benötigt wird. Wir unterstützen sie so gut es möglich ist dabei, durch diese Zeit zu kommen. Wir alle haben uns unser Familienleben 2020 anders vorgestellt, und jetzt sind wir mittendrin in dieser Krise. Auch für uns ist es nötig, dass jeder und jede Einzelne von uns mitanpackt und unterstützt und sich an die Maßnahmen hält. Mein besonderer Dank gilt den Familien, den Eltern, Großeltern, Jugendlichen und Kindern, denn, liebe Familien, Sie sind das Rückgrat unserer Gesellschaft, und wir unterstützen Sie.

Dementsprechend haben wir umfassend Mittel zur Verfügung gestellt, damit wir die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern können. Als zentrale Maßnahme, um die Einkommensverluste, die oft unverschuldet entstanden sind, abzufedern – durch die Coronapandemie befinden wir uns in einer Weltwirtschaftskrise, es kommt zu Einkom­mensverlusten –, haben wir den Familienhärtefonds aufgestellt. Damit konnten wir über


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66 000 Familien mit rund 88 Millionen Euro und jeweils mit einer durchschnittlichen Summe von 1 300 Euro unterstützen.

In diesen herausfordernden Zeiten bedarf es weiterhin besonderer Maßnahmen. Des­halb haben wir weitere 50 Millionen Euro für 2021 im Familienhärtefonds sichergestellt. Damit können wir über 40 000 Familien, die es brauchen, weiterhin unterstützen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Selbstverständlich braucht es jetzt mehr, nämlich einen breiten Maßnahmenmix für unsere Familien. Betreffend die Sonderbetreuungszeit, die ich als ersten Punkt an­sprechen möchte, haben wir uns in der Bundesregierung, aber vor allem auch gemein­sam mit den Sozialpartnern darauf geeinigt, dass dort, wo es zu Schulschließungen kommt, wo Kindergärten geschlossen sind, weil beispielsweise die Pädagoginnen und Pädagogen selbst vom Coronavirus betroffen sind oder es zu Quarantänefällen kommt, wie wir heute schon gehört haben, der Rechtsanspruch für alle berufstätigen Eltern in flexibler Art und Weise zu jeweils vier Wochen insgesamt bis zum Ende des Schul­jahres 2021 zu 100 Prozent sichergestellt ist. Darauf können Sie sich verlassen. Und auch die Arbeitgeber bekommen statt 50 Prozent 100 Prozent refundiert.

Wo es möglich und notwendig ist, können die Arbeitgeber das mit den berufstätigen Eltern auch direkt vereinbaren. (Zwischenruf des Abg. Rauch.) Diese Option war mir besonders wichtig, weil es in vielen Fällen möglich ist und in der Praxis auch umgesetzt wird. Dazu beträgt die Refundierung an die Arbeitgeber statt 50 Prozent 100 Prozent. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich möchte nicht auf die Details eingehen, weil wir schon viel darüber gehört haben. Die Schulen sind geöffnet, die Kinderbetreuung mit Lernunterstützung ist sichergestellt. Diese Erfahrung aus dem ersten Lockdown haben wir für diese Phase jetzt im Herbst weiterentwickelt, damit die Kinder vor allem in einem vertrauten, zumutbaren Umfeld unterstützt werden. Das ist ganz wichtig. Wenn aber die Schule nicht geöffnet haben kann, dann gilt zu 100 Prozent der Rechtsanspruch.

Dazu bin ich in engster Abstimmung mit unserem Herrn Bildungsminister, der sicher­stellt, dass in Schulen, Kindergärten und Kindergarteneinrichtungen – da sind die Bun­desländer in der Zusammenarbeit sehr konstruktiv – Kinderbetreuung mit Lernunterstüt­zung gewährleistet wird. Wenn es diesbezüglich zu Einzelfällen kommt, wie ich es schon gehört habe, dann steht der Herr Bildungsminister mit seinem Team gerne zur Ver­fügung. In diesem Bereich ist eine enge Zusammenarbeit und Abstimmung gegeben.

Wir haben auch weitere Maßnahmen im Budget für die Familien beziehungsweise auch für die überschneidenden Bereiche vorgesehen, zum Beispiel ist im Schulbuchbudget eine Erhöhung von 12 Millionen Euro auf über 124 Millionen Euro sichergestellt, damit wir vor allem die digitalen Schulbücher sowie die Plattform Digi4School unterstützen können, weil es jetzt notwendig ist. Zudem haben wir auch eine Erhöhung des Budgets zur Schülerfreifahrt um 12 Millionen Euro erzielt, um den Linien- und Gelegen­heits­verkehr insgesamt auf über 488 Millionen Euro auszubauen.

Jetzt ist es aber von besonders zentraler Bedeutung, dass wir die Familien nicht im Stich lassen – sie einerseits finanziell, vor allem aber emotional in dieser Krise unterstützen. Ich bin allen Beratungsstellen, für die ich verantwortlich sein darf, sehr dankbar, etwa den Familienberatungsstellen, die sofort – und das schon zu über 80 Prozent – auf digital umgestellt haben, damit sich Familien zu jeder Zeit an eine Beratungsstelle wenden können. Genauso können auch unsere Jugendlichen direkt zum Hörer greifen, 147 wählen – wir haben es vorhin schon kurz gehört –, um sich bei Rat auf Draht Bera­tung zu holen.


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Auf eltern-bildung.at können sich die Familien Unterstützungsangebote, sei es zu kre­ativen Zu-Hause-Betreuungsmöglichkeiten, aber auch zu Krisenunterstützungen, Rat holen. Für unsere Jugendlichen gibt es zusätzlich das Jugendportal mit den Jugend­reportern, die unsere Pressekonferenzen teilweise noch einmal in ein Wording um­setzen, sozusagen übersetzen, das für die Jugendlichen besser zugänglich ist. Ich bin auch in diesem Bereich allen dankbar, dass sie für unsere Familien in diesem Land jetzt besonders da sind.

Wir befinden uns in einer außergewöhnlichen Zeit, und außergewöhnliche Zeiten bedür­fen außergewöhnlicher Maßnahmen, die ein außergewöhnliches Budget brauchen. Dementsprechend ist das ein Budget der Krise, mit dem wir einerseits betroffene Menschen unterstützen und zugleich direkt in die Menschen investieren. Wir sichern Jobs, wir ermöglichen Jobs und wir schaffen Jobs durch Investitionen.

Zugleich unterstützen wir das Rückgrat unserer Gesellschaft, unsere Familien mit den vielen Kindern und Jugendlichen, die sich so diszipliniert an die Maßnahmen halten und die Masken aufsetzen, wenn es zu Kontakten kommt, die aber auch jetzt wieder Groß­artiges leisten – jeder und jede Einzelne von Ihnen. Sie wollen wir so gut wie möglich unterstützen, sodass wir jetzt trotz des physischen Abstands, den wir haben, emotional und sozial intensiv zusammenhalten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Nur so können wir die Krise jetzt gemeinsam bewältigen und stark und auch mutig aus dieser Zeit hervorkommen. Trotz der Umstände lassen Sie mich noch zusammenfassen: Lassen Sie uns den Mut und die Zuversicht bewahren! Wir wissen nicht, wann dieser Zeit­punkt genau sein wird, aber wir wissen mit Sicherheit, wir werden durch diese Gesundheitskrise kommen und sie überwinden. Dann brauchen wir Sie mehr denn je, denn gemeinsam, davon bin ich tief überzeugt, schaffen wir das. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

11.45


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Alexander Melchior. – Bitte.


11.45.16

Abgeordneter Alexander Melchior (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolle­ginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben schon einige Schlag­wörter gehört: Homeschooling, Distancelearning, Homeoffice, all das, und ich kann Ihnen sagen: Ich komme gerade aus einer 20-tägigen Quarantäne. Ich bin vier­facher Familienvater, da kann sich jeder vorstellen, wie es zu Hause zugeht. Ich habe es erlebt, Homeoffice zu machen, eine Videokonferenz, und der Zweijährige krabbelt mir über die Tastatur und stößt die volle Kaffeetasse um. Sie können sich sicher sein, ich habe mehrere Hundert Plastilinpizzen gegessen, und wenn ich noch eine Uno-Karte sehe, ist wirklich alles aus. (Heiterkeit bei der ÖVP.) Sie können sich aber auch sicher sein, es ist für viele Familien eine wirklich schwere Zeit und eine große Herausforderung, das zu meistern.

Zusätzlich kommen für viele Familien neben den Fragen: Wie betreue ich mein Kind?, Wie geht es in der Gesundheitskrise weiter?, einfach noch Fragen dazu wie: Werde ich noch einen Arbeitsplatz haben? Werde ich meinen Betrieb noch offen halten können? Wie geht es da weiter, wie kann ich meine Familie erhalten? – Auf diese Fragen braucht es Antworten, und es braucht Maßnahmen. (Abg. Rauch: Die haben Sie nicht!) Deswegen, Herr Kollege, bin ich sehr froh und dankbar und möchte zwei Maßnahmen herausgreifen, bei denen ich tief überzeugt bin, dass sie wirklich helfen und den Men­schen zugutekommen.


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Die erste Frage ist heute schon angesprochen worden: das Modell der Kurzarbeit. Sie ist international wirklich eines der besten Modelle, die es gibt, treffsicher und garantiert so, dass 1,3 Millionen Arbeitsplätze gesichert werden konnten. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Stögmüller.)

Es ist jetzt zusätzlich auch so, dass Unternehmen, die die Wirtschaftshilfe in Anspruch nehmen, sicherstellen müssen, dass sie ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter behalten. Die meisten Unternehmen wollen das machen, sie wollen aber auch ihre Mitarbeiterin­nen und Mitarbeiter abgesichert wissen. Deswegen ist es gut, dass bis zu 90 Prozent des Nettogehaltes weiter fortgezahlt werden.

Darüber hinaus haben wir eine Situation in den Familien, die für viele sehr schwierig, sehr angespannt ist. Das führt mich zu einer weiteren Maßnahme, die ich für sehr treffsicher halte, und das ist der Familienhärtefonds. Über diesen können Familien je nach Haushalts- und Familiengröße eine Unterstützung von bis zu 1 200 Euro pro Monat erhalten. Fast 70 000 Familien haben das bereits in Anspruch genommen, und es wurde ihnen eine Unterstützung zuteil, die sie auch wirklich dringend benötigt haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Für die Maßnahme haben wir insgesamt 150 Millionen Euro zur Verfügung, und das Geld brauchen wir auch, um die Familien zu unterstützen, durch diese schwierige Zeit zu kommen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Zum Schluss ein Appell, der lautet: Ich weiß – Karl Nehammer hat es in der Presse­kon­ferenz treffend auf den Punkt gebracht –, das Coronavirus und die Phase, in der wir sind, zipft uns alle schon an. Es ist wirklich kaum mehr auszuhalten, was wir alles erleben. Meine große Bitte ist: Halten wir alle zusammen, halten wir Abstand und schauen wir, dass wir gemeinsam bestmöglich durch diese Krise kommen! Dann, davon bin ich über­zeugt, wird das nächste Jahr ein gutes Jahr. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

11.49


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Markus Vogl. – Bitte.


11.49.32

Abgeordneter Ing. Markus Vogl (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Hohes Haus! Wir befinden uns in der größten Krise, die der österreichische Arbeitsmarkt jemals erlebt hat, und zum Glück – und vielleicht auch leider Gottes – können wir auf Erfahrungen, auf Methoden und Maßnahmen aus der Vergangenheit zurückgreifen. Eine dieser Maßnah­men – es wurde schon oft angesprochen – ist die Kurzarbeit, die sich auch heuer wieder als hilfreiche Maßnahme erwiesen hat.

Wir haben sie natürlich in einem Umfang einsetzen müssen, wie er eigentlich nie geplant war. Kurzarbeit war ein Instrument, das wir vorwiegend in der Industrie gekannt haben, welches jetzt auf weite Bereiche der Wirtschaft ausgedehnt wurde. Man merkt natürlich auch, es passt vielleicht nicht immer alles ganz zusammen, hat aber, glaube ich, im Großen und Ganzen gut geholfen.

Ich glaube, es ist auch wichtig – das habe ich selbst erleben dürfen, denn ich bin wahr­scheinlich der Abgeordnete mit der meisten Erfahrung mit Kurzarbeit –, diese Zeit zu nutzen. Kurzarbeit mit Qualifikation ist ein wesentliches Asset dafür, dass man diese Krise dann auch dafür nutzt, sich vorzubereiten, um dann beim Start sozusagen besser aus den Startblöcken rauszukommen. Darum ist es auch gut, dass es in der nächsten Phase diese Möglichkeit geben wird.

Ja, es wird viele Mittel für eine Stiftung geben. Ich komme aus einer Region, in der wir industrieerfahren sind. Frau Ministerin, wir haben seit 20 Jahren unsere eigene Stiftung.


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Wir finanzieren diese solidarisch gemeinsam, damit die Kolleginnen und Kollegen, die eine Umschulung brauchen oder möchten, auch die Möglichkeit haben. Meine Erfahrung bei solchen Themen ist: Es reicht nicht, dass man nur das Geld nimmt und sagt: Da habt ihr!, sondern es braucht wirklich Unterstützung, und das ist verdammt viel Arbeit. Genau darum geht es. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben nach der großen Wirtschaftskrise erleben müssen, als wir gut durch diese Wirtschaftskrise gekommen sind, als diese Mittel auch gegriffen haben, dass wir eine Sockelarbeitslosigkeit gehabt haben, die deutlich höher war als davor. Wir haben viele Maßnahmen gesetzt, um dagegen anzukämpfen. Das ist ein mühsamer Kampf, darum ist es gerade so wichtig, dass man diesen Kampf aktiv führt.

Sie haben gesagt, Sie haben jetzt 500 Menschen mehr im AMS. – Frau Ministerin, es sind 350 mehr, denn es sind nur ein paar nicht abgebaut worden. Wir haben aber deutlich mehr Menschen, die jetzt in der Arbeitslosigkeit sind, wir haben deutlich mehr Unterneh­men, die Kurzarbeit beanspruchen, und wir wollen jetzt auch noch diese Menschen mit Stiftungsmodellen besser betreuen. Das wird sich am Ende des Tages mit den vorhan­denen Ressourcen und Kapazitäten nicht ausgehen.

Natürlich ist es auch ein schönes Bild, zu sagen: überbetriebliche Lehrausbildung – wir wollen da flexibler werden, die Verträge machen wir jetzt nur mehr für ein Jahr. – Frau Ministerin, es ist aus Ihrer Sicht natürlich gut, dass Sie steuern können und sagen können: Ich habe weniger Bedarf!, aber ganz ehrlich: Qualifiziertes Trainingspersonal gibt es nicht in einem Kasten, den ich aufmache, und ich sage: Jetzt kommst du heraus, bildest mir ein Jahr lang Menschen aus, und wenn ich dich nicht mehr brauche, stelle ich dich in den Kasten zurück! Da braucht es Sicherheit, Planbarkeit, damit qualifizierte Ausbildung stattfinden kann, da braucht es längerfristige Modelle, und die sind gefordert. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich glaube, wir haben gesagt, wir lassen in dieser Krise keinen zurück, darum darf ich hier auch folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erhöhung der Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, umgehend dafür Sorge zu tragen, dass allen beim Arbeitsmarktservice als arbeitslos registrierten Personen inklusive Krankengeld­bezie­herInnen, ein „COVID-19-Ausgleich“ in Form eines 30-%igen Zuschlages zu allen Arbeitslosenversicherungsleistungen (Arbeitslosengeld und Notstandshilfe inklusive der Familienzuschläge) rückwirkend mit 1. April 2020 gewährt wird.“

*****

Lassen wir in dieser Krise niemanden zurück! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

11.52

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Muchitsch,


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Genossinnen und Genossen

betreffend Erhöhung der Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung

eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Budgetausschusses über das Bundesfinanzgesetz 2021 – BFG 2021 – UG 20 Arbeit

Die größte Gesundheitskrise unserer Zeit fordert enormen Tribut. Nicht nur die gesund­heitlichen Auswirkungen, sondern auch die wirtschaftlichen Folgen, sind explodiert.

Die Auswirkungen der Corona-Krise auf den Arbeitsmarkt sind dramatisch. Die Arbeits­losenzahlen explodieren derzeit wie auch schon im Frühjahr. Die Corona-Arbeits­losig­keit, also der krisenbedingte Abstand zum Vorjahr, beträgt 79.000 Personen. Derzeit sind 437.421 Personen ohne Job. In Kurzarbeit sind 132.984 Menschen. Bis Jahresende wird die Arbeitslosigkeit wohl auf über 500.000 steigen.

Die Regierung darf nicht tatenlos zuschauen, wie die Arbeitslosigkeit im Land steigt und steigt und immer mehr Menschen in existenzbedrohende Situationen schlittern.

Die Aussage von Bundeskanzler Kurz: „Koste es was es wolle!“ darf nicht zur hohlen Phrase verkommen, sondern muss mit Leben erfüllt werden.

Arbeitslose Menschen und ihre Familien brauchen jetzt eine bessere finanzielle Absiche­rung, weil es in Zeiten wie diesen nahezu unmöglich ist, wieder Arbeit zu finden. Umso wichtiger sind jetzt rasche Hilfen, welche die wirtschaftlichen bzw. sozialen Bedrohungen durch Corona für die ArbeitnehmerInnen abfedern.

Es ist notwendig, zu allen Leistungen der Arbeitslosenversicherung, also Arbeitslosen­geld, Notstandshilfe inklusive der Familienzuschläge, einen Zuschlag in der Höhe von 30 Prozent auszuzahlen. Damit ist eine Nettoersatzrate in der Höhe von 70 Prozent des bisherigen Einkommens gesichert.

Es braucht einfach eine bessere finanzielle Absicherung der von Arbeitslosigkeit Be­troffenen, unbürokratisch und ohne das AMS (Arbeitsmarktservice) noch mehr zu belasten, als es jetzt schon ist. Daher soll dieser Zuschlag automatisch (ohne Antrag) über die Finanzämter abgewickelt werden.

Dieser Zuschlag ist auch für die Zeit nach Corona notwendig, denn auch nach der COVID-Krise wird die Arbeitslosigkeit hoch bleiben – es braucht ausreichend Binnen­nachfrage, damit insbesondere die kleinen Unternehmen, der Wirt ums Eck, der Friseur etc. wieder Nachfrage haben.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachfolgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, umgehend dafür Sorge zu tragen, dass allen beim Arbeitsmarktservice als arbeitslos registrierten Personen inklusive Krankengeld­bezieherInnen, ein „COVID-19-Ausgleich“ in Form eines 30-%igen Zuschlages zu allen Arbeitslosenversicherungsleistungen (Arbeitslosengeld und Notstandshilfe inklusive der Familienzuschläge) rückwirkend mit 1. April 2020 gewährt wird.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht somit mit in Verhandlung.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 599

Nächster Redner: Herr Abgeordneter Nikolaus Prinz. – Bitte.


11.53.00

Abgeordneter Nikolaus Prinz (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Ich darf zum Kapitel Familie und Jugend zurückkehren. Im Budget­posten sind 7,59 Milliarden Euro enthalten. Ich darf nur zwei Punkte herausgreifen: 3,5 Milliarden Euro für Familienbeihilfe, 1,2 Milliarden für Kinderbetreuungsgeld. Das zeigt, dass insgesamt 89 Prozent in Richtung Transferleistungen gehen.

Ein wichtiger Aspekt im heurigen Jahr ist der Coronafamilienhärteausgleichsfonds, wodurch bereits 67 000 Familien Unterstützung von durchschnittlich 1 300 Euro erhalten haben, also eine sehr positive Angelegenheit.

Wir sind uns, glaube ich, alle einig, dass die Coronapandemie und die jetzige Situation für Familien eine Riesenherausforderung sind. Persönlich stelle ich mir manchmal die Frage, ob wir den Familien helfen, wenn die Opposition nur Probleme bejammert, aber keine Lösungen hat. Wir arbeiten gemeinsam an Lösungen, und natürlich geht es nur in gemeinsamer Arbeit, dass die Herausforderungen für alle, die betroffen sind, auch entsprechend bewältigt werden.

Apropos Corona und wie man das sieht: Ich glaube, dass man ruhig und nüchtern sagen darf: Die ÖVP, beide Regierungsparteien und die Regierung haben von Anfang an immer ganz klar eine Linie verfolgt und die Pandemie bekämpft, während andere Parteien, insbesondere – weil mich Herr Amesbauer so anschaut – die FPÖ, oder zumindest Teile davon, schon ganz gerne verharmlosen: Das ist ja nur so etwas wie ein bissel eine Grippe, es ist eh nicht tragisch, da passiert ja nichts. Mittlerweile wissen die Leute, dass das alles andere als eine Grippe ist, und da braucht man sich nicht nur die Zahlen anzuschauen. Da sollten sich alle ihrer Verantwortung bewusst sein. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf des Abg. Hafenecker.)

Worum geht es denn in der Politik? – Es geht in der Bekämpfung der Pandemie letztlich um das Durchstehen und darum, einen Gleichklang von Gesundheit und Wirtschaft zu finden – beides ist wichtig – und sie nicht gegeneinander auszuspielen. (Zwischenruf des Abg. Hafenecker.) Das, glaube ich, ist der entscheidende Punkt.

Viele Menschen machen mit – nicht deshalb, weil sie jetzt sagen, das ist alles so super und klasse, nein, sondern weil sie sehen, dass es notwendig ist. (Abg. Belakowitsch: Weil sie Angst haben vor drakonischen Strafen!) Dieser Verantwortung müssen wir uns bewusst sein.

Herr Kollege Amesbauer, gestern haben Sie während der Rede des Kollegen Werner Saxinger, der Arzt ist und geschildert hat, wie es auf einer Intensivstation in einem Krankenhaus ausschaut: Panikmache!, hineingerufen. (Zwischenruf des Abg. Hafenecker.) Wissen Sie, was der Volksmund dazu sagt? – Etwas hart ausgedrückt: Gegen Dummheit ist kein Kraut gewachsen! Etwas höflicher formuliert: Wem es der Herr nicht gegeben hat, von dem soll es der Mensch nicht verlangen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Grünen. – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Prinz, wir zitieren auch nicht Dinge, die die Würde des Hauses verletzen, selbst wenn es der Volksmund oder sonstige Zitate hergeben. Ich ersuche Sie, sich in der Ausdrucksweise zu mäßigen. (Beifall bei der FPÖ.) Ich glaube, Sie werden das schaffen.


Abgeordneter Nikolaus Prinz (fortsetzend): Ich werde mich bemühen. (Zwischenruf des Abg. Amesbauer.)

Weil Frau Kollegin Belakowitsch gerade einen Zwischenruf gemacht hat, wollte ich den Zuseherinnen und Zusehern sagen: Wenn man die letzte halbe, Dreiviertelstunde vielleicht


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jetzt nicht Zeit zum Zusehen gehabt hat, in der TVthek des ORF kann man das eine Woche lang anschauen. (Zwischenruf des Abg. Rauch.) Verantwortung zeigte die Rede der Kollegin Plakolm, etwas anderes war Ihre Rede. Man kann der Bevölkerung wirklich nur empfehlen, sich das anzuschauen.

Meine Bitte ist ganz einfach, dass man den Blick nach Möglichkeit über die Partei­gren­zen hinaus richtet. Ich weiß schon, der Standort bestimmt den Standpunkt, aber vielleicht bemühen wir uns trotzdem, dass wir den Blick für das Ganze haben.

Und wenn wir über das Kapitel Familie reden: Schützen wir uns nicht nur selbst, schützen wir auch das, was wir gerne haben, das, was wir lieben, und das sind unsere Familien. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

11.56


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Edith Mühlberghuber. – Bitte.


11.56.46

Abgeordnete Edith Mühlberghuber (FPÖ): Frau Präsident! Sehr geehrte Frau Bun­des­minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Seit mittlerweile neun Monaten befinden wir uns in einer riesengroßen Krise, und die Auswirkungen haben die Menschen in Öster­reich hart getroffen. Gerade in schwierigen Zeiten wie diesen ist es wichtig, Familien wertzuschätzen und das Bewusstsein für die Familien zu bekräftigen.

Viele Eltern haben ihren Job verloren oder sie müssen um ihren Arbeitsplatz bangen. Viele Eltern sind in Kurzarbeit und wissen nicht, wie es weitergehen soll. Gerade für Familien, für Eltern, die wenig Einkommen haben, die ein kleines Einkommen haben, die wirklich wenig verdienen, ist dieser Familienhärtefonds nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Da hat es anfangs bei den Auszahlungen wirklich gehapert: Viele Familien haben Wochen bis Monate warten müssen, bis sie finanziell unterstützt wurden. Ich hoffe, Frau Bundesminister, Sie haben das jetzt in den Griff bekommen und in Zukunft wird die Auszahlung rascher getätigt.

Dieser Fonds wird um 50 Millionen Euro aufgestockt, das ist auch notwendig und richtig, denn die extrem hohe Arbeitslosigkeit ist mit Abstand die höchste in der Zweiten Re­publik und wird in den nächsten Monaten auch noch höher werden. Das wissen wir ja, das wird auch immer schon von den Experten gesagt. Genau diese hohe Arbeitslosigkeit erzeugt ja ein immenses Loch in unserem Familienlastenausgleichsfonds; aus diesem Fonds werden die Familienbeihilfe und das Kinderbetreuungsgeld bezahlt, und auch Unterhaltsvorschusszahlungen werden aus diesem Fonds finanziert. Zwei Drittel von dem, was ich jetzt gerade angesprochen habe, wird ja aus dem Familienbudget bezahlt.

Die Zahlungen für den Unterhaltsvorschuss werden mit 137,7 Millionen Euro budgetiert. Frau Familienminister, das haben wir beim letzten Budget auch schon gehabt. Da hat sich überhaupt nichts geändert, und Sie wissen auch ganz genau, dass diese Summe nicht halten kann, dass das viel zu wenig ist, dass das viel zu gering budgetiert worden ist, denn durch die durch die Krise verursachte Arbeitslosigkeit wird es ja zu noch deutlich weniger Rückzahlungen von Unterhaltsvorschüssen kommen, und daher entsteht auch da ein riesengroßes Loch.

Frau Bundesminister, ich möchte aber noch zu einem Thema kommen, bei dem Sie mich wirklich schon längere Zeit in den Ausschüssen immer vertrösten, und zwar ist das die Doppelresidenz. Ich weiß, Sie sagen mir dann wieder, das hat mit Ihnen, mit Ihrem Ministerium nichts zu tun, das wird ja im Justizministerium von Ihrer Kollegin behandelt. Dort gibt es ja jetzt schon drei Jahre eine Arbeitsgruppe.


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Wenn ich daran denke, dass es die gemeinsame Obsorge inzwischen seit 2011 gibt – neun Jahre, knappe zehn Jahre; schon damals wäre die Doppelresidenz beinahe um­gesetzt und im Gesetz verankert worden –, aber es ist wieder blockiert worden, und der Mut und das Durchsetzungsvermögen der ÖVP haben wieder einmal versagt.

Die Doppelresidenz hat sehr wohl etwas mit Familie zu tun: Sie betrifft Eltern und sie betrifft das Wohl von Kindern, und gerade in der gegenwärtigen Krise wäre die Doppel­residenz wichtig. Sie würde auch viele Vorteile für Eltern und ihre Kinder bringen; gerade jetzt im Lockdown spüren Eltern, wie schwierig es ist, dass man Arbeit und Kinder­betreuung unter einen Hut bringt, und genau diese Doppelresidenz wäre zum Wohle der Eltern und Kinder in unserem Land und würde Großes beitragen. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

12.00


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Rebecca Kirchbaumer. – Bitte.


12.01.03

Abgeordnete Rebecca Kirchbaumer (ÖVP): Frau Präsidentin! Werte Frau Bundes­ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen hier im Saal und liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! 376 000 Menschen sind arbeitslos, 170 000 Menschen sind in Kurz­arbeit, und davon sind 122 000 Menschen Langzeitarbeitslose. (Abg. Wurm: ...tausend!) 40 000 Menschen haben im letzten Monat wieder Arbeit gefunden. Daher möchte ich Dankeschön sagen, dass Unternehmerinnen und Unternehmer trotz der Krise Menschen anstellen. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) 64 700 offene Stellen gibt es in Öster­reich, also wären diese für Menschen, die arbeitswillig wären, auch zu finden.

Zu Kollegen Muchitsch, der momentan nicht im Saal ist, aber grundsätzlich zur SPÖ, das betrifft auch Kollegin Heinisch-Hosek, möchte ich sagen: Von Ihrer Seite wird darüber geschimpft, dass die Regierung nur für Unternehmerinnen und Unternehmer etwas tut. Ich möchte an dieser Stelle schon sagen, Unternehmerinnen und Unternehmer schaffen die Arbeitsplätze in Österreich, und sie brauchen die Unterstützung, dass sie auch derzeit Arbeitsplätze erhalten und schaffen können. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Bürstmayr.)

Zur Sonderbetreuungszeit möchte ich auch etwas sagen: Wir haben ganz klar geregelt, dass Eltern zu Hause bleiben dürfen, wenn Schulen geschlossen sind – aus welchen Gründen auch immer. Was machen wir aber mit Menschen, die Pflege brauchen? Sollen alle Menschen, die im Handel arbeiten, zu Hause bleiben? Wie gelingt dann die Ver­sorgung? Das wäre meine Frage. Lassen wir dann die alten Menschen in den Alten­heimen in ihrem Elend liegen? Die Menschen könnten dann auch nicht mehr einkaufen gehen, weil dann auch im Handel keine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mehr vorhanden wären. (Abg. Wurm: Der Handel ist zu! Der Handel ist zu!)

Zu Kollegen Wurm: Lieber Kollege Wurm, die liebe FPÖ, deine Fraktion, sagt immer: Es ist ja nur eine Grippe!, von Anfang an (Abg. Wurm: Wer sagt das? Wer sagt das? – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), und das stimmt so einfach nicht! Das Virus wurde auch nicht von dieser Regierung geschaffen, sondern es handelt sich um eine weltweite Krise (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), dieses Virus ist weltweit vorhanden. – Das hast du gesagt. (Abg. Belakowitsch: Das hat niemand gesagt ...!)

Es ist so, dass diese Regierung alles versucht, um die Gesundheitskrise wie auch die Wirtschaftskrise so zu überstehen, dass wir alle aus dieser Krise kommen (Abg. Loacker: Schau mal, was andere ...!), und ich glaube, das ist der Weg, den wir gehen sollen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

12.03



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 602

Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Josef Schellhorn, Sie gelangen zu Wort. – Bitte.


12.03.50

Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Frau Präsident! Frau Minister! Ich weiß ja nicht, ob ich mich vielleicht bei Ihrer Rede verhört habe, aber ich habe eben noch einmal nachgeschaut: Wenn ich Sie richtig interpretiere, haben Sie gesagt, Sie wenden 39 Mil­liarden Euro für Beschäftigung auf – in der UG 20 finde ich 12 Milliarden Euro. Es kann natürlich Parallelen zwischen Ihnen und dem Herrn Finanzminister geben, der mit den Nullen ein bissel Probleme hat, indem Sie auch mit den Zahlen ein bissel Probleme haben. Insofern würde ich mir da eine Klarstellung wünschen. 12 Milliarden für Beschäfti­gung ist nämlich auch die Zahl, die im Budget steht, und das wäre offensichtlich ein bissel weniger als die 39 Milliarden, von denen Sie gesprochen haben.

Es sind aber ganz andere Punkte, die ich beleuchten möchte, und zwar betrifft der erste Punkt die Lehrlinge. Wenn wir den Durchschnitt im Zehnjahresvergleich betrachten, dann hat sich der von 131 000 Lehrlingen auf 109 000 minimiert, und ich glaube, dass die Zahl weiter nach unten gehen wird. Das ist schon auch immer wieder ein Thema: Wenn man ausgebildete Fachkräfte benötigt, dann muss man auch andere Maßstäbe setzen, dann muss man endlich auch einmal dieses Bildungsthema angehen, für Lehrberufe, für Fachkräfte.

Ich glaube auch, dass es wichtig ist – Sie werden meine Ansätze noch nicht kennen, aber viele ÖVPler kennen sie –, dass die Mittlere Reife dringend einmal angegangen werden sollte, denn es ist nicht zumutbar oder faktisch nicht durchführbar, dass 14-Jährige heutzutage selbst die Entscheidung treffen, ob sie eine Lehre machen. Die meisten Eltern wollen nämlich naturgemäß, dass sie etwas anderes machen, und zwar eine Matura, eine höherbildende Schule. Ich glaube, dass die Mittlere Reife und die Entscheidungsfähigkeit von jungen Menschen auch jenen übergeben werden muss, die diese Entscheidung treffen müssen, nämlich den an Lehrberufen Interessierten selbst. Den Zyklus von neun Pflichtschuljahren auf zwölf Pflichtschuljahre zu ändern, würde langfristig auch dem Fachkräftemangel entgegensteuern.

Der dynamische Markt wird auch besonders gebeutelt, wenn es um die Lehrlinge geht, da braucht es andere Systeme. Da braucht es natürlich auch Verlässlichkeit, Flexibilität, Leistungsgerechtigkeit und die Ausbildung – Skills, Skills, Skills. Das müssen Sie auch entsprechend angehen.

Der zweite Punkt ist, dass Sie im Regierungsprogramm – und ich glaube, das Regie­rungsprogramm kennen Sie – festgelegt haben, den Faktor Arbeit zu entlasten. Ich glaube, dass gerade den Faktor Arbeit zu entlasten der Schlüssel ist, damit wir mehr Beschäftigung kreieren. Ich brauche nur den Bereich Tourismus zu betrachten: Der Wintertourismus wird sich spektakulär abspielen, nämlich spektakulär negativ.

Wir haben in der Regel im Tourismus an die 240 000 Beschäftigte, nur wird dieses Jahr die Zahl der Arbeitslosen unter ihnen in diesem Bereich dramatisch steigen und die Beschäftigungszahl im Tourismus dramatisch sinken. Ich glaube, den Faktor Arbeit zu entlasten ist die oberste Maxime, nur findet man in Ihrem Budget nichts davon, und das ist eigentlich das Bestürzende daran. Selbst Experte Johannes Kopf sagt, dass Kurz­arbeit keine Dauerlösung sein kann, sondern kurzfristig hilft, um gewisse Krisen zu überstehen – nur dauert diese Krise schon über sieben, acht Monate, und sie wird noch viel, viel länger bestehen, nämlich bis mindestens ins Frühjahr hinein. Ich glaube daher, das Einzige, was man als Schüssel oder als Schraubenzieher betrachten und in die Hand nehmen kann, heißt: Faktor Arbeit entlasten. Die Mitarbeiter müssen mehr verdienen und weniger kosten. Mehr Netto, weniger Brutto, das ist der Schlüssel für Beschäftigung und der Schlüssel für Konsum, nur finde ich im Budget nichts dafür.


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Lassen Sie mich zu guter Letzt noch sagen: Gerade in der jetzigen Zeit fehlt ein Programm für das Homeoffice. Wo ist es? Nun brauche ich de facto auch eine klare Regelung. Sie haben sie bis März 2021 angekündigt – da ist hoffentlich die Krise am Abklingen –, aber sie liegt jetzt noch nicht vor. Warum nicht? Ich frage mich: Wo ist da die Schwierigkeit? Das scheint keine Raketenwissenschaft zu sein. Es scheint wirklich keine Raketenwissenschaft zu sein, sich auch mit den Sozialpartnern zusammen­zuset­zen und diesbezüglich an einer Lösung zu arbeiten. Es geht ja um die Eltern, es geht um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das Wichtigste ist, dass sie, auch wenn sie zu Hause sind, eine klare Regelung haben – das ruft nach Verlässlichkeit!

Kollege Prinz hat ja gesagt, die Opposition schreit nur, aber bringt keine Lösung. – Herr Kollege Prinz, ist die Mittlere Reife kein Vorschlag? Ist die Homeofficeregelung kein Vorschlag? Ist den Faktor Arbeit zu entlasten kein Vorschlag? – Wir bringen laufend Vorschläge, aber ihr lehnt sie ab, wie eben beim Wirtschaftspaket, das wir vorgeschla­gen haben, das nämlich für die nächsten fünf Monate ganz essenziell ist, da geht es wirklich um alles, da geht es nicht nur um ein paar Hoteliers und ein paar Wirte. Da geht es, wie gestern auch Frau Minister Köstinger gesagt hat, um einen Tischler, um einen Installateur und um alles.

Warum lehnen Sie das alles ab, Kollege Prinz? Das sind Vorschläge der Opposition. Sie sind aus eurer Sicht nicht einmal unvernünftig, aber stante pede muss man dagegen sein, weil man parteipolitische Interessen hat – und nicht, weil es um das Wohl dieser Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie der Unternehmerinnen und Unternehmer geht.

Ihr glaubt, am 30. November ist das mit dem Lockdown vorbei und dann wird sich das schon irgendwie regeln – dann machen wir vielleicht irgendetwas Erratisches noch einmal mit irgendeinem Umsatzersatz, aber damit ist es nicht getan. Diese Krise am Arbeitsmarkt und am unternehmerischen Markt dauert viel, viel länger, als ihr euch vor­stellen könnt, und ihr habt keine Maßnahmen auf den Tisch gelegt. Das beste Beispiel ist die Homeofficeregelung, die frühestens im März kommt. (Beifall bei den NEOS.)

12.10


Präsidentin Doris Bures: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeord­neter Christian Hafenecker zu Wort gemeldet. – Bitte.


12.10.48

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Frau Kollegin Kirchbaumer, ich gebe zu, ich passe normalerweise nicht so exakt auf, wenn Sie etwas sagen, weil ich auch andere Dinge zu tun habe, aber ich möchte mich jetzt trotzdem zu einer tatsächlichen Berichtigung melden, weil das, was Sie vorhin gesagt haben, genau die Strategie der ÖVP aufzeigt. Sie behaupten hier nämlich völlige Falschheiten: Sie haben gesagt, die FPÖ behaupte ständig, Covid-19 sei ja nur so etwas wie eine Grippe.

Frau Kollegin Kirchbaumer, ich berichtige tatsächlich: Die FPÖ hat nie – und ich sage noch einmal ausdrücklich: nie – geleugnet, dass es diese Krankheit Covid-19 gibt. Was wir immer kritisieren – da sollten Sie vielleicht einmal ein bisschen besser aufpassen –, sind die Maßnahmen, die Sie setzen. Die kritisieren wir, weil wir sie für völlig falsch halten. (Zwischenruf des Abg. Stögmüller.)

Wenn Sie den Konnex zur Grippe herstellen, Frau Kollegin, möchte ich am Ende meiner tatsächlichen Berichtigung noch eines sagen: Schlagen Sie die Seite Euromomo auf! Das ist die Sterblichkeitsstatistik der Europäischen Union. Vergleichen Sie die Zahlen von 2017/18 – da hat eine Grippewelle in Europa gewütet – mit den Zahlen von jetzt! Sie werden draufkommen, dass die Sterblichkeit jetzt deutlich unter den Zahlen von 2017/18


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liegt. (Zwischenruf der Abg. Baumgartner.) Wenn Sie sich dann weitergebildet - - (Bei­fall bei der FPÖ.)

12.11


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter, das war schon eine ein bisschen lange Berichtigung des Sachverhalts, darum habe ich Sie jetzt unterbrochen. (Abg. Wurm: Ist noch gegangen!)

Nun gelangt als nächster Redner Herr Abgeordneter Laurenz Pöttinger zu Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Rauch: ... objektive Vorsitzführung abseits von Sobotka!)


12.12.20

Abgeordneter Laurenz Pöttinger (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zu­seher! Ich habe mir heute vorgenommen (Abg. Belakowitsch: Sachlich zu bleiben!), dass ich, obwohl ich bei den wortgewaltigen Oppositionspolitikern zum Thema Arbeit eine sehr lange Liste geschrieben habe (Zwischenruf des Abg. Rauch), bei welchen Punkten ich nicht ihrer Meinung bin, das nicht kritisieren will. (Abg. Belakowitsch: Sie haben noch nicht Danke gesagt!)

Ich hoffe nur, dass Sie beim Statement unserer Ministerin aufgepasst haben (Abg. Belakowitsch: Danke nicht vergessen!), denn es war alles drinnen, bei dem Sie immer gesagt haben, dass dieses und jenes fehle und wir dieses und jenes nicht gemacht hätten. Ich möchte heute sogar Herrn Kollegen Wurm loben. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Sie sagten: Die Wirtschaft schafft die Arbeitsplätze. Da gebe ich Ihnen zu 100 Prozent recht. (Abg. Hafenecker: Die wollen uns schon wieder Leute ...!)

Jetzt muss ich ganz ehrlich sagen: Wir wissen, was momentan am Arbeitsmarkt los ist. Wir wissen, dass wir die schwerste Wirtschaftskrise seit vielen Jahrzehnten haben. Wir wissen, dass wir über 70 000 Menschen mehr in Arbeitslosigkeit haben als im Ver­gleichs­zeitraum 2019, und wir wissen, dass wir die Kurzarbeitsregelung haben, um uns vor einer noch höheren Arbeitslosigkeit zu schützen. (Abg. Kassegger: Die Statistik zu vermeiden!) Diese Kurzarbeitsregelung wird uns auch im zweiten Lockdown helfen (Abg. Belakowitsch: Im dritten auch!), das haben wir schon im ersten Lockdown gesehen. Wenn Sie sich die Kurven ansehen, erkennen Sie, dass das hervorragend gewirkt hat. Wir hatten schlussendlich sehr wenige Menschen in Kurzarbeit, aber das hilft uns auch jetzt wieder.

Das Budget für 2021, das dafür mit 1,5 Milliarden Euro ausgestattet ist, hilft uns, Men­schen vor Arbeitslosigkeit zu bewahren und Kündigungen zu vermeiden und auch den Betrieben die Sicherheit zu geben, dass dann, wenn dieser Spuk mit dem Coronavirus hoffentlich bald vorbei ist, die Arbeit wieder voll losgeht, die Menschen schlussendlich wieder in ihrer gewohnten Tätigkeit weiterarbeiten können und somit auch zum Auf­schwung beitragen. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Es gibt unglaublich viele Hilfen, die alle schon erwähnt wurden. Eines möchte ich schon noch sagen: Der Fokus soll darauf liegen – das ist mir ganz besonders wichtig –, dass wir die Menschen wieder in Arbeit bringen und sie aus der Arbeitslosigkeit heraus­kom­men, weil Arbeit – das wissen wir alle – sinnstiftend und gut für unsere Seele und unseren Geist ist. Ich glaube, es geht nicht nur darum, dass das Einkommen geregelt ist, sondern auch das gesellschaftliche Leben braucht es, damit wir uns wohlfühlen.

Eine positive Meldung – das haben mir viele fast nicht geglaubt, aber ich habe heute extra noch einmal beim IHS, bei Professor Kocher, nachgefragt –: Sie werden es wahrscheinlich nicht glauben, aber die Hilfen sind tatsächlich angekommen, denn wir haben im heurigen Jahr einen Einkommensverlust von ungefähr 1 bis 2 Prozent. Das


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bestätigt, dass die Hilfen angekommen sind. – Danke. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischen­ruf der Abg. Belakowitsch. – Abg. Wurm: Bei wem?)

12.16


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Petra Oberrauner. – Bitte.


12.16.18

Abgeordnete Mag. Dr. Petra Oberrauner (SPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher zu Hause! Ich bin in einer Tageszeitung auf einen erhellenden Artikel gestoßen. Da steht – ich zitiere –: „Wegen des Lockdowns verschlechtert sich die Lage am Arbeitsmarkt jetzt wieder dramatisch: Österreichweit sind rund 613 600 Menschen arbeitslos oder in Kurzarbeit, und die Zahlen steigen weiter. Die Politik appelliert an Betroffene durchzuhalten – wenn 2021 der Aufschwung kommt, werden sie wieder gebraucht.“

Das ist ein Armutszeugnis. Wir erleben die größte Wirtschafts- und Arbeitsmarktkrise der Zweiten Republik. Bis Weihnachten werden wahrscheinlich 500 000 Menschen arbeits­los sein – ein schlimmes Schicksal für jeden einzelnen Betroffenen, die Lebenspartner, die Familie und die Kinder. Diese Regierung hat für diese Menschen Durchhalteparolen und Heilsversprechen übrig: Weihnachten, wie es früher einmal war. Da kann ich nur sagen: wohl eher nicht. Sorgen, finanzielle Engpässe, Angst vor der Zukunft und ein bisschen notwendige Kraft, um den Kindern ein Weihnachten in relativer Normalität zu bieten, das steht uns wohl eher bevor.

Das Budget ist jedenfalls keine Antwort auf die Krise, dafür fehlt es an Perspektive und an finanzieller Durchschlagskraft. Es lässt die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und die täglich wachsende Zahl der unschuldig arbeitslos Gewordenen im Stich. So sind Sonderhilfen durch die Coronaarbeitsstiftung auf die nächsten zwei Jahre begrenzt, danach soll beim AMS wieder rapide gespart werden, obgleich die massive Arbeits­losigkeit bis dahin niemals abgebaut sein kann.

Außerdem bedeuten die Budgetzahlen nichts anderes, als dass die Regierung trotz der gewaltigen Arbeitsmarktkrise in Relation zur Zahl der Arbeitslosen jetzt weniger Geld für die Arbeitsmarktförderung einsetzen will als in der Hochkonjunktur. Es fehlen die Mittel, um die Einkommensverluste der unverschuldet in Arbeitslosigkeit Geratenen abzu­federn.

Herr Pöttinger, ich möchte Ihnen etwas zum Thema: „Die Wirtschaft schafft die Arbeits­plätze“, sagen. Die Wirtschaft schafft schon Arbeitsplätze, aber ohne Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gibt es keine Wirtschaft. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.) Ohne das Einkommen dieser Menschen, das sie für die Produkte, die Sie produzieren, ausgeben, wird es auch zukünftig keine Wirtschaft geben.

Ich möchte sagen: Der Regierung mangelt es wirklich an Perspektive. Sie drängen in der Krise die Frauen aus dem Arbeitsmarkt und haben für die Ausbauziele der Kinder­betreuung nichts übrig. Die Sonderbetreuungszeiten werden jetzt mit Zustimmung der Arbeitgeber abgegolten, und mitten in der Krise erdreisten Sie sich, den Menschen, die über 45 Jahre hart für die Gesellschaft gearbeitet haben, still und heimlich die Pensionen zu rauben. Das Budget dieser Regierung ist ein beispielloses Monument der Inkom­petenz und der mangelnden Empathie der Menschen, Entschuldigung, den Menschen gegenüber – ich bin echt aufgeregt, weil ich zornig über diese Art bin –, die auch wegen der Fehler der Regierung in Not geraten sind. Ich bin gespannt, wie und vor allem wer den Menschen, die mit ihren Steuern den Haushalt finanzieren, diese Folgen Ihrer Entscheidungen erklären wird. Marketing wird dafür nicht reichen. (Beifall bei der SPÖ.)

12.19



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 606

Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Alexandra Tanda. – Bitte.


12.20.09

Abgeordnete Ing. Mag. (FH) Alexandra Tanda (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Ministerin! Als letzte Rednerin meiner Fraktion möchte ich wirklich eine Lanze für das Familienbudget brechen. Es ist wichtig. Es stellt die notwendigen Mittel zur Ver­fügung. Damit können wir wichtige familienpolitische Maßnahmen ergreifen. Wie Kollege Sieber heute bereits gesagt hat, reden wir über knapp 7,6 Milliarden Euro für die Unterstützung von Familien bei der Bewältigung der Herausforderungen im Alltag.

Im Vergleich zum Vorjahr werden circa 200 Millionen Euro mehr in die Hand genommen. Natürlich werden damit die wichtigen Leistungen wie Familienbeihilfe, Kinderbetreu­ungsgeld, Schulbücher, Transferzahlungen für Pensionsbeiträge und so weiter und so fort budgetiert, vielmehr aber noch wird mit diesem Budget auch auf die Auswirkungen der Coronakrise reagiert. Gerade Familien trifft diese Krise am härtesten, und so sind 2020 bereits 665 Millionen Euro an Einmalzahlungen, 117 Millionen Euro aus dem Familienhärteausgleichsfonds und 20 Millionen Euro für die Verlängerung der Familien­beihilfe ausbezahlt worden. Wenn man es zusammenzählt, sind das 802 Millionen Euro zur Abfederung der ärgsten finanziellen Belastungen der Familien. Dass das Geld bei den Familien ankommt, haben wir gesehen: im Herbst, im September, 360 Euro zusätz­lich, gemeinsam mit der regulären Kinderbeihilfe, dem Schulstartgeld, in Summe bis zu 1 100 Euro unbürokratisch ohne Formular.

Was mir ganz besonders wichtig ist: Wenn ich von Familie spreche, spreche ich nicht von den Hochglanzbildern der Werbung in Print und TV, sondern ich spreche von der berufstätigen alleinerziehenden Mutter, die sich eventuell noch berufsbegleitend weiter­bildet und ständig an ihrer Belastungsgrenze kratzt – ich gendere das bewusst nicht, denn das ist Lebensrealität für mehr als 90 Prozent der alleinerziehenden Frauen (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), und ich weiß, wovon ich hier spreche. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

In diesem Budget wird der Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch den Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen, Auszahlungen von Kinderbetreuungsgeld und dem Familien­zeitbonus für Väter Rechnung getragen. Ich freue mich wirklich sehr, dass es immer mehr Männer gibt – ich kenne persönlich auch einige –, die das auch in Anspruch neh­men; die Kinder werden es ihnen danken, wenn sie erwachsen sind. (Beifall der Abge­ordneten Prinz und Stögmüller.)

Einen ganz wichtigen Punkt dürfen wir nie außer Acht lassen: Familie ist leider auch oft ein Ort der Gewalt an Frauen und Kindern, daher ist es so wichtig, dass das Budget auch die notwendigen Gelder für den Ausbau von anonymen und kostenlosen niederschwel­ligen Beratungsleistungen für Familien, zur Förderung von Elternbildung, für Gewaltprä­vention, für Projekte zur Eltern- und Kinderbegleitung in Scheidungs- und Trennungs­situationen, für Familienmediationen vorsieht – auch da weiß ich, wovon ich spreche.

Nachdem das Danken aufseiten einiger Kollegen von der Opposition so unpopulär geworden ist, möchte ich es hier einmal anders formulieren: Ich bin dankbar, dankbar für die Leistungen, an die wir uns alle schon so gewöhnt haben und die wir für selbst­verständlich erachten. Ich weiß auch da, wovon ich spreche. – Vielen Dank, Frau Bun­desministerin. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

12.23


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Wolfgang Zanger. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 607

12.24.05

Abgeordneter Wolfgang Zanger (FPÖ): Frau Präsident! Frau Minister! Man könnte heute auch als Überschrift nehmen: Das wichtigste und wesentlichste Element des Staates wird von der ÖVP und den Grünen nachhaltig zerstört, nämlich die Familie.

Warum ist das so? – Schauen wir uns einmal eure Botschaften an: Wir sperren zu! Treffen Sie niemanden! Keine Familienfeiern! Die Jugendlichen dürfen keine Geburts­tags­partys feiern! Kleine Kinder sind auf Distanz voneinander zu halten – etwas besonders Schäbiges! Wir sperren euch ein! (Zwischenruf des Abg. Stögmüller.) Wir schnüffeln in eure privaten Bereiche hinein! – Alles, was Familie ausmacht, alles, was unsere kleinstrukturierte Wirtschaft ausmacht, wie Familienbetriebe, alles, was man gemeinhin als bodenständig bezeichnet, all das zerstört ihr mutwillig und mit einer Konsequenz, die ihresgleichen sucht. (Beifall bei der FPÖ.)

Ihr entzieht den Kleinunternehmen und Familienbetrieben das Grundrecht, ein Einkom­men zu erwirtschaften. Ihr begeht ein Attentat auf die fleißigen Kleinunternehmen und Familienbetriebe, auf alle, die mit zwei Beinen fest auf dem Boden dieses Landes stehen, fleißig dafür arbeiten und mit aller Kraft dafür sorgen, dass Familie überhaupt noch funktionieren kann, und das alles mit einer herzlos und brutalst durchgezogenen Politik im Sinne der Großbetriebe und Konzerne, die ihr noch mit Millionen und Milliarden an Förderungen zuschüttet.

Die bodenständigen Menschen, die Familien, sie alle wollt ihr in eine Abhängigkeit von diesen Konzernen bringen. Ihr, die angeblich Christlichsozialen, zerstört mutwillig und bewusst unsere 2 000 Jahre alten christlichen Werte. Es gibt kein Laterndlfest, es gibt keinen Nikolaus, es gibt keine leuchtenden Kinderaugen beim Nikolaus (Zwischenruf des Abg. Stögmüller), es gibt keine Emotionen beim Krampus, und was zu Weihnachten noch passiert und auf uns zukommt (Abg. Schmuckenschlager: Der Krampus ist anscheinend eh heute schon dagewesen! – Heiterkeit bei der ÖVP), das will ich noch gar nicht wissen. (Beifall bei der FPÖ.)

Ihr braucht in Wahrheit zu Weihnachten gar nicht aufzusperren, denn ihr habt den Familien die Freude an diesem Fest bereits genommen. Allein durch die finanziellen Einbußen, die sich aus Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit ergeben, bleibt ihnen nämlich eh kein finanzieller Spielraum mehr, damit die Kinder mit leuchtenden Augen unter dem Christbaum Geschenke aussuchen und aufmachen können.

Die Leute haben ja in Wahrheit vor euch und euren Maßnahmen schon viel mehr Angst als vor dem Virus. Dass Herr Kurz und Herr Anschober mit dieser Kritik nichts anfangen können, ist klar, denn die haben ja keine Kinder, aber Sie, Frau Minister Aschbacher, Sie haben welche, und von Ihnen würde ich mir da mehr Verständnis erwarten, aber Sie spielen da erstaunlicherweise und auch enttäuschenderweise mit. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Wenn ich Sie da sitzen sehe, dann sehe ich Sie wie den sprichwörtlichen blonden Engel, und da würde ich mir schon wünschen, dass Sie jetzt auch ein bisschen wie ein Engel auf die Familien wirken. Sie könnten beispielweise eines tun: Kollege Wurm hat mit dem 1 000-Euro-Gutschein für jeden Österreicher einen super Antrag eingebracht, und mit diesem wäre jetzt vor Weihnachten den Familien und selbstverständlich auch unseren Wirtschaftsbetrieben noch geholfen. (Beifall bei der FPÖ.)

Ihr habt in diesem Jahr so viele Menschen an den Rand der Verzweiflung gebracht, wie es keine Regierung zuvor geschafft hat, daher wäre das das Mindeste. (Zwischenruf der Abg. Pfurtscheller.) Die Freiheitliche Partei kann das aufgrund der derzeitigen Mehrheits­verhältnisse momentan leider nicht ändern, aber eines können wir: Wir können all den Verzweifelten – den Kleinunternehmern, den fleißigen Hacklern, unseren Familien,


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unseren Jugendlichen und den traurigen Kindern – unser Ohr und eine Schulter zum Anlehnen leihen und wir können ihre Geschichten erzählen, hier am Platz der freien Rede, um ihre Stimmen hier ertönen zu lassen, und das werden wir tun, solange der Gefrierschrankkanzler mit seiner den schalen Geruch der Meinungsdiktatur verströmen­den Regierung an der Macht ist. (Beifall bei der FPÖ.)

12.28


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Ewa Ernst-Dziedzic. – Bitte.


12.28.14

Abgeordnete Dr. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Werte Kollegen und Kolleginnen! Es ist gut und richtig, dass wir heute so ausführlich über diesen Themenkomplex samt allen Herausforderungen für Familien und natürlich auch für die betroffenen Kinder sprechen.

Doch so, wie Gewalt nicht nur besonders Frauen betrifft, sondern grundsätzlich vulne­rable Gruppen, die sehr oft an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden und mit Hatespeech und Hatecrime kämpfen müssen, besteht Familie ja nicht immer nur aus einem zeugungsfähigen Mann und einer empfängnisfähigen Frau. Familie ist bekannt­lich dort, wo Liebe herrscht, Familie ist dort, wo Menschen Verantwortung füreinander übernehmen und füreinander sorgen, und Familie ist auch dort, wo Kinder und Jugend­liche Akzeptanz erfahren. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Familien sind – die Kollegin hat es gesagt – tatsächlich nicht mit Hochglanzpublikationen vergleichbar. Sie sind aber auf jeden Fall vielfältiger, als so mancher hier im Raum wahrscheinlich wahrhaben möchte. Patchworkfamilien, AlleinerzieherInnen oder auch Regenbogenfamilien sind, wie wir wissen, Realität – die Politik hinkt da immer hinterher.

In den letzten Jahren gab es da zwar viele Fortschritte, jedoch wurden diese nicht von der Politik gesetzt, sondern größtenteils von den Betroffenen erkämpft oder durch Gerichtsurteile erzwungen (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), sei es zum Beispiel die Öffnung der medizinisch unterstützten Fortpflanzung 2015, die Möglichkeit der Adoption für gleichgeschlechtliche Paare 2016 oder dass solche Paare in allen Bundes­ländern in Österreich eben auch Pflegeeltern werden dürfen. Ich weiß nicht, ob Sie das wissen: Niederösterreich ließ sich damit gar bis 2017 Zeit.

Stichwort Kinderrechte: Alle Studien kommen zum Schluss, dass es Kindern nicht schlechter geht (Abg. Belakowitsch: Haben Sie zum Budget auch was zu sagen? – Ruf und Gegenruf der Abgeordneten Stögmüller und Belakowitsch), wenn sie in anderen als den Mehrheitsfamilienformen nicht nur zur Welt kommen, sondern auch aufwachsen. Sie brauchen, das ist ganz wichtig, Bezugspersonen und eine gute Einbettung. So geht es auch immer darum, dass die Rechte aller Familienformen, in dem Fall eben auch von Regenbogenfamilien, von der Politik zu gewährleisten sind, damit die Kinder nicht von der Stigmatisierung der Eltern selbst berührt werden.

Wir müssen die Rahmenbedingungen dafür schaffen, da gibt es noch einige Hausauf­gaben zu erledigen. So wurde zum Beispiel im Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch schlicht vergessen, auch lesbische Ehepaare zu erwähnen. Nach wie vor ist dort nur von der eingetragenen Partnerin die Rede. Das hat zur Folge – und ich kenne sehr viele Frauen und Paare, die davon betroffen sind –, dass absurderweise diese Ehefrauen für ihr Kind erst eine langwierige Elternschaftsanerkennung durchlaufen müssen und auch die Obsorge erst extra beantragt werden muss.

Das müssen wir ändern! Das tut niemandem weh, außer eben den betroffenen Kindern, die spüren, dass ihre Eltern hier in Österreich im Jahr 2020 weiterhin schikaniert werden. In diesem Sinne und auch angesichts des morgigen Tages der Kinderrechte: Es ist Zeit,


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diese Schikanen gänzlich zu beenden und für alle Familien in Österreich Rechtssicher­heit zu schaffen! – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Belakowitsch: Sind Sie wieder in Opposition?)

12.32


Präsidentin Doris Bures: Als nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Petra Wimmer zu Wort gemeldet. – Bitte.


12.32.14

Abgeordnete Petra Wimmer (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Frau Ministerin! Wie geht es den Familien in Österreich? – Sie haben große Sorgen und stehen seit Beginn der Coronakrise jeden Tag vor neuen Herausforderungen und enormen Belastungen. Eine sehr aktuelle Imas-Studie sagt, dass 34 Prozent der Familien eine Verschlechterung ihrer finanziellen Situation befürchten, 31 Prozent sorgen sich, die Vereinbarkeit von Familie, Beruf und den geforderten Aufgaben der Schule nicht bewältigen zu können – und das sind nur zwei Zahlen, die belegen, mit welch großen Belastungen Familien seit April umgehen müssen. Verstärkt wird diese Belastung jetzt noch einmal besonders durch den aktuellen Lockdown.

Eine Folge dieser kontinuierlichen Belastung zeigt sich auch in einem vermehrten Zulauf in den Familienberatungsstellen. Es ist daher sehr enttäuschend für die Familien­bera­tungsstellen, dass die Budgetmittel wieder nicht erhöht werden und sie mit gleicher finanzieller Ausstattung ein Mehr an Beratungen für die psychosoziale Gesundheit unserer Familien werden leisten müssen.

Noch eine Anmerkung zur Sonderbetreuungszeit: Sehr geehrte Frau Minister, Sie haben in Ihrer Rede angesprochen, dass es möglich ist, Sonderbetreuungszeit in Anspruch zu nehmen, wenn sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer darauf einigen – und das ist gut so. Sie haben auch gesagt, dass das den Arbeitgebern zu 100 Prozent abgegolten wird – und auch das ist gut und wichtig, damit die Arbeitgeber eine Motivation haben, diese Einigung einzugehen –, aber leider steht dieser Anspruch so nicht im Gesetz. Werden Sie das noch ändern, um auch da Rechtssicherheit zu gewährleisten? (Beifall bei der SPÖ.)

Enttäuschend ist das Budget leider auch im Bereich der Kinderbetreuung. Es sind keine Weichenstellungen für den wichtigen Bereich der Kinderbetreuung zu finden. Die im Regierungsprogramm angekündigte wesentliche Erhöhung des Zweckzuschusses an die Länder im Rahmen der 15a-Vereinbarung findet sich im Budget nicht wieder. Damit fehlt die finanzielle Vorkehrung für den qualitativen und quantitativen Ausbau der so notwendigen Kinderbetreuung.

Sehr geehrte Frau Ministerin, dass Sie in Ihren Wirkungszielen sogar von einer sinken­den Betreuungsquote in den Kinderbetreuungseinrichtungen ausgehen, ist völlig unver­ständlich. Diesen Rückgang begründen Sie mit der Annahme, dass es einen Rückgang der Erwerbstätigkeit der Eltern durch die Coronakrise gibt. Das halte ich für sehr zynisch und das völlig falsche Signal. (Beifall bei der SPÖ.)

Damit verringern sich die Erwerbschancen für Eltern, vor allem für Frauen, und es verringern sich Bildungschancen für Kinder – und gerade in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit braucht es die Sicherheit einer guten und zuverlässigen flächendeckenden Kinderbe­treu­ung, um eine Arbeitsstelle annehmen zu können. Neben all diesen Notwendigkeiten als Grundvoraussetzung für eine Berufstätigkeit der Eltern sind die Kinderbetreuungs­einrichtungen wichtige Bildungseinrichtungen: Sie legen den Grundstein für die Ent­wicklung unserer Kinder. (Beifall bei der SPÖ.)

Das haben auch die Sozialpartner erkannt: ÖGB, Wirtschaftskammer, Arbeiterkammer, Industriellenvereinigung und die Bundesbäuerinnen haben ein gemeinsames Papier


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erarbeitet, um einen gemeinsamen Grundstein für die Kinderbetreuung zu legen. Dieser Schulterschluss ist ein wichtiger Schritt. Alle haben sich darauf geeinigt, dass sie den besten Kindergarten immer und überall und für alle Kinder wollen. Wir unterstützen diesen gemeinsamen Weg, und daher bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Vereinbarkeits­milliarde für den Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen, die Bundes­ministerin für Frauen und Integration sowie die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend, wird aufgefordert eine ,Vereinbarkeitsmilliarde‘ für den Ausbau von Kinderbe­treuungseinrichtungen zur Verfügung zu stellen sowie ein konkretes Finanzierungs­modell in die Wege zu leiten.“

*****

Sehr geehrte Damen und Herren, unterstützen wir unsere Familien bestmöglich! Stim­men Sie unserem Antrag zu, damit ist ein wichtiger Grundstein gelegt! (Beifall bei der SPÖ.)

12.36

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Petra Wimmer, Gabriele Heinisch-Hosek,

Genossinnen und Genossen

betreffend Vereinbarkeitsmilliarde für den Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen

Eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 11.) Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (380 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoran­schlages für das Jahr 2021 (Bundesfinanzgesetz 2021 – BFG 2021) samt Anlagen (449 d.B.) in der 62. Sitzung des Nationalrates am 19. November 2020 – UG 25 Familie und Jugend

Die Corona-Krise hat erneut die große Bedeutung der Kinderbetreuung und Elemen­tarbildung für Gesellschaft und Wirtschaft gezeigt. Vor allem Frauen stehen unter besonders hohem Druck. Die unbezahlte Haus- und Sorgearbeit – vor allem für Kinder­betreuung – nimmt zu, während das Einkommen sinkt. Demzufolge sind erwerbstätige Mütter von der Corona-Krise doppelt betroffen und werden durch die Unvereinbarkeit von Berufs- und Privatleben sukzessive aus dem Arbeitsmarkt gedrängt. Die Sozial­partnerinnen und die Industriellenvereinigung haben daher ein gemeinsames Forde­rungspapier zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf entwickelt – zentrale Forderung: ein Rechtsanspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz ab dem 1. Geburtstag. Nach wie vor wird auch die Kinderbetreuung in allen Bundesländern anders geregelt. Gerade bei der Elementarpädagogik im Kindergarten braucht es neben dem Rechts­anspruch auf den Kindergartenplatz dringend auch ein bundeseinheitliches Rahmen­gesetz, um einheitliche und hohe Mindeststandards zu gewährleisten. Die Leidtragen­den der mangelnden Kinderbetreuung sind meist Frauen. Sie sind allerdings besser gebildet als jemals zuvor und unverzichtbar für den Arbeitsmarkt. Um Beruf und Familie


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 611

besser vereinbaren zu können, braucht es daher flächendeckende, leistbare und quali­tätsvolle Kinderbetreuungsangebote in ganz Österreich. Nur so können Frauen nach der Karenz schneller an den Arbeitsplatz zurückkommen, was sich auf ihre Erwerbs­karrieren, ihr Einkommen und ihre Pension positiv auswirkt.

EU-Staaten investieren im Durchschnitt 1 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung in Kinder­gärten – Österreich hat hier massiven Nachholbedarf. Damit Österreich nicht noch weiter zurückfällt, wird eine rasche Aufstockung der finanziellen Mittel und ein konkretes Finan­zierungsmodell gefordert. Auch die Wirtschaft würde massiv profitieren, denn Inves­titionen in den Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen sind ein Beschäftigungs- und Konjunkturmotor. Zudem stärken sie den ländlichen Raum, denn neben der Verfügbar­keit von attraktiven Arbeitsplätzen, insbesondere für gut gebildete Frauen, ist die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie ein wichtiger Faktor, um Abwanderung entgegenzu­wirken.

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen, die Bundes­ministerin für Frauen und Integration sowie die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend, wird aufgefordert eine „Vereinbarkeitsmilliarde“ für den Ausbau von Kinderbe­treuungseinrichtungen zur Verfügung zu stellen sowie ein konkretes Finanzierungs­mo­dell in die Wege zu leiten.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher auch mit in Verhandlung.

Als nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Eva Maria Holzleitner zu Wort gemeldet. – Bitte.


12.37.07

Abgeordnete Eva Maria Holzleitner, BSc (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Ministerinnen! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf das wieder hier platzieren. (Die Rednerin stellt eine Tafel mit der Aufschrift „Kinder haben Rechte!“ auf das Rednerpult.) Morgen feiern wir den Tag der Kinderrechte, das ist schon erwähnt worden. Aber warum tun wir das? – Am 20. November 1998 wurde die UN-Konvention über die Rechte des Kindes von den Vereinten Nationen verabschiedet und in den meisten Staaten – bis auf die USA – ratifiziert. Trotzdem sind nach wie vor zahlreiche Kinder von Armut betroffen, von Gewalt betroffen oder haben keinen oder nur einen schlechten Zugang zu Bildung, aber auch zu Gesundheits- und medizinischer Versorgung. Auch in Österreich sind Kinder davon betroffen. Wir dürfen da nicht einfach zusehen, sondern müssen noch rigoroser auf nationaler sowie auf internationaler Ebene für Kinderrechte eintreten. (Bei­fall bei der SPÖ sowie des Abg. Stögmüller.)

Letztes Jahr haben wir alle gemeinsam den 30. Geburtstag der Kinderrechtskonvention, die in Österreich teilweise auch im Verfassungsrang steht, groß gefeiert, aber wir müs­sen auch weiterhin auf diese Rechte aufpassen – sie sind ein wichtiger Schatz! Immer wieder geraten sie in den Hintergrund, geraten in Vergessenheit, werden nicht zu 100 Prozent umgesetzt oder auch beachtet. Expertinnen und Experten haben immer wieder auch genau darauf hingewiesen, dass gerade in der Coronapandemie die Rechte


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der Kinder trotz der Maßnahmen eben nicht missachtet werden dürfen, weiter gewahrt bleiben müssen. Die Interessen der Kinder dürfen in so einer Ausnahmesituation einfach nicht vergessen werden, das ist ganz wichtig.

In zahlreichen Pressekonferenzen der Bundesregierung hat man das aber leider nicht wirklich wahrgenommen. Das Wohl der Kinder beziehungsweise auch die Rücksicht­nahme auf die Rechte der Kinder war selten bis eigentlich nie ein Thema, und auch die UNO kritisierte Österreich heuer wieder. Alle fünf Jahre gibt es einen Report, und in diesen Concluding Observations, wie das so schön heißt, gibt es zig Punkte, bei denen die österreichische Bundesregierung aufgefordert wird, Maßnahmen zu setzen, um die Kinderrechte besser einzuhalten, weil sie einfach nicht zu 100 Prozent umgesetzt sind – das muss man so festhalten.

Was haben wir bei den Budgetverhandlungen aber ernüchtert festgestellt? – Es kommt ganz wenig bis eigentlich gar nichts. Es wird evaluiert, es wird abgewartet, und das ist gerade in dieser Krise einfach zu spät und zu wenig. Rund um den Internationalen Tag der Kinderrechte wird von diversen Organisationen auf dieses Thema aufmerksam ge­macht – heute, morgen und auch darüber hinaus.

Es liegt auch an uns, an den Abgeordneten des Nationalrates, aber auch an der zweiten Kammer, dem Bundesrat, an den Landtagen, et cetera, dieses Thema mitaufzunehmen. Es liegt auch an der Bundesregierung, dieses Thema noch stärker ins Bewusstsein zu rufen und darauf aufmerksam zu machen, dass es Kinderrechte gibt, dass es sie einzuhalten gilt und wir alle dafür verantwortlich sind. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Stögmüller.)

Wir dürfen nicht vergessen: Kinder haben Rechte! (auf die auf dem Rednerpult stehende Tafel zeigend) – da steht es noch einmal ganz groß –, und wir müssen diese Kinder­rechte endlich stärker in den Fokus rücken.

Deshalb bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag  

der Abgeordneten Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Kin­der haben Rechte! Kinderrechte in den Fokus rücken.“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Alle Bundesministerinnen und Bundesminister werden aufgefordert,

 - Kinderrechte künftig noch mehr in den Fokus ihrer Arbeit zu rücken und zu berück­sichtigen,

 - gewissenhaft die Empfehlungen des UN-Kinderrechte-Ausschusses zu studieren und in ihrem Ressort rasch an der Umsetzung zu arbeiten,

 - sowie zusätzlich ein deutliches Zeichen der Sichtbarmachung und Wertschätzung der Kinderrechte zu setzen und jährlich am 20. November, dem internationalen Tag der Kinderrechte, alle Ministerien mit einer Kinderrechte-Fahne zu beflaggen.“

*****

Ich bitte wirklich um ganz breite Zustimmung, damit wir den morgigen Tag der Kin­derrechte als Freudentag feiern können und nicht als Mahnmal, dass wir Kinderrechte vergessen, dass sie in den Hintergrund gerückt werden. (Abgeordnete der SPÖ halten


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verschiedenfarbige Tafeln mit Aufschriften wie „Happy Birthday, Kinderrechte!“, „Kinder haben Rechte!“, „Mein Recht auf Schutz bei Krieg & Flucht“, „Mein Recht auf Mit­bestimmung“, „Mein Recht auf Bildung“, „Mein Recht auf Freizeit“, „Mein Recht auf Unterstützung“, „Mein Recht auf ein gesundes Leben“, „Mein Recht auf eine intakte Umwelt“, „Mein Recht auf Schutz vor Gewalt“, „Mein Recht auf eine Familie“ in die Höhe.)

Deshalb: Bitte, bitte, bitte, liebe Kolleginnen und Kollegen, breite Zustimmung! – Danke. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

12.41

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Eva Maria Holzleitner, BSc,

Genossinnen und Genossen

betreffend Kinder haben Rechte! Kinderrechte in den Fokus rücken.

Eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 11.) Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (380 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoran­schlages für das Jahr 2021 (Bundesfinanzgesetz 2021 – BFG 2021) samt Anlagen (449 d.B.) in der 62. Sitzung des Nationalrates am 19. November 2020 – UG 25 Familie und Jugend

Jedes Jahr am 20. November wird der internationale Tag der Kinderrechte gefeiert. Aber warum eigentlich? Am 20. November 1989 wurde die UN-Konvention über die Rechte des Kindes von den Vereinten Nationen verabschiedet und weltweit von den meisten Staaten ratifiziert. Trotzdem leben noch immer zahlreiche Kinder unter anderem in Armut, sind von Gewalt betroffen oder haben keinen oder nur schlechten Zugang zu Bildung und/oder medizinischer Versorgung usw. Wir dürfen hier nicht einfach zusehen, sondern müssen noch rigoroser für die Rechte der Kinder eintreten - auf nationaler und internationaler Ebene.

Letztes Jahr haben wir groß den 30. Geburtstag der Kinderrechtskonvention gefeiert, aber wir müssen weiterhin auf die Kinderrechte aufpassen. Immer noch geraten sie oftmals in den Hintergrund oder werden nicht zu 100 Prozent eingehalten bzw. umge­setzt. Gerade durch die Corona-Pandemie wurde schon einige Male von Expertinnen und Experten gewarnt, dass die Rechte der Kinder - trotz diverser Corona-Maßnahmen - weiter gewahrt bleiben müssen. Die Interessen der Kinder dürfen in solch einer Aus­nahmesituation nicht vergessen werden.

Bei den zahlreichen Pressekonferenzen der schwarz-grünen Bundesregierung in den letzten Wochen und Monaten ist aufgefallen, dass das Wohl der Kinder bzw. die Rück­sichtnahme auf das Wohl der Kinder und deren Rechte sehr selten bis gar nicht vorkamen.

Auch die UNO kritisierte erst heuer Österreich bei der Umsetzung der Kinderrechte. In den sogenannten "Concluding Observations", jene offiziellen Empfehlungen, die die UNO alle 5 Jahre an die österreichische Regierung übermittelt, was im Bereich der Kinderrechte zu verbessern ist, wird aufgezeigt, dass hier dringender Handlungsbedarf seitens der Bundesregierung vorliegt. 1

Rund um den internationalen Tag der Kinderrechte wird von diversen Organisationen verstärkt auf dieses wichtige Thema aufmerksam gemacht. Es liegt auch an den Abge­ordneten des Nationalrates und insbesondere an den Mitgliedern der Bundesregierung, hierzu ein noch besseres Bewusstsein und mehr Aufmerksamkeit für die Kinderrechte


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zu schaffen.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat möge beschließen:

"Alle Bundesministerinnen und Bundesminister werden aufgefordert,

•          Kinderrechte künftig noch mehr in den Fokus ihrer Arbeit zu rücken und zu berück­sichtigen,

•          gewissenhaft die Empfehlungen des UN-Kinderrechte-Ausschusses zu studieren und in ihrem Ressort rasch an der Umsetzung zu arbeiten,

•          sowie zusätzlich ein deutliches Zeichen der Sichtbarmachung und Wertschätzung der Kinderrechte zu setzen und jährlich am 20. November, dem internationalen Tag der Kinderrechte, alle Ministerien mit einer Kinderrechte-Fahne zu beflaggen."

1 https://www.derstandard.at/story/2000114766325/uno-kritisiert-oesterreich-bei-umsetzung-der-kinderrechte

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Pia Philippa Strache. – Bitte.


12.41.44

Abgeordnete Pia Philippa Strache (ohne Klubzugehörigkeit): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frauen Ministerinnen! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Es ist der dritte Tag der Budgetdebatte. Anstrengende Tage liegen hinter uns, sicher auch anstrengende Tage für die Zuseherinnen und Zuseher. Eines muss man festhalten: Valide Zahlen habe ich im Budget in kaum einem Bereich gefunden, auch nahe an der Realität war es nicht gerade. Ich glaube schon, dass es wahnsinnig schwie­rig ist, weil die Zeit einfach eine sehr herausfordernde ist, aber trotzdem muss man gerade in so einer Krise situationselastisch sein.

Eine Krise, wie Österreich sie derzeit erlebt, eine Krise, wie die ganze Welt sie derzeit erlebt, fordert eben nicht nur dazu auf, die besten Köpfe eines Landes an einen Tisch zu bringen, in meinen Augen verlangt sie auch danach. Ich denke, es ist einfach nicht klug, personelle Ressourcen liegen zu lassen, nur weil es da vielleicht eine andere politische Haltung gibt. Ich denke, vielen Menschen hier im Hohen Haus ist er bekannt: 2016 hat er sich aus dem Dienst als Budgetsektionschef zurückgezogen, nachdem er mit seiner Bewerbung zum Rechnungshofpräsidenten gescheitert ist – meiner Meinung nach war da nichts anderes als eine politische Absprache dahinter, und es war eigentlich für viele Leute eine Überraschung, dass er es nicht geworden ist –, kein anderer verkörpert Budget mehr, kein anderer hat mehr Know-how, wenn es um den Bereich Haushalt und Budget geht, auch in so einer Ausnahmesituation, denke ich. Es wäre wohl niemand besser in der Lage, wirklich valide, brauchbare Zahlen zu dieser Krise zu liefern als Gerhard Steger. 

Bevor wir jetzt wieder anfangen, irgendwie politisch zuzuordnen, möchte ich nur ganz kurz Folgendes festhalten: Er war unter schwarzen Ministern tätig, er war unter einem blauen Minister und unter einem roten tätig, also man könnte sagen, es ist schon ein


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bissl ein Mix da. Wem das immer noch nicht genug ist: Er ist jetzt überhaupt in der Privatwirtschaft. Ich glaube, in einer Krise kann man so viel Größe zeigen, dass man sagt: Okay, den können wir vielleicht doch als unpoli- - oder unparteiisch – unpolitisch wird er nie sein, aber unparteiisch – gelten lassen.

Eine Krise erfordert und verlangt eben überparteiliches Denken. Keine Krise und keine Pandemie dürfen ein politisches Mascherl bekommen. Sollte er bereits als Experte hinzugezogen worden sein – ich habe nachgeschaut, ich habe leider nichts dazu gefunden –, falls dem also so ist, fände ich es super, falls nicht, wäre es vielleicht einfach gut – keine Ahnung; man muss ja seine Meinung nicht einfließen lassen –, ihm zumin­dest einmal zuzuhören.

Die Kurzarbeit möchte ich lobend erwähnen, das ist in der Gesamtheit wirklich super. Sie ist auch ein wirklich wichtiger Baustein für den Joberhalt. Die Arbeitslosenzahlen sind dennoch erschreckend. Ich denke, auch mit den vielen Maßnahmen, die im ersten Lockdown getroffen wurden, ist nichts anderes passiert, als einen künstlichen Stau­damm zu errichten. Ich glaube, dass er brechen wird, ich gehe ziemlich sicher davon aus, weil jetzt der zweite Lockdown auch nichts anderes macht. Ich denke, dass wir spätestens im Jänner oder eben im Frühjahr eine totale Arbeitsmarktkrise oder -katastrophe haben werden.

Ein Konjunkturprogramm erkenne ich ein bisschen, dieses fehlt mir aber eigentlich in der Gesamtheit im Budget. Ich habe heute schon die Worte gehört: Mut und Zuversicht – das sind ganz starke Worte, und das sind auch Worte, die es in einer Krise unbedingt braucht. Man kann das auch mit Worten machen, das funktioniert ganz gut, bloß eben nicht für immer und vor allem nicht für die Unternehmerinnen und Unternehmer in diesem Land und für die betroffenen Familien in diesem Land. Diese brauchen mehr Motivation, und da muss es ein Konjunkturprogramm geben, das Arbeit schafft.

Ich möchte noch etwas sagen: Familien sind gerade deswegen von der Krise besonders hart getroffen, weil es in den Bereich der Bildung geht. Es geht auch in den Bereich der Gewaltprävention. Gerade viele Kinder sind von Armut oder eben Gewalt betroffen. Man kann auch eines sagen – ich habe nach nachhaltigen Statistiken gesucht, habe jedoch leider keine gefunden –: Man muss auch die Arbeitsmarktsituation von Frauen und Männern differenziert betrachten. Da sind nämlich beide gleichermaßen reingerutscht, wobei es eine Tendenz gibt, die jetzt schon klar erkennbar ist, und zwar, dass Frauen einfach in die klassischen Rollenbilder zurückgedrängt werden – und das darf einfach nicht mehr sein.

Im ersten Lockdown hat man etwas Schönes gesagt: systemrelevante Berufe. Das betraf zum Großteil Frauen. Daher haben viele Frauen ihren Beruf behalten, aber genauso viele Frauen arbeiten in Teilzeit und haben ihren Job verloren. Das trifft dann auch wieder Familien, weil es gerade alleinerziehende Mütter betrifft.

Jugend ist auch ein großer Bereich. Ich denke, dass mit dem gestern erwähnten Ansatz der Pflege die Pflegelehre als Form der dualen Ausbildung wirklich wichtige Anreize schafft, das schafft, was Österreich dringend braucht, und das sind Arbeitsplätze. Das packt in Wahrheit noch ein Problem an, nämlich die Pflege, weil die Pflege selbst immer mehr zum Pflegefall wird. Ich hoffe auch, dass man sich da am Schweizer Modell orientiert. Die Schweizer haben es schon 2004 geschafft, wir jetzt.

Momentan gibt es in der Coronakrise eine erhebliche Belastung im Arbeitsalltag. Auch darauf hätte man einzelne Berufsgruppen besser vorbereiten können, denke ich. Eine gute Arbeitsmarktpolitik, auch eine gute Familienpolitik und eben eine Politik, die sich wirklich mit dem durchschnittlichen Österreicher und der durchschnittlichen Österreiche­rin befasst, ist da wichtig.


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Expertise ist nichts Geschlechterspezifisches. Deswegen braucht es an einem Tisch zur Beratung Expertinnen und Experten, denn ich habe nicht den Eindruck, dass da Experten sitzen, die den Alltag leben, die Alltagserfahrung mitbringen. Bei vielen Verord­nungen habe ich den Eindruck, dass die Situation eben nicht durch eine Frauenbrille oder eine Familienbrille betrachtet wurde. (Präsidentin Bures gibt das Glockenzeichen.)

Es gibt im Englischen eine Phrase: Wer nicht mit am Tisch sitzt, der steht auf der Speisekarte. Ich denke, ein Großteil der Österreicherinnen und Österreicher fühlt sich verraten und fühlt sich eben genau so. Ich glaube, das ist kein fairer Umgang in dieser Krise. – Danke. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

12.48


Präsidentin Doris Bures: Zu den Untergliederungen Arbeit sowie Familie und Jugend liegt mir nun keine Wortmeldung mehr vor. Damit erkläre ich die Beratungen über diese Themenbereiche für beendet. – Danke (in Richtung Bundesministerin Aschbacher), Frau Ministerin.

12.48.50UG 34: Innovation und Technologie (Forschung)

UG 41: Mobilität

UG 43: Klima, Umwelt und Energie


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen nun zu den Untergliederungen 34: Innovation und Technologie (Forschung), 41: Mobilität sowie 43: Klima, Umwelt und Energie.

Ich begrüße dazu sehr herzlich Frau Abgeordnete Eleonore Gewessler in unserer Mitte. (Bundesministerin Gewessler: Bundesministerin!)

Die Debatten über diese Punkte finden unter einem statt.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Alois Stöger. – Bitte, Herr Abgeordneter.


12.49.14

Abgeordneter Alois Stöger, diplômé (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Bundesregierung gibt der Opposition ja wenig Gelegenheit dazu, sie hier zu loben. Heute werde ich die Bundes­regierung loben. Ich spreche zum Budget betreffend Mobilität, ich spreche zu Verkehrs­fragen. Das ist die einzige Ausnahme in diesem Budget, zu der ich sagen kann: Da hat sich jemand bemüht, die Themen richtig zu setzen, und ich gratuliere auch dazu.

Sie sind die lobenswerte Ausnahme, Sie haben verstanden, worum es geht. Wir brauchen nämlich einen starken öffentlichen Verkehr, und das bedeutet, wir brauchen einen starken Ausbau der Schiene. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

Ich freue mich, dass die Investitionen in den Schienenbereich wieder auf dem Niveau liegen, das sozialdemokratische Verkehrsminister begonnen haben, zu setzen. Ich freue mich, dass einige unter Schwarz-Blau erfolgte kurzsichtige Kürzungen wieder zurück­genommen worden sind und gratuliere dazu, dass ein neuer ÖBB-Rahmenplan vorge­legt worden ist. Ich gratuliere auch dazu, dass das Vorbelastungsgesetz im Parlament beschlossen worden ist – ich habe das immer als eine der Voraussetzungen genannt –, das ist gut so.

Es gibt ein paar offene Punkte. Es gibt ein paar Bereiche, da hätten wir uns mehr Engagement erwartet. Es geht um die Elektrifizierung der Bahn – da kann man über Geschwindigkeit immer streiten, keine Frage. Es geht natürlich auch darum, den Ausbau des öffentlichen Verkehrs zu starten. Eines ist uns auch noch wichtig, nämlich dass man


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die Öffimilliarde oder Regionalverkehrsmilliarde auch in einem Budget sehen und spüren kann. Wir haben sie nicht gefunden, aber vielleicht können Sie das erklären.

Ich habe noch eine Bitte, und zwar an die Verkehrsministerin: Wenn wir Just Transition umsetzen wollen – und das müssen wir –, dann ist es nicht gescheit, den Arbeitern und Angestellten jetzt die Pension wegzunehmen, denn sie werden dann bei einem Prozess, bei dem man Just Transition umsetzt, nicht dabei sein. (Zwischenruf des Abg. Hörl.)

Ein weiteres Thema möchte ich ansprechen, und zwar betreffend das Klimaticket. Dieses ist ein Stück weit im Budget verankert, und wir wollen das unterstützen. Damit wir das Klimaticket unterstützen, bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Alois Stöger, diplômé, Kolleginnen und Kollegen betreffend „rasche Umsetzung des 1-2-3-Tickets“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen, wird aufgefor­dert, die notwendigen rechtlichen und finanziellen Maßnahmen vorzubereiten, um ein österreichweites Ticket für sämtliche öffentliche Verkehrsmittel (unter Berücksichtigung bestehender Begünstigungen) im Budgetjahr 2021 umzusetzen.“

*****

Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

12.52

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Alois Stöger diplomé,

Genossinnen und Genossen

betreffend rasche Umsetzung des 1-2-3-Tickets

eingebracht im Zuge der Debatte zu UG 41 Mobilität in der Sitzung des Nationalrats am 19. November 2020

In der Untergliederung 41 des Budgets ist ein Betrag von 95 Mio. Euro zur Einführung eines bundesweiten 1-2-3-Tickets vorgesehen. Mit der Umsetzung einer österreich­weiten Jahresnetzkarte für den öffentlichen Verkehr soll eine klimaschonende Alter­native zum motorisierten Individualverkehr angeboten werden, die zugleich leistbar ist und unkompliziert zugänglich.

Aus heutiger Sicht erscheinen die budgetierten Mittel zur Umsetzung einer bundes­weiten Lösung im Jahre 2021 als zu gering.

Das Fahren mit öffentlichen Verkehrsmitteln muss günstiger, schneller und einfacher werden. Dazu soll ein österreichweites Klimaticket eingeführt werden, das es ermöglicht, um 3,-- Euro am Tag alle öffentlichen Verkehrsmittel, also Bahn, Bus und U-Bahn zu benutzen.

Sohin soll ein Ein-Bundesland-Ticket 365,-- Euro, ein Zwei-Bundesländer-Ticket 730,-- Euro und ein Gesamt-Österreich-Ticket 1.095,-- Euro jeweils pro Jahr kosten.


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Durch die Einführung dieses Österreich-Tickets sollen die Österreicherinnen und Öster­reicher die Möglichkeit haben, auf umweltfreundliche öffentliche Verkehrsmittel umzu­steigen und zwar mit einem einzigen Ticket, das auch leistbar ist. Die Mehrstufigkeit des Modells soll dazu führen, dass alle Bedürfnisse an öffentlichen Verkehrsmitteln abgedeckt werden. Das Modell ist unkompliziert und soll damit viele Menschen be­wegen, auf saubere und leistbare öffentliche Verkehrsmittel – ohne Verzicht – umzu­steigen.

Diese Maßnahme trägt auch dazu bei, die teuren finanziellen Folgeschäden, nämlich Schadenersatzzahlungen in Milliardenhöhe durch das Nichterreichen der CO2-Ziele, zu verhindern. Das Österreich-Ticket ist eine vernünftige Investition in den Klimaschutz und in die Abdeckung der tatsächlichen Mobilitätsbedürfnisse der Österreicherinnen und Österreicher.

Wichtig ist nunmehr die rasche Einführung dieses begrüßenswerten Ticketing-Modells. Die derzeitige Situation, nämlich dass der Verkehrsdienstevertrag für den Verkehrs­verbund Ostregion gerade verhandelt wird, begünstigt die rasche Einführung des 1-2-3-Österreich-Tickets. Beim Verkehrsverbund Ostregion handelt es sich um den größten und komplexesten Verbund Österreichs. Es ist daher wesentlich, dass bereits mit dem Abschluss eines Verkehrsdienstevertrages für die Ostregion konkrete Maßnahmen zur Einführung des Österreich-Tickets getroffen werden. Aus diesem Grund ist es von enormer Wichtigkeit, dieses Zeitfenster zu nutzen und beginnend mit der Ostregion das 1-2-3-Österreich-Ticket rasch umzusetzen.

Die SPÖ-Parlamentsfraktion möchte dieses Vorhaben aus dem Regierungsprogramm ausdrücklich unterstützen. Daher stellen die unterfertigten Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen, wird aufgefor­dert, die notwendigen rechtlichen und finanziellen Maßnahmen vorzubereiten, um ein österreichweites Ticket für sämtliche öffentliche Verkehrsmittel (unter Berücksichtigung bestehender Begünstigungen) im Budgetjahr 2021 umzusetzen.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher mit in Verhandlung.

Frau Ministerin Gewessler, Sie heißen natürlich nicht Eleonore, sondern Leonore. Ent­schuldigen Sie!

Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Eva Blimlinger. – Bitte.

12.53.05


Abgeordnete Mag. Eva Blimlinger (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Liebe Menschen vor den TV-Geräten, Laptops oder womit immer Sie uns zuschauen und zuhören! Es freut mich im Übrigen sehr, dass es diesbezüglich immer eine gute Quote gibt und die Menschen an unserem Parlamentarismus interessiert sind.

Lassen Sie mich aber insbesondere zu den Fragen der Forschung kommen! Ich muss sagen, da ist mit der Erhöhung der Budgets für die Förderagenturen, insbesondere der FFG, der Forschungsförderungsgesellschaft, um 77 Millionen Euro wirklich etwas gelungen.


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Sie wissen, da geht es hauptsächlich um angewandte Forschung, immer mehr aber auch – und das begrüße ich sehr – um Grundlagenforschung.

Es wird 12 Millionen Euro für die AWS geben, und ich nütze hier die Gelegenheit – obwohl das sozusagen nicht in den Bereich der Frau Bundesministerin fällt –, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der AWS, die wirklich in vorbildlicher und großartiger Weise den NPO-Unterstützungsfonds vorabwickeln, meinen ausdrücklichen Dank aus­zusprechen. Es gibt da praktisch keine Beschwerden, ganz im Gegenteil: Mich erreichen sehr viele E-Mails über die sehr gute Betreuung, über den niederschwelligen Zugang, über die große Bereitschaft, zu unterstützen. Herzlichen Dank also den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der AWS! Ich habe vorgestern dasselbe in Bezug auf die Beamten und Beamtinnen gesagt: Eine Belohnung, eine Prämie für die MitarbeiterInnen wäre dringend erforderlich. Ich weiß, die NEOS sehen das mit den Belohnungen sehr kritisch (Abg. Loacker: ... machen das absichtlich! – Heiterkeit bei den NEOS), wir sehen es nicht kritisch. Wir finden, das sollte geschehen. (Beifall bei den Grünen.)

Ein weiterer Bereich ist Silicon Austria. Da gibt es ja eine Kooperation mit den Universitäten Linz und Klagenfurt sowie der TU Graz. Es ist jetzt mehr oder weniger alles auf Schiene. Aus meiner Sicht könnte da noch mehr in die Universitäten, in die Zusammenarbeit investiert werden, aber das wird sich entwickeln, und ich glaube, es ist auf einem guten Weg.

Auch dazu sei wiederum gesagt, wie schon gestern beim Kollegen Faßmann: FTI-Pakt und FTI-Strategie sind eigentlich das Zentrale, um das es in den nächsten Jahren gehen soll. Da sind ja im Wesentlichen drei Ministerien beteiligt, die alle schon sehr weit sind, es liegt jetzt noch im Bundeskanzleramt. Ich glaube, es ist für alle, die in diesem Bereich von Wissenschaft und Forschung tätig sind, wirklich an oberste Stelle zu setzen, dass der FTI-Pakt und die FTI-Strategie, die de facto fertig sind, möglichst bald präsentiert und vorgestellt werden.

Ich greife noch ein Gebiet der Forschung, die im Rahmen der FFG und eigener Pro­gramme passieren soll, heraus, und zwar den Bereich Mikroelektronik und Batterie­forschung, der natürlich auch sehr eng im Zusammenhang mit dem Klimawandel steht. Da soll natürlich im gesamten Bereich Klimawandel intensiv geforscht werden.

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass die Windisch-Kaserne in Richard-Wadani-Kaserne umbenannt werden soll. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

12.56


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Gerhard Deimek. – Bitte.


12.56.54

Abgeordneter Dipl.-Ing. Gerhard Deimek (FPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundes­minis­terin! Ich möchte heute ein paar Kapitel des Budgets für Forschung und Technologie beleuchten, die für mich alle in etwa die gleiche Überschrift tragen könnten, und zwar nicht im inhaltlichen Sinn, sondern von der Systematik her. Diese Systematik heißt: Scheintätigkeit oder Scheinaktivität. – Frau Bundesministerin, das mag jetzt im ersten Moment hart für Sie klingen; ich werde nachweisen, warum das so ist.

Nehmen wir die FTI-Strategie beziehungsweise überhaupt die Initiative für Forschung und Technologie: Wir haben unter Hofer die Strategie festgelegt. Es hat dann bis 2020, bis in den heurigen Sommer, gebraucht, bis wir endlich ein Gesetz dazu hatten. Wir haben noch immer keinen Finanzierungspfad, und vor allem von dem, wo es wirklich ans Eingemachte geht, von den dreijährigen Leistungsvereinbarungen, höre ich noch immer kein Wort. Diese sollen bis Dezember fertig sein – wie wollen wir das machen? Vor allem aber: Es steht die Erneuerung der FTI-Strategie an. Die derzeit gültige ist bitte noch von


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der derzeitigen Frau Präsidentin, von Frau Bures. Wann kommt die neue Strategie in die Gänge? Ich orte dazu keinerlei Tätigkeiten.

Nächstes Kapitel: künstliche Intelligenz. Auch da war die Strategie von Hofer 2019 eigentlich fertig. Selbst wenn Sie diese zur Gänze umarbeiten wollen, was ich nicht glaube: Wann wird sie einmal endgültig publiziert? Oder wollen wir die Fördermittel, die in beide Kapitel gehen, einfach so nach dem Gießkannenprinzip ausschütten? – Das kann es ja auch nicht sein. (Präsident Hofer übernimmt den Vorsitz.)

Nächstes Kapitel: Weltraum. Österreich ist eine Weltraumnation. Man merkt es an den gestiegenen Mitteln. Ich will gar nicht bestreiten, dass mehr Geld zur Verfügung gestellt geworden ist, wie aber geben wir unser Geld aus? Wo fördern wir – von der ESA-Beteiligung abgesehen – österreichische Unternehmen? Mit österreichischen Unterneh­men meine ich nicht solche, die eigentlich in der Schweiz sitzen oder bei denen die Muttergesellschaft in der Schweiz sitzt, sondern ich meine wirklich österreichische Unternehmen.

Kommen wir nun zum nächsten Kapitel, jenem, das angeblich die Bundesregierung seit dem Frühjahr am meisten beschäftigt – in Wirklichkeit aber beschäftigt es nur die Bürger –, der sogenannten Covid-Pandemie. Wenn es stimmt, dass diese wirklich so vorrangig und effizient behandelt werden soll, wo ist dann eine Covid-Begleitforschung? Wir schmeißen Milliarden Euro in den medizinischen Bereich, aber wir haben jetzt zum zweiten Mal die Situation, dass der Lockdown zu einem Zeitpunkt kommt, an dem die Infektionswerte eigentlich schon wieder zurückgehen, und sei es nur ein paar Tage. Wo ist da die Begleitforschung, die einmal schaut: Welche Maßnahmen helfen, welche helfen nicht? (Zwischenruf bei den Grünen.) Das ist nicht wissenschaftlich untersucht, auch wenn das Ihre Parteikollegen nicht interessiert und Sie mit Zwischenrufen sagen möchten: Da passiert eh etwas. – Da passiert überhaupt nichts!

Frau Bundesministerin, das ist vom strategischen Ansatz her ein Blindflug, und ein Blindflug nützt auch dann nichts, wenn die Mittel mehr werden. Das ist eigentlich eher ein Dank an die Steuerzahler, dafür, dass sie das mit ihren regelmäßigen Steuern begleiten und dass sie das zahlen, aber es ist eine Mittelverschwendung. Diesen Vorwurf kann ich Ihnen nicht ersparen. (Beifall bei der FPÖ.) Der Bürger möchte wissen, wofür seine Steuermittel verwendet werden. Alles andere ist für den Steuerzahler eine Zumutung.

Ich werde mir jetzt auch noch ein Ceterum censeo angewöhnen: Frau Bundesministerin, die Strecke von Wullowitz über Linz und Graz nach Koper ist eine Fernverkehrsstrecke und keine Nahverkehrsstrecke. Sie haben das zu finanzieren und nicht die Länder!


Präsident Ing. Norbert Hofer: Herr Abgeordneter, wollten Sie noch einen Antrag ein­bringen?


Abgeordneter Dipl.-Ing. Gerhard Deimek (fortsetzend): Danke. (Heiterkeit bei Abge­ordneten von FPÖ und NEOS. – Zwischenruf des Abg. Stögmüller.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Natürlich bringe ich auch zum Thema Covid-Begleit­forschung, damit es auch offiziell aufliegt, einen Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Bud­getmittel für eine Nationale Taskforce ‚Covid-19-Evidenz‘“

Der Nationalrat wolle beschließen:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 621

„Die Bundesregierung und insbesondere die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie werden aufgefordert, die notwendigen budgetären Mittel zur Verfügung zu stellen und eine Nationale Taskforce ‚Covid-19-Evidenz‘ einzurichten, um eine interdisziplinäre Corona-Begleitforschung rasch und effektiv zu ermöglichen.“

*****

Im Sinne der Steuerzahler wäre das bitte dringlich, Frau Ministerin. (Beifall bei der FPÖ.)

13.01

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Dipl.-Ing. Gerhard Deimek

und weiterer Abgeordneter

betreffend Budgetmittel für eine Nationale Taskforce „Covid-19-Evidenz“

eingebracht in der 62. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 19. November 2020 im Zuge der Debatte zu TOP 11, Bericht des Budgetausschusses über die Regierungs­vorlage (380 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2021 (Bundesfinanzgesetz 2021 – BFG 2021) samt Anlagen (449 d.B.) – UG34

Bereits im März starteten viele wissenschaftliche Institutionen und Wissenschafter einen Aufruf zur „Covid-19-Begleitforschung“, um möglichst schnell und professionell zu klären, ob die in Kraft gesetzten Nicht-Pharmakologischen Interventionen (NPI) wie Schulschließungen und Kontaktrestriktion die erwünschte Wirksamkeit zeigen und zugleich die gesundheitlichen, sozialen und wirtschaftlichen Nebenwirkungen rechtfer­tigen.

So gab es beispielsweise von QUEST Center (Quality, Ethics, Open Science, Trans­lation), Berlin Institute of Health (BIH), Deutsches Netzwerk Evidenzbasierte Medizin (EbM-Netzwerk), Akademie für Ethik in der Medizin (AEM) einen Aufruf für eine Nationale Taskforce „Covid-19-Evidenz“

Der Public-Health Experte Martin Sprenger forderte bereits im April in einem Interview: „Wir hätten in der Zeit des Shutdowns noch viele andere Dinge starten können. Wir hätten zum Beispiel alle unsere Institute die sich mit Begleitforschung und Versor­gungsforschung beschäftigen, frühzeitig auf Basis einer durchdachten Forschungs­strategie beauftragen können. Für Medikamentenforschung gab es rasch 23 Millionen Euro, für diese wichtige Begleitforschung gab es nichts.“

Ein Antrag der Abgeordneten Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, Kolleginnen und Kollegen betreffend eine rasche Zurverfügungstellung von Budgetmittel zur Förderung der Corona-Begleitforschung wurde am 1. Juli 2020 vertagt!

Nun folgte wieder ein Lockdown ohne wissenschaftliche Evidenz und ohne Begleit­forschung. Ein Blindflug in einen dritten Lockdown ist damit zu befürchten.

Daher stellen die unterzeichnenden Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 622

„Die Bundesregierung und insbesondere die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie werden aufgefordert, die notwendigen budgetären Mittel zur Verfügung zu stellen und eine Nationale Taskforce „Covid-19-Evidenz“ einzurichten, um eine interdisziplinäre Corona-Begleitforschung rasch und effektiv zu ermöglichen.“

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht in Verhandlung.

Nun gelangt Johannes Schmuckenschlager zu Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.02.03

Abgeordneter Johannes Schmuckenschlager (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Gewisse Aussagen rund um die Coronapandemie von einer Fraktion in diesem Haus sind wirklich nicht mehr zu kommentieren, das schafft man nicht mehr, nachzuvollziehen. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Wenn Sie gerade den Bereich der Forschung ansprechen, dann sage ich, wir sollten als Österreicher sogar sehr stolz darauf sein, dass eines unserer Unternehmen führend bei der Entwicklung eines sehr zuversichtlich machenden Impfstoffes mit dabei ist. Ich glaube, das zeigt, dass das Forschungsland Österreich wirklich einiges zu bieten hat. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte mich aber dem Themenbereich Natur und Umwelt widmen. Ich glaube, auch das zeigt eine sehr klare Themensetzung der Bundesregierung – auch mit Blick auf die Coronakrise zu sehen –: Wo können wir offensiv Maßnahmen setzen, um aus dieser Krise hinauszukommen, den Arbeitsmarkt zu beleben und vielleicht auch zukunfts­trächtige Visionen zu entwickeln? Gerade Umwelt- und Klimaschutz sind ja nicht vorbei. Wir müssen weiterhin stark daran arbeiten, und nun nutzen wir diese Mittel im Budget, um auch entsprechend voranzukommen.

Der Budgetdienst des Parlaments bestätigt uns den enormen Aufwand, der da seitens des Ministeriums getätigt wird: allein im Umweltförderungsgesetz plus 68,1 Prozent der Mittel, weitere Mittelsteigerungen im Klima- und Energiefonds und auch in der gesamten Energiepolitik. Bei all diesen Bereichen fahren wir extrem in die Höhe.

Wir haben auch mit 14 Prozent Steigerung für ökologische Maßnahmen bei der Covid-Investitionsprämie eine enorme Auswirkung auf dem Arbeitsmarkt geschafft, wo wir volkswirtschaftlich durch Umweltschutz auch einen Mehrwert erzielen können. Ich glaube, es ist ganz, ganz wichtig, dass uns das auch entsprechend gelingt: zwei Dinge mit einer Maßnahme zu erreichen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Es wird auch das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz gerade neu entwickelt. Wir dürfen bei all den Maßnahmen, die wir setzen – denn wir brauchen einen breiten Maßnahmenmix, um von den fossilen Energieträgern entsprechend hin zu den erneuerbaren zu kommen, um unsere CO2-Ziele zu erreichen –, eines nicht vergessen: dass wir beim Leitungs­ausbau nicht in ein Nadelöhr geraten. Ich glaube, darauf müssen wir achten, auch da müssen wir budgetär da und dort etwas genauer hinschauen.

Es gibt schon viele Möglichkeiten, und wir müssen es schaffen, das Energiesystem entsprechend zu disruptieren, sodass wir die Möglichkeit der Anteilnahme des Strom­kunden, die Möglichkeit der Liberalisierung auf dem Strommarkt auch entsprechend umsetzen. Die Peer-to-Peer-Verordnung der Europäischen Union gibt das vor, und nur


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so werden wir auch langfristig unsere CO2-Ziele erreichen. Dafür brauchen wir aber alle Maßnahmen.

Ich möchte auch eine einzelne ansprechen, das betrifft die Beimischung zum Benzin, das sogenannte E10, mit der wir entsprechend Volumen ersetzen und CO2-neutral werden können. Da gibt es natürlich auch viel Kritik, aber gerade die Europäische Kom­mission hat erst im Oktober dieses Jahres einen Fortschrittsbericht für die erneuerbaren Energien herausgebracht, in dem – das darf ich zitieren – ausgeführt wird, dass „keine Korrelation zwischen Nahrungsmittelpreisen und der Nachfrage nach Biokraftstoffen festgestellt“ wurde.

Das heißt, wir haben die Möglichkeit, beides zu produzieren: aus der Biomasse heraus Energie zu produzieren und damit auch die Absicherung der Produktion der Nahrungsmittel zu schaffen. Das steht nicht mehr gegeneinander, über das ist man jetzt sozusagen wissenschaftlich hinweggekommen. Da erkennen wir: Energiepolitik ist Wirtschaftspolitik. Wir müssen da aktiv sein. Wir setzen die richtigen Schritte.

In der Zukunft wird auch Energie eine Währung sein. Das heißt, Energie ist die Zukunftswährung, und je mehr wir im eigenen Land davon produzieren, umso besser werden wir auch volkswirtschaftlich dastehen. (Beifall bei der ÖVP.)

13.06


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Michael Bernhard. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.06.18

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Geschätzter Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuse­herinnen und Zuseher! Es ist ja allgemein bekannt, dass ich dem Budget 2021 für den Umwelt- und Klimabereich, der UG 43, kritisch gegenüberstehe. Darauf wird aber nachher mein Kollege Yannick Shetty genauer eingehen.

Ich möchte einen Versuch wagen und mit Inhalt kontern. Das passiert in unserem Haus nicht allzu oft. Ich würde sagen, mir fehlt die UG 43,5. Die werden Sie in Ihrem Budget­detailheft nicht finden. Was wäre denn die UG 43,5? – Das wäre das Treibhausgas­budget, das in unserem Haus entsprechend budgetiert werden müsste.

Das Treibhausgasbudget ist eine Messgröße, die anerkennen würde, dass wir nicht nur über finanzielle Mittel für die Republik zu entscheiden haben, sondern dass wir auch über die Treibhausgasemissionen jedes Jahr aufs Neue zu entscheiden haben. Da gibt es einen Grenzwert, der für unser Land Bedeutung hat. Das ist vielleicht in der Debatte manchmal nicht so zentral, aber Österreich hat sich in Paris dazu verpflichtet, so weit wie möglich dazu beizutragen, die Erderwärmung auf maximal 1,5 Grad zu beschränken. Das bedeutet eine ganz konkrete Zahl für Österreich: Wenn man das ernst nimmt, steht Österreich heute bei knapp 700 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten, die noch verbraucht werden können.

Das sind natürlich Zahlen, mit denen man als praktisch denkender Mensch nicht auto­matisch etwas anfangen kann, aber ich gehe in der Zahlengeschichte weiter, weil das ja die Debatte über ein Budget ist.

Würde man das dann anwenden und sagen, man muss bis 2030 alle notwendigen Schritte setzen, weil viele Technologien, die wir heute brauchen, noch nicht da sind, hätte Österreich bis 2030 noch 550 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente. Jetzt ist es so, dass Österreich heute bei 78 Millionen Tonnen steht. Das ist jetzt die Messgröße, von der wir in einem Budget ausgehen.


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Wir vonseiten der NEOS nehmen das sehr ernst, aber würde es die türkis-grüne Regie­rung sehr ernst nehmen, dann müsste man sich überlegen: Wie kommt man von den 78 Millionen beim Ziel Klimaneutralität 2040 im Jahr 2021 auf insgesamt 73 Millionen, 2022 auf 69 Millionen, 2023 auf 65 Millionen, bis 2030 auf 37 Millionen und bis 2035 dann auf 17 Millionen Tonnen CO2?

Das ist nicht Zauberkunst und Magie, sondern das wäre verantwortungsvolle Beschäfti­gung mit den Zahlen, weil wir einerseits davon ausgehen, dass sie für unser Klima ganz relevant sind, und weil Österreich andererseits eine internationale Verpflichtung einge­gangen ist.

Dieses Budget, dieser Budgetpfad existiert nicht, weil es das Detailheft zur UG 43,5 nicht gibt. Was man sich aber anschauen kann, ist: Wie ist es denn mit den vorhandenen UGs?

Wenn wir die Mobilität, die UG 41, hernehmen, dann steht Österreich dort bei 26 Mil­lionen Tonnen Äquivalenten im Jahr 2021 und müsste 2030 bei 15 Millionen Tonnen stehen. Die Investitionen und Vorhaben, die Sie in dieser UG präsentieren, reichen nicht aus, um diese 15 Millionen 2030 zu erreichen. Es ist aus dieser Budgetübersicht und aus diesem Budgetpfad einfach nicht ersichtlich, wie Sie die Ziele, zu denen sich die Republik Österreich bekennt und zu denen sich die Bundesregierung im Regierungs­programm bekennt, erreichen wollen.

Damit man sich vorstellen kann, was das bedeutet: Pro Jahr müsste man um zwei Milliarden mit einem Benzin- oder Diesel-Pkw gefahrene Kilometer reduzieren. Das ist ziemlich viel. Der Ausbau des öffentlichen Verkehrs und anderer Alternativen ist da natürlich zentral.

Bei den Gebäuden, über die wir auch sehr viel diskutieren, stehen wir jetzt bei 8 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten, und da müssten wir um 0,4 Tonnen pro Jahr reduzieren. Es besteht, um das Ziel zu erreichen, die Notwendigkeit, 3 Prozent aller Gebäude pro Jahr zu sanieren – Österreich steht derzeit bei 1 Prozent. Man kann ins Treffen führen, dass das neue Budget mehr Mittel aufweist, aber das reicht als Maßnahme nicht aus, um diese Einsparung von 0,4 Tonnen pro Jahr bis 2040 linear auch tatsächlich zu erreichen.

In anderen UGs, beispielsweise bei der Landwirtschaft – und da höre ich die Landwirte, die Vertreter des Bauernbundes von der türkisen Seite der Bundesregierung nicht so viel darüber erzählen –, gebe es die Möglichkeit, auf der Einnahmenseite Erhöhungen durch Aufforstung, durch eine andere Form der Bodenbearbeitung zu erreichen. Es ist nicht viel, wir haben da jetzt keine Wunderwaffe, aber wenn wir stärker aufforsten und den Boden anders bewirtschaften würden, wäre es ein Beitrag dazu, dass wir nicht überall alles einsparen müssen.

Auch bei der UG für Industrie und Elektrizität fehlt jeder Pfad, der zur Klimaneutralität bis 2040 beitragen würde.

Ich möchte jetzt noch abschließend sagen: Was wären denn ganz konkrete Maß­nah­men? – Da ist die Debatte oft auch verquer. Man will uns oft einreden, dass, wenn wir jetzt einfach Bäume pflanzen, wir den Planeten oder das Klima retten. Das alleine wird nicht reichen. Wir haben uns das angeschaut: Würden wir in Österreich zwei Millionen Bäume bis 2040 pflanzen, brächte das eine Ersparnis von 1 Million Tonnen CO2-Äquivalenten. Würden wir den Tanktourismus in Österreich erfolgreich bekämpfen und den Benzin- und Dieselpreis angleichen, würden wir jährlich bis zu 5 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente einsparen. Würden wir die dritte Piste bauen, würden wir 3 Millionen Tonnen zusätzlich pro Jahr riskieren, und bauen wir den Lobautunnel – das ist ja Ihre Entscheidung, Frau Ministerin –, sind das bis zu 150 000 Tonnen im Jahr zusätzlich.


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Das heißt – und das ist jetzt das zentrale Element –, dieses Budget, über das ich jetzt gerne diskutieren würde, ist nicht vorhanden. Es findet keine Debatte im Nationalrat, die notwendig wäre, darüber statt: Wie viel haben wir noch? Wie viel können wir uns in den Jahren 2021, 2022, 2023 leisten? Welche Maßnahmen setzen wir, um das, was wir international versprochen haben und bei dem wir der Welt im Wort sind, tatsächlich umsetzen zu können?

Aus diesem Grund können wir NEOS einem solchen Budget nicht zustimmen. Wenn die Maßnahmen, die Sie präsentieren, nicht mit dem Pariser Klimavertrag übereinstimmen, wenn die Maßnahmen mit dem Ziel der Klimaneutralität bis 2040 nicht übereinstimmen, wenn es keine nachvollziehbare Darstellung dessen gibt, wie wir zu diesem Ziel kommen und für die nächsten Generationen die richtige Politik machen, kann von unserer Seite auch keine Zustimmung erfolgen. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

13.12


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Hermann Weratschnig. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.12.57

Abgeordneter Hermann Weratschnig, MBA MSc (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Werte Abgeordnete! Es werden keine Absichtserklärungen helfen, es werden auch keine beschlossenen Ziele Wirkung zeigen und – wir wissen es – es wird die Eigenverantwortung nicht ausreichen. Damit meine ich nicht die Coronakrise, nein, sondern die Klima- und Umweltkrise.

Wenn wir es nicht im Ansatz schaffen, die Klimaziele zu erreichen, dann haben wir ein weltweites Problem, das sich sprichwörtlich gewaschen hat. Wenn uns der Mut zur Trendumkehr fehlt, wenn wir Einzelinteressen vor allgemeine Interessen stellen, wenn uns der Mut auf halbem Weg verlässt, dann gibt es diese großen Probleme.

Klimaschutz lässt sich nicht auf das Interesse von Ökologiebewussten und Grünen reduzieren, nein, sondern es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und Heraus­forderung, eine Verantwortung von 183 Abgeordneten hier im Hohen Haus, von neun Landtagen – bundesweit, europaweit und weltweit. Das ist unser Auftrag, werte Abge­ordnete! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es wird uns keine Wertschöpfung dieser Welt helfen, wenn wir unsere eigenen Lebens­grundlagen versauen und diese Grundlagen nicht absichern. Ja, der Anspruch dieser Koalition ist es, diese Trendumkehr einzuleiten. (Beifall bei den Grünen.) Ja, die Kapitel Mobilität, Umwelt und Energie sind ein aktiver Einstieg in diese Trendumkehr. Keine Blockade darf Reformen und Maßnahmen aufhalten, die notwendig sind, um unseren Planeten zu retten!

Werte Abgeordnete! Das, was wir für die Mobilitätswende heute im Budget 2021 präsen­tieren, wird alleine nicht ausreichen. Es fällt auch kein Stein aus der Krone, wenn man sagt, dass gewisse Grundlagen auch unter vergangenen Regierungen gesetzt wurden, und auch, dass das Setzen notwendiger Maßnahmen in der Vergangenheit verabsäumt wurde. Lasst uns mit diesem Budget einsteigen, mit 95 Millionen Euro für die Dreierstufe des 1-2-3-Tickets, mit 100 Millionen Euro für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs, mit 135 Millionen Euro für den Covid-Fonds, um die Reduktion der Infrastrukturentgelte auszugleichen, mit 2,4 Milliarden Euro Zuschüssen an die ÖBB und natürlich auch für den ÖBB-Rahmenplan! Wir stehen dazu; wir stehen zu den Herausforderungen der Zukunft. Anhand von drei Beispielen möchte ich das erklären.

Reduktion des Transitverkehrs: Da wird es einen weiteren Hebel im Rahmen der Steuer­reform brauchen, wenn es darum geht, den Verkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern. Da werden wir uns auch weiterhin europaweit behaupten müssen, Frau


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Bundesministerin, und ich hoffe und erwarte mir, dass alle Abgeordneten hier klar hinter dir stehen und diesen Weg gemeinsam aufbereiten. (Beifall bei den Grünen.)

Zweiter Punkt: In Anbetracht der deutschen CO2-Bepreisung wird aus dem Dieselprivileg zukünftig ein Privileg für die Dekarbonisierung werden müssen. Wir brauchen ein Privileg für den Gesundheits- und Umweltschutz. Wir brauchen ein Privileg, das uns hilft, diese Klimaziele, an denen wir auch gemessen werden, einzuhalten.

Dritter Punkt, Pendlerpauschale – auch das möchte ich hier ganz klar und deutlich an­sprechen –: Arbeiten wir gemeinsam an einem Mobilitätsgeld mit einem klaren Öffibonus und einer Absicherung jener, die auf das Pendeln mit dem Auto auch zukünftig noch angewiesen sein werden!

Werte Abgeordnete! Es gibt auch noch viele andere Punkte, die wichtig sind: Verkehrs­bildung, Verkehrssicherheit, der Einsatz für FußgängerInnen und RadfahrerInnen. Nut­zen wir Corona als Chance, herauszuinvestieren, die Trendumkehr einzuleiten! Ich bin überzeugt, dass wir hier gemeinsam daran arbeiten werden. Arbeiten wir doch einfach für die Bedürfnisse der Menschen in diesem Land, wofür wir auch gewählt sind! Die Kapitel Mobilität, Umwelt und Energie bieten die besten Möglichkeiten dazu, uns hier einzubringen und aktiv Klimaschutz zu betreiben. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.18


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Julia Elisabeth Herr. – Bitte, Frau Abgeordnete.


13.18.16

Abgeordnete Julia Elisabeth Herr (SPÖ): Herr Vorsitzender! Werte Frau Ministerin! Hohes Haus! Die Frage ist ja: Was muss ein Budget, auch ein Klimabudget, in der Zeit einer solchen Krise können?

Es muss drei Dinge können: Es muss erstens Arbeitsplätze und Unternehmen retten und auch aktiv Arbeitsplätze schaffen. Zweitens braucht es, um diese Arbeitsplätze zu retten, um diese Unternehmen zu retten, massive Investitionen, und zwar nicht Investitionen um der Investitionen willen, sondern dort, wo sie sinnvoll sind, wo sie uns auch einen Fortschritt bringen und wo wir ohnehin Handlungsbedarf haben, eben beispielsweise in der Klimapolitik. Wir wissen, dass gerade die Investitionen im Bereich Klimaschutz auch viele Arbeitsplätze schaffen können. Drittens braucht es auch noch eine gerechte Finanzierung für diese Investitionen. (Abg. Hanger: Sie haben das Budget offensichtlich gelesen!) – Ja, ich habe das Budget gelesen.

Und jetzt zur entscheidenden Frage: Schafft es das Budget, diesen Anforderungen gerecht zu werden, eine Antwort auf die Hunderttausenden fehlenden Arbeitsplätze am Arbeitsmarkt und auch auf die Umweltkrise zu geben? – Nein. (Abg. Hanger: Haben Sie es doch nicht gelesen?!)

Jetzt aber zur guten Nachricht: Es gibt eine deutliche, eine sehr deutliche Erhöhung im Umweltbereich. 500 Millionen Euro für Verkehr, 100 Millionen Euro für Forschung und Entwicklung, 220 Millionen für thermische Sanierung: Das sind Erhöhungen, die sich sehen lassen können. Die versprochene Klimaschutzmilliarde, die wir gefordert haben, die aber auch die Arbeiterkammer und Umwelt-NGOs wie Global 2000 gefordert haben, gibt es nicht. Da fehlt circa ein Fünftel.

Ich weiß schon, Sie werden sagen: Na ja, die Frau Herr ist in der Opposition! Was, außer dass es nicht genug ist, wird die denn schon sagen?! – Deshalb zitiere ich jetzt ein paar Ökonomen, die weder in Opposition noch sonst politisch aktiv sind, sondern – im Gegen­teil – die Experten und Expertinnen sind, die Sie für die Budgetberatungen ernannt


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haben. IHS-Chef Martin Kocher, von der ÖVP ernannt, sagt, die Vorschau hätte etwas ambitionierter ausfallen können, umfangreiche Themen wie Klimaschutz oder Innovation und Forschung würden in diesen Tagen zu kurz kommen. Wifo-Chef Christoph Badelt, von den Grünen nominiert, sagt, ein richtiger Schwerpunkt im Bereich von Umwelt oder Forschung müsste viel größer sein, im Volumen von ein paar Milliarden.

Dann ergänze ich noch, was Ökonom Markus Marterbauer von der Arbeiterkammer sagt: Die Mittel für den öffentlichen Verkehr und auch für den Umbau des Energiesystems steigen zwar nennenswert, dennoch bleiben die Maßnahmen zu gering, um die Klima­ziele zu erreichen. – Das zu dem Budget, das uns vorliegt.

Es gibt eine Aufstockung; die ist gut und die begrüßen wir. Für die Hunderttausenden Arbeitsplätze, die uns fehlen, aber eben auch – der Kollege von den NEOS hat es vorhin ausgeführt – um das Klimaziel, 2040 CO2-neutral zu sein, zu erreichen, reicht es noch nicht.

Das bedeutet, liebe Frau Ministerin – ich habe es bei der letzten Budgetdebatte gemacht, ich mache es bei dieser Budgetdebatte und werde es auch in Zukunft machen –, dass ich die zusätzliche jährliche Klimaschutzmilliarde einfordere. Und – für alle hier im Hohen Haus –: Wir werden auch weiterhin eine gerechte Finanzierung einfordern. All diese Investitionen können nicht nur durch Steuern auf Einkommen, auf Arbeit, auf Konsum getätigt werden, da wird es auch einen Beitrag der Vermögen und auch des Gewinns brauchen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

13.21


Präsident Ing. Norbert Hofer: Herr Abgeordneter Andreas Ottenschläger ist der nächste Redner. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.22.00

Abgeordneter Andreas Ottenschläger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Eine kurze Replik auf Frau Kollegin Herr: Ich denke, dieses Budget bildet tatsächlich auch massive konjunkturbelebende Maßnahmen ab, wie die vom Kollegen Stöger sehr gelobte große Investition in den Bahnausbau. Das ist nicht eine Klimaschutzmilliarde, sondern das sind in Wahrheit viele Kimaschutzmilliarden, die hier budgetiert werden.

Meine Damen und Herren! Das Kapitel Mobilität im Budget bildet die Vereinbarung des Regierungsprogrammes sehr gut ab. Es ist ein sehr offensives Budget. Wir haben in Sachen Mobilitätswende viel vor uns. Es wurde schon erwähnt, ein großer Teil dieses Budgets fließt in den Ausbau des klimafreundlichen öffentlichen Verkehrs, insbesondere den Ausbau der Bahninfrastruktur. Viele Milliarden Euro werden dafür im kommenden Jahr investiert, und das ist auch richtig so. Das ist ein Weg, den wir schon vor einigen Jahren begonnen haben, einzuschlagen, und der sich jetzt noch offensiver fortsetzen wird, und das ist auch richtig so.

Darüber hinaus soll natürlich auch das Angebot im öffentlichen Verkehr entsprechend ausgebaut und attraktiviert werden. Es ist immer wieder von der sogenannten Nahver­kehrsmilliarde die Rede – Herr Präsident Hofer hat das in seiner vorigen Funktion ja auch forciert –: Das schlägt sich jetzt auch nieder, zum Beispiel beim Ausbau und bei der Unterstützung von Regionalbahnen beziehungsweise auch im urbanen Bereich, in den investiert wird. Als Beispiel erwähne ich die Unterstützung für ein Projekt in Salzburg, wo eine Lokalbahn vom Hauptbahnhof bis zum Mirabellplatz mitfinanziert wird, um den öffentlichen Verkehr und das Angebot weiter zu attraktivieren.

Die Konjunktur habe ich schon erwähnt. Ich denke, wenn ich das jetzt richtig im Kopf habe, sichern und schaffen wir pro Milliarde, die wir in den Bahnausbau investieren,


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15 000 Arbeitsplätze – abgesehen davon, dass es auch andere volkswirtschaftliche Effekte hat, weil das Entscheidende für die Bürgerinnen und Bürger ein attraktives Mobilitätsangebot ist, und das ist auch entscheidend für einen guten Wirtschaftsstandort.

Vielleicht noch zwei Dinge, Frau Bundesministerin – Kollege Weratschnig hat schon viele Maßnahmen mit Zahlen unterlegt, das möchte ich deswegen nicht wiederholen –: Das eine ist die schon angedeutete europäische Dimension, die es in der Mobilitäts- und damit verbunden auch in der Klimaschutzpolitik gibt. Von der europäischen Dimension reden wir beispielsweise bei der Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene. Das eine ist, dass wir viel Geld investieren, und das andere, dass wir einen einheitlichen europäischen Eisenbahnraum schaffen. Diesbezüglich wird viel Arbeit und viel Lobbyismus in Brüssel vor Ihnen liegen.

Wenn man beispielsweise ein Gut von Österreich nach Spanien per Schiene trans­portieren will, ist das sehr bürokratisch, das dauert viel zu lange, weil wir innerhalb Europas noch zu viele Hürden auf der Schiene haben. Diese Hürden müssen wir abbauen, dafür brauchen wir eine gemeinsame europäische Wende. Der Green Deal würde es eigentlich hergeben, dass wir da viel gemeinsam erreichen.

Zum Schluss möchte ich ein Dankeschön aussprechen. Bevor das große Gelächter kommt: Ich möchte mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bedanken, die den öffentlichen Verkehr in Zeiten wie diesen aufrechterhalten. Ich möchte mich aber auch bei der Transportwirtschaft, bei den Unternehmen und ihren Mitarbeiterinnen und Mitar­beitern bedanken, die in Zeiten wie diesen vor Herausforderungen stehen und weiter stehen werden.

Das möchte ich auch zum Anlass nehmen, um einzuladen – auch Sie, Frau Bundes­ministerin –: Die Transportwirtschaft steht vor zwei großen Herausforderungen, auf der einen Seite die Covid-Krise mit all ihren wirtschaftlichen Auswirkungen und auf der anderen Seite natürlich auch der von uns eingeforderte Klimaschutzbeitrag, den sie zu leisten hat und den zu leisten sie auch bereit ist. Wir müssen das im Dialog miteinander, mit unserer politischen Unterstützung lösen, weil – ich sage das jetzt etwas flapsig und bitte um Entschuldigung – der Lkw per se nichts Böses ist. Wir brauchen ihn, gerade in den urbanen Zentren, gerade auf der sogenannten letzten Meile können wir irgendwann nicht mehr alles auf der Schiene transportieren. Wir brauchen Rahmenbedingungen, um die Transportwirtschaft entsprechend zu unterstützen, damit wir diese Ziele, die wir uns vorgenommen haben, auch entsprechend umsetzen können. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

13.27


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Christian Hafenecker. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.27.27

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminis­terin! Herr Staatssekretär! Kollege Ottenschläger, eines fällt mir bei der ÖVP immer auf, und das ist vielleicht auch ein Hinweis auf den Zustand der Koalition: Wenn schwarze Minister hier von schwarzen Rednern in Redebeiträgen bedacht werden, dann ist die Dankesorgie fast nicht mehr auszuhalten; wenn grüne Minister dasitzen, sagt die ÖVP kein einziges Mal Danke. (Abg. Haubner: Das können ja Sie machen!) Das sollte euch (in Richtung Grüne) vielleicht ein bisschen zu denken geben.

Zum Kollegen Weratschnig: Kollege Weratschnig – und das ist gleich der nächste Bogen, den ich hier spannen möchte –, wenn du sagst, es sind viele Maßnahmen ver­säumt worden, die jetzt nachgeholt werden müssen, dann garantiere ich euch, ihr werdet nicht viele Maßnahmen nachholen können, denn wenn ihr das Dieselprivileg abschafft,


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dann wird es nicht lang dauern, bis der Bauerbund mit Traktoren vor dem Ministerium der Frau Minister steht und bis die Koalition wieder hin ist. Da rede ich noch gar nicht von eurem Mobilitätsgeld, das de facto heißt, es wird das Pendlerpauschale abgeschafft. Da werdet ihr noch viel Vergnügen haben. (Zwischenruf des Abg. Weratschnig.) Ich gebe euch noch ein paar Monate, aber lang wird es nicht mehr dauern.

Frau Bundesministerin, wir haben uns bereits am Dienstag ein bisschen über Ihre Leistungsbilanz unterhalten können. Ich habe gesagt, Sie waren eine jener Ministerinnen mit den meisten Vorschusslorbeeren. Na ja, wenn man nachschaut, was tatsächlich zustande gekommen ist, schaut es ein bisschen traurig aus. Das als Totalversagen zu bezeichnen wäre gegenüber einer Dame vielleicht ein bisschen unfair, das sage ich so nicht. Wenn ich mir Ihr Budget und Ihre Leistungsbilanz im letzten Jahr anschaue, stelle ich mir aber schon die Frage, wozu Sie eigentlich ein Budget brauchen. Warum kommen Sie hierher? Warum lassen Sie sich vom Parlament ein Budget genehmigen, wenn Sie nichts machen, Frau Bundesministerin?

Sie haben innerhalb von einem Jahr zwei Regierungsvorlagen gebracht. Sie haben einen AUA-Deal gemacht, mit dem Sie 450 Millionen Euro versenkt haben. Keiner weiß, ob die AUA danach noch bestehen wird, Sie haben keine Eingriffsmöglichkeiten für die Regierung vorgesehen. Ich bin überzeugt davon, es wird nicht lang dauern, dann werden wir wieder hier stehen und das nächste Paket schnüren – ist ja egal, das Geld drucken wir schon irgendwo. (Zwischenruf des Abg. Lukas Hammer.)

Sie legen einen Rahmenplan vor, den Sie in Wahrheit vom ehemaligen Minister Hofer abgeschrieben haben, Sie erweitern das nur ein bisschen mit ein paar Fahrradpark­plätzen, und das ist die neue Lösung. Frau Ministerin, wir alle hier im Parlament sind nicht dumm, wir können lesen und wissen, was Sie alles nicht machen.

Ihr 1-2-3-Ticket ist mein Lieblingsprojekt. Sie versprechen uns im Verkehrsausschuss: Na ja, im ersten Semester 2021 wird das funktionieren. – Frau Bundesminister, reden Sie einmal mit Ihren Leuten im Ministerium! Sie haben noch keinen einzigen Vertrag mit einem Bundesland abgeschlossen. Ich sage Ihnen eines – auch ein Tipp als ehemaliger Koalitionspartner der ÖVP –: Das 1-2-3-Ticket, das Sie ins Regierungsprogramm hineingeschrieben haben, ist die große Karotte der ÖVP, die vor Ihnen hergetragen wird, und Sie rennen dieser nach und glauben tatsächlich, dass einer der Landeshäuptlinge der ÖVP mit Ihnen irgendeinen Vertrag abschließen wird. Frau Bundesministerin, da hätte ich Sie für vernünftiger gehalten. Schade, dass Sie der ÖVP in diesem Zusam­menhang noch glauben. Das 1-2-3-Ticket wird einer der Punkte sein, an dem die Koalition dann auch zerbricht. (Beifall bei der FPÖ.)

Dann haben wir auch das Desaster bei der Eisenbahn – und da rede ich gar nicht von den Bahnhofsschließungen und von den WC-Anlagen, die überall in Österreich ge­schlossen werden, was auch sehr interessant und nett den Pendlern gegenüber ist. Dann geht es weiter: Bundesstraßenausbauplan – gibt es nicht. Straßen gibt es bei Ihnen als Verkehrsministerin nicht, die brauchen wir nicht, es werden auch keine gebaut.

Frau Bundesministerin, die Grünen können Verkehrspolitik einfach nicht. Das hat man ja auch in Wien gesehen, wo nach zehn Jahren Verkehrsstadträtin jetzt endlich eine neue Koalition mit den NEOS da ist, die es in ein paar Tagen geschafft haben, bessere Radfahrerpolitik zu machen, als Sie das in zehn Jahren geschafft haben. (Zwischenrufe bei den Grünen.) Ich bin gespannt, wie sich die NEOS in Wien bewähren. Jedenfalls sieht man: vom Pop-up-Radweg zur Pop-up-Ministerin, Sie können Verkehr einfach nicht bewerkstelligen. (Abg. Strasser: Da spricht der NEOS-Versteher!)

Ich habe dann eben diese Anfrage gestellt, Frau Bundesministerin, und es hat mich eigentlich gewundert, dass das Ihr Haus verlassen hat, denn das ist eine 16-seitige Selbstanklage. Da geben Sie sehr breit darüber Auskunft, was Sie alles im letzten Jahr


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nicht gemacht haben. Ich möchte Ihnen natürlich auch ein paar Auszüge daraus zur Kenntnis bringen. Es wundert mich, dass Sie das unterschrieben haben, weil man in Wahrheit die Beamten, die das abgefertigt haben, versetzen müsste, denn das lässt ja in Wirklichkeit kein gutes Bild von Ihnen zu.

Sie sagen zum Beispiel: Corona ist der Grund, warum Sie so viele Maßnahmen nicht machen konnten. – Ich helfe Ihnen dank Ihrer Anfrage auf die Sprünge. Wissen Sie, was Sie gemacht haben? – Sie haben vier Erlässe im Zusammenhang mit Corona im Bereich Verkehr abfertigen müssen. Das hat Sie also in Bezug auf Corona so gestresst.

Ich lese Ihnen jetzt vor, was Sie alles nicht gemacht oder wovon Sie gesagt haben, das kommt alles noch, ist alles fast fertig, in Planung oder sonst etwas: Novelle der Straßen­verkehrsordnung: Kommt erst! Luftfahrtgesetz: Verschoben! Umweltförderungsgesetz: 2021/2022! Eisenbahngesetz: Schauen wir einmal! Energieeffizienzgesetz: Ja, da müs­sen wir uns vielleicht noch irgendwann darum kümmern! Wärmegesetz: Es gibt noch kein Datum! Emissionszertifikategesetz: Na ja, alles in Arbeit! Klimaschutzgesetz: Das ist auch irgendwann vorgesehen! (Zwischenruf bei den Grünen.)

Dann kommen Sie daher, Frau Bundesministerin, und sagen: Aber wir elektrifizieren immerhin 500 Kilometer Eisenbahn! (Weiterer Zwischenruf bei den Grünen.) Na toll, haben Sie auch geschaut, bis wann? – Bis 2030. Da sind Sie vielleicht zum nächsten Mal wieder in der Regierung, aber die 500 Kilometer werden Sie nie befahren können.

Was fehlt noch? – Der Bereich E-Mobilität: Da greifen Sie nur auf Modelle zurück, die Sie von uns vorgefunden haben. Auch Förderprojekte zur Batterieherstellung sind Projekte, die Sie übernommen haben. Alles, mit dem Sie sich schmücken, haben Sie also im Prinzip eigentlich von Ihrem Vorgänger übernommen. Frau Bundesministerin, Sie haben in diesem Ministerium noch kein eigenes Profil gezeigt.

Jetzt komme ich zum Schluss. Weil Sie alle immer sagen, Sie wollen die Umwelt schützen: Das einzige Projekt, das Sie hätten übernehmen können, das tatsächlich zur Dekarbonisierung beigetragen hätte, wäre die Nahverkehrsmilliarde gewesen. Die haben Sie ja bekanntermaßen zertrümmert.

Damit Sie vor Ihrer grünen Basis, vor Ihren Wählern nicht komplett ohne irgendetwas dastehen, helfe ich Ihnen noch einmal. Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Aus­bau des öffentlichen Nahverkehrs – Umsetzung ‚Nahverkehrsmilliarde‘ jetzt!“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Tech­nologie wird ersucht, im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen die recht­lichen und budgetären Rahmenbedingungen für eine Mitfinanzierung von einzelnen Verkehrsprojekten in Ballungsräumen im Sinne einer ‚Nahverkehrsmilliarde‘ mit dem Ziel der Dekarbonisierung zu schaffen.“

*****

Frau Bundesministerin, da könnten Sie vielleicht tatsächlich noch ein bisschen Ihren Ruf und Ihre Ehre retten, was Verkehrspolitik betrifft; bei allem anderen sind Sie kläglich gescheitert.


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Am Ende nur eine Bitte von mir persönlich: Ich setze mich mittlerweile seit einigen Jahren sehr intensiv mit Verkehrspolitik auseinander. Ich musste feststellen: Sie können es nicht. Daher lautet meine Bitte an Sie: Machen Sie Platz für jemanden, der in diesem Bereich vielleicht ein bisschen kompetenter ist und vor allem auch den Willen hat, im Verkehrsbereich etwas zu ändern! Sie sind das nicht. Ich weiß auch nicht, ob Sie so jemanden bei den Grünen finden. Das wäre jedenfalls der erste Ansatz. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf bei den Grünen.)

13.34

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Christian Hafenecker, MA

und weiterer Abgeordneter

betreffend Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs - Umsetzung „Nahverkehrsmilliarde“ jetzt!

eingebracht in der 62. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 19. November 2020 im Zuge der Debatte zu TOP 11, Bericht des Budgetausschusses über die Regierungs­vorlage (380 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2021 (Bundesfinanzgesetz 2021 – BFG 2021) samt Anlagen 449 d.B.) – UG41

Die bereits 2019 vom damaligen Bundesminister Hofer konzipierte „Nahver­kehrsmil­liarde“ steht auch im aktuellem Regierungsprogramm:

Öffi-Milliarde für den Nahverkehr für die Verbesserung der Rahmenbedingungen im öffentlichen Verkehr. Damit sollen vor allem Ausbau und Verbesserung des öffentlichen Verkehrs in und um Ballungsräume vorangetrieben werden.

Im aktuellen Budget findet diese jedoch kaum einen Niederschlag. Laut Budget-dienst des Parlaments gibt es lediglich 100 Millionen Euro zusätzlich für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs. Investitionen in die ÖBB-Infrastrukur fallen 2021 hinter den schwar-blauen Rahmenplan 2018-2023 zurück. So sind dafür nun von der schwarz-grünen Bundesregierung 21 Millionen weniger vorgesehen.

Das Projekt der Nahverkehrsmilliarde sollte ursprünglich Anfang 2020 starten, dies wurde durch das vorzeitige Ende der schwarz-blauen Regierung aber nicht mehr mög­lich. Das Modell sah vor, dass ein jährlicher Budgettopf für den Öffi-Ausbau in den Ballungszentren zur Verfügung steht. Nicht nur Wien, wo der Bund 50% der Errich­tungskosten der U-Bahn übernimmt, hat ein innerstädtisches Verkehrsproblem – bislang war es dem Bund aber rechtlich nicht möglich, Projekte in anderen Städten zu unter­stützen. Mit der Nahverkehrsmilliarde wäre das möglich – unter zwei Bedingungen: Die Projekte müssen dekarbonisiert sein und über die Stadtgrenzen hinaus wirken. Damit sollen die Stadtzentren vom individuellen motorisierten Verkehr entlastet werden. Ein Meilenstein in der Verkehrspolitik.

Daher stellen die unterzeichnenden Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie wird ersucht, im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen die rechtlichen und budgetären Rahmenbedingungen für eine Mitfinanzierung von einzelnen


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Verkehrsprojekten in Ballungsräumen im Sinne einer „Nahverkehrsmilliarde“ mit dem Ziel der Dekarbonisierung zu schaffen.“

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß einge­bracht, er steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist nun Abgeordneter Lukas Hammer. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.34.23

Abgeordneter Lukas Hammer (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Danke, Herr Kollege Hafenecker, dass Sie jetzt einmal alle Versäumnisse in der Verkehrspolitik unter FPÖ-Führung aufgezählt haben. Wir haben leider einen sehr großen Berg an Versäumnissen vorgefunden, aber keine Angst: Wir werden den abarbeiten. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Martin Graf.)

Noch einmal in Richtung FPÖ: Kollege Deimek von der FPÖ hat von der „sogenannten“ Coronapandemie gesprochen. (Zwischenruf des Abg. Martin Graf.) Wir kennen das von rechten und rechtsextremen PolitikerInnen (Abg. Deimek: Und von Linksextremen, von Grünen, von Kommunisten ...!) – nein, eigentlich Politikern, das muss man nicht gen­dern –, von rechtsextremen Politikern auf der ganzen Welt, dass sie sowohl die Corona­pandemie als auch die Klimakrise verharmlosen, obwohl beides gleichermaßen tödlich ist. (Zwischenruf des Abg. Deimek.) Diese Wissenschaftsfeindlichkeit ist tödlich. Mitt­lerweile zeugen leider traurige 230 000 Todesfälle in den USA und viele vermeidbare Todesfälle in Brasilien unter Bolsonaro davon. (Abg. Deimek: Warum macht ihr dann keine Begleitforschung?! – Abg. Kassegger: Sie verwechseln Pragmatismus mit ...!)

Gerade in diesem Jahr müsste eigentlich auch den größten Zweiflern klar werden, in was für einer Situation wir uns befinden. Die halbe Westküste der USA ist abgebrannt. Wir sprechen mittlerweile von Klimabränden, einem ganz neuen Phänomen. (Zwi­schenruf des Abg. Martin Graf.) Im Atlantik hat gerade am Dienstag Hurrikan Iota als 30. Hurrikan in dieser Saison die Küste von Nicaragua getroffen, wo 13 Tage zuvor schon ein Hurrikan war. (Abg. Deimek: Was trinken Sie schon wieder ...?) Die Klimakrise ist real und sie ist die größte Herausforderung, vor der wir je gestanden sind. (Abg. Deimek: Und warum tut dann die Frau Minister nichts?)

Wir haben eine historische Verantwortung in der Klimakrise – das ist uns allen bewusst –, und wir müssen auch dieser historischen Verantwortung mit größter Entschlossenheit entgegentreten. Weil wir diese Verantwortung auch sehr ernst nehmen, werden wir für nächstes Jahr das größte Klimaschutzbudget haben, das diese Republik je gesehen hat. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP, SPÖ und NEOS.)

Für sämtliche Klimaschutzinstrumente wird es nächstes Jahr mehr Geld geben: für den Klimafonds, für die Umweltförderung im Inland, für den Bau von Fahrradstraßen (Abg. Deimek: 4 Meter breit!), auch für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs, wir haben es gehört. Was mich besonders freut, ist, dass wir endlich auch unsere internationale Ver­antwortung wahrnehmen und die internationale Klimafinanzierung deutlicher ausbauen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Martin Graf: Fahrradstraßen: das Zubetonieren von Grünflächen!)

Dieses Budget wird einen großen Beitrag dazu leisten, dass wir unser Land grundlegend umbauen. (Abg. Hafenecker: Bodenversiegelung durch Radwege!) Das ist auch not­wendig, wenn wir in den nächsten 20 Jahren, das ist im Prinzip übermorgen, aus Öl, Gas und Kohle aussteigen wollen. Am Beispiel Raumwärme kann man das sehr gut darstellen.


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Wir haben in Österreich allein bei den Hauptwohnsitzen 600 000 Ölheizungen und fast eine Million Gasheizungen. Wenn wir Österreich klimaneutral machen wollen, müssen wir die alle in den nächsten 20 Jahren gegen klimafreundliche Heizsysteme austauschen und dafür sorgen, dass die Gebäude, in denen sie stehen, energieeffizienter werden. Deshalb wird es allein für nächstes Jahr 350 Millionen Euro an Förderungen für ther­mische Sanierung und Heizungstausch geben. Das ist siebenmal mehr als im Budget­voranschlag 2019 und eine deutliche Steigerung im Vergleich zu diesem Jahr. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Diese Förderung gab es, wie wir wissen, auch schon in der Vergangenheit. Wir waren da bei 38 Millionen, 40 Millionen Euro im Jahr. Das hat allerdings nie gereicht, die Förderungen waren immer sehr schnell weg. Im Prinzip haben diejenigen mit der schnellsten Internetverbindung eine Förderung bekommen, der Rest hat leider Pech gehabt. Diese Stop-and-go-Politik der Vergangenheit beenden wir heute.

Wir wissen, dass sich viele Menschen trotz der Förderung, die es gibt – wenn man zum Beispiel 5 000 Euro für einen neuen Heizkessel bekommt –, den Umstieg nicht leisten können, weil sie ein so geringes Einkommen haben. Eine Mindestpensionistin mit einer Ölheizung zu Hause kann mit den Förderungen in Höhe von 5 000 Euro, die wir zur Verfügung stellen, auch wenn das Land etwas dazuzahlt, nichts anfangen. Deswegen haben wir zum ersten Mal einen zusätzlichen Topf mit 50 Millionen Euro pro Jahr geschaffen, aus dem wir Haushalten mit sehr, sehr geringem Einkommen dabei helfen, ihre Heizung umzustellen und auch ihr Haus zu sanieren.

Weil immer gefragt wird, wie wir das definieren: Aus meiner Sicht sollte das so pas­sieren – und wir sind derzeit in intensiven Verhandlungen mit den Ländern –, dass den einkommensschwächsten 10 bis 20 Prozent der Bevölkerung das neue Heizungs­system inklusive Beratung fixfertig hingestellt wird – also eine 100-prozentige Förderung. Das gab es in Österreich noch nie! (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der ÖVP sowie der Abg. Herr.)

Was mir besonders wichtig ist: Dieses riesige Klimaschutzbudget – und ich glaube, wir können uns jetzt mit Superlativen überschlagen, denn es ist einfach ein riesiges Klima­schutzbudget mit sehr vielen Förderungen  ist kein Einmaleffekt aufgrund einer Kon­junkturbelebungspolitik. Wenn Sie sich den langjährigen Finanzrahmen anschauen, dann werden Sie sehen, es geht so weiter. Das Klimaschutzbudget wird jedes Jahr bis zum Jahr 2024 mehr werden.

Das ist wichtig. Warum? – Weil die Menschen in unserem Land wissen, dass wir sie auf diesem Weg nicht allein lassen werden, und weil vor allem die Betriebe wissen, dass sie jetzt anfangen können, langfristig zu planen. Viele Betriebe, zum Beispiel Installateur­betriebe oder auch Elektriker, haben einen Fachkräftemangel und können jetzt, aufgrund dieses Auftragsvolumens, das in den nächsten Jahren auf uns zukommt, langfristig planen. Deswegen ist diese langfristige Festlegung auch so besonders wichtig.

Alles in allem: Die Verbindung von wirtschaftlicher Vernunft, sozialer Verantwortung, einem ambitionierten Klimaschutz und, wie gesagt, sozialer Gerechtigkeit zeichnet die­ses Budget aus. Deswegen ist heute auch ein außerordentlich erfreulicher Tag für den Klimaschutz in diesem Land. – Danke. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der ÖVP sowie der Abg. Herr. – Zwischenruf des Abg. Martin Graf.)

13.40


Präsident Ing. Norbert Hofer: Herr Abgeordneter Johannes Margreiter ist der nächste Redner. – Bitte, Herr Abgeordneter.



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13.40.57

Abgeordneter Dr. Johannes Margreiter (NEOS): Herr Präsident! Sehr geschätzte Frau Bundesministerin! Geschätzter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Es scheint, als verschlinge das Coronathema so langsam alles und jeden; kein Tagesthema, das nicht davon belastet, abgelöst oder ins Abseits gedrängt wird. Selbst dem vor einem guten Jahr noch heiß diskutierten Klimathema scheint es mittler­weile an den Kragen zu gehen – aber keine falsche Vorfreude bitte, es hat sich höchs­tens die Schlagzeilentauglichkeit dieses Themas abgekühlt, die Polkappen schmelzen weiter vor sich hin. (Zwischenruf des Abg. Hafenecker.)

Tatsächlich aber haben Corona, der Klimawandel, das vorliegende Mobilitätsbudget und ein Kamel mehr Gemeinsamkeiten, als auf den ersten Blick zu vermuten wäre; aber bitte der Reihe nach.

Wenn uns Corona in aller Deutlichkeit etwas sagt, dann das, dass weltweite Problem­stellungen vorhanden sind, die keine Staatsgrenzen anerkennen. (Abg. Kickl: Ein Plädoyer für den Zentralstaat oder was?) Ob in Wisconsin, ob in Mailand, ob in Teheran: Ein Menschenfeind, winzig klein, viel zu klein, um mit freiem Auge wahrgenommen werden zu können, tötet Hunderttausende von uns. Und obwohl dieser Umstand mit Zahlen belegbar ist, uns namhafte Forscher und Forscherinnen weltweit ans Herz legen, Achtsamkeit zu entwickeln, unsere Umwelt nicht nur zu respektieren, sondern sie durch eigenes Handeln mit zu schützen, gibt es Menschen, die da schlicht behaupten: Das ist alles nur Lüge, Fake, linke Propaganda. Es wird sich bestätigen, es war alles der berüchtigte Sturm im Wasserglas, eine Modeerscheinung, Hysterie, ein maßlos über­zogenes Weltuntergangsszenario!

Und, Kollege Kickl – weil Sie gerade hier im Plenum sind –, da meine ich nicht nur Sie. (Abg. Kickl: Haben Sie Ihr Handy schon weggeschmissen und die EDV-Ausrüstung?) Wissen wir noch, wovon ich jetzt spreche? Das klingt doch schon alles sehr bekannt, schon so oft gehört. Aber ja, natürlich: Ersetzen wir einfach die Überschriften, über­schreiben wir Corona mit Klimawandel – und wir kommen zum gleichen Ergebnis, zu den gleichen Argumenten, den gleichen Weltverschwörungstheorien! (Zwischenruf des Abg. Hafenecker.)

Bedenke ich jetzt, dass es auch noch die gleichen Politikerinnen und Politiker sind, die sich dieser Thematik annehmen, dann verliert die Sache allerdings jeden Witz. Die gleichen Seilbahnbonzen, die gleichen Glücksspiellobbyisten, die gleichen weißen alten Männer, die gleichen Fachdilettanten bestimmen den zukünftigen Umgang mit dem Umweltschutz! (Abg. Hörl: Was sagt er denn da?)

Ihr Budgetentwurf in allen Ehren, Frau Bundesminister, allein, es fehlt mir der Glaube, wenn sich Ihre türkisen Partner da plötzlich als geläuterte Klimaretter zu erkennen geben. Vom Schwarzdenker zum Türkisdenker, gut, das ist Malkastenspielerei, aber doch nicht vom alten weißen Mann, der immer noch glaubt, ein Gegenargument zu finden, indem er Frauen als „widerwärtiges Luder“ bezeichnet, vom alten weißen Mann, der abweichende Meinungen von Frauen mit Androhung von Watschen sanktionieren will! (Beifall bei Abgeordneten der NEOS. – Abg. Hörl: ... redest nur Blödsinn! – Abg. Strasser: Wer hat diese Rede geschrieben?)

Diesen Weg, Frau Minister, den Sie hier mit Ihrem Budget beschreiten wollen, werden Sie alleine gehen müssen – diese Prognose wage ich jetzt geradeheraus. Und wenn Sie am Ende doch nur den vornehmen Ansatz verfolgen, das Schöne liege darin, ein Ziel zu verfolgen, und nicht darin, es zu erreichen, dann sind Sie offenbar noch nie einer Straßenbahn in Wien nachgelaufen. (Beifall bei Abgeordneten der NEOS.)


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Somit sei der Zusammenhang zwischen Corona, dem Klimawandel und dem aktuellen Mobilitätsbudget erklärt.

Eines fehlt noch. (Staatssekretär Brunner: Das Kamel!) – Das Kamel, genau, richtig. Frau Bundesminister, eher geht ein Kamel durchs Nadelöhr, als dass aus der ÖVP eine echte Klimaschutzpartei wird. (Beifall bei NEOS und SPÖ. – Staatssekretär Brunner – erheitert –: Sind wir schon lange!)

Ich wünsche Ihnen von Herzen, dass es gelingen möge, den ambitionierten Budget­ansatz beim Mobilitätsbudget durchzusetzen. Ich wünsche Ihnen viel Glück, Sie werden es brauchen. – Danke. (Beifall bei den NEOS.)

13.46


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme hat sich Frau Bundesministerin Leonore Gewessler zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Bundesministerin.


13.46.25

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Werte Damen und Herren, die Sie diese Sitzung digital, vor dem Fernsehgerät oder wo auch immer verfolgen! Das Budget 2021 ist und bleibt – ich habe es in diesem Haus schon mehrfach erwähnt – ein Klimaschutzbudget. Es beinhaltet so viel Geld für den Klima­schutz wie noch kein Budget jemals zuvor in Österreich (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie der Abg. Herr), und zwar in allen drei Untergliederungen, die das Bundesminis­terium für Klimaschutz verantwortet, und ich werde auch ein paar Worte zu allen drei Untergliederungen sagen.

Sei es mit dem Ausbau der Erneuerbaren, sei es mit der Sanierungsoffensive, sei es mit den Investitionen in die Bahn, in den öffentlichen Verkehr, in die Innovation und For­schung: Wir schaffen mit diesem Budget nicht nur Klimaschutz, wir schaffen mit diesem Budget regionale Arbeitsplätze, wir schaffen regionale Wertschöpfung. Also die drei­fache Dividende, die eingefordert wird, liefert dieses Budget, und zwar auch weit über diese drei UGs hinaus. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Es ist mehr als eine Klimaschutzmilliarde in diesem Budget enthalten. 40 Prozent der Anträge aus der Investitionsprämie gehen in Ökologisierungs- und Klimaschutz­maßnah­men, im Gemeindepaket wurde ein deutlicher Klimaschutzschwerpunkt gesetzt. Wir investieren kohärent, durchgängig und nicht nur über das Budget des Klimaschutzminis­teriums in den Klimaschutz – und darin liegt der Unterschied zu früheren Budgets, der sich auch deutlich abzeichnet.

Ich möchte mit Forschung und Innovation beginnen, denn auch dieses Forschungs- und Innovationsbudget ist dieses Jahr ein Klimaschutzbudget. Das geschieht einerseits, indem wir traditionell grüne Technologien fördern, das passiert andererseits aber auch unter dem Schlagwort Tech for Green, das heißt indem wir ganz bewusst Technologien wie die angesprochene künstliche Intelligenz oder vieles Weitere wie zum Beispiel im Bereich der Mikroelektronik für den Klimaschutz nutzen.

Künstliche Intelligenz ist ein sehr gutes Beispiel. Es geht nicht nur darum, Einkaufs­verhalten zu optimieren; mit diesem Hintergedanken wurde das ursprünglich einmal an­gewendet. Es geht darum: Wie kann man künstliche Intelligenzanwendungen nutzen, um zum Beispiel auf den Zustand der Biodiversität rückzuschließen, um den Energie­verbrauch von Städten zu modellieren? Da gibt es ganz neue Möglichkeiten, die wir mit diesem Budget auch unterstützen.

Gerade im Budget der UG 34 ist Großes gelungen: Wir haben eine Steigerung von 24 Prozent in der UG 34. Durch die Mittel des Konjunkturpakets haben wir 100 Millionen


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Euro mehr für Forschung und Innovation. Einen derart großen Anstieg gab es seit vielen, vielen, vielen Jahren nicht. Wir hatten 2013 406 Millionen Euro, 2020 sind es 556 Millio­nen Euro; also auch im Innovations- und Technologiebudget – nicht zu vergessen – ein Konjunkturbeitrag, eine Unterstützung für Unternehmen gerade in dieser schwierigen Zeit. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Ich möchte noch auf ein paar der Schwerpunkte in der UG 34 eingehen, zunächst auf die Transformation zu grüner Produktion. Ich möchte das deswegen hervorheben, weil wir insbesondere hier erstmals auch einen programmübergreifenden Schwerpunkt zwi­schen Basisprogrammen und dem Programm Produktion der Zukunft in der FFG schaf­fen, das heißt Mittel auch bündeln, hebeln, strategisch einsetzen. Mit der Förderung von Informations-, Produktions- und auch Weltraumtechnologien fördern wir den Schwer­punkt Tech for Green. Wir haben einen extra Schwerpunkt auf KMUs und die Frage, wie wir sie dabei unterstützen können, möglichst unbürokratisch und rasch klima- und um­weltfreundliche Innovationen umzusetzen. Dekarbonisierung der Industrie ist ein großes Thema auch für die UG 34, zum Beispiel über die Förderung der Vorzeigeregion Energie, die sehr marktnahe Innovation in die Umsetzung bringt.

Je mehr wir mit diesem Budget aus diesem Haus Klimaschutz auch im Bereich der Innovation und Technologie umsetzen, desto mehr werden wir neue Lösungen anregen können, desto erfolgreicher werden wir sein, und zwar nicht nur als Ministerium, sondern auch als Gesellschaft bei der Bekämpfung der Klimakrise. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Das bringt mich zur UG 41 – über diese wurde heute schon viel gesprochen. Auch in der UG 41, im Bereich der Mobilität – und ich danke auch allen für die freundlichen Worte dafür –, ist das Budget ein Klimabudget. Wir setzen in den Bereichen Infrastruktur, Verkehrsangebot und Tarifangebot an allen notwendigen Hebeln an, um die Rolle des öffentlichen Verkehrs als die eines starken öffentlichen Verkehrs auch nachhaltig und umfassend zu stärken.

Ich möchte ein paar Beispiele nennen: Das Budget im Bereich der Privatbahnen wird auf rund 124 Millionen Euro mehr als verdreifacht. Das entspricht einer Steigerung von 240 Prozent. Damit werden die Weichen gestellt, auch für Modernisierungen, für Elektrifizierungen. Für das neue Instrument der Stadtregionalbahn werden die Mittel erstmals im Budget abgebildet. Damit ist die Basis für wichtige und über die Stadt­grenzen hinaus wirkende Projekte gelegt, um von der Überschrift tatsächlich zur Umset­zung zu kommen.

Da Herr Hafenecker ja alle zwei Tage dieselbe Rede hält (Zwischenruf des Abg. Hafenecker), habe ich mir das auch angeschaut. Der Vergleich macht sicher: Fortschrei­bung des budgetären Status der letzten Jahre: 33 Millionen Euro im Bereich der Inves­titionsprogramme für Privatbahnen. Wir legen jetzt vor: eine Vervierfachung auf 120 Mil­lionen Euro, erstmals Mittel für die Stadtregionalbahnen, ein fünfjähriges mittelfristiges Investitionsprogramm, das dieses Jahr noch abgeschlossen wird, und 15a-Verträge für konkrete Vereinbarungen. – Der Vergleich macht sicher! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Über den Rahmenplan habe ich schon viel erzählt, deswegen halte ich die Ausführungen dazu kurz. Der Rahmenplan ist der größte Rahmenplan, aufbauend auf guten Vorar­beiten aus vielen Jahrzehnten. Österreich hat die Bahn als Rückgrat der umweltfreund­lichen öffentlichen Mobilität hochgehalten, aber wir setzen dem eines drauf. Es ist eine Steigerung gegenüber dem ursprünglich gekürzten Rahmenplan 2018–2023, eine deut­liche Steigerung im Rahmenplan 2021–2026 auf insgesamt 17,5 Milliarden Euro mit 3 Milliarden Euro Neuinvestitionen, komplett neuen Projekten, die in ganz Österreich


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einen richtigen Boost für den Ausbau der umweltfreundlichen Infrastruktur geben wer­den.

Auch die Ausweitung und Qualitätssteigerung des Fahrplanangebots ist mit 92 Millionen Euro budgetiert. Das 1-2-3-Ticket mit der österreichweiten Stufe ist im ersten Jahr mit 95 Millionen Euro budgetiert. Das ist laut allen unseren Berechnungen auch das Budget, das wir dafür brauchen; es steigt in den Jahren darauf an. Wir werden die deutlich erhöhten Förderungen für Elektromobilität und aktive Mobilität fortführen und auch auf­stocken, und es steht weiterhin der verzehnfachte Betrag zur Förderung der Radeweg­einfrastruktur zur Verfügung.

Um ein Missverständnis aufzuklären, das jetzt auch bei Michi Bernhard ein bisschen durchgekommen ist: Selbstverständlich ist das Budget ein Teil von Klimaschutzpolitik, aber Klimaschutzpolitik umfasst den vollen Instrumentenkoffer, gerade im Bereich der Mobilität: CO2-Standards für die Pkw-Flotte – nächstes Jahr auf europäischer Ebene das nächste große Legislativpaket –, die Frage der rechtlichen Rahmenbedingen, Infra­struktur, Steuersystem et cetera plus Budget, das macht den Pfad Richtung 2040. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Gerade im Mobilitätsbereich möchte ich auch nicht unerwähnt lassen, dass wir sehr viel an Mitteln auch für die Abfederung der Folgen von Covid-19 investiert haben. Das ge­schieht schon im Jahr 2020, wir setzen diesen Weg aber auch fort. Wir brauchen den öffentlichen Verkehr als starkes Rückgrat der Mobilität auch post Corona, und auch für 2021 bestehen daher etliche der Maßnahmen weiter. Das ist einerseits eine verstärkte Schienengüterverkehrsförderung in der Höhe von 140 Millionen Euro, aber andererseits ist auch die ganzjährige Absenkung der Schienenmaut mit insgesamt 135 Millionen Euro für Personen- und Güterverkehr budgetiert.

Wir haben auch eine nochmalige Notvergabe auf der Weststrecke bis Februar 2021 budgetiert, um auch da sicherzugehen, dass wir mit der Bahn, mit den öffentlichen Verkehrsmitteln wie gewohnt sicher an unser Ziel kommen.

Ich möchte noch ganz kurz auf die UG 43 eingehen: Klima, Umwelt und Energie. Auch das wurde schon vielfach besprochen, aber mit dem Investitionspaket, das wir in der UG 43 auf den Weg bringen, mit einer deutlichen Erhöhung im Bereich Klimaschutz – im Vergleich zu 2019, also dem Budget vor unserem Amtsantritt, ist es das Zweiein­halbfache, von 280 Millionen Euro damals auf 681 Millionen Euro heute, das ist eine deutliche Steigerung –, ist es das Budget, in dem der Klimaschutzschwerpunkt wahr­scheinlich am deutlichsten an der Steigerung der Zahlen zu sehen ist. Wir investieren – Kollege Hammer hat viel davon erwähnt – insbesondere auch in den Gebäudebereich – denn, da gebe ich Michi Bernhard wieder recht, das ist der zentrale Bereich, den wir angehen müssen –, insbesondere in die thermische Sanierung, in den Heizkessel­tausch. Wir stellen aber auch zusätzliche Mittel für Fotovoltaik, für die Ausrollung der Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften zur Verfügung, für die internationale Klimaarbeit – das ist mir ein sehr wichtiges Anliegen –, und nicht unerwähnt lassen möchte ich auch den Biodiversitätsfonds, den wir heuer erstmals dotieren, für die Bio­diversitätsanliegen außerhalb der Agrarpolitik.

Sie sehen – und damit schließe ich jetzt –, der Klimaschutz ist in diesem Budget ein klarer Gewinner, und damit gewinnt auch unser Land. Wir können umbauen in moderne Infrastruktur, in moderne Bahnhöfe, in ein Land, das klimafreundlich geheizt wird, wo der Sonnenstrom von den Dächern kommt, mit einer Wirtschaft, mit einer Industrie, die sich früh, zeitgerecht, rechtzeitig fit für die Zukunft gemacht hat, mit einer guten Lebens­qualität, mit sicheren Jobs. Damit gibt dieses Budget auch Perspektive, und ich glaube, das ist unser aller Aufgabe in Zeiten wie diesen: Perspektive zu geben, nicht nur für heute und morgen, sondern auch für übermorgen, für die nächsten Generationen,


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sodass wir in Österreich auch 2040, 2050 noch ein gutes Leben führen können. Und dass unsere Arbeit wirkt, gerade im Klimaschutz, sehen Sie in diesem Budget. – Herz­lichen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

13.57


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Mag.a Dr.in Maria Theresia Niss. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


13.58.00

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Niss, MBA (ÖVP): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Herr Kollege Margreiter, abgesehen davon, dass ich Ihre Pauschalierung in Bezug auf die Männer in der ÖVP nicht ganz nach­voll­ziehen kann (Beifall des Abg. Hörl– ich kenne ehrlich gesagt sehr viele weiße Männer, die natürlich jegliche Moralität behalten –, möchte ich vor allem auf Ihr Bibelzitat, das Sie abgewandelt haben, eingehen und kann in diesem Zusammenhang nur sagen: Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass die NEOS eine Wirtschaftspartei sind. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich würde aber gerne zum heutigen Thema kommen, und das ist die Innovation. Wir alle wissen, dass die Innovation der entscheidende Erfolgsfaktor ist, vor allem im internatio­nalen Wettbewerb, auch um Wachstum. Wir wissen auch, dass Österreich ein Hoch­lohnland ist, und die Innovation ist genau der Faktor, der wesentlich ist, damit wir den Standort erhalten, damit wir Arbeitsplätze sichern und damit wir den Wohlstand sichern und weiter ausbauen können.

In diesem Zusammenhang darf ich auch Prof. Hengstschläger zitieren. Kollege Brandstätter bringt ja meistens ein Buch von ihm mit – auch wir lesen seine Bücher, möchte ich in diesem Zusammenhang nur sagen. Er sagt: „Wir stehen nur deshalb so gut da, weil wir immer neue Ideen haben. Unsere Innovationsfähigkeit ist der Schlüssel auf unserem Weg zu den Besten.“ – Genau das ist es, meine Damen und Herren! Diese Innovations­fähigkeit ist wesentlich, und wir machen, um diese auszubauen, nicht nur viel im Bildungssystem, sondern wir haben ein Forschungsförderungssystem, das genau dem Rechnung trägt.

Ich glaube, das sieht man auch im Budget. Wir haben gestern schon über das positive Budget in der UG 31, in der Grundlagenforschung, gesprochen, aber auch dieses Budget in der UG 34 kann sich wirklich sehen lassen. Ich glaube, selbst die Opposition war gestern etwas überrascht ob der Höhe, ob des Wachstums: 20 Prozent, genau das sehen wir auch in der UG 34, und das ist tatsächlich erfreulich. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

100 Millionen Euro mehr, meine Damen und Herren, haben wir in der UG 34, die wir in die Forschung investieren. Herr Kollege Deimek, ich verstehe nicht, warum Sie in diesem Zusammenhang von Verschwendung von Steuergeld reden. Wir investieren 50 Millionen Euro mehr in die Basisprogramme. Wir investieren 27 Millionen Euro mehr in Pro­gramme wie Produktion der Zukunft. Das sind doch genau die Programme, die unsere Unternehmen brauchen. Für all diese Programme gibt es viele exzellente Projekte, und jetzt haben wir endlich die Chance, diese auch tatsächlich zu verwirklichen. Ich verstehe das also ehrlich gesagt nicht ganz. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wesentlich ist, dass wir rasch reagieren. Das haben wir beispielsweise auch mittels des Emergency Calls gemacht. Daraus sind schon tolle Initiativen hervorgegangen, tolle Unternehmen wurden gefördert, sei das einerseits ein KI-basierter Chatbot, der vor allem eine Entlastung der Coronahotlines bewirken soll, oder aber auch eine Detektion von


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Coronaviren im Abwasser, wodurch man ein erhöhtes Risiko durch Coronaviren fest­stellen kann. Ich glaube, das ist genau das, was wir in diesem Moment auch brauchen.

In diesem Zusammenhang ist natürlich auch der Klimaschutz wesentlich. Das ist – Sie haben es schon gesagt – ein Klimaschutzbudget, und ich glaube, das ist wesentlich, weil wir natürlich schauen müssen, dass wir, obwohl die österreichische Industrie gerade auch in diesem Bereich international vorzeigefähig ist, auch unseren weiteren Beitrag leisten. Das ist auch gut so, weil es da, glaube ich, große Chancen gibt, vor allem für die Wirtschaft, weil wir diese Technologien natürlich auch exportieren und davon auch profitieren können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ein Schwerpunkt, den ich noch erwähnen möchte, sind die Important Projects of Common European Interest, die sogenannten Ipceis, die auch auf europäischer Ebene dazu bei­tragen sollen, dass wir in Europa wieder unsere Wertschöpfungsketten, unsere Schlüs­seltechnologien vertiefen. Österreich nimmt bisher – wir hoffen, dass wir noch an weite­ren teilnehmen werden – an zweien teil: Mikroelektronik und Batterie. Ich glaube, das ist wesentlich, weil das auch Beispiele für Industrien oder für Wirtschaftsbereiche sind, im Bereich derer Österreich wirklich ein Musterland ist.

In diesem Zusammenhang zum Abschluss ein Zitat von Roman Herzog, ehemaligem deutschen Bundespräsidenten, aus seiner Berliner Rede: „Die Fähigkeit zur Innovation entscheidet über unser Schicksal.“ – Was es braucht, ist ein Innovationsschub. Ich glaube, der Innovationsschub ist mit diesem Budget gegeben, und darüber freue ich mich. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

14.03


Präsident Ing. Norbert Hofer: Frau Mag.a Dr.in Sonja Hammerschmid gelangt nun zu Wort. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.03.06

Abgeordnete Mag. Dr. Sonja Hammerschmid (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute, gestern und die Tage davor auch schon intensiv über Corona und die Auswir­kungen auf uns alle gesprochen, eine Pandemie, die uns am Ende des Tages mitten ins Mark getroffen hat. Die einzige Chance, aus dieser Misere herauszukommen, ist schlichtweg ein Impfstoff oder ein Medikament, das diese Erkrankung bekämpfen kann. Diese Impfstoffe, diese Medikamente fallen aber nicht vom Himmel. Sie sind das Ergeb­nis langjähriger Grundlagenforschung, langjähriger angewandter Forschung und Innova­tion. Ich möchte bei Kollegin Niss anschließen, nämlich beim Thema Innovationskraft österreichischer Forscherinnen und Forscher, und kurz ein Licht darauf werfen, was von österreichischer Seite für Impfstoffe und für Medikamente geleistet wurde.

Einige haben ja sicher wahrgenommen, dass seit Neuestem Busse Schulen anfahren, die RT-Lamp-Tests an Bord haben – ein Test, der hier in Wien von der Akademie der Wissenschaften gemeinsam mit den Universitäten weiterentwickelt wurde, um ganz, ganz schnell zu einem Ergebnis zu kommen; auch der Gurgeltest wurde in Wien von Wissenschafterinnen und Wissenschaftern entwickelt.

Auf der Impfstoffseite gilt es, zu vermelden, dass es ohne das Unternehmen Polymun Scientific, das seinen Sitz in Klosterneuburg hat, keinen Impfstoff von Biontech geben könnte, der ja jetzt der Frontrunnerimpfstoff ist. Polymun Scientific ist eigentlich ur­sprüng­lich ein Spin-off der Boku. Was tut dieses Unternehmen? – Es verpackt diesen Impfstoff in eine Formulierung, sodass der Impfstoff in die Zelle hineingehen und seine Wirkung entfalten kann. Das Unternehmen will heuer noch 100 Millionen Dosen bereit­stellen und nächstes Jahr 1,3 Milliarden Dosen produzieren.


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Nicht nur Polymun Scientific ist ein österreichisches Unternehmen, auch Biontech hat einen österreichischen Mitgründer, nämlich Christoph Huber, der da mit seinen Kogründern Unglaubliches geleistet hat. Wir könnten dieses Unternehmen hier in Öster­reich haben. Ich war damals selbst noch im AWS, als wir versucht haben, diese drei Menschen nach Österreich zu holen, wir konnten ihnen allerdings zu wenig Förderungen und Finanzierungen bieten.

Zu erwähnen ist natürlich Apeiron in der Medikamentenentwicklung, aber auch FX06 von der Med-Uni Wien ist ein Medikament, das hier entwickelt wurde und auf dem besten Weg ist.

Was will ich damit sagen? – Das wertvollste Gut, das wir in Österreich haben, sind kluge Köpfe, deren brillante Ideen, breites Wissen und Know-how. Jetzt habe ich nur den medizinischen Bereich beleuchtet, der in Pandemiezeiten ganz, ganz wichtig ist, aber da gibt es andere Bereiche wie künstliche Intelligenz, wie natürlich Klimaforschung et cetera, et cetera, die auch Geld brauchen. Vor allem die interdisziplinäre Kooperation braucht Geld, denn die Herausforderungen, vor denen wir stehen, sind nicht mehr einzeldisziplinär aufzulösen; da braucht es Zusammenarbeit und Zusammenwirken.

Ein großes Lob an Sie: Sie haben wirklich einen Meilenstein gesetzt, was die Unter­stützung der Forschung im Klimaschutzbereich anlangt, aber ich würde mir so sehr wünschen, dass wir ähnliche Budgeterhöhungen auch für andere Bereiche bekommen.

Die Begleitforschung, die ich mir auch so sehr wünschen würde, ist heute schon zum Thema geworden; das bräuchte es dringend für eine interdisziplinäre Betrachtung und Bewertung der Maßnahmen, die wir im Lockdown setzen. Heute ist ein „Nature“-Paper von einem österreichischen Konsortium herausgekommen, das aus der mathematisch-algorithmischen Künstlichen-Intelligenz-Logik heraus eine Einschätzung der Maßnah­men gibt. Ich würde mir aber trotzdem so sehr wünschen, dass es da einen psycholo­gischen, einen wirtschaftlichen, einen pädagogischen Blick darauf gibt und dass diese Maß­nahmen gemeinsam eingeschätzt werden, denn sonst ist es immer nur eindimen­sional. (Beifall bei der SPÖ.)

Also bitte mehr Geld auch für andere Bereiche! Bitte mehr Geld auch für die National­stiftung, auch der Österreich-Fonds gehört dotiert, die klinische Forschung gehört weiter dotiert et cetera, et cetera. Die Liste ließe sich fortsetzen. Weiter so, Frau Ministerin – auch für die anderen Bereiche bitte! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Krisper.)

14.07


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Ing. Martin Litschauer. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.07.38

Abgeordneter Ing. Martin Litschauer (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Fernsehern und via Livestream! Ich wohne etwas mehr als 120 Kilometer vom Parlament entfernt, und trotzdem dauert es fast 2,5 Stunden, bis ich aus dem Waldviertel mit dem Zug hier bin. Jetzt muss ich aber zugeben, wenn ich mit dem Auto fahre, spare ich mir auch nicht wirklich viel Zeit.

Insoweit freut es mich sehr, dass wir mit dem ÖBB-Rahmenplan in einer Höhe von 17,5 Milliarden Euro das größte Bahnausbauprojekt Österreichs gestartet haben. In diesem ÖBB-Rahmenplan ist auch der Ausbaubeginn der Franz-Josefs-Bahn enthalten. Der sektorielle zweigleisige Ausbau der Franz-Josefs-Bahn wird für die PendlerInnen aus Gmünd bedeuten, dass sich die Fahrzeit nach Wien um 10 Minuten verkürzen wird, und ich denke, das ist schon ein ganz guter Anfang. Wenn wir dann noch das Wagen­material verbessern, können wir die Fahrzeit noch wesentlich verkürzen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 641

Ich möchte aber auch die Gelegenheit nutzen, von dieser Stelle aus anzuregen, dass wir auch weiterplanen. Wir diskutieren die Möglichkeiten einer Horner Spange, Abkür­zungen, Begradigungen der Franz-Josefs-Bahn, die noch wesentliche Mehreinsparun­gen von Fahrzeit für die Franz-Josefs-Bahn bringen können. Da hoffe ich doch, dass wir, wenn wir Horn als Bezirkshauptstadt direkt auf die Franz-Josefs-Bahn bringen können, wenn wir Direktverbindungen zwischen den Bezirkshauptstädten ermöglichen, ein Rückgrat des öffentlichen Verkehrs schaffen, auf das dann alle Busverbindungen und der Mikro-ÖV aufbauen können, und dass wir diese Pläne dann auch in den folgenden Rahmenplänen in den nächsten Jahren entsprechend einbauen können. Ich denke, daran sollten wir alle arbeiten. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Das Öffibudget wird im nächsten Jahr um 0,5 Milliarden Euro erhöht. Unsere Ministerin und ihr Team arbeiten unter anderem an der Umsetzung und dem Abschluss des öster­reichweiten 3er-Tickets. Dazu muss ich sagen: Die PendlerInnen aus dem Waldviertel warten schon ganz sehnsüchtig auf dieses Ticket. Ich kann auch erklären, warum: Wenn man als Beispiel die Bezirkshauptstadt Waidhofen an der Thaya hernimmt, dann ist es so, dass es für die PendlerInnen, wenn man vergleicht, was jetzt für die Jahreskarte und in Zukunft für das 3er-Ticket bezahlt werden muss, eine Ersparnis von 1 000 Euro pro Jahr bringen wird.

Der öffentliche Verkehr im Waldviertel ist zwar nicht besonders gut ausgebaut, aber die, die es nutzen können, würden sich freuen, wenn wir es am besten morgen hätten und nicht erst sozusagen in ein paar Monaten. (Zwischenrufe der Abgeordneten Angerer und Deimek.) Deswegen appelliere ich an die Verkehrsverbünde und Bundesländer und hoffe, dass das Potenzial, das in diesem 1-2-3-Ticket drinsteckt, erkannt wird, sodass wir das relativ bald und rasch umsetzen können, weil es eben mehrere Aspekte hat.

Es ist eine Kostenersparnis für die PendlerInnen, und das ist, glaube ich, ein ganz, ganz wesentlicher Punkt. (Abg. Deimek: ... gleichen Leute ... weniger zahlen ...!) Wir verla­gern aber auch den Verkehr vom Auto auf die Schiene, das ist ein wesentlicher Punkt für die Umwelt und das sorgt natürlich auch für mehr Energieeffizienz. Die Bahn ist wesentlich energieeffizienter als die anderen Verkehrsformen, die wir kennen. Alles, was man da verlagert, bringt etwas.

Vielleicht noch eine kleine Anmerkung dazu: Energieeffizienz ist ein bisschen so etwas wie der Bruch mit dem Wachstum; da redet man nämlich nicht von Wachstum. Energie­effizienz bedeutet gleiche Leistung, gleicher Komfort bei immer sinkendem Energie­verbrauch. Das ist eine ganz andere Denkweise, und ich glaube, in die müssen wir hineinkommen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die Elektromobilität ist dann die nächste Schnittstelle, die wir brauchen. Im ländlichen Raum ist es nicht so leicht, überall den Bus und ähnliche Verkehrsmittel zur Verfügung zu haben, da braucht es dann auch Autos. Und in vielen Gebieten werden wir uns den Individualverkehr nicht wegdenken können, aber da komme ich zurück auf die Energieeffizienz: Der Elektroantrieb ist die effizienteste Form. Da haben die Elektroautos die Nase vorne, und da müssen wir sozusagen auch weitertun. Ich freue mich, dass die Batterieforschung ein Thema ist, dass wir mit Kreisel Electric Batterienbauer im Land haben, die etwas leisten können, und dass wir jetzt mit der 40-Millionen-Euro-Förderung für Elektroautos auch einen Anschub für die Elektroautos leisten wollen – weil das momentan die effizienteste Form ist.

Wir müssen uns auch bewusst machen, dass es da nicht nur um CO2-Rechnungen und um Bilanzen geht. Elektromobilität bedeutet auch weniger Lärmbelastung, bedeutet weniger Stickstoffausstoß, das heißt weniger Feinstaub. Da es auch sehr viele gesund­heitliche Aspekte hat, ist dieses Thema besonders wichtig. (Beifall bei den Grünen.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 642

Zum Abschluss: Ich bin schon seit 20 Jahren Elektroautofahrer, und was mich immer begeistert hat, ist, dass man das Auto auch gleich auf der eigenen Fotovoltaikanlage aufladen kann und dann überhaupt energieunabhängig ist. Die eigene Energie für das eigene Auto, für das eigene Haus ist doch, glaube ich, die beste Vision, die wir verfolgen können. Wir arbeiten daran, und wir bieten mittlerweile, glaube ich, relativ viele Förde­rungen an, damit diesem Konzept auch möglichst viele folgen können. Und ich lade wirklich alle ein, da mitzuhelfen, damit wir die Energiewende in dieser Form auch so umsetzen können. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.13


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Gerald Hauser. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.13.42

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Frau Minister! Geschätzter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Frau Minister, Sie wissen, als Tiroler spreche ich natürlich unser wichtigstes Thema an: Transit – aber keine Angst, ich mache Sie für die derzeitige Thematik und Problematik natürlich nicht verantwortlich, eh klar!

Interessant ist aber, wenn Kollege Hammer hier heraußen spricht, auf Kollegen Hafenecker repliziert und die Feststellung macht: Na, das hättet ihr alles machen können! – Ja, der hinter mir sitzende ehemalige Infrastrukturminister Norbert Hofer war 16 Monate in einer Koalition mit der ÖVP. (Abg. Deimek: ... hat viel weitergebracht! – Zwischenruf des Abg. Hörl.) Ich verspreche Ihnen, ich lasse Ihnen auch diese 16 Monate Zeit, und dann werde ich Sie fragen, wieso Sie die ganzen Probleme, auch in Sachen Transit, nicht gelöst haben – 16 Monate, das ist eine gottverdammt kurze Zeit. Ich bin gespannt, was Sie in diesen 16 Monaten weiterbringen. Ich wünsche Ihnen wirklich von Herzen alles Gute, und noch einmal: Für die derzeitige Situation mache ich Sie nicht verantwortlich.

Worum geht es? – Im Jahr 1991 hatten wir 850 000 Transitfahrten in Tirol. Laut Transit­vertrag dürften wir maximal 1 473 100 Transitfahrten haben, im Jahr 2019 hatten wir 2,5 Millionen Transitfahrten über den Brenner. Jetzt ist es coronabedingt „natürlich“ – unter Anführungszeichen – weniger. Wir hoffen, dass der Wirtschaftsaustausch auch stattfinden wird, aber nicht auf den Lkws. Das ist vollkommen klar.

Ich bin ja schon wirklich lange in der Politik, und ich habe das auch in den Budget­beratungen mit Ihnen festgestellt, dass den Tirolern diese Karotte schon über 30 Jahre hingehalten wird. Ohne jetzt die ganze Geschichte des Brennerbasistunnels zu erzäh­len – das würde mein Redebudget bei Weitem übersteigen und jeder kann sie nach­lesen –: Die erste Machbarkeitsstudie geht auf das Jahr 1989 zurück. Jetzt schreiben wir das Jahr 2020! Das sind 31 Jahre; 31 Jahre, in denen die Tiroler Politik, angeführt von der ÖVP, in welchen Konstellationen auch immer, der Tiroler Bevölkerung immer wieder versprochen hat: Wir lösen das Transitproblem mit dem Brennerbasistunnel.

So, nun sind 31 Jahre vergangen, und letztes Jahr, am 29. November 2019, waren insgesamt 115 Kilometer von in Summe 230 Kilometern ausgebrochen, Tunnel und Begleittunnel und so weiter – also genau die Hälfte, und wir schreiben das Jahr 2020!

Jetzt gibt es Verzögerungen. Es gibt eine prozessuale Auseinandersetzung mit der Firma Porr, die ich wirklich bedauere, weil man als geübter Österreicher wahrscheinlich damit rechnen muss, dass sich der Bau massiv verzögert, und ich hätte mir gewünscht, dass man das vielleicht außerprozessual hätte regeln können, damit der Bau vorangeht und man zumindest im Jahr 2030 den Tunnel eröffnen könnte. Das werden wir bedauer­licherweise wahrscheinlich nicht schaffen, und dann waren wir 40 Jahre auf der Strecke –


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40 Jahre, in denen der Tiroler Bevölkerung versprochen wurde: Das ist die Problem­lösung!

Ich stelle heute nur Fragen, ich mache Sie nicht verantwortlich; ich habe nur ein paar Fragen. Diese Zeit, die nächsten zehn, 15 Jahre, werden wir überbrücken müssen. Wir werden das Problem lösen müssen.

Nun zu den Fragen: Wir haben die Europaregion Tirol – das wird ja auch immer wieder, wann immer es passt, hochgelobt –: Wieso haben wir unterschiedliche Mauttarife in Südtirol, Tirol und Trentino zum Beispiel, bei uns hohe, dort niedrige, der Transit rentiert sich? Wieso werden die bestehenden Kapazitäten im Nord-Süd-Eisenbahnverkehr nicht ausgebaut? Wieso werden die Bahnverwaltungen in Deutschland, Österreich und Italien in Sachen Transit nicht zusammengeführt, um das wesentlich besser koordinieren zu können? Oder, um mit Fritz Gurgiser, dem Transitvorkämpfer, dem Gründer des Transit­forums zu sprechen: Wieso unternimmt man zu wenig gegen das Transitlenkrad­sklaven­tum? Ich könnte noch viele Fragen stellen, die alle zu lösen wären, damit die Transit­thematik in Angriff genommen werden kann und damit die Karotte – Eröffnung Brenner­basistunnel – der Bevölkerung nicht weiter vor die Nase gehalten werden kann.

Abschließend – und das habe ich auch schon hundertmal im Tiroler Landtag erwähnt –: Es wird alles miteinander nichts nützen, wenn wir nicht auch eine Verlagerungsgarantie zuwege bringen – weg von der Straße in Richtung Schiene, wenn der Tunnel einmal da ist! Das gehört auch endlich einmal geklärt. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

14.18


Präsident Ing. Norbert Hofer: Frau Kollegin Eva-Maria Himmelbauer ist die nächste Rednerin. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.18.45

Abgeordnete Eva-Maria Himmelbauer, BSc (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundes­ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Staatssekretär! Ich darf zu Beginn vielleicht bei Kollegen Litschauer anschließen, der über das Waldviertel und die ge­planten Bahnprojekte gesprochen hat: Als Weinviertler Abgeordnete darf ich mich dazu auch zu Wort melden. Ein Hoffnungsschimmer, den wir auch im ÖBB-Rahmenplan gefunden haben, sind die Nordwestbahn und die Laaer Ostbahn im Sinne eines selek­tiven zweigleisigen Ausbaus, der sich zumindest in einem Planungsprojekt – also in einer Untersuchung, so würde ich es einmal darlegen – wiederfindet.

Als Weinviertler Region kennen wir viele Projekte, die natürlich auch immer wieder in einer Planungsphase gewesen sind, die sich dann aber leider auch über lange Jahre hingezogen haben. Von unserer Seite, von der Regionsseite gibt es natürlich die große Bitte, dass es von der Planungsphase dann auch relativ rasch zu einem Bau kommt, denn gerade das Weinviertel ist eine Pendlerregion. Allein in meinem Heimatbezirk Hollabrunn pendeln 60 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus, in Nachbarbezirke und nach Wien hinein, und da ist es natürlich ein großes Anliegen, dass Situationen wie die Wartezeiten in der Früh, das Stehen im Zug selbst, aber auch die Verzögerungen, die auf der Bahnstrecke passieren, der Geschichte angehören und dass sie gute Verbindungen zwischen Wien und ihrer Heimat haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Zusätzlich zu meiner Rolle als Abgeordnete aus dieser Region darf ich auch als Mitglied des Ausschusses für Forschung, Innovation und Digitalisierung einige Worte sagen, und zwar zur UG 34, Innovation und Technologie, die Sie als Bundesministerin ja maßgeblich mittragen. In Wahrheit sehen wir, dass Innovation, Technologie und Forschung Themen sind, die sich in der Politik der gesamten Bundesregierung und auch in allen Ressorts wiederfinden.


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Es geht darum, in der Förderpolitik bewusst Akzente zu setzen, um an bestimmten Entwicklungen aktiv partizipieren und im besten Fall auch eine Vorreiterrolle einnehmen zu können. Diese müssen nicht immer nur technischer Natur sein, gerade bei Ihrem Kapitel sehen wir auch, dass es da sehr stark in den Klima- und Umweltbereich geht. Es geht um die Schaffung von Rahmenbedingungen für diejenigen, die gerne tüfteln, forschen und innovieren, damit sie eine geeignete Infrastruktur und wichtige Partner finden, und dabei können wir als öffentliche Hand natürlich bestmöglich unterstützen.

Das Ganze ist auch ein Selbstzweck, das kann man offen sagen: Es geht darum, ein Ökosystem zu schaffen und keine Hemmschuhe; ein Ökosystem, mit dem wir den Umbrüchen, die wir tagtäglich sehen – sei es im Unternehmensalltag oder im Arbeits­alltag, sei es im Bereich der Kundenbindung, der Ökologisierung oder der technischen Entwicklung – tatsächlich begegnen können. Business as usual ist kein Erfolg ver­sprechender Weg, deswegen braucht es einen Geist der Innovation, und in einer Zeit der Krise umso mehr.

Was bedeutet das für das Budget 2021? – Im Aufgabenbereich der Ministerin werden 100 Millionen Euro mehr veranschlagt, insgesamt sind 560 Millionen Euro für Zukunfts­felder wie künstliche Intelligenz, Industrie 4.0, ICT vorgesehen, aber auch Programme zur Bewältigung der Klimakrise und der Covid-19-Krise sind ganz wesentlich. Es geht um Beteiligungen an europäischen Initiativen wie der European Space Agency, ganz wichtig ist es auch da, Unternehmen und Forschungseinrichtungen in Österreich zu unterstützen. Wie Kollege Deimek gesagt hat, mag das Hauptquartier nicht in Österreich sein – aber jedes Unternehmen, das in Österreich Forscherinnen und Forscher be­schäftigt, leistet einen ganz wesentlichen Beitrag, den wir als Land erbringen können. (Abg. Deimek: ... verbessern!)

Thema sind auch Kooperationen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft, die Unterstüt­zung von Ausgründungen aus der Wissenschaft und Umsetzung von Geschäftsideen und Initiativen, außerdem darf natürlich die Förderung von Start-ups nicht vergessen werden.

Insgesamt ist die Steigerung der Mittel – in Ihrem Ressort und in allen weiteren Ressorts, die sich mit Forschung, Innovation und Technologie beschäftigen – durchaus positiv zu bewerten und bedeutet für uns einen guten Weg in die Zukunft. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

14.23


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Yannick Shetty. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.23.22

Abgeordneter Yannick Shetty (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundes­ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mir gestern Abend die neue Dokumentation von Sir David Attenborough angeschaut. Sie kennen ihn vielleicht, er ist ein weltbekannter Filmemacher, der vor allem durch seine Dokumentationen über die unterschiedlichen Wunder der Natur berühmt geworden ist. Ich weiß, Sie als Regie­rungs­fraktionen nehmen ja von dem, was wir als Opposition sagen, eigentlich gar nichts an – aber vielleicht nehmen Sie sich die Empfehlung zu Herzen, sich diese 90 Minuten anzuschauen. Tun Sie sich den Gefallen und schauen Sie sich den Film an, er ist auf Netflix verfügbar und dauert ungefähr 1,5 Stunden.

Diese Dokumentation ist anders als seine anderen Filme, die bekannt sind. David Attenborough ist 94 Jahre alt und bezeichnet den Film als sein Vermächtnis, mit dem er aufrütteln und aufzeigen will, was zu tun ist, und zwar anhand seines eigenen Lebens.


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94 Jahre, das ist zugegebenermaßen ein langes Leben – aber wie sich doch in dieser eigentlich so kurzen Zeit die Welt verändert hat! Er warnt eindringlich vor dem, was im Leben derjenigen geschehen wird, die jetzt auf die Welt kommen, wenn wir in den nächsten Jahren nicht handeln und nichts ändern.

Als junger Abgeordneter möchte ich dieses Klimabudget vor allem aus zwei Blickwinkeln diskutieren. Erstens stellt sich die Frage, ob das, was wir heute hier beschließen werden, Österreich bis zum Jahr 2050 besser machen wird. Die zweite Frage ist die, ob sich unsere Kinder, unsere Enkelkinder – Ihre Enkelkinder – bei Ihnen dafür bedanken oder Sie dafür verfluchen werden. Unter diesen Gesichtspunkten betrachtet, ist dieses Budget für mich eine riesige Enttäuschung.

Ich möchte gar nicht polemisieren, es stimmt schon, es ist eine Steigerung enthalten – aber ich möchte gleich darauf zu sprechen kommen, warum diese Steigerung bei Weitem nicht das ist, was wir bräuchten. Es ist insofern sehr enttäuschend, weil sehr viele Menschen – auch ich, auch wir – in diesem Punkt Hoffnungen in die Grünen gesetzt haben, dass sich da mehr bewegt, dass da größere Würfe möglich sind, aber das ist nicht passiert. Ökologische Steuerreform? – Fehlanzeige. Ende der umweltschädlichen Subventionen? – Fehlanzeige. Echte strukturelle Reformen? – Fehlanzeige.

Aus Sicht der Jungen ist das gesamte Budget eine Fehlleistung, und mir reißt langsam der Geduldsfaden. Die Grünen haben im Wahlkampf plakatiert: „Wen würde das Klima wählen?“, und sie haben auch versprochen, dass sie in diesem Bereich entschieden handeln werden. Ich habe es schon einmal gesagt: Dafür, dass sie alle anderen Über­zeugungen über Bord geworfen haben, etwa in Grund- und Menschenrechtsfragen, geschieht im Klimaschutz einfach viel zu wenig. (Beifall bei den NEOS und bei Abge­ordneten der SPÖ.)

Es geschieht deswegen zu wenig, weil es sich bei dieser Steigerung – auch wenn sie natürlich anzuerkennen ist – um einen PR-Gag mit homöopathischen Dosierungen handelt. Ich möchte es Ihnen zeigen: Diese 220 Millionen Euro Erhöhung - - (Abg. Lukas Hammer: ... Vergleich mit den Pensionen?) – Nein, das mit den Pensionen wollte ich gerade sagen, das ist so lächerlich: 20 Milliarden Euro für Pensionen und nur 220 Mil­lionen Euro für den Klimaschutz. (Beifall bei den NEOS.)

Ein Vergleich mit den umweltschädlichen Subventionen (eine Tafel mit einem Diagramm und der Aufschrift „Umweltschädliche Subventionen: 4,5 Mrd EUR – Klimabudget +0,22 Mrd EUR“ in die Höhe haltend): 4,5 Milliarden Euro für umweltschädliche Subven­tionen, 220 Millionen Euro mehr im Klimabudget. Wen würde das Klima wählen? (Der Redner hält die Rückseite der Tafel mit der Aufschrift „Wen würde das Klima wählen?“ in die Höhe.) – Ich glaube, nicht die Grünen, ich glaube nicht, dass das ausreichend ist. (Abg. Lukas Hammer: Die Milliarden für den öffentlichen Verkehr hast vergessen, oder?)

Die Grünen und natürlich die ÖVP lassen die Jungen im Stich, und zwar jene Jungen, die durch die Krise ohnehin am meisten belastet werden. Sie sind die Ersten in den Betrieben, die entlassen werden. Das Wifo prognostiziert jetzt schon, dass es die Jungen stärker als 2008, 2009 treffen wird, was den Jobeinstieg betrifft, und auch die Bildungs- und Ausbildungssysteme sind während der Coronakrise heruntergefahren.

Dabei verstehe ich eines nicht: Bei der Coronakrise sehen wir alle, da ist eine Gefahr, da müssen wir alle gemeinsam etwas tun – aber bei der Klimakrise, die eine viel größere Krise ist, die uns existenziell bedroht, da sehe ich diese Gemeinsamkeit nicht. Warum versumpert die ökologische Steuerreform in einer Arbeitsgruppe? Warum begünstigen wir immer noch fossil betriebene Dienstautos, und warum ist der Diesel in Österreich immer noch so günstig, dass wir als Billigtankstelle Europas gelten?


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Liebe Abgeordnete der Regierungsparteien, Sie haben in dieser Gesetzgebungsperiode noch vier Jahre vor sich: Lenken Sie jetzt ein, setzen Sie jetzt Reformen und bitte handeln Sie! (Beifall bei den NEOS.)

14.27


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Dr.in Astrid Rössler. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.28.03

Abgeordnete Dr. Astrid Rössler (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­schätzte Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Wenn hier und heute die großen Umweltthemen verhandelt werden und auch mit Freude über die Erfolge und Zuwächse im Budget berichtet wird, dann soll auch das Thema Ökologie nicht fehlen. Wenn uns etwas in den letzten Monaten der Corona­krise wirklich bewusst geworden ist, ist es der Umstand, dass eine intakte Natur derzeit das Einzige ist, das wir haben. Eine intakte Natur in einer Welt, in der so vieles ins Wanken geraten ist, ist die einzige Quelle, mithilfe derer wir uns derzeit regenerieren können, in der wir Erholung, Zuversicht und Kraft finden und in einer schwierigen Zeit insgesamt wieder etwas unbeschwerter werden können.

Es ist daher besonders wichtig und ein Highlight dieses Budgets, dass der Biodiver­sitätsfonds neu geschaffen wird, denn die intakte Natur zu bewahren ist eine der großen Aufgaben der zukünftigen Generationen. Wir befinden uns nicht nur in einer Klimakrise, wir kämpfen auch mit einer Biodiversitätskrise. Große Anerkennung dafür, liebe Frau Ministerin, dass der Biodiversitätsfonds mit 2021 eingerichtet wird und mit 5 Millionen Euro starten kann! (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Gabriela Schwarz.)

Warum sind die Vielfalt und vor allem die Basis der intakten Natur in Gefahr? Die Buntheit und Schönheit gehen uns verloren, sie zerrinnen uns zwischen den Fingern. Von den 68 000 Arten, die die Vielfalt und Schönheit der österreichischen Natur aus­machen, sind 80 Prozent der Lebensräume in einem schlechten oder mangelhaften Zustand, und 80 Prozent der Tier- und Pflanzenarten sind in einem schlechten oder mangelhaften Zustand.

In Wahrheit ist Österreich trotz dieser wunderbaren Grundlagen in einem stark ab­nehmenden Prozess betreffend Vielfalt. Sie geht verloren, und im EU-Vergleich liegen wir sogar an vorletzter Stelle. Es ist mehr als bedauerlich, es ist erschreckend, es ist eine Gefahr, dass diese wichtigste Ressource gerade jetzt, da es um die Gesundheit und auch um die Funktionalität der Natur geht, verloren geht. Der Biodiversitätsfonds ist daher zusätzlich zu den Naturschutzkompetenzen der Länder ein ganz wichtiger, großer Schritt, um nächstes Jahr in zwei Schwerpunkten die Forschung zu intensivieren, die Datengrundlagen zu erheben und zu verbessern, denn wir brauchen diese Grundlagen, um gegenzusteuern. Wir brauchen das Wissen über die Schlüsselarten, wir brauchen das Wissen über das Renaturierungspotenzial, um wieder Boden – im wahrsten Sinne des Wortes – gutzumachen. (Beifall bei Abgeordneten der Grünen.)

Der zweite Schwerpunkt dieses Biodiversitätsfonds ist es, Information, Bewusstseins­bildung, Wertschätzung und Wissen wieder in die Bevölkerung zu tragen, besonders in die jüngeren Generationen, denn wir erkennen, dass viel von dem selbstverständlichen Wissen verloren zu gehen droht. Wer kennt noch die Trollblume? Wer kennt den Feuersalamander? Wer kennt den Laubfrosch? Wer sieht ihn überhaupt noch, wenn diese Arten dermaßen selten werden und verloren gehen? Die Buntheit, die Schönheit gilt es, zu erhalten, die Natur ist derzeit die wichtigste Ressource, die wir haben, um uns auch in diesen schwierigen Zeiten zu erholen und Zuversicht zu schöpfen. Der Bio­diversitätsfonds ist ein wichtiger Schritt dazu. Er ist gut ausgestattet, er wird seine Arbeit


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aufnehmen, er wird vor allem die Jugend, die nächste Generation, mitnehmen können und dazu beitragen, dass wir diese Trendwende schaffen.

Liebe Frau Ministerin, das BMK sollte seinen Namen überdenken. Es ist nicht ein Klima­schutzministerium, es ist das Ministerium der großen Kraftakte, denn die großen Trend­wenden, die in diesem Ministerium zu bewältigen sind – die Klimakrise, die Verkehrs­wende und Verkehrskrise und auch die Biodiversitätskrise –, liegen in deinen Händen. Ich bewundere den Mut zum Kraftakt und auch die sichtbare Art und Weise, wie du dich da dagegenstemmst. Das schafft auch Zuversicht für uns alle. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

14.32


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Lukas Hammer zu Wort gemeldet. – Bitte schön.


14.32.39

Abgeordneter Lukas Hammer (Grüne): Herr Präsident! Abgeordneter Shetty von den NEOS hat vorhin hier ein Schild hochgehalten, auf dem gestanden ist, dass das Budget für den Klimaschutz im nächsten Jahr 0,22 Milliarden Euro beträgt. – Das ist falsch.

Ich berichtige tatsächlich: Das Budget, das dem Klimaschutzministerium nächstes Jahr zur Verfügung steht, beträgt 5,856 Milliarden Euro und nicht 0,22. Alleine der UG 43: Klima, Umwelt und Energie, stehen 681 Millionen Euro zur Verfügung. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

14.33


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Abgeordneter Alois Schroll. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


14.33.22

Abgeordneter Alois Schroll (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Liebe Zuschauerinnen und Zu­schauer! Ja, beim Budget geht es um die Finanzierung. Im Endeffekt ist es immer die gleiche Frage: Wer zahlt es? – Im Energiebereich lässt sich diese Frage leicht beant­worten, denn das Bundesbudget spielt in der Energiepolitik nur eine Nebenrolle. Das wird sich meiner Meinung nach auch 2021 nicht grundsätzlich ändern.

Eines möchte ich als Energiesprecher an dieser Stelle heute sagen, denn es ist uns wichtig: Rund vier Millionen Haushalte verbrauchen mit den rund 300 000 KMU-Be­trieben rund 25 Prozent des Stroms in ganz Österreich; bezahlt werden 45 Prozent der gesamten Stromkosten.

Abgesehen davon sage ich Ihnen auch, warum das Bundesbudget energiepolitisch zweitrangig ist. Im Zentrum steht der Ausbau der erneuerbaren Energiequellen, was grundsätzlich natürlich sehr, sehr gut ist. Angesichts der geplanten Änderungen des Energiesystems hin zu den erneuerbaren Energien braucht es aber eine signifikante, nennenswerte Finanzierung aus den Budgetmitteln. Angekündigt wurde viel, es stehen auch deutlich mehr Budgetmittel für Energie, Umwelt und Klimaschutz zur Verfügung, aber von der groß angekündigten jährlichen Klimaschutzmilliarde ist leider Gottes nicht sehr viel übrig geblieben.

Die faire Verteilung der Kosten soll nun über das zentrale Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz sichergestellt werden. Lassen Sie mich kurz etwas dazu sagen! Zur Erinnerung: Am 1. Jänner 2021 sollte dieses Gesetz, dieser große Wurf als ein Paket in Kraft treten. Conclusio: Trotz der langen Vorlaufzeit wird es ein kleiner Wurf, ein Haucherl werden, und es wird nur ein Teilbereich, nämlich die Netzreserve, herausgepickt, die noch heuer


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beschlossen werden soll. Die Klientelpolitik – meiner Meinung nach der schwarz/türkisen Seite – lässt grüßen. Diesmal geht sie leider Gottes zulasten der Umwelt und der Wirt­schaft. (Beifall bei der SPÖ.)

Der Weg zu 100 Prozent Strom aus erneuerbarer Energie gerät ins Stocken und der Industrie und Wirtschaft fehlt die Planungssicherheit. Das ist eine weitere Verzögerung für die notwendigen Investitionen. Ja, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, die Netz­reserve muss dringend behandelt und geregelt werden – damit wird eine zentrale For­derung der SPÖ erfüllt , aber bitte nicht in Form eines energiepolitischen und recht­lichen Fleckerlteppichs.

Geschätzte Frau Ministerin, ich darf dir noch etwas mitgeben: Wir brauchen ein gesam­tes Gesetzespaket den angekündigten großen Wurf , und das rasch. Wichtig ist, dass das EAG endlich auf Kurs kommt. Die E-Branche hat sich das nach vielen Jahren des Wartens, nach Verzögerung durch Bundesministerin Köstinger, mehr als verdient. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

14.36


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Tanja Graf. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.36.28

Abgeordnete Tanja Graf (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Ministerin! Geschätzter Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer! Lassen Sie mich einmal damit anfangen, dass Österreich ein Land der Berge und wunderbarer Regionen ist. Österreich ist auch ein Land, das die natürlichen Ressourcen für die Energie­gewinnung nutzt. Vor allem die Wasserkraft hat in den letzten Jahrzehnten einen ganz wichtigen Beitrag geleistet.

Für uns steht der behutsame Umgang mit der Ressource Natur ganz oben, deshalb ist auch das Kapitel Klima- und Umweltschutz von großer Bedeutung. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir haben uns daher im Regierungsprogramm ein klares Ziel gesetzt: Wir wollen Öster­reich zu einem Vorreiter bei Klima- und Umweltschutz machen. Diesen gemeinsamen Weg gehen wir jetzt konsequent weiter, denn eines sage ich Ihnen schon: Ein intelli­genter Klimaschutz mit Hausverstand und eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik stellen keine Gegensätze dar, sie ergänzen einander, denn Innovation und Investitionen in beide Bereiche stärken den Standort Österreich, unsere Wirtschaft und sichern und schaffen neue Arbeitsplätze. (Beifall bei der ÖVP.)

Jetzt zum Budget: Frau Bundesministerin Gewessler hat es vorhin schon gesagt, es ist ein Klimaschutzbudget für Österreich. Das Investitionspaket für 2021 beläuft sich in der UG 43: Klima, Umwelt und Energie, auf knapp 681 Millionen Euro. Kollege Shetty, genau diese Reform, die Sie hier einfordern, nehmen wir uns jetzt vor, denn diese Summe hat es zuvor noch nie gegeben. Diese Steigerung bezieht sich eben auf 220 Millionen Euro gegenüber dem Jahr 2020. Das ist ein sattes Plus, das kann man schon sagen, von 47,6 Prozent.

Die Frau Bundesministerin hat es auch dieser Tage, am Dienstag, schon erwähnt: Die­ses Budget gibt Zukunft und Perspektiven. Für die Zukunft sorgen wir, indem wir für die Sanierungsoffensive 350 Millionen Euro investieren, womit wir die Heizkessel und die thermische Sanierung angehen. Das bedeutet einen weiteren Schritt in Richtung Klima­schutz. Damit schaffen wir auch Perspektiven, Perspektiven für unsere Betriebe und für den Arbeitsmarkt, denn es sind unsere Betriebe mit ihren Facharbeitern, die diesen Aus­tausch vornehmen werden. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)


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Ebenfalls sorgen wir für die Zukunft, indem wir die erneuerbaren Energien weiter ausbauen. Dazu kommt das aktuelle Vorhaben: das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz mit einem Volumen von 1 Milliarde Euro. Ja, Kollege Schroll, es stimmt, wir werden das EAG bei diesem Wirtschaftsausschuss nicht drinnen haben, aber das hat zwei wesentliche, triftige Gründe: Das Erste ist, dass wir über 100 Stellungnahmen haben, die wir ernst nehmen und die wir auch einarbeiten wollen. Das Zweite ist: Wir müssen auch beihilfen­rechtliche Fragen der EU-Kommission klären. Das ist auch ein wichtiger Schritt. Wir wollen nichts auf den Markt bringen, das wir dann wieder reparieren müssen. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Da gilt schon der Grundsatz, dass wir Qualität vor Geschwindigkeit stellen. Ich kann Ihnen eines versichern: Unser Staatssekretär hat gemeinsam mit der Ministerin den ganzen Sommer dieses Paket ausverhandelt. Es ist ein gutes Paket, das wir aber am Ende des Tages mit Qualität rausbringen wollen.

Weil du das Thema Klientelpolitik angesprochen hast: Ich kann dir versichern, die ÖVP kannst du nie auseinanderdividieren (Heiterkeit bei Abgeordneten der FPÖ), denn eines ist bei uns ganz klar: Wir haben eine klare, einheitliche Linie. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Und wie der Bauernbund, die Landwirtschaft, sagt, ist in Landwirtschaft das Wort Wirt­schaft inkludiert. (Beifall bei der ÖVP. – Neuerliche Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Zusammenfassend darf ich sagen: Dieses Budget beziehungsweise all diese Maßnah­men setzen Anreize, schaffen zahlreiche Perspektiven und Chancen für den Arbeits­markt. Das ist ein gutes Programm für unseren Standort Österreich. – Vielen Dank. (Bei­fall bei ÖVP und Grünen.)

14.40


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Walter Rauch. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.40.45

Abgeordneter Walter Rauch (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundes­minis­ter! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Frau Kollegin Graf, die ÖVP braucht man nicht auseinanderzudividieren! Die ist in ihren Meinungen so einzementiert, dass man da, glaube ich, mit einem Panzer drüberfahren kann. (Heiterkeit bei Abgeordneten von FPÖ und ÖVP.)

Das merkt aktuell die grüne Ministerin in diesem Bereich. Frau Minister, bei aller Wertschätzung, das Budget ist von den Zahlen her okay, das kann man nicht kritisieren. Sie haben nur ein Problem: Sie können es nicht umsetzen, weil alle Maßnahmen, die Sie ankündigen, von der ÖVP blockiert und einzementiert werden. Das ist das Haupt­problem. (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

Wie komme ich darauf? – Ganz einfach, Sie haben das Plastikpfand angekündigt, aber nicht umgesetzt, Sie haben das 1-2-3-Ticket angekündigt, aber nicht umgesetzt. Woran scheitert es? – An der ÖVP, das sind ganz einfach die Tatsachen. (Abg. Angerer: Danke, danke!)

Auch in Ihrem Sektor (in Richtung Grüne deutend) würde ich mir nach einem Jahr irgend­wann einmal Gedanken machen, anstatt – ein Kollege von mir hat es vorher ja auch angesprochen – 16 Monate lang uns dafür die Schuld zu geben, dass vieles nicht umge­setzt wurde. Sie sind ja mittlerweile auch bald zwölf Monate im Amt. Vier Monate haben Sie also noch, um all das, was Sie angekündigt haben, auch umzusetzen. Ich bin also gespannt, was Sie in den nächsten vier Monaten umsetzen werden. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der SPÖ.)


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Ein paar Punkte: Herr Weratschnig hat heute unter anderem die Pendlerpauschale und das neue Mobilitätsgeld angesprochen. Sie kommen immer wieder mit neuen Fakten und Daten und kündigen etwas an, beispielsweise die CO2-Steuer, und dann bei der Umsetzung blockiert die ÖVP – Gott sei Dank in diesem Fall, denn das wäre ja ein Wahnsinn, wenn man heute auch noch die Pendler belasten würde. Im ländlichen Raum ist die Infrastruktur ja noch nicht ausgebaut. Da wird es noch Jahre dauern, um das Niveau der Städte zu erreichen, daher wäre es ein Wahnsinn, den ländlichen Raum auch noch mit einer CO2-Steuer zu belasten. Das ist das eine.

Das andere – wieder zu den faktenbasierten Zahlen zurückkommend –: Wir zahlen an die EU circa 180 Millionen Euro an Strafsteuer für Plastik, wir zahlen an den Green Climate Fund insgesamt, trotz Coronakrise, jetzt 130 Millionen Euro  das Fünffache  mehr als vorher. Trotz Coronakrise geben wir in diesen Bereichen wesentlich mehr Geld aus, was unserer Meinung nach nicht notwendig ist. Betreiben wir Klimaschutz zu Hause, in Österreich! Schaffen wir Fördersysteme, setzen wir Maßnahmen, um unsere Wirtschaft anzukurbeln, das Sanierungsprogramm anzukurbeln und damit die einzelnen Haushalte zu unterstützen, den Ausbau des erneuerbaren Energiesektors zu fördern! Das ist alles richtig, wir geben aber trotzdem wesentlich mehr aus. (Zwischenrufe der Abgeordneten Lukas Hammer und Weratschnig.) Alle Maßnahmen, die ich vorhin erwähnt habe, die Sie ankündigen, werden von dieser Fraktion da drüben (in Richtung ÖVP deutend) blockiert und einzementiert. Ich frage mich deswegen, wie Sie all das umsetzen werden.

Ich bringe in diesem Zusammenhang auch einen Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Zahlungen für Klimaschutzmaßnahmen im Ausland im Zuge der COVID-19-Wirtschaftskrise streichen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert ehestmöglich alle an das Ausland getätigten Zahlungen für den Klimaschutz vertragskonform zu streichen und durch nationale Investitionen in den Klimaschutz zu ersetzen.“

*****

So viel zum Antrag.

Gleichzeitig haben Sie – um wieder zum Budget zurückzukommen – einen positiven Ansatz betreffend die Einnahmen. Erlöse aus dem Emissionszertifikatehandel setzen Sie sehr, sehr positiv an, wobei allerdings der Budgetdienst des Hauses sagt, dass diese zu positiv angesetzt oder zumindest mit starker Unsicherheit behaftet sind.

Zwischen Einnahmen und Ausgaben korreliert das ein bisschen, weil Sie die Einnahmen sehr, sehr positiv darstellen, gleichzeitig aber mit dem Handel und vor allem mit der zukünftigen Wirtschaftsleistung Unsicherheit einhergeht – wir wissen nicht, wie sich das entwickeln wird, zumindest jetzt schaut es sehr schlecht aus. Ich hoffe, dass diese Prognosen da oder dort nicht eintreffen werden. Die Einnahmen in diesem Bereich sind also im Verhältnis zu dem, wie sie prognostiziert werden, zu hoch bemessen – so sagt das auch der Budgetdienst hier im Parlament. (Zwischenrufe der Abgeordneten Lukas Hammer und Weratschnig.)

Eines noch zu Kollege Hammer das ist mir wichtig : Wir leugnen diese Coronakrise nicht, auch den Virus nicht. Wir leugnen auch nicht alle möglichen Symptome, die dadurch


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entstehen, das leugnen wir alles nicht. (Zwischenruf des Abg. Lukas Hammer.) – Nein, ganz realistisch, wir haben nur einen anderen Zugang. Wir verharmlosen in keiner Art und Weise.

Wir sagen nur, dass diese Maßnahmen, die Sie und Sie (in Richtung Grüne und ÖVP) setzen, maßgeblich überzogen sind. (Abg. Lukas Hammer: Der Kollege hat von einer sogenannten ...!) Sie zerstören die Wirtschaft in diesem Land. Sie zerstören das soziale Gefüge dieses Landes. Sie sperren unsere Schulen zu. Sie sperren unsere Kinder weg! Sie zerstören das soziale System in diesem Land, nur um Ihre Maßnahmen ent­sprechend zu zementieren, und Sie machen im Endeffekt komplett das Gegenteil. (Beifall bei der FPÖ. – Anhaltende Zwischenrufe des Abg. Lukas Hammer.)

Das größte Verbrechen, das Sie verursachen, ist, dass Sie unsere Kinder zwingen, zu Hause zu bleiben, sodass sie ihre sozialen Kontakte nicht pflegen dürfen, nicht zu ihren Freunden können, nicht ordnungsgemäß unterrichtet werden dürfen. Das ist das Ver­brechen, das Sie begehen, das Sie verursachen, und da brauchen Sie auf niemanden anderen hinzuzeigen! (Beifall bei der FPÖ.)

Zum Schluss sage ich euch noch eines: Der gesunde Menschenverstand wird ersetzt durch die Diktatur der Toleranz, die Sie an den Tag legen. Am Montag sollten Sie die Schulen aufsperren! (Beifall bei der FPÖ.)

14.47

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Walter Rauch

und weiterer Abgeordneter

betreffend Zahlungen für Klimaschutzmaßnahmen im Ausland im Zuge der COVID-19-Wirtschaftskrise streichen

eingebracht in der 62. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 19. November 2020 im Zuge der Debatte zu TOP 11, Bericht des Budgetausschusses über die Regierungs­vorlage (380 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2021 (Bundesfinanzgesetz 2021 – BFG 2021) samt Anlagen (449 d.B.) – UG43

Die wirtschaftlichen Schäden durch die vielkritisierten COVID-19-Gesetze, Verord­nun­gen und Erlässe der Bundesregierung nehmen immer größere Ausmaße an und tau­sende Österreicherinnen und Österreicher verlieren ihre Arbeit und ihre berufliche Existenz.

Es gilt daher der Gefahr von Verarmung und wirtschaftlichen Verfall deutlich höhere Priorität einzuräumen und bei Investitionen immer auch Synergien auf nationaler Ebene anzustreben. Aufgrund der globalen Wirkung von Klimaschutzmaßnahmen können diese ebenso innerhalb Österreichs gesetzt werden, mit dem Vorteil dabei eine Umwegren­tabilität für die heimische Wirtschaft zu erzielen.

Dennoch investiert die Bundesregierung statt im Inland lieber in den Green Climate Fund (GCF), der im Zuge einer Revision der österreichischen Klimafinanzierungsstrategie aufgrund seiner mangelhaften Kosteneffektivität bereits 2017 in die Kritik geraten ist.1

Die Tageszeitung Kurier berichtet zum Auslandsinvestment der Bundesregierung:

Dies wurde entsprechend einer Übereinkunft im Regierungsprogramm umgesetzt, in der ÖVP und Grüne "eine signifikante Erhöhung" des Beitrags zum GCF vorgesehen hatten. Insgesamt stehen damit 130 Millionen Euro für die Periode von 2019 bis 2023 zur


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Verfügung - eine Verfünffachung gegenüber dem Beitrag von 26 Mio. Euro in der vergangenen Periode - kein weiteres Land weise eine derartige Erhöhung auf.2

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachfolgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert ehestmöglich alle an das Ausland getätigten Zahlungen für den Klimaschutz vertragskonform zu streichen und durch nationale Inves­titionen in den Klimaschutz zu ersetzen.“

1https://www.bmlrt.gv.at/umwelt/klimaschutz/internationales/int_klimafinanzierung/strategie_berichte.html

2https://kurier.at/politik/inland/green-climate-fund-oesterreichs-beitrag-wird-bis-2023-verfuenffacht/401031302

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Abgeordneter Michel Reimon. – Bitte, Herr Abgeordneter.

Ich darf noch ergänzen, dass der Entschließungsantrag ordnungsgemäß eingebracht ist und mit in Verhandlung steht.


14.47.17

Abgeordneter Michel Reimon, MBA (Grüne): Wenn die FPÖ zuerst einen Antrag stellt, in dem sie fordert, internationale Klimaschutzzahlungen zu streichen, und dann über den gesunden Menschenverstand spricht, ist es schwierig, in eine Rede einzusteigen. Nichtsdestotrotz, genau darum soll es gehen. Klimaschutz ist eine internationale Ange­legenheit, eine europäische Angelegenheit, und als Europasprecher muss man darauf hinweisen.

Die Zahlungen, die mit der Union ausgetauscht werden, gehören zu einem – recht trockenen – Posten, der eigentlich erst morgen behandelt wird, ich habe mir aber ge­dacht, beim Thema Klimaschutz sollten wir darüber reden.

Es wird im Zuge der Coronakrise das größte Hilfspaket beschlossen, das die Union je hatte: 700 Milliarden Euro in den nächsten sieben Jahren. Das ist ein österreichisches Budget, das auf europäischer Ebene jedes Jahr zusätzlich ausbezahlt wird, und dann kommt jemand her und sagt: Streicht die internationalen Zahlungen! Ich bin fast fassungslos darüber, wie wenig Ahnung Sie von Klimaschutz und Umweltpolitik haben, wenn Sie sich hierherstellen und darüber reden. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Dieses Paket betrifft zum Großteil den Bereich Klima- und Umweltschutz. Weit über 30 Prozent werden ökologische Maßnahmen sein: Energiemaßnahmen, Verkehrsmaß­nahmen und ganz stark Modernisierungs- und Digitalisierungsmaßnahmen für öffent­liche Verwaltung, für Unternehmen. Diese werden gefördert, damit sie mehr auf digitale Techniken setzen und weniger über Transport und Reise erledigen müssen.

Da geht es um Hunderte Milliarden Euro in den nächsten Jahren, die nicht nur die Umwelt schützen, sondern auch die Wirtschaft, die ja unter dieser Coronakrise massiv leidet, beleben werden. Es ist das größte Investitionsprogramm zur Rettung der euro­päischen Wirtschaft, wenn diese Coronakrise hoffentlich nächstes Jahr bewältigt ist, und


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das wollen Sie streichen, ein 700-Milliarden-Euro-Programm, das die Wirtschaft belebt und Arbeitsplätze in Österreich schafft! Etwas Arbeitnehmerfeindlicheres als Ihren Vorschlag, Kollege Rauch, habe ich in diesem Haus noch nicht gehört. (Beifall bei Abge­ordneten der Grünen.) 700 Milliarden Euro wollen Sie den europäischen Arbeit­neh­merIn­nen wegstreichen.

Es ist ein Projekt in einer derartigen Größenordnung, dass man es hier diskutieren muss, wenn man das österreichische nationale Budget diskutiert. Mit den österreichischen nationalen Maßnahmen allein kann man das nicht schaffen, das ist uns bewusst. Genau deswegen setzen wir uns dafür ein, dass die österreichischen nationalen Maßnahmen in dieses europäische System eingebettet sind, dafür, dass wir diese Förderungen abgreifen, dass wir uns darum kümmern, wie wir sie beantragen können.

Jetzt müsste ich noch fünfmal sagen: Danke, Frau Ministerin, wie großartig Sie das machen und wie toll Sie das umsetzen! (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Brandstätter.) Es ist aber tatsächlich der größte Schritt, den wir machen können.

Eines muss man noch sagen: Wenn uns jetzt hier fünf Redner der Liberalen und der SozialdemokratInnen hintereinander sagen, es sei zu wenig, finde ich es interessant, dass ihr das jetzt aus der Oppositionsrolle sagt, denn am Freitag, vor fünf Tagen, hat im Europaparlament eine Abstimmung über eines dieser Pakete stattgefunden, das InvestEU-Paket. Berichterstatter war ein Sozialdemokrat, und wir haben es nicht geschafft, Sozial­demokratInnen, Liberale und europäische Konservative dazu zu bringen, die Regulie­rungen beim Klimaschutz in diesem Paket zu erhöhen. Wir wollten den Standard noch einmal nach oben schrauben, von 30 Prozent Klimamaßnahmen auf 40 Prozent, aber wir haben es nicht geschafft (Abg. Hörl: Hört, hört!), die Liberalen und die Sozialdemo­kratInnen dazu zu kriegen, uns eine Mehrheit zu geben. Das war am Freitag. Am heutigen Donnerstag stellen Sie sich hierher und sagen: Mein Gott, wir würden, wenn wir könnten. – Blödsinn! Ihr hättet vor vier Tagen gekonnt, ihr habt es nicht gemacht. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.51


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Dr. Helmut Brandstätter. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.51.14

Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Ich möchte mit einem Lob beginnen, in schwierigen Zeiten wie diesen kann man nicht genug loben. Das Budget für Klimafor­schung in Höhe von 100 Millionen Euro ist wichtig. Das ist viel, und ich kann nur hoffen, dass es richtig eingesetzt wird, denn wir wissen natürlich, dass wir im Moment über viele andere Themen und zu wenig über das Klimaproblem reden, das bleiben wird. Des­wegen ist es natürlich ganz wesentlich, ordentlich in die Forschung in diesem Bereich zu investieren, weil – und das ist, glaube ich, meine größte Sorge im Moment – die Unsicherheit in allen Bereichen wächst.

Wir sehen vor uns eine wachsende Arbeitslosigkeit, und dass es einen Strukturwandel geben wird. Den hätte es auch ohne Covid gegeben, er wäre aber langsamer gewesen. Er wird jetzt viel schneller kommen, und das heißt, dass wir natürlich auch im Bereich der modernen Technologien viel besser werden müssen, und damit bin ich beim Bereich künstliche Intelligenz.

Dazu muss ich jetzt leider kritisch anmerken: Ja, er ist vorgesehen, die große Gesamt­planung für die künstliche Intelligenz aber vermissen wir noch immer, etwa im Bereich der Universitäten; ich weiß, das ist nicht Ihre Zuständigkeit. Wir haben einen einzigen


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Lehrstuhl für künstliche Intelligenz in Österreich, und das ist natürlich bei Weitem zu wenig. Wir haben auch noch zu wenig darüber gesprochen, wie wir sie nutzen werden.

Ich habe auch gesehen, dass 1,2 Millionen Euro für ein Ideen-Lab für die künstliche Intelligenz vorgesehen sind, wir alle aber – und ich glaube, selbst die, die sich damit beschäftigen – wissen noch nicht, wie diese unser Leben verändern wird. Meine größte Befürchtung ist, dass es Angst davor geben wird: Angst davor, dass Maschinen über uns entscheiden, dass Maschinen miteinander reden, etwas ausmachen, was uns dann treffen wird und womit wir nicht fertigwerden. Da bin ich bei einem ganz entscheidenden Punkt angelangt, nämlich der Angst.

In der Politik wird in vielen Ländern – überall dort, wo populistisch regiert wird – mit großer Angst gearbeitet. Auch bei uns ist in der Covid-Krise zunächst mit enormer Angst – 100 000 Tote – gearbeitet worden; dann hat irgendjemand ein Licht am Ende irgendeines Tunnels gesehen, und dann ist auf einmal wieder die ganz große Angst gekommen.

Ich würde Sie wirklich dringend bitten, und in dem Fall nicht nur als zuständige Ministerin, sondern auch als grüne Politikerin, weil ich ja doch hoffe, dass das nicht in Ihr Denken hineinpasst – bei der ÖVP habe ich da die Hoffnung aufgegeben –: Hören Sie auf mit diesem autoritären Denken, das Angst verbreiten soll! Wir kommen mit Angst nicht weiter. (Beifall bei NEOS und FPÖ sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Man kann die Leute eine Zeit lang allein mit Angst unterdrücken, ja, das kann man, aber ich halte es für extrem gefährlich, und da bin ich auch wieder beim Thema der künstlichen Intelligenz.

Ich habe hier schon einmal ein schönes Buch von Kai-Fu Lee über künstliche Intelligenz, China und Silicon Valley hergezeigt, und darin kommt Europa auf einer halben Seite vor. Unser Problem bei der künstlichen Intelligenz ist unser Datenschutz, auch wiederum unsere Angst, dass Daten missbraucht werden, aber daran müssen wir arbeiten. Natürlich dürfen sie nicht missbraucht werden. Ohne unendlich viele Daten gibt es aber auch keine künstliche Intelligenz, das ist auch klar.

Bei der Angst muss ich jetzt auch auf das Thema Europabudget eingehen, Kollege Reimon. Einerseits stimme ich zu, völlig richtig: Natürlich brauchen wir diese gemein­same europäische Anstrengung, andererseits aber wird es mit den Ungarn und den Polen halt schwierig werden, und da kann ich mich nur wieder an die ÖVP wenden. Wir werden Herrn Orbán sagen müssen: Du spielst auf der Grundlage der europäischen Werte mit und die Rechtsstaatlichkeit gehört dazu, oder du spielst eben nicht mit. – Das wäre natürlich ein Drama für Europa, das wünsche ich mir nicht, ganz im Gegenteil; sich aber von Orbán und den Polen vorführen zu lassen, wäre das Allerletzte.

Das, was Orbán macht, ist natürlich auch wissenschaftsfeindlich. Wir können zwar sagen, wir sind froh, wenn wir die Central European University nach Wien bekommen, ein Teil dieser autoritären Politik ist es aber natürlich auch, gegen Wissenschaft, gegen Forschung vorzugehen, und ein Teil von autoritärer Politik ist es, Schulen zuzusperren.

Ja, die Schulen sind gesperrt, man sagt den Menschen: Bitte bringt eure Kinder nicht!, und dann lässt man sie nicht einmal mehr Bücher kaufen.

Jetzt muss ich Sie wirklich enttäuschen. Ich habe heute einige großartige Bücher mit: eine Orbán-Biografie, die sollten Sie lesen, denn da sehen Sie, wie ein Kommunis­tenjugendlicher zu einem liberalen, dann zu einem autoritären Politiker wird; ein wun­derbares, neues Buch von Pammesberger, Rudi Anschober hat das Vorwort geschrie­ben. Ich hätte sie Ihnen gerne gezeigt, aber nein, ich mache jetzt einen Bücherstreik; das ist wirklich eine ganz große Enttäuschung und da müssen Sie jetzt mitleiden. Vielleicht ist es das nächste Mal wieder anders, im Moment aber gibt es keine Bücher.


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Machen Sie endlich die Buchhandlungen auf! Geben Sie ihnen zumindest die Möglich­keit, Bücher zu verkaufen! (Beifall bei NEOS und SPÖ sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

Jetzt heißt es wieder: Der macht Werbung dafür. – Ich habe keine Anteile an einer Buchhandlung, und wenn, dann würde mich das nicht reich machen, denn das sind Unternehmen, die keine wahnsinnigen Profite machen. Sie sind aber so wesentlich, weil sie geistige Nahrung verkaufen.

Kollege Anschober hat auf Twitter schon angekündigt: Er wird sich etwas überlegen. Bitte geben Sie ihm einen Stoß, dass er sich etwas Gescheites überlegt, dass es eine Möglichkeit gibt, auch in den kommenden Wochen des Lockdowns an Bücher zu kommen.

Ich habe auch ein sehr gutes Buch über die Macht der Sprache da, über politisches Framing et cetera. Ich zeige es jetzt trotzdem nicht her, vielleicht das nächste Mal. Da müssen Sie jetzt raten, von wem das ist.

In diesem Sinne: Bitte kämpfen wir für Bildung, für Wissenschaft und Forschung und gegen die Angst! – Danke schön. (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. Schatz.)

14.56


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Mag. Dr. Rudolf Taschner zu Wort gemeldet. – Bitte schön.


14.57.02

Abgeordneter Mag. Dr. Rudolf Taschner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Kollege Brandstätter hat davon gesprochen, dass mit Angst gearbeitet worden sei und dass die Angst gleichsam der Vorsatz eines autoritären Regimes hier in Österreich sei. – Das ist völlig falsch. Es wurde nur darauf hingearbeitet, dass wir vorsichtig sind. Vorsicht ist etwas anderes als Angst. (Beifall bei der ÖVP.)

14.57


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zuletzt bin ich dafür kritisiert worden, Wortmeldungen zuzulassen, die nicht wirklich eine tatsächliche Berichtigung darstellen – das war auch keine. Es war heute die zweite tatsächliche Berichtigung, die nicht tatsächlich eine war, ich glaube aber, so streng müssen wir nicht sein. (Abg. Kassegger: Eine subjektive Meinung!)

Nächster Redner: Hermann Gahr. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.57.49

Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Herr Staats­sekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Noch nie wurde in Österreich so viel Geld in den Ausbau der Schiene und der Infrastruktur der Bahn investiert. Der ÖBB-Rahmenplan von 2021 bis 2026 gibt vor, dass wir dafür gezielt 17,5 Milliarden Euro investieren.

Als Tiroler ist es für mich natürlich erfreulich, dass wir 3,4 Milliarden Euro in Tirol inves­tieren. Dies ist ein Beitrag, um Klimaziele zu erreichen, das wurde ja heute schon einige Male erwähnt. Es ist ein Beitrag, um die Mobilität und die Qualität der Mobilität insgesamt zu verbessern, und ein ganz ein wichtiger Beitrag, um die Verlagerung des Güter­verkehrs von der Straße auf die Schiene zu ermöglichen. Es wurde von Kollegen Hauser heute schon betont: Wir haben am Brenner 2,5 Millionen Güter-Lkws, da ist die Schmerzgrenze erreicht. Wir brauchen also die nötige Infrastruktur, um Verlagerungen durchführen zu können.


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Um auf Projekte einzugehen: Es wird in viele Bahnhöfe investiert, in Tirol, Kollege Weratschnig, in den Bahnhof Schwaz, es wird in Wörgl in den Güterterminal investiert, in Hall wird investiert, in Jenbach entsteht eine neue Park-and-ride-Anlage. Ich glaube, es ist ganz, ganz wichtig, dass wir auch da investieren, dass wir die Nutzung der Bahn möglich machen. Zum Beispiel steht im Rahmenplan ganz klar, dass es bis 2026 in Tirol 7 000 Stellplätze für die Park-and-ride-Benützung geben soll, das sind also ganz gezielte Investitionen und ganz konkrete Ansätze. (Beifall des Abg. Weratschnig.) – Danke, Kollege Weratschnig. (Präsident Sobotka übernimmt den Vorsitz.)

Ein Projekt, das mir besonders am Herzen liegt und natürlich für uns Tiroler von höchster Priorität ist, ist der Brennerbasistunnel, bei dem es – das wurde ja heute schon erwähnt – durchaus immer wieder Rückschläge gibt – aktuell mit dem Baulos in Pfons. Ich bitte Sie höflich, Frau Bundesminister, wir brauchen da möglichst schnell eine Neuvergabe, sodass der Bau wieder zügig vorangehen kann. Es geht dabei um sehr viel, nämlich ganz einfach darum, dass wir diese Infrastruktur brauchen, um den Verkehr zu verlagern.

Wir brauchen aber auch Druck auf Deutschland, was die Zulaufstrecken betrifft, und einen guten Austausch mit Italien. Insgesamt, Frau Bundesminister, sollten wir, wie ich glaube, ganz klar in den Fokus stellen: Der Brennerbasistunnel ist ein europäisches Projekt von Berlin bis Palermo, ein sogenanntes TEN-Projekt, denn – wir haben das heute ja schon gehört – wir haben keine Grenzen, was den Verkehr betrifft, wir brauchen europäische Lösungen.

Insgesamt ist es eine Herausforderung. Wir investieren in die Zukunft, in die Mobilität, in den Klimaschutz. Wir brauchen dazu, glaube ich, einen gemeinsamen Schulterschluss und laden alle zur Zusammenarbeit ein. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

15.00


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Kollross. – Bitte.


15.01.07

Abgeordneter Andreas Kollross (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Staats­sekretär! Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuhörerinnen und Zuhörer! Bevor ich ins Thema einsteige, möchte ich noch eine Anmerkung zu Kollegen Reimon machen, der sich immer sehr gern mit der SPÖ beschäftigt. In nur einem Nebensatz: Wer nicht bereit ist, Menschen nach 45 Jahren Arbeit abschlagsfrei in Pension gehen zu lassen, braucht der FPÖ nicht ArbeitnehmerInnenfeindlichkeit vorzuwerfen. Bitte vor der eigenen Türe kehren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Jetzt zum Thema: Frau Ministerin, ich stehe nicht an, festzuhalten, dass Ihr Budget im Vergleich zu dem, was wir zum Beispiel in der Vorgängerperiode erlebt haben, ein positiver Wurf ist, und dass wirklich ein Wille da ist, im Klimaschutzbereich Maßnahmen zu setzen.

Trotzdem ist nicht alles Gold, was glänzt – das wissen Sie natürlich auch selbst. Das weiß auch die grüne Fraktion. Ich möchte konkret einen Punkt als Beispiel heraus­streichen, und zwar das 1-2-3-Ticket.

Ich schicke einmal voraus, dass es natürlich eine tolle Sache ist, wenn das 1-2-3-Ticket kommt, selbst wenn es jetzt einmal nur mit 3 beginnt. Die Frage ist: Wird das 1-2-3-Ticket überhaupt kommen? – Das wird am Ende des Tages wahrscheinlich die ÖVP da drüben entscheiden. Gehen wir aber einmal davon aus, dass das 1-2-3-Ticket wirklich kommen und mit 3 beginnen wird. Selbst dann muss man festhalten, dass dies in erster Linie einmal – und das freut mich natürlich für all jene, die bisher Pendlerinnen und Pendler sind und den öffentlichen Verkehr nutzen – ein Fortschritt für all jene ist, die zum


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Beispiel an der Westbahn oder an der Südbahn wohnen und schon jetzt den öffentlichen Verkehr nutzen, um ihr PendlerInnendasein fristen zu können.

Nicht gelöst ist die Frage für all jene, die bisher noch mit dem Auto unterwegs sein müs­sen und es auch in Zukunft sein werden, weil es nach wie vor lückenhafte Anbindungen dorthin gibt, wo der Zug wegfährt. (Abg. Litschauer: Wir im Waldviertel ...!) Österreich ist halt einfach eine ländliche und, wenn man so will, auch sehr zerfledderte Region. Deshalb brauchen wir vor allen Dingen in den ländlichen Regionen eine Anbindung zu den Verkehrsknotenpunkten, wenn wir wirklich wollen, dass, erstens, das 1-2-3-Ticket funktioniert und, zweitens, aufgrund von weniger CO2-Ausstoß eine Klimaentlastung stattfindet, weil die Menschen vom Auto auf den öffentlichen Verkehr umsteigen. Das fehlt, und solange das nicht gewährleistet ist, wird es leider auch zu wenig sein, sich über das 1-2-3-Ticket zu freuen, weil viele nach wie vor von dieser Maßnahme ausge­schlossen sind, nämlich all jene, die auch jetzt in ihren Gemeinden keine öffentliche Anbindung haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Deshalb: Ja, toll, dass es das Ticket gibt, wenn wir aber nebenher den öffentlichen Verkehr nicht viel stärker ausbauen, ist es ein Minderheitenprogramm. – Leider! (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei den Grünen: Im Burgenland!)

15.04


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Diesner-Wais. – Bitte.


15.04.32

Abgeordnete Martina Diesner-Wais (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bun­des­minister! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Damen und Herren im Parlament! Liebe Zuseher! Ich möchte mit einem deutschen Philosophen beginnen, der sagt: „Über die Zukunft des Menschen entscheidet die Natur, wie der Mensch über sie entscheidet.“ Darum haben wir ein Budget vor uns liegen, das einen Beitrag für die Natur, die Umwelt und den Klimaschutz leistet. Es ist ein Budget, das nachhaltig in die Zukunft gerichtet ist und einen Blick auf die nächsten Generationen wirft.

Wir haben es heute schon gehört: Für den Klima- und Umweltschutz stehen im nächsten Jahr 680,6 Millionen Euro zur Verfügung. Das ist eine Erhöhung um 47,6 Prozent. Wir haben mit diesem Budget für ausreichende Mittel gesorgt, damit unsere Bevölkerung, unsere Betriebe in den Umweltschutz investieren können. Das ist eine sehr gute Sache, denn mit der 14-prozentigen Investitionsprämie wird das gewährleistet.

Für Umweltförderungen im Inland und die Sanierungsoffensive wurden noch zusätzlich 124 Millionen Euro bereitgestellt. Das ist ebenfalls notwendig und daher wichtig, wenn es um thermische Sanierungen, um den Heizkesseltausch geht, die uns wirklich weiter­bringen. Für die erneuerbare Energie, für den Klima- und Energiefonds also, gibt es zusätzlich 61,5 Millionen Euro, und es gibt ein Plus von 20 Millionen Euro für die Ener­giepolitik, die sich auf den Fernwärme- und Nahwärmeleitungsausbau bezieht. Für den nachhaltigen Natur- und Umweltschutz ist mit 36,6 Millionen Euro gesorgt, bei dem es um die Vielfalt und den Biodiversitätsfonds geht.

Mit diesen Geldern leisten wir viel für unsere Umwelt, für den Klimaschutz, und gleich­zeitig sind sie ein Turbo für die Konjunktur und vor allem für die regionale Wirtschaft.

In Österreich haben wir viele Pioniere im Bereich der erneuerbaren Energie. Wir sind in Umwelt- und Klimatechnologien führend und haben eine Menge Green Jobs. Das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz ist ein wichtiger Schritt, der uns gerade im Klimaschutz noch weiter voranbringt. Ich möchte mich bei der Frau Minister und vor allem beim Herrn Staatssekretär dafür sehr bedanken, möchte aber noch zwei Sätze dazu sagen: Wir haben gerade im Bereich der Fotovoltaik enorme Chancen, und Grundbesitzer, Hausbesitzer


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und Landwirte haben den Willen, dazu einen großen Beitrag zu leisten. Wir haben im Erneuerbaren-Gesetz ein enormes Ausbaupotenzial abgebildet. Das Problem ist aber das Leitungsnetz, denn ich höre von immer mehr Menschen, dass sie nicht ange­schlossen werden können oder dürfen, weil die Leitungsquerschnitte zu gering sind. Diesbezüglich würde ich dringend um Lösungen bitten.

Eine zweite Technologie, die auf die ungleiche Verteilung der Einspeisung positiv einwir­ken würde, wäre das grüne Gas, das im Erneuerbaren-Gesetz momentan nicht berück­sichtigt ist. Ich möchte auch diesbezüglich darum bitten, dass man das gleich mitein­fließen lässt, denn es wäre sehr wichtig. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Redezeit ist zwar schon am Ende, dennoch möchte ich noch einen Punkt anfüh­ren. Der öffentliche Verkehr ist ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz, und als Waldviert­lerin freut es mich natürlich besonders, dass wir im ÖBB-Rahmenplan den Ausbau der Franz-Josefs-Bahn vorsehen. Das ist eine ganz wichtige Sache, denn die Franz-Josefs-Bahn ist das Herz des öffentlichen Verkehrs im Waldviertel. Ich möchte trotzdem gleich hinzufügen, dass wir für die Zukunft auch noch Begradigungen vorsehen müssen, damit wir eine Beschleunigung herbeiführen können, denn dann wird es für die Leute noch attraktiver, mit der Franz-Josefs-Bahn nach Wien zu fahren. – In diesem Sinne: Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

15.08


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Abgeordneter Schmiedlechner ist zu Wort gemel­det.


15.08.55

Abgeordneter Peter Schmiedlechner (FPÖ): Herr Präsident! Frau Minister! Sehr geehrte Zuseher! Wir hören ständig, wie wichtig der Kampf gegen den Klimawandel ist. Seit einem Jahr sind die Grünen in der Regierung, und das Klima ist noch immer nicht gerettet. (Allgemeine Heiterkeit.) Es schaut so aus, als ob die Grünen von der ÖVP gelernt hätten: Ankündigungen und wenig umsetzen.

Was der Öffentlichkeit noch nicht bekannt ist, ist die ungeheuer wichtige Aufgabe der Landwirtschaft bei der Senkung des CO2. Für die Erzeugung von Sauerstoff und die Bindung des CO2 im Boden oder im Wald sind unsere Land- und Forstwirte zuständig. Niemand anders kann das. Ohne ihre Arbeit können wir diese Klimaziele nicht erreichen.

Leider ist die finanzielle Situation – und da ist wieder diese Seite verantwortlich (in Richtung ÖVP) – in der Landwirtschaft verheerend. Die Bauern stehen mit dem Rücken an der Wand. Man muss Anreize schaffen und sie unterstützen, damit sie auch weiterhin diese wichtige Leistung erbringen können.

Frau Minister! (Der Redner stellt eine Tafel, auf der eine ländliche Kulturlandschaft zu sehen ist, mit der Aufschrift „Nur Land- und Forstwirte binden CO2“ sowie „Diese Leistung muss honoriert werden“ auf das Rednerpult.) Frau Bundesminister, wir müssen da Geld in die Hand nehmen. Schaffen wir gemeinsam Anreize, damit die Bauern auch weiterhin ihre wichtige Aufgabe erfüllen können! Damit retten wir nicht nur unsere kleinstrukturierte Landwirtschaft, nein, wir können auch einen wertvollen Beitrag für den Klima- und Um­weltschutz leisten.

Der Boden, der erhebliche Mengen an Kohlenstoff bindet, wird hinsichtlich seiner klima­relevanten Bedeutung oft zu wenig beachtet. Dieser Umstand muss der Öffentlichkeit nähergebracht werden. Es ist Fakt, dass das CO2 ohne Forstwirtschaft nicht weiter im Holz und in den Holzprodukten gebunden wird, sondern wieder in die Umwelt entweicht. Es ist Fakt, dass die bodenaufbauenden Maßnahmen der Landwirte CO2 binden. Jeder


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Land- und Forstwirt betreibt damit aktiv Klima- und Umweltschutz. Es ist auch Fakt, dass jeder Landwirt mehr Umweltschutz und Klimaschutz betreibt als irgendwelche selbst­ernannten Umwelt- und Klimaschützer. Unsere Land- und Forstwirtschaft betreibt Umwelt- und Klimaschutz, der auch als solcher bewertet werden muss.

Deswegen möchte ich folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen betreffend CO2 durch Humusaufbau binden“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat ehestmöglich eine Regieruns­vorlage vorzulegen, die die stärkere Förderung von bodenaufbauenden Maßnahmen zur CO2-Bindung - insbesondere hinsichtlich einer Erhöhung des Humusgehaltes der Böden - in der Landwirtschaft vorsieht.“

*****

Frau Minister, wir haben die Chance, dass wir endlich etwas weiterbringen und Ihren Ankündigungen auch endlich Taten folgen lassen. Umweltschutz und Klimaschutz mit Hausverstand ist angesagt. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

15.12

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Peter Schmiedlechner, Walter Rauch und weiterer Abgeordneter

betreffend CO2 durch Humusaufbau binden

eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 11, Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (380 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2021 (Bundesfinanzgesetz 2021 – BFG 2021) samt Anlagen (449 d.B.), Untergliederung UG 43 – Klima, Umwelt und Energie, in der 62. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 19. November 2020

Das Zusammenwirken zwischen Bodennutzung und Klimawandel ist der Öffentlichkeit noch immer wenig bekannt oder gar bewusst. Im Mittelpunkt der Debatte beim Thema Klimawandel stehen viel mehr der CO2-Ausstoß aus fossilen Brennstoffen von Flug­zeugen oder des Individualverkehrs. Der Boden, welcher erhebliche Mengen Kohlenstoff bindet, wird jedoch hinsichtlich seiner klimarelevanten Bedeutung oft zu wenig beachtet.

Einen diesbezüglich bewusstseinsbildenden Antrag1 der FPÖ haben in der Vergangen­heit die damaligen Koalitionspartner SPÖ und ÖVP zunächst mehrfach vertagt und schließlich abgelehnt. Die Grünen haben sich jedoch stets für den Antrag ausge­sprochen, weshalb dieser nunmehr gleichlautend eingebracht wird.

Mit ca. 2.500 Milliarden Tonnen organischem Kohlenstoff ist im Boden derzeit etwa dreimal so viel Kohlenstoff gebunden, wie im Kohlendioxid der Atmosphäre vorkommt, und viermal so viel, wie in der Vegetation gebunden ist. Das bedeutet, dass der Boden ein mächtiger Kohlenstoffspeicher ist. Weiters ist darauf hinzuweisen, dass im Boden neben dem organisch gebundenen Kohlenstoff ein weiterer Teil in anorganischer Form (als Carbonate) liegt.


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Die weltweit vorhandene Menge an organischem Bodenkohlenstoff hat einen unmittelbaren Einfluss auf den CO2-Gehalt in der Atmosphäre. Wenn der Humusgehalt ansteigt, leistet der Boden als CO2-Senke einen Beitrag zur Abnahme des CO2-Anstiegs in der Atmosphäre und letzten Endes zur Reduzierung der Klimaerwärmung. Wenn hingegen Humus abgebaut wird, trägt er als Lieferant zur Zunahme der klimarelevanten Gase erheblich bei. Die geringsten Konzentrationsänderungen beim organischen Kohlenstoff des Bodens können unvorhersehbare Folgen für den Kohlenstoffgehalt der Atmosphäre nach sich ziehen, wobei diese Änderungen lediglich einem kleinen Teil des gesamten organischen Bodenkohlenstoffs entsprechen.

Einen wertvollen Beitrag zum Klimaschutz kann hier jedoch die Landwirtschaft leisten, indem sie bodenaufbauende Maßnahmen betreibt und damit CO2 bindet. Aus freiheit­licher Sicht ist es daher unumgänglich, dass die heimischen Böden zukunftsfit gemacht werden. Ein Schlüssel dafür ist die Erhöhung des Humusgehaltes, welche durch den Einsatz von Kompost sogar ohne Beeinträchtigung der Umwelt möglich ist, wie Experten nachweisen konnten.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachfolgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat ehestmöglich eine Regieruns­vorlage vorzulegen, die die stärkere Förderung von bodenaufbauenden Maßnahmen zur CO2-Bindung - insbesondere hinsichtlich einer Erhöhung des Humusgehaltes der Böden - in der Landwirtschaft vorsieht."

1 https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/A/A_00186/index.shtml#tab-Uebersicht

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß ein­gebracht worden, hat ausreichende Unterstützung und steht somit mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Hörl. – Bitte. (Abg. Hoyos-Trauttmansdorff: Franz, das musst du toppen!)


15.12.58

Abgeordneter Franz Hörl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Frau Bundes­minister! Meinem Vorredner möchte ich sagen: Mein Vertrauen in diese Regierung ist grenzenlos. Wenn Sie aber den Grünen zutrauen wollen, das Klima in einem Jahr zu retten, dann gibt nur eines zu sagen: Wir tun das Mögliche, Wunder dauern etwas länger. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Frau Bundesminister! Ich darf Ihnen zum Gesamtbudget Ihres Ressorts gratulieren. Kollege Gahr hat schon die Vorzüge der Mobilität und die Ziele, die Sie anstreben, gelobt, ich darf die Regionalbahn noch dranhängen. Ich danke auch für das Budget. Wir werden das bei der Zillertalbahn natürlich pfleglich und gut verwenden, damit wir auch dort einen Schritt weiterkommen.

Wenn ich mir Ihr Budget in der UG 43, Klima, Umwelt und Energie, anschaue – 681 Mil­lionen Euro, das sind fast 1 Prozent des gesamten Budgets, in den Folgejahren noch einmal eine Steigerung, die in Richtung Zweieinhalbfaches geht –, dann auch dazu: große Gratulation! Das ist viel Geld, mit dem man clever arbeiten kann. Dass Sie clever


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agieren, habe ich Ihnen ja grundsätzlich schon ein paarmal gesagt und mehrmals be­hauptet.

Wenn ich behaupte, es geht in die falsche Richtung, nämlich in die der Ihnen nahe­stehenden NGOs, dann fassen Sie das bitte nicht als Lob auf, weil ich nämlich glaube, dass sie gerade, was Bewilligungen betrifft, die Verfahren eher aufblasen wollen.

Wenn wir uns da die Fakten anschauen: Unser gemeinsames Ziel ist die Reduktion von CO2, die Dekarbonisierung, das ist das rot-weiß-rote Projekt, für das wir eintreten. Schauen Sie sich die nackten Zahlen an! Der gesamte Energiebedarf Österreichs auf Basis von 2019 aus den fossilen Energiequellen Öl, Erdgas, Kohle beträgt ungefähr 199 000 Gigawattstunden. Ein Ausstieg aus diesen fossilen Energiequellen in allen Sektoren, und zwar im Verkehr, in der Industrie – ich sage nur Voest, H2, also Was­serstoff –, aber auch in Gebäuden und so weiter, führt zu einem Mehrbedarf an anderen Energiequellen, das ist ja logisch. Wenn Sie jetzt davon ausgehen, dass dieser Bedarf durch Strom aus erneuerbaren Quellen abzudecken ist, brauchen wir alleine dafür 182 Wasserkraftwerke in der Größenordnung Freudenau oder 31 000 Windkraftanlagen oder, wenn wir die Tiroler Strategie hernehmen und das nur mit PV machen wollen, heißt das 80 Prozent der Dächer und pro Gemeinde vier Fußballfelder. Ist das möglich? – Ich glaube nicht.

Schauen wir uns aber weiter an, wie lange die notwendigen Genehmigungsverfahren für derartige Projekte dauern, die wir gerade im Bereich der Stromerzeugung brauchen! Die Netzleitungen in Salzburg: 76 Monate, 6,3 Jahre; 380-kV-Leitung in der Steiermark und im Burgenland, Rotenturm: 6,3 Jahre; das Kraftwerk Kaunertal hat acht Jahre gebraucht, das Speicherkraftwerk Kühtai weitere zehn Jahre, und wenn ich im Ötztal Tumpen hernehme, hat das über zwölf Jahre gedauert. Wie also kann der Bedarf an neuen Quellen mit diesen heute schon schleppenden Verfahren zusammengehen? – Das über­lasse ich Ihrer Vorstellungskraft, ich glaube nur, wir sollten daran arbeiten, dass Ver­fahren effizienter, kürzer und erfolgreicher durchgeführt werden, damit wir da auch die notwendige Energie erzeugen können. (Beifall bei der ÖVP.)

Die große Frage bleibt: Woher kommt die notwendige Energie, die wir brauchen, damit wir aus dem Karbonzeitalter herauskommen? Ich bitte Sie, arbeiten Sie daran, dass die Bewilligungen schneller, besser und effizienter gehen, denn das sind in Wahrheit die elektrisierendsten Fragen der Gegenwart! – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Kassegger: Franz, recht hast du!)

15.16


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Ecker. – Bitte.


15.16.42

Abgeordnete Cornelia Ecker (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Staats­sekretär! In der Debatte um das Forschungsbudget wird viel über neue Technologien ge­sprochen, über innovative Forschungsprojekte diskutiert, es wird jedoch oftmals der landwirtschaftliche Bereich vergessen. Auch da müssen wir im Sinne der heimischen Landwirtinnen und Landwirte, vor allem aber auch aus der Sicht der Konsumentinnen und Konsumenten, in die Zukunft schauen.

Wie schützen wir die heimische Landwirtschaft vor dem Klimawandel? Wie schaffen wir es, Schädlinge in unseren heimischen Wäldern zu minimieren und Krankheiten von den Feldern und der Ernte fernzuhalten? Mir als glühender Kämpferin für ein Glyphosat­verbot ist es ein besonderes Anliegen, Frau Ministerin, mehr Geld für die Erforschung von Alternativen zu Pestiziden bereitzustellen. (Beifall bei der SPÖ.)

Dieses Geld braucht es nicht nur auf EU-Ebene, sondern auch ganz, ganz dringend in Österreich. Wir können nicht weiter den Weg der ÖVP einschlagen, der da lautet, dass


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die Antwort auf den Klimawandel ein verstärkter Pestizideinsatz in der Landwirtschaft ist. So verlieren wir nämlich den Titel Feinkostladen in Europa schneller, als uns lieb ist. Es gibt bereits gute technische Alternativen, Frau Ministerin, und ich weiß, in der Frage des Totalverbots von Glyphosat sind wir einer Meinung, nur die großen Blockierer sind leider in den Reihen der ÖVP.

Ein weiterer Ansatz muss es sein, die Digitalisierung in der Landwirtschaft auszubauen. Dies erleichtert nicht nur die Arbeit der Bäuerinnen und Bauern. Durch neue Techno­logien können Ressourcen besser genutzt und der Umweltschutz vorangetrieben wer­den. Dadurch sinkt auch der Pestizideinsatz und die Ertragssicherheit steigt. Schauen wir zu unseren Nachbarn, vor allem in die Schweiz! Dort gibt es gute Alternativen zum Pestizideinsatz, die vorwiegend technischer Natur sind.

Zusammenfassend: Frau Ministerin, es braucht mehr Geld für die Forschung im Bereich der Landwirtschaft, um unsere heimische Landwirtschaft fit für die Zukunft zu machen. Für uns alle ist es wichtig, dadurch gesunde Lebensmittel auf unseren Tellern zu haben. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

15.18


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Abgeordnete Pfurtscheller ist zu Wort gemel­det. – Bitte.


15.19.01

Abgeordnete Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller (ÖVP): Sehr geehrte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Zu Beginn meiner Rede möchte ich noch ganz kurz auf Herrn Kollegen Hauser replizieren, der eingangs seiner Rede behauptet hat, dass die FPÖ die Gefährlichkeit des Coronavirus nie geleugnet hätte. Ich muss ihn an das Interview erinnern, das sein Parteichef am 13.5. in der „Presse“ gegeben hat. Da hat dieser nämlich gesagt, Corona sei nur ein Grippevirus und auch nicht gefährlicher. (Abg. Hauser: Ich habe das nie gesagt!) Jetzt kann ja sein, dass die FPÖ etwas dazugelernt hat, das freut uns alle, das kommt selten genug vor, es wäre halt nur schön, wenn sich die FPÖ jetzt auch entsprechend benehmen würde. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Sehr geehrte Frau Ministerin! Ich möchte mich eingangs bei der Sparte Personenverkehr der ÖBB für die wirklich sehr verlässlichen Verbindungen bedanken, die trotz der Krisen- beziehungsweise Coronazeit immer bestens funktioniert haben, und auch einmal – ich glaube, das wird sehr selten gesagt – für das ausgezeichnete Service des Caterers. Man fühlt sich wirklich bestens betreut, wenn man mit der Bahn fährt.

Sie haben durch die Notvergabe sichergestellt, dass diese Verbindungen im Lockdown eins funktioniert haben. Das hat uns ein bisschen Geld gekostet, 53,7 Millionen Euro für die Westbahn und die ÖBB zusammen, und leider schaut es so aus, als würde es auf­grund des Lockdown zwei noch einmal eine Notvergabe geben müssen. Das haben Sie vorhin in Ihrer Rede erwähnt. Ich denke aber, das Geld ist sehr gut angelegt. Es gibt einfach sehr, sehr viele Nutzer, die äußerst dankbar sind, dass der Takt eingehalten wird, dass man wirklich jede Stunde in einen Zug einsteigen kann und dass sozusagen der öffentliche Verkehr nicht zum Erliegen kommt.

Der zweite Teil meiner Rede bezieht sich auf das Wirkungsziel Nummer 2, das haben schon die Kollegen Litschauer und Himmelbauer angesprochen. Es geht um die Siche­rung der Mobilität, vor allem eben auch um die Sicherung der Mobilität in den ländlichen Regionen. Natürlich hat man, so wie derzeit entlang der Franz-Josefs-Bahn im Wald­viertel, eine große Freude, wenn das Schienennetz ausgebaut wird. Ich komme aus einem Bezirk, in dem der Bahnausbau momentan noch in weiter Zukunft liegt und in dem Autos einfach notwendig sind. Deswegen bin ich sehr froh, dass Sie mehr Geld für die


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E-Mobilität zur Verfügung stellen, es sind ja insgesamt 46 Millionen Euro für die Förderung des Ankaufs von E-Autos und auch für den Ausbau der Ladeinfrastruktur. Das halte ich für wirklich sehr wichtig. Bei uns haben wir keine anderen Möglichkeiten, die letzte Meile – im konkreten Fall sind es eigentlich 50 Kilometer – zu bestreiten. Daher sind wir sehr dankbar, wenn die Anstrengungen auch in diese Richtung verschärft wer­den. Ich möchte Sie bitten, auch weiterhin und vielleicht noch verstärkt innovative Carsharingmodelle und Mitnahmeplattformen zu unterstützen. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

15.22


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Köllner. – Bitte.


15.22.26

Abgeordneter Maximilian Köllner, MA (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Österreich ist ein wunderschönes Land, nicht unbedingt aber für große Bodenschätze bekannt. Allerdings haben wir einen ganz wichtigen Rohstoff, und der befindet sich in den Köpfen der Menschen in unserem Land. Gerade in Zeiten der größten Pandemie seit rund 100 Jahren kommt zum Vorschein, wie wichtig Forschung und Entwicklung sind.

Weder Österreich noch andere Staaten können es sich leisten, das Land mehrfach zum Stillstand zu bringen. Daher wird es notwendig sein, dass die klugen Köpfe in unserem Land rechtzeitig und ausreichend jene Ressourcen bekommen, die sie beispielsweise für die rasche Entwicklung eines Impfstoffs oder eines Medikaments brauchen. Unser Anspruch muss sein, zu den internationalen Innovationleaders und nicht zu den Inno­vationfollowers zu gehören. Wir hinken aber nach, denn was in der österreichischen Forschung fehlt, ist ein klarer Wachstumspfad. Wenn die zusätzlichen Mittel aus dem internationalen Forschungsfonds weg sind, steht der Forschung auch weniger Geld zur Verfügung – und damit können wir auch die hochgesteckten Ziele nicht erreichen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Gerade in der jetzigen Situation braucht es für die Forschung nicht einen Sparstift, sondern sinnvolle Investitionen.

Auch das Klimaproblem ist aufgrund des Virus nicht verschwunden, selbst wenn die Fridays-for-Future-Bewegung zur Zeit etwas in den Hintergrund gerückt ist. Weniger Geld heißt aber auch, dass beispielsweise die Forschung für leistungsstarke Batterien – Stichwort: E-Autos – ins Stocken gerät. Ich glaube, Sie sollten einerseits Ihren Input hinterfragen, sich aber auch die Frage stellen, wo Sie im Bereich der Forschung und Innovation überhaupt hinwollen. Was ist das Ziel? Wenn wir in diesen Bereichen zu den Leaders gehören wollen, wird es definitiv mehr Anstrengungen brauchen. Gerade wir Jungen, Frau Ministerin, zählen in diesen Zeiten auf Sie. (Beifall bei der SPÖ.)

Zum Abschluss noch ein Satz zur Mobilität: Ja, ein Klimaticket ist ein ganz wichtiger Anreiz für den ökologischen Umstieg auf den öffentlichen Verkehr. Wir begrüßen das, so es auch tatsächlich dazu kommt – Kollege Kollross hat es angesprochen. Achten Sie aber bitte darauf, dass es fair für die Pendlerschaft ist und dass auf bundes­länderspezi­fische Ungerechtigkeiten Rücksicht genommen wird. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Shetty.)

15.24


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Plakolm. – Bitte.


15.24.58

Abgeordnete Claudia Plakolm (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich werde mich kurz


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halten, da nach drei Tagen Budgetdebatte schon so ziemlich alles gesagt ist, nur nicht von jedem.

Klimaschutz ist einer der Schwerpunkte dieser Regierung und das zeigt sich auch deutlich im Budget. Über 1 Milliarde Euro gibt es in den nächsten Jahren zusätzlich für Umwelt- und Klimaschutz, und auch in die Mobilität werden zusätzlich 1,4 Milliarden Euro investiert. Das ist auch notwendig, denn wir haben im Regierungsprogramm in diesem Bereich viel vor: das 1-2-3-Klimaticket, bis 2030 Strom zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energiequellen, eine Bodenschutzstrategie für den sparsamen Flächen­verbrauch, und wir investieren mehr denn je in den Ausbau des öffentlichen Verkehrs, besonders im ländlichen Raum.

Es wird wieder die Zeit kommen, in der wir im Sommer per Zug durch Österreich und Europa reisen werden, in der wir zwischen Studienort und zu Hause mit dem Zug pen­deln. Passend zum Thema Studienort freue ich mich als oberösterreichische Abge­ordnete besonders über die neue technische Universität in meinem Bundesland. Die neue TU wird ein zentraler Baustein (Zwischenruf des Abg. Hafenecker) dahin gehend, dass Österreich in der Forschung eine Spitzenregion bleibt. Das ist besonders in Zeiten wie diesen wichtig und vor allem richtig, denn jeder Euro für Digitalisierung, Bildung und Forschung ist absolut richtig investiert. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

15.26


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Seemayer. – Bitte.


15.26.31

Abgeordneter Michael Seemayer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Kolleginnen und Kollegen! Natürlich ist es gut, wenn mehr Budget für den Bereich Mobilität und somit auch für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs zur Verfügung steht, auch wenn derzeit vermehrt im Homeoffice gearbeitet wird und Schüle­rinnen und Schüler, Studentinnen und Studenten daheim bleiben, weil die Schulen zugesperrt sind – ein bisschen zugesperrt, haben wir heute schon gelernt, sie sollen aber nicht hinfahren. Es wird allerdings wieder die Zeit kommen, in der man vermehrt zum Arbeitsplatz, zur Schule oder zur Uni pendelt.

Viele pendeln täglich hin und her. Ob dieses Pendeln so klimafreundlich wie möglich geschehen kann, hängt natürlich von mehreren Faktoren ab: Welches Verkehrsmittel wird grundsätzlich genutzt? Ist die Benutzung eines öffentlichen Verkehrsmittels über­haupt möglich? Gibt es überhaupt eine Anbindung des Wohnortes oder auch des Arbeitsplatzes an das öffentliche Verkehrsmittel? Welche Arbeitszeiten haben die Be­triebe? – Das ist ein ganz wichtiger Faktor. Fährt überhaupt ein öffentliches Verkehrs­mittel zu Beginn und am Ende des Arbeitstages, und wie sieht es mit den Wartezeiten aus? Lange Wartezeiten sind natürlich hinderlich, wenn es um die Entscheidung geht, ob man öffentlich fährt oder den Pkw nimmt. Nur die wenigsten wohnen direkt neben dem Bahnhof oder neben einer Haltestelle, somit ist oft auch die Nutzung von mehreren Verkehrsmitteln erforderlich. Der Ausbau von Park-and-ride-Anlagen spielt dabei eine wesentliche Rolle. Wenn man sich nur manche Situationen rund um die Bahnhöfe in Erinnerung ruft, glaube ich, ist es dringend notwendig, dass man diesbezüglich handelt. Das ist auch im Budget abgebildet.

Allerdings sollte nicht nur das Abstellen des eigenen Pkw ohne lange Parkplatzsuche möglich sein, sondern es stellt sich auch immer öfter die Frage: Wo stelle ich denn mein Fahrrad ab? Immer mehr Menschen sind auf E-Bikes und somit auf teurere Räder umgestiegen und stellen sich die Frage, wo sie ihr Fahrrad sicher und versperrbar abstellen können. Frau Ministerin, Sie haben unter dem Motto Bike-and-ride im Ausschuss


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angekündigt, auch da Investitionen zu tätigen. Ich glaube, das ist dringend notwendig. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Bürstmayr.)

Was aber auch immer öfter zu beobachten ist – mir fällt das am Linzer Bahnhof auf –, ist, dass viele zwei Fahrräder und ein öffentliches Verkehrsmittel benutzen. Sie fahren vom Wohnort zum Bahnhof, dann fahren sie mit dem Zug und vom Bahnhof mit dem zweiten Fahrrad zur Arbeitsstätte, weil das durch die Stadt schneller geht. Das ist ganz normal und auch gut so. Es ist aber natürlich problematisch, wenn jemand das Fahrrad mit dem öffentlichen Verkehrsmittel mitnehmen will. Für die Mitnahme von Fahrrädern bräuchte man, glaube ich, innovative Lösungen.

Ob das Pendeln mit einem öffentlichen Verkehrsmittel möglichst klimaschonend ist, kommt auch auf das Verkehrsmittel selbst an. Eine Investition in die Elektrifizierung der noch stromlosen Bahnstrecken ist natürlich notwendig, und eine Dekarbonisierung der Busflotten ist nicht nur eine Investition in den Klimaschutz, sie bringt auch Aufträge für unsere Betriebe und sichert somit Arbeitsplätze. Das wird dringend benötigt, genau das müssen wir jetzt machen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

15.30


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Reiter. – Bitte.


15.30.11

Abgeordnete Carina Reiter (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Frau Bundes­ministerin! Geschätzter Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Im Rah­men der Untergliederung Klima, Umwelt und Energie werden 2021 680,6 Millionen Euro ausgegeben, und das ist gut so. Es ist gut, dass Schritte gesetzt werden, die der Klimaveränderung entgegenwirken. Die erneute Budgetaufstockung unterstreicht das.

Es ist auch gut, dass trotz der aktuellen Krise in diesen Bereichen Impulse gesetzt wer­den, denn Klimapolitik ist auch Arbeitsmarktpolitik. Es ist gut, dass mit den Maßnahmen die Brücken zu den Menschen gestärkt werden – sei es durch Beratungen oder durch Förderungen. Das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz wird die Ökostromförderung reformie­ren. Wir müssen alle Möglichkeiten nutzen, um unsere Rohstoffe zu nützen. Wir haben einen breiten Mix aus Energieträgern – sei es Wasser, Sonne, Wind oder Biomasse. Durch Restriktionen dürfen wir uns im Bereich der erneuerbaren Energieformen keine Möglichkeiten verbauen. Das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz ist ein Antriebsmotor für unsere Gesellschaft, unsere Wirtschaft, unseren Arbeitsmarkt und unsere Regionen.

Um das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen, müssen wir auch den Nichtelektrobereich anschauen, der immerhin 70 bis 80 Prozent ausmacht. Für die Sanierungsoffensive und den Austausch von Kesseln gibt es auch erheblich mehr Mittel. Wer heute ein Gebäude baut oder saniert, entscheidet über den Energieverbrauch der nächsten Jahrzehnte. Privathaushalte, Betriebe und Gemeinden werden in dem Bereich unterstützt, denn jeder kann seinen Beitrag zur Energiewende leisten.

Schließlich liegt es an uns, dass wir den Grundstein für die nächsten Generationen legen. Die kleinen und die großen Maßnahmen machen es also aus: Jeder und jede kann mit seinem und ihrem Verhalten, mit seinen und ihren Entscheidungen einen Bei­trag leisten. Das wird in vielerlei Form unterstützt, und genau das ist für mich eine bodenständige, ehrliche und zukunftsorientierte Klimapolitik. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

15.32


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Abgeordnete Scharzenberger ist zu Wort gemel­det. – Bitte.



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15.32.24

Abgeordnete Mag. Corinna Scharzenberger (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Mit­glieder der Bundesregierung! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zu­hörer daheim vor den Bildschirmen! In diesen Tagen wird sich entscheiden, ob wir es schaf­fen, das Virus einzudämmen – ob wir die Kontrolle behalten oder ob unser Gesund­heits­system überlastet wird. Noch im Sommer haben viele die Aussagen unseres Bun­des­kanzlers als Panikmache kritisiert, jetzt ist es aber leider Gottes wirklich so, dass wir alle jemanden kennen, der zumindest schwer erkrankt ist. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.) Es ist unserem ausgezeichneten Gesundheitssystem zu verdanken, dass viele Menschen diese gefährliche Phase überstanden haben. (Abg. Vogl: 25 wäre gestern gewesen!)

Ich rede viel mit Menschen, die sich jetzt für unsere Gesundheit und unsere Sicherheit einsetzen. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.) Diese Menschen stehen kurz vor ihrer Belastungsgrenze. Eine Gruppe wird ganz gern vergessen: die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bezirkshauptmannschaften. (Zwischenruf des Abg. Vogl.) Auch sie arbeiten seit Monaten auf Hochtouren. Viele haben sich freiwillig in den Coronadienst gestellt und arbeiten neben der regulären Arbeit an den Absonderungsbescheiden. Auch sie sind an der Grenze ihrer Belastbarkeit angekommen. (Zwischenruf des Abg. Vogl.)

Vor allem jetzt, in dieser entscheidenden Phase, ist es unumgänglich und alternativlos, unsere Kontakte massiv zu reduzieren, damit wir auch die schützen, die sich tagtäglich für unsere Gesundheit einsetzen. Es wird eine Zeit nach dem Virus geben. Wir werden in vielen Dingen wieder in unser gewohntes Leben zurückkehren, einige Dinge aber werden sich dauerhaft und nachhaltig verändern, zum Beispiel in der Arbeitswelt. (Zwischenruf des Abg. Vogl.) Vor allem für digitale und innovative Arbeitsweisen war die Krise eine Initialzündung. Das eröffnet auch neue Chancen für die ländlichen Regionen.

Ich selbst habe das Glück gehabt, dass ich nach meinem Studium einen Job bei der Agrar­bezirksbehörde in meiner Heimatregion bekommen habe, für viele aber ist das nicht der Fall: Ich kenne viele junge Menschen, die gerne bei uns daheim oder überhaupt in einer ländlichen Region arbeiten würden, für die es aber beruflich leider nicht möglich ist. Das gilt für junge Frauen noch stärker als für Männer. Heute aber haben wir die technischen Mög­lichkeiten, mit denen wir immer unabhängiger sein können. Wir müssen sie nur nut­zen. Natürlich kann das digitale Arbeiten den persönlichen Kontakt nie ganz ersetzen, schon zwei oder drei Tage Homeoffice pro Woche schaffen aber eine ganz neue Flexibilität.

Österreich kann dabei eine Vorreiterrolle einnehmen. Wir können damit die ländlichen Räume stärken, unsere Firmen noch attraktiver für junge und motivierte Menschen machen und einen wichtigen Beitrag zu Umwelt- und Klimaschutz leisten. Dafür müssen wir aber auch die richtigen Rahmenbedingungen schaffen. Österreich kann langfristig ein Land werden, in dem die Menschen die Möglichkeit haben, in den Berufen zu arbeiten, die zu ihnen passen, und gleichzeitig ihren Lebensmittelpunkt dort wählen können, wo es für sie am besten ist. Wir hier herinnen können uns entscheiden, ob wir in unseren ländlichen Regionen Vorreiter sein wollen oder nicht. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Matznetter: Bekommt man mit einer SPÖ-Mitgliedschaft auch einen Job bei der Bezirksagrarbehörde? – Ruf bei der SPÖ: ... fehlt die digitale Voraussetzung!)

15.35


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Jeitler-Cincellli. – Bitte.


15.35.37

Abgeordnete Mag. Carmen Jeitler-Cincelli, BA (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Regierungsmitglieder! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte


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heute ein Geständnis meiner Zuneigung zu Kollegen Michael Bernhard ablegen – ah, er ist eh da –: Ich finde es wirklich immer extrem wertschätzend, achtsam und respektvoll, wie du in diesen Diskurs gehst. Das ist nicht üblich in diesem Haus und ich finde es immer sehr, sehr schön. (Zwischenruf des Abg. Bernhard.) Es hat mich allerdings diese Woche – am Dienstag, glaube ich – ein bisschen irritiert, als plötzlich eine andere Tonalität drinnen war. Es ging, glaube ich, um Betonpolitik, unambitionierte Betonpolitik oder irgend so etwas. Ich fand es ganz lustig, als Kollege Rauch vorhin von Zementieren gesprochen hat – als ob da bei Ihnen jetzt eine Werkstoffachse oder eine neue Bau­stoffachse (erheitert) entstünde, ich weiß nicht. Auf jeden Fall fand ich das ganz lustig, das wollte ich Ihnen sagen. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich glaube, man kann Frau Ministerin Gewessler vieles nachsagen. Manche sagen über sie Dinge wie, sie mache eine Kopf-durch-die-Wand-Politik, gefährde die Wirtschaft, sei kompromisslos oder durchsetzungsstark oder habe ein schwerfälliges Monsterressort – das habe ich neulich gelesen –, das mit CO2-Emissionshandel quasi Geld drucken werde. All das kann man ja sagen, heute aber reden wir über das Budget, und eines kann man ganz bestimmt nicht sagen: dass das unambitioniert ist.

Ich muss – auf Kollegen Hafenecker replizierend – als Vertreterin der Wirtschaft, als Wirtschaftsbundabgeordnete ganz neidlos anerkennen: Dieses Budget ist großartig für unser Land, weil darin ganz viele Investitionsvorhaben stecken. Was allein die Inves­titionsprämie mit 14 Prozent in unserem Land auslösen kann, ist hervorragend. Ich glaube, das darf man nicht niedermachen, und dafür sage ich auch offen und herzlich ein Dankeschön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wir hatten noch nie so viel Budget für Klima- und Energiemaßnahmen. Wir haben ein Investitionspaket bis 2024 und einen mit 2 Milliarden Euro hochdotierten Klima- und Energiefonds – das ist nicht unambitioniert. Ich nehme an, dass es der Oppositionsrolle geschuldet ist: Man muss irgendetwas dagegen sagen, eigentlich aber kann man, glaube ich, klima- und energiepolitisch nichts dagegen sagen.

Ich bedanke mich wiederum bei meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, weil ich wieder einmal die Inhalte nicht so wiedergegeben habe und sie immer sehr viel Zeit investieren, um meine Unterlagen aufzubereiten. Manchmal aber, glaube ich, muss man auch auf etwas eingehen, und es ist schön, wenn man hier eine Debatten-, eine Diskurs­ebene hat und im Parlament einen Dialog lebt. Auch wenn wir teilweise unterschiedliche Sichtweisen haben, finde ich es immer gut, wenn man es in dieser Tonalität hält – ich finde das sehr schön. Ich bedanke mich in dem Fall bei Herrn Kollegen Bernhard.

Ich habe mir gedacht, ich mache das jetzt auch so wie Frau Blimlinger, weil ich einen ganz großen Wunsch habe: dass wir ein einheitliches Gelbe-Tonne- und Gelber-Sack-System in Österreich haben. Wir brauchen eine einheitliche Sammlung. Ich werde jetzt immer, wenn Sie da sind, meine Rede so abschließen: Im Übrigen bin ich der Meinung, wir brauchen ein einheitliches Gelbe-Tonne-System für Österreich. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

15.38


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Abgeordnete - - Frau Minister Gewessler ist an der Reihe. – Bitte.


15.39.15

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Abgeord­nete! Ich nehme das als Kompliment: Ich wurde heute schon zweimal als Abgeordnete bezeichnet. Das ist ein Kompliment an die Arbeit dieses Hauses, die ich vier Monate, als


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ich hier als Abgeordnete sitzen durfte, selbst machen durfte. Jetzt bin ich aber sehr froh und glücklich und sehe es als privilegierte Aufgabe, als Ministerin hier zu sitzen.

Ich möchte gerne auf drei Punkte aus der Diskussion eingehen. Der erste geht recht rasch: Bei der Forschung im landwirtschaftlichen Bereich – das war, glaube ich, von Kollegin Ecker von der SPÖ – sind wir ganz d’accord. Mehr Forschung und Alternativen­entwicklung im Bereich klimafreundlicher Landwirtschaft, auch im Einklang mit der Biodiversität, wo schon viel passiert, ist ein ganz wichtiger Punkt, da muss ich Ihnen recht geben. Das ist heute auch schon aufgekommen. Es gibt dabei noch Handlungs­bedarf, den aber Kollegin Köstinger in der UG 42 abdeckt – ich muss Sie sozusagen weiterverweisen.

Die zwei anderen Punkte, auf die ich noch eingehen wollte, sind das EAG, Ener­giepolitik und was dazu im Budget ist, von Kollegen Schroll , und dann noch das 1-2-3-Ticket, das ja in der Debatte mehrfach aufgekommen ist.

Zum EAG: Es stimmt, der allerallergrößte Brocken der Investitionen im Energiebereich findet sich nicht im Budget, sondern wird durch das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz ausgelöst. Das ist seit vielen Jahren – ich bin versucht, zu sagen: seit Jahrzehnten – das größte energiepolitische Reformprojekt, das wir auf den Weg bringen.

Wir haben gestern im Ministerrat die Netzreserve auf den legistischen Weg gebracht. Das ist also auf dem Weg zu Ihnen. Das Gesamtpaket des Erneuerbaren-Ausbau-Ge­setzes ist in der Finalisierung, ist in der guten Abstimmung mit der Europäischen Kom­mission. Das ist gut, das ist wichtig.

Wir beschreiten mit diesem Gesetz in ganz vielen Bereichen wirkliches Neuland, gerade bei den Energiegemeinschaften. Da sind wir die Ersten in Europa, die das so ambitioniert umsetzen, da gibt es einen guten Dialog, und deswegen bin ich auch der Meinung, ein paar Wochen sind jetzt nicht ganz so wichtig wie ein gutes und substanzielles Gesetz, das dann auf Jahrzehnte wirkt.

Es ist aber natürlich sichergestellt – und auch das findet sich im Budget –, dass wir keine Förderlücke haben. Es gibt mit Zusatzmitteln im Bereich der Fotovoltaik und der Solar­thermie zum Beispiel, in Höhe von 61,5 Millionen Euro über den Klima- und Energiefonds und über die Mittel des derzeitigen Ökostromgesetzes, eine gesicherte und gute Ab­deckung für diese Übergangszeit. Da gibt es also keine Sorge bezüglich einer Lücke, sondern maximal große Vorfreude auf ein wirklich großes und schönes Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, an dem wir gerade arbeiten. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Parallel dazu – und das gehört noch zum energiepolitischen Bereich – ist der Bereich des Grüngaspakets in Ausarbeitung. Natürlich wird daran parallel intensiv gearbeitet. Das ist das nächste große Paket.

Wir wissen, dass wir im Gasbereich eine enorme Aufgabe haben, deswegen arbeiten wir an diesem Bereich ja auch in alle Richtungen. Es geht einerseits um die Aufbrin­gungs­seite: Wie kommen wir zu einer größeren Grüngasaufbringung, die im volkswirt­schaftlich besten und gerechtesten System erfolgt? Es geht aber andererseits auch um die Einsatzseite. Deswegen hat das Regierungsprogramm beide Seiten im Blick, und deswegen arbeiten wir jetzt an einem Gaspaket, das auch beide Seiten in den Blick nimmt, nicht nur die Aufbringung, sondern auch den Einsatz, die Verwendung und die nachhaltige Dekarbonisierung von Sektoren wie zum Beispiel der Raumwärme, bei der es erneuerbare Alternativen gibt.

Ich kann Ihnen versichern, mein Team arbeitet mit Hochdruck daran. Auch das wird also ein großes Gesetzespaket, das vor allem eines einlösen muss, nämlich Sicherheit. Es hat gerade im Bereich Biogas in den letzten Jahrzehnten viel Verunsicherung gegeben,


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auch viel Stop-and-go, und deswegen ist es gut, wenn wir das jetzt auf solide Beine stellen.

Dann möchte ich noch ganz kurz zum dritten Punkt kommen, zum 1-2-3-Ticket. Wie Sie ja schon mehrfach erwähnt haben, wurde in diesem Budget der Grundstock für die Einführung der österreichweiten Stufe im Jahr 2021 gelegt, und zwar mit einem Budget von 95 Millionen Euro, das sämtliche Einnahmenunterschiede zu dem, wo die Verbünde jetzt stehen, unter Einführung des Dreiertickets abdecken wird. Da sind wir auch mit allen Verbünden in sehr, sehr gutem Austausch.

Ich möchte auf zwei Ebenen eingehen: Die eine Ebene, die es in dieser Debatte immer gibt, ist: Braucht es zuerst das eine, dann das andere, braucht es zuerst die Infrastruktur und das Angebot, dann das Ticket, oder umgekehrt? – Da gibt es kein Entweder-oder. In Zeiten der Klimakrise, und da wir wissen, der Verkehr ist unser größtes Sorgenkind beim Klimaschutz und Klimaneutralität 2040 ist das Ziel, kann das kein Entweder-oder mehr sein, sondern das muss ein Und sein. Deswegen investieren wir mit diesem Budget sowohl in die Infrastruktur als auch in das Angebot als auch in das Ticket und arbeiten an allen drei Säulen, die öffentliche Mobilität braucht, sehr, sehr intensiv und sehr, sehr umfassend. Das geht aber nicht mehr als Entweder-oder, wir müssen das als Und den­ken.

Da müssen wir hin, auch mit einer Verknüpfung der Verkehrsmittel – ganz viele Ansätze dazu sind heute in der Debatte gekommen –: mit dem Auto zum Bahnhof, mit der Bahn dann weiter, mit Bike-and-ride, Park-and-ride, all diese Schwerpunkte haben wir in die­sem Budget abgedeckt. Wir können da nicht mehr warten, wir müssen an allen drei Schrauben drehen.

Die zweite Ebene, auf die ich eingehen wollte: Auch in diesem Bereich  auch beim Verkehr  zeigt sich, es kann nur gelingen, wenn alle an einem Strang ziehen. Wir haben auch im Bereich der Infrastruktur und des Verkehrsangebots eine geteilte Verantwortung zwischen Bund und Bundesländern, eine gemeinsame Verantwortung, und deswegen ist es so wichtig, wenn Länder wie Niederösterreich ankündigen, eine große Busof­fensive zu machen, weil das eine gemeinsame Verantwortung ist.

Wir übernehmen den Ausbau der Bahn im Bund, wir gehen mit vielen weiteren Projekten in Vorleistung, gerade in den Ballungsräumen, im Nahverkehrs- und Regionalver­kehrs­bereich. Wenn die Länder an einem Strang ziehen und wir dann zum Beispiel auch in Niederösterreich den Busverkehr ausbauen, ist genau das gewährleistet, dass man in Österreich in den Regionen diese Wahlfreiheit hat, die heute schon einmal ange­sprochen wurde, auch auf den öffentlichen Verkehr umzusteigen, und eben nicht mehr mit dem Auto unterwegs sein muss, selbst wenn es in naher Zukunft ein E-Auto ist. Daran arbeiten wir jetzt sehr intensiv.

In Summe ist das alles eine Revolution im öffentlichen Verkehr zumindest fürs Ticket, aber auch für viele andere Bereiche, und so nehme ich auch die Komplimente von Frau Jeitler-Cincelli am Anfang wahr. Gerade das Ticket steht seit 14 Jahren in diversen Regierungsprogrammen diverser Parteien und Konstellationen zum Thema Österreich­ticket.

Wir sind jetzt so weit wie noch nie. Sie sichern mit der Abstimmung zu diesem Budget das Budget für die Umsetzung. Dafür sage ich schon im Voraus danke. Das ist ein wirklich großer Schritt.

Da gibt es viele Fragen. Da gibt es manche, denen es zu schnell geht, ich bin mir aber sicher, gemeinsam, wenn wir alle an einem Strang ziehen, schaffen wir nächstes Jahr einen wirklich großen Schritt im öffentlichen Verkehr, auf den ganz, ganz viele Menschen


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in Österreich schon lange warten. – Herzlichen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

15.47


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Kirchbaumer. – Bitte.


15.47.10

Abgeordnete Rebecca Kirchbaumer (ÖVP): Herr Präsident! Werte Frau Bundesminis­terin! Werter Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Als Tirolerin – no na net! – ist mir natürlich der Brennerbasistunnel eine Herzensangelegenheit, und das nicht nur, weil ich aus dem Bereich Verkehr komme, sondern weil er auch wichtig für unsere Wirtschaft in Tirol ist.

Unsere Wirtschaftstreibenden klagen darüber, dass sie auf der Autobahn nicht mehr vor und zurück kommen. Wenn ich höre, dass durch diesen Streit zwischen dem Bauherrn, also der Gesellschaft des Brennerbasistunnels, und dem Bauträger eine Verzögerung bis 2037 ansteht, dann wird mir persönlich ein bisschen schlecht, und mir ist auch nicht mehr ganz wohl, weil ich dann schon in Pension gehe. Ich hoffe, dass wir das vorher schaffen. Da muss ich schon sagen, ich würde Sie wirklich darum bitten, dass Sie sich dafür einsetzen, und auch, wie mein Kollege Gahr schon gesagt hat, für die Zulauf­strecken in Deutschland.

Wichtig ist für unsere Wirtschaft in Tirol, dass wir diesen transitierenden Verkehr – wir reden da nicht vom Güterverkehr in der Tiroler Wirtschaft, sondern wir reden vom transi­tierenden Verkehr – auf die Schiene verlagern. Da gibt es keinen Weg drumherum. Ver­bote für die heimische Wirtschaft aber sind für mich nicht in Ordnung. Dazu möchte ich sagen: Lebensmittel, die jeder von uns tagtäglich braucht, werden auf der Straße transportiert.

Ja zu Klimaschutz, ja zu Umweltschutz, ja zur E-Mobilität und ja zur Forschung im Bereich der Wasserkraft – dahinter stehen wir absolut. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.) Wo ich aber schon einhaken möchte: Ja zu Wasserkraft und ja zu E-Mobilität – da braucht es Ausbau, Ausbau kann man aber nur machen, indem man Brücken schlägt. Die Wasserkraft ist in Tirol die einzige Lösung, erneuerbare Energie zu haben. Wenn wir umweltpolitisch zehn und 15 Jahre für UVPs brauchen, hat das keinen Sinn, absolut keinen Sinn. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.) Das gilt auch für die Windkraft. Niederösterreich, Burgenland – auch dort braucht es Investitionen, und auch die UVPs brauchen da Brücken.

Abschließend möchte ich der Asfinag für ihre solide Arbeit danken. Die Dividenden sind mit 2021 von 165 auf 245 Millionen Euro erhöht, und dazu möchte ich abschließend auch etwas sagen: Das macht auch der Verkehr aus, nämlich der Pkw- und der Lkw-Verkehr, und der Verkehr ist nicht böse.

Ja zu Klimaschutz, ja zu Umweltschutz, im Einklang mit der Wirtschaft! – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

15.50


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Kühberger. – Bitte.


15.50.11

Abgeordneter Andreas Kühberger (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kolle­gen! Liebe Österreicherinnen und Österreicher! Es ist eine außergewöhnliche Zeit, in der


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wir gerade leben. Wir in Österreich befinden uns im Lockdown. Unsere Bundesregierung hat diesen Lockdown gemacht, weil er notwendig für das Gesundheitssystem war, weil wir dadurch sehr viele Menschenleben retten.

Deshalb, meine Damen und Herren und liebe Kolleginnen und Kollegen, bitte ich Sie, dass wir genauso wie beim Kampf gegen das Coronavirus auch beim Kampf gegen den Klimawandel zusammenhalten. Darum ist es auch wichtig, vor allem, um die Wirtschaft nach der Coronakrise wieder anzukurbeln, dass viele Förderungen und Maßnahmen mit Klima- und Umweltschutzmaßnahmen verknüpft werden. Dementsprechend ist das im Budget niedergeschrieben und abgebildet.

In diesem Kampf haben wir sehr viele Punkte erkannt, die wichtig sind. Zum Beispiel ist ein Punkt: Eine sichere Energieversorgung darf nicht auf Kosten der Umwelt und des Klimas gehen. Ein weiterer Punkt aber ist, dass eine sichere Energieversorgung nicht auf Kosten der Ernährungssicherheit gehen darf, und darum muss der Fokus bei der Energiegewinnung vor allem auf bereits versiegelten Flächen liegen. Mit der geplanten Umstellung auf erneuerbare Energieträger kann – davon bin ich fest überzeugt – Österreich eine Vorreiterrolle in Europa einnehmen.

Vor allem: Wir haben in Österreich die Voraussetzungen, Energie auch selber zu erzeu­gen, durch unseren Holz- und Wasserreichtum und auch durch die guten Voraus­set­zungen für Wind- und Sonnenenergie. Wir müssen vor allem aber auch schauen, dass diese Wertschöpfung in den ländlichen Räumen bleibt, bei den Bauern, bei den Klein- und Mittelbetrieben, bei den Menschen, die dort leben und arbeiten. Wir in der Land­wirtschaft und wir, die Gemeinden – das sage ich als Bürgermeister –, werden dazu natürlich unseren Beitrag leisten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Mit dem vorliegenden Budget können wir sehr viele innovative Projekte umsetzen. Ich bin davon überzeugt – vorhin gab es ja auch schon die Kritik –, es werden viele Arbeits­plätze neu entstehen und es werden dadurch vor allem unsere ländlichen Regionen profitieren. Wir werden auch weniger Energiequellen aus dem Ausland zu uns nach Österreich hereinholen. Vor allem leisten wir damit einen wichtigen Beitrag zum Klima- und Umweltschutz.

Meine Damen und Herren, ich habe meine Rede mit den Worten begonnen: „Es ist eine außergewöhnliche Zeit“. – Außergewöhnliche Zeiten bringen oft auch außergewöhnliche Leistungen hervor. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

15.53


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet hat sich noch einmal Frau Bundesminister Gewessler. – Bitte.


15.53.59

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Werter Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Danke an Kollegin Kirchbaumer, denn sie hat mich daran erinnert, dass ich den BBT auch noch ansprechen wollte, weil das Thema Brennerbasistunnel natürlich in mehreren Redebeiträgen vorgekommen ist.

Ich glaube, wir alle in diesem Saal sind uns heute einig, dass der Brennerbasistunnel nicht nur das größte Bauprojekt ist, das Europa gerade im Bereich der Infrastruktur macht, sondern auch eines der zentralen Bauprojekte, wenn man über eine Verlage­rungs­politik spricht, wenn man insbesondere über klimafreundliche Güterverkehrs­logistik spricht. Da gibt es viele Schritte, die begleitend sein müssen, aber es braucht auch die Infrastruktur, und dafür braucht es den BBT.


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Die Entscheidung zur Auflösung des Vertrags war eine Entscheidung der operativen Gesellschaft, die mit all der gebotenen Verantwortung und Sorgfalt getroffen wurde. Es wird gerade an der Überarbeitung der Bauzeitpläne gearbeitet und ich bin mir sicher, dass Frau Abgeordnete Kirchbaumer das noch weit vor ihrer Pension erleben wird (Heiterkeit der Abg. Kirchbaumer) – wir arbeiten intensiv daran, dass wir die Bauzeit­pläne adaptieren. (Zwischenruf der Abg. Kirchbaumer.)

In diesem Sinn auch ein Danke an die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Bereich des BBT, die wirklich hervorragend arbeiten und dieser schwierigen Situation auch etwas entgegenstellen. Ein Danke geht natürlich auch – auch das stehe ich nicht an, zu sagen – an die Asfinag, die nicht nur bei der Instandhaltung, beim Sicherheitsausbau hervorragende Arbeit leistet, sondern sich auch darauf vorbereitet, was es heißt, Be­treiber einer Straßeninfrastruktur im Zeitalter von klimafreundlicher Mobilität zu sein, das heißt, an welchen neuralgischen Punkten man zum Beispiel Parkplätze braucht, damit Menschen dorthin fahren können, um sich dann ein Auto zu teilen und so weiterzufahren (Zwischenruf des Abg. Hörl), wie man mit der Energieversorgung umgeht, was man für erneuerbare Energien braucht und vieles, vieles mehr.

An dieser Stelle ein Danke an viele in diesem Bereich und stellvertretend auch an jene in den anderen Infrastrukturunternehmen, die hervorragende Arbeit leisten, damit wir bei diesem großen Projekt Mobilitätswende auch weiterkommen. (Beifall bei Abgeordneten von Grünen und ÖVP.)

15.56


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schnabel. – Bitte. (Zwischenruf des Abg. Hörl.)


15.56.24

Abgeordneter Joachim Schnabel (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesminister! Geschätzter Herr Bundesminister! Werter Staatssekretär! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren vor den Bildschir­men! Ich bin nun der letzte Redner dieses Fachbereiches und ich kann schon zusam­menfassen, dass über alle Fraktionen hinweg anerkannt wurde, dass es wesentlich mehr Geld, mehr Mittel für den Klima- und Umweltschutz gibt.

Ich kann auch zusammenfassen, dass es manchen nicht schnell genug geht. Die Frei­heitliche Partei sagt, der Klimaschutz soll in einem Jahr umgesetzt werden. Die SPÖ – Frau Kollegin Herr – sagt, sie findet die Klimaschutzmilliarde nicht im Budget. Hier eine Zusammenfassung, die uns das Finanzministerium zur Verfügung gestellt hat (aus einer Unterlage vorlesend): Es gibt im Budget 2021 in Summe 1 856,6 Millionen Euro für umwelt- und klimarelevante Ausgaben, die zur Verfügung stehen. (Zwischenruf der Abg. Herr.)

Weil Kollege Hafenecker sagt, wir vonseiten der ÖVP danken den grünen Ministerinnen und Ministern nicht, sage ich eingangs ein herzliches Danke (in Richtung Bundes­ministerin Gewessler) auch von meiner Seite. Mit Ihrem Engagement und Ihrem Einsatz, vor allem was den Bereich Schienenausbau betrifft, ist da ganz, ganz viel Elan dahinter. Danke auch namens meiner Region für die Weiterführung des Koralmbahnausbaus, aber auch – neu – für die Elektrifizierung der Graz-Köflacher Bahn und dafür, dass nun im ÖBB-Rahmenplan der zweigleisige Ausbau der Südbahn bis zur Staatsgrenze nach Slowenien mittels Planung und Projektierung vorangetrieben wird.

Kollege Rauch hat gesagt, die ÖVP verhindere jegliche Klimaschutzmaßnahme und vor allem auch das 1-2-3-Ticket. Da würde ich doch bitten, nach Oberösterreich zu schauen, zu Herrn Verkehrslandesrat Steinkellner aus Ihrer Partei, der sich da auch sehr kritisch


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dagegen äußert. Machen Sie dort Ihre Hausaufgaben und überzeugen Sie Ihren Ver­kehrs­landesrat (Zwischenruf des Abg. Deimek), dass er mit dabei und vielleicht als First Mover mit an Bord ist! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ganz kurz noch: Wir reden hier in der Debatte über Riesensummen. Was heißt das im Kleinen für unsere Menschen in Österreich, für die Besitzer von Häusern, von Einfami­lienhäusern und Zweifamilienhäusern? – Wir müssen ganz, ganz viel Geld für die Sanierung ausgeben. 650 Millionen Euro sind dafür veranschlagt, 100 Millionen Euro, wie es Kollege Hammer gesagt hat, für die sozial Schwachen. Mit der Dämmung von Außenwänden, Dächern, Decken, dem Tausch von Fenstern auf energiesparende Elemente tragen wir pro Haushalt 9 000 Euro bei, geschätzte Damen und Herren.

Den Raus-aus-dem-Öl-Bonus – von Bundesministerin Köstinger ins Leben gerufen – haben mittlerweile 14 000 Haushalte in Anspruch genommen. Es sind da sehr, sehr viele Mittel – 142 Millionen Euro im nächsten Jahr und im Budgetpfad dann weitere 200 Mil­lionen Euro pro Jahr – veranschlagt, damit man raus aus diesen Ölheizungen kommt. Es gibt auch zusätzliche Mittel für den Fotovoltaikausbau, das ist ganz wichtig. Ich möchte in diesem Bereich anregen, dass es dort, wo es auf Einfamilienhäusern schon Fotovoltaikanlagen gibt, auch für eine Zweitanlage eine Förderung gibt, weil das meistens die Menschen sind, die eine Affinität haben und das auch weitermachen würden.

Durch die Förderung von Elektromobilität und Stromspeichern kann somit jeder Haushalt von Bundesförderungen in der Höhe von 20 000 Euro, die von Ländern und Gemeinden noch aufgestockt werden, profitieren.

Wer da investiert, hilft doppelt und investiert doppelt, in den Klimaschutz, aber auch in die regionale Wirtschaft, denn da sind regionale Betriebe tätig, die mit ihren Arbeits­plätzen und ihren Mitarbeitern vor Ort die Leistung erbringen und somit die Regionen stärken. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

16.00


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Es liegt dazu keine weitere Wortmeldung mehr vor. Daher sind die Beratungen zu diesem Themenbereich abgeschlossen.

16.00.24UG 15: Finanzverwaltung

UG 16: Öffentliche Abgaben

UG 23: Pensionen – Beamtinnen und Beamte

UG 44: Finanzausgleich

UG 45: Bundesvermögen

UG 46: Finanzmarktstabilität

UG 51: Kassenverwaltung

UG 58: Finanzierungen, Währungstauschverträge

sowie

Text des Bundesfinanzgesetzes und restliche Teile der Anlage I einschließlich Anlagen II bis IV


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zu den Untergliederungen Finanzver­waltung, Öffentliche Abgaben bis hin zu Finanzierungen, Währungstauschverträge sowie dem Text des Bundesfinanzgesetzes und restlichen Teilen der Anlage I ein­schließlich Anlagen II bis IV.


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Hierüber finden die Debatten unter einem statt.

Ich darf mich bei Frau Ministerin Gewessler recht herzlich für ihr Kommen bedanken und begrüße den Finanzminister.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Krainer. – Bitte.


16.00.55

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir kommen hier jetzt in die Schlussphase der Beratungen über das Budget; es gibt ein paar Fragen, die unbeantwortet sind. Die erste Frage ist: Was kostet diese Krise überhaupt? Die Zahlen, die hier bei der Budgetrede vorgelegt wurden, waren ja schon alt, bevor sie verlesen wurden.

In der Zwischenzeit sind ja viele Dinge passiert, von September, wo das Budget von der Regierung verhandelt wurde, bis zur Beschlussfassung heute im November. Da kam es zuerst zu den Reisebeschränkungen, dann kam es zum Lockdown light und jetzt zum vollen Lockdown, den wir ja seit Dienstag haben. Von diesen drei Maßnahmen in der Zwischenzeit sind eigentlich nur die Reisebeschränkungen eingerechnet und budgetiert. Die Folgen des Lockdowns, vor allem des jetzigen Lockdowns, sind zwar vorab von den Wirtschaftsforschern bereits geschätzt worden, aber sie sind im Budget nicht enthalten. Das heißt, wir beschließen hier ein Budget, wovon vor allem die Grünen und die ÖVP wissen, wovon man heute weiß, dass es nicht der Wahrheit entspricht. Wir wissen nämlich bereits heute, dass die Zahlen, die hier beschlossen werden, niemals halten können. Da geht es nicht um kleine Abweichungen, sondern da geht es um viele, viele, viele Milliarden.

Ein Beispiel: Es steht drin, dass die Schuldenquote circa 85 Prozent erreichen wird. Die Wirtschaftsforscher sagen, aufgrund des Lockdowns wird sie wahrscheinlich um bis zu 10 Prozent höher sein. Wir reden also nicht von kleinen Abweichungen, sondern von ganz, ganz großen Abweichungen, die heute bereits bekannt sind. Die müssten eigent­lich im Budget drinstehen, das tun sie aber nicht.

Die Frage, was die Krise kostet, ist nicht beantwortet, es sind jedenfalls absolut falsche Zahlen im Budget. Das ist einmal prinzipiell ein Problem. Das mache ich jetzt den Abgeordneten von der ÖVP und von den Grünen nicht zum Vorwurf, das trifft natürlich den Finanzminister, Sie beschließen das Budget aber und damit übernehmen Sie auch einen Teil dieser Verantwortung. Ich würde das an Ihrer Stelle nicht machen.

Wir haben ja bereits angeboten und haben auch einen entsprechenden Antrag einge­bracht, dass der Finanzminister Zeit bekommt, damit wir nicht wieder so ein Kuddel­muddel mit fehlenden Nullen und dergleichen wie das letzte Mal haben, sondern dass er zwei, drei, vier Wochen Zeit hat, um die echten Zahlen einzusetzen und dass wir im Dezember rechtzeitig ein Budget beschließen, das auch der Wahrheit entspricht.

Das Zweite, was ich hier noch sagen wollte – weil ich heute öfters gefragt worden bin: Was würdet ihr denn anders machen?, und weil das auch viele Rednerinnen und Redner vor allem der ÖVP gefragt haben: Na was würdet ihr denn anders machen? –, ist: Wir würden nicht alles anders machen, aber vieles besser, und ich gebe Ihnen dafür vier Beispiele, was wir anders machen würden, wobei ich mich wundere, dass Sie das nicht auch machen.

Erstes Beispiel: die Frage des Arbeitsmarkts. Wir wissen, es gibt die höchste Arbeits­losigkeit in der Zweiten Republik, und wir schauen uns einfach an, wie viel Geld zur Verfügung steht, diese Arbeitslosen zu schulen, zu aktivieren und wieder in Beschäfti­gung zu bringen. Wir sehen aber, es ist weniger Geld pro Arbeitslosem als in der Hoch­konjunktur 2016/2017. Das ist etwas, das wir anders machen würden. (Beifall bei der


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SPÖ.) Bei der höchsten Arbeitslosigkeit würden wir mehr Geld zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ausgeben und nicht weniger. (Abg. Hanger: ... Kurzarbeit!)

Das Zweite ist: Wir wissen alle, dass wir die Inlandsnachfrage stärken müssen, und da vor allem die kleinen und die kleinsten Einkommen. Ein Beispiel dafür sind natürlich Arbeitslose. Die verlieren von heute auf morgen fast die Hälfte ihres Einkommens. Unseren Vorschlag, dass sie nicht 55, sondern 70 Prozent Nettoersatzrate bekommen, haben Sie einfach abgelehnt. Sie haben eine Einmalzahlung gewährt, aber keine dauerhafte Lösung gefunden. Wenn Sie die Inlandsnachfrage stärken wollen, erhöhen Sie die Arbeitslosengelder, dann geht das direkt in die Inlandsnachfrage. Das machen Sie nicht! Das würden wir besser machen. Ich verstehe nicht, wieso Sie es nicht tun.

Das Dritte sind die Investitionen. Da hebe ich wirklich noch einmal die Gemeinden hervor. Sie sind der größte öffentliche Investor, der vor allem in die lokale Wirtschaft, in die Klein- und Mittelbetriebe investiert. Die Gemeinden verlieren durch die Krise 2,5 Mil­liarden Euro, das heißt, sie haben 2,5 Milliarden Euro weniger zum Investieren. Es gibt das Kommunalinvestitionsgesetz, das sieht aber nur 1 Milliarde Euro vor, das heißt, die Gemeinden verlieren noch immer 1,5 Milliarden Euro. Das würden wir anders machen. Wir würden den Gemeinden das Geld ersetzen, das sie durch die Krise verlieren. Wir machen das bei vielen Betrieben. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir machen das bei vielen Betrieben, aber: Wieso machen wir das nicht bei den Gemeinden? Wieso ersetzen wir den Gemeinden nicht die Einnahmenverluste, die sie durch die Krise haben, damit sie investieren können? Das ist mir unverständlich. Das würden wir auch anders machen.

Das vierte Beispiel ist die Finanzierung der Spitäler. Ein Teil der Finanzierung der Spitäler läuft über das Bundesbudget. Da wird um fast 200 Millionen Euro gekürzt. Es konnte mir noch niemand erklären, wie man auf die Idee kommt, uns Abgeordneten ein Budget vorzulegen, durch das in der größten Pandemie seit über 100 Jahren die Spitäler 200 Millionen Euro weniger kriegen. Das verstehe ich nicht. (Beifall bei der SPÖ.) Ich habe noch keinen Abänderungsantrag gesehen, der das abändert.

Also das sind vier Dinge, die wir machen würden, anders machen würden. Es gibt viel mehr, aber diese vier lege ich jetzt hierher. Es würde mich freuen, wenn Sie zumindest zwei oder drei von ihnen aufnehmen. Wieso Sie nicht schon alle vier umgesetzt haben, verstehe nicht nur ich nicht, sondern verstehen wahrscheinlich auch die meisten Öster­reicherinnen und Österreicher nicht.

Die letzte Frage ist: Wer bezahlt denn eigentlich diese Krise? – Ich habe den Eindruck, dass Teile der Regierung jetzt so agieren, als ob das Geld abgeschafft worden wäre. Ich habe eine schlechte Nachricht: Es ist nicht abgeschafft. Die Schulden, die wir aufneh­men, halte ich für richtig, um gegenzusteuern, aber: Wer bezahlt am Ende diese Krise?

Alles, was ich bisher vom Finanzminister gehört habe, war, die breite Masse zahlt es, nicht die Konzerne, nicht die Vermögenden, nicht die Milliardäre. Es gibt keinerlei – keinerlei! – Anzeichen in diesem Budget, dass internationale Konzerne, dass Milliardäre und Superreiche einen Beitrag leisten. Wir wissen, dass der Beitrag dieser Gruppen zum Gemeinschaftshaushalt in Österreich ohnehin beschämend gering ist. Das ist etwas, das geändert werden muss, denn die Rechnung wird kommen, und sie wird lang sein. Es kann nicht sein, dass das wieder die breite Masse alleine zahlt, sondern da müssen auch die Vermögenden und internationalen Konzerne ihren Beitrag leisten. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

16.08


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Kopf. – Bitte.



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16.08.35

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Meine Damen und Herren vor den Fernseh­schirmen! Kollege Krainer hat, wie ich meine, einen ebenso interessanten wie untaug­lichen Vorschlag gemacht, nämlich den Budgetbeschluss in den Dezember zu verschieben, weil man dann mehr darüber wüsste, was die Krise kostet.

Man wüsste dann tatsächlich etwas mehr, weil ein paar der Auswirkungen vielleicht konkreter sichtbar wären. Ich würde mit Ihnen eine Wette eingehen: Würden wir das tun, würde Kollege Krainer im Dezember mit Sicherheit wieder dasselbe sagen (Heiterkeit bei der ÖVP): Wir wissen immer noch nicht, was die Krise kostet! Verschieben wir den Beschluss doch noch einmal! (Beifall bei ÖVP und Grünen.) Wahrscheinlich hätten wir Ende des nächsten Jahres immer noch kein Budget 2021.

Man muss die Metapher von Andreas Khol, dass die Wahrheit eine Tochter der Zeit sei, nicht mögen. Da würde das wahrscheinlich aber wirklich zutreffen, denn die Wahrheit, Kollege Krainer, gibt es in dem Zusammenhang einfach nicht, weil sie sich permanent, mit jeder neuen Erkenntnis, wieder ändert.

Meine Damen und Herren, sowohl der Budgetvollzug des Jahres 2020, in dem wir uns jetzt befinden, als natürlich auch das Budget des Jahres 2021 sind natürlich massiv von Krisenbewältigung geprägt, und da geht es ja um nichts Geringeres, als unsere Lebens­grundlagen für die Zukunft zu sichern und zu retten. Es sind Rettungs- und Hilfsmaß­nahmen für die Wirtschaft, von der wir alle miteinander leben, aus der wir alle miteinan­der auch unser Sozialsystem finanzieren, aus deren Erträgnissen wir auch alle miteinan­der letzten Endes das Gesundheitssystem finanzieren und vieles andere mehr, auch Kultur, Sport und viele andere Dinge. Ohne eine vernünftige wirtschaftliche Grundlage sind all diese Dinge nicht oder zumindest nicht in jenem Maße möglich, das wir heut­zutage gewohnt sind. (Beifall bei der ÖVP.)

Das heißt: Kurzarbeit, Steuerstundungen, Zuschüsse für die verschiedensten Bereiche der Wirtschaft, der Kultur, des Sports und so weiter sind alle berechtigterweise getätigt worden oder werden getätigt und sind letzten Endes notwendig, um unsere Lebens­grundlage zu erhalten, die Jobs für die Menschen zu erhalten, den Betrieben ein weiterhin vernünftiges Wirtschaften zu ermöglichen. Aber ja: In Wahrheit könnte natürlich alles, was wir tun, immer noch mehr sein – und wir geben für diese Stabilisierungsmaß­nahmen im Verhältnis zu unserer Einwohnerzahl mehr Geld aus als nahezu jedes andere Land auf dieser Welt –, es gibt immer noch Gruppierungen, Unternehmens­bereiche, Wirtschaftsbereiche, die kaum wissen, wie sie über die Runden kommen.

Wir, angefangen vom Finanzminister und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, bei denen ich mich an dieser Stelle wirklich sehr, sehr herzlich für den Tag- und Nacht­einsatz, den sie leisten, bedanken möchte (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Jakob Schwarz), wir tun, glauben Sie mir, alles Menschenmögliche, um für diese vielen ge­nannten Bereiche Hilfsmaßnahmen bereitzustellen und letzten Endes ihr Überleben zu sichern. Das ist auch gut so!

Es gibt jedoch auch eine Zeit nach der Krise oder aus der Krise heraus – nicht nur hoffentlich; ich bin überzeugt davon, dass es sie geben wird. Viele der Notwendigkeiten in der jetzigen Krise dienen natürlich der Absicherung und der Rettung, es braucht aber natürlich auch Investitionen in die Zukunft. Diese finden sich schon im 2021er-Budget und sie werden sich dann noch viel stärker im 2022er-Budget finden müssen, wenn es um Investitionen der Unternehmen, um Investitionen der Gemeinden, wenn es um Investitionen in Innovation, in Forschung, in Entwicklung geht. Auch das sind nämlich letzten Endes Grundlagen dafür, dass ein Wirtschaften – ein ertragreiches Wirtschaften und damit ein unser Leben finanzierendes Wirtschaften – in den Folgejahren wieder in


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einer Größenordnung möglich sein wird, wie wir es noch im Jahr 2019 und in den Jahren davor gewohnt waren.

Das Budget 2021 ist darum einerseits eine Mischung aus immer noch Krisenbe­wälti­gung, auf der anderen Seite aber durchaus schon in die Zukunft gerichteten Investitionen in Bildung, in Forschung, in den Klimaschutz, in Fragen der Sicherheit – in all diese Dinge. Die Investitionen in diese Bereiche sind letzten Endes dazu angetan, uns wieder eine Zukunft zu ermöglichen, ganz nach dem Motto: Es geht jetzt einmal darum, die Krise gemeinsam zu bewältigen, in größtmöglicher Solidarität gemeinsam zu bewältigen, nicht neidvoll auf den anderen zu schauen: Was kriegt der, was kriege ich? – Man bemüht sich, allen zu helfen. Es geht aber natürlich schon auch massiv darum – und dazu finden sich in diesem Budget bereits die ersten Maßnahmen –, gestärkt gemein­sam aus der Krise herauszukommen. Helfen wir bitte alle mit! (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Jakob Schwarz.)

Man kann bei vielen Dingen natürlich unterschiedlicher Meinung sein, aus ideologischen Gründen, vielleicht auch aus sachlich bedingter anderer Sichtweise, aus fachlichen Gründen, wie auch immer. Es gibt in Zeiten der Krise viele Näherungsmöglichkeiten, wie man so eine Krise bewältigen kann, letzten Endes aber, glaube ich, dürfen wir uns nicht gegenseitig den Willen absprechen, das Bestmögliche zu tun, damit dieses Land und die Menschen in diesem Land gut aus der Krise herauskommen. Bitte unterstützen Sie diesen Weg alle miteinander! Es geht nicht um einen Einzelnen von uns, es geht letzten Endes vor allem um die Österreicherinnen und Österreicher, und für die tun wir das alles. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

16.15


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Hauser. – Bitte.


16.15.42

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzter Herr Finanz­minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen sowie Zuseher vor den Fernsehschir­men! Kollege Kopf, die ÖVP spricht immer von Zusammenarbeit, ihr aber seid diejeni­gen, die unsere positiven Initiativen für die Volkswirtschaft ablehnen.

Wir wissen, dass 50 Prozent unseres Bruttonationalprodukts in Höhe von 400 Milliarden Euro über den Konsum entsteht, und wir haben x-mal unseren Antrag eingebracht, den Konsum mit dem Österreichgutschein in Höhe von 1 000 Euro zu stärken, der nicht bei Amazon und Co ausgegeben werden darf, sondern bei Unternehmen der heimischen Wirtschaft verkonsumiert werden muss. Das ist nämlich genau der Unterschied: Ihr verteilt sogenanntes Helikoptergeld, das dann in anderen Staaten eingesetzt wird, und wir stärken die Massenkaufkraft in Österreich. (Beifall bei der FPÖ.)

Was aber macht ihr als Regierung mithilfe der Grünen? – Ihr lehnt diese Initiativen laufend ab, wissend, dass natürlich gerade über die Massenkaufkraft die Wirtschaft angeschoben wird, Einkommen gesichert werden, Arbeitsplätze erhalten werden. Wieso macht ihr das? Wieso sagt ihr immer „gemeinsam“ und lehnt reflexartig nicht nur diese Initiative – auf weitere Initiativen komme ich noch zu sprechen – ab?

Wisst ihr, was mich unglaublich frustriert?  Dass man über die Europäische Union unge­schaut 750 Milliarden Euro für den sogenannten Wiederaufbaufonds aufnimmt, obwohl man das gemäß europäischer Gesetzgebung gar nicht dürfte. § 123 und § 125 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union verbieten nämlich eine Verge­mein­schaftung von Schulden. Trotzdem nimmt die Europäische Union 750 Milliarden Euro auf. Davon werden 390 Milliarden Euro als Geldgeschenke an die Südländer


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verschenkt! Wieso wird nicht ein Teil dessen für unsere österreichischen Staatsbürger, für unseren Konsum hergenommen? – Ich verstehe das überhaupt nicht.

Ihr sprecht immer von Nächstenliebe. Der Nächste ist für mich der österreichische Staatsbürger, dem dieses Geld zugutezukommen hat (Beifall bei der FPÖ), und das sind nicht die Südländer, die bitte seit Jahrzehnten von der Europäischen Union unterstützt und subventioniert werden. Das muss man hier in aller Deutlichkeit ansprechen!

Es gäbe dazu noch viel mehr zu sagen. Es ist natürlich auch wichtig und notwendig, dass die Arbeitslosenunterstützung erhöht wird, denn auch das erhöht die Massenein­kommen. Man darf nicht immer die breite Masse der Bevölkerung vergessen und andere Institutionen, Betriebe bevorzugen – darauf komme ich noch zu sprechen.

Es ist natürlich die größte Krise, sie wird aber durch Betriebsschließungen, Schulschließun­gen et cetera noch verstärkt. Ich hoffe, dass die Betriebe möglichst rasch wieder aufsperren können und dass es nicht so lange dauert, wie Minister Anschober als Möglichkeit angekündigt hat: bis ein Impfstoff zur Verfügung steht. Das werden wir nicht überstehen.

Vor einigen Tagen hat die Prodinger Tourismusberatung für den Tourismus drei Sze­na­rien erstellt, auch für Tirol. Da gibt es ein Worst-Case-Szenario, laut dem die Nächti­gungen in der Wintersaison in Tirol um 46 Prozent einbrechen, von 27,5 Millionen auf 15 Millionen Übernachtungen, was einen unmittelbaren Wertschöpfungsverlust von 1,2 Milliarden Euro nur in Tirol bedeuten würde. Damit wären allein im Tourismus 12 000 Jobs gefährdet. Dann gibt es noch Bad- und Best-Case-Szenarien.

Herr Finanzminister, ich frage Sie: Hat die Regierung auch solche Szenarien  Worst Case, Best Case, Bad Case? Oder laufen wir wieder in die Krise hinein, ohne auf diese Krise vorbereitet zu sein? – Dem Hohen Haus wurde noch kein Szenario präsentiert. Wir wissen nicht, wie es weitergeht, und wenn die Betriebe nicht arbeiten können, kann das dramatisch werden.

Wir haben im Parlament viele Initiativen eingebracht, denn notwendig und wichtig ist die Hilfe zur Selbsthilfe. Wir müssen Liquiditäts-, Eigenkapital-stärkende Maßnahmen für die österreichischen Betriebe setzen. Die Behandlung unserer Initiativen wurde im Touris­musausschuss ausgesetzt, sie werden hier abgelehnt. Da verstehe ich Sie nicht. Herr Kollege Kopf, Sie reden von Zusammenarbeit – wo bleibt da die Zusammenarbeit?

Wir haben über x Initiativen eingefordert, die Eigenkapitalbasis der Betriebe zu verbrei­tern. Wir wollen haben, dass die stillen Reserven, die in den Betrieben schlummern, aufgewertet werden können. Das würde den Unternehmen mehr Kraft bringen. Wir wollen haben, dass Eigenkapital, zusätzliches Kapital, das die Unternehmer in ihre Unternehmen einbringen, gleich behandelt wird wie Fremdkapital. Fremdkapitalzinsen können als Aufwand abgeschrieben werden, Eigenkapitalzinsen nicht. Das ist eine Benachteiligung, das muss man ändern! Man muss wirklich die Kraft bündeln, damit unsere Betriebe mehr Liquidität haben, um aus dieser Krise herauszukommen.

Investitionsprämie: gute Sache, muss man sagen, aber, Herr Minister, die ersten 2 Milliarden Euro sind aufgebraucht. Es liegen viele Anträge bei der AWS, die derzeit nicht bearbeitet werden können, weil die angekündigte Erhöhung der Investitionsprämie noch nicht beschlossen worden ist. Sie sagen den Unternehmern: Investiert!, aber das bleibt dann auf halber Strecke stehen. Da ist Nachholbedarf.

Ich frage Sie, Herr Finanzminister: Haben Sie sich schon den Kopf darüber zerbrochen, was passiert, wenn die Aufhebung der Insolvenzantragspflicht per 31. Jänner 2021 ausläuft? Viele Betriebe haben deswegen noch die Chance, weiter zu wirtschaften, weil diese Insolvenzantragspflicht aufgehoben wurde und sie deswegen nicht Konkurs anmelden


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müssen. So, das läuft am 31. Jänner aus. Was sagen Sie diesen Betrieben? – Kommt dann die Krise brutal und frontal oder versucht man, das zu verhindern?

Zum Beispiel hat mir die Initiative der Österreichischen Hoteliervereinigung gut gefallen, die gesagt hat: Gründen wir eine Bad Company, in die wir Überbrückungsdarlehen, geschuldete Zinsen, Abgaben auslagern und die dann mit jedem Betrieb eine persön­liche Vereinbarung trifft, damit diese Schulden gemäß Liquidität der Betriebe zurück­gezahlt werden können. – Gibt es da irgendetwas dergleichen? Oder laufen wir da wieder in eine Katastrophe hinein, ohne dass wir es wissen?

Wir haben Initiativen eingebracht, um Betriebsaufgaben steuerlich zu erleichtern. Gerade in diesen Zeiten wollen viele Unternehmer ihre Betriebe nicht länger fortführen und sagen: Ich bin alt, ich möchte jetzt aussteigen!, aber dieses Aussteigen wird erschwert, weil die Betriebsaufgaben steuerlich zu teuer sind. Initiative eingebracht – ausgesetzt – abgelehnt!

Sie kennen unsere Position zum Epidemiegesetz: Unternehmer sind gemäß Epidemie­gesetz zu entschädigen. – Passiert nicht, bis jetzt nur ansatzweise passiert!

Ich darf auch auf die spezielle Situation der Reisebüros zu sprechen kommen. Das ist eine Branche, die man überhaupt vergessen hat. Es gibt da wirklich einen Hilfeschrei aus der Branche an den Bundeskanzler. In aller Kürze: Die Reisebürobranche hat keine Chance, einen Umsatzersatz zu bekommen, weil sie formal nicht geschlossen ist, obwohl Ausgangssperren bestehen und der Konsument nicht in den Reisebüros buchen kann. Und was passiert jetzt? – Diese Betriebe, die von der Krise gebeutelt sind, be­kommen nicht einmal einen Umsatzersatz. Das ist ein Desaster!

Die Vertreter der Reisebürobranche haben am 16. November an den Herrn Bundes­kanzler geschrieben: „Wir sind fassungslos, entsetzt und mehr als verzweifelt!“ – Das muss geändert werden! Dieser Branche muss geholfen werden!

Oder anderes Beispiel: Es gibt in Österreich ungefähr 230 Reisebüros, denen im Som­mer per Einschreiben die Pauschalversicherung gekündigt wurde. Mit 1. Jänner 2021 haben sie keine Versicherung mehr, ihnen wurde die Geschäftsgrundlage entzogen. Nichts passiert diesbezüglich. Diesen Betrieben ist zu helfen! Das sind Klein- und Mittelbetriebe, 230 an der Zahl, die mir bekannt sind, die einfach im Regen stehen gelassen werden.

Nun darf ich noch zu den Staatshilfen etwas anmerken. Es ist gut, notwendig und wichtig, zu helfen, aber die Hilfe muss schnell sein, sie muss treffsicher sein und sie muss auch fair sein. Sie wissen, ich habe mich über Wochen für die Privatvermieter einsetzen müssen, damit sie überhaupt eine Entschädigung bekommen. Ich habe eine parlamen­tarische Anfrage betreffend die Entschädigung von Privatvermietern gemacht. Die Antwort lautete: Mit Stand 4. Oktober sind von den fast 4 000 eingelangten Anträgen von Privatvermietern 1 635 Anträge bewilligt worden und 1 186 in Bearbeitung. 1 149 An­träge wurden abgelehnt. – Das sind die Kleinsten der Kleinen, die hier betroffen sind.

Ich habe nachgefragt: Wie hoch war denn die durchschnittliche Unterstützungssumme aus dem Härtefallfonds, die diese Kleinstbetriebe, die immerhin 300 000 Gästebetten in Österreich haben, bekommen? – Antwort: 1 300 Euro. Theoretisch möglich für die ersten sechs Monate wären 15 000 Euro. Wenn man jetzt diese 1 300 Euro mit den 1 635 Be­trieben, deren Anträge bewilligt wurden, multipliziert, dann ergibt das eine Summe von 2 125 000 Euro. So viel hat man für die Masse der Kleinbetriebe bisher ausgegeben – nur damit man einmal die Relation kennt.

Für diese kleine Summe, die für die Betriebe hoch ist - - Herr Finanzminister, Sie spielen am Handy, ich würde Sie wirklich bitten, aufzupassen, wenn man diese Thematik und Problematik anspricht, denn durch Handyspielen wird es wirklich nicht besser. (Zwischenruf


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des Abg. Leichtfried.) Bitte lassen Sie nicht immer die Kleinstbetriebe, die kleinen Gewerbebetriebe ohne Unterstützung durch diese Krise gehen! Man muss bitten und betteln, damit etwas weitergeht. Das kann es doch nicht sein!

Ich darf Ihnen noch ein anderes Beispiel geben: Der Umsatzersatz ist super, ist not­wendig, aber, Herr Finanzminister, Sie wissen schon, dass Betriebe, die im November geschlossen haben, Beherbergungsbetriebe – ich kenne auch da ein paar Beispiele –, auch einen Umsatzersatz bekommen, obwohl sie letztes Jahr im November keinen Umsatz gemacht haben. Sie bekommen Anzahlungen rückvergütet, Anzahlungen von Gästen, die im November eingegangen sind, werden vergütet. Da geht es um 100 000 Euro, da geht es nicht um 1 300 Euro für einen Kleinen. Also ob das gerecht ist, diese Frage, bitte schön, müssen Sie selber beantworten. Ich glaube nicht, dass das gerecht ist.

Abschließend, Herr Finanzminister: Wir wollen haben oder wir wünschen uns, dass Sie die breite Masse der Bevölkerung, auch die Kleinstbetriebe, die kleinen Gewerbe­betriebe, massiv unterstützen, dass Sie allen Betrieben eine faire, gerechte Entschädi­gung geben und dass vor allem das Epidemiegesetz, das Sie über das Covid-19-Maß­nahmengesetz ausgehebelt haben, im Hinblick auf die Zahlung des Verdienstentganges zur Umsetzung kommt. – Ich danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

16.28


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schwarz. – Bitte.


16.28.57

Abgeordneter Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich möchte nicht auf alles eingehen, was Sie, Abgeordneter Hauser, angesprochen haben, aber dass Helikoptergeld nicht die treffsicherste Variante einer Hilfe ist, das, glaube ich, können Sie sich selber auch vorstellen. Wir haben eben versucht, treffsicherer zu sein und die Tools und Instrumente genau darauf abzustellen, wer denn am meisten Hilfe braucht.

Zum Abgeordneten Krainer: Das Wifo hat in einer Studie gezeigt, dass gerade die unteren Einkommen durch die Krise stabil geblieben sind – auch Professor Badelt hat es im ExpertInnen-Hearing gesagt – und dass sie teilweise sogar leicht angestiegen sind. Also glaube ich, dass es natürlich da noch einiges zu tun gibt, aber im Großen und Ganzen konnte die wirkliche Gefährdung des Abrutschens in die Armut vermieden werden.

Aus der UG 45, die wir gerade diskutieren, werden ja die wichtigsten coronabedingten Hilfsmaßnahmen wie der Härtefallfonds, Fixkostenzuschuss und der NPO-Fonds finan­ziert. Für 2021 sind auch 4 Milliarden Euro mehr für den Fixkostenzuschuss veran­schlagt. Das finde ich eine gute Sache, weil der Fixkostenzuschuss genauso eine von diesen treffsicheren Unterstützungen und gleichzeitig – wie ich finde – ausreichend, unbürokratisch und rasch ist.

Wir Grünen sind allerdings auch immer dafür eingetreten und haben betont, dass es wichtig ist, wenn den Unternehmen gegenüber Solidarität geübt wird, dass die Unter­nehmer selbst in dieser Krise auch solidarisch sind. Deshalb ist es wichtig – und das ist auch im Fixkostenzuschuss und auch bei dessen Verlängerungen realisiert –, dass von Kündigungen, von Dividendenauszahlungen und von unverhältnismäßigen Manager­boni Abstand genommen werden soll und muss, damit man in den Genuss der Förderungen kommt. Ähnlich ist es für Unternehmen, die sich in der Vergangenheit quasi darum gedrückt haben, einen fairen Beitrag zur öffentlichen Finanzierung zu leisten. Weil


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aus dem Topf jetzt quasi das Geld für die Unterstützungen kommt, gibt es keinen Anspruch für Unternehmen, die aggressive Steuervermeidung betrieben haben.

In der Krise steigen nicht nur die öffentlichen Ausgaben für die Hilfen, quasi für den Versuch, Insolvenzen zu verhindern, die Zahl der Arbeitslosen zu senken oder nicht zu hoch ansteigen zu lassen und die Armut zu verhindern, sondern es sinken auch die Einnahmen. Das ist zum großen Teil natürlich konjunkturgeschuldet und eine negative Entwicklung. Es sind aber nicht nur bedauerliche Gründe, die dazu führen. Insbesondere die vorgezogene Senkung des untersten Einkommensteuersatzes inklusive Sozialver­siche­rungsbonuserhöhung ist eine Maßnahme, die auch nach der Krise eine sehr sinnvolle ist und die, wenn einmal das Schlimmste überstanden ist, dazu führen wird, dass nicht nur die Nettoeinkommen bei den Haushalten, bei den Menschen steigen werden und mehr Geld in der Tasche sein wird, sondern dass auch die Wirtschaft angekurbelt wird und damit mittelfristig auch die Arbeitsplätze gesichert sind.

Dann haben wir noch Maßnahmen im Bereich temporärer Steuersenkungen gesetzt, die auch dazu beitragen, dass die Konjunktur angekurbelt wird, weil Investitionen attrak­tiviert werden. Das ist deshalb wichtig, weil der Staat eine wesentliche Rolle in dieser Phase spielt – man muss quasi die Wirtschaft stützen –, wir uns aber aus dieser Krise nicht ohne die privaten Unternehmen, ohne das private Kapital rausinvestieren werden. Da haben wir eben neben der gestaffelten Investitionsprämie mit ökologischen Anreizen auch ein paar steuerliche Maßnahmen geschaffen, die dazu beitragen sollen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich bin zuversichtlich, dass wir damit auch gestärkt aus der Krise herauskommen werden. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

16.32


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Doppelbauer. – Bitte.


16.32.51

Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen, liebe Zuseher! Ich möchte damit anfangen, da der Herr Bundesminister ohnehin noch nicht zuhört (Bundesminister Blümel spricht mit MitarbeiterInnen der Parlamentsdirektion), auf die Ausführungen von Herrn Kopf zu replizieren, und zwar Folgendes: Ich glaube, Herr Kopf hat gesagt, dass es jetzt nicht möglich ist, die Kosten der Krise abzuschätzen. Das sehe ich auch so. Ich glaube, dass es nicht seriös möglich ist, jetzt zu sagen, was die Krise insgesamt kosten wird. Was ich aber anders sehe – und da muss ich ihm widersprechen –, ist einfach der Punkt, dass man, wenn man ein Budget vorlegt und wenn man in einem harten Lock­down ist, natürlich die Zeit haben müsste, das einzupreisen. Es ist auch nicht wahr, dass Sie keine Daten dazu haben. Auch Professor Badelt hat einen Vorschlag für ein Krisen­szenario gemacht; und wir haben ja auch nichts anderes gemacht, als das in unseren Zahlen widerzuspiegeln. Damit hätte man natürlich ein sehr viel akkurateres Budget als jenes, das jetzt am Tisch liegt, machen können.

Damit – ich habe es schon einmal gesagt – sind Sie halt jetzt wirklich der erste Finanz­minister der Geschichte, der es schafft, in einem Jahr zweimal ein Budget vorzulegen, das am Tag des Beschlusses einfach schon wieder vollkommen falsch ist. Es gibt viele Beispiele, wir haben schon einige gehört, warum es so falsch ist. Zwei kommen von mir noch dazu: Einnahmenseitig haben Sie zum Beispiel 80 Prozent Rück­erstattung von den Stundungen, die den Unternehmen heuer gewährt worden sind, reingerechnet. Ich frage mich wirklich: Wie sollen die das denn nach diesem Jahr zahlen? Also ich glaube, das ist ein sehr positiver Zugang, das kann aus unserer Sicht auch nicht stimmen. Ich höre


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aber aus Ihrem Haus, dass da auch schon an anderen Maßnahmen gearbeitet wird, damit das auch nicht verlangt wird, weil, wie ich denke, das wirklich vielen Unternehmen den Todesstoß geben würde.

Ausgabenseitig: Im Budget 2021 sind 365 000 Arbeitslose eingerechnet. Ich würde mir wirklich wünschen, dass nächstes Jahr wieder jeder Mensch in die Arbeit kommt. Wenn man sich aber das Szenario von Badelt anschaut, dann sieht man, dass er in diesem Krisenszenario mit 10,3 Prozent Arbeitslosen rechnet. 10,3 Prozent Arbeitslose heißt schon einmal 2 Milliarden Euro mehr in diesem Budgettopf. Auch das kann nicht stim­men. Wir wissen auch, dass sehr viele Interessengemeinschaften in den nächsten Jahren von leider noch weit höheren Arbeitslosenzahlen ausgehen. Das ist natürlich auch nirgends abgebildet. Ich weiß schon, das kann man vielleicht nicht im Budget abbilden, aber ich hoffe doch, dass Sie diesbezüglich ein Krisenszenario gebaut haben und interne Berechnungen haben und dass Sie vor allem auch einen Plan haben, wie Sie dann mit dieser Situation umgehen, weil das in Ihrer Verantwortung ist, Herr Bun­desminister.

Ich komme aus der Wirtschaft und möchte Ihnen noch einmal sagen, kein Unternehmen könnte sich erlauben, so einen Budgetvorschlag vorzulegen oder mit so einer P & L zu einer Bank zu gehen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Reden wir vielleicht auch übers Krisenmanagement: Ja, da waren sinnvolle Maßnahmen dabei, das sehen wir auch so – wie die Investitionsprämie zu sichern, die ist gut geeig­net –, aber insgesamt hat man im Krisenmanagement natürlich schon ein gewaltiges Flickwerk produziert; und selbst diesen Fleckerlteppich bringen Sie auch nicht wirklich auf den Boden. Es ist schon angesprochen worden, die Unternehmer warten inzwischen seit Mitte September – seit Mitte September! – auf den Fixkostenzuschuss Phase zwei. Das wäre jederzeit von Ihrem Hause zu bewerkstelligen gewesen, aber es ist nicht gemacht worden. Wir haben das jetzt schon ganz oft gehört, Liquidität ist gerade im November, in dem die Weihnachtsgelder ausgezahlt werden, wirklich ein Riesenthema für die Betriebe, aber der Fixkostenzuschuss Phase zwei lässt auf sich warten. Hoffent­lich kommt er nächste Woche und hoffentlich funktioniert er auch.

Umsatzersatz, das nächste Tool: Ja, ich bleibe da wirklich bei meiner Einschätzung, dass dieses Instrument für Zeiten des Lockdowns falsch aufgesetzt ist. Während des Lockdowns gibt es ein Tool, das viel besser geeignet ist, ein Instrument, das eben diesen Mantel der Katastrophenhilfe hat. Damit kann man nicht nur höhere Hilfen für Unterneh­men auszahlen, es bringt auch sehr viel mehr Planbarkeit und sehr viel mehr Sicherheit für die Betriebe. Das hat man verschlampt, weil man schlicht und einfach nicht rechtzeitig darum angesucht hat. Das ist keine Hexerei. Das hätten Sie definitiv schaffen können.

Jetzt sind wir zwei Wochen vor dem Dezember, und die Unternehmen haben keine Ahnung, was im Dezember gelten wird. Sicher ist nur eines: Wenn Sie nicht rasch sinnvolle Konzepte auf den Tisch legen, dann können wir mit einem rechnen, nämlich damit, dass viele Unternehmen nicht mehr aufsperren werden – und dann haben wir wirklich diese Insolvenzwelle, von der schon viele sprechen, die uns nächstes Jahr im Mai, Juni hart treffen wird.

Ich gebe es schon zu und ich räume es auch ein, es ist natürlich kein leichter Job, im Jahr 2020 Finanzminister zu sein, aber deswegen wäre es eben auch umso wichtiger gewesen, vor allem für das Jahr 2021 ein Budget zu entwerfen, das aus der Krise herausführt, ein Budget, das wirklich den Weg in die Zukunft und einen Weg, wie wir uns aus dieser Krise wieder herauswirtschaften, zeigt. (Beifall bei den NEOS.)

Was meinen wir damit? – Wir müssen Menschen und Unternehmen entlasten. Wir müssen steuerliche Anreize schaffen, und es braucht einfach ein viel besseres Konjunk­turpaket. Gleichzeitig braucht es auch nachhaltige Strukturreformen. Darüber haben wir


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auch schon sehr viel gesprochen. Diese Schulden müssen irgendwann einmal abgebaut werden, und dafür müssen jetzt die ersten Schritte gesetzt werden, der Plan muss entworfen werden, wie diese Reformen umgesetzt werden. Dazu finden wir aber nichts, genau gar nichts in diesem Budget 2021 und auch nicht im Finanzrahmen bis 2024.

Ich frage noch einmal: Wo ist die zweite Tarifreform? Wo ist in Ihrem Plan die Abschaf­fung der kalten Progression? – Die ist im Augenblick nicht eingepreist. Aufkommens­neutrale ökologische Steuerreform bei einer gleichzeitigen Entlastung des Faktors Arbeit – das ist wirklich das Wichtigste, was Sie im Augenblick machen müssen, um diesen Wirtschaftsstandort wieder prosperierend zu machen. In Deutschland ist es so weit, dass ein Arbeitnehmer 8 Prozent weniger als in Österreich kostet. Das ist Deutsch­land, ich spreche nicht von einem Niedrigsteuerland. Das sind einfach Wettbewerbs­nachteile, die wir uns nicht leisten können.

Die notwendige Reform des Pensionssystems: Dieses Thema ist seit, ich weiß nicht, wahrscheinlich Jahrzehnten ein Thema, und es wird nicht angegangen. (Zwischenruf der Abg. Baumgartner.) Das ist ein ganz, ganz wichtiger Hebel. Wir würden uns auch wünschen, dass das umgesetzt wird.

Reform der bundesweiten Förderstrategie: Da sind Milliarden in Doppel- und Dreifach­förderungen drinnen. Das sagen ebenfalls alle Experten. Damit könnten Sie schnell Geld für andere Maßnahmen zur Verfügung stellen. Wir können es uns nicht leisten, dass wir da so weiterwirtschaften.

Bei großen Zukunftsinvestitionen – Bildung, Forschung und Entwicklung, Digitalisierung, Infrastruktur – wurden erste Schritte gemacht, die werden aber nicht reichen. Das heißt, da braucht es einfach noch mehr. Und was die Föderalismusreform und die Reform des Finanzausgleichs betrifft, so haben Ihnen da, glaube ich, die Landeshauptleute ja ausgerichtet, dass wir die auf 2024 verschieben. Da dürfen Sie dann wieder anklopfen. Vier verlorene Jahre für das Budget!

Also, Herr Finanzminister, was ich damit sagen will – ich glaube, es ist klar heraus­gekommen –: Es reicht nicht.

Weil ich es gerade gelesen habe und weil ich heute ja auch etwas Positives sagen möchte: Sie haben gestern im Ministerrat ein Transparenzpaket für die Covid-Hilfen beschlossen. So habe ich das gelesen. – Ich muss ehrlich sagen, ich finde das wirklich gut und das freut uns ehrlich. Wir kennen jetzt natürlich die Details noch nicht und müssen uns noch anschauen, wie es dann umgesetzt wird, aber Transparenz ist uns einfach wirklich wichtig.

Wenn Sie sich vielleicht noch ein Beispiel für die Umsetzung anschauen wollen, wo sie wirklich gut gelingt, so möchte ich sagen: Ich lobe eigentlich nie die AMA, aber die AMA-Transparenzdatenbank ist doch etwas, wo man sieht, wie man das machen kann. Da steht jede Förderung, jede Ausgleichszahlung, die ein Betrieb bekommt, drinnen – mit der Summe, mit dem Namen des Betriebes. Das könnte man sich durchaus als Vorbild nehmen. Wir finden das gut, denn: Das ist Steuergeld.

Ein letzter Satz zur Transparenz, warum uns diese so wichtig ist: Es geht nicht nur darum, dass man durch Transparenz Freunderlwirtschaft, Korruption aufdeckt – Son­nenlicht, also Transparenz ist das beste Desinfektionsmittel, hat es immer geheißen –, es ist etwas ganz anderes auch noch wichtig: Transparenz schafft vor allem Vertrauen. Sie schafft Vertrauen und Solidarität mit den Maßnahmen. Die Menschen, die Steuer­zahler müssen wissen, warum das Geld ausgegeben wird, wie viel und wofür. Das ist wirklich etwas, was vertrauensbildend wirkt und eben auch Solidarität erzeugt.


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Lassen Sie mich damit schließen: Sie geben da nicht Ihr eigenes Geld aus. Sie geben das Geld der Steuerzahlerinnen und der Steuerzahler aus, und die haben sich verdient, zu wissen, was mit ihrem Geld passiert. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

16.41


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Obernosterer ist zu Wort ge­meldet. – Bitte.


16.41.53

Abgeordneter Gabriel Obernosterer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Finanzminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren zu Hause vor den Fernsehbildschirmen! Wir nähern uns dem Schluss der Finanzdebatte. Unser Finanzminister hat unter Einbindung seiner Expertinnen und Experten (Ruf: Oje!) nach bestem Wissen und Gewissen ein Budget vorgelegt, das diese Krise stabilisiert, aber auch in die Zukunft gerichtet ist, damit wir halbwegs aus dieser Krise herauskommen.

50 Milliarden Euro macht der Schutzschirm für die Bewältigung der Krise aus. Wenn nun zum Beispiel die SPÖ sagt – ich nenne jetzt nur ein Beispiel, ich möchte zusam­menfassen –: Die Zahlen stimmen nicht, und das muss man im Dezember machen!, dann würde ich vielleicht sagen: Herr Krainer, erkundige dich einmal in Kärnten bei Finanzreferentin Schaunig und bei Landeshauptmann Kaiser, die machen auch gerade das Budget – es wurde annähernd zugleich präsentiert und wird nächste Woche beschlossen. Dort hat die Finanzreferentin gesagt: Ich werde das nicht ändern, denn das hält sowieso nicht!

Unser Finanzminister hat, als wir gehört haben, dass der zweite Lockdown kommt, ein Abänderungsbudget eingebracht, und wir haben das auch bearbeitet und sind auf diese Zahlen auch schon eingegangen. Genauer kann man dort nicht hingehen. (Beifall bei der ÖVP.)

Was die Freiheitliche Partei sagt, ist: Es ist alles schlecht, es ist überhaupt nichts gut. Corona gibt es gar nicht, wir kennen uns eh alle, sind Verwandte. – Erspart mir weitere Worte dazu!

Und Sie, liebe Frau Kollegin von den NEOS, haben gesagt, es sei in der Wirtschaft nicht möglich, so ein Budget mit solchen unsicheren Zahlen vorzulegen. Ich bin Unternehmer. Wenn mir heute irgendjemand sagt, dass er ein Budget für das nächste Jahr erstellen kann, das punktgenau ist, was die Einnahmen und die Ausgaben betrifft, dann ist er nicht mehr Unternehmer, sondern ein Wahrsager – denn damit verdient er wesentlich mehr. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Etwas will ich zum Schluss noch sagen: Das, was diese Regierung in dieser Krise leistet – von unserem Kanzler und unserem Vizekanzler bis hin zu allen anderen –, verdient wirklich Respekt. Wird es zu schnell gemacht, heißt es, es ist nicht ausgegoren. Ist es zu langsam, wird auch gejammert. Wird etwas am Vormittag verkündet, heißt es, er hätte es am Nachmittag machen sollen. Es ist alles verkehrt. Wenn man irgendwo nicht mitgehen will, dann will man einfach nicht mitgehen – das ist so, nur ist die Krise ein bisschen zu ernst für solche politischen Spielereien. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich möchte abschließend noch schnell folgenden Antrag einbringen:

Abänderungsantrag

des Abgeordneten Gabriel Obernosterer, Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA, Kolleginnen und Kollegen zur Regierungsvorlage (381 der Beilagen) betreffend ein Bundesgesetz, mit


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dem das Bundesfinanzrahmengesetz 2021 bis 2024 erlassen wird, in der Fassung des Ausschussberichtes (448 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der dem Ausschussbericht 448 d. B. angeschlossene Gesetzestext betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzrahmengesetz 2021 bis 2024 erlassen wird – BFRG 2021-2024, wird wie folgt geändert:

Der Text samt der Tabelle des bisherigen § 4 erhält die Absatzbezeichnung „(1)“, folgen­der Abs. 2 wird angefügt:

„(2) Die in den Grundzügen gemäß Abs. 1 festgelegten höchstzulässigen Personal­kapazitäten können zur befristeten Übernahme von Verwaltungspraktikantinnen und Verwaltungspraktikanten, deren Praktikum mit Stichtag 31. Oktober 2020 bereits aufrecht war sowie zur befristeten Verlängerung der zu diesem Stichtag aufgrund des § 4 Abs. 2 des Bundesgesetzes, mit dem das Bundesfinanzrahmengesetz 2020 bis 2023 erlassen wird (BFRG 2020-2023), BGBl. I Nr. 47/2020, bereits abgeschlossenen COVID-Sonderverträge, im Zusammenhang mit der Krisenbewältigung aufgrund des Corona-Virus auf sondervertraglicher Basis im Jahr 2021 überschritten werden. Diese Überschreitungsermächtigung ist sinngemäß auf den jeweils gültigen Personalplan an­zuwenden.“

*****

Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf des Abg. Matznetter.)

16.46

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Gabriel Obernosterer, Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA,

Kolleginnen und Kollegen

zur Regierungsvorlage (381 d.B.) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes­finanzrahmengesetz 2021 bis 2024 erlassen wird – BFRG 2021-2024, in der Fassung des Ausschussberichtes (448 d.B.)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der dem Ausschussbericht 448 d. B. angeschlossene Gesetzestext betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzrahmengesetz 2021 bis 2024 erlassen wird – BFRG 2021-2024, wird wie folgt geändert:

Der Text samt der Tabelle des bisherigen § 4 erhält die Absatzbezeichnung „(1)“, folgender Abs. 2 wird angefügt:

„(2) Die in den Grundzügen gemäß Abs. 1 festgelegten höchstzulässigen Personalkapa­zitäten können zur befristeten Übernahme von Verwaltungspraktikantinnen und Verwal­tungspraktikanten, deren Praktikum mit Stichtag 31. Oktober 2020 bereits aufrecht war sowie zur befristeten Verlängerung der zu diesem Stichtag aufgrund des § 4 Abs. 2 des Bundesgesetzes, mit dem das Bundesfinanzrahmengesetz 2020 bis 2023 erlassen wird (BFRG 2020-2023), BGBl. I Nr. 47/2020, bereits abgeschlossenen COVID-Sonderver­träge, im Zusammenhang mit der Krisenbewältigung aufgrund des Corona-Virus auf


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sondervertraglicher Basis im Jahr 2021 überschritten werden. Diese Überschreitungs­ermächtigung ist sinngemäß auf den jeweils gültigen Personalplan anzuwenden.“

Begründung

Im Zusammenhang mit der Krisenbewältigung treten vermehrt auch kurzfristige Per­sonalbedarfe auf, die durch die Übernahme von Verwaltungspraktikantinnen und Ver­waltungspraktikanten in reguläre Dienstverhältnisse zur Unterstützung der Krisenstäbe bedeckt werden sollen. Das Sondervertragsregime des § 36 VBG (Genehmigungspflicht des BMKOES) stellt sicher, dass die Übernahmen ausschließlich zur Krisenbewältigung erfolgen und ermöglicht gleichzeitig ein verlässliches Controlling der Personalkapa­zitäten.

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Abänderungsantrag ist ausreichend unter­stützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Yildirim. – Bitte.


16.46.29

Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Minister! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Wenn ich dem Obmann des Budgetausschusses, Herrn Abgeordneten Obernosterer von der ÖVP, jetzt zuhöre, fallen mir nur einige Worte ein:

Sie als Obmann des Budgetausschusses sollten doch am besten wissen, wer dieses Budget mitbeurteilt. Dass Sie als Vertreter der Regierungspartei jetzt uns, also Abgeord­neten der Opposition, in keiner Weise Glaubwürdigkeit zugestehen wollen, weder der SPÖ noch den NEOS noch der FPÖ, scheint in der Natur der Sache zu liegen, aber Sie wissen doch, welch hervorragende Institutionen wir in dieser Republik haben. Haben Sie sich denn als Obmann dieses Ausschusses nie die Budgetberichte des Budgetdienstes oder jene des Rechnungshofes oder die Berichte über die Wirkungsorientierung ange­schaut? All das sind wichtige Errungenschaften. Schauen Sie sich das bei Ihren Be­wertungen nicht an? – Das enttäuscht mich ein bisschen.

Je näher man sich nämlich dieses Budget anschaut, sehr geehrte Damen und Herren, je mehr man sich darin vertieft, desto mehr kommt man zur Überzeugung – so ist es mir ergangen –, dass es wirklich nicht geeignet ist, diese Republik sicher aus der Krise herauszuführen. (Beifall bei der SPÖ.)

Überlegen Sie sich doch, wie wir international beneidet wurden! – Da breche ich eine Lanze für die sozialdemokratische Führung in diesem Land (Heiterkeit bei Abgeordneten der ÖVP): Unter sozialdemokratischer Führung waren wir international so hoch angesehen, man beneidete uns richtig. Überlegen Sie, wie unsere Kanzler dieses Land aus schwierigen Krisen herausgeführt haben!

2013, sehr geehrte Damen und Herren, gab es – jene Abgeordneten, die in diesem Haus schon länger dienen, wissen es – eine wichtige Reform im Bundeshaushaltsgesetz, bei der es nämlich auch um die Frage ging: Wem kommt das Geld, das wir alle einzahlen, zugute? Kommt es möglichst vielen zugute, nimmt es möglichst viele mit – oder be­günstigt es einige wenige?

Wir haben jahrzehntelang dafür gekämpft, dass es in diesem Land eine gerechtere Gesellschaft gibt, dass es eine moderne Gesellschaft gibt, dass es auch den Frauen gut


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geht. Als ich mir heute Vormittag die Debatten zum Punkt Frauengleichstellung angehört habe, habe ich mir gedacht: Hut ab, ja, 2,5 Millionen Euro mehr! Super, gut! – Aber wissen Sie, was das ist? – Ich will es nicht gering schätzen, denn jeder Euro in diesem Bereich wird gebraucht, aber das ist Feuerwehrarbeit, das ist Symptombekämpfung!

Wissen Sie, wie die Gesellschaftspolitik, wie eine gerechte Frauenpolitik in diesem Land ausgeschaut hätte, wenn Sie diese Wirkungsziele, bei denen es darum geht, Erwerbs­arbeit, bezahlte und unbezahlte Arbeit gerecht zu verteilen, aufrechterhalten hätten?

Was aber haben Sie, Herr Minister, oder was hat Ihr Vorgänger, Herr Finanzminister Löger, gemacht? – Er hat genau eines der zentralen Ziele einfach eliminiert! Und was haben Sie gemacht? – Sie schreiben das fort. Da geht es um eines der frauenpolitisch und gesellschaftspolitisch wichtigsten Dinge! Wissen Sie, was das bedeutet? – Einen Rückschritt, einen gesellschaftspolitischen Rückschritt! (Beifall bei der SPÖ.)

Das passiert immer, wenn die ÖVP in diesem Land stark wird. Denken Sie an die Pensionsreform 2004! Was ist denn da passiert? – Sie haben Männern und Frauen die besten 15 Jahre ihres Lebens genommen (Beifall bei der SPÖ), und heute stehen Sie da und verteilen Peanuts! (Ruf bei der ÖVP: Das ist unglaublich! Abg. Höfinger: Wir haben sie abgesichert! – Zwischenruf des Abg. Loacker.) Sie verteilen Peanuts und lassen sich feiern. Und Sie, die Abgeordneten von den Grünen, feiern das, anstatt zu protestierten und zu sagen: Was ist mit diesem Gleichstellungsziel? – Wie können Sie so einem Budget zustimmen? Das geht einfach nicht! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Höfinger: Was ist mit der Jugend? Was ist mit den nachkommenden Generationen? Das ist die Frage!)

Ich möchte einfach nur zum Schluss kommen und sagen: Dieses Budget ist tatsächlich nicht geeignet, um das Land wirklich aus der Krise herauszuführen. Mit diesem Schnecken­tempo dürfen wir uns nicht frauenpolitisch feiern lassen! Wir kämpfen seit über 100 Jah­ren für gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit. Lassen Sie uns, die Frauen in diesem Land, nicht noch einmal 100 Jahre darauf warten! (Beifall bei der SPÖ.) Beschließen Sie, dass das wieder zurückkommt, dieses Wirkungsziel, bei dem es um eine gerechtere Einkommensverteilung geht, bei dem es um gerechtere Pensionen und Einkommen geht! – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ernst-Dziedzic – in Richtung der sich zu ihrem Sitzplatz begebenden Abg. Yildirim –: ... so viele Jahrzehnte, da waren Sie an der Macht! – Abg. Matznetter – in Richtung Abg. Ernst-Dziedzic –: Ja, wir haben es eingeführt ...! – Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.)

16.51


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Götze. – Bitte.


16.51.23

Abgeordnete Dr. Elisabeth Götze (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Wertes Hohes Haus und liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich möchte am Ende dieser Budgetdebatte noch einmal über etwas sprechen, das mir persönlich sehr wichtig ist. Über die Gemeinden könnte man – ein bisschen theatralisch – sagen, dass sie der Blutkreislauf Österreichs sind, weil sie uns mit allem versorgen, was wichtig ist – ich habe das hier schon einmal in ähnlicher Form gesagt –, und derzeit gibt es ein bisschen zu wenig Sauerstoff im Blut. Die Gemeinden haben weniger Steuereinnahmen, so wie ganz Österreich derzeit weniger Steuereinnahmen hat, die Ertragsanteile sinken, die Kom­munalsteuern sinken – und die Sozialausgaben steigen, und darunter leiden Gemein­den.

Daher haben wir hier im Frühjahr das Kommunalinvestitionsgesetz beschlossen, das Gemeinden ermöglicht, ihre Investitionen weiterhin durchzuführen, und das funktioniert sehr gut. Die Gemeinden bekommen 50 Prozent Zuschuss und noch mehr, weil Zusatz-,


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Doppelförderung explizit erwünscht ist; beispielsweise gibt es für Radwege bis zu 75 Prozent Förderung, der Schul- und Kindergartenfonds fördert Schulbauprojekte zu­sätzlich, und dann gibt es noch weitere Förderungen durch die 15a-Vereinbarungen – viele Mehrfachförderungen sind also über diese 50 Prozent hinaus möglich. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Umgerechnet auf jeden Einwohner, jede Einwohnerin sind es 100 Euro, die den Gemeinden zustehen und die sie abholen können – und sie tun das auch laufend. Ein paar Beispiele: Haag in Niederösterreich stellt auf LED um, Andorf in Oberösterreich baut die Radwege aus, und in Klagenfurt werden 25 Millionen Euro für Gebäude­sanie­rung und Barrierefreiheit verwendet. Es sind also ganz unterschiedliche Projekte, die damit gefördert werden, mit durchschnittlich 120 000 Euro pro Projektantrag.

Im Budgetvoranschlag, den die Gemeinden jetzt beschließen, beschließen sie viele weitere Projekte. (Abg. Brückl: ... Radwege schon fertig!) Das heißt, wir haben mit zahl­reichen weiteren Anträgen zu rechnen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. Zwischenruf bei der SPÖ.)

Das zeigt, dass die Gemeinden auf einem guten Weg sind. Sie führen ihre Projekte durch, sie planen weiter für 2021, vergeben damit lokale Aufträge und schaffen Arbeits­plätze. (Ruf bei der SPÖ: Wer?) Man muss aber auch dazusagen: Wir müssen dafür sorgen, dass es ihnen weiterhin gut geht (Abg. Kollross: Denen geht’s schon nicht gut!), und ein Ausblick auf 2021 zeigt auch, dass wir schauen müssen, dass die Gemeinden weiterhin diese Versorgung mit Sauerstoff im Blut haben. – Da müssen wir alle Verant­wortung übernehmen!

Ich fange jetzt einmal bei uns hier an: Die Gemeinden werden noch weitere Unter­stüt­zung brauchen, davon gehe ich aus – auch für den laufenden Betrieb. (Abg. Kollross: Erzählen Sie das im April! Und wo sind die Maßnahmen? Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Gleichzeitig – das tun die Länder zum Teil schon, aber das müssen sie verstärkt machen – müssen die Länder auch Verantwortung übernehmen, beispiels­weise bei den Sozialkosten. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Loacker.)

Und schließlich wünschen sich die Gemeinden auch Zugang zu den günstigen Kredit­konditionen des Bundes – auch das müssen wir ihnen ermöglichen. (Abg. Kollross: ... die haben kein Geld! – Ruf bei der SPÖ: Das ist die Höhe! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Vereinte Kräfte sind nötig, dann wird es den Gemeinden gut gehen und damit auch uns allen. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

16.55


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Loacker. – Bitte.


16.55.30

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bun­desministerin! Herr Bundesminister! Ich möchte unterstreichen, was Kollegin Götze hin­sichtlich der Verantwortung der Bundesländer gesagt hat: Wenn die Steuereinnahmen sprudeln und der Finanzausgleich das Geld in die Kassen der Länder spült, halten sie die Hand auch ungeniert auf. Jetzt ist es schlechter, und da müssen die Länder einfach auch ihren Beitrag leisten und ihren Anteil tragen, und das gilt halt für die Gemeinden anteilig gleich. Das muss man offen, ehrlich und fair sagen!

Da hat der Herr Finanzminister den gleichen schweren Stand wie alle seine Amtsvor­gänger, denn Föderalismus funktioniert in Österreich so: Früher hat ein Landesfürst,


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wenn er pleite war, den Nachbarn überfallen, heute fahren sie zu neunt nach Wien und pressen den Finanzminister aus – eins zu neun. (Beifall bei den NEOS.)

Ich möchte noch kurz etwas ins Licht der Aufmerksamkeit rücken, was am Ende der Debatte gerne untergeht, und das ist die Untergliederung der Beamtenpensionen. Wenn sich die Klimaministerin heute für eine Steigerung von 220 Millionen Euro im Klima­budget abgefeiert hat, dann muss man halt sagen, dass die Ausgaben für Beamten­pensionen um 400 Millionen Euro steigen: von 10,1 auf 10,5 Milliarden Euro und im Jahr 2024 auf 11,7 Milliarden Euro. Da ist also eine schöne Dynamik drin: 3,5, 3,7, 3,9 Prozent jedes Jahr zusätzlich bei den Beamtenpensionen.

Etwas Lobenswertes gilt es zu sagen: Die Beamten haben ein durchschnittliches Pen­sions­antrittsalter von 62,4 Jahren, und wenn wir das in den Sozialversicherungspen­sionen auch hätten, dann sähe die Finanzierung dort natürlich wesentlich rosiger aus.

Dann gibt es noch etwas zur Steuerung des Themas zu sagen: Was kann der Finanz­minister machen, um den Ausgabeposten Beamtenpensionen in den Griff zu bekom­men? Eigentlich nicht so viel, wie er sollte. Der Budgetdienst und der Rechnungshof machen regelmäßig darauf aufmerksam, dass wir da ein Steuerungs- und ein Kom­petenzproblem haben, weil das Dienstrecht im Beamtenministerium gemacht wird und die Zahlstelle dann der Finanzminister ist. Eigentlich müsste die Steuerung so verlaufen, dass das an einer Stelle zusammengeführt wird. Erschwerend kommt hinzu, dass die Ruhestandsversetzungen im jeweiligen Ministerium selbst gemacht werden. So hat man in den meisten Fällen drei Spieler auf dem Feld, um ein Thema zu regeln, und so kann man den Bereich Beamtenpensionen natürlich nicht steuern.

Das Schöne an der Untergliederung Beamtenpensionen sind die Wirkungsziele – das ist wirklich das Beste! –, das wichtige Wirkungsziel ist nämlich: Es muss gewährleistet sein, dass die Beamtengehälter zu 100 Prozent pünktlich gezahlt werden, dann ist das Wir­kungsziel erreicht. Also solche Ziele setzen wir uns bei der Steuerung eines mehr als 10 Milliarden Euro schweren Budgetblocks. Daran sieht man: Da ist keine Ambition drinnen, da gäbe es auch strukturell einiges zu verändern und für den Herrn Finanzminis­ter in den Gesprächen mit dem Beamtenminister, Vizekanzler Kogler, etwas weiterzuent­wickeln, damit wir überhaupt zu einer Steuerungsmöglichkeit für diesen milliardenschwe­ren Block kommen. (Beifall bei den NEOS.)

16.58


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Baumgartner. – Bitte.


16.59.01

Abgeordnete Angela Baumgartner (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minis­ter! Sehr geehrte Frau Minister! Das Budget 2021 ist natürlich von der Krise geprägt, den­noch haben wir es geschafft, in einigen Bereichen Sonderinvestitionen zu ermög­lichen. Das Ziel ist es, die Konjunktur anzutreiben und Arbeitsplätze zu sichern. Wir wollen nicht nur gut aus der Krise herauskommen, sondern gestärkt aus ihr heraus­gehen.

Als Mitglied des Budgetausschusses habe ich mir in den letzten Tagen sehr viele Reden angehört, und über manche Redebeiträge der Opposition kann ich mich wirklich nur wundern. Abgesehen davon, dass alles zu wenig ist und zu spät kommt und, und, und, möchte ich vor allem Aussagen betreffend die Landwirtschaft und die Gemeinden an­sprechen. Meine Eltern waren Landwirte, und ich habe sie immer nur arbeiten gesehen – kein Urlaub und fast kein Wochenende frei. Wenn die SPÖ und die NEOS die Pensionen der Bäuerinnen kritisieren und angreifen, bin ich wirklich entsetzt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Kollegen von der SPÖ und von den NEOS – Herr Kollege Seemayer,


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Herr Kollege Stöger, Herr Kollege Loacker – etwas gegen die Bauern haben. Es sind nämlich sie, die dafür sorgen, dass der Tisch gedeckt ist. Ich habe für mich nur eine Erklärung für dieses Bauernbashing gefunden: Ihnen wurde wahrscheinlich die Mitglied­schaft im Bauernbund verwehrt, und deswegen sind Sie ein bisschen beleidigt. (Heiter­keit und Beifall bei der ÖVP.)

Herr Kollege Loacker hört mir gar nicht zu! Herr Kollege Loacker, dich habe ich ange­sprochen, und du hörst mir gar nicht zu! Ich habe einen guten Draht zum Präsidenten des Bauernbunds, und wenn du möchtest, kann ich dafür sorgen, dass du eine Mitgliedschaft bekommst. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Loacker – beide Daumen in die Höhe haltend –: Und ich bin automatisch in der Bundesleitung als Abgeordneter!) – Super!

Nun zu den Gemeinden: Als Bürgermeisterin ist für mich wichtig zu erwähnen, dass das kommunale Investitionspaket gut angenommen wird. Mit Stand Ende Oktober sind bereits 144 Millionen Euro an 611 Gemeinden ausbezahlt worden. Natürlich wurden noch nicht alle Gelder abgeholt, weil die Projekte oft erst nächstes Jahr angegangen werden. Für meine Gemeinde habe ich das Geld auch noch nicht abgeholt, weil unser Projekt auch erst nächstes Jahr startet. Ich habe mit sehr vielen Bürgermeistern ge­sprochen, und kein einziger hat darüber geklagt, dass die Gelder nicht abgeholt werden können, im Gegenteil: 1 133 Projekte mit einem Gesamtinvestitionsvolumen von 740 Mil­lio­nen Euro wurden unterstützt.

Ja, natürlich wird den Gemeinden nächstes Jahr das Geld fehlen. Der Bund kann nicht alle Ausgaben alleine stemmen. Da gebe ich dir recht, Herr Kollege Loacker: Dabei müssen alle Gebietskörperschaften zusammenhelfen. Der Herr Finanzminister steht diesbezüglich natürlich in regem Austausch mit dem Gemeindebund.

Ich möchte noch einmal betonen, dass ich fest davon überzeugt bin, dass wir gut durch diese Krise kommen werden. Wir werden diese Krise wirklich gut meistern, aber wir müssen zusammenhalten: Kaufen wir alle regionale Lebensmittel bei unseren Bäuerin­nen und Bauern, kaufen wir unsere Weihnachtsgeschenke in den Onlineshops unserer heimischen Betriebe und hoffentlich im Dezember dann in den Geschäften! (Beifall bei der ÖVP.) Bestellen wir unser Essen bei den Wirten im Ort oder um die Ecke, und gehen wir essen, wenn das wieder möglich ist! Wenn es dann wieder möglich ist: Machen wir Urlaub in Österreich, unterstützen wir unseren heimischen Tourismus! Helfen wir einander, für uns alle, für unser Österreich! – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

17.03


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Köllner. – Bitte.


17.03.07

Abgeordneter Maximilian Köllner, MA (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Finanzminister! Ich bitte Sie um 2, 3 Minuten Ihrer Aufmerk­samkeit – nicht mir zuliebe, sondern um sich zu Herzen zu nehmen, was ich Ihnen jetzt vorlese –: Ich versuche, meinen Beitrag zur Bewältigung der Pandemie zu leisten, so gut ich kann, aber das, was meine Branche und somit auch mein Büro gegenwärtig ertragen müssen, ist einfach zu viel verlangt. Jede Krise – Naturkatastrophen, Terror, Krieg, Wirtschaftskrisen – haben wir bislang aus eigener Kraft gemeistert, aber die Covid-19-Krise können wir nicht mehr selbst stemmen. – Zitatende.

Diese und weitere Worte, Herr Finanzminister, haben mich von einer Frau ereilt, die verzweifelt ist. Ich rede vom Schicksal einer Frau, das exemplarisch für eine Branche mit etwa 2 500 Betrieben und 10 000 Arbeitsplätzen steht. Es geht um eine Branche, die für die wohl schönsten Tage im Jahr und damit für Glücksgefühle bei uns allen sorgt,


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aber jetzt vor den Trümmern ihrer Existenz steht: Es geht um die Branche der Reise­büros.

Ich habe eine Tafel mitgebracht, wir haben nämlich gestern einen Entschließungsantrag zur Rettung der Reisebranche eingebracht. (Der Redner stellt eine Tafel mit der Aufschrift „Rettet die Reisebranche!“ auf das Rednerpult.) Ich bin froh, dass auch der Kollege von der FPÖ den Ernst der Lage erkannt hat und diesen Antrag unterstützt. Seit dem ersten Lockdown im März sind nämlich die Umsätze der Reisebüros und -ver­anstalter in den Keller gerasselt wie Aktienkurse bei einem Börsencrash. Es gibt Umsatzeinbußen von 90, 95 Prozent, und ein Ende ist noch nicht in Sicht.

Genauso lange stehen die Betroffenen aber schon Schlange, um Hilfe vonseiten der Bundesregierung zu erhalten – bis dato haben sie aber immer nur durch die Finger geschaut. Diese Branche ist nicht länger in der Lage, sich selbst zu retten: Reisebüros leben von Provisionen, diese müssen sie aber seit Monaten aufgrund der Stornierungen wieder zurückzahlen. Eines sollten Sie wissen, Herr Finanzminister: Auch Rücklagen sind irgendwann aufgebraucht! Solange es Reisebeschränkungen gibt, wird die Branche keinen Umsatz erzielen. Ja, die Kurzarbeit hilft, die Arbeitslosigkeit abzufedern – das ist wichtig –, sie kostet aber Unternehmen trotzdem etwas, und bei null Umsatz ist jede einzelne Ausgabe zu viel.

Wissen Sie aber, was das größte Problem an der Sache ist? – Dass Sie aufgrund Ihrer Verordnung diese Branche ungleich behandeln. Bitte putzen Sie sich jetzt nicht am Gesundheitsminister ab! Während Konzerne Millionenhilfen erhalten, fallen die Reise­büros beim 80-prozentigen Umsatzersatz durch den Rost: Obwohl aufgrund der Aus­gangsbeschränkungen keine Buchungen für touristische Zwecke möglich sind, werden die Reisebüros behördlich nicht geschlossen.

Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen, meine sehr geehrten Damen und Herren: Die Reisebüros erhalten weder Umsatzersatz, noch haben sie etwas aus dem versprochenen Fixkostenzuschuss Phase zwei erhalten, und eine Lösung für den Absprung der Versicherungen ist auch noch nicht in Sicht – das alles, wie gesagt, bei null Umsatz. Ich habe Ihnen eingangs eines der vielen Schicksale geschildert – ganz ehrlich: Geht Ihnen das nicht nahe, ist Ihnen das wurscht? (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Finanzminister, ist Ihnen das wurscht? Sie sitzen hier, als würde Sie das alles nichts angehen, als würde Sie das nicht interessieren. Wenn Sie nur einen Funken Empathie haben, schauen Sie nicht länger zu und retten Sie endlich diese Branche, denn letztend­lich geht es auch da um Menschen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

17.06


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Hanger. – Bitte.


17.06.39

Abgeordneter Mag. Andreas Hanger (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Wir stehen am Ende einer dreitägigen Budgetdebatte, das ist durchaus eine gute Gelegenheit, ein Re­sümee zu ziehen. Die Inhalte der Debatte waren erwartbar: Es ist Aufgabe der Regie­rungsfraktionen, für das Budget zu argumentieren und es zu loben. Ich persönlich bin der Meinung, dass das so einfach wie noch fast nie war, weil es ein unglaubliches Offensivbudget mit vielen verschiedenen Maßnahmen in den einzelnen Untergliederun­gen ist.

Ich freue mich sehr über Initiativen in den Wahlkreisen – auch in meinem Wahlkreis –, ich finde es nur ein bisschen schade, dass es, wenn man sich als Abgeordneter seines


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Wahlkreises bedankt, von den Oppositionsparteien ins Lächerliche gezogen wird. Das ist aus meiner Sicht nicht in Ordnung. Es geschieht aber jedenfalls unheimlich viel Gutes im Bereich der Bildung, im Bereich der Universitäten, im Bereich der Sicherheit, im Klimaschutz und, und, und.

Zum anderen ist es offensichtlich Aufgabe der Opposition, das Budget zu kritisieren, und meiner Einschätzung nach ist es der Opposition noch selten so schwergefallen wie diesmal, das Budget zu kritisieren. (Abg. Kollross: Na geh!) Ich möchte das an drei Beispielen festmachen. Ich höre zum Beispiel von der FPÖ, das Budget – speziell der Budgetvollzug und die Coronahilfen – sei nicht treffsicher. Man war offensichtlich beim Budgethearing nicht dabei, denn alle Budgetexperten – der von der SPÖ nominierte Marterbauer, aber auch Badelt und Kocher – haben gesagt: Natürlich wirken diese Maßnahmen! – Das lässt sich auch messen, gar keine Frage, wir brauchen uns nur den Arbeitsmarkt anzuschauen. (Zwischenruf des Abg. Wurm.) Wir brauchen uns nur anzuschauen, wie sich die Unternehmensinsolvenzen entwickelt haben: Natürlich grei­fen die Wirtschaftshilfen!

Herr Kollege Köllner, ich gebe Ihnen aber teilweise recht: Natürlich gibt es auch Probleme, und nicht alles hat hundertprozentig einwandfrei funktioniert. Im Großen und Ganzen ist es aber ein breites, gutes Programm, das für Stabilität und für die Erhaltung der Arbeitsplätze in Österreich gesorgt hat, und das ist einmal das Allerwichtigste. (Beifall bei der ÖVP.)

Zum Zweiten wird immer die Frage gestellt, ob denn das leistbar sei und wer das bezahle. Wir können mit Stolz sagen: Ja, wir können uns das leisten! Wieso können wir uns das leisten? – Ich möchte es wiederholen: weil wir in den letzten Jahren gut gewirtschaftet haben, weil wir 2019 sogar Überschüsse hatten. Ich halte fest: Das wäre mit der SPÖ nie gegangen! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Wurm.)

Die zweite wesentliche Grundlage dafür, dass wir uns das leisten können, ist – gar keine Frage – das niedrige Zinsniveau. Ich finde es bemerkenswert, dass wir trotz steigender Schulden in den Budgets für die nächsten Jahre weniger Zinsaufwand haben. Das ist ein Zeichen für die ausgezeichnete Bonität unserer Volkswirtschaft, und das ist ein Aspekt, auf den wir wirklich sehr stolz sein können. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Matznetter: Herr Präsident, ... so einen Topfen! – Zwischenruf des Abg. Kollross.)

Zum Dritten – das ist mir auch ganz wichtig, das hat auch Wirtschaftsforscher Kocher in einem Interview gesagt –: Es ist tatsächlich richtig, dass die Wachstumsprognosen aufgrund der Reisewarnungen, aufgrund des ersten und des zweiten Lockdowns zurückgenommen werden mussten. (Zwischenruf des Abg. Kickl.) Ich möchte schon darauf hinweisen – Frau Kollegin Doppelbauer, Sie haben das auch erwähnt, und Herr Krainer hat das als Grunddevise seiner Fraktion ausgegeben –: Wir haben zu Beginn der Budgetberatungen im Budgetausschuss aktualisierte Daten vom Wifo bekommen, diese wurden eingearbeitet. Es macht aber überhaupt keinen Sinn, dem Budget alle 14 Tage quasi neue Zahlen zugrunde zu legen, weil wir natürlich nicht wissen, wie die Dinge sich entwickeln werden. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.)

Eines möchte ich schon sagen: Es kann auch sein, dass sich die Zahlen Gott sei Dank in eine andere Richtung entwickeln. Wenn wir uns alle an die Maßnahmen halten, um der Coronapandemie Einhalt zu gebieten, wenn wir Zuversicht haben, wenn wir Opti­mismus haben, wenn der Impfstoff da ist, dann können die Zahlen wieder in die andere Richtung gehen. Das ist auch die Grundlage dafür, dass wir uns diese Hilfen leisten können, denn wir sind eine starke Volkswirtschaft, und darauf können wir stolz sein. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

17.10



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 693

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Drozda. – Bitte.


17.10.49

Abgeordneter Mag. Thomas Drozda (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Regierungs­mitglieder! Es wäre jetzt natürlich reizvoll, auf die abenteuerlichen Thesen des Kollegen zu antworten. Ich werde dieser Versuchung widerstehen und stattdessen eine Sache vor­schlagen, die recht einfach ist und über die wir uns heute am Vormittag beim Kultur­bereich alle einig waren, nämlich dass es, wenn die Waffengeschäfte schon offen haben, möglich sein muss, dass die Buchhandlungen ihre Bücher zumindest ausliefern können. (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

Es wäre natürlich reizvoll, jetzt die beste Sendezeit dafür zu verwenden, einmal zurück­zublicken und zu schauen, wie absurd es eigentlich ist, dass XXXLutz offen hat und gleichzeitig die Theater zu sind, dass Humanic offen hat und gleichzeitig die Museen zu sind. Ich werde auch dieser Versuchung widerstehen.

Eine Sache – sie hat mit dem Budget elementar zu tun – schlage ich aber schon vor, nämlich die kleinen Buchhandlungen und die kleinen Buchhändler zu unterstützen und sie in die Lage zu versetzen, de facto einen Verkauf durchzuführen zu können.

In diesem Sinne bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Thomas Drozda, Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen betreffend „sofortige Ermöglichung von kontaktlosen Buch-Abholstationen im Lockdown“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Um unnötige Umsatzsteuerminderung zu verhindern, wird die Bundesregierung aufge­fordert, dem Nationalrat eine Vorlage vorzulegen, mit der es heimischen BuchhändlerIn­nen unverzüglich ermöglicht wird, ihren KundInnen kontaktlose Buch-Abholstationen im Inland anzubieten.“

*****

Heute um 11.30 Uhr waren die Buchhändler da, wir waren uns alle einig, wir haben alle in die Kameras gesprochen. Ich bin schon sehr gespannt, ob heute um 18 Uhr dann alle aufstehen werden. – Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

17.12

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Thomas Drozda, Sepp Schellhorn

KollegInnen und Kollegen

betreffend sofortige Ermöglichung von kontaktlosen Buch-Abholstationen im Lockdown

eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Budgetausschusses über die Regie­rungsvorlage (380 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2021 (Bundesfinanzgesetz 2021 – BFG 2021) samt Anlagen (449 d.B.), UG 16 (TOP 11)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 694

Zur Unterstützung der durch die Covid-19-Pandemie besonders betroffenen Branchen wurden auch steuerliche Maßnahmen beschlossen. Ab 1.7.2020 wurde beispielsweise eine Herabsetzung der Mehrwertsteuer auf 5 Prozent beschlossen. Im Kulturbereich gilt das unter anderem für Bücher, Broschüren, Zeitungen, Elektronischen Publikationen, Noten, Gemälde und Zeichnungen oder künstlerische Fotografien. Ebenfalls umfasst sind Umsätze aus der Tätigkeit als Künstler/in, Betrieb eines Theaters, Musik- und Gesangsaufführungen, Film- oder Zirkusvorführungen.

Diese Maßnahme hat sich bewährt und trägt zu einer Entlastung der Kulturbranche bei. Sie reicht jedoch nicht aus. Bereits derzeit ist absehbar, dass auch nach Ende des Lockdowns und der nötigen Maßnahmen zur Bekämpfung von Corona der Kultur­branche eine schwierige Zeit bevorsteht.

Für eine kurzfristige Überlebensperspektive des Buchhandels braucht es dringend eine weitere Maßnahme. Empörung herrscht aktuell im Buchhandel darüber, dass kontakt­lose Abholstationen für Kunden während des Lockdowns untersagt wurden. Durch Abholstationen können Versandkosten gespart werden und die Buchkultur ihre wichtige Funktion gerade im Lockdown erfüllen.

Die Branche steht vor dem Problem, dass durch den Versandhandel große Umsatzteile ins Ausland abwandern, es wäre daher auch für den inländischen Fiskus von Vorteil, wenn Buchhändler im Inland auch während des Lockdowns die Bücher online verkaufen und durch die Abholstationen den Österreicherinnen und Österreichern ausliefern könn­ten. So wird eine unnötige Umsatzsteuerminderung verhindert und die ohnehin vom Lockdown schwer betroffene Branche könnte davon profitieren.

Einmal mehr fehlen der Bundesregierung für die aktuellen, coronabedingten Probleme in der österreichischen Kulturlandschaft die richtigen Lösungen. Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Um unnötige Umsatzsteuerminderung zu verhindern, wird die Bundesregierung aufge­fordert, dem Nationalrat eine Vorlage vorzulegen, mit der es heimischen BuchhändlerIn­nen unverzüglich ermöglicht wird, ihren KundInnen kontaktlose Buch- Abholstationen im Inland anzubieten.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht somit mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Einwallner. – Bitte.


17.12.46

Abgeordneter Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Herr Finanzminister! Nach drei Tagen Budget­de­batte und Diskussion manifestiert sich leider das, was wir schon zu Beginn dieser Woche an Ihrem Budget kritisiert haben.

Zum zweiten Mal legen Sie dem Hohen Haus ein Budget vor, bei dem wir jetzt schon wissen, dass die Zahlen nicht stimmen werden. Sie hatten im März nicht einmal die Gnade, die Pandemiekosten im Ansatz hineinzukalkulieren und zu budgetieren. Diesmal


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 695

geht es Ihnen ganz ähnlich: Sie haben die Folgekosten des zweiten Lockdowns in diesem Budget nicht berücksichtigt.

Selbst wenn wir darüber hinwegsehen und dieses Adaptieren der Zahlen akzeptieren, entspricht so ein Budget, wie Sie es vorgelegt haben, nicht einem Budget, wie wir es in einer Krise brauchen. Aus unserer Sicht braucht es ein Krisenbudget, und ein Krisen­budget muss sich durch mehrere Punkte auszeichnen.

Es braucht einerseits Initiativen zugunsten der Arbeitsplätze – wir sehen eine der größten Arbeitslosigkeiten der Zweiten Republik –, und es braucht für die Unternehmen Hilfen und Unterstützungen, die kalkulierbar sind und auf die man sich verlassen kann. Es ist das Schlimmste für die Wirtschaft, dass die Verlässlichkeit vonseiten der Politik nicht da ist. Die Wirtschaft weiß nicht, worauf sie sich einstellen muss und wie sie reagieren soll. Verordnungen, Maßnahmen – Kollege Köllner hat es angesprochen –: Bei den Reisebüros, überall gibt es eigentlich ein Chaos. Das ist das Schädlichste für den Wirtschaftsstandort Österreich. (Beifall bei der SPÖ.)

Das Zweite: Ganz entscheidend wäre jetzt eine Entlastung der Bezieher von kleinen Einkommen, eine Steuerreform, die die Bezieher kleiner Einkommen entlastet und von den Konzernen und den Millionären einen Beitrag einfordert. Sie machen genau das Gegenteil: Sie belasten die Pensionistinnen und Pensionisten, indem Sie morgen die Hacklerregelung abschaffen wollen.

Meine Damen und Herren, der dritte Punkt – und der ist mindestens so wichtig – sind Investitionen. Jetzt kann man nicht sagen, dass dieses Budget keine Investitionen beinhaltet – das stimmt für den Umwelt- und Klimabereich nicht –, aber ich möchte ein Beispiel dafür nennen, wie und in welchem Bereich Investitionen auch möglich wären. In ganz Österreich ist eines ganz massiv Thema: Es geht um die Höhe der Mieten. Wohnen ist in diesem Land in ganz vielen Gegenden einfach nicht mehr leistbar. Ich komme aus Vorarlberg, da nehmen die Mietkosten schon sehr viel vom Einkommen weg. Gerade in Zeiten, in denen man in Kurzarbeit oder arbeitslos ist, ist das eine zusätzliche Belastung. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Kollegin Ruth Becher hat gestern einen Vorschlag eingebracht, der grundver­nünftig ist: Jetzt wäre die Möglichkeit, dass auch der Staat, der Bund in den Wohnbau investiert. Mit Mitteln der Europäischen Investitionsbank wäre das ganz einfach möglich, es ist finanzierbar. Wenn wir uns jetzt anstrengen, schaffen wir es, dass wir bis zu 30 000 Wohnungen im Jahr bauen, das wären 150 000 Wohnungen in einer Legislatur­periode. Das würde den Wohnungsmarkt entlasten, Mieten stabilisieren, Wohnen leist­bar machen, die Wirtschaft ankurbeln und die Menschen entlasten. Das wäre eine nach­haltige, zukunftsfähige Politik. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

17.16


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Taschner. – Bitte.


17.16.30

Abgeordneter Mag. Dr. Rudolf Taschner (ÖVP): Ich habe nur eine kurze Bemerkung (Zwischenruf des Abg. Leichtfried): Kollege Drozda hat gemeint, alle seien sich einig gewesen, dass die kleinen Buchhandlungen geöffnet werden sollen. Ich war dabei, ich war aber nicht dieser Meinung. Ich war der Meinung, dass es vernünftiger ist, dass man Vorsicht walten lässt, und man den Buchhändlern vielmehr empfehlen sollte, eine österreichische Onlineplattform zu gründen und dort ihre Bücher zu verkaufen. (Beifall bei der ÖVP. Zwischenruf des Abg. Drozda. – Ruf: Das geht sich aus! – Ruf bei der SPÖ: ... keine Ahnung! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Greiner. – Bitte.



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17.17.03

Abgeordnete Mag. Karin Greiner (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben am Dienstag, am ersten Tag, in der Generaldebatte bereits über die Situation der Gemeinden gesprochen. Nach dieser Debatte haben mich zahlreiche Hilferufe, Appelle von BürgermeisterInnen, Gemeinde­rätInnen und Bürgerinnen und Bürgern erreicht, wir mögen doch alles Erdenkliche unter­nehmen, damit wir den Gemeinden sofort und wirksam helfen können. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wie ist die Situation in den Gemeinden? – Zahlreiche Unternehmen, insbesondere kleine Unternehmen, Einzelunternehmen, wissen nicht, ob sie diese Krise überstehen, viele haben bereits aufgegeben. Die Gemeinden verzeichnen bittere Einbußen bei den Ertragsanteilen und den Kommunalsteuern. Wir haben für dieses Jahr immer von unge­fähr 2,5 Milliarden Euro gesprochen.

Kollege Hanger, Sie haben gesagt, es gibt keine aktuellen Zahlen. – Es gibt ganz aktuelle Zahlen dazu, wie drastisch die Auswirkungen dieser Krise wirklich sein werden, nämlich aus Ihrem Haus, Herr Bundesminister. Die Verluste bei den Ertragsanteilen, bei diesen Gemeindeeinnahmen, betragen für heuer – und geschätzt für nächstes Jahr – für Länder und Gemeinden mehr als 6 Milliarden Euro – 6 Milliarden Euro! Sie sagten, als wir noch von 2,5 gesprochen haben: Na, wir haben eh die 1 Milliarde Euro aus dem Kommunalinvestitionsgesetz. – Wie soll sich das ausgehen?

Die Gemeinden brauchen jetzt unsere sofortige Unterstützung. (Beifall bei der SPÖ.) Warum brauchen sie die? – Schulen, Kindergärten, Senioreneinrichtungen, Wasser, Abwasser, Infrastruktur – ökologische und Verkehrsinfrastruktur –: Wie sollen die Ge­meinden das bei diesen Verlusten erhalten, geschweige denn ausbauen können?

Sie sagen – das habe ich jetzt von den Kollegen gehört –, die Gemeindemilliarde wird so gut angenommen. – Nicht einmal die Hälfte der Mittel wurde bis dato abgeholt. Man muss dazusagen, dass eine 50-prozentige Kofinanzierung erforderlich ist. Was heißt denn das für finanzschwache Gemeinden? – Das heißt für diese, dass sie eben keinen gleichberechtigten Zugang zu diesem Fördertopf haben. Das ist nicht in unserem Sinne, und es ist bedauerlich, dass unser Fördermodell mit den 250 Euro pro Einwohner je Gemeinde von Ihnen abgelehnt wurde. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir wollen, dass die Gemeinden sofort tatkräftig und wirksam unterstützt werden. Sie müssen jetzt Investitionen tätigen können. Aus diesem Grund bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Karin Greiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sicherung der Gemeindefinanzen in der Krise“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen, wird aufgefor­dert, dem Nationalrat ehestmöglich, spätestens bis 30.11.2020, einen Gesetzesvor­schlag vorzulegen,

- mit dem der Bund den Gemeinden als Sofortmaßnahme die Gelder aus dem Kom­munalinvestitionsgesetz 2020, ohne Auflage von Investitionstätigung, noch im Dezem­ber 2020 auszahlt,

- und weiters ein neues Gemeindefinanzierungspaket für 2021 im Ausmaß von zumin­dest 2 Milliarden Euro auflegt, um einen Teil der 2020 entstandenen und 2021 noch


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kommenden CoV-Krise bedingten Finanzlücken ersetzen zu können und den Gemein­den zur Ankurbelung der Regionalwirtschaft Spielräume ermöglicht. Grundvorausset­zung dafür ist eine neue prozentuelle Vorgabe von maximal 25% Eigenfinanzierungs­anteil durch die Kommunen.“

*****

Sehr geehrter Herr Bundesminister, wir haben es gehört, 6 Milliarden Euro verlieren Länder und Gemeinden. Der Appell kann nur lauten – und er kommt von uns vehement –: Kümmern Sie sich bitte endlich um unsere Gemeinden! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

17.21

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Maga. Karin Greiner, Andreas Kollross, Alois Schroll

Genossinnen und Genossen

betreffend Sicherung der Gemeindefinanzen in der Krise

eingebracht im Zuge der Debatte zu Top 11 Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (380 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundes­vor­anschlages für das Jahr 2021 (Bundesfinanzgesetz 2021 – BFG 2021) samt Anlagen (449 d.B.), in der 62. Sitzung des Nationalrates, zur Untergliederung 44

Begründung

Die aktuell größte Gesundheitskrise unserer Zeit hat gravierende Auswirkungen auf das Leben der Österreicherinnen und Österreicher, weder sind derzeit die gesundheitlichen noch die wirtschaftlichen Folgen abschätzbar. Bedingt durch die Maßnahmen der ÖVP/Grüne-Bundesregierung, insbesondere der neuerliche Lockdown im November 2020 lassen die Einnahmen ganzer Branchen wegbrechen. Diese Entwicklungen haben auch massive Auswirkungen auf die Gemeindefinanzen und treffen die Bevölkerung daher doppelt.

Bereits im Frühjahr hat die SPÖ auf die prekäre Situation der Gemeindefinanzen hingewiesen und mehrfach Anträge eingebracht, die eine Problemlösung aufzeigen. Das von der schwarzgrünen Regierung beschlossene Kommunalinvestitionspaket hilft nur jenen Gemeinden, die über eine entsprechende Finanzkraft verfügen um den 50%igen-Eigenanteil der Investitionen finanzieren zu können. Die Einnahmenausfälle bei den Ertragsanteilen durch das einbrechende Steueraufkommen, der Kommunalsteuer und den lokalen Tourismusabgaben haben vielerorts ein Niveau erreicht, dass die Finan­zierung selbst der laufenden Gemeindeausgaben nicht mehr zur Gänze sicherstellt – an regionale Konjunkturmaßnahmen zur Bekämpfung der Krise ist gar nicht zu denken.

Die SPÖ hat einen wirksamen Vorschlag gemacht, der Gemeinden je Hauptwohnsitz gemeldetem Einwohner völlig unbürokratische 250€ Bedarfszuweisung überwiesen hätte. Der Antrag wurde auf Grund der Nicht-Behandlung durch ÖVP/Grüne auch im Bundesrat eingebracht und auch dort von Schwarz-Grün abgelehnt.

Nicht nur der gut ausgebaute Sozialstaat, sondern auch die Leistungen der Gemeinden und deren Angebote für die Bürgerinnen und Bürger haben in der Krise wesentliche stabilisierende Funktionen. Gemeinden und Städte brauchen eine 100%ige Abgeltung des finanziellen Ausfalls der Coronakrise. Kommunen sind für Kinderbetreuung,


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Rettungs- u­nd Feuerwehrwesen, Schulerhaltung, Spitalsfinanzierung, Abwasserent­sorgung und Wasserversorgung und vieles mehr zuständig.

Angesichts der sich weiter verschlechternden Situation durch den zweiten Lockdown, dessen Dauer immer noch nicht abzusehen ist, sowie der Mehrwertsteuersenkungen für manche Bereiche, was sich ebenfalls auf eine zusätzliche Reduktion der Ertragsanteile auswirkt, benötigen die Gemeinden dringend Finanzmittel um die Leistungen für die Bevölkerung aufrecht erhalten zu können. Das KIG 2020 reicht hier leider, wie von uns vorausgesagt, bei weitem nicht aus.

Der Umstand, dass Gemeinden die Förderung vom Bund aus dem Kommunal­inves­titionsgesetz erst nutzen können, wenn sie selber 50% der Gesamtmittel selber auf­bringen, geht an der durch die aktuelle CoV-Krise ausgelöste, sich wöchentlich verschär­fen­den finanziellen Situation der Kommunen vorbei. Nur um die Förderung vom Bund nach dem KIG 2020 zu bekommen, können keine Gelder für zusätzliche Investitionen seitens der Gemeinden aufgestellt werden, wenn nicht einmal die laufenden Ausgaben durch die sinkenden Einnahmen ausfinanziert sind. Im Ergebnis können die Gemeinden das Geld nicht abholen und der Bund es nicht ausbezahlen. Aus diesem Grund ist eine Novelle des KIG 2020 nötig, damit die Gemeinden auch ohne 50% Eigenfinanzierung den auf sie entfallenden Zweckzuschuss noch heuer vom Bund ausbezahlt erhalten können. 

Aus diesen Gründen stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen, wird aufgefor­dert, dem Nationalrat ehestmöglich, spätestens bis 30.11.2020, einen Gesetzesvor­schlag vorzulegen,

- mit dem der Bund den Gemeinden als Sofortmaßnahme die Gelder aus dem Kom­munalinvestitionsgesetz 2020, ohne Auflage von Investitionstätigung, noch im Dezem­ber 2020 auszahlt,

- und weiters ein neues Gemeindefinanzierungspaket für 2021 im Ausmaß von zu­mindest

2 Milliarden Euro auflegt, um einen Teil der 2020 entstandenen und 2021 noch kom­menden CoV-Krise bedingten Finanzlücken ersetzen zu können und den Gemeinden zur Ankurbelung der Regionalwirtschaft Spielräume ermöglicht. Grundvoraussetzung dafür ist eine neue prozentuelle Vorgabe von maximal 25% Eigenfinanzierungsanteil durch die Kommunen.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Lausch. – Bitte.


17.21.30

Abgeordneter Christian Lausch (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Her­ren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Zum Abschluss dieser Plenartage muss ich mich auch noch einmal zu Wort melden.


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Für die eine Fraktion ist der öffentliche Dienst ein Kostentreiber – Mittagspause und Pensionen und so weiter und so fort. Für uns Freiheitliche ist der öffentliche Dienst eine ganz wichtige Einrichtung für diese Republik, und ich bedanke mich noch einmal bei den über 140 000 öffentlich Bediensteten; Landesbediensteten, Gemeindebediensteten, bei den Kindergärtnerinnen, bei den Pflichtschullehrern, bei den Lehrern, bei den Polizisten, bei den Soldaten, bei der Justizwache und so weiter. Man sieht jetzt in der Krise, wenn man durch die Straßen von Wien geht, die Polizisten, die mit schwerem Gerät ausge­stattet sind und für unser aller Sicherheit in dieser Republik sorgen. Man sieht, wie wich­tig der öffentliche Dienst ist.

Wenn man das Budget genauer anschaut und sieht, wie bei dieser Budgetierung 2021 teilweise mit diesen Berufsgruppen umgegangen wird und wie geringschätzend man sich eigentlich verhält, dann muss ich sagen, dass das schändlich ist – und nicht nur das. Es geht nicht nur ums Geld, es geht generell um den Umgang mit dem öffentlichen Dienst – man denke nur an die Pflichtschullehrerinnen und Pflichtschullehrer.

Man macht im Frühjahr einen Lockdown, schließt die Schulen; dann hat vieles schon darauf hingedeutet, dass diese übernervöse Bundesregierung wahrscheinlich, wenn die Zahlen ansteigen, im Herbst wieder so etwas Ähnliches plant, aber es wurde immer gepredigt: Die Pflichtschulen bleiben offen.

Noch wenige Tage, bevor der Lockdown in Kraft getreten ist, hat man gesagt, die Pflichtschulen werden nicht geschlossen. Gestern konnte man am Gesicht von Bundes­minister Faßmann deutlich ablesen, dass das, was man da aufgeführt hat, nicht die Zu­stimmung des Bildungsministers findet.

Man hat die weiterführenden Schulen mehr schlecht als recht auf Schulschließungen, auf E-Learning vorbereitet. Was man aber absolut nicht gemacht hat, ist, die Pflicht­schulen darauf vorzubereiten; und die Pflichtschulen leiden. Ich weiß nicht, wie viele Lehrer sich an die Regierungsfraktionen gewandt haben. Bei uns haben sehr viele Pflichtschullehrer ihr Erschrecken, ihren Protest über diesen Umgang ausgedrückt. Man hat ihnen immer verklickert: Ihr habt kein Distancelearning, ihr habt kein E-Learning, die Schulen, die Pflichtschulen bleiben offen! , und dann geht man her und schließt einfach die Pflichtschulen. Das ist absolut nicht in Ordnung! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das ist ein Verbrechen an den Kindern, gar keine Frage. Man weiß: Pflichtschule ist Grundschule, der wichtigste Teil. Was man dort versäumt und nicht lernt, holt man sehr, sehr schlecht wieder auf. Alle, die selbst Kinder haben, werden das wissen, aber so sei es. Mir geht es allerdings auch um die Lehrer, die materiell unvorbereitet in diese Situation hineingestoßen werden und von denen man dann erwartet, dass sie unsere Kinder – unsere Zukunft – bestmöglich ausbilden. Also für den öffentlichen Dienst hat diese Bundesregierung nichts übrig, und da schaue ich in Richtung ÖVP.

Ihr habt den Anspruch, dass ihr für den öffentlichen Dienst, für die Beamten da seid, schon lange aufgegeben, und ich sage euch: Bei jeder Personalvertretungswahl werdet ihr das spüren (Heiterkeit bei der ÖVP), und die Bundesregierung wird das auch bald spüren, denn die Leute sind mehr als angefressen. Da geht es nicht nur um Geld, da geht es auch um den Umgang, da geht es auch darum, wie man gewisse Dinge kund­macht. Da geht es auch um ein gewisses Herumgegrinse von der Regierungsbank, darum, dass man gewisse Dinge lustig findet. Wir finden das nicht mehr lustig, und auch die Bevölkerung findet das nicht lustig. Sie in der Regierung werden auch dafür die Rechnung präsentiert bekommen. (Beifall bei der FPÖ.)

In diesem Sinne hoffe ich, Herr Bundesminister, dass Sie doch etwas aus den Budget­beratungen mitnehmen. Man kann ja bei dem einen oder anderen vielleicht noch ein bisschen nachbessern. Man kann auch lernen, dafür ist es nie zu spät. Herr Blümel, Sie


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haben uns schon das eine oder andere Mal mit gewissem Zahlenmaterial, das Sie vorgelegt haben, sehr, sehr enttäuscht; aber ja, probieren wir es weiter, schauen wir, was das für den öffentlichen Dienst bringt! Ein Reißer ist dieses Budget nicht, aber das haben wir uns eh nicht erwartet – leider Gottes. Es wäre aber schon wichtig, weil das Budget für den Staat eben die Basis ist, um etwas auf die Beine zu stellen. Wenn man sich dieses Budget so anschaut, weiß man aber, dass da nicht sonderlich viel weitergehen wird. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

17.26


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Blimlinger. – Bitte.


17.27.06

Abgeordnete Mag. Eva Blimlinger (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Anknüpfend an meinen Vorredner möchte ich sagen: Der öffentliche Dienst hat heute wirklich einen guten Tag. 1,45 Prozent Bezugserhöhung wurde normiert (Beifall bei Grünen und ÖVP), und ich glaube, das ist ein voller Erfolg. (Abg. Lausch: Inflation! – Abg. Martin Graf: Zu wenig!) Es ist dem Finanzminister und dem Vizekanzler zu danken.

In diesen Zeiten gibt es wirklich eine hohe Belastung, insbesondere für Beamtinnen und Beamte, ich spreche zum Beispiel von den Lehrerinnen und Lehrern, Polizistinnen und Polizisten, vom Bundesheer, aber auch allen anderen in der Verwaltung. Ich habe das bereits gestern erwähnt: Es ist ja wirklich so, dass sie den Staat repräsentieren und diesen Staat auch fundieren.

Den Kollegen und Kolleginnen von den NEOS, die ja immer einen schlanken Staat wollen, sage ich: Ich bin froh darüber, dass er nicht so schlank ist – das hängt vielleicht auch mit meiner eigenen Figur zusammen –, aber vor allem bin ich wirklich froh darüber, dass wir eine Struktur haben, die es ermöglicht, durch diese Situation zu kommen. Diese 1,45 Prozent sind in Zeiten wie diesen wirklich ein würdevoller und guter Bezugs­ab­schluss. Ich höre schon wieder das Beamtinnen- und Beamtenbashing: Die richten sich’s wieder! – Nein, sie haben es verdient, es steht ihnen zu! (Abg. Lausch: Reden Sie weiter! Alles gut!)

Im Übrigen bin ich dafür, dass die Windisch-Kaserne in Richard-Wadani-Kaserne umbenannt wird. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

17.28


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Matznetter. – Bitte.


17.28.51

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Rudolf Goldscheid war der Doktorvater eines gewissen Joseph Schumpeter. Dieser Goldscheid hat schon vor 100 Jahren im Rahmen seiner Finanzsoziologie er­kannt, dass das Budget das von jeder verbrämenden Ideologie befreite nackte Skelett der Politik ist.

Jetzt konnten Sie drei Tage lang eine Debatte verfolgen, gefühlte – wie viele, Sepp Schellhorn? – 150 000 Danke von ÖVP-Abgeordneten und jetzt in dieser Diskussion ein Geständnis, ein echtes Geständnis, abgeliefert von Abgeordnetem Karlheinz Kopf und noch einmal von Abgeordnetem Hanger, hören: Es würde gar nichts bringen, wenn wir im Budgetausschuss neu verhandeln, wenn wir das Budget im Dezember beschließen (Zwischenruf des Abg. Kopf); wir wissen es heute nicht, wir würden es im Dezember


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nicht wissen, und wir würden es nächstes Jahr auch nicht wissen. – Also mehr an Eingeständnis dieser Performance und der Fähigkeiten dieser Bundesregierung und der Regierungsfraktionen kann man gar nicht erwarten. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren, es ist bald drei Wochen her, dass uns beim Hearing die Professoren Badelt vom Wifo und Kocher vom IHS schon gesagt haben, dass sie ein Extremszenario haben, nach dem unsere Wirtschaft heuer gegen 9 Prozent schrumpft und auch das Wachstum nächstes Jahr deutlich zurückfällt. Schon das hätten Sie anpassen müssen, konnten es aber nicht, denn: Sie können es nicht.

Meine Feststellung dazu: Sie beschließen heute mit Regierungsmehrheit ein Budget, das Ausdruck der einbekannten Unfähigkeit ist, eines vorzulegen, das auch passt. Das nehmen wir zur Kenntnis. Es ist auch kein Wunder, dass die vier kritischen Fragen von Jan Krainer bis zum Ende dieser Debatte nicht beantwortet wurden, weil sie wahrscheinlich nicht beantwortet werden können, und die Spitäler haben weiterhin zu wenig Geld. – So viel zur Haltbarkeit Ihres Voranschlags. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.31


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Abgeordneter Ottenschläger ist zu Wort gemel­det. – Bitte.


17.31.28

Abgeordneter Andreas Ottenschläger (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Herr Kollege Matznetter, es stimmt ja, dass ein Budget unter anderem auch auf Basis von Prognosen von Wirtschaftsforschern erstellt wird. So weit sind wir uns ja einig.

Haben Sie sich jetzt einmal gefragt, wie viele Budgetprognosen es dieses Jahr gegeben hat, die kurze Zeit später – nämlich teilweise ein, zwei Wochen später – schon ganz anders ausgesehen haben? – Und Sie stellen sich her und sagen, der Finanzminister kann es nicht, weil er sich auf Prognosen stützt, die unmittelbar vor einem Budgetbe­schluss erstellt werden! Irgendwann gibt es dann einmal ein Budget, das wir beschließen müssen, damit wir den Österreicherinnen und Österreichern eine entsprechende Sicher­heit, einen Ausblick geben können, was die ins Budget gegossenen Zahlen für die Politik und für die Menschen in diesem Land bedeuten. Es waren viele Prognosen, und sie haben sich leider auch immer wieder als falsch herausgestellt. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.) Das ist kein Vorwurf an die Wirtschaftsforscher, sondern es ist eine Tatsache, dass wir in Zeiten leben, die unruhig und nicht immer vorhersehbar sind, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Insofern ist dieser Vorwurf – Sie sind ja Wirtschaftsprüfer – eigentlich nicht seriös, und das wissen Sie auch ganz genau. (Abg. Matznetter: ... Sie können es nicht! Das ist ja ganz einfach!)

Ich möchte aber noch auf ein paar Punkte eingehen, die in der Debatte angesprochen wurden. Ich glaube, es war Frau Kollegin Doppelbauer – korrigieren Sie mich! –: Sie haben vom Peanutsverteilen gesprochen, stimmt das? (Ruf bei den NEOS: War sie nicht!) – Dann entschuldige ich mich, dann war es jemand anderer. Eine der Vorred­nerinnen hat davon gesprochen, dass der Herr Finanzminister Peanuts verteilt. (Unruhe im Saal. – Zwischenruf des Abg. Matznetter.) – Entschuldigung, ja, Verzeihung. Dann frage ich Sie: Die Anhebung der kleinen Pensionen, die Senkung des Eingangssteuer­satzes für alle Steuerzahler, um die Kaufkraft zu stärken, die zusätzliche Unterstützung für Familien – sind das aus Ihrer Sicht alles Peanuts? – Wir glauben das nicht. Oder die Unterstützung der Unternehmen – die Investitionsprämie, der Umsatzersatz, die Kurz­arbeit für die Arbeitnehmer –: Es sind Milliardenbeträge, die bewegt werden, um eine Stabilität zu gewährleisten, wie wir sie jetzt brauchen. Milliardenbeträge – das sind keine


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Peanuts, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ein letzter Punkt, der von der SPÖ auch immer sehr kritisiert wird: Einer der Vorredner hat über die Hilfe für Konzerne gesprochen. Jetzt frage ich Sie: Erstens, beschäftigen Konzerne keine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diesem Land? Haben sie deswegen keinen Anspruch auf entsprechende Unterstützung, damit diese MitarbeiterInnen in Beschäftigung gehalten werden? – Das frage ich Sie wirklich allen Ernstes. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Abgesehen davon, dass diese Hilfen auch entsprechend dem EU-Beihilfenrecht ge­deckelt sind (Ruf bei der SPÖ: Was ist mit den Steuerleistungen der Konzerne?), sage ich Ihnen schon eines: Sie sind diejenigen, die dann immer fragen, warum wir diesem einzelnen Großkonzern nicht mehr geholfen haben, und Sie stellen sich dann hier ans Rednerpult und sagen, wir unterstützen die Konzerne!

Überlegen Sie sich, was Sie wollen! (Rufe bei der SPÖ: Steuerleistungen!) Wir wissen, was wir wollen: Wir wollen für möglichst viel Beschäftigung in diesem Land sorgen, für Stabilität, und das tut diese Bundesregierung mit diesem Budget. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

17.35

17.35.24


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist nun niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist damit geschlossen.

Wünscht die Berichterstattung ein Schlusswort? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Bevor wir in den Abstimmungsvorgang eingehen, darf ich die Klubobleute fragen, ob wir abstimmen können. – Dies ist der Fall.

Dann können wir mit den Abstimmungen beginnen.

Wir kommen zuerst zur Abstimmung über die vorliegenden Rückverweisungsanträge.

Zu Tagesordnungspunkt 10 liegt ein Rückverweisungsantrag des Abgeordneten Krainer vor.

Ich lasse daher sogleich darüber abstimmen, den Entwurf betreffend BFRG 2021 bis 2024 in 448 der Beilagen nochmals an den Budgetausschuss zu verweisen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, daher abgelehnt.

Zu Tagesordnungspunkt 11 liegt ebenfalls ein Rückverweisungsantrag des Abgeord­neten Krainer vor.

Ich darf wiederum darüber abstimmen lassen, den Entwurf betreffend Bundesfinanz­gesetz 2021 samt Anlagen in 380 der Beilagen unter Berücksichtigung der dem Aus­schussbericht 449 der Beilagen angeschlossenen Änderungen nochmals an den Bud­getausschuss zu verweisen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist ebenfalls die Minderheit, daher abgelehnt.

Wir kommen zu den Abstimmungen zu Tagesordnungspunkt 10, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzrahmengesetz 2021 bis 2024 erlassen wird, in 448 der Beilagen.

Hierzu haben die Abgeordneten Obernosterer, Jakob Schwarz, Kolleginnen und Kolle­gen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 703

Ich darf zuerst über den vom Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag betroffenen Teil und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzent­wurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Obernosterer, Jakob Schwarz haben einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag betreffend § 4 eingebracht.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit, daher angenommen.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschuss­berichtes.

Wer dafür ist, den darf ich ebenfalls um ein Zeichen der Zustimmung bitten. – Das ist wieder die Mehrheit und daher angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Wer auch in dritter Lesung dafür ist, dem vorliegenden Gesetzentwurf die Zustimmung zu geben, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Mehrheit.  Damit ist der Ge­setzentwurf auch in dritter Lesung angenommen.

Wir kommen jetzt zu den Abstimmungen über Tagesordnungspunkt 11: Bundesfinanz­gesetz 2021 samt Anlagen in 380 der Beilagen unter Berücksichtigung der sich aus dem Ausschussbericht 449 der Beilagen ergebenden Änderungen.

Hierzu liegt ein Verlangen auf getrennte Abstimmung vor.

Ich werde daher zunächst über die vom Verlangen auf getrennte Abstimmung betrof­fenen Teile der Anlage I und dann über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile der Anlagen I bis IV sowie den Text des Bundesfinanzgesetzes 2021 abstimmen lassen.

Die zum Entwurf des Bundesfinanzgesetzes 2021 samt Anlagen eingebrachten Ent­schließungs­anträge werde ich im Anschluss an die dritte Lesung in der Reihenfolge ihrer Einbringung abstimmen lassen.

Wir kommen nun zur getrennten Abstimmung über die Untergliederungen 01 bis 06 der Anlage I in der Fassung der Regierungsvorlage.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile der Anlage I sowie über die Anlagen I.a bis IV und über den Text des Bundesfinanz­gesetzes 2021 samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungsvorlage in 380 der Beilagen unter Berücksichtigung der dem Ausschussbericht 449 der Beilagen angeschlos­senen Änderungen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit ange­nommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Wer auch in dritter Lesung dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist ebenfalls die Mehrheit. Daher ist der Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ange­nommen.

Wir gelangen nun zu den Abstimmungen über die zu Tagesordnungspunkt 11 einge­brachten Entschließungsanträge in der Reihenfolge ihrer Einbringung.

Entschließungsantrag der Abgeordneten Fürst, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schaffung eines Verbotsgesetzes für den politischen Islam“.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 704

Wer dafür ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Entschließungsantrag der Abgeordneten Fürst, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Förderstopp für den politischen Islam durch den NPO-Fonds“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Entschließungsantrag der Abgeordneten Drozda, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Widmung der gesamten Einnahmen aus der Digitalsteuer für die Medienförderung“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Entschließungsantrag der Abgeordneten Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ausreichend Bewegung sicherstellen und Sportstätten öffnen“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Entschließungsantrag der Abgeordneten Drozda, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Reparatur des Umsatzersatzes im Lockdown“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Entschließungsantrag der Abgeordneten Reifenberger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erhöhung der Basisabgeltung für Bundesmuseen, Österreichische Nationalbibliothek und Bundestheater ab 2021“.

Wer dafür ist, den bitte ich um entsprechende Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Troch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „die aktuelle Situation in der Westsahara“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Entschließungsantrag der Abgeordneten Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen betreffend „den Schutz für die ungarische LGBTI-Community“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Entschließungsantrag der Kollegen Lausch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „bessere budgetäre und personelle Ausstattung der Justizwache“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Entschließungsantrag der Abgeordneten Lausch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Einbeziehung der Insassen von Justizanstalten in die gesetzliche Krankenversiche­rung“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist ebenfalls die Minderheit, abge­lehnt.

Entschließungsantrag der Abgeordneten Ries, Kolleginnen und Kollegen betreffend „finanzielle Besserstellung der Exekutive“.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 705

Wer dafür ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Entschließungsantrag der Abgeordneten Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend „faire Pensionen für Frauen“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Entschließungsantrag der Abgeordneten Rainer Wimmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „die abschlagsfreie Pension nach 45 Arbeitsjahren muss bleiben!“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Entschließungsantrag der Abgeordneten Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen be­treffend „Beibehaltung und Adaptierung der abschlagsfreien Pensionen mit 540 Bei­trags­monaten für alle Berufsgruppen“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „1.000-Euro-Österreich-Gutschein“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Entschließungsantrag der Abgeordneten Kucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ein starkes öffentliches Gesundheitssystem“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Entschließungsantrag der Abgeordneten Hauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schadensabgeltung nach dem Epidemiegesetz zur Bewältigung der COVID-19-Krise“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Entschließungsantrag der Abgeordneten Bösch, Laimer, Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend „dringend notwendige budgetäre Mittel für einen verfassungskonformen Zustand des Heeres“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Entschließungsantrag der Abgeordneten Bösch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Kostenersatz für Assistenz- und Unterstützungsleistungen des Heeres“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Entschließungsantrag der Abgeordneten Angerer, Kolleginnen und Kollegen betref­fend „dringende Umsetzung des Fixkostenzuschuss II sowie Ermöglichung eines Um­satz­ersatzes für alle auch indirekt vom zweiten Lockdown betroffenen Unternehmen“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Cornelia Ecker, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend „faire und nachhaltige Verteilung der öffentlichen Steuer­gelder des Waldfonds dringend gefordert“.

Wer dafür ist, den bitte ich um entsprechende Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Entschließungsantrag der Abgeordneten Cornelia Ecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erhalt der ELER-Fördermaßnahme ‚Soziale Angelegenheiten‘ (Soziale Dienstleistungen, SDL) im Programm für die ländliche Entwicklung“.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 706

Wer dafür ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Entschließungsantrag der Abgeordneten Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „freiheitlicher Rettungsschirm für die Landwirtschaft“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Entschließungsantrag der Abgeordneten Köllner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Rettet die Reisebranche“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Hauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Gewerbetreibenden helfen – Schikanen beim Fixkostenzuschuss und Umsatzersatz beenden“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Entschließungsantrag der Abgeordneten Hammerschmid, Kolleginnen und Kollegen betreffend „verstärkter Ausbau der Ganztagsschulen“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Entschließungsantrag der Abgeordneten Brückl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ausreichende Budgetmittel für Schulschließungs- und Lockdown-Verlierer“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Entschließungsantrag der Abgeordneten Kassegger, Kolleginnen und Kollegen betref­fend „kein Budget für islamischen Fundamentalismus an den Universitäten“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Entschließungsantrag der Abgeordneten Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen be­treffend „Unterstützung von gemeinnützigen Studierendenwohnheimen“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Entschließungsantrag der Abgeordneten Holzleitner, Kolleginnen und Kollegen be­treffend „flächendeckende Umsetzung des Chancenindex“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Auch das ist die Minder­heit, abgelehnt.

Entschließungsantrag der Abgeordneten Martin Graf, Kolleginnen und Kollegen be­treffend „keine Zwangs-Exmatrikulation von Studierenden wie Sigrid Maurer und Sebastian Kurz“. (Heiterkeit.)

Wer dafür ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Stärkung der Digitalen Kompetenzen aller Lehrkräfte“.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 707

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Entschließungsantrag der Abgeordneten Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend „umfassendes Gender Budgeting umsetzen“.

Ich darf die Damen und Herren, die dem zustimmen, um ein Zeichen ersuchen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Entschließungsantrag der Abgeordneten Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erhöhung des Budgets für Frauenangelegenheiten und Gleichstellung“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Auch das ist die Minderheit, abgelehnt.

Entschließungsantrag der Abgeordneten Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen be­treffend „Erhöhung der Nettoersatzrate beim Bezug des Arbeitslosengeldes (COVID-19-Maßnahme)“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Entschließungsantrag der Abgeordneten Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen be­treffend „Erhöhung der Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Entschließungsantrag der Abgeordneten Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Vereinbarkeitsmilliarde für den Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Entschließungsantrag der Abgeordneten Holzleitner, Kolleginnen und Kollegen be­treffend „Kinder haben Rechte! Kinderrechte in den Fokus rücken.“.

Wer dafür ist, wird um ein entsprechendes Zeichen gebeten. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Entschließungsantrag der Abgeordneten Alois Stöger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „rasche Umsetzung des 1-2-3-Tickets“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Deimek, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Budgetmittel für eine Nationale Taskforce ‚Covid-19-Evidenz‘“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Entschließungsantrag der Abgeordneten Hafenecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs – Umsetzung ‚Nahverkehrsmilliarde‘ jetzt!“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Entschließungsantrag der Abgeordneten Rauch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Zahlungen für Klimaschutzmaßnahmen im Ausland im Zuge der COVID-19-Wirtschafts­krise streichen“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen der Zustimmung. – Das ist in der Minderheit geblieben, daher abgelehnt.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung, 17. bis 19. November 2020 / Seite 708

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „CO2 durch Humusaufbau binden“. (Heiterkeit des Abg. Wöginger.)

Wer dafür ist, den darf ich um ein entsprechendes Zeichen bitten. – Das ist die Minder­heit, abgelehnt.

Entschließungsantrag der Abgeordneten Drozda, Schellhorn, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend „sofortige Ermöglichung von kontaktlosen Buch-Abholstationen im Lock­down“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Auch das ist die Minder­heit, abgelehnt.

Entschließungsantrag der Abgeordneten Greiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sicherung der Gemeindefinanzen in der Krise“.

Wer für diesen Entschließungsantrag ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

17.51.08Einlauf


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf bekannt geben, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 993/A(E) bis 1062/A(E) eingebracht worden sind.

*****

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Die nächste Sitzung des Nationalrates berufe ich für 17.51 Uhr – das ist gleich im Anschluss an diese Sitzung – ein.

Diese Sitzung ist geschlossen.

Schluss fehlt! / wie auch immer eingefügt werden wird:

17.51.33Schluss der Sitzung: 17.51 Uhr

Impressum:

Parlamentsdirektion

1017 Wien